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1000 Jahre Kultur in Karthaus-Prüll - Cartusiana

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<strong>1000</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Kultur</strong><strong>in</strong> <strong>Karthaus</strong>-<strong>Prüll</strong>Geschichte und Forschungvor den Toren RegensburgsFestschriftzum Jubiläum des ehemaligen KlostersHerausgegeben vom Bezirk OberpfalzVerlag Friedrich PustetRegensburg


Die Deutsche Bibliothek - CIP-E<strong>in</strong>heitsaufnahme<strong>1000</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Kultur</strong> <strong>in</strong> <strong>Karthaus</strong>-<strong>Prüll</strong> : Geschichte und Forschung vor denTor en Regensburgs ; Festschrift zum Jubiläum des ehemaligen Klosters Ihrsg. vom Bezirk Oberpfalz. - Regensburg : Pustet, 1997ISBN 3-7917-1546-1ISBN 3-7917-1546-1© 1997 by Verlag Friedrich Pustet, RegensburgUmschlag: Josef Mitt1meier, RegensburgGesamtherstellung: Friedrich Pustet, RegensburgPr<strong>in</strong>ted <strong>in</strong> Germany 1997


Genres wie dem Alleluia oder dem Meßord<strong>in</strong>arium. Polyphonie und der G ebrauch von Instrumentenwurden 1326 vom G eneralkapitel ausdrüc klich untersagt.In den Jahrhunderten als der Choral noch ausw endiggelern t und mündlich tradiert wurde, existie rtevo n Kirche zu Kirche Raum für kle<strong>in</strong>e Variante n musikalis cher Praxis. Wir dürfen annehmen, daßdies <strong>in</strong> den ersten Kartausen ebenfalls der Fall war. In der Tat wisse n wi r sehr we nig üb er den Cho ral,der währe nd der Zeitspanne der ersten vier Prioren der Grand e C hart reuse gesu ngen wur de: allemu sikalischen Quellen s<strong>in</strong>d spätere n D atums.' Die C on suetud<strong>in</strong>es allerd<strong>in</strong>gs, die der fünfte PriorGuigo 1127 aufstellte, schlossen det ailliert e Vor schriften zu mu sikalischen Belangen e<strong>in</strong>. Währ endGu igos Priorat wurde e<strong>in</strong> Tonar zusa mmenges tellt (das ist e<strong>in</strong>e Liste von O ffiziumsantipho nen, dienach dem mit ihnen <strong>in</strong> der Aufführung verb undenen Psalmto n geordnet werden )." D as Generalkapitelvon 1140 schr ieb die Liturgie der G rande C hart reuse für alle Kartausen fest. Man kann e<strong>in</strong>ebe<strong>in</strong>ahe perfekte Ü bere<strong>in</strong>stimmung zw ischen e<strong>in</strong>zelnen liturgischen Gesa ngsquellen der Kartäuserfeststellen. Di es deutet wahrsche<strong>in</strong>lich an, daß (wie bei den Zist erziensern und später bei den Dom<strong>in</strong>ikanern) die hands chriftliche Überlieferung durch autorisierte Mu sterexemplare reguliert wurde.H<strong>in</strong>sichtli ch der melodischen Version en ihrer G esänge war der Brauch der Kartäus er nicht mit e<strong>in</strong>ersolch radikalen Reform verbunden, w ie sie die Zisterziense r durchführten. In e<strong>in</strong>em Unternehmen,das zurückführen sollte zu dem, was man als "re<strong>in</strong>e" Gesangspraxis ansah, revidierten und rek om ­poniertcn diese viele Gesangsmelodien nach festgesetzten theoreti schen Pr<strong>in</strong>zipien.Es best eht die Möglichkeit, Handschriften der Kartäuser mit denen anderer Kirchen unter demAsp ekt allgeme<strong>in</strong>er Ähnlichkeiten und Unterschiede, sowohl <strong>in</strong> der Repert oir eauswahl als auch derMelodielesungen, zu vergleichen. Kart äuserquellen wurden zu e<strong>in</strong>e r An zahl von Proben dazu ­geno mmen, die man auf der Grundlage von Quellen aus ganz Eu rop a bei ausgewählten Teilen desRepert oires machte und die man für e<strong>in</strong>e Di agno se der G esamtsitu ation als gew<strong>in</strong>nbr<strong>in</strong>gend erach ­tete. Wie man erwarten konnte, s<strong>in</strong>d die Kart äuserquellen am stärksten mit geographisch benachbarten Gegenden verwandt. Im Bereich der Meßgesän ge gleicht die Auswahl der Alleluias nachPf<strong>in</strong> gsten der vo n Grenoble und Valence, während die Melodielesungen im Bereich des Meßpropriumsdenen von Valence ents prechen. (Melodievergleiche <strong>in</strong>n erh alb von Offiziumsgesängenwurden noch nicht angestellt.) Di e musikalische Notation <strong>in</strong> den frühesten Mu sikhand schriften derKart äuser besteht vorn ehmlich aus e<strong>in</strong>zel nen Punkten, e<strong>in</strong>em Typus, der <strong>in</strong> Süd frankreich weitverb reitet war (der geographisch aber nicht weiter nö rdlich als bis nach Vicnne od er Lyo n reichte)und gewö hnlich "aquitanisch" genannt wird."Zwei Kartä userantiphonarien enthalten e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>teressa nten Text, der mit "Prologus antipho narii"üb erschrieben ist: Gren oble 338 (79), kartusianischer Psalter und Anti pho nar des 12.-13 . Jahrhundert s und Loches 3, e<strong>in</strong> Anti phonar des 14. Jahrhundert s aus der Kart ause Liget. Obwo hl dieQuellen relativ spät datiert s<strong>in</strong>d , sche<strong>in</strong>t die Schlu ßreferenz zu Bischof Hugo von Grenoble (1084­1132) und der Inhalt des Dokuments e<strong>in</strong>e Zu schreibung an Guigo I. (1109- 1136) nahezulegen- diesist allerd<strong>in</strong>gs nicht beweisbar. Anklänge an die Wortwahl von Agob ard s Pr olog s<strong>in</strong>d kaum zu üb ersehen."4 Wie Becker (1971, S. 83) schon gezeigt hat, ist die Behauptung irrig, daß die Kartäuse r vor der Zeit Gui gos ke<strong>in</strong>enChoral sangen. (Siehe z. B. H. Hüschen, Kartäuser, <strong>in</strong>: F.Blume (Hg .), Die Musik <strong>in</strong> Geschichte und Gegenwart7, 1958, Sp. 706-714, leider wiederholt von H. Hüschen, Kartäuser, <strong>in</strong>: L. F<strong>in</strong>scher (Hg .), Die Musik <strong>in</strong>Geschichte und Gegenwart 4 (1996), S. 1804-1 810.)5 Die Consuetud<strong>in</strong>es s<strong>in</strong>d ediert <strong>in</strong> J.-P. Migne, Patrologia lat<strong>in</strong>a Bd. 153, Sp. 635-760. Der Tonar ist vonH . Becker 1975 herausgegeben worden.6 Die folgenden Faksimiles früh er Qu ellen wurden ediert :- Archives de La Gr ande Chartreuse C Ir 828: Das Fragment von sechs Seiten des ältesten noch existierendenKartäuserantip honars, vor 1151: e<strong>in</strong>e Seite bei H. Becker 1971, vollständig bei H . Becker 1990- Grenob le, Bibliotheque muni cipale 467 (124): Tonar etc., La Grande Chartreuse, 12. Jh. (Mitte oder 2. Hälfte):e<strong>in</strong>e Seite bei H. Becker 1976.- Manchmal wird <strong>in</strong> der Sekundärliteratur die Ansicht geäußert, die Kartäu ser hättenke<strong>in</strong>e liqueszenten Ne umen verwendet. Das ist falsch.7 Vgl. das Faksimile von Grenoble 338 bei H . Becker 1990, S. 383. Die H andschrift aus Loches war häufigerGegenstand von Ausgaben und Editionen, vgl. z. B. A. Degand, Chartre ux (Liturgie des), <strong>in</strong>: Dictionnaired'Archeologie Chrctienne et de Liturgie 3.1, Paris 1913, Sp. 1045-1 071; und bes. H . Becker 1971, S. 183.237


l nstitutionis H eremetice grauitas non s<strong>in</strong>it longua <strong>in</strong> cantandi studiis tempo rum <strong>in</strong>sumi spacia. Namsecundum ] eronimum monachus quilibet quanto magis hermita, non doctoris, quanto m<strong>in</strong>us cant oris,set plangentis habet offi cium, qui uel se vel mundum lugeat, et dom<strong>in</strong>i pauidus prestoletur aduentum.Ob hanc itaque causam quedam de antiphonario auferenda seu abreuianda putauimus:que scilicet exparte maxima aut superflua erant aut <strong>in</strong>congruenter composita, uel <strong>in</strong>terposita uel aposita: aut praueauctoritatis aut ambigue aut nullius: aut leuitatis aut impericie aut mendacitatis crim<strong>in</strong>is rea. Porroque emen data uidentur esse uel addita; Utrum recte se habeant ignorare non poterit, quisquisdiu<strong>in</strong>am scripturam uetus uidelicet testamentum et nouurn studiose perlegerit.Hoc autem fe cim us sub presencia Reuerentissimi et karissimi nobis patris nostri domni H ugonisGrationopolitani Episcopi.Am Beg<strong>in</strong>n des Texts deut et der Autor an, daß der Gesang nicht die H aup tbes chäftigung des eremitischenLebens se<strong>in</strong> kön ne. Das Antipho nar müsse re<strong>in</strong> gehalten werden von überflü ssigen und unangemessenen Bestandteilen. D ie hier zusammengefaßte Reform betrifft vorn ehmlich die Auswahlder Gesänge. Vgl. Becker: "E<strong>in</strong> Vergleich mit der ganzen Tradition zeigt, daß e<strong>in</strong>e Reihe allgemei nverbreiteter Texte, ja sogar e<strong>in</strong>zelne ebenfalls üb erall vo rhande ne Offizien ganz (auferre) ode r teilweise(abbreviare) fehlen. Auf der andere n Seite f<strong>in</strong>den sich manche Stücke <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sons t nir gend snachwe isbaren textlich veränderten Gestalt (emendare), und e<strong>in</strong>ige s<strong>in</strong>d sogar völlig neu (addere) .'"Weder <strong>in</strong> diesem Text noch <strong>in</strong> den Melodi eaufzeichnun gen der Kartäuserqu ellen selbst existierenAnzeichen mu sikalisch er Vere<strong>in</strong>fachung oder Korrektur.Regeln, die die musikalische Praxis betreffen, s<strong>in</strong>d natürl ich enthalten <strong>in</strong> den verschiedenen Co n­suetud<strong>in</strong>es, mit denen die Kart äuser sämtliche Aspekte ihres Lebens ordn eten. Wo die musikali scheAuffü hru ng angesproc hen wird, ist sie verstän dlicherwe ise <strong>in</strong> eher genere ller Art abgehandelt. Meistgeht es um die O rdnung des Gottesdienstes od er um sehr viel gru ndlegendere D<strong>in</strong>ge wie z. B. dasordentliche S<strong>in</strong>gen.Aspekte der musikalischen Aufführung werden gelegentlich <strong>in</strong> den Vorschriften erwähnt, die e<strong>in</strong>igenKapiteln nach den peri odischen Visitati onen auferlegt wurden. Solche Vero rdnungen können <strong>in</strong> denVisitationsaufzeichnungen der Kartause <strong>Prüll</strong> e<strong>in</strong>gesehen werden, sie datieren von 1654 bis 1785(München, Bayerische Sraatsbibliothek, Clm 12109). Es wird sichtbar, daß hier sehr elementaremusikalische Belange angesprochen werden, wie das S<strong>in</strong>gen mit angemes sener Ehrfurcht und diePsalm-Responsion oh ne zuviel Verzö gerung und <strong>in</strong> rich tiger Tonhöhe:- 1665: "Preces ho rarum sicuti et Magnificat et Benedictus cant entur cum maiore gravitate" (Clm12109,1 8r)- 16. 9. 1686: "Cantus <strong>in</strong> Ecclesia magis elevetur, nec ita profunde dim ittatur, er' ad horas, Kirieeleison cum sequent ibus pre cibu s. Item Deo grat ias et caetera, qu ae Sacerd oti responderi solcnt,maiori alacritate ct un iformi sono dic antur," (44v)- 1691: "In Psalmodia bona servetur pausa <strong>in</strong> medio versus (i. pars. Statut. cap. 18. n. 4) ct primamPr<strong>in</strong>cip ii, et med ii notam modicum diutius quam caeter as teneant." (46v)Die Au fgabe der Kantoren ist es, den Gesang wieder auf die richti ge Tonhöhe zurückzuleiten, wenndie Mönche ihn im Verlauf der Psalmen zu tief haben s<strong>in</strong>ken lassen:- 15.9. 1700: .Scrvctu r §. 12. cap. 19. i. pars . Statuti. Ca ntores <strong>in</strong> Choro Suo psalmorum tonos exaltcnt,vcl su bmittant, sicut er reliquam Div<strong>in</strong>i O fficii cantum; nullu s tarnen alius eius praesentibus exceptoPriore et Vicario.Pro maiori Di v<strong>in</strong>i O fficii decore Cantores po st psalmo s, antiphonas resumant, de<strong>in</strong>de caeteri presequentur,et si cantus per decursum psalmodi ae notabiliter depr essus fuerit, paulo altius anripho nare<strong>in</strong>tonanda." (48v)- 4.9 .1 717: "Deus <strong>in</strong> adiutorium, a Sacerd ote <strong>in</strong>choandum, et gloria pat ri citius prosequentur, et nontarn longas faciant pau sas, quod est contra prax<strong>in</strong> Ord<strong>in</strong>is." (55r)Das Responsorium Bethleem civitas kann hier die H altu ng der Kartäuser zu m C horal illustrieren,, H . Becker 1971, S. 189.238


oder besser, zu den Gesangstexten, da die Mu sik ke<strong>in</strong>er tiefgreifend en Reform unterworfen war(siehe N otenb eispiel Abb. 1).E<strong>in</strong> Respon soriums -Gesamtablauf besteht aus zwei Teilen, dem Responsum und dem Vers. N achdemder Vers vorgetragen wurde, wird der zwe ite Teil des Responsu ms wiederholt.Der Text dieses Responsorium s basiert auf Matthaus 2,1-2:1. Cum ergo natus esset Iesus <strong>in</strong> Bethleem Juda <strong>in</strong> diebus H erodis regis, ecce, Magi ab orient e uenerunt I erosolymam,2. dicentes: Ubi est, qui natus est rex Judaeorum ? v idim us enim stellam eius <strong>in</strong> oriente, et v enim usadorare eum .D er Traditionelle Responsoriumstext ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> der l<strong>in</strong>ken Spalte, die Version der Kart äuser <strong>in</strong> derrechten Spalte:tradition el1:R. Magi veniunt ab o rientelerosolimam qu erentes etdicent es: U bi est qui natusest cuius stel1am vidimus,et venimus ado ra rc eum.V. Cum natus esset lesus <strong>in</strong>Bethl eem Iude <strong>in</strong> diebusHerodis regis, ecce magi aboricnte vcnerunt lerosolimamdicent es,R. U bi est ...Kartäuser:R. Magi veniunt ab orientelerosolim am dicentes: U biest qui natu s est cuiusstel1am vidimus. Et venimusadorare eum.V. Vidimus stel1am eius <strong>in</strong>oriente.R. Et venimus ...Der traditionelle Text (l<strong>in</strong>ks) ist <strong>in</strong> gewisser Weise unl ogisch konzipiert. Das Respon sum schließte<strong>in</strong>e Zu sammenziehung von Matthäus 2,2 e<strong>in</strong>, woh<strong>in</strong>gegen der ungewöhnlich lange Vers aufMatth aus 2,1 zurückgre ift. D ann fließt der Verstext glatt <strong>in</strong> die Teilwiederholun g des Responsums.D ie Version der Kart äuser läßt das nichtbiblische "queren tes" aus. Der Vers führt Matt häus 2,2 <strong>in</strong>se<strong>in</strong>em biblischen Wortlaut fort, ist aber immer noch <strong>in</strong> der Lage e<strong>in</strong>en glatte n Ü bergang zum musikalischenRefra<strong>in</strong> zu bewerkstel1igen. Die Musik des Verses greift auf den traditionel1en Versto nzurück.Das N otenbeispiel (Abb. 1) zeigt e<strong>in</strong> Antiph onar der Zisterzienser, das die al1geme<strong>in</strong>e Traditi on vertritt,C lm 7907 aus Kaisheim. Di e Übertragung der Kartäuserfassung erfo lgte aus Clm 12102.Das Antiphonar aus Prül1, das <strong>in</strong> dieser Gegenüberstel1ung benutzt wurde, ist e<strong>in</strong> treu er Repr äsentantder zentralen Mu siktraditi on der Kartäuser (ebenso wie das Antip ho nar aus Kaisheim dieTradition der Zisterzienser exakt vertritt). Das Antiphonar stel1t e<strong>in</strong>es der fünf heut e noch existierendenC horalbücher aus Prül1 dar. Sie bef<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong>fol ge der Säkularisation im <strong>Jahre</strong> 1803 <strong>in</strong> derBayerischen Staatsbibliothek. Da sie e<strong>in</strong>e spezifisch kartäusische Version der Liturgie und ihr erGesänge enthalten, müssen sie, nachdem das Kloster 1484 den Kart äusern üb ergeben worden war,um diese Zeit entweder für das Klost er geschrieben oder ihm damal s geliefert worden se<strong>in</strong>.C lm 12101 (Pruel l ) ist e<strong>in</strong> Graduale (ke<strong>in</strong> Missale, wie der Handschr iftenkatalo g der Bay erischenStaatsbibliothek vermerkt) mit 186 Fo lien aus dem 14.-15. Jahrhu nd ert. Da es un zweifelhaft kartäusischist, muß es nach Prül1 gelangt se<strong>in</strong>, nachdem der Orden das Kloster 1484 übernommen hatt e.E<strong>in</strong>ige Vermer ke belegen se<strong>in</strong>en Ge brauch <strong>in</strong> Prül1, z. B. 89v "Ad domu m sancti Viti <strong>in</strong> Prül1 pert<strong>in</strong>ctliber ille". Da s Buch zeigt Quadratn otation auf vier roten L<strong>in</strong>ien. Die N amen Vitus und Brunoersche<strong>in</strong>en nur als H<strong>in</strong>zufügun gen <strong>in</strong> der Litanei.C lm 12102 (Prüel 2) ist e<strong>in</strong> vollständiges Antiphonar. Es umfaßt 303 Folien und stammt aus dem15. Jahrhun dert . Es wurde entweder nach 1484 für Prül1 gefertigt oder gelangte du rch die erstenKartäusermönche do rth<strong>in</strong> (siehe Abb. 2)239


R esponsor ium; i\1agi veniunt ab ori cnte.~....-.. ".--..-...' .....';R. Ma - gi ue-ni-unt ab o- ri - en-teKaisheim~ !>h /.....,Prü ll~ _ . ..-.!;< . --.~....-..-~tl••_••••"~ ,.... ~ ' .....'R; l'vJa - gi ue-ui-unt ab o-ri - eu-teKaisheim~.~f~--_ ·f~.....<strong>Prüll</strong>cen - tes:tf' :;-'.- ....' ~.' e ~. ..•.~. '.• • •Ie-ro-so - Iimam quere n tes et•• • '..Ie-ro-so-I imam. ~ .~'.. ~"'~" .. •=;. ~", A • ~....I •• • •• •• • ~U bi est qui na tus est cu*- ius stellaui ui.-;;...; • .-;;- z:.• .~ I• ·1'7'7:. • • ~~. ~~-. ••cc n - tes: U - bi est qui na - h IS est cu ius stellam uiKaisheimf~~~~~-· .- + -;-.di - mus, etPriill--- .~.....~ue-riimus·--;.-;:" :-....' "ne-nimusI .-r•..-..-'.. '.a- do - ra-re••••• •didi...···8.e um .,tKaisheim:: :.:,esset Je - SHS <strong>in</strong> Bethlehem Iu - de <strong>in</strong> di- e- bus He- ro- dis re - gis,Kaisheim1.;...·......'- . ;. ' -';~.'. r:.~--~. ~.~.~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ee- ce magi ab 0 - ri-en-te ue-n e-runt Ie-ro- so-Ii mam di- cen les:Kaisheim~-~_ ~_?_----,----- ~~-- td~ * U - bi est qui ,• • '..... . ..... 'Ii'. ' - 7 .• • .;; ;. • • • ;. • ."' ~••.-.. .~.~ I117·.;<strong>Prüll</strong>V. Vi- di - mus ste1-1am e • ius m..-..'-:"­3- do - ra- re.~.-eium.(9)• _..-C.1.. •I • • • •• "'.~o-ri-en te. ** EI.Abb. 1: Responsorium Magi veniunt aus München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 7907 fo l. 29r(Zisterzienser-A ntiphonar aus Kaisheim ) und Clm 12102 fo l. 51v (A ntiphonar aus <strong>Prüll</strong>)240


O bwohl Clm 12121 im Katalog der Bayerischen Staatsbibliothek als "Liber choralis" ersche<strong>in</strong>t, enthältes ke<strong>in</strong>e Mu sik, sondern lediglich die zu s<strong>in</strong>genden Texte. Der erste Teil des Buches ist - <strong>in</strong> se<strong>in</strong>erheuti gen Form - e<strong>in</strong> gedruc kter litu rgischer Psalter, der zweite Teil e<strong>in</strong> handschr iftliches Breviar.Sämtliche Texte für die Offiziumsstunden, <strong>in</strong>clu sive der Lesungen, Gebete und Gesänge ohneNotation aus <strong>Prüll</strong>, s<strong>in</strong>d im H andschriftenpaar C lm 12115 und Clm 26811 - 1503 von Ulrich Cerdogeschr ieben - vorhanden.C lm 12122 ist e<strong>in</strong> aus 204 Fo lien bestehend es Antipho nar des ausgehenden 16. Jahrhunderts, das dasO ffizium <strong>in</strong> abgek ürzter Form mitteilt. D er erst e Teil des Temporale (bis Karsamstag) fehlt. E<strong>in</strong>Sanctorale oder Co mmune Sancto rum existiert nich t: Di ese müssen sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em and eren Bandbefunden haben, der heut e verloren ist. Die hand geschriebene Notation ahmt die Q uadratno ten derzeit genössischen gedruckten Bücher nach.E<strong>in</strong> weiteres großformatiges Antiphonar wurde von zwei verschiedenen Schreibern angefertig t. Clm27315 ist der W<strong>in</strong>terte il und wur de von dem selben Schr eiber wie C lm 12122 geschrieben. Se<strong>in</strong>eletzten Fo lien wurden irrtümlicherw eise <strong>in</strong> Clm 27314 e<strong>in</strong>gebunden. Clm 27314 ist der Sommerteildes Antiphonars, er wurde von e<strong>in</strong>er ande ren H and geschr ieben. Die Blätter, die aus Clm 27315 <strong>in</strong>Cl m 27314 gewandert s<strong>in</strong>d, tragen das Datu m 1589 un d ermöglichen damit die D atierung der H and ­schriften Clm 12122 un d C lm 27314. 9Über C lm 26770 schw ebt bislang e<strong>in</strong> Frag ezeichen. Obwohl im H and schriftenkatalog als "Ritualemo nasterii Pruel" bezei chnet, ist der erste Teil der H and schrift e<strong>in</strong> Prozessionar, mit noti ertenGesängen für die feierlichen Prozession en im Laufe des Kirchenjahres bis Pf<strong>in</strong> gsten. Dort hat derSchr eiber nach der ersten Pf<strong>in</strong>gstrubrik se<strong>in</strong>e Arbeit abgebrochen (fol. 43r). Di e leergebliebenenSeiten wurden dann für musik theoretisc he Texte benutzt, wie z. B. die Guido nische H and und e<strong>in</strong>Di agramm mit den Solmisationssilben G- ut, A-re, B-mi usw.'?Auf den ersten Blick sche<strong>in</strong>t es, als ob das Pro zession ar für <strong>Prüll</strong> bestimmt gewesen wäre. Man liestz. B. "Ad <strong>in</strong>troitu rn ecclesie <strong>in</strong> Pruel" (fol. 33v) und "I n exitu de monasterio Pruel canitur antipho naSalvato r mundi" (fol. 35v). Aber: Als Schreiber der mu siktheoretischen Texte wurde Di on ysiu sMenger (1465- 1530), Prior des Klost ers St. Emmeram ab 1507, identifiziert . Menger ist als Schreiberand erer H andschriften (C lm 14667, 1467-5, 14678 und 14892) und vor allem als Kompilato r e<strong>in</strong>esKatalogs der Bibliothek <strong>in</strong> St. Emmeram 1500-1501 bekan nt. Aus der Schrift alle<strong>in</strong> kann nicht mitletzter Sicher heit geschlossen werden, ob das Prozession ar vor oder nach dem E<strong>in</strong>zug der Kart äuser<strong>in</strong> Pr üll im <strong>Jahre</strong> 1484 geschrieben wurde. Viel später als 1484 wird die Schrift kaum entstanden se<strong>in</strong>,wahrsche<strong>in</strong>lich deutlich früh er. Im letzteren Fall wäre die Tätigkeit Mengers leicht er zu verstehen.Di e H ands chrift wäre für die Benedikt<strong>in</strong>er <strong>in</strong> <strong>Prüll</strong> vor 1484 bestimmt gewesen. Sie ist nicht ferti ggeschrieben worden, sie gelangte verm utlich kurze Zeit nach 1484 nach St. Emmeram, wo Mengersie für elementare musikalische Lehrschriften benutzte . (Erst e<strong>in</strong>e genauere Prüfung der Rubrikenwird entsc heiden, ob wir vielleicht doch eher mit e<strong>in</strong>er dritten Möglichk eit rechnen müssen, nämlichdaß die H and schrift e<strong>in</strong> Emrneramer-Prozessionar gewesen se<strong>in</strong> könnte und daß die EmmeramerMönche zu gegebe ner Zeit die Kirche ihrer Benedikt<strong>in</strong>er-Mit brü der <strong>in</strong> PrüH <strong>in</strong> feierlichem Zug besuchenmußt en.)Obwohl ke<strong>in</strong>e Zeugnisse musiktheoretischer Schriften der Kart ause PrüH zuges chrieben werdenkönnen, mehren sich besonders während des Spatmittelalters die H<strong>in</strong>weise auf bet rächtli chesInteresse der Kart äuser an Musiktheorie und sogar praktischer Mus ikausübung über die str engen9 Neue Beschreibung <strong>in</strong> H. Hauke, Katalog der late<strong>in</strong>ischen Fragmente der Bayerischen StaatsbibliothekMünchen. Clm 27270--27499(= Catalogus codicum manu scriptorum Bibliothecae Monacensis. Tomus IV, Pars5, Codices Lat<strong>in</strong>os 27270--27499 cont<strong>in</strong>ens), Wiesbaden 1975, S. 40-43.- Fr. Rosa Micus, Institut für Germanistik,Universität Regensburg, lenkte me<strong>in</strong>e Aufmerksamkeit auf Clm 27314- 15. Fr. Micus rekonstruiertden Gesamtbestand der Bibliothek der Kartause <strong>Prüll</strong>. Sieheferner R. Micus, Anmerkungen zur Literatur kartäusischerAutoren (...) <strong>in</strong> diesem Band.[ 0 M. Huglo/Ch. Meyer, Federal Republic of Germany. The Theory of Music from the Carol<strong>in</strong>gian Era up to1400: Descriptive Catalogue of Manuscripts, Repertoire International des Sources Musicales, Bd. B/lII/3,Duisburg 1987, S. 159.241


Anforderungen des litu rgischen Gesanges h<strong>in</strong>aus. Gleichwohl muß gesagt werden, daß <strong>in</strong> den meistenFällen nichts spezifisch kartäusisches <strong>in</strong> diese Texte E<strong>in</strong>gang gefun den hat. Sie reflektieren e<strong>in</strong>fachzeitgenössische musikalische Entwicklun gen außerhalb des Ordens. D ies ist z. B. der Fall beimCantuagium (ca. 1380) des He<strong>in</strong>rich Eger von Kalkar (1328- 1408), es handelt sich um e<strong>in</strong>eZusammenfassung elementarer Musiktheorie;" sowie auch bei den anonymen Traktaten vom Endedes 14. Jahrhunderts, die von Coussemaker unter dem Titel "Tractatus de musica plana" herausgegebenwurden.'?Von etwas anderem Charakter s<strong>in</strong>d die Musikschriften des Johann es Legrense alias 'Gallicus' (ca.1415-1473) geprägt. In N amur gebore n, studiert e Legrense <strong>in</strong> Mantua, wo er zu e<strong>in</strong>em späterenZeitpunkt Kartäuser wurde. Se<strong>in</strong> Tractatus de musica plana'? (1458- 64) besteht aus drei Schriften:Lib elli m usicalis de ritu canendi v etustissimo et novo , Vera quam que f acilis ad cantandum atqu ebrevis <strong>in</strong>troductio, und Tractatus <strong>in</strong> tam admirabilem quam f acilem et quietissimam numerorumcont<strong>in</strong>entiam . Nach M. Huglo!' ist das Tonar, das Legrense für se<strong>in</strong>e Schriften redigierte, kartäusisch.D er Traktat ist sonst jedoch von der neuen humanistischen Ged ankenwelt gefärbt. Er bezeugtgründliche Kenntnisse auf allen Gebi eten der Musik, sowohl der weltlichen als auch der geistlichen,der mehrstimmigen als auch der e<strong>in</strong>stimmigen.Daß gegen Ende des Mittelalters e<strong>in</strong>ige Persönlichkeiten unter den Kartäusern sich für Mus ikaußerhalb des tr aditionellen Kirchengesangs <strong>in</strong>teressierten, wird durch das Cantionale bewiesen, dasThomas Kreß aus der Kartause Basel kompilierte (Basel, Un iversitätsbiblioth ek A N II 46).J5 Kreß(+ 1564) erklärt selbst, er habe e<strong>in</strong>e Sammlung "geistlicher Gesänge tiefster Frömmigkeit" ("devotissimiscanticis") zusammengestellt. Sie besteht aus Gruppen von Sequen zen und H ymnen, Zyklenvon neuen Offiziumsgesängen für die Festtage bestimmter Heiliger sow ie auch Liedern unt er derRubrik "Carm<strong>in</strong>a fescenn<strong>in</strong>alia pro tempore natalis dom<strong>in</strong>ici", d.h. K<strong>in</strong>derwiege-Liedern . E<strong>in</strong>emusikkompositorische Tätigkeit an der Basler Kartause ist sogar noch früher zu beobachten, nämlichals der Probst He <strong>in</strong>r ich Arno ldi von Ahlfeld (1407- 87) zwei litu rgische Offizien mit Gesangkomponierte: für die Compassio Beatae Mariae Virg<strong>in</strong>is bzw. für die hl. Margarethe (<strong>in</strong> der H s. Basel,U niversitätsbibliothek A VIII 18).Diese wenigen Ausnahmen bestätigen eher die Regel, daß der Gregorian ische Choral allen musikalischenBedürfnissen des Kartäuserordens entsprach. Be<strong>in</strong>ahe alles, was man an Musik brauchte,konnte <strong>in</strong> zwei Büchern aufgezeichnet werden, nämlich im Gra duale für die Meßges änge und imAntiphonar für die Gesän ge des Stundengebets. Das bedeutet, daß <strong>in</strong> den noch erhaltenenChoralhandschriften der Kartaus e <strong>Prüll</strong>, <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> Clm 12101 und Clm 12102, e<strong>in</strong> be<strong>in</strong>ahevollständige s Zeugnis des Chorals, wie er im Kloster nach der Ü bergabe zugunsten desKartäuserordens 1484 gesungen wurde, erhalten ist.11 H . Hüschen, Das Cantu agium des H e<strong>in</strong>r ich Eger von Kalkar 1328-1408 (= Beiträge zur rh e<strong>in</strong>ischen Mu sikgeschichte,H eft 2), Köln/Krefeld 1952.12 E. de Coussemaker, Script orum de musica medii aevi novam seriern, Bd. 2, Paris 1867, S. 434-483. Der viert ebis achte Traktat basiert auf der ano nymen (nicht kart äusischen) Q uatuor pr<strong>in</strong>cipalia musicae.13 E. de Co ussemaker, Bd. 4, Paris 1876, S. 298-421.14 M. H uglo, Les Tonaires. Inventaire, analyse, compa raison, Paris 1971, S. 357.15 F. Labhard t, Da s Cantionale des Kartäusers T hom as Kre ß. E<strong>in</strong> Denkmal der spätmitt elalter lichen MusikgeschichteBasels (= Pu blikation en der schweizerischen mu sikforschend en G esellschaft, Sero Ir, Vol. 20), Bern /Stuttgart 1977.242


A bb. 2: München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 12102,101. 32r243

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