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10/11 - Evangelische Kirchen in Erfurt

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7 MITMENSCHENFremdenfreundlich odergastfe<strong>in</strong>dlich?Konrad LudwigDas ist offensichtlich e<strong>in</strong> Wortspiel. BeideWorte stehen nicht im Duden. Aberzum<strong>in</strong>dest im Late<strong>in</strong>ischen gibt es e<strong>in</strong>e solcheGedankenverb<strong>in</strong>dung. Das deutscheWort „Gast“ ist mit dem late<strong>in</strong>ischen hostisverwandt und das heißt „remdl<strong>in</strong>g“ oder„e<strong>in</strong>d“, im späten Late<strong>in</strong> sogar „der Teufel“.Im Englischen heißt der Gastgeber host. Aufdie rage nach e<strong>in</strong>er Jugendherberge, e<strong>in</strong>em„youth hostel“ können unkundige Amerikanerschon mal „befremdet“ reagieren: Dennhostel und das englische Wort für „fe<strong>in</strong>dselig“hostile werden ganz ähnlich ausgesprochen.Diese Doppeldeutigkeit ist ke<strong>in</strong> Zufall.remd macht Angst.Jemand kommt auf mich zu und spricht michan. Was will er von mir? Jemand kl<strong>in</strong>geltunerwartet an me<strong>in</strong>er Tür: Vorsicht! remdesbeunruhigt. Dabei werden wir oft Opferunserer Wahrnehmung. E<strong>in</strong> etwas e<strong>in</strong>fältigerJugendlicher kommt von e<strong>in</strong>er Klassenfahrtaus Prag zurück und erzählt: „Die Stadt is jaganz schön, aber ‘n Haufen Ausländer renn’da rum.“ Wir lachen. Die meisten Deutschens<strong>in</strong>d nicht so beschränkt. Wir s<strong>in</strong>d nicht„gastfe<strong>in</strong>dlich“, das haben wir mit der WMgerade erst bewiesen. Aber Hand aufs Herz:Waren wir uns so sicher, dass alles gut geht– ohne Krawalle oder Übergriffe? Ist die guteErfahrung übertragbar auf den alltäglichenUmgang mit Ausländern, lüchtl<strong>in</strong>gen, Zugewanderten?Wir wissen, wie schnell beiGesprächen über Arbeitslosigkeit, Krim<strong>in</strong>alitätoder Schulprobleme doch wieder derverme<strong>in</strong>tlich „Schuldige“ gesucht und gefundenwird!Zur Zeit wird viel über die ehler frühererAusländerpolitik geredet.Es heißt, Ausländer seien zu wenig <strong>in</strong>tegriert.Es gibt e<strong>in</strong> neues Zuwanderungsgesetz. AusländischeMitbürger müssen Integrationskursebesuchen, <strong>in</strong> denen die deutsche Spracheund das politische System der Bundesrepublikvermittelt wird. E<strong>in</strong> Integrationsgipfelfand statt. So weit, so gut. Politik stelltdie Weichen, formuliert Gesetze, f<strong>in</strong>anziert.Aber Gastfreundschaft oder vielmehr guteNachbarschaftlichkeit ist nicht zu verordnen.Sie zeigt sich im Detail, im Interesse und <strong>in</strong>der Hilfsbereitschaft des/der E<strong>in</strong>zelnen. Inder Vertrautheit mite<strong>in</strong>ander, die sich aus vielenkle<strong>in</strong>en guten Erfahrungen zusammensetztund die im Krisenfall trägt. Es gibt ke<strong>in</strong>anderes Mittel gegen das Misstrauen, gegendie remdheit auf beiden Seiten.Es lohnt sich, beim Bibellesen auf das Wort„fremd“ oder „remdl<strong>in</strong>g“ zu achten. Zusammenmit Witwen und Waisen s<strong>in</strong>d die remdl<strong>in</strong>gegeradezu e<strong>in</strong> Synonym für die, denenman Rechtsschutz und Hilfe gewähren muss.(z.B. 4.Mose 22, 20 oder 5.Mose <strong>10</strong>,18f.) Esheißt ausdrücklich, dass Gott „die remdl<strong>in</strong>geliebt“Schon Abraham und Issak s<strong>in</strong>d remdl<strong>in</strong>ge,sie wechseln ihren Wohnsitz unter anderemwegen Hungersnöten. Sie s<strong>in</strong>d sozusagen„Wirtschaftsflüchtl<strong>in</strong>ge“. (1.Mose 12,<strong>10</strong> und26,1-3). Immer wieder werden die Israelitendaran er<strong>in</strong>nert, dass auch sie remdl<strong>in</strong>gewaren <strong>in</strong> Ägypten. Aus der eigenen Erfahrungwächst das Verständnis. Wissen wir, wases heißt, e<strong>in</strong> remder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Stadt, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>erSchulklasse, auf Arbeit oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kirchgeme<strong>in</strong>dezu se<strong>in</strong>, wie sich das anfühlt, wasman sich wünscht und wie man zu Rechtkommt?„Ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong> remder gewesen und ihr habtmich aufgenommen“ sagt Jesus. Praktizierteremdenfreundlichkeit ist also e<strong>in</strong> ganz biblischerAuftrag und – angesichts weltweiterKrisen – e<strong>in</strong>e ganz aktuelle orm christlicherNachfolge. Denken wir nur an das <strong>Kirchen</strong>asyl<strong>in</strong> der Lutherkirche. Gottes Wort er<strong>in</strong>nertuns daran, dass der remdl<strong>in</strong>g e<strong>in</strong> Mitmenschund nicht nur e<strong>in</strong>e lüchtl<strong>in</strong>gszifferist. Kirchliche Ausländerarbeit übersetzt denbiblischen Auftrag <strong>in</strong> die Praxis.Betriebswirtschaftlicher oder missionarischer

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