2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF

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02.12.2012 Aufrufe

Aufsätze Hana Kühr – Die Erscheinungsformen von Mandatsträgerbeiträgen MIP 2012 18. Jhrg. bzw. den entsprechenden Vorschriften der Landesverfassungen rechtlicher Mandats-Beeinflussungen seitens der Partei erwehren. 3. Kandidatenbeiträge vor der Wahl Im letzten Jahr wurde eine Beitragspraxis der nordrhein-westfälischen Untergliederungen einiger Parteien anlässlich der Kommunalwahl 2009 publik. 37 Die Kandidaten für die Wahl zu kommunalen Vertretungen sollten einen Beitrag in bestimmter Höhe an ihre Parteien entrichten um damit den Wahlkampf im Vorfeld mitzufinanzieren. Anders als bei der üblichen Vorgehensweise, nach der Kandidaten von sich aus Zahlungen zur Wahlkampfunterstützung vornehmen, wurden die Betroffenen vom jeweiligen Parteivorstand förmlich zur Entrichtung aufgefordert. Sinn und Zweck ist es dabei, auf die in besonderer Weise vom Wahlkampf der Partei profitierenden Kandidaten einen Teil der Finanzierungslast zu übertragen. Die Zahlungen der Kandidaten wurden in den Medien häufig als Ämterkauf oder illegale (Einfluss-) Spenden eingeordnet. Diese spontanen Assoziationen zeigen auf, dass die spezielle Einnahmequelle der politischen Parteien rechtlich zumindest problematisch ist. Solche Kandidatenbeiträge stehen bereits auf den ersten Blick den Mandatsträgerbeiträgen nahe, denn beide Einnahmeformen knüpfen an das künftige bzw. ausgeübte Mandat als Erhebungsgrund an. Beide Formen stellen auch aus dem gleichen Grund einen Bezug zu einem öffentlichen Wahlamt her: Es ist in einer solidarischen Gemeinschaft gerechtfertigt, wenn derjenige, der von einer Leistung der anderen Parteimitglieder profitiert, eine Gegenleistung erbringt. Auch wenn es bei kommunalen Wahlen im Vergleich zu Wahlen auf höheren Ebenen verstärkt auf das charismatische Erscheinungsbild eines 37 S. etwa: Rheinische Post vom 09.05.2011, s. http://www.rp-online.de/niederrheinnord/duisburg/nachrichten/ SPD-Druck-auf-Zahlungsunwillige_aid_995729.html; Westdeutsche Zeitung vom 13.05.2011, s. http://www. wz-newsline.de/lokales/krefeld/mandat-nur-gegen-baresauch-die-cdu-macht-s-1.658355; zuletzt auch Rheinische Post vom 01.06.2011, s. http://www.rp-online.de/ niederrheinnord/duisburg/nachrichten/Landes-SPDkritisiert-Spendenpraxis-der-CDU_aid_1004734.html. 106 Kandidaten ankommen mag, kann die Person des zur Wahl Stehenden nicht ganz ohne zusätzliche Unterstützung die Stimme des Wählers gewinnen. Dem Kandidaten kommen bereits vor der Wahl positive Effekte der Parteiarbeit zugute, auch wenn sie sich noch nicht in einem Erfolg des Mandatserhalts – der einzig von den wahlberechtigten Bürgern abhängt – realisiert haben. Ohnehin erbringen viele Kandidaten im Wahlkampf schon Einzelleistungen, die durch die hier beschriebene organisierte Forderung durch die Parteien erweitert, erhöht und gebündelt, nicht aber völlig neu erschaffen werden. Anknüpfungsgrund sowie Sinn und Zweck der Beitragseinforderung durch die Partei gleichen sich daher bei Kandidaten- und Mandatsträgerbeiträgen. Wenn ohnehin bei Gewinn des Mandats dessen Träger die satzungsmäßig normierten monatlichen Beträge an die Partei abführen muss, ist der Beitrag vor der Wahl als lediglich vorgezogene Unterstützung einzuordnen. 38 Technisch sowie teleologisch betrachtet, handelt es sich bei der Leistung des Kandidaten vor der Wahl daher um einen antezipierten „ersten“ Mandatsträgerbeitrag. 39 Dies gilt insbesondere für eine Praxis der Parteien, nicht erfolgreichen Kandidaten ihre Leistung zurückzuerstatten. Dabei handelt es sich nicht um einen Kredit, den eine Privatperson „ihrer“ Partei gewährt, denn es besteht wie gezeigt in der Solidargemeinschaft ein triftiger Grund, den Kandidaten in die finanzielle Pflicht zu nehmen. Eine tatsächliche Rückzahlung betont lediglich den engen Zusammenhang mit einem öffentlichen Wahlamt, ist aber nicht Voraussetzung der Entrichtung durch den Kandidaten. Während Mandatsträgerbeiträge regelmäßig im Anschluss an den Erhalt eines öffentlichen Wahlamtes gezahlt werden, müssen die hier in den Blick genommenen Wahlkampfkostenzuschüsse der Kandidaten noch vor der öffentlichen Wahl entrichtet werden. Dennoch verbietet die Tatbestandsvoraussetzung der Regelmäßig- 38 Die Landesfinanzordnung der LINKE NRW sieht in § 3 I vor, dass die Mandatsträgerbeiträge schon vor Nominierung mit den Anwärtern schriftlich vereinbart werden. Diese Gestaltung ähnelt den Kandidatenbeiträgen vor der Wahl. 39 So ebenfalls K. Gärditz, BayVBl. 2008, S. 72 (73).

MIP 2012 18. Jhrg. Hana Kühr – Die Erscheinungsformen von Mandatsträgerbeiträgen Aufsätze keit im Sinne des § 27 I 2 PartG nicht, Kandidatenbeiträge als vorgezogene Mandatsträgerbeiträge einzuordnen. Wann der Zahlungszeitpunkt festgelegt wird, kann jedoch nicht entscheidend für die Qualifizierung der Beitragsart sein. Die von Mandatsträgern inzident verlangte rückwirkende Beteiligung an den Wahlkampfkosten wird im Fall der Kandidatenbeiträge vor der Wahl lediglich dahingehend modifiziert, dass sie nun eben schon vor der Wahl erwartet wird. Diese Wertung ergibt sich insbesondere für den Fall, dass erfolglosen Kandidaten ihr Beitrag rückerstattet wird. Die quantitative Eigenschaft der Regelmäßigkeit des § 27 I 2 PartG sperrt daher nicht die materielle Zuordnung zu den Mandatsträgerbeiträgen. Ebensowenig schadet eine rein begriffliche Orientierung an der Bezeichnung „Mandatsträger“, welche die Kandidaten ja gerade noch nicht sind. Auch in dieser Hinsicht steht der Erhebungsgrund des Mandats gleichermaßen im Vordergrund. Diese Qualifizierung zeigt, dass auch Zahlungen von Kandidaten vor der Wahl40 als besondere Erscheinungsform in die verfassungsrechtliche Bewertung von Mandatsträgerbeiträgen einzustellen sind. 4. Zusätzliche Erhöhung der Mitgliedsbeiträge von Mandatsträgern Die staatliche Finanzierung ist an die durch Einnahmen sichtbar gemachte Verwurzelung der Parteien in der Bevölkerung gekoppelt und in der Höhe begrenzt, vgl. § 18 V PartG. Die Parteien haben also ein Interesse daran, eine möglichst hohe Summe an Zuwendungen von Privaten zu erhalten. Regularien zur Steigerung der Spendenwilligkeit sind weniger erfolgversprechend als der Rückgriff der Parteien auf leicht zu disziplinierende Gruppen von Zahlungswilligen. Wie bereits erörtert, sind Mandatsträger besonders attraktiv für erhöhte Zahlungsverpflichtungen. Ein weiterer Versuch, eine möglichst hohe Beitragssumme von ihnen einzunehmen, kann dahingehend unternommen werden, nicht nur Sonderabgaben, sondern zusätzlich erhöhte Mitgliedsbeiträ- 40 Zur Untersuchung dieser Einnahmeform H. Kühr, DÖV 2011, S. 963 ff. ge zu fordern. Dies etwa in der Weise, dass Mandatsträger ohne Selbsteinschätzungsmöglichkeit den höchsten Beitragssatz zu entrichten haben. Das hätte den praktischen und eventuell tendenzgeprägten Vorteil, die einfachen Parteimitglieder zu entlasten und denjenigen höhere Beiträge abzuverlangen, die eine Leistung der Partei in Anspruch genommen haben. Gerade vor dem Hintergrund, dass alle Parteien gegen Mitgliederschwund kämpfen müssen, ist es förderlich, die Mitgliedschaft mit möglichst geringen Pflichten zu verbinden. Auch wenn es grundsätzlich der Tendenzfreiheit der Parteien unterliegt, welches Bild von den eigenen Parteimitgliedern sie pflegen, müssen grundlegende verfassungsrechtliche Prinzipien auch bei dieser parteiinternen Frage eingehalten werden. Die Tendenzfreiheit und Satzungsautonomie der Parteien reicht nur bis zu den durch Art. 21 I 3 GG auferlegten verfassungsrechtlichen Grenzen. Das verfassungsrechtliche Gebot der innerparteilichen Demokratie verlangt, dass auch innerhalb der Parteien ein Kernbestand demokratischer Verfassungsprinzipien eingehalten wird. Die Parteien spielen bei der politischen Willensbildung des Volkes eine entscheidende, wenn nicht die wichtigste Rolle, daher müssen notwendigerweise auch sie einen demokratischen Charakter vorweisen. Politische Parteien sind keine staatlichen Institutionen, daher sind die strengen demokratischen Anforderungen an staatliches Handeln nur in abgeschwächter Form auf die privaten Institutionen zu übertragen. Innerparteiliche Strukturen müssen nur soweit verfassungsrechtlichen Prinzipien der Demokratie genügen, wie sie für die Funktionszuweisung des Art. 21 I 1 GG relevant werden. 41 Etwa die Willensbildung und Partizipation der Mitglieder muss sich von „unten nach oben“ vollziehen. Der Gleichheitsgrundsatz gilt als Teilelement des verfassungsrechtlichen Verständnisses von Demokratie daher etwa für die Teilhabe des einzelnen Parteimitglieds an internen Prozessen. Trotz einer nur grundsätzlichen Übertragung demokratischer Kernelemente in das Parteiinnere sprechen gute Gründe dagegen, die Satzungsfrei- 41 S. auch R. Wolfrum, Fn. 104, S. 26. 107

Aufsätze Hana Kühr – Die Erscheinungsformen von Mandatsträgerbeiträgen MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg.<br />

bzw. den entsprechenden Vorschriften der Landesverfassungen<br />

rechtlicher Mandats-Beeinflussungen<br />

seitens der Partei erwehren.<br />

3. Kandidatenbeiträge vor der Wahl<br />

Im letzten Jahr wurde eine Beitragspraxis der<br />

nordrhein-westfälischen Untergliederungen einiger<br />

Parteien anlässlich der Kommunalwahl 2009<br />

publik. 37 Die Kandidaten für die Wahl zu kommunalen<br />

Vertretungen sollten einen Beitrag in<br />

bestimmter Höhe an ihre Parteien entrichten um<br />

damit den Wahlkampf im Vorfeld mitzufinanzieren.<br />

Anders als bei der üblichen Vorgehensweise,<br />

nach der Kandidaten von sich aus Zahlungen<br />

zur Wahlkampfunterstützung vornehmen,<br />

wurden die Betroffenen vom jeweiligen Parteivorstand<br />

förmlich zur Entrichtung aufgefordert.<br />

Sinn und Zweck ist es dabei, auf die in besonderer<br />

Weise vom Wahlkampf der Partei profitierenden<br />

Kandidaten einen Teil der Finanzierungslast<br />

zu übertragen. Die Zahlungen der Kandidaten<br />

wurden in den Medien häufig als Ämterkauf<br />

oder illegale (Einfluss-) Spenden eingeordnet.<br />

Diese spontanen Assoziationen zeigen auf, dass<br />

die spezielle Einnahmequelle der politischen<br />

Parteien rechtlich zumindest problematisch ist.<br />

Solche Kandidatenbeiträge stehen bereits auf den<br />

ersten Blick den Mandatsträgerbeiträgen nahe,<br />

denn beide Einnahmeformen knüpfen an das<br />

künftige bzw. ausgeübte Mandat als Erhebungsgrund<br />

an. Beide Formen stellen auch aus dem<br />

gleichen Grund einen Bezug zu einem öffentlichen<br />

Wahlamt her: Es ist in einer solidarischen<br />

Gemeinschaft gerechtfertigt, wenn derjenige, der<br />

von einer Leistung der anderen Parteimitglieder<br />

profitiert, eine Gegenleistung erbringt.<br />

Auch wenn es bei kommunalen Wahlen im Vergleich<br />

zu Wahlen auf höheren Ebenen verstärkt<br />

auf das charismatische Erscheinungsbild eines<br />

37 S. etwa: Rheinische Post vom 09.05.2011, s. http://www.rp-online.de/niederrheinnord/duisburg/nachrichten/<br />

SPD-Druck-auf-Zahlungsunwillige_aid_995729.html;<br />

Westdeutsche Zeitung vom 13.05.2011, s. http://www.<br />

wz-newsline.de/lokales/krefeld/mandat-nur-gegen-baresauch-die-cdu-macht-s-1.658355;<br />

zuletzt auch Rheinische<br />

Post vom 01.06.2011, s. http://www.rp-online.de/<br />

niederrheinnord/duisburg/nachrichten/Landes-SPDkritisiert-Spendenpraxis-der-CDU_aid_1004734.html.<br />

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Kandidaten ankommen mag, kann die Person<br />

des zur Wahl Stehenden nicht ganz ohne zusätzliche<br />

Unterstützung die Stimme des Wählers gewinnen.<br />

Dem Kandidaten kommen bereits vor<br />

der Wahl positive Effekte der Parteiarbeit zugute,<br />

auch wenn sie sich noch nicht in einem Erfolg des<br />

Mandatserhalts – der einzig von den wahlberechtigten<br />

Bürgern abhängt – realisiert haben. Ohnehin<br />

erbringen viele Kandidaten im Wahlkampf<br />

schon Einzelleistungen, die durch die hier beschriebene<br />

organisierte Forderung durch die Parteien<br />

erweitert, erhöht und gebündelt, nicht aber<br />

völlig neu erschaffen werden. Anknüpfungsgrund<br />

sowie Sinn und Zweck der Beitragseinforderung<br />

durch die Partei gleichen sich daher bei<br />

Kandidaten- und Mandatsträgerbeiträgen.<br />

Wenn ohnehin bei Gewinn des Mandats dessen<br />

Träger die satzungsmäßig normierten monatlichen<br />

Beträge an die Partei abführen muss, ist der<br />

Beitrag vor der Wahl als lediglich vorgezogene<br />

Unterstützung einzuordnen. 38 Technisch sowie<br />

teleologisch betrachtet, handelt es sich bei der<br />

Leistung des Kandidaten vor der Wahl daher um<br />

einen antezipierten „ersten“ Mandatsträgerbeitrag.<br />

39 Dies gilt insbesondere für eine Praxis der<br />

Parteien, nicht erfolgreichen Kandidaten ihre<br />

Leistung zurückzuerstatten. Dabei handelt es<br />

sich nicht um einen Kredit, den eine Privatperson<br />

„ihrer“ Partei gewährt, denn es besteht wie<br />

gezeigt in der Solidargemeinschaft ein triftiger<br />

Grund, den Kandidaten in die finanzielle Pflicht<br />

zu nehmen. Eine tatsächliche Rückzahlung betont<br />

lediglich den engen Zusammenhang mit einem<br />

öffentlichen Wahlamt, ist aber nicht Voraussetzung<br />

der Entrichtung durch den Kandidaten.<br />

Während Mandatsträgerbeiträge regelmäßig im<br />

Anschluss an den Erhalt eines öffentlichen<br />

Wahlamtes gezahlt werden, müssen die hier in<br />

den Blick genommenen Wahlkampfkostenzuschüsse<br />

der Kandidaten noch vor der öffentlichen<br />

Wahl entrichtet werden. Dennoch verbietet<br />

die Tatbestandsvoraussetzung der Regelmäßig-<br />

38 Die Landesfinanzordnung der LINKE NRW sieht in<br />

§ 3 I vor, dass die Mandatsträgerbeiträge schon vor<br />

Nominierung mit den Anwärtern schriftlich vereinbart<br />

werden. Diese Gestaltung ähnelt den Kandidatenbeiträgen<br />

vor der Wahl.<br />

39 So ebenfalls K. Gärditz, BayVBl. 2008, S. 72 (73).

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