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Hans-Peter Büttner Marx revisted. Geschichte ... - Das Kapital lesen

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5<strong>Hans</strong>-<strong>Peter</strong> Büttner<strong>Marx</strong> <strong>revisted</strong>. <strong>Geschichte</strong> und immanenteProbleme der neoklassischen bzw.neoricardianischen <strong>Marx</strong>-InterpretationDie Diskussion um das <strong>Marx</strong>sche „<strong>Kapital</strong>“ warvon Anbeginn an sehr kontrovers, spitzte sich dannaber in den siebziger Jahren im Gefolge der neoricardianischenKritik der <strong>Marx</strong>schen Wert-Preis-Rechnung derart zu, dass selbst kritischeÖkonomInnen sich veranlasst sahen, die <strong>Marx</strong>scheWerttheorie aufzugeben. Im Folgenden werde ichaufzeigen, wie diese Diskussion entstand und aufwelchen methodischen Prämissen ihre Interpretationder <strong>Marx</strong>schen Werttheorie basiert. Dabeiist diese Interpretation längst selbst aufgrund ihrervollkommen undialektischen und dualistischenInterpretation der <strong>Marx</strong>schen Werttheorie Gegenstandmarxistischer Kritik geworden. Die Diskussionim Anschluss an das Verdikt der „Redundanzder Werttheorie“ hat hierbei zunächst im Ansatz des„Temporal Single Systems“ (TSS) der angloamerikanischen„International Working Group on ValueTheory“ (IWGVT) eine Alternative zur neoricardianischen<strong>Marx</strong>-Interpretation hervorgebracht, diesich vom neoklassischen Referenz-System derAllgemeinen Gleichgewichtstheorie gelöst hat. Eswird somit durch die IWGVT eine Rekonstruktionder <strong>Marx</strong>schen Werttheorie vorgelegt, die <strong>Marx</strong>nicht in die Kategorien der bürgerlichen Gleichgewichtslehrehineinpresst. Dieser Ansatz ist leiderhierzulande noch weitgehend unbekannt. Zuletzthat die Diskussion der neunziger Jahre im deutschsprachigenRaum gezeigt, dass aber selbst die neoricardianischeKritik nicht hinreichend war zurFalsifizierung der <strong>Marx</strong>schen Werttheorie – es existierenselbst bei Akzeptanz dieser Kritik konsistenteLösungsverfahren – und, dass Modelle, dieProduktionspreise ohne Rekurs auf Werte berechnennicht nur erkenntnistheoretisch fragwürdigsind, sondern auch selbst über große, immanenteProbleme verfügen.1. Als sich Friedrich Engels in den achtzigerJahren des 19. Jahrhunderts an die Herausgabe desdritten Bandes des „<strong>Kapital</strong>“ von Karl <strong>Marx</strong> machte,ging es neben der ungeheuren editorischen Arbeitvor allem um die endgültige Beantwortung der zentralenFrage, wie sich die <strong>Marx</strong>sche Arbeitswerttheoriemit der Existenz einer Durchschnittsprofitratealler <strong>Kapital</strong>ien vereinbaren ließe. Im erstenBand hatte <strong>Marx</strong> nämlich noch herausgestellt,dass der Mehrwert dadurch entsteht, dass der<strong>Kapital</strong>ist dem Arbeiter den am Markt üblichenLohnsatz bezahlt für sein Recht, die Arbeitskraftdes Arbeiters nutzbringend anzuwenden. Am Endedieser Anwendung steht bekanntlich eine Ware, diedurch Arbeit im Wert gesteigert wurde. DieseWertsteigerung übertrifft aber jene Summe, welche<strong>Hans</strong>-<strong>Peter</strong> Büttnerseite_16<strong>Marx</strong> <strong>revisted</strong> ~ Probleme der neoklassischen <strong>Marx</strong>-Interpretationgrundrisse_18_2006


dem Arbeiter für das Zur- Verfügung-Stellen seinerArbeitskraft entgolten wurde. Mit anderen Worten,der Lohnarbeiter wird vom Unternehmer für dieVernutzung seiner Arbeitskraft entsprechend desderzeit üblichen Marktwertes der Arbeitskraft bezahlt,da das Arbeitsprodukt aber Eigentum desUnternehmers ist, ist auch die gesamte Wertschöpfung,welche der Arbeiter im Arbeitsprozessgeleistet hat, Eigentum des <strong>Kapital</strong>isten. DerMehrwert entsteht also durch die Differenz zwischenWert und Wertschöpfung der Arbeitskraftund die Mehrwertrate 1 misst das Verhältnis desMehrwerts zu der Lohnsumme des variablen<strong>Kapital</strong>s (m’ = m/v). <strong>Marx</strong> nimmt an, dass eine allgemeineMehrwertrate existiert, da unter der notwendigenBedingung freier Konkurrenz nicht nurdie Unternehmen ihren Profit maximieren – was zueiner allgemeinen Profitrate führt –, sondern auchdie Arbeiter den bestmöglichen Lohn für ihreArbeit anstreben 2 . Die Mehrwertrate kann erhöhtwerden erstens durch Verlängerung des Arbeitstagesohne Lohnausgleich, zweitens durch direkteSenkung der Reallöhne oder drittens durch eine(nicht mittels Lohnerhöhungen an die Arbeiterklasseweitergegebene) Steigerung der Arbeitsproduktivität.Während Punkt eins eine Erhöhungdes absoluten Mehrwerts bedeutet, führen Punktzwei und drei zur Erhöhung des relativen Mehrwerts3 . Die Arbeitsmaterialien und technischenGegenstände des Arbeitsprozesses nennt <strong>Marx</strong> hingegen„konstantes <strong>Kapital</strong>“, denn sie schaffen keinenWert, sondern übertragen ihren Wert nur aufdas Produkt und bestimmen als technologischeProduktionsinstrumente den Produktivitätsgrad derArbeit. Entsprechend haben <strong>Kapital</strong>ien, die vielkonstantes <strong>Kapital</strong> anwenden, das ja selber keinenProfit abwirft, bei gleicher Mehrwertrate einenNachteil gegenüber arbeitsintensiven Branchen,denn dort wird mehr Gewinn im Vergleich zu den„toten Kosten“ gemacht. Ein <strong>Kapital</strong>ist wäre folglichdumm, wenn er in einer „kapitalintensiven“Branche produzieren würde. Die klassischeNationalökonomie ging deshalb stets von der notwendigenExistenz oder doch wenigstens Tendenzhin zu einer Durchschnittsprofitrate für alle<strong>Kapital</strong>ien aus und auch <strong>Marx</strong> verwirft diesesKonzept nicht 4 .Da sich aber augenscheinlich die Aussagen desersten Bandes des „<strong>Kapital</strong>“ nicht mit der Existenzeiner durchschnittlichen Verwertung aller<strong>Kapital</strong>ien vertragen, musste hier eine zufriedenstellende Lösung gefunden werden wenn dasParadoxon vermieden werden sollte, dass bestimmte<strong>Kapital</strong>ien dauerhaft weniger profitabel produzierensollten als andere - womit der Anreiz zurProduktion dieser Waren für rendite-orientierte<strong>Kapital</strong>isten hinfällig wäre.2. Die qualitative Lösung dieses Problems lagnach <strong>Marx</strong>ens 1894 von Engels als dritter Band des„<strong>Kapital</strong>“ veröffentlichten Manuskripten bekanntlichdarin, dass unter den Bedingungen derKonkurrenz der einzelnen <strong>Kapital</strong>ien sich derMehrwert zwischen den <strong>Kapital</strong>ien umverteilt. Erzieltz.B. Sektor A eine unterdurchschnittliche undSektor B eine überdurchschnittliche Rendite, dannfließt <strong>Kapital</strong> weg von Sektor A und hin zu SektorB. Somit steigt das Warenangebot in Sektor B und inder Folge fallen dort die Preise während in Sektor Ader umgekehrte Effekt eintritt. Durch die Konkurrenzder <strong>Kapital</strong>ien um den Profit stellen sich<strong>Kapital</strong>bewegungen zwischen den Sektoren ein undim Verlaufe dieser Bewegungen verändert sich dasPreisgefüge selbst. Nur derjenige Preis erweist sichals für die konkurrierenden <strong>Kapital</strong>ien realisierbar,der nach Angebot und Nachfrage nach <strong>Kapital</strong>selbst eine allgemeine Verwertungsrate ermöglicht.<strong>Das</strong> Preissystem stellt somit über die Durchschnittsprofitratebestimmte Anforderungen an dieWerttheorie, denn der Wert tritt unter kapitalistischenProduktionsverhältnissen nur als <strong>Kapital</strong> auf,als sich verwertender Wert 5 . Die durchschnittlicheProfitrate ergibt sich hierbei aus der Summe allerMehrwerte im Verhältnis zur Summe aller konstantenund variablen <strong>Kapital</strong>e: ?m/( c+ v). DieDurchschnitts-Profitrate ist für <strong>Marx</strong> somit einemakroökonomisch sich konstituierende Größe, diesich aus der Interdependenz der einzelnen, konkurrierenden<strong>Kapital</strong>e ergibt. <strong>Das</strong> <strong>Kapital</strong> bildet somit inder <strong>Marx</strong>schen Kritik der politischen Ökonomie einedialektische, makroökonomische Einheit bzw.Totalität in seiner mikroökonomischen Zersplitterung.Während auf der Ebene der Werttheorie also dieWertschöpfung der ProduzentInnen mittels Arbeitbetrachtet wird, untersucht die <strong>Marx</strong>sche Preistheoriedie Wertschöpfung als Wertschöpfung konkurrierender<strong>Kapital</strong>ien, welche unter der Bedingung einereinheitlichen, über die Konkurrenz vermitteltenProfitrate stattfindet. Die <strong>Marx</strong>sche Behandlungdes Verhältnisses der Wertanalyse zur Preisebenebesteht also in einer ausschließlichen Umverteilungdes Mehrwerts durch die Konkurrenz. Ausgangspunktist hierbei das zu Beginn einer Verwertungsbewegungvon <strong>Marx</strong> als „Voraussetzung“ 6 derProduktion bezeichnete konstante und das variable<strong>Kapital</strong> (also die Gesamtheit der Produktionsmittelsowie der Arbeitskraft). In der produktiven Anwendungund Kombination beider im Produktionsprozessergibt sich, wie gesehen, ein Mehrwert, deraber unter der Bedingung konkurrierender<strong>Kapital</strong>ien in der Form des Profits erscheint, als„Resultat“ 7 (<strong>Marx</strong>) der Bewegung. Auf der Makro-Ebene hat sich hier durch die Umverteilung nichtsverändert, die Summe der Werte und die Summe der5<strong>Marx</strong> <strong>revisted</strong> ~ Probleme der neoklassischen <strong>Marx</strong>-Interpretationgrundrisse_18_2006<strong>Hans</strong>-<strong>Peter</strong> Büttnerseite_17


5Preise sind ebenso gleich geblieben wie dieSumme der Mehrwerte und der Profite.Lediglich das relative Preisgefüge hat sichverändert und markiert den unter Konkurrenzbedingungenrealisierbaren, aliquotenAnteil des Einzelkapitals am gesamtenMehrwert. Diese beiden notwendigenKlammern zwischen Wert- und Preisebenewurden später wegen ihrer Zentralität„Invarianzpostulate“ genannt 8 .3. Diese Auffassung <strong>Marx</strong>ens traf allerdingsbald auf Widerspruch. Der sozialdemokratischeStudent Wolfgang Mühlpfordthat 1893 (in seiner Dissertation) und 1895(in einem Aufsatz in verbesserter Darstellung)die <strong>Marx</strong>sche Werttheorie als erstermittels eines simultanen Gleichungssystemsdargestellt 9 . Mühlpfordt hat bereits1895 <strong>Marx</strong>ens „Kostpreis-Irrtum“ aus Sichtder simultanistischen Gleichgewichtsökonomieformuliert wenn er konstatierte:„Weicht nicht, wie der Warenpreis, so auchder Preis des <strong>Kapital</strong>s, der Kostpreis vondem in ihm enthaltenen Werte ab? DieFrage ist ohne Zweifel zu bejahen“ 10 .Es trat somit die Frage auf, ob <strong>Marx</strong> einenFehler beging als er feststellte, dass mit derHerausbildung einer Durchschnittsprofitratelediglich Mehrwert umverteilt wirdund in den Aggregaten alles gleich bleibt.Der Preußische Statistiker und NationalökonomLadislaus von Bortkiewicz 11 hatdann 10 Jahre nach Mühlpfordt eben nichtals erster, aber am einflussreichsten aufzuzeigenversucht, dass in <strong>Marx</strong>ens Verfahrendie Bestandteile des konstanten und des variablen<strong>Kapital</strong>s gar nicht transformiertwerden in Preisgrößen und somit <strong>Marx</strong>ensTransformation „unvollständig“ sei 12 . SeinAnsatz wurde von Paul M. Sweezy in dessenberühmter Monographie zur <strong>Marx</strong>schenTheorie 13 als konsistente und immanente„Korrektur“ <strong>Marx</strong>ens anerkannt undinternational bekannt gemacht.Bortkiewicz „berichtigte“ <strong>Marx</strong>ens Fehlermittels eines bis heute vielfach untersuchtenlinearen Gleichungssystems, in welchemer ein einfaches Modell mit dreiSektoren konstruierte, in dem die wertförmigenInputs und Outputs mit den jeweiligen„Transformationskoeffizienten“ derdrei Abteilungen multipliziert werden (jedemSektor bzw. <strong>Kapital</strong> ist also einUmrechnungs-Koeffizient zugeordnet),um so zu Preisausdrücken zu werden. Dererste Sektor produziert hierbei dieProduktionsmittel (also das konstante<strong>Kapital</strong>), der zweite Sektor die Konsumgüterder ArbeiterInnen (also das variable<strong>Kapital</strong>) und der dritte Sektor die Luxusgüterder <strong>Kapital</strong>eignerInnen (hier werdenalso die Güter hergestellt, die mit demMehrwert bezahlt werden). Wachstum findetnicht statt, die <strong>Kapital</strong>istInnen verkonsumierenden gesamten Mehrwert. Die unbekanntenVariablen in Bortkiewicz’Algorithmus sind die drei Transformations-Koeffizienten sowie die Durchschnittsprofitrate.Da drei Gleichungen bei vierUnbekannten nicht zu lösen sind, schlugBortkiewicz eine Goldwährung vor, d.h. inSektor drei sollte der Koeffizient auf „Eins“normiert werden. Ist dieser Koeffizient gegeben,kann das Gleichungssystem gelöstwerden. In Sektor III sind dann Wert- undPreissumme aufgrund der Multiplikationmit I identisch, und diese Abteilung dientsomit gleichzeitig als Maßstab der anderenAbteilungen. Bortkiewicz rechtfertigte diesesVerfahren damit, dass die Luxusgütervon Sektor III ohnehin nicht in dieProduktion anderer Waren eingingen unddeshalb keine Auswirkung auf die Durchschnittsprofitratehätten (diese Auffassunghat sich im späteren Verlauf der Debatte alsunhaltbar erwiesen). Im Ergebnis läuftBortkiewicz’ Lösung allerdings darauf hinaus,dass zwar die Summe der Mehrwerteund der Profite gleich bleibt nach derTransformation – Wertsumme undPreissumme weichen aber nun voneinanderab. Wie ist das möglich?4. <strong>Das</strong>s Mehrwertsumme und Profitsummebei Bortkiewicz übereinstimmen istunmittelbar einsichtig wenn wir bedenken,dass Sektor III mit seiner Festlegung auf einenTransformationskoeffizienten von„Eins“ gar nicht transformiert, sondern lediglichnormiert wird. Die berühmteAbweichung der Wertsumme von derPreissumme in Bortkiewicz’ Algorithmusentsteht erst aufgrund der Messung vonSektor I und II durch den Gold-Standardvon Sektor III. Besteht z.B. in Sektor IIIeine unterdurchschnittliche organischeZusammensetzung des <strong>Kapital</strong>s, müsste janach Herausbildung der Durchschnittsprofitrateder Produktionspreis von SektorIII fallen gegenüber seiner Wertsumme.Weil aber in Sektor III Wertsumme gleichPreissumme besteht (bzw. der Preiskoeffizientz auf „1“ normiert wird), kannhier keine Transformation stattfinden. Da die<strong>Hans</strong>-<strong>Peter</strong> Büttnerseite_18<strong>Marx</strong> <strong>revisted</strong> ~ Probleme der neoklassischen <strong>Marx</strong>-Interpretationgrundrisse_18_2006


organische Zusammensetzung von Sektor III in allerRegel von Sektor II und III abweicht, muss derauf „1“ normierte Maßstab (der auch „Numéraire“genannt wird in der ökonomischen Theorie) dazuführen, dass der Goldpreis relativ zu den anderenPreisen sinkt und somit die Preissumme sich gegenüberder Wertsumme erhöht. In Preisen ausgedrückmuss sich also das Gesamtsystem gegenüber demWertsystem verschieben (und folglich auch diePreisprofitrate gegenüber der Wertprofitrate), daSektor III als Numéraire zwar nicht in denAusgleich der Profitrate eingeht, aber dennoch jenach seiner eigenen organischen Zusammensetzungwie gesehen das System der relativen Preise und dieSumme der Preise beeinflusst. Genauso würde umgekehrtbei einer höheren organischen Zusammensetzungdes Sektorenkapitals von Abteilung III diePreissumme kleiner als die Wertsumme ausfallen.Man kann auch sagen, dass die preisförmigeKaufkraft des Goldes je nach Varianz der organischenZusammensetzung des <strong>Kapital</strong>s im drittenSektor variiert und somit im Transformationsverfahrennicht „neutral“ bleibt.5. Spätere Verfeinerungen des BortkiewiczschenModells z.B. durch die neoricardianische SchulePierro Sraffas haben dann ergeben, dass bei einerkompletten Transformation (was eben den drittenSektor und seine Bestandteile einschließt) auch dieIdentität von Mehrwert- und Profitsumme zerstörtwird. Es ergeben sich dann im Ergebnis zwei vollkommenvoneinander getrennte Bewertungssysteme:Eines in Arbeitswerten und eines inProduktionspreisen, und zwischen beiden gibt es keinesinnvolle oder für die Analyse der kapitalistischenProduktionsweise fruchtbar zu machendeBeziehung mehr. Zwar können Arbeitswerte als„Nebenprodukt“ aus dem neoricardianisch modifiziertenGleichungssystem 14 abgeleitet werden, dochkönnen sie bei einer „Warenproduktion mittelsWaren“ auch ohne Erkenntnisverlust aus demGleichungssystem herausgestrichen werden. Dieswusste auch bereits Bortkiewicz, der ausdrücklicherwähnt, dass es möglich ist, Preise auf ihren „korrektenmathematischen Ausdruck zu bringen, ohnedass man von den entsprechenden Wert- undMehrwertgrößen auszugehen brauchte, sondernletztere Größen kommen in der Rechnung gar nichtzum Vorschein, wenn man sich der exakten Formelnbedient“ 15 . Weil die Wertebene im neoricardianischenModell selber erst aus den physischenMengendaten der Produktionsmittel abgeleitet wird(und somit ein zur Ermittlung der Gleichgewichtspreisenicht notwendiges „Nebenprodukt“darstellt), kann sie nicht zur Grundlegung undAbleitung eines Produktionspreissystems dienenund ist folglich „redundant“. Auf marxistischerSeite wurde die tiefere Problematik der EingemeindungSraffas 16 und Walras’ 17 bzw. der von diesenÖkonomen praktizierten undialektischen Methodenicht weiter reflektiert und so begann dieVerwandlung der „Kritik der Politischen Ökonomie“in die modernen „<strong>Marx</strong>ian Economics“.Michio Morishima versuchte seit Anfang der siebzigerJahre entsprechend <strong>Marx</strong> „im Lichte der modernenökonomischen Theorie“ 18 zu rekonstruierenund dergestalt die <strong>Marx</strong>sche Ausbeutungstheorie als„<strong>Marx</strong>sches Fundamentaltheorem“ (MFT) zu reformulieren19 . <strong>Das</strong> MFT besagt nur noch in allgemeinsterForm, dass dort wo positive Profite gemachtwerden, auch Mehrarbeit (also Ausbeutung) vorliegenmuss, ganz unabhängig davon wie sehr WertundPreisprofitrate bzw. Mehrwert und Profit nachder Wert-Preis-Transformation divergieren. FürMorishima war das MFT „Herz und Seele der<strong>Marx</strong>schen Philosophie weil es impliziert, dassAusbeutung notwendig für die fortgesetzteExistenz einer kapitalistischen Wirtschaftsordnungist, denn sie kann nicht existieren, wenn die allgemeineProfitrate nicht positiv ist“ 20 . Auch nach demkompletten Fall der von <strong>Marx</strong> noch vorausgesetztenInvarianzpostulate zur Identität von Wert- undPreis- bzw. Mehrwert- und Profitsumme sollte alsoder vermeintlich entscheidende Gehalt der<strong>Marx</strong>schen Ökonomiekritik – die Ausbeutungstheorieals solche jenseits besonderer Quantifizierungsversuche– verteidigt werden als fundamentaleGrundaussage zum Ursprung des <strong>Kapital</strong>profitsbzw. als objektive Schranke der Profitbewegungen.Allerdings präsentierte der Neoricardianer IanSteedman 1975 prompt ein Zahlenbeispiel 21 , bei demrein rechnerisch trotz negativer Werte positiveProfite möglich seien (womit das MFT natürlichwiderlegt wäre 22 ) und verwies auf das Problem der„Kuppelproduktion“ in Morishimas Modell desMFT. „Kuppelproduktion“ tritt dann auf, wenn einund der Selbe Produktionsprozess (z.B. dieSchafzucht) zwei verschiedene Produkte hervorbringt(z.B. Schafswolle und Schafsmilch) und wurdebis dato von marxistischer Seite weitgehend ausgeklammert.Steedmans Beispiel wiederum wurdevon marxistischer Seite kritisiert, weil es auf „speziellenarithmetischen Anomalien“ 23 beruht die z.B.darauf hinaus laufen, dass ineffiziente Produktionsprozessegleichzeitig mit effizienteren benutzt werden24 . Die Gleichungen Steedmans wurden somit alsfehlerhaft und gar nicht mit dem Morishima-<strong>Marx</strong>schen Wert-Begriff vereinbar kritisiert 25 . Derkluge Morishima präsentierte nun in seiner Replikauf Steedman eine Lösung für dieses Problemmittels Ungleichungen, in denen „wahre“, minimaleWerte („true values“) einzelner Waren ermitteltwerden können und somit das MFT zumGenerellen <strong>Marx</strong>schen FundamentaltheoremGMFT unter Berücksichtigung von Kuppelproduktionerweitert wurde. Die Debatte hatte also5<strong>Marx</strong> <strong>revisted</strong> ~ Probleme der neoklassischen <strong>Marx</strong>-Interpretationgrundrisse_18_2006<strong>Hans</strong>-<strong>Peter</strong> Büttnerseite_19


5durchaus nicht zwingend bewiesen, dass dieMorishima-<strong>Marx</strong>sche Werttheorie und die Ausbeutungslehrebzw. das Fundamentaltheorem unhaltbarsind, auch wenn die Diskussion immer spezialisierterund abstrakt-formaler wurde in ihremVerlauf 26 . Allerdings war die große <strong>Marx</strong>-Renaissance längst vorbei Ende der siebziger Jahreund das „Transformationsproblem“ eignete sich nunfür viele müde gewordene linke Ökonomen gut zurVerabschiedung von der <strong>Marx</strong>schen Kritik derPolitischen Ökonomie und zur Laufbahn im herrschendenWissenschaftsbetrieb. Auch MorishimasInteresse an den „<strong>Marx</strong>ian Economics“ erloschweitgehend.6. Was bisher selbst von nahezu sämtlichenVerteidigern der <strong>Marx</strong>schen Werttheorie seitBortkiewicz und Sweezy bis Morishima nicht hinreichendbedacht wurde ist die Frage nach dem methodischenVorgehen der angeblich „immanenten“,von Bortkiewicz populär gemachten Kritik gegenüberder <strong>Marx</strong>schen Wert-Preis-Rechnung. Die Fragedes wissenschaftslogischen Status’ der <strong>Marx</strong>schenWerttheorie sowie ihr Verhältnis zur „Erscheinungsebene“der Preislehre wurde interessanterweisekaum gestellt. Von Bortkiewicz bis Morishima wurde<strong>Marx</strong> umstandslos unter den Bedingungen neoklassischerWirtschaftsanalytik rekonstruiert. DieseSichtweise steht längst nicht mehr allein da, sonderngerät zunehmend in die Kritik. Seit Anfang der 80erJahre haben sich in den USA eine Reihe - seit etwaeinem Jahrzehnt in der „International WorkingGroup on Value Theory“ (IWGVT) vereinigter -marxistisch orientierter Ökonomen daran gemacht,eine vollkommen alternative Lesart der <strong>Marx</strong>schenWerttheorie zu formulieren, welche die schwerenBürden der in Bortkiewiczscher Tradition rekonstruiertenWerttheorie komplett vermeidet und einergesonderten Kritik unterzieht. Ausgangspunktdieser Gegenkritik ist die Vorstellung, dass <strong>Marx</strong>keineswegs ein dualistisches, simultanes Gleichgewichtsmodellseiner Werttheorie akzeptiert hätteund diese seinem dialektischen Denken gänzlichfremde Idee ganz willkürlich und ohne jeglichesProblembewusstsein an die <strong>Marx</strong>sche Werttheorieherangetragen wurde.Ohne die <strong>Marx</strong>sche Argumentationsstruktur genauzu bedenken, haben marxistisch orientiertePolitökonomen spätestens seit Paul M. Sweezy dieBortkiewiczsche bzw. Mühlpfordtsche Kritik übernommen.Bortkiewicz selbst aber war ein Anhängerder „Lausanner Schule“ der Politischen Ökonomiedes „Papstes“ der bürgerlichen Gleichgewichtsökonomik,Leon Walras, dessen Modell noch heuteder herrschenden neoklassischen Lehre zugrundeliegt. Bortkiewicz feierte die „Leistungen“ desNeoklassikers Walras überschwänglich:„Die moderne Theorie der Volkswirtschaft fängtan, sich allmählich von dem succesivistischen Vorurteilzu befreien, wobei in dieser Beziehung der mathematischenSchule mit Léon Walras an der Spitze derHauptverdienst gebührt. Die mathematische, speziellalgebraische, Darstellung erscheint eben als deradäquateste Ausdruck dieses überlegenen, der Eigenartder ökonomischen Zusammenhänge Rechnung tragendenStandpunktes“ 27 .Mit dem „succesivistischen Vorurteil“ meinteBortkiewicz nun gerade die <strong>Marx</strong>sche Theorie, welchestatt von einer zeitlosen, geldlosen Gleichgewichtsweltwie die Neoklassik von einer kausalzeitförmigenStruktur des ökonomischen Gegenstandesausgeht. Für Bortkiewicz war also noch klar,„dass die Wertkonzeption des ‚<strong>Kapital</strong>‘ sukzessivistischoder zeitförmig statt simultan“ 28 angelegt ist.Zahlreiche <strong>Marx</strong>isten haben dies aber vollkommenübersehen und so einen in das Korsett bürgerlicherGleichgewichtsökonomie gezwängten <strong>Marx</strong> vertreten.<strong>Das</strong>s diese unkritische Verbindung von<strong>Marx</strong>scher Theorie und bürgerlicher Gleichgewichtsökonomie(<strong>Marx</strong> hätte wohl eher denTerminus „Vulgärökonomie“ benutzt) nicht gut gehenkonnte, zeigt die Forschung der IWGVT 29 .7. Wird das Verfahren der Wert-Preis-Transformation an der (dem neoklassischen Denkenvollkommen fremden) <strong>Marx</strong>schen Zirkulationsformeldes zweiten Bandes des „<strong>Kapital</strong>“ orientiert,eröffnet sich die Möglichkeit einer konsistentenRekonstruktion des <strong>Marx</strong>schen Verfahrens. DieElemente des konstanten <strong>Kapital</strong>s werden dannzuerst für Geld erworben, daraufhin mittels desebenfalls in Geldform erworbenen variablen<strong>Kapital</strong>s im Wert gesteigert und am Ende derVerwertungsbewegung wird die Ware gegen Geldgetauscht. Die Wertform-Analyse ist hier also insofernzentral, als dass der Wert nicht unabhängig vonseiner entwickelten Erscheinungsform in derGeldform getrennt wird. Statt in Gestalt prämonetärer,heterogener Warenmengen, die einzeln summiertwerden 30 erscheinen bei <strong>Marx</strong> konstantes undvariables <strong>Kapital</strong> wertförmig und somit monetär.Alejandro Ramos-Matrínez und Adolfo Rodríguez-Herrera bringen diesen Zusammenhang so auf denPunkt:„Wert ist nicht (...) eine Größe, die getrennt vonPreisen und der Warenzirkulation gegeben ist. Wertund Preis sind dialektisch verbunden und bilden diewidersprüchliche Einheit von Wert und Wertform“ 31 .Die <strong>Marx</strong>sche Methode kann somit nur dann angemessenrekonstruiert werden, wenn Wert undPreis nicht dualistisch und somit undialektisch-äußerlichaufeinander bezogen werden 32 , sondern als<strong>Hans</strong>-<strong>Peter</strong> Büttnerseite_20<strong>Marx</strong> <strong>revisted</strong> ~ Probleme der neoklassischen <strong>Marx</strong>-Interpretationgrundrisse_18_2006


prozessierende Einheit. „Wert und Preissind ein und das Selbe in verschiedenenPhasen der Existenz des <strong>Kapital</strong>s“ 33 , fasstAlan Freeman diesen Standpunkt zusammen.<strong>Das</strong> <strong>Marx</strong>sche Verfahren arbeitet indieser Interpretation also „succesivistisch“statt simultan, denn die Voraussetzungendes Produktionsprozesses sind nicht identischmit ihrem Resultat. <strong>Das</strong> Produktionsergebniskann nicht simultan mit demProduktionsprozess und seinen Voraussetzungenvorliegen, vielmehr findet einkausal-zeitförmiger Produktionsprozessstatt, in dessen Verlauf neben ProduktionsauchVerteilungsprozesse stattfinden. DerProduktionspreis markiert dann am Endeder Verwertungsbewegung den für die jeweiligenProduzenten realisierbaren„Gleichgewichtspreis“ 34 . <strong>Das</strong> Geld kommthier an zwei Stellen der Kausalkette insSpiel: Erstens beim Erwerb des konstantenbzw. des variablen <strong>Kapital</strong>s und zweitensbei der Realisierung des Produktionspreisesin der Zirkulationssphäre. Ein „Kostpreis-Irrtum“ ist hier also schlichtweg unmöglich,denn der „Wert“ der Elemente deskonstanten und variablen <strong>Kapital</strong>s ist dermonetäre Wert, der mit dem Erwerb derProduktions-Inputs (bzw. -Voraussetzungen)abgegolten wird. <strong>Das</strong>s diese Inputsde facto preisförmig vorliegen, betrifft abernach <strong>Marx</strong> nur die vorhergehendeProduktionsperiode und nicht die gegenwärtige.In der laufenden Periode hat aberein „vergangener Irrtum“ keinen Rückkoppelungseffekt– dies ist lediglich ein derbürgerlichen Neoklassik entlehnterGedanke. <strong>Marx</strong> hat eine neoklassischeInterpretation seiner Werttheorie aber ausdrücklichabgelehnt:„Denn wie auch der Kostpreis der Warevon dem Wert der in ihr konsumiertenProduktionsmittel abweichen mag, für den<strong>Kapital</strong>isten ist dieser vergangene(!) Irrtumgleichgültig. Der Kostpreis der Ware ist eingegebener, eine von seiner, des <strong>Kapital</strong>isten,Produktion unabhängige Voraussetzung(!),während das Resultat(!) seiner Produktioneine Ware ist, die Mehrwert enthält, also einenWertüberschuss über ihren Kostpreis„ 35 .Ein „Kostpreis-Irrtum“ ist also aus<strong>Marx</strong>ens Sicht gar nicht möglich, da „Voraussetzung“und „Resultat“ der Verwertungsbewegungdes <strong>Kapital</strong>s nicht ineins fallen. <strong>Marx</strong> wies selber im zweitenBand des „<strong>Kapital</strong>“ in seiner Kritik an demsubjektiven Werttheoretiker Bailey explizitdarauf hin,„dass Wert nur als <strong>Kapital</strong>wert oder<strong>Kapital</strong> fungiert, sofern er in den verschiedenenPhasen seines Kreislaufs, die keineswegscontemporary sind(!!!), sondern nacheinander(!!!)fallen, mit sich selbst identischbleibt und mit sich selbst verglichenwird“ 36 .Wird der „Wert“ bzw. „<strong>Kapital</strong>wert“ simultanistischoder „contemporary“ gefasst,verflüchtigt er sich logischerweise, dennmit den „verschiedenen Phasen seinesKreislaufs“ zerbricht die Identität undgleichzeitige Differenz von Wert- undPreisebene. Statt Wert und Preis alsMomente eines dialektischen, kausal-zeitförmigenKreislaufprozesses zu betrachten,werden sie durch einen bewegungslosen,undialektischen Dualismus auseinander gerissen.Die Problemstellung und MethodeBortkiewicz’ (bzw. Morishimas undSteedmans) ist also mit der <strong>Marx</strong>schenAnalyse des Produktions- und Zirkulationsprozessesüberhaupt nicht vereinbarund stellt folglich auch keine immanenteKritik, sondern eine radikale, neoklassischeUmformulierung <strong>Marx</strong>ens dar. Im Rahmeneiner kausal-zeitförmigen Betrachtungkann es keine zwei streng getrenntenBewertungssysteme „Wertebene“ bzw.„Preisebene“ geben, denn der Unterschiedzwischen Wert und Preis bezieht sich hierauf die jeweilige Stellung im Verwertungsprozess.„Werte“ sind hier Voraussetzungendes Produktionsprozesses, welcheselber quantitativ determiniert sind zuBeginn der Verwertungsbewegung und dieim Verlaufe des Produktionsprozesses keinerUmbewertung unterliegen. „Preise“sind Resultate des Produktionsprozessesund können erst am Beginn der nächstenProduktionsperiode als Voraussetzung gelten.Weil hier statt eines dualen Wert-Preis-Systems wie im zeitlosen Simultanmodellein zeitförmig-kausales Verständnis vorherrscht,welches an jedem Punkt der<strong>Kapital</strong>zirkulation die innere Verzahnungvon Wert- und Preisebene aufweist, wurdedieses Modell „Temporal Single System“(TSS) genannt.5<strong>Marx</strong> <strong>revisted</strong> ~ Probleme der neoklassischen <strong>Marx</strong>-Interpretationgrundrisse_18_2006<strong>Hans</strong>-<strong>Peter</strong> Büttnerseite_21


58. Für eine wertkritische Politische Ökonomiegeht also mit dem alten, neoklassisch deformierten<strong>Marx</strong>ismus ein ohnehin wenig erfolgreichesParadigma verloren, das für keine der zentralenwerttheoretischen Kategorien <strong>Marx</strong>ens eine sinnvolleVerwendung hat. Da die im neoricardianischenModell Werte (also Mengen abstrakter Arbeit) ausphysischen Gebrauchswerten (also „Mengen“ angewandterkonkreter Arbeit) abgeleitet werden, stelltsich neben der sich schon aus der Prozedur selbstergebenden Redundanz der Wertlehre auch dieFrage nach der sozialökonomischen Logik, die hinterdiesen mathematischen Fingerübungen steckt.Die <strong>Marx</strong>sche Werttheorie macht nämlich erst überdie Wertform die Tatsache zum Thema, dass „physischeMengen“ Arbeitsprodukte sind, in welchen sichüber den Tausch die Einheit der gesellschaftlichenArbeit Geltung verschafft. In einer kapitalistischenTauschökonomie sind reine interdependenteGebrauchswertstrukturen insofern Größen ohneWert- und Geldform, an denen die Formbestimmungendes kapitalistischen Produktionsprozesseskomplett vorbeigehen. Die über diese physischenMengen abgeleiteten „Arbeitswerte“ sind folglichauch keine „Werte“ im <strong>Marx</strong>schen Sinne, da sie jatechnologisch bestimmte Mengen „konkreter“Arbeit darstellen, und nicht abstrakte Arbeit im<strong>Marx</strong>schen Sinne der Realabstraktion des Tausches.Die <strong>Marx</strong>sche Werttheorie wurde somit im Gefolgeeiner Interpretation, die sich seit Bortkiewicz immerweiter von <strong>Marx</strong>ens Methode und seinemErkenntnisinteresse entfernte, als „redundant“ erklärt.Der „Redundanz“-Vorwurf bezieht sich aberauf nichts anderes als den neoklassisch interpretiertenund entstellten <strong>Marx</strong>.9. Dabei hat die Diskussion um Sraffa und denneoricardianisch interpretierten <strong>Marx</strong>ismus durchauseinige interessante Ergebnisse zu Tage gefördert.So konnte <strong>Hans</strong>-Georg Sprotte bereits 1978 ineinem kaum rezipierten Beitrag aufzeigen, dassselbst der Bortkiewicz- und der Sraffa-Algorithmusmit <strong>Marx</strong>ens Verfahren quantitativ übereinstimmen,wenn die Profitrate mit der Wachstumsrate gekoppeltwird 37 . Bei vollständigem Wachstum aller<strong>Kapital</strong>e sind nämlich Wachstums- und Profitrateidentisch. Wenn dies der Fall ist, verteilt sich derMehrwert automatisch proportional auf dieSystemkomponenten, so dass er in seiner Zusammensetzungmit der Zusammensetzung desGesamtkapitals identisch ist. <strong>Das</strong> „Normierungsproblem“wäre dann gelöst, denn wenn Mehrproduktund Gesamtprodukt in ihrer Struktur identischsind, kann die oben beschriebene Mess-Abweichung, die in Bortkliewicz’ Modell einfacherReproduktion auftritt, für den wachstumstheoretischenFall (der für <strong>Marx</strong> im Rahmen kapitalistischerProduktion ohnehin der einzig diskutable ist, wieSprotte herausstellt) nicht bestätigt werden.Abweichungen der Wertsumme von derPreissumme sind also nur möglich, wenn Profitrateund Wachstumsrate divergieren. Diesen Abweichungensind aber, wie Sprotte zeigt, Grenzengesetzt, die vom Fall vollständigen Wachstums ausquantitativ bestimmt werden können. Der<strong>Marx</strong>sche Algorithmus kann somit wachstumstheoretischnachhaltig gestützt werden. Für den Fall dereinfachen Reproduktion hat Reinhard Schaupeter1995 ein werttheoretisch fundiertes Verfahren derWert-Preis-Rechnung vorgelegt, das die quantitativenProportionalitäten zwischen den sektoralen<strong>Kapital</strong>en und dem Gesamtkapital, die sich beiExistenz einer Durchschnittsprofitrate zwangsläufigergeben, zur Formulierung eines neuenTransformations-Algorithmus nutzt 38 . BeiSchaupeter sind sämtliche Invarianzpostulate erfülltund auch Sektor 3 wird – anders als bei Bortkiewicz– in den Profitraten-Ausgleich einbezogen.Schaupeters Algorithmus ist somit Bortkiewicz’Verfahren weit überlegen 39 .Fritz Helmedag konnte 1992 in seiner Studie„Warenproduktion mittels Arbeit“ (und einer imAnschluss daran in den „Jahrbüchern fürNationalökonomie und Statistik“ entbranntenDebatte) nachweisen, dass die gesamte simultaneProduktionspreisrechnung neoricardianischerProvenienz in Frage gestellt ist, wenn wir dasPreissystem daraufhin überprüfen, ob es überhauptsinnvoll mit gesellschaftlicher Arbeitsteilung inEinklang zu bringen ist oder ob nicht Anreize zurvertikalen Integration der Fertigung vonVorprodukten entstehen. Mit der gewinnbringendenMöglichkeit des partiellen Ausstiegs aus derArbeitsteilung wäre der arbeitsteilige Gegenstandder (simultanen) Produktionspreistheorie dannkomplett verfehlt. Lediglich die reine Arbeitswertrechnungdes ersten Bandes des „<strong>Kapital</strong>“ unddie Existenz einer einheitlichen Mehrwertrate wärenals Konkurrenz zu den neoricardainischenModellen uneingeschränkt vereinbar mit gesellschaftlicherArbeitsteilung. Auch die nicht-simultaneWert-Preis-Rechnung der IWGVT fällt interessanterweisenicht unter die Paradoxien derBortkiewicz-Sraffa-Modelle. Somit kann ausHelmedags Sicht unter der strengen Voraussetzungeines Anreizes zu gesellschaftlicher Arbeitsteilungkonsistent die Redundanz der simultanenProduktionspreisrechnung und somit Bortkiewicz’und Sraffas aufgezeigt werden – ohne dass davon dasoriginäre, kausal-zeitförmige <strong>Marx</strong>sche Verfahrenbetroffen wäre. Die neoricardianische Kritik an derWerttheorie kann somit ihrerseits der Redundanzund Inkonsistenz überführt werden im Rahmen desvon ihr selbst postulierten simultanen Paradigmas.Auch die von Ian Steedman aufgezeigten<strong>Hans</strong>-<strong>Peter</strong> Büttnerseite_22<strong>Marx</strong> <strong>revisted</strong> ~ Probleme der neoklassischen <strong>Marx</strong>-Interpretationgrundrisse_18_2006


Paradoxien bei Kuppelproduktion sind nicht mehrals Produkte der Bortkiewicz-Sraffa-Werttheorie,die bei <strong>Marx</strong>ens kausal-zeitförmigem Verfahrennicht auftreten (während, wie Helmedag zeigt, dasneoricardianische Verfahren voll ungelösterProbleme für diesen Fall ist).Für die weitere Ausarbeitung einer wertkritischenPolitischen Ökonomie dürfte die Forschungder IWGVT also eine Menge wichtiger Anregungengeben. Die werttheoretische Kritik an den methodischenZwillingen Neoklassik und Neoricardianismuskann aus Sicht der kausal-zeitförmigenMethode weiter vorangetrieben und radikalisiertwerden. Der Walrasianische Wahn dürfte erstvor dem Hintergrund einer solchen Ökonomiekritikin seiner ganzen Dimension sichtbar werden.<strong>Das</strong> 21. Jahrhundert hätte dann gute Chancen, eineRenaissance der Aufklärung auf ökonomietheoretischemGebiet zu erleben.E-Mail: dulce97@gmx.de5Literatur:Eugen von Böhm-Bawerk (1973, EA 1896): Zum Abschluß des<strong>Marx</strong>schen Systems. 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Anmerkungen:51 Die Mehrwertrate wird auch „Ausbeutungsrate“ bzw.„Exploitationsrate“ genannt.2 Nach <strong>Marx</strong> können wir deshalb von „einer Konkurrenz unterden Arbeitern (...) und Ausgleichung durch ihre beständigeAuswanderung aus einer Produktionssphäre in die andere“(„<strong>Das</strong> <strong>Kapital</strong>“ Band III, MEW 25, S. 100) sprechen. Über dieDurchschnittsprofitrate und die einheitliche Mehrwertratewird somit der mikroökonomischen Rationalität derMarktsubjekte unter den Bedingungen der KonkurrenzRechnung getragen.3 Der absolute Mehrwert wird also dann erhöht, wenn direktunentgeltlich die absolute Mehrarbeit ausgeweitet wird, währendder relative Mehrwert bei konstanter Arbeitszeit überdie inverse Verlängerung der Mehrarbeit erreicht wird.4 Selbst <strong>Marx</strong>ens großer, neoklassischer Kontrahent Eugen v.Böhm-Bawerk (1973, S. 38) konstatierte, dass „sich die wirklicheWelt (...) auf das deutlichste von dem Gesetz beherrschtzeigt, dass <strong>Kapital</strong>e von gleicher Größe ohne Rücksicht aufihre etwaige verschiedene organische Zusammensetzung,gleichen Profit abwerfen“.5 Nach Michael Heinrich (2004, S. 148) kommt folglich im kapitalistischenWarentausch zum Ausdruck, „dass es beimTausch nicht allein um die Vergesellschaftung vonWarenproduzenten geht, sondern um die Vergesellschaftungvon kapitalistischen Warenproduzenten“.6 MEW 25, S. 175.7 Ebd. Ich werde die Bedeutung dieser Unterscheidung nochunter Punkt 7 erörtern.8 Weitere „Invarianzpostulate“ wurden im Verlauf der weiterenDebatte aufgestellt mit den Forderungen, dass (a) das Schemain Werten reproduktiv sein muss (d.h., alle imProduktionsprozess verbrauchten <strong>Kapital</strong>güter undLohngüter (Inputs) müssen mit den Produktionsergebnissen(Outputs) so übereinstimmen, dass mit dem Output der verbrauchteInput komplett ersetzt wird), (b) in Preisen reproduktivsein muss und dass eben (c) eine (wenn möglich inWert- und Preisausdrücken identische) einheitliche Profitratevorliegen muss (sh. dazu <strong>Hans</strong>-Jörg Schimmel (2000), S. 97).9 Zur genauen Analyse des Mühlpfordtschen Algorithmus sh.Friedrun Quaas (1992), S. 67 ff.10 Wolfgang Mühlpfordt (1895), S. 95. Fast gleichzeitig (1897)formulierte der Grenznutzentheoretiker Johann vonKomorzynski (1974, S. 258 ff.) den gleichen Vorwurf, erweitertum die an Böhm-Bawerk angelehnte Bemerkung, dassmit der Kategorie des Produktionspreises „der auf denArbeitsinhalt der Produkte gestützte Tauschwert die realeGeltung eingebüßt hat. Er kann nur in der Phantasie einScheindasein fortfristen“ (ebd., S. 260). Komorzynski ist alsonoch ganz der Idee verhaftet, dass es einen logischenWiderspruch zwischen Werten und Produktionspreisen gibt.Im Gegensatz zu Mühlpfordt und Bortkiewicz interessierenihn folglich nicht alternative Transformations-Verfahren.11 Wegen der formalen Ähnlichkeit seines Ansatzes mit dementwickelten Sraffa-Modell und Bortkiewicz’ positiverBesprechung der frühen neoricardianischen Arbeiten des russischenNationalökonomen Dimitrieff (Bortkiewicz 1974a, S.100 ff.) gilt er als einer der „Urväter“ des Neoricardianismus.12 Ladislaus v. Bortkiewicz (1976a) und (1976b).13 Paul M. Sweezy (1971): Theorie der kapitalistischenEntwicklung. Die Erstausgabe dieses Buches erschien 1942.14 Dieses Gleichungssystem ist somit ein zu Ende gedachtes,komplett disaggregiertes Bortkiewicz-System, welches eineDurchschnittsprofitrate auf jede einzelne Ware berechnet undnicht auf zusammengefasste Produktionssektoren.15 Ladislaus von Bortkiewicz (1976a), S. 146.16 Auch in der DDR wurde Sraffas Hauptwerk zunächst euphorischbegrüßt. Auf deutsch erschien 1968 eine Übersetzungvon Kohlmey und Behr von der Akademie derWissenschaften der DDR. Im Vorwort erklärten Kohlmeyund Behr, Sraffa sei „eine markante Persönlichkeit in demgroßen internationalen Kreis marxistischer Wissenschaftler“(S. 11), welcher „das berühmt gewordeneTransformationsproblem“ (S. 12) behandle und es „mit dervon ihm so bezeichneten Standardware“ (S. 13) lösen wolle.Als dann in den siebziger Jahren die große Kontroverse zwischenNeoricardianerInnen und <strong>Marx</strong>istInnen begann, wardie Euphorie schnell verflogen. Zur Kritik desNeoricardianismus aus Sicht des DDR-<strong>Marx</strong>ismus sh. zusammenfassendHilmar Sachse (1979).17 Für Morishima sollten Walras und <strong>Marx</strong> sogar gemeinsam(!!!)geehrt werden als Eltern der modernen, dynamischen Theoriedes allgemeinen ökonomischen Gleichgewichts“ Morishima(1973), S. 2. Hervorh. von mir. (Alle verwendeten Zitate englischerOriginaltexte wurden vom Autor ins Deutsche übersetzt)18 „<strong>Marx</strong>’s Economics in the Light of Modern EconomicTheory“ (1974 veröffentlicht in der Zeitschrift„Econometrica“) war der Titel eines der Aufsätze vonMorishima aus den siebziger Jahren.19 Die erste Formulierung des MFT fand Anfang der sechzigerdurch Morishima und Seton (1961) und unabhängig davondurch Nobuo Okishio (1963) statt (sh.Morishima/Cataphores (1978), S. 30, Fußn. 15). Raúl Rojas(1989, S. 229, Fußnote 103) verweist darauf, dass der Begriff„Fundamentaltheorem“ darauf verweist, dass Mathematikerdieses Theorem aufgestellt haben, denn auch in derArithmetik, der Algebra usw. gibt es„Fundamentaltheoreme“, aus denen grundlegendeSchlussfolgerungen abgeleitet werden können.20 Morishima (1973), S. 6.21 Sh. Ian Steedman (1977), S. 150ff. Aus neoricardianischerSicht hat Eberhard Feess-Dörr (1989, S. 87 ff.) SteedmansKritik zustimmend besprochen.22 Den Versuch einer ökonomietheoretisch sinnvollenInterpretation negativer Werte aus Sicht derArbeitswerttheorie – und somit einer Verteidigung der<strong>Hans</strong>-<strong>Peter</strong> Büttnerseite_24<strong>Marx</strong> <strong>revisted</strong> ~ Probleme der neoklassischen <strong>Marx</strong>-Interpretationgrundrisse_18_2006


Arbeitswerttheorie unter prinzipieller Akzeptanz derMöglichkeit negativer Werte - hat Georg Quaas (2001), S. 186 ff.vorgelegt.23 Meghnad Desay (1979), S. 135.24 Sh. ebd., S. 136 ff.25 „Es überrascht nicht, dass Steedman negative Werte erhalten hatbei Verwendung dieser Methode für eine Kuppelproduktions-Ökonomie, ganz einfach deswegen, weil eine inadäquateMethode immer inadäquate Resultate hervorbringt“(Morishima/Cataphores (1978), S. 55). Sh. zur Kritik anSteedmans Zahlenbeispiel und seinen ökonomietheoretischenVoraussetzungen und Implikationen aus marxistischer Sicht auchJ. Hengstenberg /M A. Fay (1980).26 Es ist auch klar, dass von der ursprünglichen <strong>Marx</strong>schenKonzeption in Morishimas Rekonstruktion nicht mehr viel übrigblieb und das „Fundamentaltheorem“ nur ein kümmerlicher Restder Mehrwertlehre ist, der einen eher trivialen bzw. tautologischenCharakter hat. <strong>Das</strong> MFT bzw. das GMFT besagen ja nur,dass wo ein Profit entsteht diesem Profit eine (nicht entgoltene)Arbeitsleistung zugrunde liegt bzw. dass dort, wo ein Teil desphysischen Nettoproduktes von den <strong>Kapital</strong>isten angeeignetwird, sowohl Mehrwertrate als auch Profitrate positiv sein müssen.Zur Problematik des GMFT sh. Mario Cogoy (1979), S. 132ff. und Friedrich Eberle (1979), S. 149.27 Ladislaus von Bortkiewicz (1976a), S. 104.28 Andrew Kliman (2000), S. 102.29 Sh. die Aufsatzsammlungen der IWGVT in Alan Freeman (1996)und (2004) sowie Andrew Kliman (2000).30 Genau dieses Verfahren zeichnet ja die simultane Standard-Arbeitswertlehre aus, wenn sie mittels physischer Input-Output-Matrizen Produktionspreise aus Gebrauchswertstrukturen ableitetund dann als redundantes „Nebenprodukt“ Arbeitswerte berechnet.Zur Kritik dieses Verfahrens von einem wissenschaftslogischenStandpunkt aus sh. Heiner Ganßmann (1983).31 Alejandro Ramos-Matrínez/Adolfo Rodríguez-Herrera (1996),S. 60.32 Paul A. Samuelson (1974, S. 239) hat diese dualistischeSichtweise erfrischend offenherzig formuliert: „Betrachte zweialternative, widersprüchliche Systeme. Schreibe das eine hin. ZurTransformation nimm einen Radiergummi und radiere es aus.Schreib dann stattdessen das andere hin. Voilà! Damit ist derTransformationsalgorithmus beendet“.33 Alan Feeman (1996), S. 17.34 Es zeigt sich hier, dass der <strong>Marx</strong>sche Begriff des„Gleichgewichts“ sich ausschließlich auf die Existenz einer einheitlichenMehrwert- bzw. Profitrate und allgemeineKonkurrenz bezieht und so gut wie nichts mit Walras’„Allgemeiner Gleichgewichtstheorie“ zu tun hat. Im Gegensatzzu Walras finden bei <strong>Marx</strong> Zeit und Kausalität statt und es wirddas Geld zentral in die Analyse des Verwertungsprozesses integriert.35 MEW 25, S. 174/175.36 MEW 24, S. 110. Hervorh. d.A.37 <strong>Hans</strong>-Georg Sprotte (1978), S. 79 ff.38 Reinhard Schaupeter (1995). Begründet sind dieseProportionalitäten in der Tatsache, dass dieDurchschnittsprofitrate ja makroökonomisch begründet ist alsdas Verhältnis gesellschaftlicher Gesamtgrößen zueinander, nämlichM/C+V. Dieses Grundverhältnis taucht nun in jedem einzelnenZweig auf als das Verhältnis der jeweiligen sektoralenKostpreise zu dem dort nun anteilig auftretendenDurchschnittsprofit.39 Auf den wachstumstheoretischen Fall angewandt hat Schaupetersein Verfahren in seinem Aufsatz Schaupeter (2000).5<strong>Marx</strong> <strong>revisted</strong> ~ Probleme der neoklassischen <strong>Marx</strong>-Interpretationgrundrisse_18_2006<strong>Hans</strong>-<strong>Peter</strong> Büttnerseite_25

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