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Soziale Faktoren im Laufe der Kranken-Karriere Sommersemester ...

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In dieser Entscheidungsfolge zeigen sich schichtspezifische Unterschiede:Angefangen bei <strong>der</strong> Symptomwahrnehmung, für sie ist ein best<strong>im</strong>mtes Wissen nötig,eine gewisse Aufmerksamkeit für den Körper und ein differenziertes Körpererleben.Diese Voraussetzungen sind bei den Angehörigen <strong>der</strong> verschiedenen sozialen Schichtenin unterschiedlichem Maße gegeben. Daneben sind auch die schichtspezifischenWert- und Normenorientierungen Ausschlag gebend.Weiterhin beeinflussen Strategien <strong>der</strong> Angstabwehr, <strong>der</strong> Verleugnung und <strong>der</strong> Bagatellisierungdie Symptomwahrnehmung, die teils auch von den jeweiligen Werthaltungenabhängt, ebenso aber von psychologischen Merkmalen.Zwischen Selbsthilfe und sozialer Schicht besteht ein kurvilinearer Zusammenhang(U-Kurve): Akademiker, Selbstständige und leitende Angestellte auf <strong>der</strong> einen, un- undangelernte Arbeiter auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite erklären in Befragungen in <strong>der</strong> Regel einehöhere Bereitschaft zur Selbsthilfe und <strong>im</strong> Umkehrschluss kann das bedeuten, dass sieseltener das professionelle Medizinsystem in Anspruch nehmen als Angehörige <strong>der</strong>Mittelschichten.Die Gründe sind schichtspezifisch: „In unteren sozialen Schichten kompensiert Selbsthilfe(bzw. nachfolgende Konsultation des Laiensystems) die soziale Distanz zum Arzt,während qualifiziert Ausgebildete besser zu unterscheiden vermögen, bis zu welchemPunkt einer Symptomerfahrung Eigenaktivitäten ohne kontraproduktive Folgen angemessensind.“ (Siegrist 1995:204). Menschen mit höherem Bildungsniveau wird ebensoeine intelligente non-compliance attestiert, sie gelten als eher in <strong>der</strong> Lage kontraproduktiveärztliche Anweisungen zu erkennen und zu ignorieren.Wird eine Symptomwahrnehmung an signifikante An<strong>der</strong>e mitgeteilt, kann das sozialenDruck erzeugen, <strong>der</strong> entwe<strong>der</strong> die Verleugnung und Bagatellisierung för<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> zueiner weiterführenden Behandlung drängt. Dabei zeigte sich in Untersuchungen die e-minent wichtige Bedeutung <strong>der</strong> Familie und des nahen Bekanntenkreises für die pr<strong>im</strong>ärenDefinitionsprozesse von ‚gesund’ und ‚krank’ und dies nicht nur bei Kin<strong>der</strong>n undJugendlichen, son<strong>der</strong>n auch bei Erwachsenen (vgl. Siegrist 1995:205). Da in den unterensozialen Schichten eine zeitliche Perspektive vermutet werden kann, die sich mehr aufdas Jetzt bezieht, während Mittelschichtangehörige eher zukunftorientiert sein dürften,werden Symptomwahrnehmungen weniger als möglicher Anfang einer chronischenKrankheit gesehen und vermutlich leichter verdrängt. Ebenso ist die Scheu vor ärztlichenUntersuchungen in <strong>der</strong> Unterschicht verbreiteter, was diese Tendenz stärken dürfte.Daneben spielt die berufliche Stellung eine wesentliche Rolle. Für den angelerntenArbeiter sind krankheitsbedingte Ausfallzeiten problematischer, als für den gehobenenBeamten.12

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