Soziale Faktoren im Laufe der Kranken-Karriere Sommersemester ...

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2 "Biopsychosoziale"/ "Sozio-psycho-somatische"Gesamt-Diagnose und Sozialanamnese im Überblick(Alf Trojan und TutorInnenkreis)Die "Anamnese“ (Vorgeschichte des Kranken; von dem griechischen Wort für "sich erinnern")ist einerseits zwar nur eine von vielen Situationen, in denen der Arzt mit demPatienten redet. Es gibt jedoch mindestens drei Gründe, warum die Erst-Anamnese (imKrankenhaus: das "Aufnahmegespräch") die wichtigste Gesprächssituation überhauptdarstellt:♦ Weil hierbei (jedenfalls im Idealfall) ein Grundvertrauen zwischen Arzt und Patientals Basis für alle weiteren Gespräche geschaffen wird,♦ weil es (zumindest theoretisch) in den meisten Arzt-Patient-Begegnungen das umfassendsteund gründlichste Gespräch sein wird und vor allem♦ weil es überragende diagnostische und therapeutische Bedeutung hat.Von verschiedenen Autoren gibt es Untersuchungen, die zeigen, dass in 50% bis 90%aller Fälle, insbesondere in der Allgemeinmedizin und der Inneren Medizin, die Anamneseallein zur richtigen Diagnose ausreicht (von Troschke 1979, Gross 1969 u. 1971).Neben der Diagnose möglicher Belastungsfaktoren und Krankheitsursachen hat dieAnamnese auch zur Beurteilung der persönlichen Situation des Patienten große Bedeutung.Der Arzt erfährt etwas über:♦ Die Lebensgewohnheiten des Patienten, als wesentliche Bedingungen für Erfolgoder Misserfolg nachsorgender und rehabilitativer Bemühungen,♦ die Chancen, nach einem Krankenhausaufenthalt zu Hause zurecht zu kommen,♦ das Ausmaß an "sozialen Ressourcen", die ihm für die bessere Bewältigung einerKrankheit zur Verfügung stehen.Was ein Patient im Rahmen der Anamnese präsentiert, wird durch einige Bestimmungsfaktorenbeeinflusst, die der Arzt kennen sollte, damit er ein anamnestischesGespräch richtig einordnen und bewerten kann (vgl. Gross 1969):♦ Die Vorstellung des Kranken über sein Leiden (Laienätiologie)♦ seine Wünsche und Befürchtungen♦ seine Ausdrucksmöglichkeiten♦ sein Vertrauen zum Arzt♦ seine Reaktionen auf dessen Verhalten.Das Ideal einer Anamnese ist eine "bio-psychosoziale Gesamtanamnese". In derPraxis kommt dies eher selten vor. Die soziale Situation des Patienten wird meist nurrudimentär mit einigen Grob-Indikatoren erfasst, die sowohl aus biologischen wie auch(meist aber weniger) aus Gründen einer psychosozialen Diagnose und Therapie erfragtwerden. "Alter" und "Krankheiten der Eltern" sind Beispiele dafür, dass der MedizinerMerkmale erfragt, um primär etwas über den erwartbaren körperlichen Zustand (Alter)und über mögliche erbliche Belastungen („Familien-Anamnese“ verkürzt auf „Krankheiten“der Eltern) zu erfahren, obwohl beide Merkmale natürlich auch soziale Informationenenthalten.24
In einer Sozialanamnese werden diese Faktoren als Einstiegsmöglichkeiten in eineumfassende und systematische Erhebung der Lebensgeschichte, der Lebensbedingungenund der Krankengeschichte erfragt, um daraus ggf. Rückschlüsse ziehen zu könnenfür notwendige problemadäquate psychische oder soziale Therapieansätze. Diesemweiten Verständnis des Begriffes steht eine häufig engere Auslegung in der Praxisentgegen: Neben den erwähnten Faktoren wird bestenfalls noch der Beruf erfragt.Wir verstehen den Ausdruck "Sozialanamnese“ als den zweiten großen Bereich nebender biomedizinischen Anamnese in einer Gesamt-Anamnese (vgl. Abb. 2.1).Abb. 2.1: Bio-psychosoziale (Gesamt-) AnamneseBiomedizinische Anamnese(psycho-)soziale AnamneseMedikamenten-AnamneseKrankheits-AnamneseEltern-Anamnesebiographische undPersönlichkeits-AnamneseKranken-AnamneseberuflicheAnamneseFamilien-AnamnesePsychodynamischeAnamneseSexual-AnamneseDabei ist allerdings zu beachten, dass fachspezifische andere Anamneseformen in derPraxis und in Lehrbüchern genannt werden, die jeweils nur auf einzelne Komponentender Sozialanamnese fokussieren. Die wichtigsten Elemente und Erscheinungsformenim Zusammenhang der Sozialanamnese sollen im Folgenden kurz kommentiert werden.Aktuelle Anamnese:Momentane Beschwerden (zeitliches Auftreten, Qualität, Intensität, Lokalisation undAusstrahlung, Begleitsymptome, intensivierende, lindernde Faktoren, Umstände desAuftretens u.a.m.).Eltern-Anamnese:Wird in der Praxis vor allem für das Erheben von Krankheiten bei den Eltern eines Patientenbenutzt, um Hinweise auf erbliche Belastungen zu bekommen.25
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