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Wege ins Unsichtbare

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Johann klopft mit der Pfeife auf den Tischrand. Zutiefst weiss<br />

er, dass Jean die richtige Entscheidung getroffen hat. „Ja, ja. Die<br />

Familie Merian hat mich schon gebeten, sie zu besuchen, auch die<br />

Gersbach.“ Und nach einer kurzen Pause fügt er hinzu. „Vielleicht<br />

komme ich im Sommer einmal zu dir, dann werden wir uns Basel<br />

ansehen ...“<br />

„ ... und einen Abstecher nach Heidelberg machen!“<br />

Johann lacht. „Ja, eine Studienreise für einen alten Arzt, warum<br />

nicht.“<br />

Es wird Sommer 1857 werden, bis Johann seine Reise nach Basel<br />

unternehmen kann. Jean wird ihn durch die Stadt führen und ihn<br />

mit den Ärzten des Spitals bekannt machen. Stundenlang werden<br />

sie über Berufliches debattieren. Dass der E<strong>ins</strong>atz von Quecksilber<br />

bei Typhuspatienten bedenklich ist, weiss Johann aus eigener Erfahrung.<br />

Die Nebenwirkungen des Medikamentes haben auch ihn<br />

etliche Zähne gekostet, von den Schmerzen ganz zu schweigen.<br />

Die Wurzel des Sassafras bei Durchfall? Das re<strong>ins</strong>te Gift! Spätestens<br />

an den Folgen dieser Behandlung muss der Patient sterben.<br />

Gerstenschleim als Krankenkost? Um Himmelswillen, ihr lasst die<br />

Patienten ja verhungern!<br />

„Professor Jung will von deutschen Juden nichts annehmen,<br />

auch die Epidemiologie von Pettenkofer dürfen wir unter ihm nicht<br />

e<strong>ins</strong>etzen, obschon in Basel der Typhus sehr verbreitet ist, wir sogar<br />

meinen, es gebe Typhusherde in gewissen Quartieren. Will man<br />

ihm mit Semmelweis kommen, so gibt er vor, der Reinlichkeit zu<br />

dienen, seitdem man ihn lehrte, in den Unterhosen zu operieren.<br />

Was jede weitere fachliche Diskussion erstickt. Auch die Gesundheit<br />

der Fabrikkinder müsste untersucht werden. Viele leiden unter<br />

der Schwindsucht, vor allem die Arbeiter aus der Seidenfabrikation.<br />

Selten wird einer der Buben älter als zwanzig Jahre. Aber die<br />

hiesigen Ärzte wollen nicht forschen und zeigen kein Interesse an<br />

Weiterbildung. Treiben Allotria, sobald zwei, drei sich zusammenfinden.<br />

Es ist eine Schande.“<br />

„Dann komm doch jetzt heim nach Flaach!“<br />

Jean stutzt. Nein, das ist es nicht, was er sucht. Er ist enttäuscht<br />

von Basel, aber Flaach, nein. Er weiss, dass drüben im Ausland be-<br />

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