10/11 - Evangelische Kirchen in Erfurt

10/11 - Evangelische Kirchen in Erfurt 10/11 - Evangelische Kirchen in Erfurt

erfurt.kirche.de
von erfurt.kirche.de Mehr von diesem Publisher
12.07.2015 Aufrufe

PERSÖNLICHKEITEN 26Einleitung, S. IV) kenntlich zu machen.Angesichts dieser Prämissen fiel es Scheelleicht, den von der amerikanischen Kritikerhobenen Vorwurf, er habe „eine tendenziöse,im Dienst [s]einer Lutherbiographiestehende Auswahl“ (ebd.) vorgelegt, zuentkräften.Die in diesem Zusammenhang erwähnteBiographie wurde unter dem Titel MartinLuther. Vom Katholizismus zur Reformationin den Jahren 1916 und 1917 in zweiBänden veröffentlicht. Mit ihr legte Scheelein bis in die Gegenwart anerkanntesStandardwerk vor, das sich vor allemdurch eine überragende Quellenkenntnisauszeichnet. Das Werk behandelt Luthersrühzeit bis zum Wittenberger ‚Turmerlebnis‘und damit nicht zuletzt die ErfurterJahre in großer Ausführlichkeit. Namentlichdie Darstellung von Luthers Aufenthaltim Kloster der Augustiner-Eremiten(Bd. 2) dürfte in der von Scheel gebotenenDichte nicht wieder erreicht wordensein. In der achwelt fand die Monographieein vielfältiges und überwiegendzustimmendes Echo. Die Rezensentenwerteten das Werk als ‚Wissenschafts- undBildungsgeschichte der ganzen Zeit‘, attestiertendem Autor die souveräne Benutzungeines unübersehbar reichen Quellenmaterialsund bescheinigten ihm, denbislang unerreichten ‚Unterbau zu einerGesamtbiographie‘ geliefert zu haben.Bernhard Bess konstatierte, bei ScheelsLutherbiographie handle es sich „um etwasgegen die bisherigen wirklich vollkommenNeues“ (ZKG 36 [1916], S.585f.).Bereits 1917 machte sich eine zweiteAuflage des ersten Bandes notwendig( 3 1921), bei deren Vorbereitung sichScheel der „wertvollen Unterstützung derortsgeschichtlichen orschung“ versicherte.Im Vorwort der Neuauflage schreibt eru. a.: „Ein unbefangenes, nur auf die Sacheblickendes Geben und Nehmen hatmich besonders mit Erfurter Historikernverbunden. Dieser ganz dem wissenschaftlichenBemühen um eststellung dergeschichtlichen Wirklichkeit entsprungenenArbeitsgemeinschaft darf ich hierwarm gedenken, namentlich der regenTeilnahme, die [...] Herr GymnasialdirektorProfessor Dr. Biereye, meiner Arbeitbezeugte.“ (S. VI) Wie berechtigt dieseanerkennenden Worte waren, erhellt ausder Tatsache, daß annähernd die Hälfteder überlieferten Briefe Scheels an Biereyeaus der Phase der Endkorrekturen bzw. derDrucklegung der zweiten Auflage des erstenLutherbandes (Vorwort datiert4.8.1917) stammt. Zwischen März undJuli 1917 wandte sich Scheel nicht wenigerals neun Mal mit der Bitte um teilsdiffizile Auskünfte an seinen Erfurter Korrespondenzpartner,dessen bereitwilligesEingehen auf alle ragen des TübingerKollegen letztlich maßgeblich zu den Verbesserungenin der neuen Auflage beitrug.Aus dem intensiven Gedankenaustauschim rühjahr und Sommer 1917 erwuchseine wohl zunehmend auch persönlichgefärbte Beziehung zwischen den beidenWissenschaftlern, die sie über den eigentlichenAnlaß der Korrespondenz hinausin Verbindung bleiben ließ. Wiederholtbekannte Scheel gegenüber Biereye, esgäbe „doch manch wissenschaftliches undpolitisches Problem, das ich gern mit Ihnendurchspräche“ (7.3.1921). Die Editionder Scheel-Briefe, die sich in Vorbereitungbefindet – die AntwortschreibenBiereyes müssen bedauerlicherweise alsverloren gelten – wird Einblicke in dieWissenschaftsgeschichte der sogenannten‚Lutherrenaissance‘ in der ersten Hälftedes 20. Jahrhunderts und zugleich in daspolitische Denken eines protestantischenGelehrten am Ende des Kaiserreichs ermöglichen.

27 RATSGYMNASIUM„Denkmal aktiv”in der Alten SynagogeJürgen JunkerSchülergruppe des Evangelischen Ratsgymnasiumserforscht Alte SynagogeMehrere „fassbare” Zeugnisse alter jüdischerGemeinden haben wir in Erfurt: Zum einen –aufgestellt im Eingang zum Angermuseumund zur Zeit nicht zu sehen – den Grabsteindes Rabbiners Elasar, gestorben 1281;zweitens einen romanischen Hängeleuchter,im Erfurter Dom, wahrscheinlich aus dem 11.Jahrhundert; drittens den sogenannten„Schatz”, den wohl ein Kaufmann im rühjahrdes Jahres 1349 unter dem Treppenbauseines Hauses in der Michaelisstraße vergrub,weil er einen Überfall auf sich und andereJuden in der Stadt befürchtete, zu dem es auchkam und der – nach Schätzungen – etwa 1000Menschen das Leben kostete, dem Kaufmannselbst wohl auch; zu diesem Schatz gehörtein Hochzeitsring, den ein Miniaturmodelldes Jerusalemer Tempels krönt, auf dessenwinzigen Dachflächen die Worte „MasalTow” stehen, ein Wunsch, der für den Kaufmannpersönlich nicht in Erfüllung ging;viertens ein deutschsprachiges Schriftstückaus Pergament (aus der Zeit zwischen 1180und 1200), das eine „Eidesformel” für die ErfurterJuden dieser Zeit enthält, und fünftensdie Alte Synagoge in der Waagegasse, um1100 erbaut und somit eines der ganz altenZeugnisse jüdischer Gemeinden in Mitteleuropa.Diese Alte Synagoge möchte die StadtErfurt im Laufe des Jahres 2007 wieder derÖffentlichkeit zugänglich machen, inklusiveder baulichen Veränderungen durch die Nutzungen,die das Gebäude nach dem Pogromvon 1349 erhielt.Eine Gruppe von Schülerinnen und Schülerndes Evangelischen Ratsgymnasiums beschäftigtsich seit ein paar Monaten mit dieser AltenSynagoge. Die zwölf jungen Leute ausden Klassen 9 bis 11 haben sich das Denkmalunter mehreren anderen ausgesucht, umzu entdecken, was ein Denkmal allgemeinist, was dieses eine besonders auszeichnet,was es mit der besonderen Geschichte dieserSynagoge auf sich hat, wie Menschen hiergebetet haben, sich trafen, Gottesdienst feierten,die heilige Schrift lasen und hörten, wieihr Raum aussah, wie er sich veränderte, wasaus ihm bis heute geworden ist und warumdas Gebäude jetzt wieder als „erhaltenswertesDenkmal” eingestuft wird.Gefördert wird das Vorhaben der Schüler vonder Deutschen Denkmalstiftung, die das Projekt„denkmal aktiv” jedes Jahr bundesweitausschreibt und eine Reihe von beantragendenSchulen in ihr örderprogramm aufnimmt,eben auch das Evangelische Ratsgymnasium,das hierbei mit dem evangelischenGymnasium in Mühlhausen kooperiert.Die Jugendlichen haben sich eine Mengevorgenommen: Zu allererst wollen sie sichselbst so fit machen, dass sie Erfurter Schülernder Klassen 4 bis 8 aller Schularten eineührung anbieten können – in der Alten Synagoge,sobald sie wieder begehbar ist unddie Erfurter Denkmalschutzbehörde „grünesLicht” gegeben hat. Zu diesem Zweck habensie sich selbst befragt, was für sie eine guteund spannende ührung ausmacht. Dann habensie Texte verfasst und Anschauungsmaterialgesammelt. Zum Schluss der ührungwollen die Schüler einen selbst gestaltetenlyer ausgeben, der das wichtigste in Kurzformenthält und zur Nachbereitung zu Hauseoder im Unterricht genutzt werden kann.Die Termine werden sie noch öffentlich be-

27 RATSGYMNASIUM„Denkmal aktiv”<strong>in</strong> der Alten SynagogeJürgen JunkerSchülergruppe des <strong>Evangelische</strong>n Ratsgymnasiumserforscht Alte SynagogeMehrere „fassbare” Zeugnisse alter jüdischerGeme<strong>in</strong>den haben wir <strong>in</strong> <strong>Erfurt</strong>: Zum e<strong>in</strong>en –aufgestellt im E<strong>in</strong>gang zum Angermuseumund zur Zeit nicht zu sehen – den Grabste<strong>in</strong>des Rabb<strong>in</strong>ers Elasar, gestorben 1281;zweitens e<strong>in</strong>en romanischen Hängeleuchter,im <strong>Erfurt</strong>er Dom, wahrsche<strong>in</strong>lich aus dem <strong>11</strong>.Jahrhundert; drittens den sogenannten„Schatz”, den wohl e<strong>in</strong> Kaufmann im rühjahrdes Jahres 1349 unter dem Treppenbause<strong>in</strong>es Hauses <strong>in</strong> der Michaelisstraße vergrub,weil er e<strong>in</strong>en Überfall auf sich und andereJuden <strong>in</strong> der Stadt befürchtete, zu dem es auchkam und der – nach Schätzungen – etwa <strong>10</strong>00Menschen das Leben kostete, dem Kaufmannselbst wohl auch; zu diesem Schatz gehörte<strong>in</strong> Hochzeitsr<strong>in</strong>g, den e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>iaturmodelldes Jerusalemer Tempels krönt, auf dessenw<strong>in</strong>zigen Dachflächen die Worte „MasalTow” stehen, e<strong>in</strong> Wunsch, der für den Kaufmannpersönlich nicht <strong>in</strong> Erfüllung g<strong>in</strong>g;viertens e<strong>in</strong> deutschsprachiges Schriftstückaus Pergament (aus der Zeit zwischen <strong>11</strong>80und 1200), das e<strong>in</strong>e „Eidesformel” für die <strong>Erfurt</strong>erJuden dieser Zeit enthält, und fünftensdie Alte Synagoge <strong>in</strong> der Waagegasse, um1<strong>10</strong>0 erbaut und somit e<strong>in</strong>es der ganz altenZeugnisse jüdischer Geme<strong>in</strong>den <strong>in</strong> Mitteleuropa.Diese Alte Synagoge möchte die Stadt<strong>Erfurt</strong> im Laufe des Jahres 2007 wieder derÖffentlichkeit zugänglich machen, <strong>in</strong>klusiveder baulichen Veränderungen durch die Nutzungen,die das Gebäude nach dem Pogromvon 1349 erhielt.E<strong>in</strong>e Gruppe von Schüler<strong>in</strong>nen und Schülerndes <strong>Evangelische</strong>n Ratsgymnasiums beschäftigtsich seit e<strong>in</strong> paar Monaten mit dieser AltenSynagoge. Die zwölf jungen Leute ausden Klassen 9 bis <strong>11</strong> haben sich das Denkmalunter mehreren anderen ausgesucht, umzu entdecken, was e<strong>in</strong> Denkmal allgeme<strong>in</strong>ist, was dieses e<strong>in</strong>e besonders auszeichnet,was es mit der besonderen Geschichte dieserSynagoge auf sich hat, wie Menschen hiergebetet haben, sich trafen, Gottesdienst feierten,die heilige Schrift lasen und hörten, wieihr Raum aussah, wie er sich veränderte, wasaus ihm bis heute geworden ist und warumdas Gebäude jetzt wieder als „erhaltenswertesDenkmal” e<strong>in</strong>gestuft wird.Gefördert wird das Vorhaben der Schüler vonder Deutschen Denkmalstiftung, die das Projekt„denkmal aktiv” jedes Jahr bundesweitausschreibt und e<strong>in</strong>e Reihe von beantragendenSchulen <strong>in</strong> ihr örderprogramm aufnimmt,eben auch das <strong>Evangelische</strong> Ratsgymnasium,das hierbei mit dem evangelischenGymnasium <strong>in</strong> Mühlhausen kooperiert.Die Jugendlichen haben sich e<strong>in</strong>e Mengevorgenommen: Zu allererst wollen sie sichselbst so fit machen, dass sie <strong>Erfurt</strong>er Schülernder Klassen 4 bis 8 aller Schularten e<strong>in</strong>eührung anbieten können – <strong>in</strong> der Alten Synagoge,sobald sie wieder begehbar ist unddie <strong>Erfurt</strong>er Denkmalschutzbehörde „grünesLicht” gegeben hat. Zu diesem Zweck habensie sich selbst befragt, was für sie e<strong>in</strong>e guteund spannende ührung ausmacht. Dann habensie Texte verfasst und Anschauungsmaterialgesammelt. Zum Schluss der ührungwollen die Schüler e<strong>in</strong>en selbst gestaltetenlyer ausgeben, der das wichtigste <strong>in</strong> Kurzformenthält und zur Nachbereitung zu Hauseoder im Unterricht genutzt werden kann.Die Term<strong>in</strong>e werden sie noch öffentlich be-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!