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2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF

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Parteienrecht im Spiegel der Rechtsprechung MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg.<br />

Parteienrecht im Spiegel der<br />

Rechtsprechung<br />

1. Grundlagen zum Parteienrecht<br />

Die Streitbare Demokratie des Grundgesetzes<br />

bietet die Möglichkeit, Parteien und Organisationen,<br />

die die freiheitliche demokratische Grundordnung<br />

beseitigen wollen, zu verbieten. Gerade<br />

das Instrument des Parteiverbotes scheint vor<br />

dem Hintergrund des 2003 gescheiterten Verbotsverfahrens<br />

gegen die NPD derzeit allerdings<br />

mehr Fragen aufzuwerfen, als es Lösungen im<br />

Kampf gegen den Rechtsextremismus anzubieten<br />

vermag. Die Diskussionen ranken sich dabei<br />

um Sinn und Zweck, aber auch die Erfolgsaussichten<br />

eines erneuten Verfahrens angesichts der<br />

„hohen Hürden“, die das Bundesverfassungsgericht<br />

1 für ein Parteiverbot aufgestellt hat 2 . Einen<br />

wesentlichen Aspekt blendet die Parteiverbotsdebatte<br />

bislang aber allzu sehr aus: die Rechtsprechung<br />

des Europäischen Gerichtshofs für<br />

Menschenrechte (EGMR), der auf der Grundlage<br />

der Europäischen Menschenrechtskonvention<br />

(EMRK) eigene demokratische und rechtsstaatliche<br />

Standards eines Parteiverbots entwickelt<br />

hat 3 . Dieser Problemkreis wird Gegenstand einer<br />

Expertentagung des <strong>PRuF</strong> am 04. Mai <strong>2012</strong> sein.<br />

Die Rechtsprechung des EGMR kann mit Blick<br />

auf die deutsche Rechtslage und die Rechtsprechung<br />

des Bundesverfassungsgerichts durchaus<br />

als weiterer potentieller Stolperstein auf dem<br />

Weg zu einem erfolgreichen NPD-Verbot betrachtet<br />

werden 4 . Allerdings ist das Instrument<br />

1 BVerfGE 107, 339 ff. – NPD-Verbotsverfahren.<br />

2 Dazu etwa Hans Peter Bull, Hohe Karlsruher Hürden<br />

und kaum Hoffnung, in: Legal Tribune ONLINE vom<br />

19. August 2011, http://www.lto.de/de/html/nachrichten/<br />

4067/npd_verbotsverfahren_hohe_karlsruher_huerden<br />

_und_kaum_hoffnung/ (abgerufen 08.02.<strong>2012</strong>).<br />

3 Grundlegend dazu das Urteil des EGMR vom<br />

13.02.2003 zur Auflösung der türkischen Refah Partisi<br />

(Wohlfahrtspartei) durch den türkischen Verfassungsgerichtshof,<br />

in: NVwZ 2003, 1489-1496.<br />

4 Dazu Sebastian Roßner, NPD-Verbot – Deutschland<br />

vergisst Europa, in: Legal Tribune ONLINE vom 02.<br />

Februar <strong>2012</strong>, http://www.lto.de/de/html/nachrichten/<br />

5472/npd-verbot-deutschland-vergisst-europa/ (abgerufen<br />

08.02.<strong>2012</strong>).<br />

132<br />

des Parteiverbotes kein Allheilmittel gegen<br />

Rechtsextremismus. Die derzeit stark auf ein<br />

Verbot der NPD fokussierte öffentliche Diskussion<br />

darf deshalb nicht den Blick dafür verstellen,<br />

dass es daneben weiterer Anstrengungen bedarf.<br />

Einen weiteren wichtigen Schritt markiert<br />

das Urteil des BVerwG 5 , das das Verbot des<br />

Vereins „Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ)<br />

durch das Bundesministerium des Innern als<br />

rechtmäßig bestätigt hat. Bei der HDJ handelt es<br />

sich um eine rechtsextremistische Jugendorganisation,<br />

deren wesentliches Betätigungsfeld in der<br />

Organisation von Lagern und Fahrten bestand,<br />

um Jugendliche und Kinder an rechtsextremistisches<br />

Gedankengut heranzuführen. Das Bundesverwaltungsgericht<br />

attestierte dem Verein in<br />

Programm, Vorstellungswelt und Gesamtstil<br />

eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus<br />

und insbesondere mit der früheren Hitlerjugend<br />

und damit eine zum Verbot führende<br />

Zielrichtung gegen die verfassungsmäßige Ordnung.<br />

Mit dem Vereinsverbot sind weitere Entscheidungen<br />

verbunden, so die Auflösung des<br />

Vereins, ein Kennzeichenverbot, die Beschlagnahme<br />

und Einziehung des Vereinsvermögens,<br />

insbesondere aber auch das Verbot der Bildung<br />

von Ersatzorganisationen (§ 3 I 1 Hs. 2 und S. 2<br />

Nr. 1, § 8 I, § 9 I 1 und § 11 VereinsG). Gerade<br />

das Wiederbetätigungsverbot ist – wiewohl unerlässlich<br />

– in der Rechtspraxis durchaus problembehaftet,<br />

wie sich auch am Beispiel des Verbots<br />

der HDJ erweist. Schon dieser nun verbotene<br />

Verein stand dem Grunde nach in der Tradition<br />

der bereits 1994 verbotenen "Wiking-Jugend"<br />

(WJ). Einer Einstufung als verbotene Ersatz-/<br />

Nachfolgeorganisation stand aber unter anderem<br />

in formaler rechtlicher Betrachtung entgegen,<br />

dass die HDJ bereits 1990, also vier Jahre vor<br />

dem Verbot der WJ, gegründet wurde. Aufgrund<br />

der Tendenz zur Schaffung loser rechtsextremer<br />

Netzwerke, die sich durch eine nur schwer zu<br />

beobachtende ständig wechselnde Verknüpfung<br />

organisatorisch ungebundener rechtsextremistischer<br />

Vereinigungen auszeichnen, stehen regel-<br />

5 BVerwG, Urteil vom 01.09.2010 – 6 A 4/09, in: NVwZ-RR<br />

2011, 14-<strong>18</strong>; dazu Werner Neumann, Vors.<br />

RiBVerwG, Anmerkung zu: BVerwG, Urteil vom<br />

01.09.2010 – 6 A 4/09, in: jurisPR-BVerwG 25/2010<br />

Anm. 3 vom 13.12.2010.

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