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Wege ins Unsichtbare

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Ehefrauen, Mägde, Töchter spielten sie ihre Rolle. Ihr Schicksal bildet<br />

die Begleitmelodie in einem Geschehen, dessen Unheimlichkeit<br />

wir heute, hundert Jahre später, besser verstehen.<br />

‚La Belle Epoque’! In ihrem Schatten wird der Zwang zur Norm<br />

tonangebend. Nicht nur der Intelligenzquotient wird definiert, auch<br />

die Klassifizierung des psychisch Abnormen, die Aussonderung<br />

‚asozialer, kranker Elemente’ und der Rassismus nehmen ihren Lauf.<br />

Die Welt wird grösser, aber auch enger, und die neu gegründeten<br />

psychiatrischen Kliniken sind dem Ansturm der Patienten schnell<br />

nicht mehr gewachsen.<br />

Seite an Seite mit dem Aufkommen der Mechanisierung in der Industrie,<br />

entwickeln Medizin und Psychologie das Bild des Menschen<br />

als Maschine. Die Seele wird zunehmend vom Körper abgespalten,<br />

der Körper selbst fragmentiert, das emotionale Beziehungsfeld des<br />

Menschen zerschnitten.<br />

Jean Sigg gehörte noch einer Ärztegeneration an, die das Spezialistentum<br />

nicht kannte. Er war als Landarzt auch Psychiater,<br />

Chirurg, Frauenarzt, Kinderarzt und engagierter Forscher im Feld<br />

der Hygiene. Damit war es ihm möglich, den ganzen Menschen zu<br />

sehen, als zu Beginn des 20. Jahrhunderts rings um ihn dieser Blick<br />

schon verloren ging und sich ein Denken durchsetzte, das unter anderem<br />

die Tragödien zweier Weltkriege ermöglichte und bis heute<br />

auch in der Medizin und Psychologie fortwirkt.<br />

Aber noch sind wir nicht so weit, wir schreiben das Jahr 1855.<br />

Jean, vierundzwanzigjährig, frisch promovierter Arzt, schläft auf<br />

den Kisten bayerischer Tuchhändler auf einem Lastkahn, der die<br />

Donau hinunter treibt ...<br />

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