2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF
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MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg. Florian Hartleb – Die Grenzen der Personalisierung in der deutschen Parteiendemokratie [...] Aufsätze<br />
Die Grenzen der Personalisierung<br />
in der deutschen Parteiendemokratie<br />
am Beispiel von Karl-Theodor zu<br />
Guttenberg<br />
Dr. Florian Hartleb 1<br />
Einleitung<br />
Die Mediendemokratie orientiert sich am Event,<br />
nicht an der Substanz. Zur Bewältigung komplexer<br />
Probleme und zur raschen Reaktion gezwungene<br />
Führungen müssen Entscheidungsspielräume<br />
in Anspruch nehmen – oder meinen es wenigstens:<br />
Innerparteiliche und innerparlamentarische<br />
Legitimationsprozeduren werden dadurch<br />
(nicht nur bei supranationalen Entscheidungen!)<br />
ausgehöhlt, nicht nur in Bayern. Die Charakterisierung<br />
des gegenwärtigen Zustandes als Postdemokratie<br />
und Postparlamentarismus mag übertrieben<br />
sein, zeigt aber unzweifelhaft reale Tendenzen<br />
auf. 2 Moderne Massendemokratien haben<br />
das Bedürfnis, bestimmte Personen mit einem<br />
charismatischen Image auszustatten oder bereits<br />
vorhandene charismatische Ausstrahlungen mit<br />
Hilfe der Medien zu verstärken. Wichtig ist dabei<br />
eine Affinität zum Unpolitischen, zum<br />
Showgeschäft.<br />
Das veränderte Verhältnis zwischen Parteien und<br />
Medien beeinflussst die innerparteiliche Kommunikation<br />
insofern, als telegene Kandidaten<br />
mitunter Vorteile gerade bei der Kandidatenkür<br />
haben. So setzte sich einst Gerhard Schröder gerade<br />
mit Hilfe der Medien innerhalb der SPD<br />
durch und wurde Kanzlerkandidat. Auch kürzlich<br />
versuchte Peer Steinbrück, sich mit den<br />
Weihen von Helmut Schmidt über eine gemeinsame<br />
„Spiegel“-Titelstory in Szene zu setzen.<br />
Doch ist hier nicht ausgemacht, ob die Inszenie-<br />
1 Der Verfasser ist Visiting Fellow am Centre for<br />
European Studies (CES) in Brüssel.<br />
2 Vgl. auch mit Anwendung auf die CSU Heinrich Oberreuter:<br />
Zwischen Programm und Populismus – die offene<br />
Zukunft der CSU, in: Zeitschrift für Staats- und<br />
Europawissenschaften, (2011) 2, S. 163 ff.<br />
rung auf mittlere Sicht wirklich Vorteile bringt.<br />
Der folgende Beitrag verficht sogar die These,<br />
dass die Personalisierung in der deutschen Parteiendemokratie<br />
an ihre deutlichen Grenzen<br />
stößt. So werden Büroleiter, Generalsekretäre<br />
oder Parlamentarische Geschäftsführer im politischen<br />
Tages- und Verwaltungsgeschäft in der<br />
Verflechtung zwischen Partei und Staat naturgemäß<br />
kaum für Menschen mit weitreichenden<br />
Ideen, einschneidenden Reformvorschlägen oder<br />
kraftvollen Visionen schwärmen. Vielmehr sind<br />
sie im Hick-Hack des täglichen, meist administrativen<br />
Termingeschäfts und des Sitzungsmarathons,<br />
auch eine Form von Repräsentation, gefangen.<br />
Unabhängig von der konkreten Beurteilung<br />
zeigen sich realpolitisch häufig die Fallstricke<br />
des Charismatikers, die eigene Eitelkeit und<br />
das schaulustige Bedürfnis anderer Politiker und<br />
der Öffentlichkeit, den Helden vom Denkmal zu<br />
stürzen. Der Büroleiter sollte ja gerade kein Visionär<br />
sein, er soll „die gegenwärtigen Problemknäuel<br />
entwirren.“ 3 Im Folgenden geht es um<br />
Karl-Theodor zu Guttenberg, dessen Werdegang<br />
aufgrund vieler, auch biographischer Aspekte<br />
beispiellos war. 4<br />
Der Charismatiker<br />
Mit Freiherr Karl-Theodor zu Guttenberg hat in<br />
die bundesdeutsche Politik eine Figur Einzug gehalten,<br />
die, ungewöhnlich für einen deutschen<br />
Politiker, offensichtlich Popstar-Status genoß.<br />
Im Unterschied zu Gerhard Schröder galt der<br />
Aristokrat als Aufsteiger, der von oben kommt.<br />
Anfang Februar 2009, mitten in der Wirtschaftsund<br />
Finanzkrise, wurde zu Guttenberg aus der<br />
Not heraus in das Bundeskabinett berufen. Guttenberg,<br />
mit 37 Jahren jüngster Wirtschaftsminister<br />
in der Geschichte der Bundesrepublik, legte<br />
damit eine Blitzkarriere hin. Sein öffentlich<br />
inszeniertes „Nein“ zur staatlich forcierten Opel-<br />
Rettung, gegen die Bundeskanzlerin und den<br />
3 Franz Walter: Charismatiker und Effizienzen. Porträts<br />
aus 60 Jahren, Frankfurt/M. 2009, S. 14.<br />
4 Vgl. auch Florian Hartleb: Idole in der Politik? Der<br />
Fall „(Dr.) Karl-Theodor zu Guttenberg“, in: Erna<br />
Lackner (Hrsg.): Neue Mythen in Kultur und Wirtschaft,<br />
Europäisches Forum Alpbach, Innsbruck 2011,<br />
S. 111-122.<br />
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