(m/w). - Bucerius Law School
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Menschen - caMpus - Leben<br />
… und,<br />
Felix WenDenburg<br />
über seine Premiere als meDiator<br />
wie war<br />
ich?<br />
Die Aufregung überfiel mich ganz plötzlich, als die Tür<br />
zum Kunden – einer Anwaltskanzlei – aufging. Zuvor war<br />
ich eigentlich ganz entspannt gewesen. Ich hatte vormittags<br />
in der Uni an meiner Doktorarbeit geschrieben, bin dann<br />
zum Umziehen kurz heim und habe mich anschließend in<br />
den Zug gesetzt. Der Kollege, mit dem ich die Mediation<br />
leiten sollte, holte mich eine Stunde später am Bahnhof ab.<br />
Er ist Psychologe und sehr erfahren in der Vermittlung zwischen<br />
Konfliktparteien. Ich freute mich über sein Angebot,<br />
ihn bei der Mediation zu begleiten. So würde ich endlich<br />
ausprobieren können, worüber ich in der Uni schon so viel<br />
gelesen und gehört hatte. Über den Fall wusste ich nur so<br />
viel: Die Partner der Kanzlei konnten sich nicht über eine<br />
neue Vergütungsregelung einigen, manche überlegten deswegen<br />
sogar auszuscheiden. Es hatte Tränen gegeben und<br />
Türenschlagen.<br />
Bis ich die Methode der Mediation entdeckte, war mir das<br />
Studium immer etwas einseitig vorgekommen. „Wer will<br />
was von wem woraus?“ – das kennt jeder Jurist im Schlaf.<br />
Aber wer fragt nach den Hintergründen? In der Mediation<br />
sind die Antworten auf das „Warum?“ unser Motor, und<br />
das Ziel ist nicht, dass einer der Beteiligten gewinnt, sondern<br />
dass die Lösung allen Interessen gerecht wird.<br />
Die Räume der Kanzlei waren nobel und sehr repräsentativ:<br />
Am Empfang standen drei Damen, die uns begrüßten und<br />
die Mäntel abnahmen. Sie führten uns in einen Konferenzsaal<br />
mit einem ovalen Tisch für mindestens 20 Personen,<br />
von der Fensterfront aus<br />
konnte man über die<br />
ganze Stadt schauen.<br />
Als ich da so stand<br />
und über die Dächer blickte, fragte ich mich plötzlich, ob ich<br />
das überhaupt kann.<br />
Bisher wusste ich ja alles nur aus Büchern: Man muss darauf<br />
achten, wie die Stimmung zwischen allen Anwesenden ist,<br />
welche Interessen man heraushört und ob es kognitive Verzerrungen<br />
gibt.<br />
Das ist super, um Aufsätze darüber zu schreiben, aber in<br />
echt? Wie sollte ich diesen Anwälten mit so viel Berufserfahrung<br />
helfen können? Würden sie mich, der so viel jünger<br />
war, überhaupt ernst nehmen?<br />
Dann kamen sie: elf Herren zwischen 40 und 65. Ich war<br />
froh, dass mein Kollege den Small Talk übernahm. Man<br />
muss dabei gut aufpassen, nicht mit einer Partei mehr zu<br />
reden als mit der anderen – nur weiß man zu diesem Zeitpunkt<br />
ja noch nicht, wer zu wem gehört und welches Gesprächsthema<br />
den Konflikt betreffen könnte. Dann stellte<br />
mein Kollege uns vor und eröffnete die Sitzung: „Mit welchen<br />
Gedanken sitzen Sie heute hier?“ Es war faszinierend,<br />
in dieser harten und analytischen Wirtschaftswelt Menschen<br />
zu beobachten, die so deutlich emotional angespannt<br />
sind. Und wie sie, die sonst so rational und strukturiert sind,<br />
im Konflikt plötzlich alles durcheinanderbringen: Interessen,<br />
Vorwürfe, Positionen, Emotionen.<br />
Ich stand hinter meinem Kollegen am Flipchart. Ich glaube,<br />
nach einiger Zeit hatten alle vergessen, dass ich überhaupt<br />
da war. In einer Gesprächspause war dann mein erster Auftritt.<br />
Weil Streitende oft ihre eigene Position in langen Monologen<br />
vortragen, aber gleichzeitig gar nicht richtig zuhören,<br />
wenn der „Gegner“ spricht, ist es eine wichtige Aufgabe<br />
der Mediatoren, ab und an das Gesagte zusammenzufassen.<br />
„Sie meinen also ...“<br />
Als meine Stimme plötzlich unerwartet laut durch den<br />
Raum drang, erschraken alle. Ich auch. Als wäre ich aus<br />
dem Nichts aufgetaucht und erst jetzt wirklich anwesend.<br />
Meine erste Zusammenfassung war nicht brillant, eher<br />
tastend und zögerlich, aber okay. Mein Kollege zwinkerte<br />
mir aufmunternd zu, und im Laufe der Sitzung wurde ich<br />
immer sicherer.<br />
Es kam bald heraus, dass die Kanzlei überraschend schnell<br />
gewachsen war, ohne Struktur oder Konzept. Die Partner<br />
mussten sich grundlegende Gedanken machen, welches<br />
Selbstbild sie hatten und nach außen tragen wollten. Wir<br />
vereinbarten einen Strategie-Workshop in einem Tagungshotel<br />
– das Vergütungsmodell, das zum Ausbruch des Streits<br />
geführt hatte, war danach nur noch eine Formsache.<br />
Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es bei dem<br />
Termin um grundlegende Konzeptfragen<br />
gehen würde, aber mittlerweile habe ich in diesem<br />
Punkt Demut gelernt: Man weiß vorher<br />
nie, worum es in den Konflikten wirklich geht.<br />
Als wir später wieder auf der Straße vor der<br />
Kanzlei standen, schwirrten 1 000 Fragen durch<br />
meinen Kopf: Hatte ich zu viel gesagt? Oder<br />
eventuell Mist erzählt? Mich in der falschen<br />
Situation eingemischt? Mein Kollege machte genau<br />
das, was ich in dem Moment brauchte: Statt<br />
alles auseinanderzunehmen, hob er die Hand,<br />
rief „High Five!“ und klatschte mich begeistert ab.<br />
Protokoll: Katrin Zeug. Foto: Odile Hain