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Wenn die Seele krank ist – Psychotherapie im höheren ... - DPtV

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<strong>Wenn</strong> <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> <strong>krank</strong> <strong>ist</strong> <strong>–</strong><strong>Psychotherapie</strong> <strong>im</strong> <strong>höheren</strong> LebensalterPressekonferenz21. Mai 20109:30 hTagungszentrum <strong>im</strong> Haus derBundespressekonferenz, Raum IV


Ihre GesprächspartnerProf. Dr. Dr. h.c. mult. Ursula LehrVorsitzende der BAGSOBundesmin<strong>ist</strong>erin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit a. D.Dipl.-Psych. Dieter BestBundesvorsitzender Deutsche PsychotherapeutenVereinigung (<strong>DPtV</strong>)Ursula-Anne OchelHauptstadtbüro für Kommunikation und Politik <strong>im</strong> GesundheitswesenModeration


StatementProf. Dr. Ursula LehrVorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen, BAGSOFrüher war man der Meinung, dass <strong>Psychotherapie</strong> bei älterenMenschen überhaupt sinnlos sei, da <strong>die</strong> Strukturen so verfestigtseien, dass sich da nichts mehr ändern lässt. Psychiater sind voneinem Altersbild ausgegangen (Zitat GRUHLE), dass best<strong>im</strong>mteAbbauerscheinungen, <strong>die</strong> sie bei Patienten beobachtet hatten, ganz"normal" seien.Es war der Psychiater Hans Gruhle an der Universität Heidelberg,später Bonn (1880-1958), der in Band 1 der von Max Bürgergegründeten Zeitschrift für Altersforschung (ein Jahr später inZeitschrift für Alternsforschung umbenannt) eine Abhandlung über“Das seelische Altern“ veröffentlichte.Seine Beobachtungen als Psychiater über <strong>die</strong> „Schwerfälligkeit derUmstellung“, „der Aneignung neuer Gedächtnisinhalte“, über„Vergesslichkeit“ und “Eigensinn“ und „zunehmende Gereiztheit“,„Mangel an Affektivität, beginnende emotionale Stumpfheit“ wurdeals der normale seelische Alternsprozess aufgezeigt.Er beschreibt hier Symptome depressiver und demenziellerEr<strong>krank</strong>ungen, <strong>die</strong> er für das „normale“ Altern hält. <strong>–</strong> Nun, durchviele Stu<strong>die</strong>n (zusammenfassend siehe THOMAE 1968. LEHR 1972,2007 und BALTES et al., 1996) <strong>ist</strong> er widerlegt worden.Altern an sich muss nicht Abbau, Verlust von Fähigkeiten undFertigkeiten und emotionale Stumpfheit bedeuten, kann sogarKompetenzgewinn bedeuten. Auf jeden Fall: Demenz <strong>ist</strong> keineAbwandlung einer normalen psychischen Altersveränderung.Ursachen einer Demenz sind Er<strong>krank</strong>ungen, <strong>die</strong> sich vom„normalen“ Alternsprozess ge<strong>ist</strong>iger Fähigkeiten unterscheiden.Demenzielle Prozesse begleiten nicht das „normale Altern“,sondern sind Er<strong>krank</strong>ungen und gehören als solche behandeltbzw. Risikofaktoren sollten präventiv angegangen werden.Gemeinsame Pressekonferenz 21. Mai 2010 BAGSO und DeutschePsychotherapeutenVereinigung<strong>Wenn</strong> <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> <strong>krank</strong> <strong>ist</strong> <strong>–</strong> <strong>Psychotherapie</strong> <strong>im</strong> <strong>höheren</strong> Lebensalter


Auch psychische Störungen sollte man nicht als "normal, zum Alterdazugehörig" betrachten. Prof. RADEBOLD konnte zeigen, wie sehrsie sich erfolgreich behandeln lassen.Depressionen werden als Risikofaktor für <strong>die</strong> Entwicklung einerDemenz angesehen. Sie treten vor allem in frühen Demenzsta<strong>die</strong>ngehäuft auf und können einer Demenz auch vorausgehen.Umgekehrt wird bei mangelhafter Abklärung oft alten Menschenmit psychischer Er<strong>krank</strong>ung fälschlicherweise <strong>die</strong>Diagnose Demenz zugewiesen; bei Behandlung der Depressionkann sich der MMS wieder stark verbessern (nicht aber beivorhandener demenzieller Er<strong>krank</strong>ung).Ein Grund für Depressionen <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Einsamkeit. Hier gilt esaber, zwischen Einsamkeit und Isolation zu unterscheiden: Mancheiner <strong>ist</strong> isoliert, fühlt sich aber nicht einsam - und manch einer <strong>ist</strong>gar nicht isoliert, hat viel Kontakte und fühlt sich dennoch einsam.So zeigten Stu<strong>die</strong>n: Einsamkeit <strong>ist</strong> eine Folge der Erwartungshaltung,<strong>die</strong> es zu korrigieren gilt.Erwarte ich von meinem Sohn, dass er 3x <strong>die</strong> Woche vorbeikommt,muss ich einsehen, dass ihm das nicht zuzumuten <strong>ist</strong>, muss ichmeine Erwartungshaltung korrigieren.Einsamkeit <strong>ist</strong> sodann ein Gefühl der Langeweile. Hier gilt es,nach Aufgaben zu suchen <strong>–</strong> <strong>die</strong> man auch durch aktiveMitarbeit in den BAGSO-Verbänden finden kann.Die BAGSO- Verbände bieten ein großes Spektrum an Möglichkeiten,sich zu engagieren - sei es in den Sportverbänden, sei es be<strong>im</strong>Gedächtn<strong>ist</strong>raining, sei es in den verschiedenen generationenübergreifendenVerbänden wie Alt hilft Jung, SES oder denVerbänden, <strong>die</strong> Patenschaften für Schülerinnen und Schülerübernehmen.Aber stärkere Depressionen <strong>im</strong> Alter gehören in <strong>die</strong> Handeines Fachmanns, einer Fachfrau, eines Psychotherapeuten.Ich wünschte mir Psychotherapeuten auch in Altenhe<strong>im</strong>en, womanchmal zu schnell zu Psychopharmaka gegriffen wird (nach dem4. Altenbericht bei ca. 50 Prozent der Bewohner)".Gemeinsame Pressekonferenz 21. Mai 2010 BAGSO und DeutschePsychotherapeutenVereinigung<strong>Wenn</strong> <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> <strong>krank</strong> <strong>ist</strong> <strong>–</strong> <strong>Psychotherapie</strong> <strong>im</strong> <strong>höheren</strong> Lebensalter


StatementDipl.-Psych. Dieter BestBundesvorsitzender der Deutschen PsychotherapeutenVereinigungBei rund einem Viertel der älteren Menschen wird eine psychischeStörung diagnostiziert. Die Suizidalitätsrate <strong>ist</strong> doppelt so hoch alsbei jüngeren Menschen. Zu selten werden <strong>die</strong>se Menschen mit<strong>Psychotherapie</strong> behandelt, zu häufig mit Psychopharmaka.Nach einer Untersuchung der Gmünder Ersatzkasse (GEK-Arzne<strong>im</strong>ittelreport 2008 sinkt spätestens ab einem Alter von 60Jahren <strong>die</strong> Häufigkeit von <strong>Psychotherapie</strong>n steil ab. Ab 75 Jahrenwerden kaum noch <strong>Psychotherapie</strong>n in Anspruch genommen,obwohl sie auch <strong>im</strong> <strong>höheren</strong> Alter wirksam sind. Stattdessensteigt <strong>die</strong> Verschreibung von Antidepressiva mit zunehmendemAlter stark an. Fast jede fünfte 80jährige Frau erhält eines <strong>die</strong>serMedikamente, übrigens in der Mehrzahl der Fälle, ohne dass eineDepression diagnostiziert worden <strong>ist</strong>.Denn <strong>die</strong>s <strong>ist</strong> <strong>im</strong>mer noch ein großes Problem. PsychischeStörungen bei älteren werden Menschen oft nicht erkannt undnicht fachgerecht behandelt. Dies liegt zum einen an der Scheuvieler älterer Menschen, sich mit ihren psychischen Problemenjemandem anzuvertrauen, man will den jüngeren nicht zur Lastfallen, man glaubt, dass einen niemand versteht (man hat ja auchschon entsprechende Erfahrungen gemacht), der Arzt hat keineZeit…Sie sind es auch nicht gewohnt, über das eigene Befinden zusprechen. Heute alte Menschen sind in einer Zeit aufgewachsen,in der psychische Krankheiten mit Schwäche oder mit „Verrückt-Sein“ gleichgesetzt wurden. Wer von psychischen Krankheitenbetroffen war, konnte sich niemand anvertrauen und musste seinLeid mit sich selbst ausmachen.Weil in den Familien über Gefühle oft nicht gesprochen wurde, <strong>ist</strong>oft auch der Zugang zur eigenen Gefühlswelt verkümmert, sodass psychische Störungen nicht als solche erkannt werden,sondern als körperliche Krankheiten wahrgenommen werden:Schmerzen, Beklemmung in der Brust, Verdauungsprobleme usw.Gemeinsame Pressekonferenz 21. Mai 2010 BAGSO und DeutschePsychotherapeutenVereinigung<strong>Wenn</strong> <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> <strong>krank</strong> <strong>ist</strong> <strong>–</strong> <strong>Psychotherapie</strong> <strong>im</strong> <strong>höheren</strong> Lebensalter


Daher <strong>ist</strong> es verständlich, dass viele Ältere nicht von sich ausüber ihr Problem sprechen, wenn sie nicht z.B. vom Hausarztdarauf aufmerksam gemacht werden. Viel zu häufig werdenSignale des Patienten nicht als Hinweise auf eine psychischeStörung erkannt und viel zu oft und zu schnell werdenPsychopharmaka verschrieben.Es lässt sich feststellen: Eine fachgerechte Versorgung vonälteren Menschen mit psychischen Problemen <strong>ist</strong> nichtgewährle<strong>ist</strong>et.Es <strong>ist</strong> bewiesen, dass <strong>Psychotherapie</strong> auch <strong>im</strong> Alter wirksam <strong>ist</strong>.Oft glauben allerdings auch Fachleute, wie z.B. Ärzte oder Pfleger,dass <strong>Psychotherapie</strong> bei alten Menschen nicht wirke oder dass ‚essich nicht mehr lohne’. Psychische Krankheiten sind aber genausoernst zu nehmen wie körperliche Krankheiten und sollten vonunserer Gesellschaft genauso akzeptiert werden.Um über psychische Krankheiten <strong>im</strong> Alter und <strong>die</strong>Behandlungsmöglichkeiten aufzuklären, haben wir gemeinsammit der BAGSO eine Broschüre herausgegeben, <strong>die</strong> als Ratgeberfür ältere Menschen, aber auch für Angehörige und Hausärztegedacht <strong>ist</strong>. Wir erhoffen uns dadurch, dass ältere Menschen, <strong>die</strong>psychische Probleme haben, einen leichteren Zugang zur<strong>Psychotherapie</strong> finden.Gemeinsame Pressekonferenz 21. Mai 2010 BAGSO und DeutschePsychotherapeutenVereinigung<strong>Wenn</strong> <strong>die</strong> <strong>Seele</strong> <strong>krank</strong> <strong>ist</strong> <strong>–</strong> <strong>Psychotherapie</strong> <strong>im</strong> <strong>höheren</strong> Lebensalter

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