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10/11 - Evangelische Kirchen in Erfurt

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21 THEATERGOTTESDIENSTSiehst du den Monddort stehen?E<strong>in</strong>e „Mondpredigt“ zum besonderenTrost für Menschen, die mitunter <strong>in</strong> denMond gucken müssenIn dem 9. Theatergottesdienst <strong>in</strong> der Kaufmannskircheam Anger zu dem kle<strong>in</strong>en Welttheater,Carl Orffs Oper „Der Mond“, der 13.<strong>Erfurt</strong>er Domstufen-estspiele, am Sonntag,dem 20. August 2006 um <strong>11</strong>.15 Uhr predigtePfarrer i.R. Boris Michael Gruhl (Dresden).Gruhl, geboren 1947, bis 2005 Referent fürkulturelle Bildung der <strong>Evangelische</strong>n Jugend<strong>in</strong> Sachsen, ist jetzt als freier Autor, Redakteur,Rezensent und Herausgeber tätig.E<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Welttheater. Der Ort ist Märchenland.Die Zeit ist Märchenzeit. Das Märchenvom Mond aus den Sammlungen der GebrüderGrimm stand Pate.E<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Welttheater <strong>in</strong> der Tradition desgroßen Welttheaters, der Mysterienspiele desMittelalters, der Prozessionen Spaniens, Siziliensdes Tags oder zur Nachtzeit, <strong>in</strong> den<strong>Kirchen</strong> entstanden, aus den <strong>Kirchen</strong> verbanntund wiederum von den <strong>Kirchen</strong> zu nutze gemacht.Das große Spiel vom Leben und Sterbenund Auferstehen. Vom Licht, von der <strong>in</strong>sternisund wiederum vom Licht. Vom Chaos,von der Ordnung, deren Zerstörung undwiederum – jetzt immer stärker als Vision undauch im Konjunktiv – von der Erneuerung undewig e<strong>in</strong>gesetzter Ordnung, mit Tag undNacht und Nacht und Tag und Brot, und We<strong>in</strong>,Musik und Tanz für alle, und großem Lichtbei Tage und kle<strong>in</strong>em Licht bei Nacht für alle,dass ke<strong>in</strong>er mehr, für immer und ewig, verlorenoder fehl gehe.Der Mond im kle<strong>in</strong>en Welttheater des CarlOrff (geb. am <strong>10</strong>. Juli 1895 <strong>in</strong> München) g<strong>in</strong>gam 5. ebruar 1939 zum ersten mal <strong>in</strong> Münchenauf. Er wurde gevierteilt. Er verlosch.Er wurde wieder zusammengesetzt und sohoch aufgehängt, dass auch <strong>in</strong> f<strong>in</strong>stersterNacht jedem Menschen – ohne Ansehen vonPerson, Stand, Herkunft oder Religion – e<strong>in</strong>Strahl se<strong>in</strong>es matten Lichtes leuchten sollte.Im Theater erhellte der Mond 1939 noch dieNacht für Lebende und Tote, für Gew<strong>in</strong>ner undVerlierer, für Säufer und Spieler, für aule undleißige, für Laute und Leise, für Kranke undGesunde, für Beter aller Religionen und Spötterauch. Der Mond im großen Welttheatererhellte längst nicht mehr jedermanns Weg,konnte Verzweifelte nicht mehr trösten oderWege aus dem Elend weisen. Der Mond von1939 g<strong>in</strong>g auf über den ersten Schlachtfeldernund schon über den Baracken der Arbeits-und Konzentrationslager.E<strong>in</strong> Weltdrama hatte begonnen. Die Kategorienwaren <strong>in</strong> schändlichster Verwirrung, e<strong>in</strong>blutig Eisen war der Mond und die Welt, sonstsanft und mild von ihm beschienen, war e<strong>in</strong>umgestürzter Hafen. Das s<strong>in</strong>d Zitate aus denWelttheaterstücken Georg Büchners. Aus denVisionen e<strong>in</strong>es jungen Mannes, der nicht dreißigJahre alt wurde. Die Parzen hatten ihmbei se<strong>in</strong>er Geburt die Augenlieder weggeschnitten.Daher konnte er vor nichts se<strong>in</strong>eAugen verschließen, wie e<strong>in</strong>er se<strong>in</strong>er spätenVerwandten, der Dichter He<strong>in</strong>er Müller, sagenwird. Bei Büchner war schon die Rededavon, dass die ganze Welt e<strong>in</strong> gekreuzigterHeiland, und der Mond nicht mehr als e<strong>in</strong>faules Stück Holz ist, oder wie schon gesagt,e<strong>in</strong> blutig Eisen. Aber wieder zurück odervoran <strong>in</strong>s zwanzigste Jahrhundert.Geschrieben hatte Carl Orff se<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Welttheater1936/1938. Als e<strong>in</strong> „nachdenklichesGleichnis von der Vergeblichkeit menschlichenBemühens, die Weltordnung zu stören“,wollte er se<strong>in</strong> Märchenspiel verstanden wissen,und zugleich „als Parabel vom Geborgense<strong>in</strong><strong>in</strong> eben dieser Welt“. Wie unbehaustebendiese Welt schon für viele se<strong>in</strong>er Zeitgenossengeworden war mag er gewusst haben,dass er sich selbst noch so ganz wohl <strong>in</strong>ihr gefühlt haben kann, ist nicht anzunehmen.Er hat nicht aufgehört, Stücke zu schreiben,nicht selten so im Stile von Märchen oderWelt- und Mysterienspielen, <strong>in</strong> denen es irgendwiedoch noch gut ausgeht.Auch ganz am Ende, 1973 <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em letztengroßen Werk, bevor er 1982 im Alter von 87Jahren <strong>in</strong> München stirbt, im „Spiel vom Ende

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