2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF
2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF
2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Aufgespießt Martin Schultze – Wirkung des Wahl-O-Mat auf Bürger und Parteien MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg.<br />
Bundeszentrale unter folgenden Aspekten: 1)<br />
Alle relevanten Politikfelder müssen abgedeckt<br />
sein; 2) die Thesen ermöglichen eine hinreichende<br />
Unterscheidbarkeit der Parteien und 3) die<br />
Begründungen der Parteien und die tatsächliche<br />
Positionierung zu den Thesen sind stimmig.<br />
Nachdem die finale Thesenauswahl getroffen ist,<br />
geht der Wahl-O-Mat in der Regel ca. vier bis<br />
sieben Wochen vor dem jeweiligen Wahltermin<br />
unter medialer Beachtung und als ein mittlerweile<br />
obligatorischer Bestandteil der Vorwahlöffentlichkeit<br />
an den Start. In der heißen Phase des<br />
Wahlkampfes bietet der Wahl-O-Mat damit den<br />
interessierten Bürgern die Möglichkeit, auf die<br />
in Thesenform reduzierten wahlkampfrelevanten<br />
Policy-Fragen mit „stimme zu“, „neutral“ oder<br />
„stimme nicht zu“ zu antworten. Im Gegensatz<br />
zu den Parteien haben die Bürger die Möglichkeit,<br />
für sich wichtige Thesen doppelt zu gewichten<br />
oder andere Thesen ohne eine Antwort<br />
zu überspringen. Am Ende berechnet das Tool<br />
mit der city-block-distance-Methode2 die Policybasierte<br />
Nähe zwischen dem Nutzer und den jeweiligen<br />
Parteien. In der Ergebnisdarstellung<br />
werden dann die Parteien geordnet nach dem<br />
Grad der höchsten Übereinstimmung mit den<br />
Nutzerpositionen angezeigt. Darüber hinaus wird<br />
für jede einzelne These das eigene Votum sowie<br />
das Votum der Parteien dargestellt und miteinander<br />
verglichen, mit der Möglichkeit, die hinterlegten<br />
Begründungen der Parteien einzusehen.<br />
Ein Teil der Nutzer wird im Anschluss an das<br />
Spielen des Wahl-O-Mat zu einer anonymisierten<br />
Befragung eingeladen („Exit-Survey“). Solche<br />
Umfragen sind dabei auf Fragen zu soziodemografischen<br />
Charakteristika und zur Motivation<br />
und Wirkung des Tools beschränkt und bilden<br />
zusammen mit einem online-repräsentativen<br />
Datensatz der Deutschen Wahlstudie zur Bundestagswahl<br />
20093 , der ebenfalls einige Fragen<br />
zum Wahl-O-Mat beinhaltet, bislang die Hauptdatenquellen<br />
zur Erforschung der Wirkungen des<br />
Tools auf die Bürger.<br />
2 Weitere Informationen unter www.wahlomat-research.de<br />
� About.<br />
3 Der offizielle Name des Datensatzes lautet: GLES<br />
1006 – Komponente X/8 – Online-Tracking 6: Wahlkampf.<br />
128<br />
3. Wirkungen auf Bürger<br />
Das Nutzen oder auch Nicht-Nutzen des Wahl-<br />
O-Mat ist in das allgemeine politische Informations-<br />
und Kommunikationsverhalten der Bürger<br />
eingebettet. Dort macht es quantitativ nur einen<br />
kleinen Anteil aus, womit zunächst eine vermeintliche<br />
Wirkung des Tools eher unwahrscheinlich<br />
erscheint. In der rezeptiven Dimension<br />
des Kommunikationsverhaltens steht dem <strong>15</strong>bis<br />
20-minütigen Spielen des Wahl-O-Mat ein<br />
quantitativ deutlich größerer politischer Informationskonsum<br />
durch TV-Nachrichten, Radio, Zeitungen<br />
oder Internetseiten gegenüber, der zudem<br />
repetitiv erfolgt. Aus dem Exit-Survey zur Nutzung<br />
des Wahl-O-Mat anlässlich der Bundestagswahl<br />
20094 , der nachfolgend als Datengrundlage<br />
herangezogen wird, wissen wir, dass sich<br />
durch das Spielen des Wahl-O-Mat häufig eine<br />
Anschlusskommunikation entwickelt. Das Tool<br />
kann damit als Auslöser eines gesteigerten politischen<br />
Informationsverhaltens und damit von<br />
weiteren möglichen Effekten angesehen werden.<br />
So geben über 70% der Befragten aus dem Exit-<br />
Survey an, über das Ergebnis mit Familie oder<br />
Freunden reden zu wollen und knapp über die<br />
Hälfte hat der Wahl-O-Mat motiviert, sich weiter<br />
politisch zu informieren. Eine plausible Wirkung<br />
des Tools ist es dabei, dass es sich positiv auf<br />
das politische Wissen der Bürger auswirkt. Mit<br />
dem Spielen des Wahl-O-Mat können Bürger<br />
zunächst erfahren, welche Sachfragen überhaupt<br />
im Wahlkampf eine Rolle spielen und wie sich<br />
die Parteien dazu positioniert haben – ein Bereich<br />
des politischen Wissens, in denen das<br />
Elektorat in der Regel nur geringe Kenntnisse<br />
besitzt (Rölle 2002; Westle 2005; Maier 2009).<br />
Der Wahl-O-Mat kann hier dazu beitragen, das<br />
politische Wissen der Bürger über Parteipositionen<br />
zu erhöhen.<br />
Schwieriger auszumachen und in seiner Intensität<br />
abzuschätzen sind hingegen Effekte auf die<br />
Wahlbeteiligung und Wahlentscheidung der<br />
Nutzer solcher Tools. In der Wahlforschung<br />
herrscht Einigkeit, dass es sich beim Wahlakt<br />
um einen äußerst komplexen Prozess mit einer<br />
4 Siehe auch die Präsentationen unter www.wahlomatresearch.de.