200 Jahre Firma Zugmayer - Waldegg-Aktuell
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Nr.: 4/2010 www.<strong>Waldegg</strong>-<strong>Aktuell</strong>.at<br />
Seite 13<br />
<strong>Waldegg</strong>er Chronik<br />
Eine Serie von OSR Josef Mliner 118. Folge<br />
<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Firma</strong> <strong>Zugmayer</strong><br />
Diese Feier am 24.9.2010 regt dazu an, neben der großen industriellen<br />
und wirtschaftlichen Bedeutung dieser <strong>Firma</strong> für die<br />
Entwicklung <strong>Waldegg</strong>s aufzuzeigen, dass Mitglieder der Familie<br />
<strong>Zugmayer</strong> auch über <strong>Waldegg</strong> hinaus kulturell Bedeutendes geleistet<br />
haben.<br />
Hier ist gleich der Sohn des Firmengründers Severin, nämlich<br />
Georg <strong>Zugmayer</strong>, zu nennen. Als die revolutionären Ereignisse<br />
im <strong>Jahre</strong> 1848 die Entstehung der freien Ortsgemeinden brachten,<br />
und an Stelle der früheren Ortsrichter ein in freier Wahl zu<br />
bestimmender Gemeinderat die Ortsgeschäfte führte, wählte<br />
dieser 1861 Georg <strong>Zugmayer</strong> nach Vinzenz Eisenkirchner zum<br />
2. Bürgermeister der Ortsgemeinde Peisching. Er übte dieses Amt<br />
bis 1876 aus. Als wegen der immer mehr steigenden Schülerzahl<br />
die alte Schule links vor der Kirche viel zu klein wurde, spendete<br />
Georg <strong>Zugmayer</strong> den dafür benötigten Baugrund, auf dem heute<br />
noch das seither oft um- und ausgebaute große, moderne Schulgebäude<br />
steht.<br />
Nach dem Tode seines Bruders und Gesellschafters Martin nahm<br />
Georg <strong>Zugmayer</strong> seine Söhne Karl und Heinrich in die <strong>Firma</strong> auf.<br />
Karl (oft auch „Carl“ geschrieben) war 1889 – 1907 Bürgermeister<br />
von Wopfing, denn das Firmengelände lag auf dem Gebiet<br />
der Ortsgemeinde Wopfing, das sich links der Piesting von Reichental<br />
bis zum Mühltal erstreckt. Die <strong>Waldegg</strong>er Schulchronik<br />
vermerkt für seine Zeit: „Freitag, den 2. Dez. 1898 wurde das<br />
fünfzigjährige Regierungsjubiläum seiner Majestät unseres allergnädigsten<br />
Kaisers (Franz Joseph, Anm. Mliner) gefeiert. Herr<br />
Karl <strong>Zugmayer</strong> überreichte den Kindern zur dauernden Erinnerung<br />
eine Jubiläumsmedaille.“ ……“Karl Artner, welcher sich<br />
als Obmann des Ortsschulrates um die Erweiterung der Schule<br />
große Verdienste erwarb, ist am 22. Nov. 1898 aus dem Ortsschulrat<br />
ausgetreten, Obmann wurde Herr Karl <strong>Zugmayer</strong>.“<br />
Bei der <strong>Firma</strong> <strong>Zugmayer</strong> wirkte damals auch ein Dr. Karl Schmidt<br />
als Fabriksarzt. Dass er auch Gemeindearzt war, erfahren wir aus<br />
einer „Note“ des k.k. Bezirkshauptmannes von Wiener Neustadt<br />
vom 31. Mai 1884. Dort heißt es, dass er als Totenbeschauer der<br />
Gemeinde Wopfing eine <strong>Jahre</strong>sremmuneration von 40 Gulden erhielt.<br />
(Mitteilung von Hofrat Dr. Stundner). Dr. Schmidt hatte seine<br />
Praxis und Wohnung im Haus <strong>Waldegg</strong> 109, das ihm die <strong>Firma</strong><br />
<strong>Zugmayer</strong> zur Verfügung stellte. In diesem Doktorhaus wirkten<br />
auch noch seine Nachfolger. Dr. Franz Holzer sen. ab 1908 und<br />
als dessen Nachfolger sein Sohn Dr. Franz Holzer jun. ab 1941.<br />
Dieser verlegte seine Praxis erst 1960 in das Haus Nr. 154 (gegenüber<br />
dem Gemeindeamt).<br />
Die <strong>Firma</strong> <strong>Zugmayer</strong> brachte also nicht nur den ersten Gemeindearzt<br />
nach <strong>Waldegg</strong>, sondern stellte für sein Wirken auch Haus und<br />
Wohnung zur Verfügung, die bis 1960 auch seinen Nachfolgern<br />
Dr. Holzer sen. und Dr. Holzer jun. als Wirkungsstätte dienten.<br />
Neben Karl <strong>Zugmayer</strong> dürfen wir nicht vergessen, seinen Bruder<br />
Heinrich zu erwähnen. Er war Geologe aus Liebhaberei und erlangte<br />
dabei europäischen Ruf. Neben seinem Wirken in der <strong>Firma</strong><br />
war Heinrichs großes Hobby die Geologie, die Wissenschaft<br />
vom Bau und der Geschichte der Erde. Er fand dafür so zu sagen<br />
vor seiner Haustür ein reiches Betätigungsfeld. Er war ein hochbegabter<br />
Mann mit großem zeichnerischen Können, der in vielen<br />
Bleistiftskizzen <strong>Waldegg</strong>er Ansichten festhielt. Er hatte sich die<br />
Gegend unseres Tales vom Kitzberg bis hinaus zur Ruine Starhemberg<br />
zum Gegenstand sorgfältigster Forschungen erkoren. In<br />
der Familienchronik wird seine wissenschaftliche Abhandlung<br />
„Über rhätische Brachiopoden“ besonders erwähnt. Brachiopo-<br />
Terrakotta beim Haus <strong>Waldegg</strong> 109<br />
den, auch Armfüßer genannt, sind festsitzende, muschelartige<br />
Meerestiere, deren letzte Vertreter heute noch leben, aber einst<br />
sehr artenreich entwickelt und in unserem Gebiet als Fossilien<br />
reichlich zu finden waren. Einen sehr ergiebigen Fundort rhätischer<br />
Petrefakte (Versteinerungen) waren die Steinwälle zwischen<br />
den ehemaligen Weingärten, am Hang links der Piesting in<br />
unserer Gemeinde, mit einer Ausbeute von über 60 Arten. Besonders<br />
auffallend waren dabei Gesteinsstücke von breccienartiger<br />
Zusammensetzung. Die Breccie o. Brekzie ist eine Gesteinsart,<br />
die durch ein Bindemittel verfestigt wurde. In unserem Fall sind<br />
es Zahn-, Knochen- und Schuppenbruchstücke von Reptilien,<br />
Amphibien und Fischen, die diese Gesteinsart derart füllen, dass<br />
gleichsam eine Knochenbrekzie entstand. Diese Brekzie tritt insbesonders<br />
in Schwaben und in England in der rhätischen Stufe<br />
unter der Bezeichnung „Bonebed“ (Knochenbrekzie) auf. Die genauere<br />
Untersuchung ergab dann, dass diese in Österreich bisher<br />
unbekannte Gesteinsart von Heinrich <strong>Zugmayer</strong> als „Alpines Bonebed“<br />
bezeichnet wurde.<br />
An ihrer stärksten Gefällstufe trennte die Piesting im Schwarzviertel<br />
vom Kalksteinblock der Mandling den Gressenberg ab.<br />
Dort ist beim Steg des Radweges über die Piesting, links von<br />
der Kalksinterader eine ca. 3 m hohe Felswand zu sehen, die wie<br />
ein Urkundenbuch einen wunderbaren Einblick in die geologi-<br />
Fortsetzung auf Seite 14
Nr.: 4/2010 www.<strong>Waldegg</strong>-<strong>Aktuell</strong>.at<br />
Seite 14<br />
<strong>Waldegg</strong>er Chronik<br />
Eine Serie von OSR Josef Mliner Fortsetzung von Seite 13<br />
118. Folge<br />
<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Firma</strong> <strong>Zugmayer</strong><br />
sche Vergangenheit unseres Gemeindegebietes bietet. Mit seiner<br />
zeichnerischen Begabung hat sie Heinrich <strong>Zugmayer</strong> in einer aufschlussreichen<br />
Skizze festgehalten. In einer genauen Beschreibung<br />
der Gesteinsschichten sind die Knochenbrekzien durch<br />
Heinrich <strong>Zugmayer</strong> als „Alpines Bonebed“ erstmals bei uns entdeckt<br />
worden.<br />
Betrieb Heinrich <strong>Zugmayer</strong> seine geologischen Forschungen<br />
noch als Hobby, so studierte sein Sohn Erich in Heidelberg und<br />
war wegen seiner Leistungen als Forschungsreisender und Zoologe<br />
mit 31 <strong>Jahre</strong>n so bekannt, dass über ihn in Herders Konversationslexikon<br />
im Ergänzungsband 1910 zu lesen ist:“<strong>Zugmayer</strong><br />
Erich, Forschungsreisender und Zoologe (Leiter der Ichthyologischen<br />
[fischkundlichen] Abteilung der Bayrischen Staatssamm-<br />
Neuer Terrakottaschmuck beim Haus <strong>Waldegg</strong> 51<br />
lungen in München), geb. 16.5.1979 in Wien, bereiste 1902 Island,<br />
1904 Vorderasien, 1906 Chinesisch Turkestan und Kaschmir.<br />
Schrieb unter anderem: „Eine Reise durch Island“ 1903,<br />
„Eine Reise durch Vorderasien“ 1905, „Eine Reise durch Zentralasien“<br />
1908.“<br />
Für seine Reise durch Vorderasien erhielt Erich <strong>Zugmayer</strong> eine<br />
namhafte Unterstützung durch das Wiener Naturhistorische Hofmuseum,<br />
dem dafür die zoologische Sammlung zugesichert war.<br />
Für das Aufbewahren der dabei gesammelten naturwissenschaftlichen<br />
Präparate führte er in seinem umfangreichen Gepäck viele<br />
Kisten, Zinkwannen, Gläser und Konservierungsmaterial mit, die<br />
einen großen Begleittross erforderten. Diese Reise war eine wertvolle<br />
Vorbereitung für seine späteren Forschungsfahrten.<br />
In dem Buch über sein nächstes Unternehmen „Eine Reise<br />
durch Zentralasien im <strong>Jahre</strong> 1908“ erfahren wir, dass neben dem<br />
Hauptzweck der geologischen und zoologischen Sammelarbeit<br />
aber auch die Geologie, die Flora und Völkerkunde nicht zu kurz<br />
kamen. Eine bedeutende Unterstützung dieser Reise verdankte<br />
er den Empfehlungsbriefen und Begleitschreiben. Es sei hier der<br />
„Chinesische Schutzbrief“ mit dem großen kaiserlichen Siegel<br />
aus Peking erwähnt, den er dem damals in Peking residierenden<br />
Beamten der Österr. Monarchie, namens „WRHA“, verdankte.<br />
Mit diesem Wort war der aus Oed stammende Arthur von Rosthorn<br />
gemeint, der damals Legationsrat an der k.k. österr.-ung.<br />
Gesandtschaft in Peking war. Bei der Reise durch die Hochfläche<br />
Westtibets (5.000 m Seehöhe) überlebten die großen Strapazen<br />
von seinen ursprünglich 60 Lasttieren nur 1 Esel, 4 Pferde und die<br />
dort gekauften und gemieteten Yaks.<br />
Die zoologische Bilanz dieser Reise war außerordentlich. Ihre<br />
große Ausbeute erhielt die Zoologische Sammlung in München.<br />
1911 erschien in Monaco in französischer Sprache<br />
Erich <strong>Zugmayer</strong>s Buch „Fischforschungen auf der<br />
Jacht Princesse Alice 1901-1910“, in dem er die Ergebnisse<br />
seiner wissenschaftlichen Forschungsreisen<br />
darlegt. Es war die Zeit des Beginns der internationalen<br />
Unterwasserforschung. Heinrich <strong>Zugmayer</strong><br />
wurde wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fischforschung<br />
der Zoologischen Staatssammlung München<br />
und gründete dort die erste Ichthyologische Abteilung.<br />
Erich <strong>Zugmayer</strong> fand im alten Teil unseres Waldfriedhofes<br />
an der Straße nach Dürnbach in der <strong>Zugmayer</strong>schen<br />
Familiengruft seine letzte Ruhestätte.<br />
Auf dem großen Grabstein findet sich dort auch der<br />
Name:<br />
Pauline von Pelz-Felinau, geb. <strong>Zugmayer</strong>, geb.<br />
23.4.1843 – gest. 26.4.1869. Dies sei hier nur darum<br />
erwähnt, weil Pauline <strong>Zugmayer</strong> die Großmutter von<br />
Hans Hass ist, der mit seinen Forschungen und Büchern<br />
ein großes Publikum für die Erforschung der<br />
Meeresunterwelt begeistert hat und in seinem Buch<br />
„Erinnerungen und Abenteuer“ oft auf Gespräche zu diesem Thema<br />
mit seinem Onkel Erich <strong>Zugmayer</strong> hinweist. Er erwähnt auch,<br />
dass er gerne morgens zu seiner Großmutter ins Bett kroch und<br />
hingerissen ihren wunderbaren Geschichten lauschte.<br />
Erwähnenswert ist noch, dass vom vorbildlich renovierten „Herrenhaus“<br />
der <strong>Firma</strong> <strong>Zugmayer</strong> zum Jubiläum dem Beschauer Terrakotten<br />
als Fassadenschmuck entgegen strahlten. Diese Kunstgegenstände<br />
aus gebranntem Ton stammen aus der Terrakottafabrik<br />
in Kottingbrunn, die damals dem Fabrikanten Viktor Brausewetter<br />
gehörte, dem Mann von Pauline <strong>Zugmayer</strong>s Tochter Meta, der<br />
Mutter von Hans Hass.<br />
Außer dem wunderschön restaurierten „Herrenhaus“ gibt es noch<br />
zwei alte <strong>Zugmayer</strong>-Häuser mit Terrakotta geschmückten Fassaden.<br />
Es sind die die ehemalige <strong>Zugmayer</strong>-Kantine, <strong>Waldegg</strong><br />
Nr. 52, und das ehemalige Doktor-Haus, <strong>Waldegg</strong> Nr. 109. Nach<br />
Mitteilung unseres Bürgermeisters i.R. Walter Eder hielt Hans<br />
Hass in den 1960iger <strong>Jahre</strong>n im <strong>Waldegg</strong>er Kino einen Vortrag<br />
über seine Forschungsarbeiten und Haiabenteuer.