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2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF

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Aufgespießt Simon T. Franzmann – Wie der Erfolg der Piratenpartei [...] MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg.<br />

se bei Aussagen zum Verhältnis Öffentlichkeit<br />

und Privatsphäre sowie Transparenz. Die Aussage<br />

„Wir Piraten fordern für Privatleute ohne<br />

kommerzielle Interessen das Recht, Werke frei<br />

verwenden und kopieren zu dürfen.“ (Piratenwahlprogramm<br />

2009, S.<strong>18</strong>) unterscheidet kommerzielle<br />

und nicht-kommerzielle Nutzung und<br />

spricht zudem das Feld Urheberrecht an. Beides<br />

ist im klassischen Kodierschema von CMP nicht<br />

vorgesehen. Das Konzept der „Nutzerökonomie“,<br />

die bei vielen Forderungen der Piraten hindurch<br />

schimmert, aber nirgendwo wirklich ausformuliert<br />

wird, ist im Grunde nicht mit den ökonomischen<br />

Kategorien zu fassen. Es geht vielmehr<br />

auch hier um Ausweitung der individuellen<br />

Freiheit um Nutzungsrechte, die sonst – aus<br />

Sicht der Piratenpartei illegitimerweise – durch<br />

das geltende Urheberrecht eingeschränkt wäre.<br />

Ganz ähnlich weisen die neueren, in den Landtagswahlkämpfen4<br />

erhobenen Forderungen nach<br />

einem bedingungslosen Grundeinkommen sowie<br />

der kostenlosen Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs<br />

auf ein dem bürgerlichen Eigentumsverständnis<br />

entgegengesetztes, wenn freilich<br />

auch noch nicht ausformuliertes, Konzept der<br />

„Nutzerökonomie“ hin. Hier werden Eigentumsund<br />

Nutzungsrechte nicht vom Erwerb des Eigentums<br />

her abgeleitet, wie es seit Locke für unsere<br />

bürgerlichen Gesellschaften konstituierend<br />

ist. Entscheidender ist hier die Frage, ökonomische<br />

Güter und Dienstleistungen so zur Verfügung<br />

zu stellen, dass der individuelle Handlungsspielraum<br />

aller maximiert wird. Dieser Gedanke<br />

ist zudem nicht-sozialistisch, da weder<br />

Kollektivierung noch das Kollektiv als Eigentümer<br />

anstelle der Privaten favorisiert werden.<br />

Dem Staat kommt aber immerhin die Rolle als<br />

Treuhänder über vielerlei Infrastrukturen zu.<br />

Eine wirkliche intellektuelle Auseinandersetzung<br />

mit diesen Grundgedanken hat bislang weder im<br />

Rahmen des Parteienwettbewerbs, noch in Wissenschaft,<br />

öffentlicher Debatte oder sogar im Inneren<br />

der Piratenpartei stattgefunden. Dies mag<br />

an den diffusen Vorstellungen einerseits, dem<br />

impliziten Utopiegehalt andererseits sowie<br />

schließlich an der stärkeren Prominenz der The-<br />

4 Z.B. Berliner Wahlprogramm von 2011, S. 27; NRW<br />

Wahlprogramm 2010, S. 35.<br />

124<br />

men Internet und Transparenz in der Programmatik<br />

der Piratenpartei liegen.<br />

Aussagen zum Internet sind im in den 1980er<br />

Jahren entwickelten CMP-Schema ebenfalls<br />

nicht vorgesehen. So ist der Satz „Im Informationszeitalter<br />

ist das Internet als Infrastruktur von<br />

besonderer Bedeutung.“ zunächst nicht kodierbar.<br />

Aussagen zum Internet lassen sich aber in<br />

die gängigen Kategorien einsortieren, sobald zusätzlich<br />

der größere Zusammenhang herangezogen<br />

wird: „Es [das Internet] ist Grundlage für<br />

den freien Meinungsaustausch, die Teilhabe am<br />

kulturellen und sozialen Leben, für Wissenschaft<br />

und politische Partizipation.“ Hier wird der Öffentlichkeitscharakter<br />

des Internets betont, ebenso<br />

wie die Notwendigkeit, Partizipation, Demokratie<br />

oder persönliche Freiheit in dieser Öffentlichkeitssphäre<br />

zu erhalten. Dies alles lässt sich<br />

ohne größere Probleme in die klassischen inhaltsanalytischen<br />

Kategorien einsortieren.<br />

Unter dem Schlagwort „Transparenz“ werfen die<br />

Piraten Fragen auf, die im Kernbereich der Politikwissenschaft<br />

liegen. Die Öffentlichkeit selbst<br />

verlangt nach immer mehr Transparenz, wie z.B.<br />

die Affäre um den Bundespräsidenten Wulff zuletzt<br />

zeigte. Transparenz zu fordern ist also in<br />

Mode. Was versteht nun die Piratenpartei unter<br />

„Transparenz“? Eine Analyse der verschiedenen<br />

Piraten-Wahlprogramme offenbart, dass Transparenz<br />

in praktisch allen Bereichen des öffentlichen<br />

Lebens als wünschenswert angesehen wird.<br />

Der Begriff Transparenz hat dabei in den vergangenen<br />

zwei Jahren einen immer größeren Stellenwert<br />

erlangt. Während im Bundestagswahlprogramm<br />

im Abschnitt „Demokratie durch<br />

Transparenz und Beteiligung“ Transparenz ein<br />

Mittel zur Verfolgung übergeordneter Ziele5 darstellt,<br />

durchdringt der Begriff im NRW-Wahlprogramm<br />

von 2010 schon fast alle Politikfelder.<br />

Bei den Wahlprogrammen in Berlin und Sachsen-Anhalt<br />

wird der Transparenz jeweils ein einzelner,<br />

prominent platzierter Abschnitt gewidmet.<br />

Grundsätzlich soll Transparenz die Funktionsweise<br />

des Staatswesens und der Demokratie<br />

befördern. Gemeinsam ist allen Programmen seit<br />

5 Der Begriff taucht auch kurz in anderen Abschnitten<br />

zum Immaterialgüterrecht und der Netzinfrastruktur<br />

auf.

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