Wege ins Unsichtbare
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Wege ins Unsichtbare
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Wien, im Sommer<br />
„Jessasmariaundjosef, wie schaun S’ denn aus!“<br />
Die Stickelbergerin kreuzt schon wieder seinen Weg, man entkommt<br />
ihr nicht. Jean blickt an sich hinunter und fühlt, dass er rot<br />
wird.<br />
„Nun ja, gnädige Frau, ich hab mich halt ein wenig herausgeputzt,<br />
schliesslich ist morgen Sonntag.“<br />
„Morgen Sonntag! Mein lieber Herr Doktor! Das wird mir was<br />
geben mit Ihnen!“<br />
„Mit Verlaub, gnädige Frau, das Frühstück werde ich im Prater<br />
einnehmen.“<br />
„Mögen S’ meine Pogatscherln nicht, was?“<br />
„Nein, ich meine, ja, ich hab halt eine Verabredung.“ Jetzt ist es<br />
heraus. Jetzt schmollt sie. Das sah er kommen. Die nicht mehr ganz<br />
junge Witwe bedrängt ihn zu sehr, jetzt hat sie das Nachsehen. Er<br />
schliesst hinter sich die Zimmertür. Meine Güte! Das Bild der jungen<br />
Patientin geht ihm nicht aus dem Sinn, wie soll er da diese Dame,<br />
nein, mein Gott, bitte!<br />
Es stört ihn, dass er täglich ihr Schlafzimmer durchqueren muss,<br />
um zu seiner Kammer zu gelangen. Jedes Mal fühlt er ihren Blick.<br />
Sie lauert mir auf, denkt er.<br />
Er betrachtet sich im Spiegel. Der Barbier hat sein Geld wohl<br />
verdient. Haare und Bart sind tüchtig in Form geschnitten! Und<br />
der neue Anzug, echt wienerisch. Er gefällt sich.<br />
Schmunzelnd lässt sich Jean aufs Bett sinken. Ach, die Wiener.<br />
Was für eine schillernde Welt. Heute hat er mit Lorenz das Römische<br />
Bad aufgesucht. Du meine Güte, davon wird er in Flaach<br />
nichts verlauten lassen. Das war ein sündiges Unterfangen. Aber<br />
für die Wiener alltäglich. Die haben eine ganz besondere Lebensphilosophie,<br />
die mit dem Christentum nicht so recht in Einklang<br />
zu bringen ist. Ein ungeheurer, naiver Leichtsinn. Ja, das ist es. Sie<br />
geniessen hemmungslos.<br />
Das Römische Bad! Säle wie Kirchenräume! Mit vergoldeten<br />
Säulen und schweren Damastvorhängen.<br />
Von Spiegelwänden umgeben hat er sich entkleidet und die weis-<br />
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