2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF
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Aufgespießt Martin Schultze – Wirkung des Wahl-O-Mat auf Bürger und Parteien MIP 2012 18. Jhrg. handlung der Parteien gemäß § 5 PartG verstoße. Der Wahl-O-Mat wurde damit für diese Landtagswahl abgesagt. Seither werden alle zugelassenen Parteien zu einer Wahl beim Wahl-O-Mat berücksichtigt und können vom „Werbeeffekt“ des Tools profitieren. Dabei gehen etablierte Parteien und Kleinstparteien verschieden mit der Thesenbeantwortung um, was zu unterschiedlichen Reaktionen und Wirkungen führt. Etablierte Parteien tendieren bei unpopulären Thesen, z.B. über Sozialabbau oder Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst, eher zu einer neutralen Position, obwohl sie laut Wahlprogramm und auch in ihrer mitgelieferten Begründung eigentlich zustimmen müssten. Dieses vereinzelte strategische Handeln der Parteien führt dazu, dass es eine gewisse Diskrepanz zwischen den Positionierungen im Wahl-O-Mat und denen in Partei- und Wahlprogrammen gibt, was auch mit der Zuspitzung auf Thesenform im Wahl-O-Mat zusammenhängt (Israel 2012). Anders gestaltet sich das Bild bei Kleinstparteien. Diese profitieren zum einen davon, dass der Nutzer zunächst überhaupt auf die Existenz dieser Partei aufmerksam gemacht wird und sich ihre Positionen anschauen kann. Zum anderen trägt der Wahl-O-Mat bei solchen Parteien zur Programmentwicklung bei. In Politikfeldern, zu denen die Kleinstparteien keine programmatischen Inhalte haben, entsteht erst in der Auseinandersetzung mit den Thesen eine Position dieser Parteien (De Bortoli 2011). Sie haben dann natürlich auch die Möglichkeit, nur populäre Thesenantworten zu geben, die sich regelmäßig aber nicht im Wahlerfolg von Kleinstparteien widerspiegeln und damit vernachlässigbar erscheinen. 5. Fazit Bei dem Wahl-O-Mat und artverwandten Internet-Applikationen handelt es sich um stark nachgefragte Tools, die einen festen Platz in der Vorwahlöffentlichkeit haben. Gleichzeitig handelt es sich um ein sozialwissenschaftlich untererforschtes Phänomen und viele Befunde haben explorativen Charakter. Bislang konzentrierte sich die Forschung dabei auf Wirkungen des Tools auf die Individualebene – also auf die Nut- 130 zer. Hier sind die Befunde einer positiven Wirkung auf die Wahlbeteiligung international relativ gut nachgewiesen. Über die Wirkung auf Parteien ist bislang hingegen wenig bekannt. Mit einer zunehmenden Professionalisierung dieses Forschungsbereichs wird dabei auch eine systematische theoretische wie empirische Einbettung in die Partizipations-, Kommunikations- und Parteienforschung zu forcieren sein. Erste Schritte in diese Richtung sind getan. Eine besondere Herausforderung wird dabei sein, mehr qualitativ hochwertige, für die Wahl-O-Mat-Forschung nutzbare Datenquellen aufzubauen. Insbesondere Panelstudien und experimentelle Designs, aber auch eine Datenbank mit Parteipositionen und Wahl-O-Mat-Positionen in einer longitudinalen Perspektive wären hier zu nennen. Die nächste Bundestagswahl bietet dafür eine gute Gelegenheit. Literatur Campbell, Angus, Philip E. Converse, Warren E. Miller und Donald E. Stokes. 1960. The American Voter. New York [u.a.]: Wiley. De Bortoli, Marius. 2011. Der Wahl-O-Mat: Wahlkampfinstrument oder Informationsplattform der politischen Bildung? Unveröffentlichte Masterarbeit. Universität Duisburg-Essen, Institut für Politikwissenschaft. Garzia, Diego. 2010. The Effects of VAAs on Users' Voting Behaviour: An Overview. In Voting Advice Applications in Europe. The State of the Art, Hrsg. Lorella Cedroni und Diego Garzia, 13-47. Napoli: Scriptaweb. Hirzalla, Fadi, Lisbet van Zoonen und Jan de Ridder. 2011. Internet Use and Political Participation: Reflections on the Mobilization/Normalization Controversy. The Information Society 27:1–15. Israel, Jonas. 2012. Die strategische Positionierung von Parteien zur Bundestagswahl 2009 in Deutschland. Unveröffentlichte Masterarbeit. Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Sozialwissenschaften.
MIP 2012 18. Jhrg. Martin Schultze – Wirkung des Wahl-O-Mat auf Bürger und Parteien Aufgespießt Ladner, Andreas, und Joëlle Pianzola. 2010. Do Voting Advice Applications Have an Effect on Electoral Participation and Voter Turnout? Evidence from the 2007 Swiss Federal Elections. In Electronic Participation, Hrsg. Efthimios Tambouris, Anne Macintosh und Olivier Glassey, 211–224. Berlin, Heidelberg, New York: Springer. Maier, Jürgen. 2009. Was die Bürger über Politik (nicht) wissen – und was die Massenmedien damit zu tun haben – ein Forschungsüberblick. In Politik in der Mediendemokratie (PVS Sonderheft 42/2009), Hrsg. Frank Marcinkowski und Barbara Pfetsch, 393-414. Wiesbaden: VS Verlag. Marschall, Stefan. 2011. Wahlen, Wähler, Wahl-O-Mat. Aus Politik und Zeitgeschichte 61:40-46. Marschall, Stefan. 2005. Idee und Wirkung des Wahl-O-Mat. Aus Politik und Zeitgeschichte 55:41-46. Marschall, Stefan, und Martin Schultze. 2011. The Impact of Voting Advice Applications on Electoral Behavior – The Case of the 2009 German Federal Election. Paper presented at the 6th ECPR General Conference 2011, 25. – 27. August, Reykjavik, Iceland. Rölle, Daniel. 2002. Nichts Genaues weiß man nicht!? Über die Perzeption von Wahlprogrammen in der Öffentlichkeit. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 54:264–280. Vassil, Kristjan. 2011. Role of Self Selection in Estimating the Effects of Voting Advice Applications Empirical Evidence on the basis of Swiss Smartvote Data. Paper presented at the 6th ECPR General Conference 2011, 25. – 27. August, Reykjavik, Iceland. Westle, Bettina. 2005. Politisches Wissen und Wahlen. In Wahlen und Wähler. Analysen aus Anlass der Bundestagswahl 2002, Hrsg. Jürgen W. Falter, Oscar W. Gabriel und Bernhard Weßels, 484-512. Wiesbaden: VS Verlag. 131
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Aufgespießt Martin Schultze – Wirkung des Wahl-O-Mat auf Bürger und Parteien MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg.<br />
handlung der Parteien gemäß § 5 PartG verstoße.<br />
Der Wahl-O-Mat wurde damit für diese Landtagswahl<br />
abgesagt. Seither werden alle zugelassenen<br />
Parteien zu einer Wahl beim Wahl-O-Mat<br />
berücksichtigt und können vom „Werbeeffekt“<br />
des Tools profitieren.<br />
Dabei gehen etablierte Parteien und Kleinstparteien<br />
verschieden mit der Thesenbeantwortung<br />
um, was zu unterschiedlichen Reaktionen und<br />
Wirkungen führt. Etablierte Parteien tendieren<br />
bei unpopulären Thesen, z.B. über Sozialabbau<br />
oder Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst,<br />
eher zu einer neutralen Position, obwohl sie laut<br />
Wahlprogramm und auch in ihrer mitgelieferten<br />
Begründung eigentlich zustimmen müssten. Dieses<br />
vereinzelte strategische Handeln der Parteien<br />
führt dazu, dass es eine gewisse Diskrepanz zwischen<br />
den Positionierungen im Wahl-O-Mat und<br />
denen in Partei- und Wahlprogrammen gibt, was<br />
auch mit der Zuspitzung auf Thesenform im<br />
Wahl-O-Mat zusammenhängt (Israel <strong>2012</strong>). Anders<br />
gestaltet sich das Bild bei Kleinstparteien.<br />
Diese profitieren zum einen davon, dass der Nutzer<br />
zunächst überhaupt auf die Existenz dieser<br />
Partei aufmerksam gemacht wird und sich ihre<br />
Positionen anschauen kann. Zum anderen trägt<br />
der Wahl-O-Mat bei solchen Parteien zur Programmentwicklung<br />
bei. In Politikfeldern, zu denen<br />
die Kleinstparteien keine programmatischen<br />
Inhalte haben, entsteht erst in der Auseinandersetzung<br />
mit den Thesen eine Position dieser Parteien<br />
(De Bortoli 2011). Sie haben dann natürlich<br />
auch die Möglichkeit, nur populäre Thesenantworten<br />
zu geben, die sich regelmäßig aber<br />
nicht im Wahlerfolg von Kleinstparteien widerspiegeln<br />
und damit vernachlässigbar erscheinen.<br />
5. Fazit<br />
Bei dem Wahl-O-Mat und artverwandten Internet-Applikationen<br />
handelt es sich um stark nachgefragte<br />
Tools, die einen festen Platz in der Vorwahlöffentlichkeit<br />
haben. Gleichzeitig handelt es<br />
sich um ein sozialwissenschaftlich untererforschtes<br />
Phänomen und viele Befunde haben<br />
explorativen Charakter. Bislang konzentrierte<br />
sich die Forschung dabei auf Wirkungen des<br />
Tools auf die Individualebene – also auf die Nut-<br />
130<br />
zer. Hier sind die Befunde einer positiven Wirkung<br />
auf die Wahlbeteiligung international relativ<br />
gut nachgewiesen. Über die Wirkung auf Parteien<br />
ist bislang hingegen wenig bekannt. Mit einer<br />
zunehmenden Professionalisierung dieses<br />
Forschungsbereichs wird dabei auch eine systematische<br />
theoretische wie empirische Einbettung<br />
in die Partizipations-, Kommunikations- und<br />
Parteienforschung zu forcieren sein. Erste<br />
Schritte in diese Richtung sind getan. Eine besondere<br />
Herausforderung wird dabei sein, mehr<br />
qualitativ hochwertige, für die Wahl-O-Mat-Forschung<br />
nutzbare Datenquellen aufzubauen. Insbesondere<br />
Panelstudien und experimentelle Designs,<br />
aber auch eine Datenbank mit Parteipositionen<br />
und Wahl-O-Mat-Positionen in einer longitudinalen<br />
Perspektive wären hier zu nennen.<br />
Die nächste Bundestagswahl bietet dafür eine<br />
gute Gelegenheit.<br />
Literatur<br />
Campbell, Angus, Philip E. Converse, Warren<br />
E. Miller und Donald E. Stokes. 1960. The American<br />
Voter. New York [u.a.]: Wiley.<br />
De Bortoli, Marius. 2011. Der Wahl-O-Mat:<br />
Wahlkampfinstrument oder Informationsplattform<br />
der politischen Bildung? Unveröffentlichte<br />
Masterarbeit. Universität Duisburg-Essen, Institut<br />
für Politikwissenschaft.<br />
Garzia, Diego. 2010. The Effects of VAAs on<br />
Users' Voting Behaviour: An Overview. In Voting<br />
Advice Applications in Europe. The State of<br />
the Art, Hrsg. Lorella Cedroni und Diego Garzia,<br />
13-47. Napoli: Scriptaweb.<br />
Hirzalla, Fadi, Lisbet van Zoonen und Jan de<br />
Ridder. 2011. Internet Use and Political Participation:<br />
Reflections on the Mobilization/Normalization<br />
Controversy. The Information Society<br />
27:1–<strong>15</strong>.<br />
Israel, Jonas. <strong>2012</strong>. Die strategische Positionierung<br />
von Parteien zur Bundestagswahl 2009 in<br />
Deutschland. Unveröffentlichte Masterarbeit.<br />
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut<br />
für Sozialwissenschaften.