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Gedanken zur neuzeitlichen Entwicklung der ... - Kunstlexikon Saar

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„Deutschherrenkapelle“ 1 . Wichtigstes Ausstattungsstück eines solchen mittelalterlichen<br />

Krankensaales war <strong>der</strong> Altar. Die Aussicht, gesund zu werden im Hospital, war in den<br />

meisten Fällen gering. Die ärztliche Kunst war minimal und die Kenntnis des Körpers durch<br />

das religiöse Verbot anatomischer Studien sehr eingeschränkt. Die Diagnose ergab <strong>der</strong><br />

Augenschein, als Heilmittel hatte man Pülverchen, Kräutersude und Kräutersalben, Bä<strong>der</strong>,<br />

Inhalationen und auch Amputationen. Kranke gingen in ein Hospital zumeist nicht in <strong>der</strong><br />

Erwartung, gesund zu werden, son<strong>der</strong>n um selig zu sterben in <strong>der</strong> Nähe des Altares. Die<br />

<strong>Entwicklung</strong> <strong>der</strong> Heilkunst seit <strong>der</strong> Renaissance ging langsam, sie zog sich über Jahrhun<strong>der</strong>te<br />

und das Hospitalwesen än<strong>der</strong>te sich kaum.<br />

Keine Heilungsmöglichkeiten gab es für Geisteskranke. Für sie gab es keine Hospitäler. Sie<br />

wurden zu Hause versorgt. In manchen Städten gab es Narrenhäuser, in denen die<br />

Geisteskranken unter Verschluss gehalten wurden. Erst in <strong>der</strong> französischen Revolution erließ<br />

das Directoire in Paris die Anordnung, dass es Aufgabe des Staates sei, auch für die Irren<br />

menschenwürdig zu sorgen. Auf Grund dieser Anordnung entstand 1809 – 1811 in<br />

Frankenthal das erste Irrenhaus in <strong>der</strong> Pfalz, dem damaligen Departement Mont tonnere. Dort<br />

bestand eine Mehrzweckeinrichtung, das „Depot de Medicité“. Es war eine Art Armenhaus<br />

o<strong>der</strong> Obdachlosenheim. Die Insassen wurden dort zwangsverwahrt, und die Einrichtung<br />

unterstand <strong>der</strong> Polizei. Die Gebäude waren Teile des ehemaligen Franziskanerklosters und <strong>der</strong><br />

ehemaligen Porzellanmanufaktur des Kurfürsten Karl Theodor. Hierhin kamen nun auch die<br />

Geisteskranken, die Irren und Wahnsinnigen. Die sanitären Verhältnisse waren schlecht, die<br />

für die Polizei schriftlich festgelegten Heilmethoden waren „Ordnung, Zucht, Arbeit und<br />

Hunger“. Ordnung, Zucht und Arbeit sind immerhin verständlich, aber wieso Hunger? Man<br />

ernährte die Irren ganz knapp, damit sich ihr Geist immer nur darauf ausrichtete, wie<strong>der</strong> etwas<br />

zu essen zu bekommen, und sie dadurch von ihren Wahnvorstellungen ferngehalten würden.<br />

Natürlich hatte man auch Gewaltmittel <strong>zur</strong> Verfügung: Zwangsjacken, Fesselungen ans Bett.<br />

So also fing die menschenwürdige Betreuung <strong>der</strong> Geisteskranken in <strong>der</strong> Pfalz an. Hier muss<br />

allerdings gesagt werden, dass diese Regelung nur zehn Jahre Bestand hatte. Dann wurde für<br />

die Leitung <strong>der</strong> Anstalt ein Arzt eingesetzt. Dieser wies auf die gesetzliche Grundlage <strong>der</strong><br />

Verwahrung hin, auf jenen Beschluss des Directoire, <strong>der</strong> die Respektierung <strong>der</strong><br />

Menschenwürde verlangte. Er ersetzte die vorgenannten Grundsätze <strong>der</strong> Pflege durch<br />

„Ordnung, Milde, Reinlichkeit und Arbeit“. Die Kreispflegeanstalt Frankenthal war die<br />

einzige Einrichtung dieser Art in <strong>der</strong> nunmehr bayerischen Pfalz bis 1857. In dieser Zeit nahm<br />

die Zahl <strong>der</strong> Pflegeinsassen ständig zu. Die Obdachlosen und Vagabunden wurden<br />

an<strong>der</strong>weitig versorgt. Es wurden ergänzende und erweiternde Bauten hinzugefügt. Aber es<br />

blieb sehr schwierig. Überfüllung mit Patienten und eine zu geringe Zahl von Pflegern blieb<br />

das Problem.<br />

1857 konnte in Klingenmünster eine zweite Anstalt ihre Türen offnen. Es war ein Neubau,<br />

und er war von vornherein auf die Bedürfnisse <strong>der</strong> Geisteskranken eingerichtet. In<br />

landschaftlich sehr schöner Lage in den Weinbergen am Hang des Pfälzer Waldes bot <strong>der</strong><br />

Neubau den Patienten genügend Raum zum Leben und zu Beschäftigungen. Es war die Zeit,<br />

in <strong>der</strong> man die Geisteskranken nun als Menschen achten wollte. Es sei nur daran erinnert, dass<br />

in Frankfurt <strong>der</strong> Arzt Heinrich Hoffman neue Grundsätze entwickelte und dort eine<br />

entsprechende Einrichtung leitete. Er wurde bekannt als Verfasser des ersten wirklichen<br />

Kin<strong>der</strong>buches, <strong>der</strong> „Struwwelpeter“. So entstanden in jenen Jahren um 1860 in vielen<br />

deutschen Län<strong>der</strong>n Landessheilanstalten. Preußen errichtet damals in <strong>der</strong> Rheinprovinz<br />

mehrere solche Anstalten. Zu ihnen gehört in unserer Region die Landesheilanstalt in Merzig<br />

(<strong>Saar</strong>) 1872 - 1876 2 . Es war eine von fünf gleichzeitig und nach völlig gleichartigen<br />

1 Hierzu Martin Klewitz: „das Deutschherrenhaus in <strong>Saar</strong>brücken“ in „<strong>Saar</strong>brücken – 50 Jahre Großstadt“<br />

im Selbstverlag <strong>der</strong> Stadt <strong>Saar</strong>brücken 1959 S. 60 f.<br />

2 Hierzu Unterlagen beim Staatlichen Konservatoramt (unveröffentlicht).

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