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Wege ins Unsichtbare

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„Und?“<br />

Frankenhäuser seufzt. „Lieber Freund! Es waren leider beträchtlich<br />

viele dabei, die durch unsere Hände gingen. Drei Prozent bei<br />

den Patientinnen der Hebamme, fünfzig Prozent bei denen, die<br />

ärztliche Hilfe erfuhren.“<br />

„Zahlen! Aber dennoch, das gibt zu denken. Was empfiehlt<br />

Semmelweis?“<br />

„Lach’ nicht: Hände waschen!“<br />

„Nein!“ Jetzt muss Jean lachen. „Der re<strong>ins</strong>te Aberglaube! Will<br />

er den Teufel austreiben? Müssen wir uns biblisch reinwaschen?“<br />

„Dazu kommt es nicht, so ein Unsinn wird sich nicht einbürgern,<br />

das wäre Zeitverschwendung. Man hat Semmelweis denn auch<br />

mit Schimpf und Schande von Wien vertrieben. Es soll nicht mehr<br />

darüber gesprochen werden.“<br />

Ein Weilchen schauen die Freunde dem Treiben ringsum zu. Familien<br />

haben sich eingefunden, und am Nachbartisch wird eben ein<br />

mitgebrachtes Brathähnchen verteilt. Jean möchte bald aufbrechen,<br />

aber ein paar Dinge beschäftigen ihn doch noch.<br />

„Sag mir, könnte es sein, dass Miasmen an der Sache schuld<br />

sind? Die Wien scheint mir ein ordentlich verschmutztes Gewässer<br />

zu sein. Ich bin mich an einiges an Gestank gewöhnt aus meiner<br />

Heimat, aber diese Brühe flösst mir Furcht ein.“<br />

„Da hast du recht. Die Ausdünstungen der Wien sind schädlich.<br />

Sie verseuchen die Erde, und die Miasmen steigen in den Mauern<br />

der Häuser hoch, auch in unserem Krankenhaus wird das eine<br />

Rolle spielen.“<br />

„Dann müssten Patientinnen, die der Wand am nächsten liegen, ...“<br />

„Ja geh, lass das. Das sind Spekulationen. Fang nicht auch noch<br />

an mit dem Zählen!“<br />

Jean lehnt sich nun über den Tisch und fragt leise: „Etwas anderes:<br />

Warum haben unsere Patientinnen keine Namen, und warum<br />

das Theater mit den Masken?“<br />

Jetzt lacht Frankenhäuser herzhaft. „Eidgenossen! Euch muss<br />

man alles erklären! Überleg mal: Was macht eine Frau, die eine<br />

Schwangerschaft verheimlichen will, aber nicht im stillen Kämmerchen<br />

gebären kann?“<br />

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