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INCS - Vol. X - The International Newsletter of Communist Studies ...

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46 <strong>The</strong> <strong>International</strong> <strong>Newsletter</strong> <strong>of</strong> <strong>Communist</strong> <strong>Studies</strong><br />

Dimension angeht, ergab sich ein krasses Missverhältnis zwischen den umfangreichen<br />

Streiks und Mobilisierungen der Arbeiter im Hamburger Raum (Werften, Lotsen usw.) und<br />

der minoritären Aufstandsaktion – trotz der vielfach überlieferten Sympathien der<br />

Bevölkerung und einer auch in einigen Aufstandsaktionen zum Ausdruck kommenden<br />

populären Unterstützung. Das organisatorische Gerippe des "Aufstands" umfaßte nicht<br />

einmal die Strukturen der KPD. In Hamburg waren insgesamt nur 3 Stadtteile betr<strong>of</strong>fen,<br />

eine militärische Leitung war kaum vorhanden, der militärisch Verantwortliche des ZK der<br />

KPD war nicht einmal informiert — alles in allem ein fast gespenstischer Aufstand.<br />

Aufstand oder Putsch?<br />

In den nun veröffentlichten Dokumenten aus den russischen Geheimarchiven berichten die<br />

zumeist russischen Beobachter aus der KP, dem Militärapparat, dem Außenministerium<br />

oder der Komintern berichten zwar aus unterschiedlichen Blickwinkeln, doch in der<br />

Beurteilung der Aktion sind sie sich weitgehend einig: Trotz bisweiligen heldenmütigen<br />

Eifers der Beteiligten, und trotz der Sympathien aus der Bevölkerung – es handelte sich de<br />

facto um einen Putschversuch, im krassen Widerspruch zur revolutionsstrategischen<br />

Ausrichtung der Bolschewki.<br />

Gleichwohl wurde aus diesem St<strong>of</strong>f der Mythos des von Thälmann angeführten Aufstands<br />

der Revolutionäre geformt (der sogar gegen die zögerliche KPD durchgeführt wurde). Dies<br />

ist auch der eigentlich Grund dafür, dass in der Literatur die Frage nach dem auslösenden<br />

Faktor des "Hamburger Aufstands" bis heute diskutiert wird. Immer unwahrscheinlicher<br />

wird die bis heute am meisten verbreitete Version des Kuriers der Zentrale, der zu spät<br />

eintraf, um noch rechtzeitig den Rückzugsbefehl der KPD-Zentrale zu übermitteln. Die<br />

Erklärung des "Hamburger Aufstands" als organisatorisches Versehen (so auch noch bei<br />

Roze) könnte sich sogar als weitere Zwecklegende erweisen, um so post festum die KPD-<br />

Zentrale zu belasten. Doch ein so krasser Fehler der Zentrale ist nicht belegt, höchstens<br />

stellte, wie Pieck schreibt, der Übermittler der Zentrale-Beschlüsse in Hamburg die<br />

Aufstandsperspektiven in allzu rosigem Licht dar. Die Instruktionen, die Remmele am<br />

Sonntag (21.10.) nach dem Beschluß der Zentrale für den Generalstreik vom 20.10.<br />

überbrachte, dürften wohl (gegen die von Roze geäußerte und vom russischen Konsul in<br />

Hamburg, Sklovskij, bestätigte Vermutung) eindeutiger gewesen sein, als bisher vermutet.<br />

Zwar war die anberaumte 24 Stunden-Frist für ein mögliches Losschlagen äußerst knapp<br />

bemessen, doch eine bewaffnete Aktion sollte nur zusammen im Reich und darüber hinaus<br />

gekoppelt an die Mobilisierung für den Generalstreik erfolgen. Außerdem erreichte den<br />

von Hamburg nach Kiel weitergereisten Remmele spätestens am Montag (22.10.) das<br />

Telegramm der KPD-Führung, aufgrund der Beschlüsse der "Chemnitzer Arbeiterkonferenz"<br />

vom Vortag nicht loszuschlagen (auf der Konferenz war der von Brandler eingebrachte<br />

Antrag auf Proklamierung des Generalstreiks abgelehnt worden) und erst nach einer<br />

weiteren Frist von 48 Stunden den Generalstreik zu proklamieren - also nicht gleichzeitig<br />

"loszuschlagen".<br />

Die Frage nach dem auslösende Faktor.<br />

Die relativ eindeutige Beschlußlage — Kampfhandlungen nur nach erfolgreicher<br />

Mobilisierung für den Generalstreik — weist auf andersartige auslösende Faktoren für die<br />

Aktion hin, die vornehmlich im lokalen Milieu zu suchen sind. Tatsächlich bestätigen<br />

neuere Ergebnisse der regionalen und stadtgeschichtlichen Forschung die seinerzeitigen<br />

kritischen Einschätzungen der Aktion durch die russischen Beobachter als<br />

Putschversuch.47<br />

Am Montag abend (22.10.) beschloß eine sog. Kampfleitung des Bezirks unter der Leitung<br />

Thälmanns (mit Rudolf Hommes und Johannes von Borstel) das Losschlagen. Der Beschluß<br />

dürfte erfolgt sein, obwohl man bereits über den Verzicht auf die Proklamierung des<br />

reichsweiten Generalstreiks durch die KPD-Führung informiert war. Dienstags morgens<br />

(23.10.) um 5 Uhr begannen dann die Überfälle auf die Polizeiwachen, um sich mit Waffen<br />

47 Biehl, Karl Heinrich: Der Thälmann-Putsch in Hamburg und Umgebung. Im Anhang: 55 Dokumente zur<br />

politischen, wirtschaftlichen und sozialen Situation im Herbst 1923, Hamburg, K. H. Biehl;<br />

[Norderstedt], Books on Demand GmbH, 2000. 350 S.<br />

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