2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF
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Aufsätze Hendrik Träger – Die Ostdeutschen in den Bundesparteien MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg.<br />
Darüber hinaus zeigt die Analyse der Programme,<br />
dass die Landesverbände von sich aus zentrale<br />
inhaltliche Forderungen der Bundespartei<br />
aufgriffen. Das kann nicht verwundern, handelt<br />
es sich dabei doch um den gemeinsamen Wertekanon<br />
der Partei. Auch dürften sich die personellen<br />
Verbindungen zwischen den beiden Parteiebenen<br />
auswirken; als Beispiel kann Cornelia<br />
Pieper genannt werden, die zeitgleich zu ihren<br />
Ämtern in der Bundespartei die sachsen-anhaltischen<br />
Liberalen führte und damit entscheidenden<br />
Einfluss auf die programmatische Ausrichtung<br />
beider Ebenen hatte. Außerdem ist bei SPD<br />
(1990) und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu beobachten,<br />
dass außerparlamentarische Landesverbände<br />
die Politik und Erfolge der Bundespartei oder einer<br />
im Landtag vertretenen Gliederung in den alten<br />
Ländern als Referenzpunkte nahmen.<br />
V. Die Koalitionsoptionen<br />
Nicht nur in inhaltlich-programmatischer Hinsicht<br />
beeinflussten die ostdeutschen Landesverbände<br />
die innerparteilichen Willensbildungsprozesse,<br />
sondern auch mit Blick auf die Koalitionsoptionen.<br />
Seit 1990 mussten sich die vier westdeutsch<br />
geprägten Parteien mit ihrem Verhältnis<br />
zur PDS, die als Nachfolgerin der SED eine besondere<br />
Position im Parteiensystem hat, beschäftigen.<br />
Die Diskussionen waren oft von den unterschiedlichen<br />
Situationen in Ost und West geprägt.<br />
Während die Sozialisten in den neuen<br />
Ländern für die anderen Parteien stets zum politischen<br />
Alltag gehörten, schafften sie es in den<br />
alten Ländern bis zur Gründung von DIE LINKE<br />
nicht über den Status einer Splitterpartei hinaus.<br />
Deshalb gab es bei westdeutschen Politikern<br />
„ein weitgehendes Unverständnis für die Existenz<br />
und die Wahlerfolge der PDS“, wie Bernhard<br />
Vogel (zit. nach Träger 2011: 367) berichtet.<br />
Das schlug sich anfangs auch auf Entscheidungen<br />
der Bundespartei nieder, wie an den folgenden<br />
Beispielen deutlich wird.<br />
1. CDU: „Rote-Socken-Kampagne“<br />
Im Superwahljahr 1994 fehlte der CDU-Führung,<br />
als sie aus Anlass der von der PDS tolerierten<br />
rot-grünen Minderheitsregierung in Sachsen-Anhalt<br />
die Rote-Socken-Kampagne entwi-<br />
12<br />
ckelte, noch die nötige Sensibilität für die Situation<br />
in den neuen Ländern. Mecklenburg-Vorpommerns<br />
Ministerpräsident Berndt Seite erklärte<br />
damals: „Was im Westen wichtig und richtig<br />
ist, läßt sich nicht automatisch als Rezept für den<br />
Osten vorschreiben.“ 9 Und die CDU-Landesvorsitzende<br />
Angela Merkel, die als stellvertretende<br />
Bundesvorsitzende die Vorgehensweise der Partei<br />
grundsätzlich unterstützte, kritisierte das Plakat<br />
als „eine Verniedlichung dessen, was wir unter<br />
der SED-Herrschaft erlebt haben. Das kommt<br />
im Osten nicht gut an.“ 10 Allerdings konnten die<br />
ostdeutschen Christdemokraten nicht verhindern,<br />
dass ihre Partei die Plakate im Bundestagswahlkampf<br />
nutzte. Das spricht für einen geringen<br />
Einfluss der Gliederungen aus den neuen Ländern.<br />
Anders entwickelte sich die Situation im<br />
Vorfeld der Bundestagswahl 1998, als die Bundespartei<br />
auf die besondere Situation in den neuen<br />
Ländern reagierte. 11<br />
2. SPD: Verhinderung von Rot-Rot in<br />
Mecklenburg-Vorpommern<br />
Ähnlich verlief die Entwicklung in der SPD, bevor<br />
die Parteiführung – beginnend mit dem Vorsitzenden<br />
Oskar Lafontaine – ab Ende der<br />
1990er-Jahre ihren Gliederungen bei der Entscheidung<br />
über Koalitionspartner freie Hand gewährte,<br />
so dass 1998 in Mecklenburg-Vorpommern<br />
das deutschlandweit erste rot-rote Bündnis<br />
gebildet werden konnte.<br />
Genau das war vier Jahre zuvor noch von dem<br />
damaligen Vorsitzenden Rudolf Scharping verhindert<br />
worden, als die Schweriner Sozialdemokraten<br />
mit den Sozialisten über eine Koalition<br />
verhandeln wollten. Im Oktober 1994 drohte<br />
Scharping für den Fall eines rot-roten Bündnis-<br />
9 Die Welt vom 21.7.1994.<br />
10 Ebd.<br />
11 Nach Widerständen aus den neuen Ländern gegen ein<br />
Plakat mit zwei roten Händen verständigten sich die<br />
Vertreter der ostdeutschen Landesverbände mit Helmut<br />
Kohl auf „eine Informationsoffensive (…), die<br />
deutlich macht, was in den Jahren seit der deutschen<br />
Einheit durch den Fleiß und die Umstellungsbereitschaft<br />
der Menschen, aber auch durch die Leistung des<br />
Bundeskanzlers, der Bundesregierung und der CDU-<br />
Ministerpräsidenten erreicht worden ist“ (Union in<br />
Deutschland, Nr. 21/1998).