104particulae collectaeund weshalb bestimmte Auffassungen Annaeus Senecas auch heute nochbeachtenswert sind.Aber, aber! wird man, ein Beispiel 1 <strong>de</strong>s mit dieser Festschrift Geehrten verwen<strong>de</strong>nd,einzuwerfen geneigt sein: Was für ein Thema zu diesem Anlass! Hieraufsei erwi<strong>de</strong>rt: Immerhin (cf. Weydt 1979a; 1979b: 411) haben Glückwünscheetwas mit <strong>de</strong>m Ausdruck von Gefühlen zu tun; je<strong>de</strong>nfalls (cf. Weydt 1979b) ist<strong>de</strong>r Beglückwünschte untrennbar mit Partikeln verbun<strong>de</strong>n und diese haben, wieschon Georg von <strong>de</strong>r Gabelentz bemerkte, was wir wie<strong>de</strong>rum durch <strong>de</strong>n Gefeiertenwissen (cf. Weydt 1977: 10ff), etwas mit <strong>de</strong>m Ausdruck von Gefühlenzu tun. Ohnehin (cf. Weydt 1983b) unterschei<strong>de</strong>n sich Wut und Zorn gera<strong>de</strong>darin, dass wenigstens (cf. Weydt 1979) letzterer auch nach Schiller in einemGeschenk durchaus nicht unangebracht ist:Doch wenn ein Volk, das fromm die Her<strong>de</strong>n wei<strong>de</strong>t,Sich selbst genug, nicht frem<strong>de</strong>n Guts begehrt,Den Zwang abwirft, <strong>de</strong>n es unwürdig lei<strong>de</strong>t,Doch selbst im Zorn die Menschlichkeit noch ehrt,Im Glücke selbst, im Siege sich beschei<strong>de</strong>t,– Das ist unsterblich und <strong>de</strong>s Lie<strong>de</strong>s wert.Und solch ein Bild darf ich dir freudig zeigen:Du kennsts, <strong>de</strong>nn alles Große ist <strong>de</strong>in eigen.[Friedrich von Schiller, An Karl Theodor von Dalberg, 25.04.1804;zweite Strophe]Schließlich (cf. Weydt (1979b) geht es in diesem Beitrag nicht nur um Wut undZorn, son<strong>de</strong>rn zuvor um generelle Aspekte emotionaler Einstellungen undSzenen.2 Gefühle und EmotionenDass alltagssprachig die bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Wörter Gefühl und Emotion nicht alsSynonyme gelten können, zeigt sich schon an wenigen Beispielen: Gefühlbezeichnet(1) seelische Empfindungen(Gefühl von Angst; die Gefühle für meine Angehörigen)(2) körperliche Wahrnehmungen(Gefühl von Übelkeit; Gefühl von Hunger; ein kribbeln<strong>de</strong>s Gefühl in <strong>de</strong>nBeinen)1 "Ein <strong>de</strong>utscher Lehrer könnte kopfschüttelnd seine toben<strong>de</strong>n Schüler betrachten, unddazu Aber, aber! sagen. Entsprechungen: *Mais, mais! o<strong>de</strong>r But, but! fehlen im Französischenund in <strong>de</strong>n mir bekannten Sprachen." Weydt (1983a: 155).
<strong>Norbert</strong> <strong>Fries</strong>: <strong>de</strong> <strong>ira</strong> 105(3) nicht genau erklärbare Ahnungen(ein Gefühl haben, dass etwas Schlimmes passiert)(4) die Fähigkeit, etwas durch seelische Empfindung (z. B. in seiner Funktiono<strong>de</strong>r in seinem Wert) zu erfassen(Sprachgefühl, Rhythmusgefühl, ein Gefühl für eine Sache haben)Emotion kommt im Deutschen 2 hingegen nur eine (1) entsprechen<strong>de</strong> Be<strong>de</strong>utungzu (cf. ?? eine Emotion von Übelkeit; ?? Sprachemotion; ?? kribbeln<strong>de</strong> Emotionenin <strong>de</strong>n Beinen haben usw.), eine Be<strong>de</strong>utung, auf welche auch die PluralformGefühle beschränkt ist ( ?? Gefühle von Einsamkeit und Hunger;?? kribbeln<strong>de</strong> Gefühle im Magen; ?? Sprachgefühle). Die bei<strong>de</strong>n Wörter Gefühlund Emotion sind alltagssprachig also, entgegen Behauptungen, die manchmal in<strong>de</strong>r Literatur zu fin<strong>de</strong>n sind (cf. z. B. Jäger 1988: 37), nicht gleichbe<strong>de</strong>utend.Bei Gefühlen im Sinne von (1) han<strong>de</strong>lt es sich um psychische, zentralnervösewie peripher körperliche Phänomene höherer Lebewesen. Gefühle sind vegetativeBegleiterscheinungen, die hormonal vermittelt wer<strong>de</strong>n. Sie wer<strong>de</strong>n teilweise,jedoch nicht notwendig, im Hinblick auf ihre biologische Prozessualisierungund in funktionaler Hinsicht in Opposition zu (homöostatischen) Triebenexpliziert, insbeson<strong>de</strong>re weil sie von <strong>de</strong>r Lerngeschichte eines Individuums abhängigsind, azyklisch (nicht-homöostatisch) sind und (ethologisch-funktionalbetrachtet) Umweltreize selektieren, das heißt, Wichtiges von Unwichtigem, Angenehmesvon Unangenehmem unterschei<strong>de</strong>n.Kognitionswissenschaftlich betrachtet stellen Gefühle also eine Kombinationdreier Verhaltensebenen dar: <strong>de</strong>r subjektiv-psychologischen, <strong>de</strong>r motorischverhaltensmäßigenund <strong>de</strong>r physiologisch-humoralen Ebene. Sie beziehen sich<strong>de</strong>mentsprechend auf komplexe Reaktionsmuster, die in biologischen, medizinischen,psychologischen (affektlogischen), philosophischen, ethologischen,semiotischen usw. Explikationen interdisziplinär erfassbar sind.Evolutionsgeschichtlich haben sich Gefühle im Zusammenhang mit unterschiedlichenLebensaufgaben und Überlebensstrategien <strong>de</strong>s Menschen entwickelt. Wasfür eine bestimmte Klasse von Gefühlen gilt, muss daher nicht notwendig auchauf an<strong>de</strong>re Klassen von Gefühlen zutreffen. Beispielsweise können Vermeidungsgefühle(wie Furcht, Unlust, Feindseligkeit, Ekel) über ganz an<strong>de</strong>reEigenschaften verfügen als Gefühle, die z. B. <strong>de</strong>r Nachkommenspflege o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>rFortpflanzung dienen, und zwar in allen kognitionswissenschaftlich interessantenHinsichten: Was ihren neuro-anatomischen Ursprung, ihre Prozessualisierung,ihre semiotische Konzeptualisierung, ihre Kommunikation und2 Das Wort Emotion wird im heutigen Englisch zur Übersetzung für <strong>de</strong>n nur noch seltenverwen<strong>de</strong>ten fachsprachlichen Terminus Gemütsbewegung verwen<strong>de</strong>t; cf. z. B. in <strong>de</strong>nSchriften Ludwig Wittgensteins, Zettel, in <strong>de</strong>r Ausgabe Anscombe/Wright (1967).