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Droso - Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie - Max-Planck

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<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong><br />

Karl-Friedrich-Bonhoeffer-<strong>Institut</strong><br />

Göttingen


Vorwort<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

in der traditionsreichen Universitätsstadt Göttingen<br />

im Süden Niedersachsens gelegen, steht<br />

das <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong><br />

seit vielen Jahren <strong>für</strong> Grundlagenforschung auf<br />

höchstem Niveau. Als eines der größten <strong>Institut</strong>e<br />

der <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Gesellschaft beherbergt es zahlreiche<br />

Forschungsgruppen. Studierende und Wissenschaftler<br />

unterschiedlichster Disziplinen aus<br />

dem In- und Ausland arbeiten hier zusammen, tatkräftig<br />

unterstützt durch Werkstätten und zentrale<br />

Einrichtungen. Die in der Grundlagenforschung<br />

gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen es dem <strong>Institut</strong>,<br />

stets innovative Impulse zu setzen, die bereits<br />

zu zahlreichen wirtschaftlich erfolgreichen<br />

Entwicklungen und Unternehmen geführt haben.<br />

Mit dieser Broschüre möchten wir Sie zu einem<br />

Rundgang einladen und Ihnen die Geschichte des<br />

<strong>Institut</strong>s und dessen aktuelle wissenschaftliche<br />

Aktivitäten vorstellen. Wir würden uns freuen, wenn<br />

dieser erste Eindruck Sie anregt, sich näher mit<br />

der aktuellen Forschung am <strong>Institut</strong> zu beschäftigen<br />

oder eines unserer Besuchs- und Ausbildungsprogramme<br />

wahrzunehmen.<br />

Helmut Grubmüller<br />

Geschäftsführender Direktor, im Oktober 2009<br />

1


2<br />

Inhalt<br />

Das <strong>Institut</strong> stellt sich vor 4<br />

Entdeckungsreise<br />

in die Welt der Moleküle 4<br />

Forschen ohne Zwänge 6<br />

Tradition und Vision 8<br />

Lehren und Lernen 10<br />

Wenn eine neue Idee zündet 12<br />

Starker Service <strong>für</strong> Spitzenforschung 14<br />

Offene Türen<br />

Emeritierte<br />

16<br />

Wissenschaftliche Mitglieder 18<br />

Tiefer blicken 20<br />

NanoBiophotonik 22<br />

Prof. Dr. Stefan W. Hell<br />

Struktur und Dynamik<br />

von Mitochondrien 24<br />

Dr. Stefan Jakobs<br />

Biomolekulare Spektroskopie<br />

und Einzelmoleküldetektion 25<br />

Prof. Dr. Peter Jomo Walla<br />

Labor <strong>für</strong> Zelluläre Dynamik 26<br />

Dr. Thomas M. Jovin<br />

Biochemische Kinetik 27<br />

Prof. Dr. Manfred Eigen<br />

Elektronenspinresonanz-Spektroskopie 28<br />

Dr. Marina Bennati<br />

Biologische Mikro- und Nanotechnologie 29<br />

Dr. Thomas Burg<br />

Spektroskopie und<br />

photochemische Kinetik 30<br />

Prof. Dr. Jürgen Troe<br />

Reaktionsdynamik 31<br />

Prof. Dr. Dirk Schwarzer<br />

Strukturdynamik<br />

(bio)chemischer Prozesse 32<br />

Dr. Simone Techert<br />

Laserchemie 33<br />

Prof. Dr. Michael Stuke<br />

Raffinierte Moleküle 34<br />

Theoretische und<br />

computergestützte Biophysik 36<br />

Prof. Dr. Helmut Grubmüller<br />

Computergestützte<br />

biomolekulare Dynamik 38<br />

Prof. Dr. Bert de Groot<br />

Strukturuntersuchungen<br />

an Proteinkomplexen 39<br />

Dr. Stefan Becker<br />

NMR-basierte Strukturbiologie 40<br />

Prof. Dr. Christian Griesinger<br />

Proteinstrukturbestimmung<br />

mittels NMR 42<br />

Prof. Dr. Markus Zweckstetter<br />

Festkörper-NMR-Spektroskopie 43<br />

Dr. Adam Lange<br />

Systembiologie der Motorproteine 44<br />

Dr. Martin Kollmar<br />

Bioanalytische Massenspektrometrie 45<br />

Dr. Henning Urlaub<br />

Enzym-Biochemie 46<br />

Dr. Manfred Konrad<br />

Nukleinsäurechemie 47<br />

Dr. Claudia Höbartner


Zelluläre Maschinen 48<br />

Zelluläre Biochemie 50<br />

Prof. Dr. Reinhard Lührmann<br />

Molekulare<br />

Kryo-Elektronenmikroskopie 52<br />

Prof. Dr. Holger Stark<br />

Ribosomendynamik 53<br />

Prof. Dr. Wolfgang Wintermeyer<br />

Physikalische Biochemie 54<br />

Prof. Marina Rodnina<br />

Mitteilsame Nervenzellen 56<br />

Neurobiologie 58<br />

Prof. Dr. Reinhard Jahn<br />

Strukturelle Biochemie 60<br />

Dr. Dirk Fasshauer<br />

Biophysik der synaptischen Übertragung 61<br />

Dr. Takeshi Sakaba<br />

Membranbiophysik 62<br />

Prof. Dr. Erwin Neher<br />

Der Zellkern als Kommandozentrale 64<br />

Zelluläre Logistik 66<br />

Prof. Dr. Dirk Görlich<br />

Funktionelle Zellkernarchitektur 68<br />

Dr. Volker Cordes<br />

Chromatin-Biochemie 69<br />

Dr. Wolfgang Fischle<br />

Vom Ei zum Organismus 70<br />

Molekulare Entwicklungsbiologie 72<br />

Prof. Dr. Herbert Jäckle<br />

Entwicklungsbiologie 74<br />

Prof. Dr. Michael Kessel<br />

Molekulare Organogenese 75<br />

Prof. Dr. Reinhard Schuh<br />

Molekulare Zelldifferenzierung 76<br />

Prof. Dr. Ahmed Mansouri<br />

Molekulare Neuroentwicklungsbiologie 77<br />

Dr. Anastassia Stoykova<br />

Biomedizinische NMR 78<br />

Prof. Dr. Jens Frahm<br />

Genexpression und Signalwirkung 80<br />

Dr. Halyna Shcherbata<br />

Schlaf und Wachsein 81<br />

Dr. Henrik Bringmann<br />

Gene und Verhalten 82<br />

Prof. Dr. Gregor Eichele<br />

Zirkadiane Rhythmen 84<br />

Dr. Henrik Oster<br />

Das <strong>Institut</strong> in aller Kürze 85<br />

Sie erreichen uns ... 87<br />

Bildnachweis 88<br />

3


4<br />

Entdeckungsreise<br />

in die Welt der Moleküle<br />

Wie Nervenzellen miteinander kommunizieren,<br />

sich aus einer Eizelle ein komplexer<br />

Organismus entwickelt oder unsere »innere Uhr«<br />

gesteuert wird – Wissenschaftler am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong> sind den molekularen<br />

Vorgängen auf der Spur, die komplexe<br />

Lebensprozesse steuern und regeln. So ohne weiteres<br />

lassen sich diese allerdings nicht beobachten.<br />

Sie spielen sich im Nanokosmos der Zelle ab und<br />

sind damit <strong>für</strong> unser Auge unsichtbar. Mit gängigen<br />

Mikroskopen lassen sich zwar Bakterien aufspüren<br />

oder einzelne Körperzellen betrachten.<br />

Man erfährt aber kaum etwas darüber, was sich<br />

tief im Inneren lebender Zellen abspielt.<br />

Ein Schwerpunkt der Forschungsarbeit am<br />

Ins ti tut ist es daher, spezielle Verfahren zu ent -<br />

wickeln, die Einblicke in die Welt der Moleküle<br />

erlauben. Ultra-hochauflösende Fluoreszenz -<br />

mikroskopie, Kernspinresonanz-Spektroskopie,<br />

Kryo-Elektronenmikroskopie und Computersimulationen<br />

sind einige solcher Methoden, die erfolgreich<br />

eingesetzt werden, um Proteine – die winzigen<br />

Nanomaschinen lebender Zellen – unter die<br />

Lupe zu nehmen. Dabei gilt es, den Tricks auf die<br />

Schliche zu kommen, mit denen Proteine ihre vielfältigen<br />

Funktionen in der Zelle erfüllen, beispielsweise<br />

als molekulare Motoren, <strong>Chemie</strong>fabriken,<br />

Photozellen oder Sensoren. Auch die zelluläre Logistik<br />

wird von Proteinen bewerkstelligt. Wie der<br />

Stofftransport zwischen den unterschiedlichen<br />

Kompartimenten einer Zelle abläuft, wird derzeit<br />

am <strong>Institut</strong> genauer erforscht.


Die Wissenschaftler untersuchen zudem, wie<br />

die Baupläne <strong>für</strong> Proteine zunächst in eine lesbare<br />

Form gebracht werden und sind der Funktions -<br />

weise der zellulären Proteinfabriken – der Ribosomen<br />

– auf der Spur. Nur korrekt gebaut können<br />

Proteine ihre Aufgaben in der Zelle erfolgreich erfüllen.<br />

Wie die Qualitätskontrolle beim Bau der<br />

Proteine funktioniert, dieser Frage gehen Forscher<br />

am <strong>Institut</strong> im Detail nach.<br />

Ebenso lassen sich viele Erscheinungen der unbelebten<br />

Natur auf molekulare Prozesse zurückführen.<br />

So reagieren viele Moleküle, Radikale und<br />

Atome in der Atmosphäre miteinander, nachdem<br />

sie durch Sonneneinstrahlung erzeugt und angeregt<br />

worden sind. Ihre innere molekulare Dynamik<br />

zu untersuchen, ist ein weiterer Forschungszweig<br />

am <strong>Institut</strong>.<br />

Um solche komplexen Lebensvorgänge und Prozesse<br />

aufzuklären, arbeiten Wissenschaftler verschiedenster<br />

Disziplinen und unterschiedlicher<br />

Nationen am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />

<strong>Chemie</strong> zusammen. Biologen, Chemiker,<br />

Mediziner und Physiker kooperieren dazu nicht<br />

nur mit ihren Kollegen am <strong>Institut</strong>, sondern mit<br />

einer Vielzahl von Fachleuten weltweit.<br />

So sind auf dem Campus viele verschiedene<br />

Sprachen zu hören, in denen sich über Projekte,<br />

Ideen und Ergebnisse ausgetauscht wird. Wenn<br />

Ende 2010 auch das Göttinger <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Dynamik und Selbstorganisation auf<br />

das Gelände am Faßberg umzieht, werden auf dem<br />

neu entstehenden <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Campus mehr als<br />

1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig sein.<br />

5


6<br />

Forschen ohne Zwänge<br />

Wie an allen <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong>en wird am<br />

<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />

<strong>Chemie</strong> in erster Linie Grundlagenforschung betrieben.<br />

Wer hier forscht, kann grundlegend neue<br />

Ideen verfolgen. Diese freie Forschung, die exzellenten<br />

Arbeitsbedingungen und das hohe internationale<br />

Renommee machen das <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong> zu einem Anziehungspunkt<br />

<strong>für</strong> Studierende ebenso wie <strong>für</strong> Forscher<br />

aus aller Welt.<br />

Gerade die so errungenen neuen Erkenntnisse<br />

aus der Wissenschaft führen zu manch zukunftsweisender<br />

Anwendung in der Praxis. So entpuppte<br />

sich eine am <strong>Institut</strong> synthetisierte chemische Verbindung<br />

namens Miltefosin als äußerst wirksames<br />

Mittel gegen die Tropenkrankheit viszerale<br />

Leishmaniose – die »Schwarze Krankheit«. Bleibt<br />

diese Krankheit unbehandelt, so endet sie in nahe -<br />

zu 100 Prozent der Fälle tödlich. Mit diesem<br />

Medikament erhofft sich die Weltgesundheitsorganisation<br />

(WHO), die Leishmaniose-Krankheit<br />

langfristig unter Kontrolle zu halten und schließlich<br />

zu besiegen. Mit bahnbrechenden Ideen zur<br />

Verbesserung der Lichtmikroskopie haben andere<br />

Forscherkollegen gültiges Lehrbuchwissen auf den<br />

Kopf gestellt und damit die optische Mikroskopie<br />

revolutioniert.<br />

Es ist daher kein Wunder, dass viele der Wissenschaftler<br />

am <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> ihre Arbeiten Auszeichnungen<br />

und Preise erhalten haben, darunter allein<br />

siebenmal den begehrten Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis<br />

der Deutschen Forschungsgemeinschaft.<br />

Auch zwei der 44 Nobelpreisträger, die in Göt -<br />

tingen studiert oder gewirkt haben, forschen<br />

gegenwärtig am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />

<strong>Chemie</strong>.<br />

Manfred Eigen erhielt 1967 den Nobelpreis <strong>für</strong><br />

<strong>Chemie</strong>. Ihm war es gelungen, den Verlauf sehr<br />

schneller chemischer Reaktionen zu verfolgen, die<br />

sich im Bereich von unter einer Millisekunde bis<br />

hin zu einer Nanosekunde (dem milliardsten Teil<br />

einer Sekunde) abspielen. Er durchbrach damit<br />

eine grundlegende Grenze, denn solche sehr<br />

schnellen Reaktionsabläufe wurden bis dahin <strong>für</strong><br />

unmessbar gehalten. Seine Arbeiten sind weit über<br />

die <strong>Chemie</strong> hinaus von fundamentaler Bedeutung.<br />

Erwin Neher und Bert Sakmann wurde 1991<br />

der Nobelpreis <strong>für</strong> Physiologie oder Medizin verliehen.<br />

Im Jahr 1976 entwickelten die beiden <strong>Max</strong>-<br />

<strong>Planck</strong>-Forscher eine Methode, mit der sich zum<br />

ersten Mal der außerordentlich schwache elektrische<br />

Strom durch einen einzigen geöffneten Ionen -<br />

kanal in einer Nervenzellmembran messen ließ –<br />

die sogenannte Patch-Clamp-Technik. Ionen kanä le –<br />

porenbildende Proteine – sind in der äußeren<br />

Membran fast aller Zelltypen eingebaut. Sie ver-


Manfred Eigen erhielt 1967 den Nobelpreis <strong>für</strong> <strong>Chemie</strong> <strong>für</strong> »Untersuchungen von extrem schnellen chemischen Reaktionen, die durch<br />

Störung des Gleichgewichts durch sehr kurze Energieimpulse ausgelöst werden«. Bald darauf übernahm er die Leitung des Göttinger<br />

<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> physikalische <strong>Chemie</strong> in der Bunsenstraße und initiierte die Gründung des <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />

<strong>Chemie</strong> am Faßberg vor den Toren Göttingens.<br />

mitteln nicht nur die elektrische Aktivität von Nerven-<br />

und Muskelzellen, sondern übersetzen auch<br />

physikalische oder chemische Sinnesreize in neuronale<br />

Signale. Auch Blut-, Immun- oder Leberzellen<br />

nutzen Ionenkanäle zur Kommunikation.<br />

Diese Nanomaschinen in der Membran sind daher<br />

keine reine »Nervensache«, sondern spielen in den<br />

»Nachrichtensystemen« der Organismen eine universelle<br />

Rolle.<br />

Erwin Neher (links) und Bert Sakmann (rechts) erhielten 1991 den Nobelpreis <strong>für</strong> Physiologie oder Medizin »<strong>für</strong> ihre Entwicklung einer<br />

Methode zum direkten Nachweis von Ionenkanälen in Zellmembranen zur Erforschung der Signalübertragung innerhalb der Zelle<br />

und zwischen den Zellen«. Diese sogenannte Patch-Clamp-Technik wird heute von Forschungslabors weltweit eingesetzt. Sie lie -<br />

ferte den Schlüssel zur Aufklärung zahlreicher Lebensprozesse auf zellulärer Ebene.<br />

7


8<br />

Tradition und Vision<br />

Das <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />

<strong>Chemie</strong> am Göttinger Faßberg wurde auf<br />

Initiative von Manfred Eigen gegründet und 1971<br />

offiziell eingeweiht. Seine Geschichte lässt sich jedoch<br />

weit länger zurückverfolgen. Sie reicht zurück<br />

bis zum einstigen Kaiser-Wilhelm-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />

physikalische <strong>Chemie</strong> in Berlin, das 1949 von Karl<br />

Friedrich Bonhoeffer als <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />

physikalische <strong>Chemie</strong> in Göttingen wieder aufge-<br />

baut wurde. Durch Zusammenlegung mit dem<br />

Göttinger <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Spektroskopie<br />

ging daraus das <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />

<strong>Chemie</strong> hervor. Der Physikochemiker<br />

Karl Friedrich Bonhoeffer verfolgte bereits früh einen<br />

stark interdisziplinären Ansatz und wandte<br />

physikalisch-chemische Methoden auch auf biologische<br />

Fragestellungen an. Grund genug, das<br />

<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong><br />

nach ihm zu benennen.<br />

Die Vision von Manfred Eigen war es, am neu<br />

gegründeten <strong>Institut</strong> komplexe Lebensvorgänge<br />

mit biologischen, chemischen und physikalischen<br />

Methoden zu erforschen. Eine Vision, die den Erfolg<br />

des <strong>Institut</strong>s maßgeblich mitbestimmt hat und<br />

die in den Abteilungen und Arbeitsgruppen auch<br />

heute noch trägt.<br />

Karl Friedrich Bonhoeffer (1899–1957) war der Gründer und<br />

erster Leiter des <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> physikalische <strong>Chemie</strong><br />

in Göttingen, das er 1949 als Nachfolgeinstitut des Berliner<br />

Kaiser-Wilhelm-<strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> physikalische <strong>Chemie</strong> wieder aufgebaut<br />

hatte.


Derzeit besteht das <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />

<strong>Chemie</strong> aus elf Abteilungen und 30<br />

Arbeitsgruppen mit eigenen Forschungsschwerpunkten.<br />

Mit mehr als 830 Mitarbeitern – darunter<br />

rund 470 Wissenschaftler – ist es nicht nur eines<br />

der größten <strong>Institut</strong>e der <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Gesellschaft.<br />

Es ist auch in seiner interdisziplinären Ausrichtung<br />

einzigartig.<br />

Die Direktoren der einzelnen Abteilungen sind<br />

zugleich Wissenschaftliche Mitglieder der <strong>Max</strong>-<br />

<strong>Planck</strong>-Gesellschaft und entscheiden gemeinsam<br />

über die Geschicke des <strong>Institut</strong>s. Aus dem Direktorenkreis<br />

des <strong>Institut</strong>s stammen auch der amtierende<br />

Präsident der <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Gesellschaft,<br />

Peter Gruss, und Vizepräsident Herbert Jäckle.<br />

Über ganz Deutschland verteilt unterhält die<br />

»<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften<br />

e.V.« zurzeit 80 <strong>Institut</strong>e mit einem<br />

breiten Spektrum unterschiedlicher Fachgebiete<br />

von Geisteswissenschaften über Rechtswissenschaften<br />

bis hin zu Naturwissenschaften und<br />

Astronomie.<br />

Um die hohe Qualität der wissenschaftlichen<br />

Arbeiten auch langfristig zu gewährleisten, begutachtet<br />

ein Fachbeirat von internationalen Wissenschaftlern<br />

regelmäßig die geleistete Forschung am<br />

<strong>Institut</strong>. Ein Kuratorium, dem neben Wissenschaftlern<br />

auch Vertreter aus Wirtschaft und Politik<br />

angehören, unterstützt die Einbettung in das<br />

breitere gesellschaftliche Umfeld.<br />

9


10<br />

Lehren und Lernen<br />

Wissenschaft gründet sich auf Erfahrung,<br />

aber längst nicht nur. Ihre Zukunft ist der<br />

wissenschaftliche Nachwuchs, der die Forschung<br />

weiter vorwärts treibt. Viele Forscher am <strong>Max</strong>-<br />

<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong> lehren<br />

daher als Professoren an der Göttinger Universität,<br />

beteiligen sich aktiv an Sonderforschungsbereichen<br />

und Graduiertenkollegs und halten so den<br />

engen Kontakt zu den Studierenden. Viele Studierende<br />

kommen wiederum <strong>für</strong> ihre Laborarbeit<br />

während der Bachelor- und Masterarbeit oder der<br />

Promotion an das <strong>Institut</strong>.<br />

Im internationalen Wettbewerb um die besten<br />

jungen Köpfe haben die <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Gesellschaft<br />

und verschiedene Universitäten <strong>für</strong> exzellente Studierende<br />

ein besonderes Ausbildungsprogramm<br />

geschaffen: die International <strong>Max</strong> <strong>Planck</strong> Research<br />

Schools. Gemeinsam mit der Universität Göttingen<br />

und dem Deutschen Primatenzentrum haben die<br />

<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong>e <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong>,<br />

<strong>für</strong> Experimentelle Medizin sowie <strong>für</strong> Dynamik<br />

und Selbstorganisation die naturwissenschaftlichen<br />

Programme Molecular Biology, Neurosciences<br />

und Physics of Complex and Biological Systems ins<br />

Leben gerufen. Die strukturierte Ausbildung mit<br />

exzellenten Forschungs- und Lernbedingungen<br />

soll besonders begabte deutsche und ausländische<br />

Studierende auf ihre Promotion vorbereiten.<br />

Auch zum Erfolg der Göttinger Georg-August-<br />

Universität bei der nationalen Exzellenzinitiative<br />

hat das <strong>Institut</strong> mit der Göttinger Graduiertenschule<br />

<strong>für</strong> Neurowissenschaften und Molekulare Biowissenschaften<br />

(GGNB) wesentlich beigetragen. Aus<br />

Mitteln der Exzellenzinitiative gefördert, schafft<br />

die GGNB optimale Forschungs- und Ausbildungsbedingungen<br />

<strong>für</strong> Doktoranden und fördert<br />

junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler<br />

mit intensiven Betreuungs- und Kursangeboten.<br />

Programme <strong>für</strong> junge Wissenschaftlerinnen und<br />

Wissenschaftler gibt es auch im Rahmen weiterer<br />

Kooperationen des <strong>Institut</strong>s mit der Universität,<br />

den <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong>en <strong>für</strong> Dynamik und<br />

Selbstorganisation und <strong>für</strong> Experimentelle Medizin<br />

sowie dem Deutschen Primatenzentrum. Dazu<br />

zählen:


– das European Neuroscience <strong>Institut</strong>e (ENI), das<br />

sich der experimentellen Forschung über Funktionen<br />

und Krankheiten des Nervensystems<br />

widmet,<br />

– das Göttinger Zentrum <strong>für</strong> Molekularphysiologie<br />

des Gehirns (CMPB), an dem Forscher interdisziplinär<br />

im Bereich der Hirnforschung zusammenarbeiten,<br />

um molekulare Prozesse und<br />

Wechselwirkungen zwischen Nervenzellen besser<br />

zu verstehen,<br />

– das Bernstein Center for Computational Neuro -<br />

science (BCCN Göttingen), an dem die neuronalen<br />

Grundlagen unserer Gehirnleistungen<br />

mithilfe mathematischer Modelle erforscht werden,<br />

– der Göttinger Exzellenzcluster Mikroskopie im<br />

Nanometerbereich, der innovative Mikroskopie-<br />

Methoden mit einer Auflösung im Nanometerbereich<br />

entwickelt und nutzbar macht.<br />

11


12<br />

Wenn eine neue Idee zündet<br />

Ob medizinische Diagnostik, Lasertechnologie<br />

oder Mikroskopie – Erkenntnisse aus der<br />

Grundlagenforschung lösen manch praktisches<br />

Problem, das die angewandte Forschung nicht zu<br />

lösen vermochte. Solche Erkenntnisse sind daher<br />

auch in der Industrie stark nachgefragt.<br />

Viele Wissenschaftler am <strong>Institut</strong> haben vielversprechende<br />

Patente angemeldet und Firmen gegründet,<br />

etwa im Bereich der medizinischen Diagnostik<br />

und Therapie, der Mess- und Umwelttechnik<br />

oder der ultra-hochauflösenden Mikroskopie.<br />

Mit der neu entwickelten FLASH (Fast Low<br />

Angle Shot)-Methode lassen sich in der Magnet -<br />

resonanz-Tomografie Bilder 100-fach schneller<br />

aufnehmen. Diese neue Technik revolutionierte<br />

die Magnetresonanz-Tomografie und machte es<br />

erst möglich, sie in Kliniken weltweit routinemäßig<br />

einzusetzen. Das FLASH-Patent war lange Zeit eines<br />

der erfolgreichsten Patente der <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />

Gesellschaft.<br />

Die RNA-Interferenz (RNAi)-Technik konnte<br />

am <strong>Institut</strong> erstmals erfolgreich an Säugerzellen<br />

angewandt werden. Einzelne Gene können so gewissermaßen<br />

»stumm« geschaltet und so ihre<br />

Funktion gezielt untersucht werden. Diese Methode<br />

könnte es in Zukunft ermöglichen, bestimmte<br />

Erbkrankheiten zu behandeln.<br />

Das am <strong>Institut</strong> entwickelte STED (Stimulated<br />

Emission Depletion)-Mikroskop erlaubt fluoreszenzmikroskopische<br />

Aufnahmen mit einer drastisch<br />

verbesserten Auflösung gegenüber herkömmlichen<br />

Lichtmikroskopen. Damit können selbst<br />

winzige Details im Inneren lebender Zellen be -<br />

obachtet und sogar live »gefilmt« werden. Das ultra-


STED+<br />

hochauflösende Mikroskop ist seit 2007 auch kommerziell<br />

erhältlich.<br />

Die Einnahmen aus Patenten und Lizenzen werden am <strong>Institut</strong><br />

in neue Projekte investiert. Die Anwendung der Patente<br />

schafft neue Arbeitsplätze <strong>für</strong> hochqualifizierte Mitarbeiter. Daneben<br />

gibt es ein breites Spektrum weiterer Kooperationen mit Industrieunternehmen.<br />

Pharmazeutische Firmen sind hier ebenso vertreten wie Unternehmen,<br />

die industrielle Messtechnik entwickeln. An mehr als einem Dutzend<br />

Firmengründungen sind ehemalige Mitarbeiter des <strong>Institut</strong>s beteiligt.<br />

Eine dieser Ausgründungen ist die Firma DIREVO (heute Bayer HealthCare AG),<br />

in der eine automatisierte »Evolutionsmaschine« im Einsatz ist. Mit dieser Technologie<br />

lassen sich biologisch-pharmazeutische Wirkstoffe schnell auffinden und optimieren.<br />

Ein weiteres Beispiel ist die Firma Lambda-Physik (heute Coherent), die sich auf die Entwicklung<br />

von Lasern spezialisiert hat, die mit extrem kurzen Lichtpulsen arbeiten. Wie zahlreiche<br />

Patente dokumentieren, wurden die Laser kontinuierlich weiterentwickelt. Sie werden heute neben der<br />

Drucktechnik auch in Medizin und Forschung eingesetzt.<br />

Auch die Biotechnologie-Firma DeveloGen, an<br />

der die <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Gesellschaft selbst als Gesellschafterin<br />

beteiligt ist, entstammt dem <strong>Max</strong>-<br />

<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong>. Zwei<br />

Wissenschaftler des <strong>Institut</strong>s, Peter Gruss und<br />

Herbert Jäckle, haben dieses Unternehmen im<br />

Jahr 1997 gegründet. Dort werden die von ihnen<br />

entschlüsselten genetischen Kontrollprozesse bei<br />

der Entwicklung unterschiedlicher Gewebe genutzt,<br />

um Therapien zu entwickeln, mit denen sich<br />

Krankheiten wie Fettleibigkeit und Diabetes behandeln<br />

lassen.<br />

Konfokal<br />

13


14<br />

Starker Service <strong>für</strong> Spitzenforschung<br />

Was, wenn ein Baustein fehlt, sei es im kom -<br />

plizierten Versuchsaufbau oder im eigenen<br />

Wissensschatz? Werkstätten und Bibliothek sind<br />

<strong>für</strong> eine erfolgreiche Forschungsarbeit ebenso<br />

wichtig wie gut ausgestattete Labors.<br />

Um Einblicke in die »inneren Angelegenheiten«<br />

lebender Zellen zu erhalten, wird die Leistungs -<br />

fähigkeit und Auflösung von Experimenten und<br />

Messgeräten immer weiter vorangetrieben. Die<br />

Ideen der Wissenschaftler werden dabei von den<br />

Experten in der Feinmechanik- und der Elektronik-<br />

Werkstatt praktisch umgesetzt, sei es bei der Patch-<br />

Clamp-Technik, beim Einfrieren biologischer Proben<br />

oder bei der ultra-hochauflösenden Mikroskopie.<br />

Rund 50 Mitarbeiter der Werkstätten bauen<br />

komplizierte neue Geräte oder optimieren vorhandene<br />

Apparaturen <strong>für</strong> das jeweilige Experiment.<br />

In den Regalen der Otto-Hahn-Bibliothek stehen<br />

mehr als 70.000 Zeitschriftenbände neben fast<br />

40.000 Monographien; rund 600 Zeitschriften werden<br />

im Abonnement bezogen. Wer das Gesuchte<br />

dort nicht findet, kann auf eine Vielzahl elektroni-


scher Kataloge und diverse Datenbanken zurückgreifen<br />

oder die Möglichkeit zur Fernleihe aus anderen<br />

Fachbibliotheken nutzen. Dieser Service<br />

steht neben <strong>Institut</strong>sangehörigen allen Interessierten<br />

offen.<br />

Ebenso unentbehrlich sind die Mitarbeiter in<br />

den wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen<br />

zentralen Einrichtungen. Damit allen Forschern<br />

am <strong>Institut</strong> die besten Analyse- und Messmethoden<br />

zur Verfügung stehen, und um diese<br />

stets auf dem neuesten Stand zu halten, arbeiten<br />

Wissenschaftler in den abteilungsübergreifenden<br />

Einrichtungen »Elektronenmikroskopie«, »Innovative<br />

Lichtmikroskopie«, »Massenspektrometrie«<br />

und »Röntgenkristallografie« an der Weiterentwicklung<br />

komplexer Methoden auf ihrem Gebiet. <strong>Institut</strong>smitarbeiter<br />

finden hier bei der Probenvorbereitung<br />

ebenso Unterstützung wie bei der Aufnahme<br />

und Analyse ihrer Daten.<br />

Das Team des IT & Elektronikservice unterstützt<br />

die Mitarbeiter bei allen Hardware- und Software-<br />

Problemen und sorgt <strong>für</strong> die reibungslose Speicherung,<br />

Archivierung und Übertragung ihrer Daten,<br />

sowohl intern als auch mit kooperierenden For-<br />

schungseinrichtungen innerhalb und außerhalb<br />

Göttingens. Kolleginnen und Kollegen in der Repro -<br />

stelle gewährleisten die professionelle Bearbeitung<br />

von Fotos und Präsentationsmaterial sowie der internen<br />

Mitarbeiterzeitung. Das EU-Referat berät<br />

Forscher bei der Antragstellung und unterstützt sie<br />

bei den Vertragsverhandlungen mit der EU-Kommission<br />

sowie bei der gesamten Projektkoordination.<br />

Die Werkstätten, die Tischlerei, der IT & Elektronikservice,<br />

die Haustechnik und die Verwaltung<br />

des <strong>Institut</strong>s bieten zudem auch etlichen jungen<br />

Leuten eine qualifizierte Ausbildung. Vier bis sechs<br />

Auszubildende schließen jedes Jahr ihre Ausbildung<br />

ab, oft mit überdurchschnittlichem Erfolg.<br />

Nicht zuletzt können Wissenschaftlerinnen und<br />

Wissenschaftler ihre Forschung nur dann mit Engagement<br />

vorantreiben, wenn auch ihr Nachwuchs<br />

tagsüber gut versorgt ist. Das <strong>Institut</strong> bietet daher<br />

seit 2005 eine Kinderbetreuung direkt auf dem <strong>Institut</strong>sgelände<br />

an. Rund 30 Kinder im Alter von ein<br />

bis vier Jahren werden dort fachkundig umsorgt –<br />

und das <strong>für</strong> den ganzen Tag.<br />

15


16<br />

Offene Türen<br />

Am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />

<strong>Chemie</strong> stoßen Interessierte auf offene Türen.<br />

Bei Führungen durch das <strong>Institut</strong> und einzelne<br />

Abteilungen, bei Vorträgen und bei Diskussionen<br />

kann sich jeder – ob Lehrer, Schüler, Journalist<br />

oder Privatperson – über aktuelle Forschungsprojekte<br />

in formieren.<br />

Ein größeres Publikum lässt sich allerdings nur<br />

über die Medien erreichen. Deshalb gibt das <strong>Institut</strong><br />

nicht nur Pressemitteilungen zu aktuellen<br />

Themen heraus. Journalisten werden <strong>für</strong> Recherchen<br />

und Nachfragen auch gern an Fachleute am<br />

<strong>Institut</strong> weitervermittelt. Darüber hinaus hält das<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Journalisten noch ein weiteres Angebot<br />

bereit: Im Rahmen der Europäischen Initiative <strong>für</strong><br />

Wissenschaftsjournalisten (European Initia tive for<br />

Communicators of Science, EICOS) werden einmal<br />

jährlich bis zu 14 Journalisten und Redakteure<br />

an das <strong>Institut</strong> eingeladen und erleben dort die<br />

Forschung in den Laboren hautnah. Für eine Woche<br />

– manchmal auch länger – hantieren sie selbst<br />

mit Pipette und Gelkammer, spüren bestimmten<br />

Proteinmolekülen nach und unter suchen, wie diese<br />

in der Zelle ihre Aufgaben verrichten. So gewinnen<br />

sie nicht nur einen un mittelbaren Einblick in<br />

den Alltag der Forscher, auch die Wissenschaftler<br />

profitieren von den Einsichten in die Arbeitsweise<br />

der Journalisten.<br />

Lehrer und Schüler lädt das <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong> ein, die<br />

Forschung am <strong>Institut</strong> in Führungen und Vor -<br />

trägen mit anschaulichen Experimenten kennenzulernen.<br />

In ein Labor hineinschnuppern können<br />

Schülerinnen und Schüler zum Beispiel im<br />

Rahmen der Göttinger Woche: Wissenschaft und Jugend,<br />

die die Stadt Göttingen alljährlich ver -<br />

anstaltet. Viele Arbeitsgruppen am <strong>Institut</strong> bieten<br />

in dieser Woche Vorträge, Vorführungen und<br />

Besichtigungen an. So kann man etwas über die<br />

innere Uhr lernen, Proteinen gewissermaßen »bei<br />

der Arbeit« zuschauen, selbst einen Blick durch<br />

ein hochmodernes Mikroskop werfen oder einen<br />

Magnetresonanztomo grafen aus nächster Nähe<br />

kennenlernen.


Lehrerinnen und Lehrer können zudem ihr<br />

Wissen auf bestimmten Schwerpunkten vertiefen.<br />

In Kooperation mit XLAB – Göttinger Experimentallabor<br />

<strong>für</strong> Junge Leute e. V. bietet das <strong>Institut</strong><br />

Lehrerfortbildungen an. Sollten weder Lehrbuch<br />

noch Recherchen weiterhelfen – über das Online-<br />

Portal Schule fragt die Wissenschaft können sich<br />

Schüler wie Lehrer mit ihren natur wissen schaft -<br />

lichen Fragen direkt an Wissenschaftler des <strong>Institut</strong>s<br />

und XLAB wenden.<br />

Und schließlich soll nicht vergessen werden: Am<br />

<strong>Institut</strong> wird Wissenschaft betrieben, aber nicht<br />

nur. Im Foyer sind regelmäßig Kunstausstellungen<br />

zu sehen. Im Rahmen einer Wissenschaftsreihe ist<br />

das <strong>Institut</strong> zum wiederholten Mal auch am<br />

Göttinger Literaturherbst beteiligt.<br />

17


Professor Dr. Otto-D. Creutzfeldt †<br />

1971 – 1992 · Neurobiologie (links)<br />

Professor Dr. Leo C. M. De Maeyer<br />

1971 – 1996 · Experimentelle Methoden<br />

(Mitte)<br />

Professor Dr. Manfred Eigen<br />

1971 – 1995 · Biochemische Kinetik<br />

(rechts)<br />

18<br />

Professor Dr. Bert Sakmann<br />

1985 – 1988 · Zellphysiologie (links)<br />

Professor Dr. Fritz Peter Schäfer<br />

1971 – 1994 · Laserphysik (Mitte)<br />

Professor Dr. Hans Strehlow<br />

1971 – 1984 · Elektrochemie und<br />

Reaktionskinetik (rechts)<br />

Emeritierte Wissenschaftliche Mitglieder<br />

Professor Dr. Dieter Gallwitz<br />

1985 – 2004 · Molekulare Genetik (links)<br />

Professor Dr. Manfred Kahlweit<br />

1971 – 1996 · Kinetik der<br />

Phasenbildung (Mitte)<br />

Professor Dr. Hans Kuhn<br />

1971 – 1984 · Molekularer Systemaufbau<br />

(rechts)<br />

Professor Dr. Klaus Weber<br />

1973 – 2004 · Biochemie und<br />

Zellbiologie (links)<br />

Professor Dr. Albert Weller †<br />

1971 – 1990 · Spektroskopie (Mitte)<br />

Professor Dr. Victor P. Whittaker<br />

1973 – 1987 · Neurochemie (rechts)


Forschung im Fokus<br />

19


Tiefer blicken<br />

20


Wie die Welt des Verborgenen<br />

sichtbar wird<br />

Dass die Erbsubstanz DNA als Doppelhelix daherkommt –<br />

ohne Röntgenstrukturanalyse hätten Francis Crick und<br />

James Watson das nicht herausfinden können. Und wie<br />

hätte Robert Koch, ebenfalls Nobelpreisträger, ohne ein<br />

gutes Mikroskop den Milzbrand-Erreger aufspüren sollen?<br />

Wissenschaftliche Spitzenleistungen erfordern entsprechendes<br />

Handwerkzeug. Kein Wunder, dass viele<br />

Wissenschaftler des <strong>Institut</strong>s an methodischen Inno -<br />

vationen arbeiten. So sind zum Beispiel neue spektroskopische<br />

und mikroskopische Verfahren gefragt, um<br />

auf der Ebene einzelner Moleküle strukturelle Details<br />

zu erfassen und die Dynamik molekularer Prozesse zu<br />

erkunden.<br />

21


22<br />

NanoBiophotonik<br />

Unsichtbares sichtbar zu machen, dieses Ziel<br />

ver folgen wir mit unseren überauflösenden<br />

Licht mikroskopen. Konventionelle Mikroskope<br />

stoßen an ihre Grenzen, wenn zwei gleichartige<br />

Objekte dichter als 200 Nanometer (millionstel<br />

Teile eines Milli meters) nebeneinander liegen: Die<br />

Beugung der Lichtstrahlen lässt sie optisch zu einem<br />

einzigen Objekt verschwimmen. Daran können<br />

auch die besten Linsensysteme nichts ändern.<br />

Wer in molekulare Dimensionen vordringen will,<br />

kann auf ein Elektronenmikroskop zurückgreifen.<br />

Was sich im Inneren einer lebenden Zelle abspielt,<br />

lässt sich jedoch nur mit Lichtmikroskopen beobachten.<br />

Clever beleuchtet<br />

Um dem Phänomen der Lichtbeugung ein Schnipp -<br />

chen zu schlagen, sorgen wir da<strong>für</strong>, dass benachbarte<br />

Moleküle – die im klassischen Bild verschwimmen<br />

würden – ihre Fluoreszenz zeitlich<br />

nacheinander abgeben. Dabei nutzen wir verschiedene<br />

molekulare Prozesse, um die Fluoreszenz<br />

eines Moleküls ein- und auszuschalten.<br />

Mit einem »Trick« haben wir die erste Licht -<br />

mikroskopie-Methode entwickelt, die nicht mehr<br />

durch die Beugung begrenzt ist: die Stimulated<br />

Emission Depletion (STED)-Mikro skopie. Hierbei<br />

wird dem Anregungsstrahl ein zweiter Licht strahl –<br />

der STED-Strahl – hinterher gesandt, der in der<br />

Mitte einen dunklen Punkt aufweist. Durch den<br />

STED-Strahl werden Moleküle am Rand des<br />

Licht flecks ausgeschaltet, Moleküle im Zentrum<br />

können dagegen ungestört fluoreszieren. Mit einer<br />

bis zu zehnfach verbesserten Auflösung gegenüber<br />

herkömmlichen Mikroskopen lassen sich flu o res -<br />

zenz- mar kierte Proteinkom plexe mit einem Abstand<br />

von nur 15 bis 50 Nanometern getrennt<br />

vonein ander beobachten.<br />

Wird die Helligkeit des STED-Strahls weiter erhöht,<br />

kann die Zahl der zur Fluoreszenz fähigen<br />

Moleküle ver kleinert und so die Ausdehnung des<br />

Spots, in dem Moleküle fluoreszieren können, beliebig<br />

verringert werden. Kombiniert mit dynamischen<br />

Methoden wie der Fluoreszenz-Korrelations-Spektroskopie<br />

und Techniken der schnel len<br />

Lichtstrahl-Rasterung, lassen sich mit der STED-<br />

Zwei-Farben-STED-Aufnahme eines Glioblastoms, des häufigsten bösartigen Hirntumors bei Erwachsenen. Das Protein Clathrin ist<br />

grün, das Protein β-Tubulin rot angefärbt. Im Gegensatz zum verschwommenen klassischen Bild (links) zeigt das STED-Bild (rechts)<br />

erheblich feinere Strukturen. (Bildaufnahme und Probe: J. Bückers, D. Wildanger, L. Kastrup, R. Medda)


Mikroskopie sogar Lebensvorgänge im<br />

Inneren einer Zelle in hochaufgelösten<br />

Videos »live« ver folgen.<br />

Fluoreszenz mit Schalter<br />

Das Schalten der Fluoreszenz kann aber<br />

auch anders erfolgen: Bei einer wei -<br />

teren hochauflösenden Mikroskopie-<br />

Methode – der GSDIM-Fluoreszenz-<br />

Mikroskopie – ist stets exakt ein Mo -<br />

lekül im Beugungsbereich eingeschaltet,<br />

allerdings an einer unbekannten,<br />

zu fälligen Position. Die Nachbar mo -<br />

lekü le liegen dann zwar innerhalb des<br />

Beugungsflecks, sind aber inaktiv und<br />

stören daher nicht die Aufnahme des<br />

einzelnen aktiven Moleküls. Aus des -<br />

sen Fluoreszenz kann die Position des<br />

Moleküls mit einer Genauigkeit berechnet<br />

werden, die weit jenseits der Auf -<br />

lö sungsgrenze liegt. Dieses Verfahren<br />

wird so lange wiederholt, bis jedes Mo -<br />

lekül erfasst ist.<br />

Ein weiterer Schwerpunkt unserer<br />

Forschung ist die Entwicklung innovativer<br />

optischer Anordnungen. Im 4Pi-<br />

Mikroskop werden zwei Objektive auf<br />

einen Punkt gerichtet, so dass sich das<br />

Licht im Fokus überlagert. Dadurch gelingt<br />

eine Verkleinerung des Lichtfokus<br />

um das Drei- bis Siebenfache entlang<br />

der Längsachse des Mikroskops.<br />

Raffiniert kombiniert<br />

Kombiniert man die 4Pi- mit der STED-<br />

Mikroskopie, so lassen sich damit Objekte<br />

in allen Raumrichtungen ausein -<br />

anderhalten, die kaum 30 Nanometer<br />

voneinander entfernt sind – bis vor<br />

wenigen Jahren noch unvorstellbar.<br />

Prinzipiell geht es sogar noch schärfer:<br />

bis in den Größenbereich des Moleküls<br />

selbst. Solche »scharfsichtigen« Mikroskope<br />

versprechen völlig neue Einsichten<br />

in die »inneren Angelegenheiten«<br />

lebender Zellen.<br />

Prof. Dr. Stefan W. Hell<br />

promovierte 1990 an der Univer -<br />

sität Heidelberg in Physik und<br />

arbeitete von 1991 bis 1993 am<br />

Europä ischen Laboratorium <strong>für</strong><br />

Molekular biologe in Heidelberg.<br />

Von 1993 bis 1996 forschte er an<br />

den Universitäten Turku (Finnland)<br />

und Oxford (Großbritannien).<br />

Im Jahr 1997 wechselte er als<br />

Leiter der <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Nachwuchsgruppe<br />

»Hochauflösende<br />

optische Mikroskopie« an das<br />

<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />

<strong>Chemie</strong>, wo er seit 2002<br />

die Abteilung »NanoBiophotonik«<br />

leitet. Stefan Hell erhielt <strong>für</strong> seine<br />

Forschung zahlreiche Auszeichnungen,<br />

darunter den Preis der<br />

International Commission for<br />

Optics (2000), den Helmholtz-<br />

Preis (2001), den zehnten Deutschen<br />

Zukunftspreis des Bundespräsidenten<br />

(2006) und den Julius-<br />

Springer-Preis (2007). Im Jahr<br />

2008 wurde ihm der Leibniz-Preis<br />

sowie der Niedersächsische<br />

Staatspreis überreicht. 2009 erhielt<br />

er den Otto-Hahn-Preis <strong>für</strong><br />

Physik.<br />

Kontakt:<br />

hell@4pi.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/groups/hell<br />

Die STED-Mikroskopie (innen) liefert hier zirka<br />

zehnmal schärfere Details von Filamentstrukturen<br />

einer Nervenzelle als ein herkömmliches Mikroskop<br />

(außen). (Aufnahme: G. Donnert, S. W. Hell)<br />

S. W. Hell: Far-field optical nanoscopy.<br />

Science 316, 1153-1158 (2007).<br />

S. W. Hell: Nanoskopie mit fokussiertem<br />

Licht. Physik Journal 6, 47-53 (2007).<br />

23


PD Dr. Stefan Jakobs studierte<br />

Bio logie in Kaiserslautern und<br />

Manchester (Großbritannien)<br />

und promovierte 1999 am <strong>Max</strong>-<br />

<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Züchtungsforschung<br />

in Köln. Anschließend<br />

arbeitete er zunächst als Postdoktorand<br />

in Köln und in der Abteilung<br />

»NanoBiophotonik« am<br />

<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> biophy -<br />

sikalische <strong>Chemie</strong>. Seit 2005 leitet<br />

er die Forschungsgruppe »Struktur<br />

und Dynamik von Mitochondrien«.<br />

Stefan Jakobs habilitierte<br />

sich 2007 an der Universität<br />

Göttingen.<br />

Kontakt:<br />

sjakobs@gwdg.de<br />

www.mitoweb.de<br />

Säugetierzellen, in denen die Mitochondrien<br />

grün, das Zellskelett aus Mikrotubuli rot<br />

und der Zellkern blau markiert sind.<br />

I. E. Suppanz, C. A. Wurm, D. Wenzel,<br />

S. Jakobs: The m-AAA protease processes<br />

cytochrome c peroxidase preferentially<br />

at the inner boundary membrane of<br />

mitochondria. Mol. Biol. Cell 20, 572-<br />

580 (2009).<br />

R. Schmidt, C. A. Wurm, A. Punge, A.<br />

Egner, S. Jakobs, S. W. Hell: Mitochondrial<br />

cristae revealed with focused light.<br />

Nano Lett. 9, 2508-2510 (2009).<br />

M. Andresen, A. C. Stiel, J. Fölling, D.<br />

Wenzel, A. Schönle, A. Egner, C. Eggeling,<br />

S. W. Hell, S. Jakobs: Photoswitchable<br />

fluorescent proteins enable monochromatic<br />

multilabel imaging and<br />

dual color fluorescence nanoscopy. Nature<br />

Biotechnol. 26, 1035-1040 (2008).<br />

M. Andresen, A. C. Stiel, S. Trowitzsch,<br />

G. Weber, C. Eggeling, M. C. Wahl, S.<br />

W. Hell, S. Jakobs: Structural basis for<br />

reversible photoswitching in Dronpa.<br />

Proc. Natl. Acad. Sci. USA 104, 13005-<br />

13009 (2007).<br />

24<br />

Struktur und Dynamik<br />

von Mitochondrien<br />

Mitochondrien sind die »Kraftwerke«<br />

der Zelle. Sie liefern ihr die nötige<br />

chemische Energie, die den zellulären<br />

Stoffwechsel in Gang hält. Entsprechend<br />

fatal sind die Folgen, wenn diese nicht<br />

richtig funktionieren: Defekte Mitochondrien<br />

können zu Erkrankungen wie Krebs,<br />

Parkinson oder Alzheimer führen.<br />

Doch wie sind Mitochondrien im Detail<br />

aufgebaut, und welche molekularen Mecha -<br />

nismen stecken hinter dieser Architektur?<br />

Mitochondrien sind so nanoskopisch klein,<br />

dass sich ihre innere Struktur bisher nur mit<br />

Elektronenmikroskopen untersuchen ließ.<br />

Dazu müssen Zellen allerdings zunächst<br />

fixiert und dann in hauch dünne Scheiben<br />

geschnitten werden. Entsprechend wenig<br />

weiß man darüber, was sich in den Mitochondrien<br />

lebender Zellen abspielt.<br />

10 µm<br />

Mit Lichtmikroskopen lassen sich dagegen<br />

auch völlig intakte Zellen untersuchen.<br />

Selbst bei den besten konventionellen Modellen<br />

reicht die räumliche Auflösung allerdings<br />

bei weitem nicht aus, um das Innere<br />

der »Kraftwerke« genauer unter die<br />

Lupe zu nehmen. Deshalb nutzen wir neue<br />

lichtmikroskopische Verfahren wie die Stimulated<br />

Emission Depletion (STED)-<br />

Mikroskopie, mit der sich die Bildschärfe<br />

um ein Vielfaches steigern lässt.<br />

Konfokal STED<br />

1µm<br />

Verschiedene Proteinkomplexe – hier der »TOM-<br />

Komplex« – reichern sich in bestimmten Bereichen<br />

der äußeren Mitochondrien-Membran an.<br />

Links: Aufnahme mit konventioneller Laser-Raster-<br />

Fluoreszenz-Mikroskopie, rechts: Aufnahme mit<br />

STED-Mikroskopie.<br />

Blick ins Innere der Zellkraftwerke<br />

Ausgewählte Proteine werden dabei mit<br />

Farbstoffen oder fluoreszierenden Prote -<br />

inen markiert, um sie anschließend in den<br />

Mitochondrien lokalisieren zu können. So<br />

haben wir beispielsweise entdeckt, dass<br />

sich einige Proteinkomplexe in einem bestimmten<br />

Teil der inneren Mitochondrien-<br />

Membran konzentrieren. Derzeit erforschen<br />

wir die funktionelle Bedeutung dieser<br />

speziellen Verteilung.<br />

In einem zweiten Forschungsschwerpunkt<br />

geht es darum, unsere molekularen<br />

Werkzeuge zu verbessern. Wir untersuchen<br />

und entwickeln fluoreszierende Proteine,<br />

die sich mit Lichtblitzen wiederholt gezielt<br />

ein- und ausschalten lassen. Dank ihrer<br />

besonderen Fähigkeiten eröffnen solche<br />

photochromen Proteine ganz neue Möglichkeiten,<br />

das Innenleben von Zellen und<br />

Mitochondrien zu erkunden.


Biomolekulare Spektroskopie<br />

und Einzelmoleküldetektion<br />

Um den Nanokosmos der Zelle zu er -<br />

forschen, entwickeln Wissenschaftler<br />

immer ausgetüfteltere Werkzeuge und<br />

Techniken. Unsere Forschungsgruppe ist<br />

darauf spezialisiert – meist in enger Zu -<br />

sammen arbeit mit biologisch orientierten<br />

Gruppen des <strong>Institut</strong>s – Biomoleküle mittels<br />

spektro skopischer und mikroskopischer<br />

Verfahren zu untersuchen und diese<br />

Techniken weiter zu verbessern.<br />

Wir erforschen beispielsweise, wie Nervenzellen<br />

innerhalb von Sekundenbruchteilen<br />

chemische Botenstoffe freisetzen,<br />

um Signale an an dere Nervenzellen weiterzuleiten.<br />

In »Botenstoffpaketen« – den Vesikeln<br />

– verpackt, liegen diese Botenstoffe<br />

im Inneren der Nervenzellen bereit. Wenn<br />

ein elektrischer Nervenreiz anzeigt, dass eine<br />

Botschaft übermittelt werden soll, verschmelzen<br />

einige synap tische Vesikel mit<br />

der Zellmem bran und entleeren ihren Inhalt<br />

nach außen, so dass eine benachbarte Nervenzelle<br />

den Reiz sofort erkennen kann.<br />

Diese Vesikel sind nur 30 bis 60 Nanometer<br />

(millionstel Millimeter) groß. Trotzdem<br />

gelingt es uns, im Reagenzglas sogar einzelne<br />

von ihnen exakt in dem Moment zu studieren,<br />

wenn sie mit künstlichen Zellmembranen<br />

fusionieren. Dies erreichen wir<br />

dank hoch emp find licher Mikroskopie-<br />

Techniken, die sogar einzelne an die Membranen<br />

geheftete Fluoreszenz-Farbstoffe<br />

erkennen können.<br />

Ultrakurze Laserblitze erhellen<br />

Photo synthese<br />

In einem weiteren Schwerpunkt unter -<br />

suchen wir, wie bei der Photosynthese die<br />

� In der Arbeitsgruppe »Biomolekulare<br />

Spektroskopie und Einzelmoleküldetektion«<br />

werden konfokale Mikroskopie-Methoden<br />

angewendet und entwickelt, mit denen<br />

sich Biomoleküle einzeln untersuchen<br />

lassen.<br />

Ein genau abgestimmtes Wechselspiel der<br />

Energieflüsse zwischen Chlorophyll- und<br />

Carotinoid-Molekülen erlaubt es dem Photosynthese-Apparat,<br />

fast jedes Lichtquantum<br />

<strong>für</strong> Elektronentransfers zu verwenden und<br />

deren Energie <strong>für</strong> die Erzeugung bio -<br />

chemisch gespeicherter Energie zu nutzen.<br />

Sonnenenergie eingefangen und in che -<br />

mische Energie umgewandelt wird. Diese<br />

Umwandlung läuft teilweise so schnell ab,<br />

dass selbst modernste Oszilloskope diese<br />

Zeitskala nicht auflösen können. Wir ar -<br />

beiten daher mit ultrakurzen Laserblitzen,<br />

die im Bereich von Femtosekunden (10 –15<br />

Sekunden) liegen, also dem milliardsten<br />

Teil einer millionstel Sekunde. Dies sind<br />

Zeitskalen, in denen selbst Licht nur Dis -<br />

tanzen zurücklegt, die kürzer sind als der<br />

Durchmesser eines menschlichen Haares.<br />

Langfristig möchten wir künstliche Photosynthesesysteme<br />

entwickeln, die solare<br />

Energie in chemisch gespeicherte Energie<br />

umwandeln und so <strong>für</strong> den Menschen<br />

nutz bar machen können.<br />

Prof. Dr. Peter Jomo Walla<br />

studierte in Heidelberg und Göttingen<br />

<strong>Chemie</strong> und wechselte <strong>für</strong><br />

die Promotion an das <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong>.<br />

Nach Forschungsaufenthalten<br />

am CNRS (Bordeaux, Frankreich)<br />

und an der University of<br />

California (Berkeley, USA) arbeitete<br />

er als Abteilungsleiter der<br />

DIREVO Biotech AG. Im Jahr 2003<br />

etablierte er mit einem Emmy-<br />

Noether-Stipendium eine Nachwuchsgruppe<br />

am <strong>Institut</strong>. 2007<br />

wurde er als Professor an die TU<br />

Braunschweig berufen und leitet<br />

am <strong>Institut</strong> weiterhin die Forschungsgruppe<br />

«Biomolekulare<br />

Spektroskopie und Einzelmoleküldetektion».<br />

Peter Jomo Walla erhielt<br />

einen Forschungspreis des<br />

Fonds der Chemischen Industrie<br />

<strong>für</strong> ausgewählte Juniorprofessoren<br />

in der <strong>Chemie</strong> (2003) und den<br />

Young-Investigators Award der<br />

Gordon Conference on Photo -<br />

synthesis (2000).<br />

Kontakt:<br />

pwalla@gwdg.de<br />

www.pci.tu-bs.de/agwalla/<br />

Peter_Walla_Main_d.htm<br />

A. Cypionka, A. Stein, J. M. Hernandez,<br />

H. Hippchen, R. Jahn, P. J. Walla: Dis -<br />

crimination between docking and fusion<br />

of liposomes reconstituted with neuronal<br />

SNARE-proteins using FCS. Proc.<br />

Natl. Acad. Sci. USA | doi:10.1073/<br />

pnas.0906677106 (2009).<br />

P. J. Walla: Modern biophysical<br />

chemistry. Wiley-VCH Weinhein,<br />

Februar 2009.<br />

S. Bode, C. C. Quentmeier, P-N. Liao,<br />

N. Hafi, T. Barros, L. Wilk, F. Bittner, P.<br />

J. Walla: On the regulation of photosynthesis<br />

by excitonic interactions between<br />

carotenoids and chlorophylls. Proc. Natl.<br />

Acad. Sci. 106, 12311-12316 (2009).<br />

P. J. Walla, P. A. Linden, C.–P. Hsu, G.<br />

D. Scholes, G. R. Fleming: Femtosecond<br />

dynamics of the forbidden carotenoid<br />

S1 state in light-harvesting complexes<br />

of purple bacteria observed after twophoton<br />

excitation. Proc. Natl. Acad.<br />

Sci. 97, 10808-10813 (2000).<br />

25


Dr. Thomas M. Jovin promovierte<br />

1964 an der Johns Hopkins University<br />

(USA). Seit 1969 ist er<br />

Wissenschaftliches Mitglied der<br />

<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Gesellschaft und<br />

forschte als Direktor und Leiter<br />

der Abteilung »Molekulare Biologie«<br />

am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />

<strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong>. Nach<br />

seiner Emeritierung 2007 führt er<br />

seine Forschung als Leiter der<br />

Emeritusgruppe «Labor <strong>für</strong> Zelluläre<br />

Dynamik» und des «Laboratorio<br />

<strong>Max</strong> <strong>Planck</strong> de Dinámica<br />

Celular», Universität von Buenos<br />

Aires (Argentinien), fort. Thomas<br />

Jovin erhielt die Ehrendoktorwürde<br />

der Limburg-Universität (Belgien)<br />

und der University Medical School,<br />

Debrecen (Ungarn). Er ist Honorar -<br />

professor der Facultad de Ciencias<br />

Exactas y Naturales der Univer -<br />

sität von Buenos Aires, EMBO-<br />

Mitglied und Ehrenmitglied der<br />

biolo gischen Sektion der Ungarischen<br />

Aka demie der Wissenschaft.<br />

Kontakt:<br />

tjovin@gwdg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/groups/jovin/<br />

M. Gralle Botelho, X. Wang, D. J. Arndt-<br />

Jovin, D. Becker, T. M. Jovin: Induction<br />

of terminal differentiation in melanoma<br />

cells on downregulation of �-amyloid<br />

precursor protein. J. Invest. Dermatol. |<br />

doi:10.1038/jid.2009.296 (2009).<br />

M. S. Celej, W.Caarls, A. P. Demchenko,<br />

T. M. Jovin: A triple emission fluorescent<br />

probe reveals distinctive amyloid fibrillar<br />

polymorphism of wild-type �-synuclein<br />

and its familial Parkinson’s disease<br />

mutants. Biochemistry 48, 7465-7472<br />

(2009).<br />

E. A. Jares-Erijman, T. M. Jovin: Reflec -<br />

tions on FRET imaging: formalism,<br />

probes, and implementation. In: »FRET<br />

and FLIM Imaging Techniques«. T. Gadella,<br />

Jr. ed. S. 475-517. Elsevier (2009).<br />

M. J. Roberti, M. Morgan, G. Menéndez,<br />

L. Pietrasanta, T. M. Jovin, E. A. Jares-<br />

Erijman: Quantum dots as ultrasensitive<br />

nanoactuators and sensors of amyloid<br />

aggregation in live cells. J. Am. Chem.<br />

Soc. 131, 8102-8107 (2009).<br />

26<br />

Labor <strong>für</strong> Zelluläre Dynamik<br />

Zwei Forschungsbereiche stehen im<br />

Mittelpunkt unserer Arbeit. Zum einen<br />

beschäftigen wir uns damit, wie normale<br />

Zellen, aber auch Tumorzellen, von Wachs -<br />

tums faktoren und anderen äußeren Faktoren<br />

aktiviert werden. Zum anderen er kun den<br />

wir, welche molekularen Mechanismen der<br />

Parkinson-Krankheit zugrunde liegen.<br />

Dass sich in den Nervenzellen des Gehirns<br />

von Parkinson-Patienten Fibrillen des<br />

Proteins α-Synuclein bilden, ist bereits bekannt.<br />

Doch was macht diese sogenannten<br />

Amyloid-Aggregate so zerstörerisch, und<br />

wie lässt sich den fatalen Verklumpungen<br />

vorbeugen? Um Antworten auf diese Fragen<br />

zu erhalten, kombinieren wir mole -<br />

kular- und zell bio lo gische Techniken mit<br />

<strong>biophysikalische</strong>n Methoden.<br />

Moleküle in lebenden<br />

Zellen aufspüren<br />

Für unsere Studien entwickeln und be -<br />

nutzen wir neuartige fluoreszierende Halbleiter-Nanokristalle<br />

(Quantum Dots), edel -<br />

metallische Nanopartikel (Nanodots) und<br />

organische Verbindungen, die wir an bio -<br />

logische Moleküle anheften.<br />

Mithilfe eines neu -<br />

artigen Hochgeschwindigkeitsfluoreszenz-Mikroskops<br />

(Programmable Array<br />

Microscope, PAM) aus<br />

eigener Werkstatt lassen<br />

sich solcherart markierte<br />

Moleküle an lebenden Zellen<br />

mit einer hohen räumlichen,<br />

zeitlichen und spektralen<br />

Auflösung unter -<br />

suchen.<br />

Donna Arndt-Jovin leitet<br />

zellbiologisch orientierte<br />

Forschungsprojekte. Sie er -<br />

forscht Wachstumsfaktor -<br />

Rezeptoren in Zellen und<br />

menschlichen Tumoren sowie<br />

die Architektur des<br />

Zellkerns. Dazu entwickelt<br />

sie neue molekulare Sonden<br />

und Mikroskopie-<br />

Methoden, die sie <strong>für</strong> Untersuchungen<br />

an lebenden<br />

Zellen einsetzt.<br />

Menschliche Tumor-Epithelzellen: Der mit Quantum Dots markierte Epidermale Wachstumsfakor (EGF,<br />

rot) bindet an seinen Rezeptor, der seinerseits mit einem grün fluoreszierenden Protein gekoppelt ist.<br />

Das Bild wurde mit einem am <strong>Institut</strong> entwickelten neuartigen Hochgeschwindigkeitsfluoreszenz-<br />

Mikroskop (Programmable Array Microscope) aufgenommen. (G. M. Hagen, K. A Lidke, B. Rieger,<br />

W. Caarls, D. J. Arndt- Jovin, T. M. Jovin: Dynamics of membrane receptors: single molecule tracking of<br />

quantum dot liganded epidermal growth factor. In: Yanagida, T, Ishii, Y, Eds. Single Molecule Dynamics<br />

in Life Sciences. Orlando: Wiley. pp. 117-130 (2008)).


Biochemische Kinetik<br />

Die faszinierende Vielfalt des Lebens<br />

ist naturgegebener Unschärfe der Reproduktion<br />

zu verdanken. Die Erbsubstanz<br />

Desoxyribonukleinsäure (DNA) selbst ist<br />

ein außergewöhnlich stabiles Makromolekül,<br />

doch beim Kopieren und Vervielfältigen<br />

treten bisweilen Fehler auf. Da nicht<br />

alle diese Defekte repariert werden, entstehen<br />

immer wieder neue Varianten als<br />

Grundlage <strong>für</strong> die Evolution der Organismen.<br />

Alle Arten von Lebewesen sind diesem<br />

ständigen Wandel unterworfen.<br />

Evolution lässt sich beobachten, aber<br />

auch unter kontrollierten Bedingungen<br />

nach Wunsch inszenieren: Bei solchen<br />

Experimenten dürfen sich Bakterien, Vi -<br />

ren oder einzelne Nuklein säure-Moleküle<br />

fleißig vermehren, während sie immer wieder<br />

nach bestimmten Kriterien aussortiert<br />

werden. Da<strong>für</strong> sind Apparaturen entwickelt<br />

worden, die viele tausend Proben gleich-<br />

zeitig bearbeiten können. So lassen sich<br />

grundlegende Mechanismen der Evolution<br />

studieren, zum Beispiel auch die Tricks,<br />

mit denen das AIDS-Virus und andere tückische<br />

Krankheitserreger das Immunsystem<br />

überlisten. Darüber hi n aus können derartige<br />

»Evolutionsmaschinen« dabei helfen,<br />

neuartige molekulare Wirkstoffe <strong>für</strong><br />

Medikamente zu entwickeln.<br />

Die unterschiedlichen Fragestellungen<br />

haben eines gemeinsam: Stets müssen win -<br />

zig kleine Stoffmengen analysiert werden.<br />

Die »Stecknadel im Heuhaufen« zu finden<br />

ist hier das Problem. Das gilt auch <strong>für</strong><br />

diagnostische Verfahren, etwa bei der möglichst<br />

frühzeitigen Erkennung von BSE.<br />

Mit speziellen spektroskopischen Techniken<br />

kann man einzelne Moleküle nachweisen.<br />

Und nicht nur das: Im Prinzip lässt sich auf<br />

diese Weise sogar der Aufbau einzelner<br />

Nukleinsäure-Moleküle entschlüsseln.<br />

Die Bilder zeigen die automatisierte »Evolutions -<br />

maschine« der DIREVO Biosystems AG/Köln (heute:<br />

Bayer HealthCare AG) in der Vorderansicht (oben)<br />

und der Rückansicht (links). Die DIREVO Bio systems<br />

AG ist eine Ausgründung der Abteilung »Biochemische<br />

Kinetik« am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> biophysi -<br />

kalische <strong>Chemie</strong>.<br />

Prof. Dr. Manfred Eigen promovierte<br />

1951 an der Universität<br />

Göttingen in Physik und arbeitete<br />

dort anschließend am <strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />

physikalische <strong>Chemie</strong>. Seit 1953<br />

am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> physi -<br />

kalische <strong>Chemie</strong> tätig, übernahm<br />

er 1964 die Leitung der Abteilung<br />

»Chemische Kinetik«. Aus diesem<br />

<strong>Institut</strong> ging auf Initiative von<br />

Manfred Eigen 1971 das heutige<br />

<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> bio -<br />

physikalische <strong>Chemie</strong> hervor.<br />

Dort ist Manfred Eigen auch nach<br />

seiner Emeritierung 1995 weiterhin<br />

wissenschaftlich aktiv. Für<br />

seine Forschung über »schnelle<br />

chemische Reaktionen« erhielt er<br />

1967 den Nobelpreis <strong>für</strong> <strong>Chemie</strong>.<br />

Kontakt:<br />

www.mpibpc.mpg.de/<br />

groups/eigen<br />

A. Koltermann, U. Kettling, J. Bieschke,<br />

T. Winkler, M. Eigen: Rapid assay processing<br />

by integration of dual-color<br />

fluorescence crosscorrelation spectroscopy:<br />

High throughput screening for<br />

enzyme activity. Proc. Natl. Acad. Sci.<br />

USA 95, 1421-1426 (1998).<br />

M. Eigen, B. Lindemann, M. Tietze, R.<br />

Winkler-Oswatitsch, A. Dress, A. von<br />

Hae seler: How old is the genetic code?<br />

Statistical geometry of tRNA provides<br />

an answer. Science 244, 673-679<br />

(1989).<br />

M. Eigen: Stufen zum Leben. Die frühe<br />

Evolution im Visier der Moleku lar bio lo -<br />

gie. R. Piper-Verlag, München (1987).<br />

M. Eigen: Selforganization of matter<br />

and evolution of biological macromolecules.<br />

Naturwissenschaften 58, 465-523<br />

(1971).<br />

M. Eigen: Proton transfer acid-base catalysis,<br />

and enzymatic hydrolysis. I. Elementary<br />

processes. Angewandte <strong>Chemie</strong><br />

Int. Ed. 3, 1-19 (1964).<br />

27


Dr. Marina Bennati promovierte<br />

1995 an der Universität Stuttgart<br />

in Experimen teller Physik. Anschließend<br />

arbeitete sie am<br />

Massachusetts <strong>Institut</strong>e of<br />

Techno logy und Harvard Center<br />

for Magnetic Resonance (Cambridge,<br />

USA). Im Jahr 2001 wechselte<br />

sie an die Universität in<br />

Frankfurt am Main, wo sie sich<br />

2006 habi li tier te. Seit 2007 leitet<br />

sie die selbstständige Forschungs -<br />

gruppe »Elektronenspinresonanz -<br />

Spektroskopie« am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> biophysika lische <strong>Chemie</strong>.<br />

Für ihre Forschung erhielt<br />

Marina Bennati 2002 den Young<br />

Inves tigator Award der International<br />

EPR Society.<br />

Kontakt:<br />

bennati@mpibpc.mpg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/<br />

research/ags/bennati<br />

V. Denysenkov, D. Biglino, W. Lubitz,<br />

T. Prisner, M. Bennati: Structure of the<br />

tyrosyl biradical of mouse R2 ribonucleotide<br />

reductase from high-field PEL-<br />

DOR. Angew. Chem. Int. Ed. 47, 1224-<br />

1227 (2008).<br />

M. R. Seyedsayamdost, C. T. Y. Chan, V.<br />

Mugnaini, J. Stubbe, M. Bennati: PEL-<br />

DOR spectroscopy with DOPA-β2 and<br />

NH2Y-α2s: Distance measurements<br />

between residues involved in the radical<br />

propagation pathway of E. coli<br />

ribonucleotide reductase. J. Am. Chem.<br />

Soc. 129, 15748-15749 (2007).<br />

V. Denysenkov, T. Prisner, J. Stubbe, M.<br />

Bennati: High-field pulsed electronelectron<br />

double resonance spectroscopy<br />

to determine the orientation of the tyrosyl<br />

radicals in ribonucleotide reductase.<br />

Proc. Nat. Acad. Sci. 103, 13386-13390<br />

(2006).<br />

28<br />

Elektronenspinresonanz-<br />

Spektroskopie<br />

Ob simples Wasser oder komplizierte<br />

Proteine, in Molekülen treten Elek -<br />

tronen meist paarweise auf. Durch ihren<br />

Spin – eine Form des Drehimpulses – erzeu -<br />

gen sie ein mikroskopisches Magnetfeld. Da<br />

sie in entgegengesetzte Richtungen rotieren,<br />

heben sich ihre magnetischen Wirkungen je -<br />

doch gegenseitig auf. Uns interessieren des -<br />

halb nur ungepaarte Elektronen, die uns<br />

als hochempfindliche Sonden dienen. Diese<br />

»paramagnetischen Zentren« können uns<br />

Informationen darüber liefern, wie komplexe<br />

Biomoleküle ihre Struktur verändern, während<br />

sie ihre speziellen Aufgaben erfüllen.<br />

Mit Methoden der Elektronenspinresonanz<br />

(EPR)-Spektroskopie können wir Biomoleküle<br />

unter beinahe natürlichen Bedingungen<br />

beobachten und etwas darüber lernen,<br />

wie sie in der lebenden Zelle agieren.<br />

Das Innere von Proteinen vermessen<br />

Wir entwickeln Techniken, mit denen wir<br />

ein paramagnetisches Zentrum oder mehrere<br />

paramagnetische Zentren gleichzeitig mit<br />

Mikro wellen oder Radiofrequenzstrahlung<br />

anregen, um ihre magnetischen Wechsel -<br />

A<br />

B<br />

wirkun gen zu manipulieren. So kön nen wir<br />

nicht nur die Abstände zwischen den aktiven<br />

Zentren eines Proteins bis in den Nanometerbereich<br />

messen, sondern auch etwas<br />

über deren Ausrichtung innerhalb des<br />

Moleküls lernen. Wir verwenden darüber<br />

hinaus Detektionsfrequenzen im Milli -<br />

meter-Bereich, die nicht nur polarisierende<br />

supraleitende Magnete erfordern, sondern<br />

noch eine deutlich komplexere Mikrowellen -<br />

technik. Daher gehen in unserer Arbeitsgruppe<br />

die bio physikalischen Untersuchungen<br />

Hand in Hand mit methodischen<br />

und technischen Weiterentwicklungen.<br />

Ungepaarte Elektronen sind bei zahl -<br />

reichen Stoffwechselprozessen im Spiel.<br />

Paradebeispiele da<strong>für</strong> sind die Photo -<br />

synthese oder die Atmungskette, aber auch<br />

Proteine wie das Enzym Ribonukleotid-<br />

Reduktase (RNR). Von den Bakterien bis<br />

hin zum Menschen übernimmt die RNR<br />

den letzten Schritt bei der Bildung der<br />

einzelnen Bausteine der Desoxyribonuklein -<br />

säure (DNA). Durch den Transfer von<br />

Elektronen entstehen dabei ebenfalls paramagnetische<br />

Zustände. Mithilfe verschiedener<br />

EPR-Techniken ist es uns<br />

gelungen, mehrere Zwischenschritte<br />

und Zwischenprodukte<br />

bei diesem enzymatischen Zyklus<br />

aufzuklären. Wäh rend Proteine<br />

wie die RNR schon von<br />

Natur aus ungepaarte Elektronen<br />

enthalten, müssen wir sie<br />

bei anderen Proteinen erst einbauen.<br />

Dazu führen wir gezielt<br />

Spinmarkierungen ein. Mit diesem<br />

Verfahren haben wir in<br />

Kollaboration mit anderen Forschungsgruppen<br />

des <strong>Institut</strong>s<br />

angefangen, die innere Struktur<br />

von Nukleinsäuren und Membranproteinen<br />

zu untersuchen.<br />

(A) Struktur des dimeren Komplexes der<br />

Ribonukleotid-Reduktase der Maus und<br />

Orientierung der aktiven Tyrosylradikale,<br />

die durch Hochfeld-EPR-Spektroskopie<br />

detektiert wurden.<br />

(B) Typische magnetfeldabhängige dipola -<br />

re Spektren von zwei wechselwirkenden<br />

Radikalen bei hohen EPR-Frequenzen.


Biologische Mikro-<br />

und Nanotechnologie<br />

Zellen sind mikroskopisch klein. Doch<br />

im Vergleich zu ihren Hauptakteuren –<br />

winzigen molekularen Maschinen – sind<br />

sie riesig. Selbst die komplexesten von ihnen<br />

messen nur wenige zehn bis hundert Nanometer<br />

(millionstel Millimeter). Schon einfache<br />

Parameter wie Größe, Masse oder Anzahl<br />

solcher Nano partikel sind <strong>für</strong> Wissenschaftler<br />

wichtige Informationen. Diese können<br />

helfen, zelluläre Prozesse besser zu verstehen<br />

oder krank hafte Ver än de run gen zu<br />

erkennen. Aber wie zählt oder wiegt man etwa<br />

eine Gruppe von Proteinen, die so ver -<br />

schwindend klein ist? Konventionelle Methoden<br />

aus der makroskopischen Welt helfen<br />

da nicht weiter. Da<strong>für</strong> braucht es neue<br />

mikro- und nanotechnologische Verfahren,<br />

die wir in unserer Gruppe entwickeln.<br />

Mit einer »Stimmgabel« wiegen<br />

Um zum Beispiel einzelne Nanopartikel zu<br />

wiegen, entwerfen wir sogenannte mikro -<br />

mechanische Resonatoren – eine Art Minia -<br />

tur-Stimmgabel, kleiner als der Durchmesser<br />

eines Haares. Damit man mit ihnen bio -<br />

logische Objekte in Lösung unter suchen<br />

kann, bedarf es eines Tricks. Der Resonator<br />

befindet sich in einem Vakuum und<br />

kann praktisch ungedämpft schwingen. In<br />

seinem Inneren befindet sich ein nur<br />

wenige Mikrometer breiter Kanal. Passiert<br />

ein Partikel den Kanal, so verschiebt sich<br />

die Resonanzfrequenz, also der <strong>für</strong> diese<br />

Mikro- und nanofluidische Systeme ermöglichen es,<br />

komplexe biologische Experimente in winzig kleinen<br />

Kanälen durchzuführen. Sehr kleine Objekte wie Zellen<br />

können darin einzeln und unter genau<br />

kontrollierten Bedingungen untersucht werden.<br />

»Stimm gabel« typische Ton. Aus dieser Änderung<br />

der »Tonlage« berechnen wir die<br />

Masse – mit einer Abweichung von einem<br />

Millionstel eines milliardstel Gramms. Damit<br />

gelingt es zum Beispiel, einzelne Bakterien<br />

mit der Genauigkeit von rund einem<br />

Prozent zu wiegen.<br />

Mit solchen physikalischen Messungen<br />

wollen wir bis in den Bereich einzelner<br />

Moleküle vorstoßen. Dazu bündeln wir die<br />

Kräfte verschiedener Forschungsbereiche<br />

und stützen uns auf das Wissen aus Bio -<br />

logie, <strong>Chemie</strong>, Ingenieurwissenschaften<br />

und Physik. Sie alle tragen zu den neuen<br />

Methoden bei und können von deren<br />

Anwendung profitieren.<br />

Auf Mikrochips integrierte hoch empfindliche Sen soren<br />

können kleinste Partikel, wie zum Beispiel einzelne Bakterien,<br />

direkt anhand ihrer Masse detektieren.<br />

Dr. Thomas Burg studierte bis<br />

2001 Physik an der ETH Zürich<br />

und promovierte 2005 am Massachusetts<br />

<strong>Institut</strong>e of Technology<br />

(MIT) in Cambridge (USA). Von<br />

2005 bis 2008 forschte er als Postdoktorand<br />

am MIT im Department<br />

of Biological Engineering. Seit<br />

2009 leitet er die <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Forschungsgruppe<br />

»Biologische Mikro-<br />

und Nanotechno logie« am<br />

<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />

<strong>Chemie</strong>.<br />

Kontakt:<br />

tburg@mpibpc.mpg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/<br />

research/ags/burg<br />

T. P. Burg, M. Godin, W. Shen, G. Carlson,<br />

J. S. Foster, K. Babcock, S. R. Manalis:<br />

Weighing of biomolecules, single cells,<br />

and single nanoparticles in fluid.<br />

Nature 446, 1066-1069 (2007).<br />

T. P. Burg, S. R. Manalis: Suspended<br />

microchannel resonators for biomolecular<br />

detec tion. Applied Physics Letters 83,<br />

2698-2700 (2003).<br />

29


Prof. Dr. Jürgen Troe promovierte<br />

1965 an der Universität Göttingen<br />

und habilitierte sich dort in Physikalischer<br />

<strong>Chemie</strong>. Im Jahr 1971<br />

wurde er als ordentlicher Professor<br />

an die École Polytechnique<br />

Fédérale nach Lausanne<br />

(Schweiz) berufen. 1975 kehrte er<br />

als Direktor an das <strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />

Physikalische <strong>Chemie</strong> der Universität<br />

Göttingen zurück. Von 1990<br />

bis 2008 leitete er zudem die Abteilung<br />

»Spektroskopie und photochemische<br />

Kinetik« am <strong>Max</strong>-<br />

<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />

<strong>Chemie</strong>, wo er seine Forschung<br />

im Rahmen einer Emeritusgruppe<br />

seither fortführt. Seit<br />

2009 arbeitet er darüber hinaus<br />

im Rahmen einer »Niedersachsenprofessur«<br />

an der Universität<br />

Göttingen. Jürgen Troe ist Honorarprofessor<br />

der École Polytechnique<br />

Fédérale de Lausanne,<br />

Ehrendoktor der Universitäten<br />

Bordeaux und Karlsruhe, Ehrenmitglied<br />

der Deutschen Bunsen-<br />

Gesellschaft, Mitglied zahlreicher<br />

Akademien und Träger vieler<br />

Preise.<br />

Kontakt:<br />

idreger@gwdg.de und<br />

shoff@gwdg.de<br />

www.uni-pc.gwdg.de/troe<br />

E. I. Dashevskaya, I. Litvin, E. E. Nikitin,<br />

J. Troe: Modelling low-energy electron-molecule<br />

capture processes. Phys.<br />

Chem. Chem. Phys. 10, 1270 (2008).<br />

Ch. Müller, J. Schroeder, J. Troe: Intramolecular<br />

hydrogen bonding in 1,8dihydroxy<br />

anthraquinone, 1-aminoanthraquinone,<br />

and 9-hydroxyphenalenone<br />

studied by pico second time-resolved<br />

fluorescence. J. Phys. Chem. B 110,<br />

19820 (2006).<br />

Ch. Müller, M. Klöppel-Riech, F. Schröder,<br />

J. Schroeder, J. Troe: Fluorescence<br />

and REMPI spectroscopy of jet-cooled<br />

isolated 2-phenylindene in the S1. J.<br />

Phys. Chem. A 110, 5017 (2006).<br />

30<br />

Spektroskopie und<br />

photochemische Kinetik<br />

Viele Erscheinungen der belebten und<br />

unbelebten Natur lassen sich auf molekulare<br />

Prozesse zurückführen. So reagieren<br />

viele Moleküle, Radikale und Atome in<br />

der Atmosphäre miteinander, nachdem sie<br />

durch Sonneneinstrahlung erzeugt und angeregt<br />

worden sind. Erstaunlicherweise<br />

sind diese Vorgänge denen sehr ähnlich,<br />

die im Feuer und im Verbrennungsmotor<br />

ablaufen. Sogar bei der Entstehung neuer<br />

Sterne in interstellaren Molekülwolken<br />

spielen solche Prozesse eine wichtige Rolle.<br />

Auch die Elementar prozesse photobiologischer<br />

Vorgänge, zum Beispiel der Photo -<br />

synthese, folgen in ihrer inner- und zwischenmolekularen<br />

Dynamik sehr ähn -<br />

lichen, grundlegenden Prinzipien.<br />

Um solche molekularen Prozesse zu untersuchen,<br />

leiten wir sie durch photo che -<br />

mische Aktivierung ein. Moleküle ab -<br />

sorbieren das Licht und erreichen durch<br />

die zugeführte Energie hoch aktive Zu -<br />

stände, oder es entstehen reaktive Teilchen,<br />

die eine Kette von Reaktionen auslösen.<br />

Wir untersuchen den zeitlichen Ablauf dieser<br />

Reaktionen und die nachfolgenden,<br />

häufig sehr schnellen Vorgänge, in dem wir<br />

die sehr spezifische Absorption von Licht<br />

durch die Mo leküle mit spektroskopischen<br />

Verfahren analysieren. Sogar Moleküle, die<br />

nur in ihrem Energiezustand variieren,<br />

können wir über ihre jewei ligen Spektren<br />

unterscheiden.<br />

Untersuchungen im<br />

Femtosekunden-Bereich<br />

Mithilfe moderner optischer Methoden<br />

lassen sich die Konzentrationen der Moleküle<br />

und ihre Energiezustände mit einer<br />

Zeitauflösung bis in den Femtosekunden-<br />

Bereich verfolgen, der Zeitskala der Bewegungen<br />

von Atomen. Damit wird sogar die<br />

»ultraschnelle« innermolekulare Dynamik<br />

direkt »sichtbar«. Ein theoretisches Verständnis<br />

dieser Abläufe erreichen wir mit<br />

den Methoden der Quantenchemie, der<br />

Reaktionsdynamik und der molekularen<br />

Statistik.<br />

Zurzeit konzentrieren wir uns auf Reaktionen<br />

von Molekül-Ionen in sogenannten<br />

Plasmen, dem gasförmigen Zustand der<br />

Materie, in dem nicht nur elektrisch neutrale,<br />

sondern auch geladene Teilchen<br />

nebeneinander existieren. Auf der Erde<br />

lässt sich dieser Zustand in der Ionosphäre<br />

oder in elektrischen Entladungen, etwa bei<br />

einem Blitz, nachweisen. Im Weltall be -<br />

findet sich der größte Teil der Materie in<br />

diesem Zustand.<br />

Mit den Ergebnissen aus diesen Untersuchungen<br />

entwickeln wir theoretische<br />

Modelle, die in vielen Gebieten von Nutzen<br />

sind: von der Astro- und Atmosphärenchemie<br />

über die Plasma- und Photochemie<br />

bis hin zur Verbrennungschemie. Auch<br />

großindustrielle Prozesse lassen sich damit<br />

optimieren.


Reaktionsdynamik<br />

Wenn Steine verwittern, so geschieht<br />

das in einem Zeitraum von vielen<br />

Jahrhunderten. Doch so langsam die zugrunde<br />

liegenden chemischen Reaktionen<br />

augenscheinlich ablaufen – auf der Ebene<br />

der Atome und Moleküle vollziehen sie<br />

sich un vorstellbar schnell: In Bruchteilen<br />

von Pikosekunden, also dem millionsten<br />

Teil einer millionstel Sekunde, ändern Moleküle<br />

ihre Struktur, werden chemische Bin -<br />

dungen gelöst oder neu geknüpft. Denn so<br />

schnell bewegen sich Atome im Molekül.<br />

Dabei durchlaufen die Moleküle unterschiedliche<br />

Energiezustände. Angetrieben<br />

werden diese Vorgänge einerseits durch<br />

Transport von Energie innerhalb der Mole -<br />

küle. Aber Energie wandert auch von Molekül<br />

zu Molekül, etwa wenn die Reaktanden<br />

mit dem Lösungsmittel wechsel -<br />

wirken, das sie umgibt.<br />

Auf der Zeitskala<br />

von Atom-Bewegungen<br />

Wir wollen die einzelnen Schritte dieser<br />

molekularen Prozesse sichtbar machen<br />

und im Detail verstehen. Dabei bedienen<br />

wir uns der Laserspektroskopie. Sie erlaubt<br />

es uns, die an einer chemischen Reaktion<br />

beteiligten Stoffe anhand ihres typischen<br />

Lichtspektrums zu identifizieren, so als<br />

hätte jede Substanz ihr ganz eigenes Regenbogenmuster.<br />

Damit charakterisieren<br />

wir auch die Konzentrationen, Energie -<br />

inhalte und anderen Eigenschaften dieser<br />

Stoffe zu jedem Zeitpunkt einer Reaktion.<br />

Im Zentrum unseres Interesses steht die<br />

Dynamik chemischer Reaktionen in Gasen,<br />

Flüssigkeiten und überkritischen Fluiden.<br />

Indem wir makroskopische Parameter<br />

wie Temperatur, Dichte oder Viskosität ändern,<br />

verändern wir auf mikroskopischer<br />

Ebene die Stärke der<br />

Wechselwirkungen zwischen<br />

den Molekülen<br />

sowie die Häufigkeit von<br />

energieübertragenden<br />

Stößen. Auf diese Weise<br />

entwirren wir die verschiedenen,<br />

einander<br />

überlagernden Faktoren,<br />

die den Verlauf einer che -<br />

mischen Reaktion be -<br />

einflussen. Mit unseren<br />

experimentellen Methoden<br />

können wir bis auf<br />

die Zeitskala der Bewegungen<br />

von Atomen in<br />

Molekülen vorstoßen.<br />

Damit wird die innermolekulare<br />

Dynamik direkt<br />

sichtbar.<br />

Dijodmethan in Chloroform – Momentaufnahme einer molekulardynamischen<br />

Computersimulation (Jod-Atome sind violett, Chlor-Atome orange gefärbt).<br />

Prof. Dr. Dirk Schwarzer promo -<br />

vierte 1989 an der Universität<br />

Göttingen in Physikalischer<br />

<strong>Chemie</strong>. Nach einem Forschungs -<br />

aufenthalt an der University of<br />

Chicago wechselte er 1990 als<br />

Arbeitsgruppenleiter in die Abteilung<br />

»Spektroskopie und photochemische<br />

Kinetik« an das <strong>Max</strong>-<br />

<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />

<strong>Chemie</strong>. Seit 2006 leitet er<br />

dort die Forschungsgruppe »Reaktionsdynamik«.<br />

Dirk Schwarzer<br />

habilitierte 1999 an der Universität<br />

Göttingen in Physikalischer<br />

<strong>Chemie</strong> und lehrt dort seit 2002<br />

als außerplanmäßiger Professor.<br />

Kontakt:<br />

dschwar@gwdg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/research/<br />

ags/schwarzer<br />

T. Schäfer, D. Schwarzer, J. Lindner, P.<br />

Vöhringer: ND-stretching vibrational<br />

energy relaxation of NH2D in liquid-tosupercritical<br />

ammonia studied by femtosecond<br />

midin frared spectroscopy. J.<br />

Chem. Phys. 128, 064502 (2008).<br />

C. Reichardt, J. Schroeder, D. Schwarzer:<br />

Femtosecond IR spectroscopy of<br />

peroxycarbonate photodecomposition:<br />

S1-lifetime determines decarboxylation<br />

rate. J. Phys. Chem. A, 111, 10111<br />

(2007).<br />

31


Dr. Simone Techert promovierte<br />

1997 an der Universität Göttingen.<br />

Von 1998 bis 2000 arbeitete sie als<br />

Postdoktorandin und Wissenschaftlerin<br />

an der Europäischen<br />

Synchrotron-Strahlungsquelle in<br />

Grenoble (Frankreich) und wechselte<br />

von dort an das Scripps Research<br />

<strong>Institut</strong>e in La Jolla (Kalifornien,<br />

USA) Von 2001 bis 2004<br />

leitete sie eine Emmy-Noether-<br />

Nach wuchs gruppe am <strong>Max</strong>-<br />

<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />

<strong>Chemie</strong>. 2005 habilitierte<br />

sie in Physikalischer <strong>Chemie</strong> und<br />

arbeitete an der Stanford Synchrotron<br />

Radiation Light Source<br />

in Stanford (USA). Seit 2006 leitet<br />

sie am <strong>Institut</strong> die unabhängige<br />

Arbeitsgruppe »Strukturdynamik<br />

(bio)chemischer Prozesse«.<br />

Simone Techert ist Mitglied der<br />

Advanced Study Group der <strong>Max</strong>-<br />

<strong>Planck</strong>-Gesellschaft am Center of<br />

Free Electron Laser Science,<br />

Hamburg. Ihre Arbeiten wurden<br />

unter anderem mit dem ESRF-PdP-<br />

Preis (1999), dem Röntgen-Preis<br />

(2005) und dem Karl-Winnacker-<br />

Stipendium (2006) ausgezeichnet.<br />

Kontakt:<br />

stecher@gwdg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/<br />

research/ags/techert<br />

A. Debnarova, S. Techert: Ab initio<br />

treatment of time-resolved X-ray scattering.<br />

J. Chem. Phys. 125, 224101<br />

(2006).<br />

A. M. Lindenberg, et al.: Atomic-scale<br />

visualization of inertial dynamics.<br />

Science 308, 392-394 (2005).<br />

32<br />

Strukturdynamik<br />

(bio)chemischer Prozesse<br />

Wie flink ist ein Molekül und wie<br />

wendig? Was passiert, wenn seine<br />

Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird, etwa<br />

weil es in einem Kristallgitter gefangen<br />

sitzt? Wie bewegen sich die einzelnen Atome,<br />

wenn sich ein Molekül mit einem anderen<br />

einlässt, also eine chemische Reaktion statt -<br />

findet? Um solche Fragen geht es in unserer<br />

Arbeitsgruppe.<br />

Wenn wir atomare und molekulare Struk -<br />

turen in Aktion beobachten, setzen wir<br />

Röntgenblitze ein, die nur 10 –14 Sekunden<br />

dauern – eine hundert billionstel Sekunde.<br />

Diese extrem kurzen Blitze werden an den<br />

Molekülen abgelenkt und dann nachgewiesen<br />

(ultraschnelle Röntgenbeugung). So las sen<br />

sich einzelne Atome innerhalb eines Moleküls<br />

lokalisieren, und zwar mit einer Genauigkeit<br />

von einem milliardstel Millimeter.<br />

Da die untersuchten Moleküle hundert- bis<br />

tausendmal größer sind, können wir so sehr<br />

genau auf sehr schnellen Zeitskalen jede<br />

Bewegung und jede Dynamik in Molekülen<br />

und chemischen Reaktionen verfolgen.<br />

Choreographie der Moleküle<br />

Zusätzlich beobachten wir, was von dem<br />

Röntgenblitz übrig bleibt, nachdem ein Teil<br />

der Lichtquanten von den im Weg stehenden<br />

Molekülen aufgefangen wurde (ultraschnelle<br />

Röntgenspektroskopie). So können<br />

wir herausfinden, mit welchen Bewegungen<br />

Molekulare Bewegungen während einer chemischen<br />

Reaktion werden mit weicher Röntgenstrahlung<br />

der vierten Generation (Free Electron<br />

Laser) untersucht: Ultraschnelle Röntgenbeugung<br />

an Lipiden liefert typische Beugungsmuster.<br />

einzelne Atome der untersuchten Moleküle<br />

in der Choreographie einer chemischen<br />

Reaktion mitspielen. Mit diesen Methoden<br />

hoffen wir, chemische Prozesse so genau<br />

zu verstehen, dass wir sie gezielt manipulieren<br />

können, beispielsweise um Materialien<br />

zu entwickeln, die elektrische Energie<br />

effizienter in Lichtenergie um wandeln.<br />

Solche lichtaktiven Materialien könnten<br />

unter anderem in Photovoltaik-Anlagen<br />

und Biokraftwerken eingesetzt werden.<br />

Röntgenblitz aus Röntgenblitz an<br />

Röntgenstrahlung und Wasserchemie – wenn extrem kurze Röntgenblitze auf Wasser treffen,<br />

entstehen im billionsten Teil einer Sekunde freie Elektronen.


Laserchemie<br />

Die Sonne schickt energiereiches Licht<br />

auf die Erde und induziert dort zahlreiche<br />

Prozesse, die thermischer oder photo -<br />

chemischer Natur sein können. Wir erforschen<br />

die Wechselwirkung und Einkopplung<br />

von energiereicher Strahlung, ins besondere<br />

von Laserstrahlung, in Mate ri a lien. Wir<br />

wollen dadurch verstehen, wie diese Energie<br />

auf Moleküle und Atome wirkt und möchten<br />

diese Effekte gezielt nutzbar machen.<br />

Gelingt es, Laserlicht kontrolliert einzu -<br />

setzen, kann man es etwa <strong>für</strong> die Laser-<br />

Ablation nutzen – das extrem genaue und<br />

schonende Abtragen von Materialien. Damit<br />

lässt sich die weiche Oberfläche der<br />

Augen-Hornhaut zur Behandlung von Fehl -<br />

sichtigkeit ebenso bearbeiten wie härteste<br />

Metalle in der Industrie.<br />

Filigrane Strukturen per Laser<br />

Ferner setzen wir Laser ein, um kleine<br />

filigrane Strukturen aus Keramiken oder<br />

Metallen aufzubauen. Dazu richten wir<br />

den Laser in ein Gas, das<br />

eine Verbindung enthält,<br />

die durch die Energie<br />

des Lasers gezielt zerfällt<br />

und beispielsweise Alu -<br />

mi nium oder Aluminium -<br />

oxid abscheidet. So wach -<br />

sen scheinbar aus dem<br />

Nichts feine Aluminiumstreben<br />

oder Aluminium-<br />

oxiddrähte. Wie mit einer Art Zeichenstift<br />

schreiben wir die gewünschten Strukturen<br />

mit unserem Laserstrahl in den Gasnebel.<br />

So lassen sich winzige Ring-Elektroden <strong>für</strong><br />

die Chipindustrie erzeugen oder kleine<br />

Käfige bauen, die aussehen wie der Eiffelturm<br />

oder ein modernes Kunstwerk aus<br />

Metalldrähten.<br />

Im Inneren dieser Käfige lassen sich Zellen<br />

oder Substanzen dank abstoßender<br />

elektrischer Felder frei schwebend halten,<br />

um sie zu erforschen. Nur so können Biologen<br />

zum Beispiel Zellen völlig unbeeinflusst<br />

von einer Oberfläche in einer wässrigen<br />

Lösung untersuchen.<br />

Käfigstrukturen, die durch Laser-Direktschreiben aus<br />

dem Gas heraus erzeugt werden. Aluminiumstreben<br />

wurden mit einer Schreibgeschwindigkeit von 100 (links)<br />

oder 50 Mikrometern pro Sekunde (oben) erzeugt. Ausgangsmaterial<br />

ist in beiden Fällen die Substanz Dimethylethylaminallan<br />

in einem Gas. Durch die Energie des<br />

Lasers bricht die Verbindung zwischen einem Stickstoffatom<br />

und dem Aluminiumatom auf und das Aluminium<br />

lagert sich zur Strebe zusammen.<br />

Prof. Dr. Michael Stuke studierte<br />

Physik an den Universitäten Marburg<br />

und Heidelberg sowie der<br />

Technischen Universität München.<br />

Im Jahr 1977 promovierte<br />

er in Physikalischer <strong>Chemie</strong> mit<br />

einer Arbeit über Laser-Isotopentrennung,<br />

<strong>für</strong> die er mit der Otto-<br />

Hahn-Medaille der <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />

Gesellschaft ausgezeichnet wurde.<br />

Seit 1981 ist er Leiter der Arbeitsgruppe<br />

«Laserchemie» am<br />

<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />

<strong>Chemie</strong>.<br />

Kontakt:<br />

mstuke@gwdg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/research/<br />

ags/stuke<br />

M. Stuke, K. Mueller, T. Mueller et al.:<br />

Direct-writing of three-dimensional<br />

structures using laser-based processes.<br />

MRS BULLETIN 32, 32-39 (2007),<br />

invited paper.<br />

33


34<br />

Raffinierte Moleküle


Wie Form und Funktion zusammenhängen<br />

Für jeden Zweck ein passendes Protein – der menschliche<br />

Körper hält Hunderttausende davon bereit. Allein unser<br />

Immunsystem schützt uns mit einem riesigen Sortiment<br />

von Antikörpern vor Krankheitserregern. Einer Vielzahl von<br />

Proteinen lässt sich allerdings noch keine biologische Aufgabe<br />

zuordnen. Und funktionelle Details sind noch seltener<br />

bekannt. Hier eröffnet sich ein weites Feld <strong>für</strong> die Forschung.<br />

Darüber hinaus gilt das Interesse der Wissenschaftler<br />

einer weiteren Kategorie von Makromolekülen:<br />

Nukleinsäuren bergen nicht nur genetische Botschaften,<br />

sie fungieren auch als Enzyme – nicht zuletzt bei der Produktion<br />

von Proteinen.<br />

35


36<br />

Theoretische und<br />

computergestützte Biophysik<br />

Hoch spezialisierte Proteine verrichten und<br />

steuern praktisch alle Prozesse im Körper:<br />

Sie transportieren zelluläre Fracht, empfangen und<br />

übermitteln Signale, wandeln Energie um, brin gen<br />

chemische Reaktionen in Gang oder sorgen<br />

<strong>für</strong> Wachstum und Bewegung. Mit gutem Recht<br />

kann man diese Moleküle als die biochemischen<br />

»Nano-Maschinen« der Zelle bezeichnen, hervorgegangen<br />

aus einer Milliarden Jahre langen Evolution.<br />

Wie bei den von Menschenhand gebauten<br />

Maschinen sind es oft auch bei den Proteinen die<br />

Bewegungen der Einzelteile, die ihre Funktion bestimmen.<br />

Die interne Proteindynamik ist daher äußerst<br />

fein abgestimmt: In vielen Fällen kommt es<br />

auf die Bewegung einzelner Atome an.<br />

Kein Wunder, dass kleine Konstruktionsfehler<br />

mitunter fatale Folgen haben. Einige Erbkrank -<br />

heiten, beispielsweise die Sichelzellanämie, sind<br />

darauf zurückzuführen, dass sich ein bestimmtes<br />

Protein in nur wenigen Atomen von der normalen<br />

Version unterscheidet. Und das, obwohl<br />

Proteine nicht selten aus vielen zehntausend<br />

Atomen beste hen. Während der genaue<br />

Aufbau von Proteinen in vielen<br />

Fällen mit atomarer Auflösung vermessen<br />

werden kann, sind die oft<br />

sehr schnellen Bewegungen eines<br />

Proteins auf atomarer Ebene<br />

experimentell äußerst schwer zugänglich.<br />

Um herauszufinden, wie diese<br />

nanotechnischen Wunderwerke<br />

funktionieren, setzen wir Computersimulationen<br />

ein. Moderne


Kräfte spielen bei den molekularen Nanomaschinen eine wichtige Rolle, sind dort jedoch außer -<br />

ordentlich schwer zu messen. Unsere Computersimulationen helfen hier zu verstehen, wie Proteine<br />

auf Kräfte reagieren. Das Bild zeigt ein Vitamin-Molekül, das aus der Bindungstasche eines Rezeptors<br />

gezogen wird – ein Prozess, der experimentell im Rasterkraftmikroskop vermessen werden kann.<br />

Höchstleistungs parallelcomputer und<br />

immer ausgeklügeltere numerische Verfahren<br />

erlauben uns, die Bewegung jedes<br />

einzelnen Atoms eines Proteinkomplexes<br />

mit hinreichender Genauigkeit<br />

zu berechnen. Um komplexe Lebensprozesse<br />

auf der Grundlage der bekannten<br />

physikalischen Gesetze im Detail zu<br />

verstehen, arbeiten wir eng mit experimentellen<br />

Arbeitsgruppen zusammen.<br />

Proteine bei der Arbeit –<br />

der kleinste Motor der Welt<br />

Ein besonders eindruckvolles Beispiel<br />

<strong>für</strong> Proteine »bei der Arbeit« ist der molekulare<br />

Motor ATP- Synthase. Dieser<br />

Protein komplex von nur zwanzig Nanometern<br />

(millionstel Millimetern) Größe<br />

arbeitet in den »Kraftwerken« der Zellen<br />

und liefert <strong>für</strong> viele Prozesse im Körper<br />

die nötige Energie. Mithilfe dieser<br />

Proteinmaschine setzt der menschliche<br />

Körper pro Tag etwa 75 Kilogramm des<br />

Energiespeichermoleküls ATP um, bei<br />

sportlichen Höchst leis tun gen sogar<br />

noch weit mehr.<br />

In der Tat ist die Ähnlichkeit zwischen<br />

der ATP-Synthase und einem<br />

Ottomotor frap pierend: Hier wie dort<br />

gibt es antreibende Kraft stöße, eine sich<br />

drehende »Kurbelwelle« und sich bewegende<br />

»Zy linder«. Der entscheidende<br />

Unterschied ist der Wirkungsgrad:<br />

Während der Ottomotor nur einen<br />

Bruchteil der thermodynamisch maximal<br />

möglichen Leistung erzielt, sind es<br />

bei der ATP-Synthase nahezu 100 Pro -<br />

zent. Wie diese Energieübertragung im<br />

Detail funktioniert, konnten wir durch<br />

Com puter simu la tio nen aufklären. Die<br />

Simulationen of fenbarten eine regelrechte<br />

»Nanomechanik«. Die Drehbewegung<br />

der Achse wird in eine atomar<br />

abgestimmte Bewegung an der Syn -<br />

thesestelle übersetzt, sodass das ATP-<br />

Molekül gezielt zusammengesetzt wird.<br />

� Als Nanomaschine par excellence produziert die ATP-Synthase den universellen »Brennstoff« ATP im<br />

Körper. Die komplette Maschinerie ist gerade einmal 20 millionstel Millimeter groß. In diesem am Computer<br />

erzeugten Schnappschuss wurde gerade ein ATP-Molekül (rot) im Kopfteil (cyan/grün) fertig gestellt. Die<br />

dazu benötigte Energie wird durch eine schnell rotierende »Kurbelwelle« (orange, gelber Pfeil) übertragen,<br />

die ihrerseits von einem Fußteil in der Mitochondrienmembran (grün/ gelb) angetrieben wird. Ähnlich<br />

wie ein Elektromotor wird dieser Fußteil durch einen elektrischen Strom angetrieben, der zwischen dem<br />

Fußteil und dem roten Stator über die Membran fließt. Um die Nanomaschine bei der Arbeit zu untersuchen,<br />

be stimmen wir mithilfe des Computers die Kräfte, die auf jedes einzelne Atom wirken, und berechnen<br />

daraus deren detaillierte Bewegung. Die so erzeugte »Filmsequenz« enthüllt die Tricks der Natur.<br />

Prof. Dr. Helmut Grubmüller<br />

promovierte 1994 in Theoretischer<br />

Physik an der Technischen Universität<br />

München. Von 1994 bis<br />

1998 arbeitete er als Assistent an<br />

der Ludwig-<strong>Max</strong>imi lians-Uni ver -<br />

si tät in München. Im Jahr 1998<br />

wechselte er als Forschungsgruppenleiter<br />

an das <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong>.<br />

Dort leitet er seit 2003 die<br />

Abteilung »Theoretische und<br />

computergestützte Biophysik«.<br />

Helmut Grubmüller ist zugleich<br />

Honorar professor <strong>für</strong> Physik an<br />

der Universität Göttingen.<br />

Kontakt:<br />

hgrubmu@gwdg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/home/<br />

grubmueller<br />

Interne Arbeitsgruppen:<br />

Dr. Gerrit Grœnhof<br />

M. Zink, H. Grubmüller: Mechanical<br />

properties of the icosahedral shell of<br />

southern bean mosaic virus: a molecular<br />

dynamics study. Biophys J. 96, 1350-<br />

1363 (2009).<br />

L. V. Schäfer, E. M. Müller, H. E. Gaub,<br />

H. Grubmüller: Elastic properties of<br />

photo switchable azobenzene polymers<br />

from molecular dynamics simulations.<br />

Angew. <strong>Chemie</strong> Int. Ed. 46, 2232-2237<br />

(2007).<br />

F. Gräter, J. Shen, H. Jiang, M. Gautel,<br />

H. Grubmüller: Mechanically induced<br />

titin kinase activation studied by forceprobe<br />

molecular dynamics simulations.<br />

Biophys. J. 88, 790-804 (2005).<br />

R. Böckmann, H. Grubmüller: Nano -<br />

seconds molecular dynamics simulation<br />

of primary mechanical energy transfer<br />

steps in ATP synthase. Nature Struct.<br />

Biol. 9, 198-202 (2002).<br />

M. Rief, H. Grubmüller: Kraftspektroskopie<br />

von einzelnen Biomolekülen.<br />

Physikalische Blätter, 55-61, Feb.,<br />

(2001).<br />

37


Prof. Dr. Bert de Groot promovierte<br />

1999 in Biophysikalischer <strong>Chemie</strong><br />

an der Universität Groningen<br />

(Nie derlande). Von 1999 bis 2003<br />

arbeitete er als Postdoktorand in<br />

der Arbeitsgruppe von Helmut<br />

Grubmüller am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />

<strong>Chemie</strong> in Göttingen. Dort leitet<br />

er seit 2004 die Arbeitsgruppe<br />

»Computergestützte biomoleku -<br />

lare Dynamik«. Seit 2009 ist Bert<br />

de Groot außerplanmäßiger Professor<br />

<strong>für</strong> Physik an der Univer -<br />

sität Göttingen.<br />

Kontakt:<br />

bgroot@gwdg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/research/<br />

ags/degroot<br />

O. F. Lange, N. A Lakomek, C. Fares, G.<br />

F. Schröder, K. F. A. Walter, S. Becker, J.<br />

Meiler, H. Grubmüller, C. Griesinger, B.<br />

L. de Groot: Recognition dynamics up<br />

to microseconds revealed from RDC<br />

derived ubiquitin ensemble in solution.<br />

Science 320, 1471-1475 (2008).<br />

J. S. Hub, B. L. de Groot: Mechanism<br />

of selectivity in aquaporins and aquaglyceroporins.<br />

Proc. Nat. Acad. Sci.<br />

105, 1198-1203 (2008).<br />

D. Seeliger, J. Haas, B. L. de Groot:<br />

Geometry-based sampling of conformational<br />

transitions in proteins. Structure<br />

15, 1482-1492 (2007).<br />

38<br />

Computergestützte biomolekulare<br />

Dynamik<br />

Die Funktion einer Maschine lässt sich<br />

viel leichter verstehen, wenn wir sie<br />

in Aktion beobachten können. Das gleiche<br />

gilt <strong>für</strong> die winzigen Maschinen unserer<br />

Zellen – die Proteine. Milliarden dieser<br />

»Nanomaschinen« ermöglichen, steuern<br />

oder unterstützen fast alle Prozesse in unserem<br />

Körper. Entsprechend fatal sind die<br />

Folgen, wenn Pro teine nicht richtig funktionieren:<br />

Viele Krankheiten beruhen auf<br />

solchen Fehlfunktionen.<br />

Welche Wechselwirkungen bewirken das<br />

Verklumpen von Proteinen und verursachen<br />

somit Krankheiten wie Alzheimer<br />

oder Parkinson? Wie regulieren Zellen den<br />

Ein- und Ausstrom von Molekülen wie<br />

Wasser, Ionen und Nährstoffe? Wie funktioniert<br />

die molekulare Erkennung? Diese<br />

Fragestellungen untersuchen wir in unserer<br />

Arbeitsgruppe.<br />

Um die Funktion und Fehlfunktion von<br />

Pro teinen zu verstehen, reicht es allerdings<br />

nicht aus, ihren Bauplan und ihre drei -<br />

dimensionale Form zu kennen. Erst über<br />

fein abgestimmte Bewegungen erfüllen Proteine<br />

ihre jeweilige Aufgabe. Unser Ziel ist<br />

es, die mole kularen Mechanismen aufzuklären,<br />

die dieser Proteindynamik zugrunde<br />

liegen. Wir setzen dabei auf Computer -<br />

simulationen, um die Bewegungen von Proteinen<br />

im atomaren Detail zu verfolgen.<br />

Wasserkanäle, die auch filtern<br />

Ein Protein, das wir in unserer Gruppe<br />

un tersuchen, ist das Aquaporin. In der<br />

Zell membran bildet es Poren, die als perfekte,<br />

hochselektive Filter wirken. Nur<br />

Was ser moleküle können passieren, Ionen<br />

Molekulare Erkennung durch Ubiquitin. Da Ubiquitin<br />

schnell unterschiedliche Formen annehmen kann,<br />

erkennt es viele verschiedene Bindungspartner.<br />

Man kann es sich wie einen Schlüsselbund vorstellen,<br />

mit dem sich verschiedene Schlösser öffnen lassen.<br />

und grö ße ren Molekülen wird der Durchtritt<br />

verwehrt. Durch Molekulardynamik-<br />

Simulationen ist es uns gelungen, den Mechanismus<br />

aufzuklären, der Aquaporine<br />

derart selektiv filtern lässt: Eine elektrostatische<br />

Barriere verwehrt jeglichen Ionen<br />

wirksam den Durchlass.<br />

Daneben haben wir einen wahren Verwandlungskünstler<br />

unter den Proteinen im<br />

Visier: das Ubiquitin. Es ist Teil eines ausgeklügelten<br />

Recycling-Systems der Zelle,<br />

das bestimmte Proteine als zellulären »Müll«<br />

markiert. Doch wie schafft es das Ubiquitin,<br />

eine Vielzahl unterschiedlicher Partnermoleküle<br />

zu erkennen und zu binden?<br />

In Zusammenarbeit mit der Ab teilung<br />

»NMR-basierte Strukturbiologie« konnten<br />

wir nach weisen, dass Ubiquitin überraschend<br />

beweglich ist: Extrem schnell – innerhalb<br />

von millionstel Sekunden – ändert<br />

es ständig seine Form, bis diese zufällig zu<br />

einem seiner Partner passt.<br />

Wasserfluss durch einen Aquaporin-Kanal.<br />

Links: Wasser (rot/weiss) fließt nicht durch die Lipidmembran<br />

(grün/gelb), sondern durch spezielle Poren,<br />

die Aquaporine in der Membran bilden (blau).<br />

Rechts: Weg der Wassermoleküle durch den Aqua -<br />

porin-Kanal. Spezifische Wechselwirkungen erlauben<br />

den Durchtritt von Wasser, verhindern aber, dass größere<br />

Moleküle oder Ionen unkontrolliert passieren<br />

können. Sogar winzige Protonen (Wasserstoffionen)<br />

werden ausgeschlossen.


Strukturuntersuchungen<br />

an Proteinkomplexen<br />

Die Kommunikation muss stimmen, das<br />

gilt auch <strong>für</strong> Zellen. Um zu überleben,<br />

müssen Bakterienzellen genau wie die<br />

Zellen unseres Körpers auf eine ganze Palet -<br />

te von Reizen in ihrer Umgebung reagieren.<br />

Allerdings haben die Reize auf dem Weg<br />

ins Zell innere noch eine Barriere zu bezwin -<br />

gen: die Zellmembran. Sie schirmt das Innen -<br />

leben der Zelle wirksam von der Außenwelt<br />

ab. Eine Verbindung von drinnen nach<br />

draußen gibt es dennoch: Winzige Empfangs-<br />

Antennen in der Membran – die Sensor-<br />

Proteine – fangen die Reize auf und leiten<br />

sie durch die Membran. Dabei treten sie in<br />

engen Kontakt mit ihren Kommunikationspartnern.<br />

Je nach Bedarf werden Sensor-<br />

Proteine ein- und ausgeschaltet. Doch was<br />

lässt Proteine umschalten von »an« auf »aus«?<br />

Um eine Antwort auf diese Frage zu finden,<br />

züchten wir Kristalle solcher Sensor-<br />

Proteine – eine mitunter langwierige Prozedur.<br />

Durch einen solchen Kristall schicken<br />

wir dann energiereiche Röntgenstrahlen<br />

und erhalten so ein kompliziertes Beu -<br />

gungs muster, das eine Fülle von Informationen<br />

über die räumliche Struktur des<br />

Sensor-Proteins liefert. Einen<br />

Nachteil hat diese Methode<br />

freilich. Dem Protein bleibt<br />

im Kristall praktisch kein Bewegungsspielraum.<br />

Um dy na -<br />

mi sche Prozesse wie Schalt vor -<br />

gänge zu erfassen, sind daher<br />

ergänzende Kernspin resonanz<br />

(NMR)-Messungen vonnöten.<br />

Denn bei diesem Verfahren<br />

können Moleküle in Lösung<br />

untersucht werden – mit viel<br />

Be wegungsfreiheit.<br />

Was Proteine schalten lässt<br />

Strukturänderungen sind <strong>für</strong> die Zustände<br />

»an« und »aus« von zentraler Bedeutung.<br />

Die Unterschiede zwischen aktivem und<br />

inaktivem Zustand können klein sein, wie<br />

zum Beispiel bei der Histidin-Kinase CitA.<br />

Dieses Protein ist <strong>für</strong> Bakterien lebenswichtig,<br />

weil sie damit auf Veränderungen<br />

ihres Lebensraums re agieren. Unsere Unter -<br />

suchungen zeigen: Wenn Citrat an den Bereich<br />

des Proteins bindet, der nach außen<br />

ragt, zieht sich das Protein an dieser Stelle<br />

zusammen. Diese Kontraktion ist letztlich<br />

entscheidend <strong>für</strong> die Übertragung des Signals<br />

ins Zellinnere.<br />

Im Fall einer anderen Proteingruppe, der<br />

STAT-Proteine, sind die Strukturänderungen<br />

dagegen groß: STAT-Proteine über -<br />

tragen Signale von der Zellmembran ins<br />

Innere des Zellkerns und verändern die Aktivität<br />

bestimmter Gene. Zwar binden immer<br />

zwei STAT-Proteine aneinander, egal<br />

ob das STAT aktiv ist oder inaktiv. Doch die<br />

Bindung erfolgt auf ganz unterschiedliche<br />

Weise, mal parallel, mal antiparallel zu -<br />

einander angeordnet.<br />

Nur wenn Citrat an den Teil der Histidin-Kinase<br />

CitA bindet, der aus der Zellmembran nach außen<br />

ragt, ist dieser kontrahiert. Hierdurch wird ein<br />

anderer Teil der Histidin-Kinase nach »oben« gezogen.<br />

Diese Bewegung ist das Signal, das ins<br />

Zellinnere weitergegeben wird.<br />

Dr. Stefan Becker promovierte<br />

1991 an der Universität des Saarlandes<br />

in <strong>Chemie</strong> und ging anschließend<br />

an das C.H. Best <strong>Institut</strong>e<br />

in Toronto (Kanada). Im Jahr<br />

1995 wechselte er an die Außenstelle<br />

des Europäischen Molekularbiologischen<br />

Labors in Grenoble.<br />

Seit 1999 leitet Stefan Becker<br />

die Projektgruppe »Molekularbiologie«<br />

in der Abteilung »NMRbasierte<br />

Strukturbiologie« am<br />

<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> bio -<br />

physika lische <strong>Chemie</strong>.<br />

Kontakt:<br />

sabe@nmr.mpibpc.mpg.de<br />

http://medusa.nmr.mpibpc.mpg.de<br />

M. Sevvana et al.: A ligand-induced<br />

switch in the periplasmic domain of<br />

sensor histidine kinase CitA. J. Mol.<br />

Biol. 377, 512-523 (2008).<br />

In ihrer aktiven Form (A) sind die beiden STAT- Moleküle parallel an geordnet und<br />

umschließen wie ein Nussknacker die Erbsubstanz (rote Struktur in zentraler<br />

Position). In der inaktiven Form (B) sind die STATs hingegen antiparallel angeordnet;<br />

die Struktur ähnelt einem Boot.<br />

D. Neculai, A. M. Neculai, S. Verrier,<br />

K. Straub, K. Klumpp, E. Pfitzner,<br />

S. Becker: Structure of the unphosphory -<br />

lated STAT5a dimer. J. Biol. Chem.<br />

280, 40782-40787 (2005).<br />

S. Becker, B. Groner, C.W. Müller:<br />

Three-dimensional structure of the<br />

Stat3ß homodimer bound to DNA.<br />

Nature 394, 145-151 (1998).<br />

39


Räumliche Rekons truk -<br />

tion eines Tubulin-<br />

Moleküls. Wie sich das<br />

Antikrebsmittel (Mitte)<br />

in diese Struktur<br />

hineindrängt, zeigte die<br />

NMR-Spektroskopie.<br />

40<br />

NMR-basierte Strukturbiologie<br />

Bei molekularem Inventar ist die räumliche<br />

Struktur gleichermaßen wichtig wie die chemische<br />

Zusammensetzung. Welch fatale Folgen<br />

ein Formfehler haben kann, zeigen bisher unheilbare<br />

Leiden wie die Alzheimer-, Parkinson- und<br />

Creutzfeldt-Jakob-Krankheit. In allen drei Fällen<br />

sammeln sich deformierte Proteinmoleküle in<br />

Gehirnzellen an und richten sie zugrunde. Nur<br />

wenn Proteine und Nukleinsäuren in Form bleiben,<br />

können sie ihre biologische Aufgabe erfüllen.<br />

Uns interessiert die Frage, auf welche strukturellen<br />

Details es dabei ankommt.<br />

Zum Kern der Sache<br />

Die Methode der Wahl ist hier die NMR-Spektroskopie.<br />

Bei der nuklearmagnetischen Resonanz<br />

(NMR) macht man sich zunutze, dass die meisten<br />

Atomkerne magnetische Eigenschaften besitzen.<br />

Sie lassen sich als elektrisch geladene Kreisel betrachten,<br />

die sich an einem äußeren Magnetfeld<br />

auszurichten versuchen. Aufgrund dieser Eigenschaft<br />

können die Atomkerne elektromagnetische<br />

Strahlung bestimmter Energie absorbieren. Welche<br />

Frequenz absorbiert wird, hängt von der chemischen<br />

Umgebung ab. In einem Molekül mit vielen<br />

unterschiedlich platzierten Atomkernen wird eine<br />

entsprechend große Zahl unterschiedlicher Energieportionen<br />

benötigt. So ergibt sich ein NMR-<br />

Spektrum, das detaillierte Informationen über die<br />

Anordnung der einzelnen Atomkerne und damit<br />

der Atome im Raum enthält.<br />

Diese Informationen zu entschlüsseln ist al -<br />

lerdings eine Kunst <strong>für</strong> sich. Und je größer die untersuchten<br />

Moleküle, desto schwieriger wird diese<br />

Aufgabe: Man muss auf sogenannte Tripelresonanz-Experimente<br />

zurückgreifen, die drei di men -<br />

sionale Spektren ergeben. Bei Proteinmolekü-<br />

len, die aus mehr als zweihundert Aminosäu ren –<br />

Bausteinen aller Proteine – zusammengesetzt sind,<br />

stößt selbst diese NMR-Spektroskopie an<br />

ihre Grenzen. Doch wir versuchen, darüber<br />

hinaus zugehen.<br />

Grenzen überschreiten<br />

Unter anderem arbeiten wir dabei mit Isotopen:<br />

Wir ersetzen beispielsweise gewöhnlichen Stickstoff<br />

zum Teil durch eine Variante mit schwererem<br />

Atomkern. Im NMR-Spektrum können wir dann<br />

ent weder das eine oder das andere Isotop sichtbar<br />

machen. So lassen sich Proteine, die <strong>für</strong> die NMR-


Spektroskopie eigentlich zu groß sind,<br />

stückweise analysieren. Zunächst stellt<br />

sich jedoch das Problem, sie in ausreichender<br />

Menge zu produzieren. Als hilfreich<br />

erweisen sich dabei Bakterien, die<br />

mit dem fraglichen Gen ausgestattet<br />

wurden. Füttert man sie mit Aminosäuren,<br />

die ein bestimmtes Isotop enthalten,<br />

so bauen sie – wenn alles gut geht –<br />

das Protein nach Wunsch zusammen.<br />

Elektronen – die ein viel größeres mag -<br />

netisches Moment besitzen – können<br />

ebenfalls an Moleküle geheftet werden.<br />

Sie liefern zusätzliche Informa tionen,<br />

die wir zum Beispiel genutzt haben, um<br />

bei einem der häufigsten Membranproteine<br />

des Menschen die räumliche<br />

Struktur zu analysieren. Darüber hinaus<br />

möchten wir Elektronen auch zur Signalverstärkung<br />

verwenden.<br />

Dynamische Moleküle<br />

Mit der NMR-Spektroskopie lassen sich<br />

Proteine aber auch in Aktion beobachten.<br />

In Lösung oder in eine Membran<br />

eingebettet, können sie sich während<br />

der Messung ähnlich frei bewegen wie<br />

in ihrem natürlichen Umfeld. Wenn sie<br />

dabei ihre räumliche Struktur ändern,<br />

geschieht das oft sehr schnell. Ein<br />

neues Verfahren erlaubt es uns, Bewegungen<br />

von Proteinen zu messen, die<br />

sich in einem Zeitfenster zwischen einer<br />

Räumliche Struktur eines molekularen Kanals, der die<br />

äußere Membran von Mitochondrien – die »Kraftwerke«<br />

jeder Zelle – durchdringt. Über solche Kanäle<br />

liefern die Mitochondrien chemische Energie in Form<br />

von Adenosintriphosphat (ATP), im Körper eines Menschen<br />

täglich etwa 75 Kilogramm.<br />

milliardstel und einer millionstel Sekunde<br />

abspielen. Dadurch gewinnen wir neue<br />

Erkenntnisse, wie Proteine einander erkennen<br />

und was sie beweglich macht.<br />

Arzneimittel im Blickpunkt<br />

Wie kleine Moleküle auf große Proteine<br />

einwirken, können wir schon jetzt sehr<br />

genau studieren. So lässt sich zum Beispiel<br />

zeigen, wie ein Wirkstoff <strong>für</strong> die<br />

Chemotherapie von Krebs an dem Protein<br />

Tubulin andockt. Aus Tubulin sind<br />

die Mikrotubuli zusammengesetzt, lange<br />

Röhren, mit denen sich die Zellen in<br />

Form halten. Wenn der Auf- und Umbau<br />

dieses Gerüsts nicht funktioniert,<br />

gehen die Zellen zugrunde, sobald sie<br />

sich zu vermehren versuchen. Das trifft<br />

Krebszellen besonders hart, weil sie gewöhnlich<br />

hemmungslos <strong>für</strong> Nachkommenschaft<br />

sorgen. Ein kleines Molekül<br />

aus eigener Herstellung kann Leiden<br />

wie die Alzheimer-, Parkinson- und<br />

Creutzfeldt-Jakob-Krankheit stoppen –<br />

zumindest im Tiermodell. Derzeit studieren<br />

wir die räumliche Struktur dieses<br />

vielversprechenden Moleküls im Komplex<br />

mit seinem Zielmolekül.<br />

Prof. Dr. Christian Griesinger<br />

studierte <strong>Chemie</strong> und Physik an<br />

der Universität Frankfurt und promovierte<br />

dort 1986 in Organischer<br />

<strong>Chemie</strong>. Von 1986 bis 1989 arbei -<br />

tete er als Postdoktorand und<br />

Assistent am Laboratorium <strong>für</strong><br />

Physikalische <strong>Chemie</strong> der ETH<br />

Zürich. 1990 wurde er Professor<br />

am <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Organische <strong>Chemie</strong><br />

der Universität Frankfurt, und seit<br />

1999 leitet er die Abteilung »NMRbasierte<br />

Struktur biologie« am<br />

<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />

<strong>Chemie</strong>. Christian Griesinger<br />

erhielt mehrere wissenschaft -<br />

liche Auszeichnun gen, darunter<br />

den Sommerfeld-Preis (1997), den<br />

Leibniz-Preis (1998) und den<br />

Bayer-Preis (2003). Er ist Mitglied<br />

der Akademie der Wissenschaften<br />

zu Göttingen und der Aka demie<br />

Leopoldina. Christian Griesinger<br />

wird derzeit durch einen »ERC<br />

Advanced Grant« gefördert.<br />

Kontakt:<br />

cigr@nmr.mpibpc.mpg.de<br />

http://medusa.nmr.mpibpc.mpg.de<br />

O. Lange, N. A. Lakomek, C. Farès, G.<br />

Schröder, S. Becker, J. Meiler, H. Grub -<br />

müller, C. Griesinger, B. de Groot: Recognition<br />

dynamics up to microseconds<br />

revealed from an RDC-derived ubiquitin<br />

ensemble in solution. Science 320,<br />

1471-1475 (2008).<br />

M. Reese, D. Lennartz, T. Marquardsen,<br />

P. Höfer, A. Tavernier, P. Carl, T. Schippmann,<br />

M. Bennati, T. Carlomagno, F.<br />

Engelke, C. Griesinger: Construction of<br />

a Liquid-State NMR DNP Shuttle<br />

Spectrometer: First Experimental Results<br />

and Evaluation of Optimal Performance<br />

Characteristics. Appl. Magn. Reson.<br />

34, 301-311 (2008).<br />

M. Bayrhuber, T. Meins, M. Habeck, S.<br />

Becker, K. Giller, S. Villinger, C. Vonrhein,<br />

C. Griesinger, M. Zweckstetter, K.<br />

Zeth: Struc ture of the human voltagedependent<br />

anion channel. Proc. Natl.<br />

Acad. Sci. USA 105, 15370-5 (2008).<br />

41


Prof. Dr. Markus Zweckstetter<br />

studierte Physik an der Ludwig-<br />

<strong>Max</strong>imilians-Universität München.<br />

Seine Doktorarbeit fertigte er bei<br />

Dr. Tad Holak am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Biochemie in Martinsried<br />

an und promovierte an der<br />

Technischen Universität München.<br />

Im Anschluss arbeitete er von<br />

1999 bis 2001 als Postdoktorand<br />

in der Gruppe von Dr. Adrian Bax<br />

an den National <strong>Institut</strong>es of<br />

Health in Bethesda (Maryland,<br />

USA). Seit 2001 leitet er die Forschungsgruppe»Proteinstrukturbestimmung<br />

mittels NMR« am<br />

<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />

<strong>Chemie</strong>. Markus Zweckstetter<br />

lehrt seit 2008 als Honorar -<br />

professor <strong>für</strong> Biologie an der<br />

Universität Göttingen.<br />

Kontakt:<br />

mzwecks@gwdg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/groups/<br />

zweckstetter<br />

D. P. Karpinar, M. B. Balija, S. Kügler,<br />

F. Opazo, N. Rezaei-Ghaleh, N. Wender,<br />

H. Y. Kim, G. Taschenberger, B. H. Falkenburger,<br />

H. Heise, A. Kumar, D. Riedel,<br />

L. Fichtner, A. Voigt, G. H. Braus,<br />

K. Giller, S. Becker, A. Herzig, M. Baldus,<br />

H. Jäckle, S. Eimer, J. B. Schulz, C.<br />

Griesinger, M. Zweckstetter: Pre-fibrillar<br />

alpha-synuclein variants with impaired<br />

beta-structure increase neurotoxicity in<br />

Parkinson's disease models. EMBO J. |<br />

doi:10.1038/emboj.2009.257 (2009).<br />

M. D. Mukrasch, S. Bibow, J. Korukottu,<br />

S. Jeganathan, J. Biernat, C. Griesinger,<br />

E. Mandelkow, M. Zweckstetter:<br />

Structural polymorphism of 441-residue<br />

tau at single residue resolution.<br />

PLoS Biol. 17, e34 (2009).<br />

M. Bayrhuber, T. Meins, M. Habeck, S.<br />

Becker, K. Giller, S. Villinger, C. Vonrhein,<br />

C. Griesinger, M. Zweckstetter, K.<br />

Zeth: Structure of the human voltagedependent<br />

anion channel. Proc. Natl.<br />

Acad. Sci. USA 105, 15370-15375<br />

(2008).<br />

42<br />

Proteinstrukturbestimmung<br />

mittels NMR<br />

Die Form folgt der Funktion, diese Binsenweisheit<br />

<strong>für</strong> gutes Produktdesign<br />

hat die Natur wie so oft auch bei Proteinen<br />

perfekt umgesetzt. Je nach Aufgabe haben<br />

sie eine ganz bestimmte Form. Die Aminosäureketten<br />

eines Muskelproteins falten<br />

sich zu einer anderen räumlichen Struktur<br />

als die eines Kanalproteins, das Stoffe<br />

durch eine Membran passieren lässt.<br />

Proteine außer Form<br />

Umso überraschender mag es erscheinen,<br />

dass insbesondere das menschliche Genom<br />

zu einem erheblichen Teil Baupläne<br />

<strong>für</strong> Proteine enthält, die in der Zelle nahezu<br />

ungefaltet vorliegen. Diese Proteine<br />

werden als »intrinsisch ungeordnet« oder<br />

»nativ entfaltet« bezeichnet. Sie spielen eine<br />

wichtige Rolle in verschiedenen zellulären<br />

Prozessen, etwa wenn ein Gen abgelesen<br />

wird, wenn sich eine Zelle teilt oder<br />

wenn Signale weitergeleitet werden.<br />

Diese ungewöhnliche Protein-Gruppe zu<br />

untersuchen ist nicht ganz einfach, denn<br />

solche Proteine sind sehr flexibel und be -<br />

weg lich. Das erschwert die Arbeit unter<br />

dem Mikroskop, weil man ähnlich wie in<br />

der Fotografie unscharfe Aufnahmen erhält.<br />

Nur mit der Kernspinresonanzspektroskopie<br />

sind wir in der Lage, Informatio-<br />

nen mit atomarer Auflösung zu erhalten. In<br />

der Zelle ist die hohe Beweglichkeit allerdings<br />

von großem Nutzen: Sie erlaubt<br />

solch ungeordneten Proteinen, an viele unterschiedliche<br />

Partner zu binden. Zudem<br />

kann die Zelle diese Proteine effizient regulieren,<br />

beispielsweise durch die Anheftung<br />

kleiner Phosphatreste.<br />

In meiner Gruppe erforschen wir mithilfe<br />

der Kernspinresonanz, wie die Proteine ihre<br />

Form verändern, wenn sie andere Proteine<br />

erkennen und an sie binden oder<br />

wenn bei ihrer eigenen Faltung etwas<br />

schiefläuft. Die Folgen solcher Missfaltungen<br />

untersuchen wir an Proteinen wie<br />

�-Synuclein, Tau und Amyloid-�, die bei<br />

der Parkinson- und Alzheimer-Krankheit<br />

eine zentrale Rolle spielen. Bei den erkrank -<br />

ten Personen lassen sich Tau und Amyloid-ß<br />

missgefaltet als »Protein-Verklumpungen«<br />

im Hirngewebe nachweisen. Doch warum<br />

sind diese falsch gefalteten Proteine so<br />

schädlich? Eine mögliche Ursache ist nach<br />

unseren Forschungsergebnissen, dass falsch<br />

gefaltetes Tau-Protein viel schwächer an<br />

Mikrotubuli-Proteine – die »Transportschie -<br />

nen« der Zelle – bindet. Als Folge ist der<br />

Stofftransport innerhalb der Nervenzelle<br />

gestört und der Stoffwechsel in den Nervenzell-Endigungen<br />

massiv beeinträchtigt.<br />

Struktur des Tau-Proteins.<br />

Im Hintergrund ist eine Elektronenmikroskopie-Aufnahme<br />

der<br />

Mikro tubuli, des Bindungspartners<br />

von Tau, zu sehen.


Festkörper-NMR-Spektroskopie<br />

Ohne Proteine wäre Leben undenkbar.<br />

Sie managen und verrichten die<br />

meisten Aufgaben, die Bakterien ebenso<br />

wie Pflanzen und Tieren das Überleben sichern.<br />

Alle Proteine sind aus Aminosäuren<br />

auf gebaut, die zu hunderten, manchmal<br />

sogar tausenden korrekt aneinandergereiht<br />

werden müssen. Doch erst wenn sie sich<br />

zu ihrer korrekten dreidimensionalen Struk -<br />

tur falten, können sie ihre jeweilige Funktion<br />

in der Zelle erfüllen. Falsch gefaltet<br />

können sie indes großen Schaden anrichten.<br />

In Hirngeweben von Alzheimer-Patienten<br />

lassen sich gleich zwei falsch gefaltete<br />

Proteine nachweisen: Zwischen Nerven -<br />

zellen sind Amyloid-Plaques, »Protein -<br />

verklumpungen«, diffus in der Hirnrinde<br />

und anderen Gehirnregionen eingestreut.<br />

Im Inneren der Nervenzellen liegen zu<br />

Knäueln verklumpte Tau-Fibrillen. Diese<br />

tragen im Zusammenspiel mit genetischen<br />

Faktoren dazu bei, dass der Stoffwechsel<br />

der Nervenzellen aus dem Ruder läuft und<br />

die Kommunikation zwischen den Nervenzellen<br />

gestört ist. Die Nervenzellen verkümmern<br />

und sterben schließlich ab.<br />

Warum lagern sich hier die einzelnen<br />

Moleküle zusammen, und weshalb können<br />

sie von der Zelle nicht abgebaut werden?<br />

Um Antworten auf diese Fragen zu finden,<br />

versuchen wir, die Struktur einzelner Pro -<br />

teine in den Tau-Bündeln zu bestimmen.<br />

Trickreiches Experiment<br />

Konventionelle Methoden zur Strukturbestimmung<br />

versagen hier allerdings, denn<br />

die Plaques und Bündel sind schlicht zu<br />

groß und zudem wasserunlöslich. Sie sind<br />

damit weder <strong>für</strong> die Flüssigkeits-Kernspinresonanz<br />

(NMR)-Spektroskopie noch <strong>für</strong><br />

die Röntgenstrukturanalyse geeignet. Wir<br />

wenden daher eine spezielle Form der<br />

NMR-Spektroskopie an, um diese schweren,<br />

wasserunlöslichen Proteinaggregate zu<br />

erforschen: die Festkörper-NMR-Spektro -<br />

skopie. Dabei nutzen wir einen Trick: Da<br />

sich die Moleküle nicht schnell genug von<br />

selbst drehen, rotieren wir unsere gesamte<br />

Probe bis zu 65.000 Mal pro Sekunde.<br />

Mithilfe von Radiowellen können wir dann<br />

die Struktur der Tau-Fibrillen im starken<br />

Magnetfeld des NMR-Spektrometers untersuchen.<br />

Uns interessieren aber auch die Struk -<br />

turen anderer Proteine, die fest in der<br />

Zell membran verankert sind. Wie verändert<br />

sich beispielsweise die Struktur von<br />

Membranproteinen, wenn andere Mole -<br />

küle – zum Beispiel Medikamente – an sie<br />

binden?<br />

Dr. Adam Lange studierte Physik<br />

in Göttingen und promovierte<br />

2006 am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />

<strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong> in Zusammenarbeit<br />

mit den National<br />

<strong>Institut</strong>es of Health in Bethesda<br />

(Maryland, USA). Anschließend<br />

wechselte er mit einem EMBO-<br />

Stipendium an die ETH Zürich.<br />

Seit 2008 leitet er am <strong>Institut</strong> die<br />

Arbeitsgruppe »Festkörper-NMR-<br />

Spektroskopie«. Adam Lange<br />

wurde 2006 mit der Otto-Hahn-<br />

Medaille der <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Gesellschaft<br />

und dem R. R. Ernst-Preis<br />

der Gesellschaft Deutscher Chemiker<br />

ausgezeichnet.<br />

Kontakt:<br />

adla@nmr.mpibpc.mpg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/research/<br />

ags/lange<br />

Der supraleitende Magnet erzeugt ein<br />

Magnetfeld, das etwa 400.000 Mal so stark<br />

ist wie das Erdmagnetfeld.<br />

A. Lange, I. Scholz, T. Manolikas, M.<br />

Ernst, B. H. Meier: Low-power cross<br />

polarization in fast magic-angle spinning<br />

NMR experiments. Chem. Phys.<br />

Lett. 468, 100-105 (2009).<br />

C. Wasmer, A. Lange, H. Van Melckebeke,<br />

A. B. Siemer, R. Riek, B. H. Meier:<br />

Amyloid fibrils of the HET-s(218-289)<br />

prion form a �-solenoid with a triangular<br />

hydrophobic core. Science 319,<br />

1523-1526 (2008).<br />

A. Lange, K. Giller, S. Hornig, M. F.<br />

Martin-Eauclaire, O. Pongs, S. Becker,<br />

M. Baldus: Toxin-induced conformational<br />

changes in a potassium channel revealed<br />

by solid-state NMR. Nature<br />

440, 959-962 (2006).<br />

43


Dr. Martin Kollmar promovierte<br />

2002 am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong><br />

<strong>für</strong> medizinische Forschung in<br />

Heidelberg im Fach <strong>Chemie</strong>.<br />

Seitdem ist er Leiter der Projektgruppe<br />

»Systembiologie der<br />

Motorpro teine« am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong>.<br />

Martin Kollmar erhielt 2002<br />

ein Liebig-Stipendium und wurde<br />

1998 mit dem Sophie-Bernthsen-<br />

Preis ausgezeichnet.<br />

Kontakt:<br />

mako@nmr.mpibpc.mpg.de<br />

www.motorprotein.de<br />

F. Odronitz, H. Pillmann, O. Keller,<br />

S. Waack, M. Kollmar: WebScipio:<br />

An online tool for the determination of<br />

gene structures using protein sequences.<br />

BMC Genomics 9, 422 (2008).<br />

F. Odronitz, M. Kollmar: Drawing the<br />

tree of eukaryotic life based on the analysis<br />

of 2269 manually annotated myosins<br />

from 328 species. Genome Biology<br />

8, R196 (2007).<br />

F. Odronitz, M. Hellkamp, K. Kollmar:<br />

diArk – a resource for eukaryotic<br />

genome research. BMC Genomics<br />

8, 103 (2007).<br />

44<br />

Vordergrund: schematische Darstellung<br />

der Organisation der Untereinheiten<br />

im zytoplasmatischen Dynein/<br />

Dynactin-Komplex. Bereits bekannte<br />

Strukturen von Untereinheiten oder<br />

Fragmenten davon sind der schematischen<br />

Darstellung überlagert. Hintergrund:<br />

phylogenetischer Baum der<br />

Dyneine, in dem die verschiedenen<br />

Dynein-Formen farbig markiert sind.<br />

Systembiologie<br />

der Motorproteine<br />

Ob Tiere oder Pflanzen, ihre Zellen haben<br />

ein bewegtes Innenleben. Sie<br />

verfügen über ein molekulares Inventar –<br />

die Motorproteine – mit dem sie diverse<br />

Zell bestandteile gezielt in Bewegung setzen<br />

können. Auch <strong>für</strong> die Bewegung der Muskeln,<br />

die Zellteilung oder die intrazelluläre<br />

Logistik sind solche Motorproteine unentbehrlich.<br />

Wir wollen herausfinden, wie sie<br />

funktionieren und wie verschiedene Motorproteine<br />

als komplexes Netzwerk in der<br />

Zelle zusammenarbeiten. Dazu bestimmen<br />

wir, über welches Arsenal an Motorproteinen<br />

verschiedene Organismen verfügen.<br />

Dabei können wir auf eine stetig steigende<br />

Zahl vollständig sequenzierter Genome zurückgreifen.<br />

Um Motorprotein-Gene zu iden -<br />

tifizieren, vergleichen wir die DNA-Sequen -<br />

zen aus den Genomen vieler verschiedener<br />

Organismen, von Maus und Mensch bis hin<br />

zu Fliege, Fadenwurm und Hefepilz. Wenn<br />

die Sequenz der DNA bekannt ist, heißt<br />

das allerdings noch lange nicht, dass auch<br />

die darin kodierten Gene bekannt sind.<br />

Um Datenbanken zu durchmustern und<br />

Motorprotein-Gene gezielt aufzuspüren,<br />

entwickeln wir daher spezielle Werkzeuge.<br />

Gigant im Reich der Proteine<br />

Die Arbeitsweise der Motorproteine können<br />

wir nur dann verstehen, wenn wir die<br />

Details ihrer räumlichen Struktur kennen.<br />

Derzeit studieren wir den Proteinkomplex<br />

aus Dynein und Dynactin. Beim Transport<br />

unterschiedlicher Zellkomponenten ist er<br />

ebenso beteiligt wie bei der Zellteilung,<br />

wenn die Chromosomen sortiert und<br />

korrekt auf die Tochterzellen verteilt werden<br />

müssen. Dynactin koordiniert und reguliert<br />

den zellulären Frachtverkehr, während<br />

Dynein die da<strong>für</strong> benötigte Energie bereitstellt.<br />

Wie diese molekulare Maschine chemische<br />

Energie in mechanische Arbeit umsetzt,<br />

ist allerdings noch weitgehend ungeklärt.<br />

Kein Wunder, schließlich ist das<br />

Dynein ein wahrer Gigant unter den Proteinen,<br />

rund zwanzigmal so groß wie der<br />

rote Blutfarbstoff Hämoglobin, und daher<br />

Strukturuntersuchungen nur schwer zugänglich.<br />

Seine räumliche Struktur zu entschlüsseln<br />

ist deshalb eine besondere<br />

Herausforderung.


Bioanalytische<br />

Massenspektrometrie<br />

Hochleistungs-Elektrospray-Ionisationsmassenspektrometer<br />

zur quantitativen Analyse von Mole -<br />

külen. Geringste Mengen an Proteinen und Protein -<br />

fragmenten werden mittels Flüssigkeits chromato -<br />

graphie getrennt und direkt in das Massenspektro -<br />

meter »gesprüht«. Der Bildschirm zeigt die Position<br />

des Sprühers (Kapillarnadel aus Kieselglas), aus<br />

dem die Moleküle heraustreten.<br />

Wie viel wiegt ein Molekül? Die Mas -<br />

sen spektrometrie dient dazu, die<br />

Masse – und damit das Gewicht – von Molekülen<br />

exakt zu ermitteln. In den Lebenswissenschaften<br />

ist die moderne »bioanalytische«<br />

Massenspektrometrie von Proteinen<br />

zu einer grundlegenden Analysetechnik geworden.<br />

Dank neuer Methoden können<br />

wir die Proteine in verschiedenen Zellen<br />

und Entwicklungsstadien eines Organismus<br />

quantitativ erfassen. Denn wie sich Zellen<br />

entwickeln und wie Organismen altern,<br />

spiegelt sich auch in deren Proteinmuster<br />

wi der. In Zusammenarbeit mit anderen For -<br />

schungs gruppen ermitteln und vergleichen<br />

wir die Proteinmuster von Proteinkomplexen<br />

und zellulären Kompartimenten, aber auch<br />

ganzer Zellen und Gewebe. Die Unterschiede,<br />

die wir dabei beobachten, helfen<br />

nicht nur, zelluläre Prozesse zu verstehen.<br />

Sie lassen auch Rückschlüsse darauf zu,<br />

was in einer Zelle vor sich geht, wenn sie<br />

sich von einer Vorläuferzelle (zum Beispiel<br />

im Knochenmark) zu einer hochspezialisierten<br />

Immunzelle entwickelt. Nicht zuletzt<br />

interessiert uns, wie sich solche zellulären<br />

Prozesse bei bestimmten Krankheiten<br />

verändern.<br />

Handliche Proteinfragmente<br />

Hierzu analysieren wir allerdings nicht die<br />

intakten Proteine. Vielmehr spalten wir die<br />

aus einer Zelle isolierten Proteine zunächst<br />

in kleinere, handlichere Protein-Fragmente<br />

(Peptide). Anschließend wird nicht nur<br />

deren Masse exakt ermittelt, sondern auch<br />

die Abfolge ihrer einzelnen Bausteine, der<br />

Aminosäuren. Denn sobald wir von einem<br />

oder mehreren dieser Peptide Masse und<br />

Aminosäuresequenz kennen, können wir<br />

das dazugehörige intakte Protein in Datenbanken<br />

zuverlässig identifizieren und des -<br />

sen Menge bestimmen.<br />

Die Eigenschaften von Proteinen ändern<br />

sich mit der Abfolge und dem Modifizierungsgrad<br />

ihrer Aminosäuren. Dies muss<br />

bei der Analyse berücksichtigt werden. So<br />

erfordern Proteine, die Bestandteil von Zell -<br />

membranen sind und beispielsweise Zuckerreste<br />

tragen, andere Analyse-Ver fahren<br />

als solche, die Phosphatreste tragen und das<br />

»An- und Abschalten« spezieller Gene bewirken.<br />

Ein weiteres Ziel unserer Arbeitsgruppe<br />

ist es daher, die bestehenden analytischen<br />

Methoden weiter zu verbessern und<br />

neue Verfahren zu entwickeln, die einen<br />

noch detaillierteren Einblick in das vielgestaltige<br />

Protein-Inventar der Zellen erlauben.<br />

Ionenquelle eines Elektrospray-Ionisa tions-<br />

Massenspektrometers. Zwischen dem Sprüher und<br />

der Öffnung des Massenspektrometers liegt eine<br />

Spannung von ein bis zwei Kilovolt an. Dadurch werden<br />

wie bei einer Düse aus der Öffnung des Sprühers<br />

winzigste geladene Flüssigkeitströpfchen mit den zu<br />

untersuchenden Molekülen in das Massenspektrometer<br />

gesprüht. Dort verdampft das Lösungsmittel,<br />

zurück bleiben geladene Moleküle, deren Masse<br />

exakt bestimmt werden kann.<br />

Dr. Henning Urlaub studierte Biochemie<br />

an der Freien Universität<br />

Berlin und promovierte 1996 am<br />

Berliner <strong>Max</strong>-Delbrück-Centrum<br />

<strong>für</strong> molekulare Medizin. Von 1997<br />

bis 2004 forschte er als Postdoktorand<br />

im Labor von Reinhard<br />

Lührmann in Marburg und Göttingen,<br />

unterbrochen von einigen<br />

Forschungsaufenthalten am Euro -<br />

pean Molecular Biology Laboratory<br />

(EMBL) in Heidelberg. Seit<br />

2005 leitet er die Forschungsgruppe<br />

»Bioanalytische Massenspektrometrie«<br />

am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong><br />

<strong>für</strong> biophysika lische <strong>Chemie</strong>.<br />

Henning Urlaub orga nisiert seit<br />

2004 die »Summer School«-Serie<br />

»Proteomic Basics«. Er ist Vorstandsmitglied<br />

der Deutschen<br />

Gesellschaft <strong>für</strong> Proteomforschung<br />

(DGPF).<br />

Kontakt:<br />

henning.urlaub@mpibpc.mpg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/home/urlaub<br />

T. Oellerich, M. Gronborg, K. Neumann,<br />

H. H. Hsiao, H. Urlaub, J. Wienands:<br />

SLP-65 phosphorylation dynamics reveals<br />

a functional basis for signal integration<br />

by receptor-proximal adaptor proteins.<br />

Mol. Cell. Proteomics 8, 1738-<br />

1750 (2009).<br />

L. Weinmann, J. Hoeck, T. Ivacevic, T.<br />

Ohrt, J. Muetze, P. Schwille, E. Kremmer,<br />

V. Benes, H. Urlaub , G. Meister:<br />

Importin 8 is a gene silencing factor<br />

that targets argonaute proteins to distinct<br />

mRNAs. Cell 136, 496-507<br />

(2009).<br />

E. Meulmeester, M. Kunze, H .H. Hsiao,<br />

H. Urlaub, F. Melchior: Mechanism<br />

and consequences for paralog-specific<br />

sumoylation of ubiquitin-specific protease<br />

25. Mol. Cell 30, 610-619<br />

(2008).<br />

C. Lenz, E. Kuehn-Hoelsken, H. Urlaub:<br />

Detection of protein-RNA crosslinks by<br />

nanoLC-ESI-MS/MS using precursor<br />

ion scanning and multiple reaction monitoring<br />

(MRM) experiments. J. Am.<br />

Soc. Mass Spectrometry 18, 869-881<br />

(2007).<br />

45


Dr. Manfred Konrad studierte<br />

Biologie, Mathematik und <strong>Chemie</strong><br />

und promo vierte 1981 an der Universität<br />

Heidelberg. Von 1978 bis<br />

1979 forschte er als DAAD-Stipen -<br />

diat an der Boston University,<br />

School of Medicine (USA), 1982<br />

ging er als EMBO-Stipendiat an<br />

die University of Bristol (England).<br />

Nach einer Tätigkeit bei der Firma<br />

Gödecke (Freiburg) arbeitete er<br />

zunächst an der Universität Marburg<br />

und kam dann als wissenschaftlicher<br />

Mit arbeiter an das<br />

<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />

<strong>Chemie</strong>. Dort leitet Manfred<br />

Konrad seit 2005 die Arbeitsgruppe<br />

»Enzym-Biochemie«.<br />

Kontakt:<br />

mkonrad@gwdg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/research/<br />

ags/konrad<br />

E. Sabini, S. Hazra, S. Ort, M. Konrad,<br />

A. Lavie: Structural basis for substrate<br />

promiscuity of deoxycytidine kinase. J.<br />

Mol. Biol. 378, 607-621 (2008).<br />

B. M. Wöhrl, L. Loubière, R. Brundiers,<br />

R. S. Goody, D. Klatzmann, M. Konrad:<br />

Expressing engineered thymidylate kinase<br />

variants in human cells to improve<br />

AZT phosphorylation and human immunodeficiency<br />

virus inhibition. J. Gen.<br />

Virol. 86, 757-764 (2005).<br />

C. Monnerjahn, M. Konrad: Modulated<br />

nucleoside kinases as tools to improve<br />

the activation of therapeutic nucleoside<br />

analogues. Chem. Bio. Chem. 4, 143-<br />

146 (2003).<br />

46<br />

Enzym-Biochemie<br />

Ohne Enzyme käme jedes Leben abrupt<br />

zum Stillstand. Diese Biokatalysatoren<br />

ermöglichen eine Fülle chemischer<br />

Vorgänge, die in unserem Körper sonst<br />

nicht stattfinden könnten. Sie beschleunigen<br />

chemische Reak tionen in einem unvorstellbaren<br />

Ausmaß, mitunter um den<br />

Faktor 1020 – mehr als das Trillionenfache.<br />

Um Reaktionen<br />

derart forcieren zu können,<br />

benötigen die En zyme chemische<br />

Ener gie in pas sen -<br />

der Form. Die meisten arbeiten<br />

mit einem kleinen<br />

Molekül namens Adenosin -<br />

tri phos phat (ATP), der universalen<br />

Energie-Währung<br />

der Zelle. Im Durchschnitt<br />

bildet und verbraucht ein<br />

Mensch davon rund 75<br />

Kilo gramm pro Tag.<br />

Wir beschäftigen uns mit Enzymen, die<br />

wirkungslose Vorstufen eines Medikaments<br />

aktivieren können. Bei der Chemotherapie<br />

mancher Krebs-Erkrankungen und<br />

Virus- Infektionen erhalten die Patienten<br />

nicht die eigentliche Wirksubstanz, sondern<br />

eine chemische Vorstufe, Pro-Drug<br />

genannt. Im menschlichen Körper, bestenfalls<br />

nur in den kranken Zellen, entfaltet<br />

das Medikament dann die gewünschte zerstörerische<br />

Wirkung. Dabei kommen häufig<br />

Enzyme ins Spiel, die Phosphatgruppen<br />

an Bausteine der Erbsubstanz hängen. Diese<br />

Enzyme akzeptieren – mehr oder minder<br />

bereitwillig – aber auch ähnliche Moleküle,<br />

die als Pro-Drugs eingeschleust wurden.<br />

Viren und Tumore bremsen<br />

Wenn an diesen »falschen« Bausteinen<br />

drei Phosphatgruppen hängen,<br />

werden sie ebenfalls in neue DNA-<br />

Moleküle eingebaut. Da sie sich nicht optimal<br />

einfügen, wird die Struktur der DNA<br />

� In menschlichen Zellen existieren Enzyme aus der Familie der Kinasen,<br />

die Nukleoside (N) – die Bausteine der DNA – in drei Schritten mit<br />

Phosphat gruppen bestücken. Als Medikament ver abreichte Nukleosid-<br />

Analoga (NA) werden ebenfalls bereit willig akzeptiert, doch ihr Einbau<br />

zerstört die Struktur der DNA.<br />

jedoch instabil, oder die Kette der Bausteine<br />

bricht sogar vorzeitig ab. Dadurch bremsen<br />

die falschen DNA-Bausteine die Vermehrung<br />

von Viren oder hindern einen Tumor<br />

am Wachsen.<br />

Welche molekularen Strukturen ent ste -<br />

hen, wenn die Pro-Drugs mit diesen En zy -<br />

men in Kontakt kommen, wissen wir bereits.<br />

Das hilft uns zu verstehen, warum sich<br />

verschiedene Medikamente unterschiedlich<br />

leicht mit Phosphatgruppen bestücken<br />

lassen. Auf dieser Grundlage wollen wir En -<br />

zymvarianten konstruieren, die bestimmte<br />

Pro-Drugs noch besser und selektiver aktivieren.<br />

Dabei geht es insbesondere um die<br />

strukturellen Spiegelbilder normaler DNA-<br />

Bausteine von lebenden Zellen.<br />

Das Enzym Desoxy -<br />

cytidin-Kinase hängt<br />

Phosphatgruppen an<br />

den DNA-Baustein<br />

Desoxycytidin.<br />

Dabei sind ihm Bild<br />

(D-Desoxycytidin D-dC)<br />

und Spiegelbild (L-Desoxycytidin,<br />

LdC) gleichermaßen<br />

recht.


Nukleinsäurechemie<br />

Sie sind lebenswichtige Bausteine aller<br />

Organismen: Die Nukleinsäuren DNA<br />

und RNA speichern und übertragen die genetische<br />

Information. Ihr Repertoire ist da-<br />

Die Primärstruktur der Ribonukleinsäure (RNA).<br />

Chemische Veränderungen können an den<br />

Nukleo basen, der Zuckereinheit (Ribose) oder<br />

dem Phosphat-Rückgrat angebracht werden.<br />

mit allerdings noch bei weitem nicht erschöpft.<br />

Die Nukleinsäuren erledigen auch<br />

Aufgaben, die Wissenschaftler eigentlich<br />

nur von Proteinen kennen. Genau wie Proteine<br />

kann RNA katalytisch wirken und be -<br />

schleu nigt als Ribozym chemische Reaktionen<br />

im Körper. Sie reguliert aber auch die<br />

Aktivität von Genen durch Riboschalter<br />

oder RNA-Interferenz.<br />

DNA- und RNA-Enzyme<br />

Wir wollen verstehen, wie RNA als Enzym<br />

oder Genregulator arbeitet. Dazu müssen<br />

wir das RNA-Molekül zunächst chemisch<br />

ver ändern. So versehen wir es etwa mit che -<br />

mischen Markierungen, die wir zielgenau an<br />

der Nukleinsäure anbringen können. Die<br />

Eigenschaften dieser veränderten RNA<br />

ana ly sieren wir in Zusammenarbeit mit anderen<br />

Arbeitsgruppen am <strong>Institut</strong>.<br />

Erst seit einigen Jahren weiß man, dass<br />

auch DNA katalytisch wirken kann. Diese<br />

Desoxyribozyme haben unser Wissen über<br />

katalytische Nukleinsäuren auf eine neue<br />

Basis gestellt. Wissenschaftler verwenden<br />

DNA-Enzyme heute bereits in der Forschung<br />

und untersuchen ihren möglichen<br />

Einsatz als Medikamente oder alternative<br />

Biosen soren.<br />

In unserer Gruppe entwickeln wir DNA-<br />

Enzyme, mit denen wir in einem neuen<br />

Verfahren RNA chemisch verändern können.<br />

Doch um aus Desoxyribozymen solch<br />

maßgeschneiderte Werkzeuge zu bauen,<br />

müssen wir im Detail verstehen, wie sie<br />

funktio nieren: Welche der Tausende von<br />

Atomen in einem DNA-Enzym sind an der<br />

Katalyse beteiligt? Woher stammt eigentlich<br />

die Triebkraft, die eine Reaktion beschleunigt?<br />

Um diese Fragen zu beantworten,<br />

analysieren wir die molekularen Details<br />

der Struktur, Funktion und Mechanismen<br />

von DNA-Katalysatoren mit einem<br />

ganzen Arsenal von Methoden aus der<br />

<strong>Chemie</strong>, der Biochemie und der Biophysik.<br />

Dr. Claudia Höbartner studierte<br />

Tech nische <strong>Chemie</strong> an der Technischen<br />

Universität Wien und an<br />

der ETH Zürich. Sie promovierte<br />

2004 an der Leopold-Franzens-<br />

Universität Innsbruck in Organischer<br />

<strong>Chemie</strong>. Von 2005 bis 2007<br />

forschte sie als Erwin-Schrödinger-<br />

Stipendiatin an der University of<br />

Illinois in Urbana-Champaign (USA).<br />

2007 kehrte sie – unterstützt<br />

durch das Hertha-Firnberg-<br />

Programm des österreichischen<br />

Bundesministeriums <strong>für</strong> Wissenschaft<br />

und Forschung – an die<br />

Universität Innsbruck zurück.<br />

Seit März 2008 leitet sie die <strong>Max</strong>-<br />

<strong>Planck</strong>-Forschungsgruppe<br />

»Nukleinsäurechemie« am <strong>Max</strong>-<br />

<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />

<strong>Chemie</strong>.<br />

Kontakt:<br />

claudia.hoebartner@mpibpc.mpg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/research/<br />

ags/hoebartner<br />

Die in-vitro-Selektion ist das Verfahren, mit dem katalytische Nukleinsäuren<br />

im Labor gefunden werden. Dabei werden in einem zyklischen Prozess verschiedenste<br />

Nukleinsäuren aus einer umfassenden Auswahl – einer sogenannten<br />

kombinatorischen Bibliothek – solange sortiert und vervielfältigt, bis<br />

man Ribozyme mit den gewünschten Eigenschaften erhält.<br />

R. Rieder, C. Höbartner, R. Micura:<br />

Enzy matic ligation strategies for the<br />

preparation of purine riboswitches with<br />

site-specific chemical modifications.<br />

In: Riboswitches (Ed. A. Serganov).<br />

Methods Mol. Biol. 540, 15-24 (2009).<br />

C. Höbartner, S. K. Silverman: Recent<br />

ad vances in DNA catalysis. Biopolymers<br />

87, 279-292 (2007).<br />

47


48<br />

Zelluläre<br />

Maschinen


Wie Moleküle sich die Arbeit teilen<br />

Hefepilze zählen zu jenen Lebewesen, die nur aus einer<br />

einzigen Zelle bestehen. Weitgehend autonom sind aber<br />

auch die Körperzellen vielzelliger Organismen wie Maus<br />

und Mensch. Damit Zellen zuverlässig ihre vielfältigen<br />

Aufgaben erfüllen, müssen eine Vielzahl verschiedener<br />

Proteine als molekulare Maschinen reibungslos zusammenarbeiten.<br />

Welche molekularen Maschinen sind jeweils<br />

am Werk, wie funktionieren sie im Detail, und wie<br />

ist ihre Zusammenarbeit organisiert? Solchen Fragen<br />

widmen sich mehrere Abteilungen und Forschungsgruppen<br />

mit biochemischen, molekulargenetischen, mikroskopischen<br />

und fluoreszenzspektroskopischen Methoden.<br />

49


50<br />

Zelluläre Biochemie<br />

Ob Muskeln, Haut oder Leber – in jedem<br />

Gewebe gibt es eine Fülle vielgestaltiger Proteine.<br />

Die Baupläne <strong>für</strong> all diese Proteinmoleküle<br />

liegen verschlüsselt im Zellkern in der Erbsubstanz<br />

Desoxyribonukleinsäure (DNA) vor.<br />

Um nach diesen Bauplänen Proteine herzu -<br />

stellen, wird ein Gen zunächst in die Rohfassung<br />

einer Boten-Ribonukleinsäure (Boten-RNA) umkopiert.<br />

Diese Rohfassung lässt sich allerdings<br />

nicht sofort <strong>für</strong> die Proteinproduktion einsetzen.<br />

Denn gewöhnlich liegt der Bauplan <strong>für</strong> ein Protein<br />

nicht in einem Stück vor, sondern in mehreren<br />

Abschnitten – den Exons. Zwischen diesen Exons<br />

liegen Bereiche, die aus der Rohfassung heraus -<br />

geschnitten werden müssen – die Introns. Erst in<br />

diesem Arbeitsgang, dem Spleißen, werden alle<br />

benötigten Exons zu einer gebrauchsfertigen Boten-RNA<br />

lückenlos miteinander verbunden.<br />

Das erscheint zwar recht kompliziert, hat aber<br />

einen Vorteil: Bei Bedarf können unterschiedliche<br />

Exons ausgewählt und zu einer Boten-RNA zusammengesetzt<br />

werden. Damit liefert ein einzelnes<br />

Gen die Baupläne <strong>für</strong> viele verschiedene Proteine.<br />

Dieser als alternatives Spleißen bezeichnete<br />

Prozess erklärt, warum der Mensch mit einem<br />

recht bescheidenen Sortiment von zirka 25.000<br />

Genen weit mehr als 100.000 unterschiedliche<br />

Proteine herstellen kann.<br />

Zuschnitt nach Maß<br />

Um die Rohfassung einer Boten-RNA in ein<br />

taugliches Endprodukt zu verwandeln, muss das<br />

Spleißen sehr präzise ablaufen. Kein Wunder, dass<br />

Aus der Rohfassung<br />

schneidern Spleißosomen eine<br />

Boten-RNA zurecht, die dann außerhalb<br />

des Zellkerns als Bauplan <strong>für</strong> die<br />

Proteinproduktion dient.<br />

Ein katalytisch<br />

aktives Spleißosom<br />

hat eine komplexe<br />

Raumstruktur.<br />

dies eine komplizierte molekulare Maschinerie<br />

bewerkstelligt, das Spleißosom. Es setzt sich aus<br />

über 150 Proteinen und fünf kleinen RNA-Molekülen<br />

(den snRNAs U1, U2, U4, U5 und U6) zusammen.<br />

Viele dieser spleißosomalen Proteine<br />

lie gen nicht ungeordnet im Zellkern herum, sondern<br />

formieren sich in präzise organisierten Verbänden.<br />

So lagern sich beispielweise etwa 50 dieser<br />

Proteine mit den snRNAs zu RNA-Protein-<br />

Partikeln zusammen. Diese sogenannten snRNPs<br />

(Snurps) dienen dem Spleißosom als vorgefertigte<br />

Bauteile.<br />

Ein molekularer Schneidetisch<br />

Wie wir heute wissen, wird das Spleißosom bei jedem<br />

Spleißvorgang vor Ort neu zusammengebaut.<br />

An der Boten-RNA werden dazu nach und nach<br />

die snRNPs und weitere Helferproteine rekrutiert.


Jedes dieser fünf RNA-Protein-Partikel<br />

ist <strong>für</strong> bestimmte Aufgaben zuständig.<br />

So gilt es zum Beispiel, Anfang und Ende<br />

eines Introns zu erkennen und einander<br />

zu nähern, um die angrenzenden<br />

Exons dann beim Spleißen sofort<br />

zu verbinden. Die molekularen »Scheren«,<br />

die das Intron herausschneiden,<br />

werden dabei erst schritt weise aktiviert.<br />

Hierbei findet ein reges Kommen und<br />

Gehen der snRNAs und Proteine statt,<br />

das zeitlich exakt ge steuert wird. Vermutlich<br />

gewährleistet diese aufwendige<br />

Prozedur eine exakte Schnittführung<br />

und damit eine fehlerlose Bauanleitung<br />

<strong>für</strong> das benötigte Protein.<br />

Unser Ziel ist es, diese dramatische<br />

strukturelle Dynamik des Spleißosoms<br />

»filmartig« festzuhalten. Gleichzeitig<br />

wollen wir verstehen, wie die molekularen<br />

Scheren des Spleißosoms – sein katalytisches<br />

Zentrum – zusammengesetzt<br />

sind und möchten diesen Scheren beim<br />

Herausschneiden eines Introns zuschauen.<br />

Dazu haben wir die Spleißo -<br />

somen bei verschiedenen Arbeitsschritten<br />

angehalten, sie in diesen Zuständen<br />

isoliert und ihre Bestandteile analysiert.<br />

Umgekehrt gelingt es uns, Spleißo -<br />

somen auch wieder aus den isolierten<br />

Bestandteilen zu biologisch aktiven Maschinen<br />

zusammenzubauen. Indem wir<br />

einzelne Teile gezielt entfernen oder<br />

verändern, können wir beobachten, wie<br />

sich diese Manipulationen auf das<br />

Spleißosom auswirken.<br />

Um die Arbeitsweise dieser faszinierenden<br />

molekularen Maschine im<br />

Detail zu verstehen, verfolgen wir einen<br />

interdisziplinären Ansatz. Neben biochemischen<br />

und <strong>biophysikalische</strong>n<br />

Methoden benutzen wir vor allem die<br />

hochauflösende Elektronenmikroskopie<br />

und die Röntgenkristallstrukturana lyse.<br />

Sie liefern uns dreidimensionale Modelle<br />

einzelner snRNPs und vollständiger<br />

Spleißosomen und atomare Details der<br />

beteiligten Makromoleküle.<br />

Aktive Spleißosomen (rot angefärbt) befinden<br />

sich nur in bestimmten Regionen des Zellkerns.<br />

Folgenschwere Fehler<br />

Die molekulare Analyse des Spleißo -<br />

soms, die wir mit unserem interdiszipli -<br />

nären Ansatz verfolgen, wird nicht nur<br />

dazu beitragen, Erkenntnisse über die<br />

Ursachen molekularer Krankheiten zu<br />

liefern, die auf Fehler beim Spleißen<br />

der Boten-RNA beruhen. Sie wird auch<br />

neue Therapieansätze zur Behand lung<br />

solcher Krankheiten ermöglichen. Neu -<br />

ere Schätzungen gehen davon aus, dass<br />

mehr als 20 Prozent humaner genetischer<br />

Erkrankungen auf Muta tio nen<br />

zurückzuführen sind, die die Funktion<br />

von Spleißosomen beeinträchtigen.<br />

Im Herzen des Spleißosoms:<br />

Eine RNase H-ähnliche Domäne im Prp8-Protein<br />

(hier als Kristallstruktur gezeigt) lässt vermuten,<br />

dass das Spleißosom ein RNP-Enzym ist.<br />

Prof. Dr. Reinhard Lührmann promovierte<br />

1975 an der Universität<br />

Münster im Fach <strong>Chemie</strong>. Von<br />

dort wechselte er an das Berliner<br />

<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> molekulare<br />

Genetik, wo er von 1981 bis<br />

1988 am Otto-Warburg-Laboratorium<br />

eine selbstständige Arbeitsgruppe<br />

leitete. Im Jahr 1982 habilitierte<br />

er sich an der Freien Universität<br />

Berlin in Molekularbio -<br />

logie und Biochemie. 1988 übernahm<br />

er eine Professur <strong>für</strong> Physiologische<br />

<strong>Chemie</strong> und Molekulare<br />

Biologie am Fachbereich<br />

Medizin der Universität Marburg.<br />

Seit 1999 leitet er am <strong>Max</strong>-<br />

<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> biophysika -<br />

lische <strong>Chemie</strong> die Abteilung<br />

»Zelluläre Biochemie«. Reinhard<br />

Lührmann erhielt mehrere wissen -<br />

schaftliche Preise, unter anderem<br />

den <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Forschungs -<br />

preis (1990), den Leibniz-Preis<br />

(1996), den Feldberg-Preis (2002)<br />

und den Ernst-Jung-Preis <strong>für</strong><br />

Medizin (2003). Er ist Hono rar -<br />

professor an den Universitäten<br />

Göttingen und Marburg.<br />

Kontakt:<br />

reinhard.luehrmann@mpibpc.mpg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/research/<br />

dep/luehrmann<br />

M. C. Wahl, C. L. Will, R. Lührmann:<br />

The spliceosome: design principles of a<br />

dynamic RNP machine. Cell 136, 701-<br />

718 (2009).<br />

S. Bessonov, M. Anokhina, C. L. Will,<br />

H. Urlaub, R. Lührmann: Isolation of<br />

an active step 1 spliceosome and composition<br />

of its RNP core. Nature 452,<br />

846-850 (2008).<br />

H. Stark, R. Lührmann: Electron cryomicroscopy<br />

of spliceosomal components.<br />

Ann. Rev. Biophys. Biomol.<br />

Structure 35, 435-457 (2006).<br />

51


Prof. Dr. Holger Stark studierte<br />

Bio chemie und promovierte 1997<br />

am Fritz-Haber-<strong>Institut</strong> in Berlin.<br />

Anschließend forschte er am Imperial<br />

College in London und von<br />

1998 bis 1999 an der Universität<br />

Marburg. Im Jahr 2000 wechselte<br />

er als Gruppenleiter an das <strong>Max</strong>-<br />

<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />

<strong>Chemie</strong>. Seit 2008 ist er zudem<br />

Professor <strong>für</strong> Molekulare<br />

Kryo-Elektronenmikroskopie an<br />

der Universität Göttingen. Für<br />

seine Forschung erhielt Holger<br />

Stark zahlreiche Auszeichnungen,<br />

unter anderem die Otto-<br />

Hahn-Medaille der <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />

Gesellschaft (1997), den Förderpreis<br />

der Deutschen Gesellschaft<br />

<strong>für</strong> Elektronenmikroskopie (1998)<br />

sowie den BioFuture-Preis (2005).<br />

Kontakt:<br />

hstark1@gwdg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/groups/stark<br />

F. Herzog, I. Primorac, P. Dube, P. Lenart,<br />

B. Sander, K. Mechtler, H. Stark, J.<br />

M. Peters: Structure of the anaphase<br />

promoting complex/cyclosome inter -<br />

acting with a mitotic checkpoint complex.<br />

Science 323, 1477-1481 (2009).<br />

A. Chari, M. M. Golas, M. Klingenhager,<br />

N. Neuenkirchen, B. Sander, C. Englbrecht,<br />

A. Sickmann, H. Stark, U. Fischer:<br />

An assembly chaperone collaborates<br />

with the SMN complex to generate<br />

spliceosomal SnRNPs. Cell 135, 497-<br />

509 (2008).<br />

B. Kastner, N. Fischer, M. M. Golas, B.<br />

Sander, P. Dube, D. Boehringer, K. Hartmuth,<br />

J. Deckert, F. Hauer, E. Wolf, H.<br />

Uchtenhagen, H. Urlaub, F. Herzog, J.<br />

M. Peters, D. Poerschke, R. Luhrmann,<br />

H. Stark: GraFix: sample preparation for<br />

single-particle electron cryomicroscopy.<br />

Nat. Methods 5, 53-55 (2008).<br />

B. Sander, M. M. Golas, E. M. Makarov,<br />

H. Brahms, B. Kastner, R. Luhrmann, H.<br />

Stark: Organization of core spliceosomal<br />

com ponents U5 snRNA loop I and<br />

U4/U6 Di-snRNP within U4/U6.U5<br />

Tri-snRNP as revealed by electron cryomicroscopy.<br />

Mol. Cell 24, 267 (2006).<br />

52<br />

Molekulare<br />

Kryo-Elektronenmikroskopie<br />

Mit molekularen Maschinen hält jede<br />

Zelle ihren Stoffwechsel in Gang.<br />

Oft sind es sehr komplexe Gebilde, zusammengesetzt<br />

aus einer Vielzahl verschiedener<br />

Komponenten. Um diese Maschinen im<br />

Nanokosmos der Zelle direkt in »Aktion«<br />

zu beobachten, müssen Wissenschaftler allerdings<br />

einiges an Aufwand betreiben.<br />

Momentaufnahmen in Schockstarre<br />

In unserer Gruppe untersuchen wir Makromoleküle<br />

mithilfe der Kryo-Elektronen mi -<br />

kroskopie in schockgefrorenem Zustand.<br />

Das mag paradox klingen, doch durch blitzartiges<br />

Einfrieren lässt sich die molekulare<br />

Maschinerie während ganz unterschied -<br />

licher Arbeitsschritte stoppen. Das Elektronenmikroskop<br />

liefert uns mit diesen Proben<br />

eine ganze Serie von Aufnahmen eines<br />

Makromoleküls aus verschiedenen Blickwinkeln<br />

und zu verschiedenen Zeitpunkten.<br />

Aus diesen Einzelbildern setzen wir<br />

mithilfe spezieller Computerprogramme<br />

schließlich die räumliche Struktur zusammen.<br />

Diese zeigt uns, wie die molekulare<br />

Maschine aussieht und wie sie sich ver -<br />

ändert – und das in 3D.<br />

Wir wenden diese Technik auf eine Vielzahl<br />

unterschiedlicher molekularer Ma-<br />

schinen an, die an wichtigen Schaltstellen<br />

der zellulären Informationsverarbeitung<br />

sitzen. Diese Maschinen bestehen häufig<br />

nicht allein aus Proteinen, sondern sie sind<br />

komplexe Verbünde aus Proteinen und<br />

Nukleinsäuren. Zum Beispiel untersuchen<br />

wir, wie die Proteinfabrik der Zelle – das<br />

Ribosom – durch Ablesen der Erbinformation<br />

Proteine herstellt. Derzeit unter -<br />

suchen wir auch Spleißosomen. Sie treten<br />

in Aktion, nachdem die Baupläne <strong>für</strong> Proteine<br />

in die Rohfassung einer Boten-RNA<br />

umkopiert wurden. Spleißosomen schneiden<br />

die nicht benötigten Teile aus der Boten-RNA<br />

heraus und bringen so die Baupläne<br />

in eine lesbare Form. Daneben er -<br />

forschen wir einen lebenswichtigen Proteinkomplex,<br />

der bei der Zellteilung eine<br />

wichtige Rolle spielt: den sogenannten<br />

Anaphase einleitenden Komplex. Er sorgt<br />

da<strong>für</strong>, dass die Erbinformation korrekt auf<br />

die beiden Tochterzellen verteilt wird.<br />

Dank der Kryo-Elekronenmikroskopie<br />

können wir die räumliche Struktur und die<br />

Bewegungen solch unterschiedlicher molekularer<br />

Maschinen direkt »während ihrer<br />

Arbeit« beobachten – und lernen so, ihre<br />

Funktion im Detail zu verstehen.<br />

Das Ribosom<br />

»bei der Arbeit«!


Ribosomendynamik<br />

Etikett <strong>für</strong> Membranproteine<br />

Alle lebenden Zellen sind von einer Zellmembran<br />

umhüllt, die ihr Inneres von der<br />

Außenwelt abgrenzt. Sie besteht aus einer<br />

Doppelschicht fettähnlicher Moleküle, in<br />

der zahlreiche Proteine eingelagert sind,<br />

die ganz bestimmte Funktionen erfüllen.<br />

Einige arbeiten beispielsweise als »Empfangs-Antennen«<br />

<strong>für</strong> die Aufnahme von<br />

Signalen. Andere dienen als Schleusen, die<br />

nur bestimmte Stoffe passieren lassen. Wie<br />

aber werden solche Proteine in die Zellmembran<br />

eingefügt?<br />

Zumeist geschieht ihr Einbau in die Zellmembran,<br />

noch während das Protein am<br />

Ribosom zusammengesetzt wird. Ribo -<br />

somen, die Membranproteine zusammenbauen,<br />

müssen daher zur Zellmembran<br />

dirigiert werden. Doch wie wird ein Membranprotein<br />

erkannt, und wie wird das am<br />

Zusammenbau beteiligte Ribosom rekrutiert?<br />

Wie dieser komplexe Vorgang gesteuert<br />

wird, erforschen wir in Bakterienzellen.<br />

Werden die ersten Bausteine eines<br />

Membranproteins am Ribosom zusammengefügt,<br />

erhält es bereits ein ganz spezielles<br />

Etikett. Dieses Etikett (»Signal -<br />

sequenz«) wird von einem Ribonuklein -<br />

säure-Protein-Komplex – dem Signalerkennungspartikel<br />

(SRP) – erkannt, der das<br />

wachsende Protein mitsamt dem Ribosom<br />

an die Zellmembran dirigiert. Wechsel -<br />

wirkungen des Ribosoms mit dem Signalerkennungspartikel<br />

und Helferproteinen<br />

führen schließlich dazu, dass das ent ste -<br />

hen de Protein während der weiteren Synthese<br />

in die Membran integriert wird. Die<br />

molekularen Vorgänge bei diesem Prozess<br />

sind ein Schwerpunkt unserer Forschung.<br />

Ribosomen in Bewegung<br />

In einem zweiten Projekt untersuchen wir<br />

in Kooperation mit Marina Rodnina und<br />

Holger Stark die molekularen Bewegungen<br />

von Molekülen auf dem Ribosom, wäh rend<br />

es ein Protein synthetisiert. Die da<strong>für</strong><br />

nötige Energie steckt im Speichermolekül<br />

GTP und wird frei, wenn das GTP ge -<br />

spalten wird. Diese Energie gezielt auf das<br />

Schema der Membranassoziation eines trans latierenden<br />

Ribosoms. Gezeigt ist der Querschnitt der 50S-Untereinheit<br />

des Ribosoms. Das wachsende Peptid innerhalb des<br />

Peptidaustrittstunnels ist blau, die exponierte Signalsequenz<br />

rot. Protein L23 (gelb) ist Teil der Bindungsstelle von<br />

SRP. Der Kontakt des wach senden Peptids mit dem Protein<br />

L23 induziert eine Konformationsänderung, welche die SRP-<br />

Bindung verstärkt. Anschließend bindet SRP an den SRP-<br />

Rezeptor, der den Kontakt mit der Membran und der Translokationspore<br />

(»Translocon«) vermittelt.<br />

Ribosom zu übertragen, ist Aufgabe des<br />

Elongationsfaktors G. Wir wollen herausfinden,<br />

wie dieses Protein Bewegungen auf<br />

dem Ribosom in Gang setzt: direkt, durch<br />

eine mechanische Kopplung vergleichbar<br />

mit der Welle in einem Motor, oder indirekt,<br />

über einen Mechanismus, der die<br />

spontane Eigenbewegung der Moleküle<br />

nutzt – die Brown’sche Molekularbewegung.<br />

Die Kombination von Methoden der<br />

physikalischen Biochemie und der Kryo-<br />

Elektronenmikroskopie sollen in diesem<br />

Projekt zum Ziel führen.<br />

Prof. Dr. Wolfgang Wintermeyer<br />

promovierte in <strong>Chemie</strong> an der<br />

Ludwig-<strong>Max</strong>i milians-Universität<br />

München. Nach der Habilitation<br />

im Jahr 1979 forschte er mit einem<br />

Heisenberg-Stipendium der<br />

Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />

weiter in München, am<br />

Karolinska <strong>Institut</strong>et (Stockholm)<br />

und am Massachusetts <strong>Institut</strong>e<br />

of Technology (Cambridge, USA).<br />

Von 1987 bis zu seiner Emeritierung<br />

im Jahr 2009 hatte er den<br />

Lehrstuhl <strong>für</strong> Molekularbiologie<br />

an der privaten Universität Witten/Herdecke<br />

inne. Von 1991 bis<br />

2007 war er dort Dekan der Fakultät<br />

<strong>für</strong> Biowissenschaften. Seit<br />

2009 ist Wolfgang Wintermeyer<br />

<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Fellow und Leiter<br />

der Arbeitsgruppe »Ribosomendynamik«<br />

in der Abteilung<br />

»Phy sikalische Biochemie« am<br />

<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> biophysi -<br />

kalische <strong>Chemie</strong>.<br />

Kontakt:<br />

Wolfgang.Wintermeyer@mpibpc.<br />

mpg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/home/<br />

wintermeyer<br />

T. Bornemann, J. Jöckel, M. V. Rodnina,<br />

W. Wintermeyer: Signal sequence-independent<br />

membrane targeting of ribosomes<br />

containing short nascent peptides<br />

within the exit tunnel. Nat. Struct. Mol.<br />

Biol. 15, 494-499 (2008).<br />

A. Savelsbergh, V. I. Katunin, D. Mohr,<br />

F. Peske, M. V. Rodnina, W. Winter -<br />

meyer: An elongation factor G-induced<br />

ribosome rearrangement preceeds<br />

tRNA-mRNA translocation. Mol. Cell<br />

11, 1517-1523 (2003).<br />

53


54<br />

Physikalische Biochemie<br />

Nichts geht ohne Proteine: Sie halten eine<br />

Zelle in Form, sorgen <strong>für</strong> Mobilität, Frachttransport<br />

und Kommunikation, und nicht zuletzt<br />

sind sie überall im Spiel, wo Aufbau-, Abbau- oder<br />

Umbauprozesse stattfinden. Produziert werden<br />

Proteine nach Bauplänen, die in der Erbsubstanz<br />

Desoxyribonukleinsäure (DNA) ge speichert sind.<br />

Komplexe molekulare Maschinen (Ribosomen)<br />

sind da<strong>für</strong> zuständig, die einzelnen Bausteine der<br />

Proteine – die Aminosäuren – in der durch den<br />

Bauplan bestimmten Reihenfolge an einander zu -<br />

fügen. Zusammengesetzt aus mehr als fünfzig Proteinkomponenten<br />

und drei bis vier Ribo nuklein -<br />

säure-Molekülen, sind Ribosomen mit Dimensionen<br />

von 10 bis 20 Nanometern etwa so groß wie<br />

die kleinsten Viren. Um diese Molekülkomplexe<br />

bei der Arbeit zu beobachten, nutzen wir verschiedene<br />

<strong>biophysikalische</strong> Methoden wie die Fluoreszenzspektroskopie<br />

und schnelle kinetische Techniken.<br />

Strukturmodell eines bakteriellen<br />

Ribosoms. Die beiden Transfer-<br />

Ribonukleinsäuren, die daran andocken,<br />

bringen passende<br />

Aminosäuren.


Präzisionsarbeit<br />

Auch wenn hunderte, manchmal sogar<br />

tausende von Aminosäuren aneinandergereiht<br />

werden, kommt es auf jede einzelne<br />

an. Ein einziger falscher Baustein<br />

kann das Protein arbeitsunfähig machen.<br />

Schlimmstenfalls kann ein defektes<br />

Protein sogar Schaden anrichten.<br />

Wie es den Ribosomen gelingt, die Fehlerquote<br />

so erstaunlich niedrig zu halten,<br />

interessiert uns deshalb besonders.<br />

Bekannt ist bereits, dass Ribosomen auf<br />

einen Kontakt mit einem falschen Baustein<br />

gewöhnlich nicht reagieren. Nur<br />

wenn der richtige Baustein andockt,<br />

löst das eine prompte Strukturveränderung<br />

aus, die schließlich zur Verknüpfung<br />

der Aminosäuren führt. Das Ribosom<br />

bringt dabei zwei Aminosäuren derart<br />

in Position, dass sie bereitwillig in<br />

Verbindung treten. So wird es zum Katalysator,<br />

der die Verkettung von Amino -<br />

säuren zehn Millionen Mal beschleunigt.<br />

Welche molekularen Prozesse bei<br />

der Strukturveränderung im Spiel sind<br />

und wie der katalytische Mechanismus<br />

im Detail funktioniert, versuchen wir<br />

derzeit herauszufinden.<br />

Erwünschte »Fehler«<br />

Gewöhnlich läuft die Produktion eines<br />

Proteins nach Plan. Ein Bauplan aus Ribonukleinsäure<br />

gibt genau vor, welche<br />

der zwanzig gängigen Aminosäuren in<br />

welcher Reihenfolge aneinandergehängt<br />

werden müssen. Fehler sind selten –<br />

manchmal aber sogar notwendig, um<br />

das gewünschte Protein zu erhalten:<br />

Nur wenn das Ribosom scheinbar einen<br />

Fehler macht, kann es nämlich spezielle<br />

Aminosäuren wie Selenocystein ein -<br />

bauen, die nicht zum Standardrepertoire<br />

gehören. Doch welche Mechanismen<br />

erlauben solche Ausnahmen von der<br />

Regel? Wenn wir das ergründen, hoffen<br />

wir zugleich, besser zu verstehen, wie<br />

Fehler normalerweise vermieden wer -<br />

den. Möglicherweise lassen sich solche<br />

Erkenntnisse eines Tages auch medizinisch<br />

nutzen.<br />

Laufend umstrukturiert<br />

Während das Ribosom ein Protein<br />

Schritt <strong>für</strong> Schritt zusammenbaut, verändert<br />

es im selben Rhythmus seine<br />

räumliche Struktur. Dabei kommen bestimmte<br />

Proteinfaktoren ins Spiel. Der<br />

Elongationsfaktor G zum Beispiel setzt<br />

mit chemischer Energie eine tiefgreifende<br />

Umstrukturierung des Ribosoms<br />

in Gang, ähnlich wie Motorproteine in<br />

Muskelzellen chemische Energie in<br />

me chanische Arbeit verwandeln. Gemeinsam<br />

mit der Arbeitsgruppe von<br />

Wolfgang Wintermeyer studieren wir<br />

diesen Vorgang mit biochemischen und<br />

<strong>biophysikalische</strong>n Methoden. In Ko ope -<br />

ra tion mit der Arbeitsgruppe von Holger<br />

Stark versuchen wir, diese Struktur -<br />

veränderungen am Ribosom mit der<br />

Kryo-Elektro nen mikroskopie sichtbar<br />

zu machen.<br />

Prof. Marina Rodnina hat in Kiew<br />

Bio logie studiert und dort 1989<br />

promoviert. Anschließend kam<br />

sie mit einem Forschungsstipendium<br />

der Alexander von Humboldt-Stiftung<br />

an die Universität<br />

Witten/Herdecke, wo sie von<br />

1992 bis 1997 als wissenschaftliche<br />

Assistentin arbeitete. Nach<br />

der Habilitation 1997 wurde sie<br />

dort zur Universitätsprofes sorin<br />

berufen und hatte von 2000 bis<br />

2009 den Lehrstuhl <strong>für</strong> Physikalische<br />

Biochemie inne. Seit 2008<br />

leitet sie als Direktorin die Abteilung<br />

»Physikalische Biochemie«<br />

am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> bio -<br />

physika lische <strong>Chemie</strong>. Sie ist<br />

seit 2008 Mitglied der Deutschen<br />

Akademie der Natur forscher<br />

Leopoldina, Halle.<br />

Kontakt:<br />

rodnina@mpibpc.mpg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/<br />

research/dep/rodnina<br />

P. Milon, A. L. Konevega, C. O. Gualerzi,<br />

M. V. Rodnina: Kinetic checkpoint at a<br />

late step in translation initiation. Mol.<br />

Cell 30, 712-720 (2008).<br />

A. L. Konevega, N. Fischer, Y. P. Semenkov,<br />

H. Stark, W. Wintermeyer, M. V.<br />

Rodnina: Spontaneous reverse movement<br />

of tRNA-mRNA through the ribosome.<br />

Nat. Struct. Mol. Biol. 14, 318-<br />

324 (2007).<br />

M. Diaconu, U. Kothe, F. Schlünzen, N.<br />

Fischer, J. Harms, A. G. Tonevitski, H.<br />

Stark, M. V. Rodnina, M. C. Wahl:<br />

Structural basis for the function of the<br />

ribosomal L7/L12 stalk in factor binding<br />

and activation of GTP hydrolysis. Cell<br />

121, 991-1004 (2005).<br />

55


56<br />

Mitteilsame<br />

Nervenzellen


Wie Signale weitergeleitet werden<br />

Einen Ball fangen, eine Gefahr rechtzeitig erkennen,<br />

sich an etwas erinnern oder eine Rechenaufgabe<br />

lösen – scheinbar mühelos speichert unser Nervensystem<br />

von frühester Kindheit an Erfahrungen, steuert<br />

komplizierte Bewegungsabläufe und erschafft<br />

unser Bewusstsein. Hundert Milliarden Nervenzellen<br />

umfasst das Nervensystem des Menschen schätzungsweise.<br />

Und die einzelnen Nervenzellen können<br />

jeweils mit Tausenden von Nachbarn Kontakt aufnehmen.<br />

Aus kleinen Membranbläschen, den Speichervesikeln,<br />

werden dabei spezielle Botenstoffe freigesetzt,<br />

die das Verhalten bestimmter Nachbarzellen<br />

beeinflussen. Ziel der Forscher am <strong>Institut</strong> ist es, die<br />

molekularen Prozesse aufzuklären, die Nervenzellen ihre<br />

Fähigkeit verleihen, Informationen zu sammeln und<br />

zu verarbeiten – bis hin zu komplexen Gehirnfunktionen<br />

wie Lernen und Gedächtnis.<br />

57


58<br />

Neurobiologie<br />

Nervenzellen sind Spezialisten <strong>für</strong> Kommuni -<br />

kation. Sie nehmen Signale auf, verarbeiten<br />

sie und geben sie weiter, an Muskelzellen zum Beispiel<br />

oder an benachbarte Nervenzellen. Gewöhnlich<br />

werden diese Signale über spezielle Boten -<br />

stoffe vermittelt. Portionsweise verpackt in kleine<br />

Membranbläschen, die synaptischen Vesikel, liegen<br />

die Signalmoleküle im Inneren der Nervenzellen<br />

bereit. Wenn elektrische Signale anzeigen, dass<br />

eine Botschaft übermittelt werden soll, verschmelzen<br />

einige synaptische Vesikel mit der Zellmembran<br />

und entleeren ihren Inhalt nach außen.<br />

Kontaktfreudige SNAREs<br />

Das molekulare Inventar synaptischer Vesikel ist<br />

mittlerweile weitgehend bekannt. Sie enthalten<br />

faszinierende Proteine, die alle Aufgaben synaptischer<br />

Vesikel erledigen. Diese Membranbläschen<br />

sind nicht nur <strong>für</strong> die Aufnahme und Speicherung<br />

von Botenstoffen zuständig, sie müssen Signale<br />

erkennen und Membranen verschmelzen. Hierbei<br />

spielen spezielle Proteine, die sogenannten<br />

SNAREs, eine wichtige Rolle.<br />

Gemeinsam mit anderen Forschergruppen wollten<br />

wir herausfinden, wie die SNAREs zusammenarbeiten,<br />

um Membranen zu fusionieren. Inzwischen<br />

wissen wir das recht genau: Wenn passende<br />

� Modell eines aufgeschnittenen<br />

synaptischen Vesikels mit der<br />

ringförmigen Vesikelmembran, in<br />

die verschiedene Proteine eingebettet<br />

sind. Im Inneren ist der<br />

Botenstoff Glutamat gespeichert.


Wenn Membranen miteinander verschmelzen, sind bestimmte Proteine im Spiel: die SNARES<br />

(blau, rot und grün).<br />

SNAREs miteinander in Kontakt treten<br />

und sich ineinander verhaken, verändern<br />

sie ihre Form. Anscheinend üben<br />

sie dabei eine solche Zugkraft aus, dass<br />

die Membranen, in denen sie verankert<br />

sind, einander extrem nahe kommen<br />

und schließlich verschmelzen. Dieser<br />

Prozess, der von zahl reichen anderen<br />

Proteinen kontrolliert wird, lässt sich im<br />

Reagenzglas nachstellen. In einem unserer<br />

Forschungsschwerpunkte nehmen<br />

wir die viel fältigen Faktoren, auf die es<br />

dabei ankommt, einzeln genauer unter<br />

die Lupe.<br />

SNAREs werden nicht nur dann gebraucht,<br />

wenn sich synaptische Vesikel<br />

entleeren. Sie beteiligen sich auch bei<br />

den vielfältigen Membranfusionen, die<br />

im Inneren jeder belie bigen Zelle ablaufen.<br />

Was auch immer biologische Membranen<br />

umschließen, sie werden ständig<br />

umgebaut. Dabei schnüren sie kleine<br />

Bläschen ab, die sich dann in ein anderes<br />

Membran system einfügen. Derzeit<br />

untersuchen wir, wie die SNAREs<br />

jeweils gesteuert werden, wenn unterschiedliche<br />

Membranen im Spiel sind.<br />

Schließlich sollen benachbarte Strukturen<br />

nicht wahllos fusionieren. Nervenzellen<br />

zum Beispiel sollen ihre Botenstoffe<br />

nur dann ausschütten, wenn sie<br />

eine Nachricht zu übermitteln haben.<br />

Wir möchten herausfinden, was allen<br />

Membranfusionen gemeinsam ist und<br />

was sie voneinander unterscheidet.<br />

Die Arbeitsgruppe von Hans Dieter<br />

Schmitt beschäftigt sich ebenfalls mit<br />

den SNARE-Proteinen. Als Modellsystem<br />

dient ihr die Bäckerhefe, weil sich<br />

bei diesem einzelligen Pilz einzelne Gene<br />

leicht ein- oder ausschalten lassen.<br />

Im Mittelpunkt des Interesses stehen<br />

die von einer Proteinhülle umgebenen<br />

Transportvesikel. Bemerkenswert ist,<br />

dass die SNAREs dabei helfen, diese<br />

Protein hülle abzustreifen. Erst dann<br />

können die SNAREs ihre eigentliche<br />

Arbeit verrichten und die Membranen<br />

ver schmelzen.<br />

Karin Kühnel untersucht einen destruktiven<br />

Prozess, an dem ebenfalls<br />

Membranen beteiligt sind: Wenn Zellen<br />

den »Gürtel enger schnallen« müssen,<br />

fangen sie an, sich selbst zu verzehren.<br />

Dabei bilden sie Membranvesikel, die<br />

Zellbestandteile einschließen. Diese<br />

werden dann im »Magen« der Zelle,<br />

dem Lysosom, verdaut. Dieser als Autophagozytose<br />

bezeichnete Vorgang hilft<br />

der Zelle nicht nur Hungerperioden zu<br />

überstehen, sondern sorgt auch <strong>für</strong> routinemäßiges<br />

Aufräumen. Beschädigte<br />

oder zusammengelagerte Zellbausteine<br />

werden auf diese Weise entsorgt. Karin<br />

Kühnels Forschungsschwerpunkt ist die<br />

räumliche Struktur der daran beteiligten<br />

Proteine.<br />

Interne Arbeitsgruppen:<br />

Dr. Karin Kühnel<br />

Dr. Hans Dieter Schmitt<br />

Prof. Dr. Reinhard Jahn studierte<br />

Biologie und <strong>Chemie</strong> und promovierte<br />

1981 an der Universität<br />

Göttingen. Von 1983 bis 1986 war<br />

er an der Rockefeller University,<br />

(New York) tätig, anschließend<br />

am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Psychiatrie<br />

(heute: Neurobiologie) in<br />

München. 1991 ging er als Professor<br />

an die Yale University in<br />

New Haven, Connecticut (USA),<br />

und seit 1997 leitet er die Abteilung<br />

»Neurobiologie« am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong>.<br />

Zugleich ist Reinhard Jahn<br />

Honorarprofessor an der Fakultät<br />

<strong>für</strong> Biologie, und er ist Sprecher<br />

der Göttingen Graduate School of<br />

Neurosciences and Molecular<br />

Biosciences (GGNB). Reinhard<br />

Jahn hat mehrere Auszeichnungen<br />

erhalten, darunter den <strong>Max</strong>-<br />

<strong>Planck</strong>-Forschungspreis (1990),<br />

den Leibniz-Preis der Deutschen<br />

Forschungsgemeinschaft (2000)<br />

sowie den Ernst-Jung-Preis <strong>für</strong><br />

Medizin (2006).<br />

Kontakt:<br />

rjahn@gwdg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/research/<br />

dep/jahn<br />

A. Stein, A. Radhakrishnan, D. Riedel,<br />

D. Fasshauer, R. Jahn: Synaptotagmin<br />

activates membrane fusion through a<br />

Ca2+ -dependent trans-interaction with<br />

phospholipids. Nature Struct. Mol. Biol.<br />

14, 904-911 (2007).<br />

D. Zwilling, A. Cypionka, W. Pohl, D.<br />

Fasshauer, P. J. Walla, M. C. Wahl, R.<br />

Jahn: Early endosomal SNAREs form a<br />

structurally conserved SNARE complex<br />

and fuse liposomes with multiple topologies.<br />

EMBO J. 26, 9-18 (2007).<br />

S. Takamori, M. Holt, K. Stenius, E. A.<br />

Lemke, M. Grønborg, D. Riedel, H. Urlaub,<br />

S. Schenck, B. Brügger, P. Ringler,<br />

S. A. Müller, B. Rammner, F. Gräter, J.<br />

S. Hub, B. L. De Groot, G. Mieskes, Y.<br />

Moriyama, J. Klingauf, H. Grubmüller,<br />

J. Heuser, F. Wieland, R. Jahn: Molecular<br />

anatomy of a trafficking organelle.<br />

Cell 127, 831-846 (2006).<br />

59


Dr. Dirk Fasshauer studierte Biologie<br />

und promovierte 1994 an der<br />

Universität Göttingen. Von 1995<br />

bis 1997 forschte er an der Yale<br />

University, New Haven (USA) und<br />

wechselte von dort an das <strong>Max</strong>-<br />

<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />

<strong>Chemie</strong>. Seit 2002 leitet er<br />

dort die Arbeitsgruppe »Strukturelle<br />

Biochemie« in der Ab teilung<br />

»Neurobiologie«.<br />

Kontakt:<br />

dfassha@gwdg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/groups/<br />

fasshauer/fassh_main.htm<br />

T. H. Kloepper, C. N. Kienle, D. Fasshauer:<br />

SNAREing the basis of multicellularity:<br />

Consequences of protein family<br />

expansion during evolution. Mol.<br />

Biol. Evol. 25, 2055-2068 (2008).<br />

P. Burkhardt, D. A. Hattendorf, W. Weis,<br />

D. Fasshauer: Munc18a controls SNARE<br />

assembly through its interaction with<br />

the syntaxin N-peptide. EMBO J. 27,<br />

923-933 (2008).<br />

A. Pobbati, A. Stein, D. Fasshauer: N- to<br />

C-terminal SNARE complex assembly<br />

promotes rapid membrane fusion.<br />

Science 313, 673-676 (2006).<br />

60<br />

Strukturelle Biochemie<br />

Die Zellen unseres Körpers – wie auch<br />

die anderer Tiere, Pflanzen, Pilze und<br />

vieler Einzeller – sind weitaus komplizierter<br />

aufgebaut als die Zellen der Bakterien.<br />

In unseren komplexen eukaryotischen Zellen<br />

gibt es viele durch Membranen abgetrennte<br />

Reaktionsräume, in denen ganz unterschiedliche<br />

Aufgaben erledigt werden.<br />

Im sogenannten Endoplasmatischen Retikulum,<br />

einem besonders großen, verzweigten<br />

Bereich, werden die Proteine der Zelle<br />

hergestellt. In den viel kleineren Lysosomen<br />

wird zellfremdes Material verdaut. In<br />

jedem Membranraum arbeitet ein ganz<br />

charakteristischer Satz von Molekülen.<br />

Damit die Aufgaben reibungslos erfüllt<br />

werden, ist es <strong>für</strong> die Zelle überlebenswichtig,<br />

dass die Moleküle in ausreichenden<br />

Mengen, zum exakten Zeitpunkt und<br />

am richtigen Ort bereitstehen. Sie werden<br />

deshalb über ein komplexes Transportsystem<br />

auf die verschiedenen Bereiche verteilt.<br />

Transport in Bläschen<br />

Meist werden die Moleküle dabei in kleinen,<br />

membranumhüllten Bläschen, den Vesikeln,<br />

von Raum zu Raum transportiert. Wenn eine<br />

Fracht ansteht, schnürt sich das Bläschen<br />

von der Membran des einen Raumes, dem<br />

Donorkompartiment, ab. Dann wandert es<br />

beladen durch den Hauptzellraum, das Zytosol,<br />

und verschmilzt schließlich mit der<br />

Membran des Zielkompartiments, in dem<br />

die Moleküle gebraucht werden.<br />

Wenn das Transportvesikel mit der<br />

Membran verschmilzt, spielen sogenannte<br />

SNARE-Proteine die Hauptrolle. Dies ist<br />

eine Gruppe relativ kleiner membranver -<br />

ankerter Proteine. Bisher geht man davon<br />

aus, dass sie in einem reißverschlussartigen<br />

Prozess einen stabilen Komplex zwischen<br />

der Membran des Transportbläschens und<br />

der Membran des Zielkompartiments ausbilden.<br />

Wir untersuchen, was genau passiert,<br />

wenn die SNARE-Proteine diesen Komplex<br />

aufbauen. Wir wollen auch wissen,<br />

welche anderen Faktoren diesen Prozess<br />

kontrollieren und katalysieren und wie der<br />

stabile Komplex am Ende wieder in seine<br />

Bestandteile zerlegt werden kann. Schließlich<br />

interessieren wir uns <strong>für</strong> die evolutionäre<br />

Entwicklung dieses Transportsystems.<br />

Denn immer häufiger zeigt sich, dass die<br />

molekularen Maschinen, die an den grundlegenden<br />

Prozessen des Transportgeschehens<br />

beteiligt sind, in allen Eukaryotenzellen<br />

zu finden sind – ein Hinweis auf ihre<br />

Verwandtschaft und die gemeinsame Abstammung,<br />

die wir erforschen. Daher kombinieren<br />

wir nicht nur strukturelle und<br />

<strong>biophysikalische</strong> Ansätze, sondern beziehen<br />

auch Verwandschaftsbeziehungen zwischen<br />

den Proteinmaschinen verschiedener<br />

Organismen mit ein.<br />

Phylogenetischer Baum<br />

der sekretorischen<br />

Syntaxin-Proteine aus<br />

Tieren (links). Mittels isothermerTitrationskalorimetrie<br />

lässt sich das<br />

starke Bestreben der<br />

beiden SNARE-Proteine<br />

Munc18a und Syntaxin 1a,<br />

sich miteinander zu verbinden,<br />

bestimmen. Dieser<br />

Komplex bildet sich während<br />

der Ausschüttung<br />

der Botenstoffe aus synaptischen<br />

Vesikeln aus<br />

(rechts).


Biophysik der<br />

synaptischen Übertragung<br />

Wenn eine Nervenzelle ein Signal an<br />

die nächste weitergibt, wird dieses<br />

Signal gewöhnlich zwei Mal umgewandelt.<br />

Die »sendende« Zelle übersetzt ihr elektrisches<br />

Signal in ein chemisches, die »empfangende«<br />

Zelle macht aus dem chemischen<br />

Signal wieder ein elektrisches. Warum<br />

so umständlich?<br />

Die chemische Kommunikation über Botenstoffe<br />

bietet einen entscheidenden Vorteil:<br />

Anders als elektrische Signale können<br />

Botenstoffe nicht nur aktivierend, sondern<br />

auch hemmend auf die nächste Nervenzelle<br />

wirken. Außerdem sind die dazu notwendigen<br />

Kontaktstellen zwischen den Nervenzellen<br />

– die Synapsen – bemerkenswert anpassungsfähig:<br />

Sie können elektrische Signale<br />

abgeschwächt weitergeben, sie können<br />

sie aber auch verstärken. Diese Dynamik<br />

der Synapse ist <strong>für</strong> die Informationsverarbeitung<br />

von heraus ragender Bedeutung.<br />

Wir wollen wissen, welche molekularen<br />

Mechanismen dahinter stecken.<br />

Dazu vergleichen wir verschiedene Synapsen-Typen<br />

aus unterschiedlichen Bereichen<br />

des Gehirns, beispielsweise dem<br />

Kleinhirn, der Hirnrinde und dem Hirn-<br />

stamm. Wir untersuchen diese Synapsen,<br />

indem wir elektrophysiologische Methoden<br />

mit bildgebenden Verfahren und molekularbiologischen<br />

Techniken kombinieren.<br />

Wie wir inzwischen wissen, trägt das Recycling<br />

der mit Boten stoffen gefüllten Vesikel<br />

auf Seiten der »sendenden« Nervenzelle<br />

entscheidend zur Vielfalt der Synapsentypen<br />

bei.<br />

Verschaltungsregeln auf der Spur<br />

Welche Rolle aber spielen die dynamischen<br />

Eigenschaften der Synapsen, wenn sich<br />

Nervenzellen zu komplexen neuronalen<br />

Schaltkreisen in unserem Gehirn zusammenfinden?<br />

Möglich wäre, dass sich Nervenzellen<br />

ganz zufällig mit verschiedenen<br />

Synapsen-Typen verschalten. Es könnte<br />

aber auch sein, dass diese Verschaltungen<br />

ganz bestimmten Regeln folgen. Eine<br />

Gruppe von Nervenzellen könnte sich beispielsweise<br />

nur mit aktivierenden Synapsen<br />

verschalten. Wir sind den »Verschaltungsregeln«<br />

auf der Spur, denen die Nervenzellen<br />

bei der neuronalen Verschaltung<br />

zwischen Hirnrinde und Kleinhirn folgen<br />

müssen.<br />

Dr. Takeshi Sakaba erwarb seinen<br />

Doktortitel in Psychologie 1998 an<br />

der Universität von Tokio, Japan.<br />

Von 1998 bis 2006 forschte er als<br />

Postdoktorand bei Erwin Neher<br />

am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />

<strong>Chemie</strong>. Seit 2006<br />

leitet er dort die <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />

Forschungsgruppe »Biophysik<br />

der synaptischen Übertragung«.<br />

Kontakt:<br />

tsakaba@gwdg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/research/ags/<br />

sakaba<br />

Fluoreszenzaufnahme einer Purkinjezelle im Kleinhirn,<br />

die von zahlreichen Nervenendigungen anderer<br />

Nerven zellen an ihrem Fortsatz (den Dendriten) erreicht<br />

wird und dort Synapsen bildet.<br />

N. Hosoi, M. Holt, T. Sakaba: Calcium<br />

dependence of exo- and endocytotic<br />

coupling at a glutamatergic synapse.<br />

Neuron 63, 216-229 (2009).<br />

T. Sakaba: Two Ca-dependent steps<br />

controlling synaptic vesicle fusion and<br />

replenishment at the cerebellar basket<br />

cell terminal. Neuron 57, 406-419<br />

(2008).<br />

K. Wadel, E. Neher, T. Sakaba: The<br />

coupling between synaptic vesicles and<br />

Ca2+ channels determines fast neurotransmitter<br />

release. Neuron 53, 563-<br />

575 (2007).<br />

61


62<br />

Membranbiophysik<br />

Ohne Kommunikation herrscht Schweigen<br />

und Stillstand, auch auf zellulärer Ebene.<br />

Viele Lebensprozesse beruhen auf dem Austausch<br />

von Signalen innerhalb einer Zelle, aber auch zwischen<br />

den Zellen unseres Körpers. Biologische<br />

Membranen nehmen dabei eine Schlüsselstellung<br />

ein, denn in vielen Fällen sind sie die Vermittler.<br />

Welche mole kularen Prozesse dabei ablaufen, erforschen<br />

wir mit <strong>biophysikalische</strong>n und molekularbiologischen<br />

Methoden. Dabei setzen wir zunehmend<br />

auf fluoreszierende Moleküle, um bestimmte,<br />

am Signalaustausch beteiligte Proteine<br />

sichtbar zu machen.<br />

Flexible Schaltkreise im Gehirn<br />

Synapsen sind die Schaltstellen unseres Gehirns,<br />

an denen Nervenzellen Kontakt miteinander aufnehmen<br />

und Signale austauschen. Im Gegensatz<br />

zu den Schaltelementen elektronischer Rechen -<br />

anlagen, die fest verdrahtet sind, sind die »Synapsenstärken«<br />

variabel. Synapsen ändern ihre Ver -<br />

bindungsstärke je nach Signaldurchfluss. Jeder<br />

Synapsentyp hat dabei sein charakteristisches<br />

Muster von »Plastizität«: Änderungen können von<br />

sehr kurzer Dauer sein oder über Stunden und<br />

Tage anhalten. Lang anhaltende Änderungen gelten<br />

als Grundlage <strong>für</strong> Lernen und Gedächtnis.<br />

Aber auch die kurzzeitigen Änderungen der Synapsenstärke<br />

spielen bei der Informationsverarbeitung<br />

eine wichtige Rolle, beispielsweise bei der Adaptation<br />

von Sinneseindrücken.<br />

Doch welche physiologischen und molekularen<br />

Mechanismen stecken hinter der synaptischen<br />

Plastizität? Diese Frage ist bis heute weitgehend<br />

unbeantwortet geblieben und interessiert uns daher<br />

ganz besonders. Dabei liegt der Fokus auf den<br />

kurzzeitigen Änderungen in der Nervenendigung<br />

der sendenden Zelle. Ein Nervenimpuls bewirkt<br />

dort die Freisetzung eines Botenstoffes, des Neurotransmitters.<br />

Was diesen Prozess auslöst, ist seit<br />

langem bekannt: ein Anstieg der Kalziumionen-<br />

Konzentration in der Nervenendigung der sendenden<br />

Zelle. Die Kalziumionen bringen Speicherbläschen<br />

(synaptische Vesikel) mit den darin<br />

enthaltenen Neurotransmittern dazu, mit der Zellmembran<br />

zu verschmelzen. Dabei wird der Neurotransmitter<br />

in den synaptischen Spalt – den<br />

Raum zwischen der signalgebenden und der Empfängerzelle<br />

– freigesetzt. Aber die Kalziumionen<br />

bewirken noch mehr: Sie beschleunigen die Bereitstellung<br />

neuer Vesikel. Die Synapsenstärke<br />

Die Held’sche Kelch-Synapse ist eine außerordentlich große<br />

Nervenendigung, die einen kompakten postsynaptischen<br />

Nervenzellkörper umschließt. Sie ist eine wichtige Schaltstelle<br />

in der Hörbahn und eignet sich besonders gut <strong>für</strong><br />

biophysika lische Untersuchungen, da sie aufgrund ihrer<br />

Größe zugänglich <strong>für</strong> elektrophysiologische Messungen<br />

(Patch-Clamp) ist.<br />

hängt unter anderem davon ab, wie viele synaptische<br />

Vesikel die sendende Zelle pro Nervenimpuls<br />

freisetzt und wie rasch Nachschub geliefert wird.<br />

Die Bereitstellung neuer Vesikel wird neben Kalziumionen<br />

auch durch weitere Signalstoffe, beispielsweise<br />

zyklisches AMP, reguliert. Synaptische<br />

Kurzzeitplastizität ist somit ein Ergebnis mehrerer<br />

inein andergreifender Prozesse.<br />

Wie ist es möglich, dass Kalziumionen mehrere<br />

Prozesse auf unterschiedliche Weise steuern<br />

können? Die Antwort liegt im <strong>biophysikalische</strong>n<br />

Detail: Die Auslösung der Transmitterfreisetzung<br />

durch Kalzium ist ein hochkooperativer Prozess,<br />

der erst bei höheren Kalzium-Konzentrationen einsetzt,<br />

dann aber sehr stark zunimmt. Die Nach -<br />

lieferung beschleunigt sich linear mit der Kalzium-<br />

Konzentration und erreicht bereits bei geringeren<br />

Konzentrationen genügend hohe Werte. Je nachdem,<br />

in welchem Konzentrationsbereich sich das<br />

Kalzium-Signal bewegt, wird daher der eine oder<br />

andere Prozess bevorzugt aktiviert.


Kontakte reifen lassen<br />

Im Fokus unserer Forschung steht seit<br />

längerem die Held’sche Kelch-Synapse,<br />

eine wichtige Schaltstelle in der Hörbahn<br />

von Säugetieren. Ihre kelchför mige<br />

Kontaktstelle ist so großzügig dimen sio -<br />

niert, dass sie sich leicht manipulieren<br />

lässt. Holger Taschen berger konnte zeigen,<br />

dass sie, wie die meisten anderen<br />

Synapsen unseres Gehirns, einen funktionellen<br />

Reifeprozess durchläuft. So<br />

gehen reifere Synapsen wesentlich sparsamer<br />

mit ihrem Vorrat an synaptischen<br />

Vesikeln um. Im Vergleich zu einer jungen<br />

Synapse setzt hier ein einzelner<br />

Nervenimpuls einen viel kleineren Anteil<br />

verfügbarer Vesikel frei. Dadurch nimmt<br />

die Synapsen stärke auch bei wiederholter<br />

Reizung sehr viel weniger ab. Auch<br />

der Umgang mit Kalziumionen wird von<br />

der reifen Synapse optimiert. Zum einen<br />

werden in der reifen Synapse Proteine<br />

produziert, die Kalzium an sich<br />

binden und so dessen Konzentration<br />

schnell wieder auf Normalmaß sinken<br />

lassen. Zum anderen erfordern reife Synapsen<br />

weniger Kalziumeinstrom, um<br />

ihre Vesikel mit der Zellmembran verschmelzen<br />

zu lassen. Denn dort sitzen<br />

die Kalziumkanäle näher an den aus -<br />

schüttungs bereiten Vesikeln.<br />

Die Held’sche Kelch-Synapse ist ideal<br />

geeignet <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> Studien<br />

zur synaptischen Übertragung im Hirnschnitt.<br />

Allerdings war es bisher nicht<br />

möglich, an diesem Präparat die rele-<br />

vanten Proteine gezielt zu verändern.<br />

Daher entwickelte Sa muel Young eine<br />

Methode, um maßgeschneiderte Adeno -<br />

viren in die Nervenzellen einzuschleusen.<br />

Gen-Varianten des synaptischen<br />

Kalziumsensors Synaptotagmin wurden<br />

in die Erbsubstanz des Virus eingebaut.<br />

Nach Infektion der Nervenzellen mit<br />

solchen Viren lässt sich beobachten,<br />

wie sich der verän derte Kalziumsensor<br />

auf die Funktion der Synapse auswirkt.<br />

Bunte Proteine<br />

Wie greifen die verschiedenen Signalprozesse<br />

an der Nervenendigung inein -<br />

ander? Um dieses »Räderwerk« sichtbar<br />

zu machen, gilt es, die Verteilung und<br />

die zeitlichen Veränderungen möglichst<br />

vieler Signalträger gleichzeitig darzustellen.<br />

Die Molekularbiologie bietet inzwischen<br />

hervorragende Möglichkeiten,<br />

Pro teine nach Wahl mit verschieden -<br />

farbigen Fluoreszenzfarbstoffen zu markieren.<br />

Bei der Analyse solcher Bilddaten<br />

stellt sich allerdings das Problem,<br />

dass bei Anwesenheit mehrerer markierter<br />

Proteine auf einem Bildpunkt<br />

deren individuelle Beiträge ermittelt<br />

werden müssen. Dazu entwickelten wir<br />

einen Algorithmus der sogenannten<br />

»Blinden Quellentrennung«, der es erlaubt,<br />

aus einer einzigen Aufnahme sowohl<br />

die spektralen Eigenschaften der<br />

beteiligten Farbstoffe als auch deren<br />

Beiträge zum Gesamtbild zu ermitteln.<br />

Dreifach markierte Fibroblastenzellen. Proteine des Zytoskeletts und Nukleinsäuren dieser Zellen wurden<br />

mit fluoreszierenden Farbstoffen markiert (Aktin: grün; Tubulin: blau; Nukleinsäuren: rot).<br />

Die spektrale Analyse des Fluoreszenzlichts erlaubt die Auftrennung der drei Komponenten auf der Basis<br />

einer einzigen Aufnahme (Zusammenarbeit im Rahmen des DFG-Forschungszentrums ›Molekularphysiologie<br />

des Gehirns‹).<br />

Prof. Dr. Erwin Neher studierte<br />

Physik in München und an der<br />

University of Wisconsin, wandte<br />

sich dann der Biophysik zu und<br />

promovierte 1970 am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Psychiatrie (heute:<br />

Neurobiologie) in München.<br />

Er kam 1972 an das <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> biophy sikalische <strong>Chemie</strong>,<br />

arbeitete zwischenzeitlich<br />

ein Jahr an der Yale University in<br />

New Haven (USA) und leitet seit<br />

1983 die Abteilung »Membran -<br />

biophysik« am <strong>Institut</strong>. Erwin<br />

Neher ist Honorarprofessor an<br />

der Universität Göttingen. Für<br />

seine Arbeit über Ionenströme<br />

an einzelnen Membranporen<br />

erhielt er 1991 gemeinsam mit<br />

Bert Sakmann den Nobelpreis<br />

<strong>für</strong> Medizin und Physiologie.<br />

Kontakt:<br />

eneher@gwdg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/<br />

groups/neher<br />

Interne Arbeitsgruppen:<br />

Dr. Meike Pedersen<br />

Dr. Holger Taschenberger<br />

Dr. Samuel Young<br />

R. A. Neher, M. Mitkovski, F. Kirchhoff,<br />

E. Neher, F. J. Theis, A. Zeug: Blind<br />

source separation techniques for the<br />

decomposition of multiply labeled fluorescence<br />

images. Biophys. J. 96, 1-10<br />

(2009).<br />

E. Neher, T. Sakaba: Multiple roles of<br />

calcium ions in the regulation of neurotransmitter<br />

release. Neuron 59, 861-<br />

872 (2008).<br />

J. Wlodarczyk, A. Woehler, F. Kobe, E.<br />

Ponimaskin, A. Zeug, E. Neher: Analysis<br />

of FRET-signals in the presence of free<br />

donors and acceptors. Biophys J. 94,<br />

986-1000 (2008).<br />

E. Neher: A comparison between exocytic<br />

control mechanisms in adrenal chromaffin<br />

cells and a glutamatergic synapse.<br />

Pflügers Arch. 453, 261-268 (2006).<br />

T. Sakaba, A. Stein, R. Jahn, E. Neher.<br />

Distinct kinetic changes in neurotransmitter<br />

release after SNARE-protein<br />

cleavage. Science 309, 491-494 (2005).<br />

63


Der Zellkern als<br />

Kommandozentrale<br />

64


Aktiver Informationsspeicher<br />

mit Ein- und Ausgangskontrolle<br />

Die Kommunikation muss stimmen, das gilt auch <strong>für</strong><br />

lebende Zellen.<br />

Damit Zellen richtig funktionieren, brauchen sie Kommunikationswege<br />

zwischen ihren einzelnen Kompartimenten<br />

– von Verpackungs- und Sortierstationen über<br />

die Kraftwerke bis hin zum Zellkern.<br />

Winzige Poren in der Zellkern-Hülle dienen als lebenswichtige<br />

Transport- und Kommunikationskanäle, die<br />

den gesamten Güterverkehr zwischen dem Zellkern<br />

und den anderen Kompartimenten der Zelle kontrollieren.<br />

Diese »Kernporen« sind hochselektive Tore: Während<br />

kleine Moleküle meist ungehindert passieren,<br />

sind große <strong>für</strong> ihren Transport auf einen Shuttle-Service<br />

angewiesen. Welche hochkomplexen Vorgänge<br />

dabei auf molekularer Ebene ablaufen, wird von Wissenschaftlern<br />

am <strong>Institut</strong> erforscht.<br />

65


66<br />

Zelluläre Logistik<br />

Erfolgsrezept Arbeitsteilung<br />

Eukaryotische Lebensformen, zu denen alle Pflanzen<br />

und Tiere gehören, zeichnen sich durch eine<br />

arbeitsteilige Organisation ihrer Zellen aus. So<br />

konzentrieren sich der Zellkern auf die Verwaltung<br />

des Genoms und die Mitochondrien auf die Energieversorgung<br />

der Zelle, während das sogenannte<br />

Zytosol auf die Proteinsynthese spezialisiert ist. Die<br />

Vorteile dieser Organisation lassen sich eindrucksvoll<br />

anhand der Tatsache zusammenfassen, dass<br />

nur Eukaryoten sich zu komplexen, vielzelligen Lebewesen<br />

entwickelt haben. Sie hat aber auch ihren<br />

Preis und muss mit einer ausgeklügelten Logistik<br />

aufrechterhalten werden. So verfügt der Zellkern<br />

über keine eigene Proteinsynthesemaschinerie,<br />

sondern muss sämtliche Enzyme und strukturellen<br />

Proteine aus dem Zytosol importieren. Umgekehrt<br />

produziert und exportiert er aber entscheidende<br />

Komponenten der Proteinsynthesemaschinerie<br />

(zum Beispiel Ribosomen) und ermöglicht damit<br />

erst die zytosolische Proteinsynthese.<br />

Tore und Transporteure<br />

Der Zellkern ist von zwei Membranen umgeben,<br />

die <strong>für</strong> Proteine und andere Makromoleküle völlig<br />

undurchlässig sind. Der stoffliche Austausch kann<br />

daher nicht direkt durch diese Membranen er -<br />

folgen. Stattdessen sind in die Kernhülle sogenannte<br />

Kernporen eingebettet, die man sich als<br />

hochselektive Tore vorstellen kann und die den<br />

stationären Teil einer ganzen Transportmaschi -<br />

nerie ausmachen.<br />

Den mobilen Teil dieser Transportmaschinerie<br />

bilden Importine und Exportine. Während die<br />

Ein Exportkomplex in<br />

atomarer Auflösung.<br />

Das Exportin CRM1<br />

(blau) bindet das<br />

Frachtmolekül Snur -<br />

portin (orange) sowie<br />

»Ran« (rot). Ran ist ein<br />

molekularer Schalter,<br />

der die Transportrichtung<br />

der Fracht bestimmt<br />

(in diesem Fall:<br />

Zellkern → Zytosol).<br />

CRM1 exportiert unter anderem die bereits genannten Ribosomen sowie hunderte regulatorische Faktoren aus dem Zellkern. Viren wie HIV missbrauchen<br />

CRM1, um ihre im Kern vermehrte Erbsubstanz in das Zytoplasma zu exportieren, wo diese in virale Partikel verpackt wird. Im Hintergrund: eine<br />

elektronenmikroskopische Aufnahme von Kernporenkomplexen – den gigan tischen Transportkanälen in der Zellkernhülle.


Kernporen <strong>für</strong> die meisten Makromoleküle<br />

ab einem bestimmten Größenlimit<br />

dicht verschlossen erscheinen, haben<br />

Importine und Exportine das Privileg,<br />

die Permeabilitätsbarriere der Kernporen<br />

nahezu ungehindert passieren zu<br />

können. Das Entscheidende dabei ist,<br />

dass sie bei ihrem Porendurchtritt auch<br />

»Fracht« oder »Passagiere« mit nehmen<br />

können. Nun darf nicht jeder Passagier<br />

an »Bord«, sondern Importine und Exportine<br />

erkennen mit molekularer Präzision,<br />

welche Moleküle in den Kern<br />

importiert und welche exportiert werden<br />

sollen. Die Mechanismen dieser<br />

Erkennungsprozesse stehen im Mittelpunkt<br />

unserer Forschung.<br />

Wie funktioniert die Sortiereinheit<br />

der Kernporen?<br />

Kernporen sind äußerst effektive Sortiermaschinen,<br />

und jede von ihnen kann<br />

pro Sekunde bis zu 1000 Frachtkom -<br />

plexe »abfertigen« und passieren lassen.<br />

Kernporen sind extrem komplex aufgebaut<br />

und be stehen jeweils aus ≈ 700<br />

Proteinmole külen oder ≈ 20 Millionen<br />

Einzelatomen. Um die Funktionsprinzipien<br />

eines derart komplexen Systems<br />

wirklich begreifen zu können, muss es<br />

auf das Wesentliche reduziert werden.<br />

Als einen entscheidenden Schritt in<br />

diese Richtung konnten wir kürzlich die<br />

Permeabilitätsbarriere der Kern poren<br />

im Reagenzglas nachbilden. Sie besteht<br />

aus sogenannten FG-Repeats und bil -<br />

det ein »intelligentes« Hydrogel mit er- staunlichen Materialeigenschaften. Es<br />

unterdrückt den Durchtritt von »normalen«<br />

Makromolekülen, erlaubt aber einen<br />

bis zu 20.000-fach schnelleren Einstrom<br />

der selben Moleküle, wenn diese<br />

an ein passendes Importin oder Exportin<br />

gebunden sind. Die Effizienz des<br />

Einstroms von Importinen und Exporti -<br />

nen in das Gel erreicht dabei die Grenzen<br />

des physikalisch Möglichen und<br />

wird nur durch die Geschwindigkeit des<br />

Die Permeabilitätsbarriere der Kernpore ist ein<br />

Hydrogel, das heißt ein größtenteils aus Wasser<br />

be stehender elastischer Feststoff, vergleichbar<br />

mit Götterspeise oder dem Glaskörper des Auges.<br />

Das durchscheinende rote Linienmuster der Unterlage<br />

gibt einen Eindruck von der Transparenz<br />

des Objekts. Da das Hydrogel aus FG-Repeats<br />

besteht, wird es FG-Hydrogel genannt. Das hier<br />

gezeigte in vitro rekonstituierte FG-Hydrogel ist<br />

einige Millimeter groß, die Barriere der Kernpore<br />

misst hingegen nur ≈ 50 Nanometer.<br />

Permeabilitätseigenschaften eines FG-Hydrogels.<br />

A) Ein »optischer Schnitt« durch ein fluoreszenzmarkiertes<br />

FG-Hydrogel. Helle Bereiche entsprechen<br />

dem Gel, dunkle dem umgebenden Puffer.<br />

B) Derselbe Bereich, in einem anderen Fluoreszenzkanal<br />

abgebildet, zeigt zu drei Zeitpunkten den<br />

Einstrom eines grün-fluoreszierenden Importin-<br />

Fracht-Komplexes. Der Komplex dringt schnell in<br />

das Gel ein, reichert sich dort etwa 100 bis 1.000fach<br />

an und bewegt sich im Gel mit einer Ge -<br />

schwindigkeit, die eine Kernporen passage innerhalb<br />

von 10 Millisekunden erlauben würde.<br />

C) Ein rot fluoreszierendes Kontrollsubstrat im Vergleich.<br />

Es bindet das Importin nicht und kann daher<br />

nicht in das Gel eindringen.<br />

Transports zur Barriere begrenzt. Die<br />

biologischen, chemischen und physikalischen<br />

Grundlagen dieses einzigartigen<br />

Phänomens werden derzeit von uns intensiv<br />

untersucht. Wir ver sprechen uns<br />

davon nicht nur ein tiefes Verständnis<br />

eines Pro zesses, der absolut essenziell<br />

<strong>für</strong> euka ryo tisches Leben ist, sondern<br />

auch Impulse zur Entwicklung neuer<br />

Materialien.<br />

Prof. Dr. Dirk Görlich studierte<br />

Biochemie in Halle/Saale und<br />

promovierte 1993 an der Humboldt-Universität<br />

in Berlin. Nach<br />

einem zweijährigen Forschungs -<br />

aufenthalt am Wellcome/CRC<br />

<strong>Institut</strong>e in Cambridge (England)<br />

wurde er 1996 zum Forschungsgruppenleiter<br />

und 2001 zum Professor<br />

<strong>für</strong> Molekularbiologie an<br />

das Zentrum <strong>für</strong> Molekulare Biologie<br />

der Universität Heidelberg<br />

(ZMBH) berufen. Seit 2007 leitet<br />

er die Abteilung »Zelluläre Logistik«<br />

am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />

<strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong>.<br />

Dirk Görlich erhielt zahlreiche<br />

wissenschaftliche Auszeichnungen,<br />

so den Karl-Lohmann-Preis<br />

der Deutschen Gesellschaft <strong>für</strong><br />

Bio logische <strong>Chemie</strong> (1993), den<br />

Heinz Maier-Leibnitz-Preis (1997),<br />

die EMBO-Goldmedaille (1997)<br />

und den Alfried-Krupp-Förderpreis<br />

(2001).<br />

Kontakt:<br />

goerlich@mpibpc.mpg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/research/<br />

dep/goerlich<br />

T. Monecke, T. Güttler, P. Neumann, A.<br />

Dickmanns, D. Görlich, R. Ficner:<br />

Crystal structure of the nuclear export<br />

receptor CRM1 in complex with snurportin1<br />

and RanGTP. Science 324,<br />

1087-1091 (2009).<br />

S. Frey, D. Görlich: A saturated FGrepeat<br />

hydrogel can reproduce the permeability<br />

pro perties of nuclear pore<br />

complexes. Cell 130, 512-523 (2007).<br />

S. Frey, R. P. Richter, D. Görlich: FGrich<br />

repeats of nuclear pore proteins<br />

form a three-dimensional meshwork<br />

with hydrogel-like properties. Science<br />

314, 815-817 (2006).<br />

67


Dr. Volker Cordes promovierte<br />

1992 an der Universität Heidelberg<br />

im Fach Zellbiologie. Von<br />

1992 bis 1997 arbeitete er als<br />

Assistent am Biozentrum der<br />

Universität Würzburg und am<br />

Deutschen Krebsforschungszentrum<br />

in Heidelberg. Im Jahr 1997<br />

wechselte er an das <strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />

Zell- und Molekularbiologie des<br />

Karo linska <strong>Institut</strong>et in Stockholm<br />

(Schweden). Dort war er anfangs<br />

als Nachwuchs forschungs -<br />

gruppenleiter und nach seiner<br />

Habilita tion als Hochschuldozent<br />

tätig. 2004 kehrte er nach<br />

Deutschland zurück und forschte<br />

als Arbeitsgruppenleiter an der<br />

Universität Heidelberg. Von dort<br />

wechselte er 2007 an das <strong>Max</strong>-<br />

<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />

<strong>Chemie</strong>, wo er seitdem die<br />

Arbeitsgruppe »Funktionelle<br />

Zellkernarchitektur« in der Ab -<br />

teilung »Zelluläre Logistik« leitet.<br />

Kontakt:<br />

vcordes@gwdg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/research/<br />

ags/cordes<br />

68<br />

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme<br />

einer gereinigten Kernhüllen-Innenseite<br />

eines Oozytenzellkerns des Krallenfrosches<br />

Xenopus laevis. Fädige Strukturen, runden<br />

Körben ähnlich, sind direkt über den Kern -<br />

poren platziert. Der Durchmesser eines<br />

solchen Kernkorbs beträgt an seiner Basis<br />

etwa 120 Nanometer (millionstel Millimeter).<br />

Funktionelle Zellkernarchitektur<br />

Höhere Wirbeltiere wie der Mensch<br />

bestehen aus mehr als 200 verschiede -<br />

nen Zelltypen. Von nur wenigen Ausnahmen<br />

abgesehen, besitzen diese Zellarten alle einen<br />

Kern, der die zentrale Kommandozentrale der<br />

Zelle darstellt und die in den Chromosomen<br />

gespeicherte Erbinformation enthält. Durch<br />

einen Membranmantel, die Kernhülle, wird<br />

dieses Erbgut vom Rest der Zelle abgegrenzt.<br />

Damit unterschiedlichste Mole küle dennoch<br />

zwischen dem Kern und dem Zellplasma aus -<br />

getauscht werden können, ist die Kernhül le<br />

von zahlreichen Kernporen durch zogen, durch<br />

die der gesamte Frachtverkehr erfolgt.<br />

Auch wenn der Zellkern meist als Kugel<br />

abgebildet wird, kann er je nach Zelltyp ganz<br />

unterschiedliche Formen annehmen. In vielen<br />

Zellarten ist er tatsächlich kugelförmig oder<br />

ellipsoid, während er in anderen schlauch -<br />

artig, gelappt oder sogar segmentiert sein<br />

kann. Ebenso unterschiedlich erscheint<br />

manch mal auch die Architektur im Inneren<br />

solcher Zellkerne. Warum das so ist und<br />

wel che Moleküle dabei eine Rolle spielen, ist<br />

bisher weitgehend ungeklärt. Auch weiß man<br />

noch wenig darüber, ob die Kernarchitektur<br />

die Funktion eines Zelltyps beeinflusst.<br />

Kernkorb aus fädigen Proteinen<br />

Um diese Fragen zu beantworten, ver su -<br />

chen wir Proteine im Zellkern zu identifizieren,<br />

die dessen Aufbau und Infra struk -<br />

tur mitbestimmen. Ausgangspunkt unserer<br />

Untersuchungen sind fädige Bausteine, die<br />

an der Innenseite der Kernporen verankert<br />

sind und Strukturen bilden, die an rund -<br />

liche Körbe erinnern. Wir haben herausgefunden,<br />

dass ein Hauptbestandteil dieser<br />

Kernkörbe ein großes, stäbchenförmiges<br />

Protein ist, das wir in vielen Zelltypen an<br />

der Kernperipherie nach weisen konnten.<br />

Dort wirkt es auch als Andockstelle <strong>für</strong><br />

weitere Zellkernbestandteile, die je nach<br />

Zelltyp unterschiedlich sein können.<br />

Zumindest in einigen dieser Zelltypen<br />

spielt dieses stäbchenförmige Protein eine<br />

wichtige Rolle bei der Verteilung des Erb -<br />

guts in der Nähe der Kernhülle. Dort trägt<br />

es wesentlich zur Innenarchitektur des Zellkerns<br />

bei. Vermutlich haben der Kernkorb<br />

und dieses Protein aber auch noch andere<br />

Funktionen, die wir noch aufklären wollen.


Chromatin-Biochemie<br />

Jeder kennt das Bild der Desoxyribonu -<br />

kleinsäure (DNA), der Trägerin der Erb -<br />

information: eine Strickleiter zu einer Doppelhelix<br />

verdreht. In lebenden Zellen ist sie<br />

im Zellkern, der »Kommandozentrale« der<br />

Zelle, gespeichert. Dort liegt die DNA aller -<br />

dings nicht nackt vor. Im Verbund mit bestimmten<br />

Proteinen bildet sie das Chromatin.<br />

In regel mäßigen Abständen sind kurze Abschnitte<br />

der DNA um einen Komplex von<br />

Histon proteinen gewickelt – die Nukleosome.<br />

Diese stellen die fundamentale, sich wiederholende<br />

Einheit des Chromatins dar.<br />

Nukleosome sind immer auf die gleiche<br />

Weise zusammengebaut, und doch gibt es<br />

feine molekulare Unterschiede, die vor allem<br />

durch chemische Veränderungen der<br />

Histonproteine entstehen. Diese werden als<br />

post-translationale Histonmodifizierungen<br />

bezeichnet. Wir gehen heute davon aus,<br />

dass die zelluläre Maschinerie diese Veränderungen<br />

an den Nukleosomen als Signale<br />

oder Marker nutzt, um unterschiedliche<br />

Regionen des Chromatins zu erkennen und<br />

zu definieren. Und offenbar spielen Histonmodifizierungen<br />

eine wichtige Rolle bei<br />

der zellulären Vererbung.<br />

Nicht nur das Produkt unserer Gene<br />

Vererbbare Unterschiede zwischen einzelnen<br />

Zellen und ganzen Lebewesen ent -<br />

stehen nicht nur, weil die Gensequenzen<br />

sich unterscheiden, sondern auch, weil die<br />

gleiche Erbinformation unterschiedlich abgelesen<br />

wird. Abweichende Merkmale entstehen<br />

zum Beispiel, weil das gleiche Gen<br />

in bestimmten Zellen eines Organismus<br />

mehr, in anderen weniger aktiv ist. Auf der<br />

Ebene des Chromatins vererbt die Zelle<br />

diese Kontrolle über das Ablesen des Gens<br />

über stabile Muster der Histonmodifizierung.<br />

Diese sogenannten epigenetischen<br />

Effekte spielen zum Beispiel bei der Zelldifferenzierung<br />

eine Rolle, bei der Entwicklung<br />

des Embryos, aber auch wenn<br />

Zellen sich krebsartig verändern.<br />

Chromatin-Abschnitte liegen in unterschiedlichen Zuständen<br />

vor, die durch Histonmodifizierungen gesteuert<br />

werden. Die Bilder wurden mit einem Atomaren<br />

Kraftmikroskop aufgenommen.<br />

Wir wollen im Detail herausfinden, wie<br />

Histonmodifizierungen die Organisation und<br />

Dynamik des Chromatins beeinflussen und<br />

wie sie dabei das Auslesen des Genoms<br />

steuern. Dazu kombinieren wir experimentelle<br />

Ansätze aus verschiedenen Fachdiszi -<br />

plinen wie der Biochemie, der Biophysik,<br />

der Zell- und der Molekularbiologie.<br />

Organisation des<br />

Chromatins.<br />

Dr. Wolfgang Fischle studierte<br />

Bio chemie an der Universität<br />

Tübingen. Anschließend ging er<br />

als Stipendiat des Boehringer<br />

Ingelheim Fonds an die University<br />

of California (San Francisco, USA)<br />

und promovierte 2002 im Fach<br />

Bio chemie. Als Postdoktorand<br />

forschte er mit einem Sti pen di um<br />

der Damon Runyon Cancer Research<br />

Foundation von 2002 bis<br />

2005 an der University of Virginia<br />

in Charlottesville (USA) und an der<br />

Rockefeller University in New<br />

York (USA). Seit 2006 leitet er die<br />

<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Forschungsgruppe<br />

»Chromatin-Biochemie« am<br />

<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> biophy -<br />

sikalische <strong>Chemie</strong>. Wolfgang<br />

Fischle war NET Fellow des<br />

European Network of Excellence<br />

»Epigenome«.<br />

Kontakt:<br />

wfischl@gwdg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/research/<br />

ags/fischle<br />

K. Zhang, K. Mosch , W. Fischle, S. I.<br />

Grewal: Roles of the Clr4 methyltransferase<br />

complex in nucleation, spreading<br />

and maintenance of heterochromatin.<br />

Nat. Struct. Mol. Biol. 15, 381-388<br />

(2008).<br />

W. Fischle, H. Franz, S. A. Jacobs, C. D.<br />

Allis, S. Khorasanizadeh: Specificity of<br />

the CDY family of chromodomains for<br />

lysine-methylated ARKS/T motifs. J.<br />

Biol. Chem. 283, 19626-19635 (2008).<br />

W. Fischle: Talk is cheap – Crosstalk in<br />

the establishment, maintenance, and<br />

readout of chromatin marks. Genes Dev.<br />

22, 3375-3382 (2008).<br />

69


70<br />

Vom Ei<br />

zum<br />

Organismus<br />

Wie Lebewesen entstehen und gesteuert werden


Ob Gehirn oder Lunge – alle Zellen unseres Körpers stammen<br />

letztlich von einer einzigen Eizelle ab. Wie aber gelingt es der<br />

Eizelle, so vielfältige Nachkommen hervorzubringen? Und wie<br />

formieren sich die Zellen im Embryo zu komplexen Organen, die<br />

zuverlässig zusammenarbeiten? Diese rätselhaften Prozesse<br />

werden am <strong>Institut</strong> auf molekularer Ebene erkundet, bei Fliegen<br />

ebenso wie bei Mäusen. Auch wenn diese Organismen sehr<br />

verschieden sind, greifen sie während der Embryonalentwicklung<br />

auf ganz ähnliche genetische Programme zurück. Neue Erkenntnisse<br />

erlauben den Forschern daher auch Rückschlüsse<br />

auf den frühesten Lebensabschnitt des Menschen. Diese Erkenntnisse<br />

helfen, Krankheiten besser zu verstehen und zu behandeln,<br />

die auf Fehlentwicklungen in diesem frühen Lebens -<br />

abschnitt zurückzuführen sind.<br />

Einen großen Teil unseres Lebens verbringen wir im Schlaf, aber<br />

warum? Wie wird unsere »innere Uhr« gesteuert, die uns abends<br />

müde werden lässt und morgens wieder munter? Auch diesen<br />

spannenden Fragen gehen Wissenschaftler am <strong>Institut</strong> nach.<br />

Eine »Live-Schaltung« zum schlagenden Herzen oder »Bilder<br />

vom Denken« – nicht zuletzt arbeiten Forscher am <strong>Institut</strong> daran,<br />

bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanz-Tomografie<br />

immer weiter zu verbessern, um detaillierte Einblicke in das<br />

Innenleben von Mensch und Tier zu ermöglichen.<br />

71


72<br />

Molekulare Entwicklungsbiologie<br />

Alle fünf Taufliegen-Embryonen befinden sich im gleichen Entwicklungsstadium.<br />

Mit einer speziellen Färbetechnik wurden jedoch die Produkte<br />

verschiedener Gene sichtbar gemacht. Sie zeigen, dass der erst zwei<br />

Stunden alte Taufliegen-Embryo bereits in bestimmte Areale unterteilt ist<br />

(blau) und – obwohl morphologisch noch nicht sichtbar – bereits<br />

Segmenteinheiten aufweist (braun).<br />

Als Forschungsobjekt ist die Taufliege <strong>Droso</strong>phila<br />

melanogaster aus gutem Grund bei Wissenschaftlern<br />

sehr beliebt. Genügsam und ungemein<br />

vermehrungsfreudig ist sie trotz ihres Minia -<br />

tur formats ein sehr komplexer Organismus, durchaus<br />

vergleichbar mit einem Wirbeltier. Wie alle<br />

Tiere entsteht diese Fliege aus einer einzelnen<br />

Eizelle. Aber wie ent wickelt sich aus dieser einen<br />

Zelle ein komplexer Körper mit verschiedenen<br />

Zelltypen und Organen? Um dieses große Rätsel<br />

der Biologie zu lösen, vertiefen wir uns in die<br />

moleku laren Kontrollmechanismen, die solche<br />

Entwicklungsprozesse vom Ei zur Fliege steuern.<br />

Nicht selten sind Kontrollfaktoren, die wir in der<br />

Fliege gefunden haben, in ähnlicher Form auch im<br />

Erbgut des Menschen vorhanden. Sie sind keine<br />

spezielle Errungenschaft der Fliegen, sondern ein<br />

gemeinsames genetisches Erbe aller Tiere. Entsprechend<br />

aufschlussreich ist das genetische Inventar<br />

von <strong>Droso</strong>phila, wenn es um medizinische Fragen<br />

geht: Wenn Entwicklungsprozesse entgleisen,<br />

dann sind beim Menschen vermutlich oft Gene<br />

und ganze Kontrollsysteme gestört, die wir in der<br />

Fliegen-Version längst kennen.<br />

Frühe Weichenstellungen<br />

Die Körperstruktur der Fliege wird schon vor<br />

der Befruchtung der Eizelle festgelegt. Die Fliegenweibchen<br />

statten ihre Eier nicht nur mit Nähr -<br />

stoffen aus, sie liefern auch Proteine und de ren<br />

Baupläne, die als Kontrollfaktoren in die Entwicklung<br />

ein greifen. Diese sind asymmetrisch im Ei<br />

verteilt und legen auf diese Weise die Körper -<br />

achsen fest. Dabei aktivieren sie eine Gen-Kas -<br />

kade, die den Embryo in zunehmend kleinere<br />

Bereiche gliedert. Wie in der Blaupause eines Architekten<br />

wird so der Grundbauplan des Körpers<br />

mit seinen erst viel später sichtbaren Körpersegmenten<br />

und Organen fast unsichtbar skizziert und<br />

Areale festgelegt, in denen sich Körperteile entwickeln.<br />

Dabei spielen Kommunikationsprozesse<br />

zwischen den Zellen eine Rolle, die über ein<br />

Wechselspiel von Signalstoffen und passenden<br />

Rezeptormolekülen das jeweilige Entwicklungsschicksal<br />

von Zellen positionsgenau im Körper<br />

fest legen.<br />

Weitere Facetten<br />

Ganz besonderen Zellen widmet sich Alf Herzig<br />

mit seiner Arbeitsgruppe: den sogenannten Stamm -<br />

zellen. Diese teilen sich genau wie ihre genetisch<br />

identischen Zellschwestern, entwickeln sich aber


zunächst nicht zu einem bestimmten<br />

Zelltyp. Das ist auch gar nicht erwünscht,<br />

denn Stamm zellen sind die<br />

stille Reserve des Körpers. Sie bilden<br />

später genau die Zellen nach, die in<br />

einem Organismus durch Zelltod ver -<br />

loren gehen. Wie verhindert der Organismus<br />

aber, dass diese Zellen sich<br />

nicht gleichzeitig mit den anderen<br />

Zellen differenzieren? Offenbar sind die<br />

Gene der Stammzellen im Zellkern<br />

besonders verpackt und gelagert. Da her<br />

untersucht Herzigs Team die Ver -<br />

packungsmerkmale – die Histon-Modifikationen<br />

– und die Lage der Gene im<br />

Zellkern und vergleicht sie mit Nachbarzellen,<br />

die sich differenzieren.<br />

Gerd Vorbrüggens Arbeitsgruppe befasst<br />

sich mit einem Spezialisten unter<br />

den ausdifferenzierten Körper zellen,<br />

den jeder kennt: der Muskel zelle. Die<br />

Wissenschaftler untersuchen, wie Muskelzellen<br />

entstehen und sich zielsicher<br />

� Die Taufliege<br />

<strong>Droso</strong>phila melanogaster.<br />

zu einem genau festgelegten Gesamtmuster<br />

im Körper positionieren.<br />

Damit Muskeln arbeiten können,<br />

brauchen sie Energie. Wie die Fliege<br />

ihren Energiehaushalt kontrolliert, an<br />

dieser Frage arbeiten die Gruppen von<br />

Ronald Kühnlein, Mathias Beller und<br />

Ralf Pflanz. Sie wollen wissen, wie ein<br />

Organismus erkennt, wie viel Energie er<br />

in Form von Fettdepots speichern muss,<br />

um den Energiebedarf auch in Hungerzeiten<br />

abzu decken. Diese Projekte werden<br />

helfen, die menschliche Fettsucht<br />

besser zu ver stehen, die mit ihren Folgen<br />

wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen,<br />

Diabetes und bestimmten Krebsformen<br />

inzwischen eine Gesundheitsproble -<br />

matik mit weltweitem Ausmaß darstellt.<br />

Die Forscher erwarten, dass die Fliege<br />

als biomedizinisches Modell langfristig<br />

einen Beitrag zur Diagnose und <strong>für</strong> neue<br />

Therapien der Fettsucht leisten wird.<br />

Ein Taufliegen-Embryo kurz<br />

vor der Larvenbildung.<br />

Prof. Dr. Herbert Jäckle<br />

promo vierte 1977 an der Univer -<br />

sität Freiburg in Biologie. Anschließend<br />

arbeitete er an der<br />

University of Texas in Austin, am<br />

Euro päischen Molekularbiologischen<br />

Labor in Heidelberg und<br />

am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Entwicklungsbiologie<br />

in Tübingen.<br />

1987 wurde er Ordinarius <strong>für</strong> Genetik<br />

an der Ludwig-<strong>Max</strong>imilians-<br />

Universität München. Seit 1991<br />

leitet er die Abteilung »Molekulare<br />

Entwicklungsbiologie« am <strong>Max</strong>-<br />

<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> biophysika li -<br />

sche <strong>Chemie</strong>. Im Jahr 2002 wurde<br />

er Vize präsident der <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />

Gesellschaft. Herbert Jäckle erhielt<br />

zahlreiche wissenschaftliche<br />

Auszeichnungen, unter an derem<br />

1986 den Leibniz-Preis, 1990 den<br />

Feldberg-Preis, 1992 den Otto<br />

Bayer-Preis, 1999 den Louis<br />

Jeantet-Preis und den Deutschen<br />

Zukunftspreis. Seit 1993 lehrt er<br />

als Honorarprofessor an der Universität<br />

Göttingen.<br />

Kontakt:<br />

hjaeckl@gwdg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/<br />

groups/jaeckle<br />

Interne Arbeitsgruppen:<br />

Dr. Mathias Beller, Dr. Alf Herzig,<br />

Dr. Ronald Kühnlein, Dr. Ralf<br />

Pflanz, Dr. Gerd Vorbrüggen;<br />

die Forschungsgruppe von<br />

Dr. Reinhard Schuh ist mit der<br />

Abteilung assoziiert.<br />

M. Beller, C. Sztalryd, N. Southall,<br />

M. Bell, H. Jäckle, D. S. Auld,<br />

B. Oliver: COPI complex is a regulator<br />

of lipid homeostasis. PloS Biology 6,<br />

2530-2549 (2008).<br />

S. Grönke, A. Mildner, S. Fellert, N.<br />

Tennagels, S. Petry, G. Müller, H. Jäckle,<br />

R. P. Kühnlein: Brummer lipase is an<br />

evolutionary conserved fat storage re -<br />

gulator in <strong>Droso</strong>phila. Cell Metab.<br />

1, 323-330 (2005).<br />

R. Rivera-Pomar, H. Jäckle: From<br />

gradients to stripes in <strong>Droso</strong>phila embryogenesis:<br />

filling in the gaps. Trends<br />

Genet. 12, 478-483 (1996).<br />

73


Prof. Dr. Michael Kessel promovierte<br />

1981 in Biologie an der Universität<br />

Kiel. Von 1981 bis 1983 arbeitete<br />

er am National Cancer <strong>Institut</strong>e<br />

in Bethesda (Maryland,<br />

USA) und wechselte im Anschluss<br />

an das Zentrum <strong>für</strong> Molekularbiologie<br />

in Heidelberg. Dort forschte<br />

er von 1983 bis 1986, bevor er<br />

schließ lich 1986 Mitglied der Abteilung<br />

»Molekulare Zellbiologie«<br />

am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> bio -<br />

physi ka lische <strong>Chemie</strong> wurde. Seit<br />

1992 leitet er dort die Arbeitsgruppe<br />

»Entwicklungsbiologie«.<br />

Zugleich lehrt Michael Kessel als<br />

außerplanmäßiger Professor an<br />

der Biologischen Fakultät der<br />

Universität Göttingen.<br />

Kontakt:<br />

mkessel1@gwdg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/research/<br />

ags/kessel<br />

L. Luo, Y. Uerlings, N. Happel, N. S.<br />

Asli, H. Knoetgen, M. Kessel: Regulation<br />

of ge minin functions by cell cycle dependent<br />

nuclear-cytoplasmic shuttling.<br />

Mol. Cell. Biol. 27, 4737-4744 (2007).<br />

M. Pitulescu, M. Kessel, L. Luo: The<br />

regulation of embryonic patterning and<br />

DNA replication by Geminin. Cell.<br />

Mol. Life Sci. 62, 1425-1433 (2005).<br />

L. Luo, X. Yang, Y. Takihara, H. Knoetgen,<br />

M. Kessel: The cell-cycle regulator<br />

geminin inhibits Hox function through<br />

direct and polycomb-mediated inter -<br />

actions. Nature 427, 749-753 (2004).<br />

74<br />

Entwicklungsbiologie<br />

Wenn aus einer einzelnen<br />

Eizelle ein<br />

komplexer Organismus<br />

heran wächst, versetzt das<br />

auch erfahrene Biologen<br />

immer wieder in Staunen.<br />

Der Bauplan dazu<br />

steckt <strong>für</strong> Mensch wie<br />

Maus in den Genen, die<br />

von den Eltern an die<br />

Nachkommen weitergegeben<br />

werden. Mit jeder<br />

Zellteilung nähert sich<br />

der Embryo seinem Ziel:<br />

ein voll entwickelter Organismus.<br />

Auf dem Weg<br />

dorthin wiederholt sich<br />

immer wieder der gleiche<br />

Zyklus: Erst wird das<br />

genetische Material verdoppelt,<br />

dann wird es<br />

auf die entstehenden<br />

Tochterzellen verteilt.<br />

Während der Zellteilung<br />

im Embryo werden<br />

eine Vielzahl molekularer<br />

Weichen gestellt, die<br />

über das Schicksal der<br />

Zellen bestimmen. So wird beispielsweise<br />

definiert, ob einer Zelle noch viele Entwicklungsmöglichkeiten<br />

offen stehen oder<br />

ihre zukünftige Bestimmung schon festgelegt<br />

ist. Entschieden wird auch, ob die Zelle<br />

im vorderen oder hinteren Bereich des<br />

Körpers angesiedelt sein wird, und ob sie<br />

die Laufbahn einer Muskel- oder Nervenzelle<br />

einschlägt. Ist der endgültige Zustand<br />

erreicht, wird der Zellzyklus ab ge brochen,<br />

und die ausdifferenzierte Zelle widmet sich<br />

ganz ihrer speziellen Auf gabe, zum Beispiel<br />

der Signalübertragung im Nervensys tem.<br />

In vielen Organen bleiben aber auch Zellen<br />

erhalten, die sich weiter teilen und dabei<br />

selbst erneuern. Als eine Art stille Reserve<br />

liefern diese »Stammzellen« nötigen Nachschub<br />

an differenzierten Zellen und sor gen<br />

da<strong>für</strong>, dass das Zellrepertoire erhalten<br />

bleibt.<br />

Gen an, Gen aus<br />

Wir wollen verstehen, wie bei der frühen<br />

Entwicklung die zwei elementaren Räder-<br />

Aus dem Gehirn eines Maus-Embryos wurden neurale Stammzellen<br />

gewonnen, die sich in Gewebekultur in sogenannte Sternzellen (Astrozyten,<br />

grün) differenziert haben. Die Zellkerne sind blau angefärbt.<br />

werke, Zellteilung und Zelldifferenzierung,<br />

ineinandergreifen: Welche molekularen<br />

Mechanismen liegen diesen Prozessen zugrunde,<br />

welche Gene sind beteiligt, und<br />

wie wird ihre Wirkung koordiniert? Diese<br />

Fragen untersuchen wir am Modell der<br />

Maus. Obwohl die Nager völlig anders aus -<br />

sehen als der Mensch, ähneln sich ihre Organe<br />

und Gewebe, und <strong>für</strong> beein drucken de<br />

99 Prozent der Maus-Gene gibt es eine ähn -<br />

liche Sequenz im menschlichen Erbgut.<br />

Um die Mechanismen auf molekularer<br />

Ebene zu ergründen, fahnden wir nach<br />

Genen, die in beiden Prozessen eine Rolle<br />

spielen könnten. Um ihnen auf die Schliche<br />

zu kommen, versuchen wir, sie mit den<br />

Instrumentarien der Gentechnik gezielt zu<br />

aktivieren oder auszuschalten. An den Fol -<br />

gen können wir ablesen, welche Rolle das<br />

fragliche Gen normalerweise übernimmt.<br />

Mit den gewonnenen Informa tionen wollen<br />

wir zu einem Verständnis der molekularen<br />

Grundlagen der Säugetier-Entwicklung<br />

beitragen.


Molekulare Organogenese<br />

Etwa 20.000 Mal am Tag atmen<br />

wir ein und wieder<br />

aus, ohne darüber nachzudenken.<br />

Jedes Mal durchströmt die<br />

Atemluft das filigrane Röhrensystem<br />

unserer Lunge, die fünf<br />

bis sechs Liter fasst, und bei jedem<br />

Atemzug etwa einen halben<br />

Liter Luft austauscht. Wie<br />

die Krone eines Baumes verzweigt<br />

sich das System immer<br />

feiner bis in die Lungenbläschen,<br />

wo der Sauerstoff in den Blutkreislauf<br />

wandert.<br />

Unsere Arbeitsgruppe möchte verstehen,<br />

wie die Installation dieser reich verzweigten<br />

Leitungsbahnen <strong>für</strong> die Atemluft vonstatten<br />

geht. Die molekularen Mechanismen,<br />

die dahinter stecken, sind in Säugetieren<br />

allerdings nur sehr schwierig und zeitaufwendig<br />

zu untersuchen. Daher erforschen<br />

wir unsere Fragestellungen an einem beliebten<br />

Modellorganismus der Biologie: der<br />

Taufliege <strong>Droso</strong>phila melanogaster.<br />

Das Atemsystem trocken legen<br />

Fliege und Mensch sind sich in vielen<br />

Aspekten ähnlicher als man denkt. Von den<br />

insgesamt 13.600 <strong>Droso</strong>phila-Genen sind<br />

etwa 7.000 Gene in ähnlicher Form auch<br />

im Erbgut des Menschen vorhanden. Die<br />

Taufliege hat zwar keine Lungen, da<strong>für</strong> aber<br />

ebenfalls baumartig verzweigte Leitungsbahnen<br />

<strong>für</strong> die Atemluft, die Tracheen. Wir<br />

Die Vernetzung rot gefärbter Tracheenzellen erfolgt<br />

über Brückenzellen. Während der Entwicklung<br />

strecken sich die blau markierten Brückenzellen und<br />

verbinden so die Tracheenzellen. Diese wandern an<br />

den Brückenzellen entlang und bilden dadurch ein<br />

zu sammen hängendes Netzwerk.<br />

Die Lunge der Insekten – das Tracheensystem – durchzieht den<br />

gesamten Embryo der Fliege.<br />

wissen inzwischen, dass die Installation<br />

dieses Röhrensystems ganz ähnlich organisiert<br />

ist wie die Entwicklung der Lunge. Eine<br />

Reihe sehr ähnlicher Faktoren sorgen<br />

während der Embryonal entwicklung da<strong>für</strong>,<br />

dass sich die Röhren an den richtigen Stellen<br />

verzweigen und dass sie am Ende nicht<br />

zu eng oder zu weit ausfallen.<br />

Beiden Organismen gemeinsam ist auch,<br />

dass die Atemröhren in der Entwicklungsphase<br />

zunächst mit Flüssigkeit gefüllt sind.<br />

Sie müssen daher rechtzeitig trocken gelegt<br />

werden, sonst kommt es zu schweren Atem -<br />

problemen. Bei zu früh geborenen Babys<br />

droht etwa das »Respiratory Distress Syndrome«<br />

(RDS). Auch beim erwach senen<br />

Menschen kann Flüssigkeit in der Lunge<br />

zu lebensbedrohlichen Ödemen führen.<br />

Unter den 7.000 Genen, die bei Mensch<br />

und Fliege ganz ähnlich sind, haben wir inzwischen<br />

20 Gene entdeckt, die da<strong>für</strong> sorgen,<br />

dass sich die Röhren richtig ausbilden<br />

und rechtzeitig trocken gelegt sind. Jetzt<br />

wollen wir wissen, bei welchen moleku -<br />

laren Mechanismen diese Gene eine Rolle<br />

spielen und ob sie ihre Funktionen über<br />

die Artgrenzen hinweg beibehalten haben.<br />

Prof. Dr. Reinhard Schuh<br />

promovierte 1986 an der Eberhard-<br />

Karls-Universität Tübingen in Biologie.<br />

Von 1986 bis 1988 arbeitete<br />

er als Wissenschaftlicher Assistent<br />

am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />

Entwicklungsbiologie in Tübingen<br />

und von 1988 bis1991 als Akademischer<br />

Rat am <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Genetik<br />

und Mikrobiologie der Ludwig-<br />

<strong>Max</strong>i milians-Universität in München.<br />

Seit 1992 ist er Mitglied der<br />

Abteilung »Mole kulare Entwicklungsbiologie«<br />

am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong>.<br />

Seit 2005 leitet er dort die<br />

Forschungsgruppe »Molekulare<br />

Organo genese«. Reinhard Schuh<br />

lehrt zudem als außerplanmäßiger<br />

Professor an der Biologischen<br />

Fakultät der Universität Göttingen.<br />

Kontakt:<br />

rschuh@gwdg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/groups/<br />

schuh/<br />

M. Behr, C. Wingen, C. Wolf, R. Schuh,<br />

M. Hoch: Wurst is essential for airway<br />

clearance and respiratory-tube size<br />

control. Nature Cell Biol. 9, 847-853<br />

(2007).<br />

C. Krause, C. Wolf, J. Hemphälä, C.<br />

Samakovlis, R. Schuh: Distinct functions<br />

of the leucine-rich repeat transmembrane<br />

proteins capricious and tartan in<br />

the <strong>Droso</strong>phila tracheal morphogenesis.<br />

Dev. Biol. 296, 253-264 (2006).<br />

M. Behr, D. Riedel, R. Schuh: The<br />

claudin-like megatrachea is essential<br />

in septate junctions for the epithelial<br />

barrier function in <strong>Droso</strong>phila. Dev. Cell<br />

5, 611-620 (2003).<br />

C. Wolf, R. Schuh: Single meso dermal<br />

cells guide outgrowth of ectodermal<br />

tubular structures in <strong>Droso</strong>phila. Genes<br />

Dev. 14, 2140-2145 (2000).<br />

75


Prof. Dr. Ahmed Mansouri<br />

promovierte 1978 an der Technischen<br />

Universität Braunschweig<br />

in <strong>Chemie</strong>. Anschließend forschte<br />

er als Postdoktorand am <strong>Institut</strong><br />

<strong>für</strong> Humangenetik der Universität<br />

Göttingen, am Friedrich-Miescher-<br />

Labora to rium der <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />

Gesellschaft in Tübingen und am<br />

<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Immunbiologie<br />

in Freiburg. 1989 wurde<br />

er Wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />

<strong>Chemie</strong> in der Abteilung<br />

»Molekulare Zell biologie«.<br />

Im Jahr 1999 habilitierte er sich<br />

an der medizinischen Fakultät der<br />

Universität Göttingen. Seit 2002<br />

ist Ahmed Mansouri Leiter der<br />

Arbeitsgruppe »Molekulare Zelldifferenzierung«<br />

und hat seit 2005<br />

die Dr. Helmut Storz-Stiftungs -<br />

professur an der Universiäts -<br />

medizin Göttingen inne.<br />

Kontakt:<br />

amansou@gwdg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/groups/gruss/<br />

en/amansouri.htm<br />

P. Collombat, X. Xu, P. Ravassard, B.<br />

Sosa-Pineda, S. Dussaud, N. Billestrup,<br />

O. D. Madsen, P. Serup, H. Heimberg,<br />

A. Mansouri: The ectopic expression of<br />

Pax4 in the mouse pancreas converts<br />

progenitor cells into α- and sub -<br />

sequent ly β-cells. Cell 138, 449-462<br />

(2009).<br />

R. Dressel, J. Schindehütte, T. Kuhlmann,<br />

L. Elsner, P. Novota, P. C. Baier,<br />

A. Schillert, H. Bickeböller, T. Herrmann,<br />

C. Trenkwalder, W. Paulus, A.<br />

Mansouri: The tumorigenicity of mouse<br />

embryonic stem cells and in vitro differentiated<br />

neuronal cells is controlled by<br />

the recipients' immune response. PLoS<br />

ONE 3:e2622 (2008).<br />

76<br />

Molekulare Zelldifferenzierung<br />

Ob Herz oder Niere, Bauchspeichel -<br />

drüse oder Gehirn – die Organe in<br />

unserem Körper gleichen kleinen Fabriken,<br />

in denen spezialisierte »Einheiten« bestimmte<br />

Aufgaben erledigen. In der Bauchspeicheldrüse<br />

sind es vor allem zwei Zelltypen,<br />

die sich die Arbeit teilen. Während<br />

der größere Teil Verdauungssäfte produziert,<br />

erzeugt die kleinere Zellgruppe Hormone<br />

wie Insulin, das den Blutzuckerspiegel<br />

reguliert. Auch das Mittelhirn hat viele<br />

Spezialisten, zum Beispiel Nervenzellen,<br />

die den Botenstoff Dopamin produzieren.<br />

So unterschiedlich die zellulären Spezia -<br />

listen auch sind – sie alle entwickeln sich<br />

während der Entwicklung eines Organs aus<br />

weitgehend identischen Vorläuferzellen. Wir<br />

wollen in unserer Gruppe erforschen, welche<br />

Mechanismen dahinter stecken.<br />

Wir wissen bereits, dass bestimmte Gene<br />

die Reifung eines Organs kontrollieren und<br />

so das spätere Schicksal der Zellen be -<br />

stimmen. Diese Kontrollgene liefern den<br />

Bauplan <strong>für</strong> bestimmte Proteine, sogenannte<br />

Transkriptionsfaktoren. Diese Faktoren<br />

werfen gezielt genetische Programme<br />

an oder unterdrücken diese und verwandeln<br />

so Vorläuferzellen in Zellen mit ganz<br />

bestimmten Eigenschaften. Das zeigen<br />

Tests, bei denen diese Proteine fehlen. Ohne<br />

das Kontrollgen Pax4 zum Beispiel entwickeln<br />

sich in der Bauchspeicheldrüse<br />

A B<br />

keine Insulin produzierenden Zellen. Andere<br />

Faktoren veranlassen Zellen, den Gegenspieler<br />

Glukagon zu erzeugen. Ganz<br />

ähnlich ist es auch im Mittelhirn. Dort aktiviert<br />

beispielsweise der Faktor lmx1a die<br />

Merkmale einer bestimmte Gruppe von<br />

Nervenzellen, die den Botenstoff Dopamin<br />

produzieren sollen. Damit in einem Organ<br />

Zellen mit unterschiedlichen Aufgaben im<br />

richtigen Verhältnis zueinander entstehen,<br />

interagieren die jeweiligen Faktoren miteinander<br />

und tarieren so die notwendige<br />

Balance aus.<br />

Mausforschung <strong>für</strong> den Mensch<br />

Wir erforschen die Reifung eines Organs<br />

an Mäusen, weil wir die Nager genetisch<br />

sehr gut verändern und somit die Rolle der<br />

beteiligten Faktoren gezielt untersuchen<br />

können. Die Erkenntnisse unserer Forschung<br />

sind auch <strong>für</strong> die Humanmedizin<br />

von grundlegender Bedeutung. Sie können<br />

dazu dienen, aus menschlichen embryonalen<br />

Stammzellen Dopamin produzierende<br />

Zellen zu erzeugen – jene Zellen, die im<br />

Mittelhirn von Parkinson-Patienten absterben.<br />

Dopamin produ zierende Zellen lassen<br />

sich nicht nur in Kulturschale züchten, um<br />

die Wirksamkeit potentieller Medikamente<br />

zu testen. Sie könnten zukünftig auch <strong>für</strong><br />

Stammzell therapien eingesetzt werden.<br />

Im Maus-Embryo (A) lässt sich die Aktivität des Faktors lmx1a mithilfe eines Markers sichtbar machen (B).<br />

Der Faktor bestimmt das Schicksal der markierten Zellen im Mittelhirn (Pfeil). Damit werden sie zu Nerven -<br />

zellen, die sich auf die Produktion von Dopamin spezialisieren.


Molekulare<br />

Neuroentwicklungsbiologie<br />

Es ist faszinierend und rätselhaft zugleich<br />

– das menschliche Gehirn. Milliarden<br />

Nervenzellen und noch mehr Gliazellen sind<br />

darin zu einem komplexen Netz werk verknüpft.<br />

Trotz ihrer riesigen Anzahl und Vielfalt<br />

entwickeln sie sich aber nur aus erstaunlich<br />

wenigen Ursprungszellen: den Stammzellen.<br />

Wie das funktioniert, untersuchen wir<br />

am Beispiel der Hirnrinde, dem äußeren<br />

Großhirnbereich der Säugetiere. Hier laufen<br />

alle aufgenommenen Umweltreize zusammen,<br />

werden Bewegungsabläufe geplant und<br />

in Gang gesetzt, und hier entstehen unsere<br />

Wahrnehmungen und Erkenntnisse.<br />

Die Hirnrinde ist bemerkenswert komplex<br />

aufgebaut, eine Eigenschaft, die im Laufe<br />

ihrer Entwicklung entsteht. Ist diese er folg -<br />

reich abgeschlossen, besteht die Hirn rinde<br />

aus sechs zellulären Schichten und einer<br />

Vielzahl funktioneller Regionen mit jeweils<br />

speziellen Aufgaben. Die Nervenzel len der<br />

verschiedenen Schichten entstehen während<br />

bestimmter Entwicklungsstadien. Sie haben<br />

eine eigene Morphologie und Funktion und<br />

knüpfen Verbindungen mit spe zifischen Gehirnregionen<br />

und dem Rückenmark. Diese<br />

Prozesse werden durch die Expression bestimmter<br />

Gene in Vorläuferzellen und Nervenzellen<br />

kontrolliert. Außerdem entwickelt<br />

die kombinierte Ex pression von Transkrip -<br />

tions fakto ren in der Entstehungs zone eine Art<br />

»Land karte« <strong>für</strong> die nachfolgenden funk tio -<br />

nellen Regionen des vollentwickelten Gehirns.<br />

Wir erforschen die molekularen Mechanismen,<br />

die die Entwicklung der Hirnrinde<br />

steuern, am Modell der Maus. Der Trans -<br />

kriptionsfaktor Pax6, beispielsweise, spielt<br />

<strong>für</strong> die Entwicklung von Gehirn und Auge ei-<br />

ne entscheidende Rolle. Wird Pax6 ausgeschaltet,<br />

bilden sich weniger Nervenzellen<br />

und die Schichten und die funktionellen Regionen<br />

bauen sich fehlerhaft auf. Mäuse mit<br />

diesen Fehlentwicklungen zeigen deutliche<br />

Verhaltensstörungen. Die Inaktivierung von<br />

PAX6 beim Menschen führt zu ähnlichen<br />

A) Ist Pax6 abgeschaltet (rechts), weil Vorläuferzellen<br />

vorzeitig aufgehört haben, sich zu teilen, bilden sich zwar<br />

mehr Nervenzellen in den tieferen Schichten (L6, L5), aber<br />

fast keine in den oberen Schichten (L4 bis L2).<br />

B) Obwohl die motorische Region bei Mäusen mit<br />

inaktivem Pax6-Gen deutlich geschrumpft ist, bleiben die<br />

Verbindungen der Nervenfasern in das Rückenmark und<br />

in andere Regionen erhalten.<br />

Missbildungen der Hirnrinde und Verhaltensstörungen<br />

(aniridia syndrome). Wir untersuchen,<br />

wie Pax6 im Zusammenspiel mit<br />

anderen Proteinpartnern und Ziel-Genen die<br />

Differenzierung von Vorläuferzellen im sich<br />

entwickelnden Gehirn kontrolliert. Im erwachsenen<br />

Gehirn werden nur wenige Nervenzellen<br />

in bestimmten Regionen produziert.<br />

Nachdem wir nun die neuroge ne -<br />

tischen Eigenschaften von Pax6 kennen,<br />

möchten wir herausfinden, ob die Akti vie -<br />

rung von Pax6 und seinen Partnern im normalen<br />

oder beschädigten erwachsenen Gehirn<br />

die Entstehung neuer Nervenzellen <strong>für</strong><br />

eventuelle Reparaturprozesse anregen kann,<br />

beispielsweise nach unzureichender Blutversorgung.<br />

Der autoregulatorische Rückkopplungs-Mechanismus<br />

zwischen Trim11 und Pax6 hält das Pax6-Niveau in einem<br />

physiologischen Rahmen, welcher <strong>für</strong> eine normale Neurogenese<br />

notwendig ist.<br />

Dr. Anastassia Stoykova<br />

promovierte in Neurochemie am<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Molekularbiologie der<br />

Bulgarischen Akademie der Wissenschaften<br />

in Sofia (Bulgarien).<br />

Von 1973 bis 1992 arbeitete sie<br />

dort am Regeneration Research<br />

Laboratory und am <strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />

Molekularbiologie. Zwischen -<br />

zeitlich forschte sie als Alexander<br />

von Humboldt-Stipendiatin am<br />

<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Experimentelle<br />

Medizin (1980-81) und<br />

am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />

<strong>Chemie</strong> (1988-89).<br />

Nach ihrer Habilitation 1989 kehrte<br />

sie 1992 an das <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />

<strong>Chemie</strong> zurück. Seit 2002 leitet<br />

Anastassia Stoykova dort eine eigene<br />

Arbeits gruppe, seit 2008 im<br />

Rahmen des Minerva-Programms<br />

die Forschungsgruppe »Molekulare<br />

Neuroentwicklungsbiologie«.<br />

Kontakt:<br />

astoyko@gwdg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/research/<br />

ags/stoykova<br />

T. C. Tuoc, K. Radyushkin, A. B. Tonchev,<br />

M. C. Piñon, R. Ashery-Padan, Z. Molnar,<br />

M. S. Davidoff, A. Stoykova: Selective<br />

cortical layering abnormalities and behavioral<br />

deficits in cortex-specific Pax6<br />

knock-out mice. J. Neurosci. 29, 8335-<br />

8349 (2009).<br />

T. C. Tuoc, A. Stoykova: Trim11 modu -<br />

lates the function of neurogeneic transcription<br />

factor Pax6 through ubiquitin<br />

proteosome system. Genes Dev. 22,<br />

1972-1986 (2008).<br />

G. M. Fimia, A. Stoykova, A. Romagnoli,<br />

L. Giunta, S. Di Bartolomeo, R. Nar dacci,<br />

M. Corazzari, C. Fuoco, A. Ucar, P.<br />

Schwartz, P. Gruss, M. Pieacentini,<br />

K. Chowdhury, F. Cecconi: AMBRA1 regulates<br />

autophagy and development of<br />

the nervous system. Nature 447, 1121-<br />

1125 (2007).<br />

77


78<br />

Biomedizinische NMR<br />

Bildgebende Verfahren gewinnen in der bio lo -<br />

gi schen und medizinischen Forschung zunehmend<br />

an Bedeutung. Dies gilt auch <strong>für</strong> die Magnetresonanz-Tomografie<br />

(MRT), die detaillierte<br />

Ein blicke in die Or gansysteme von Mensch und<br />

Tier ermöglicht, ohne dass der Körper einer Belastung<br />

ausgesetzt wird.<br />

Die MRT ist damit nicht nur ein wichtiges In -<br />

strument in der medizinischen Diagnostik, sondern<br />

auch eine Methode <strong>für</strong> die Wissenschaft. Sie<br />

verbindet molekularbiologische und genetische<br />

Fortschritte mit den biochemischen, physiolo -<br />

gischen und morphologischen Verhältnissen im<br />

intakten Organismus. MRT-Untersuchungen von<br />

Versuchstieren bereiten den Weg, um neue biologische<br />

Er kennt nisse <strong>für</strong> die Medizin zu nutzen.<br />

In unserem Team verfolgen wir das Ziel, die<br />

Methoden der bildgebenden MRT weiter zu verbessern.<br />

Bereits Mitte der 80er Jahre gelang es<br />

uns, mit einem neuen Prinzip <strong>für</strong> die Aufnahme<br />

schneller MRT-Bilder (FLASH) einen entscheidenden<br />

wissenschaftlichen, klinischen und wirtschaftlichen<br />

Durchbruch zu erzielen. Unsere aktuellen<br />

Arbeiten befassen sich vor allem mit alternativen<br />

»Ortskodierungen« sowie neuen mathematischen<br />

Ansätzen <strong>für</strong> die Berechnung der Bilder. Daraus<br />

ergeben sich zum Beispiel Vorteile <strong>für</strong> die parallele<br />

MRT, die gleichzeitig Messdaten mithilfe einer<br />

Vielzahl von Empfangsspulen aufnimmt. Große<br />

Fortschritte erreichen wir mit sogenannten nichtkartesischen<br />

Kodierungsverfahren. So ermöglicht<br />

es uns die radiale FLASH-MRT, dyna mische Bildserien<br />

in Echtzeit aufzunehmen. Mit entsprechenden<br />

MRT-Filmen lassen sich selbst schnellste Bewegungen<br />

des Herzens unmittelbar und ohne Verzögerung<br />

darstellen.<br />

Beim Denken »zuschauen«<br />

Darüber hinaus beschäftigen wir uns mit besonderen<br />

Formen der MRT, die spezielle Einblicke in<br />

das Gehirn ermöglichen. So können wir aufgrund<br />

Nervenfaserbahnen im Gehirn von Mensch (oben) und Rhesusaffe (unten). Die MRT kann die gerichtete<br />

Bewegung des Wassers im Gewebe bestimmen. Damit lässt sich der dreidimen sionale Verlauf von<br />

Nervenfaserbahnen rekonstruieren, bei spiels weise derjenigen Bahnen, die über den weißen Balken im<br />

Zentrum des Gehirns kreuzen und funktionell gleich artige Areale der beiden Hirnhälften miteinander<br />

verbinden. Grün = präfrontal, hellblau = prämotorisch, dunkelblau = motorisch, rot = sensorisch,<br />

orange = parietal, violett = temporal, gelb = okkzipital.


Hochaufgelöste MRT-Aufnahme des Gehirns der<br />

Maus. Bei einer Auflösung von 30 Mikrometern in der<br />

Bild ebene gelingt es, einzelne zelluläre Schichten im<br />

Gehirn der anästhesierten Maus aufgrund ihrer unterschiedlichen<br />

Zelldichte und Myelinisierung zu identifizieren.<br />

Die Ausschnitte zeigen den Kortex (oben), den<br />

Hippocampus (Mitte) und das Kleinhirn (unten).<br />

der unterschiedlichen Beweglichkeit<br />

des Wassers im Hirngewebe den Verlauf<br />

von Nervenfaser bahnen virtuell rekonstruieren.<br />

Mit Verfahren, die empfindlich<br />

auf Veränderungen des Blutflusses<br />

reagieren, untersuchen wir das<br />

Gehirn bei Denkprozessen. Wir etablieren<br />

beispielsweise eine funktionelle<br />

Rückkopplung (Neurofeedback), mit der<br />

Versuchspersonen selbstkontrolliert die<br />

Aktivität in aus gewählten Systemen des<br />

eigenen Gehirns beein flussen lernen.<br />

Einen wichtigen Schwerpunkt unserer<br />

Forschungen bilden MRT-Unter -<br />

Mit der MRT lässt sich das schnelle Herzschlagen<br />

in Echtzeit »filmen«. Die radial<br />

kodierte FLASH-MRT erlaubt Untersuchungen<br />

schneller Organbewegungen bei freier<br />

Atmung und ganz ohne Synchronisation mit<br />

dem EKG. Gezeigt sind 15 aufeinanderfolgende<br />

Bilder (von links oben nach rechts unten),<br />

die in einem Abstand von 30 Millisekunden<br />

aufgenommen wurden, das entspricht etwa<br />

33 Bildern pro Sekunde. Der 450 Milli sekun -<br />

den dauernde Ausschnitt repräsentiert die<br />

systolische Phase eines einzelnen Herzschlags,<br />

in der sich der Herzmuskel verdickt<br />

und kontrahiert.<br />

suchungen von Versuchstieren. Diese<br />

betreffen vor allem Fragen der Hirn -<br />

forschung an genetisch veränderten<br />

Mäusen. In Zusammenarbeit mit anderen<br />

Arbeitsgruppen erforschen wir verschiedene<br />

Modelle menschlicher Hirnerkrankungen,<br />

zum Beispiel neurodegenerative<br />

Veränderungen oder Multiple<br />

Sklerose. Die MRT erlaubt es uns,<br />

Krank heitsverläufe und neue thera peu -<br />

tische Ansätze im einzelnen Tier zu beobachten.<br />

Um die Verfahren an das<br />

Mausgehirn anzupassen, müssen wir<br />

die MRT-Methoden erheblich weiterentwickeln.<br />

So können wir mit hoch -<br />

aufgelösten Darstellungen die konventionelle<br />

Untersuchung von Gewebe -<br />

proben durch strukturelle und funk -<br />

tionelle MRT-Messungen im lebenden<br />

Versuchstier erweitern.<br />

Prof. Dr. Jens Frahm studierte<br />

Physik an der Georg-August-Universität<br />

Göttingen und promovierte<br />

1977 in Physi kalischer <strong>Chemie</strong>.<br />

Anschließend forschte er als<br />

Assistent am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong>, wo<br />

er von 1982 bis 1992 die aus BMFT-<br />

Mitteln geförderte Forschungsgruppe<br />

»Biomedizinische NMR«<br />

leitete. Seit 1993 ist er wissen -<br />

schaftlicher Leiter der gemein -<br />

nützigen »Biomedizinischen NMR<br />

Forschungs GmbH«, die sich über<br />

die <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Gesellschaft aus<br />

den Einnahmen eigener Patente<br />

finanziert. Jens Frahm hat sich<br />

1994 in Physikalischer <strong>Chemie</strong><br />

habilitiert und lehrt als außer plan -<br />

mäßiger Professor <strong>für</strong> Physikalische<br />

<strong>Chemie</strong> an der Universität<br />

Göttingen. Für seine Arbeiten erhielt<br />

er zahlreiche Auszeichnungen,<br />

darunter die Gold Medal der<br />

Interna tional Society for Magnetic<br />

Resonance in Medicine (1991),<br />

den Beckurts-Preis (1993), den<br />

Niedersächsischen Staatspreis<br />

(1996) und den Sobek-<br />

Forschungspreis (2005). Seit<br />

2005 ist er Ordentliches Mitglied<br />

der Akademie der Wissenschaften<br />

zu Göttingen.<br />

Kontakt:<br />

jfrahm@gwdg.de<br />

www.biomednmr.mpg.de<br />

S. Boretius, T. Michaelis, R. Tammer, A.<br />

Tonchev, R. Ashery-Padan, J. Frahm, A.<br />

Stoy kova: In vivo MRI of altered brain<br />

anatomy and fiber connectivity in adult<br />

Pax6 deficient mice. Cerebr. Cortex,<br />

doi: 10.1093/cercor/bhp057 (2009).<br />

M. Uecker, T. Hohage, K. T. Block, J.<br />

Frahm: Image reconstruction by regularized<br />

nonlinear inversion – Applications<br />

to parallel imaging. Magn. Reson. Med.<br />

60, 674-682 (2008).<br />

S. Hofer, J. Frahm: Topography of the<br />

human corpus callosum revisited –<br />

Comprehensive fiber tractography<br />

using magnetic resonance diffusion<br />

tensor imaging. NeuroImage 32, 989-<br />

994 (2006).<br />

79


Dr. (Univ. Kiew) Halyna Shcherbata<br />

studierte Biologie an der Natio -<br />

na len Universität in Lemberg<br />

(Ukraine) und promovierte 1996<br />

am <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Pflanzenphysiologie<br />

und Genetik der Nationalen<br />

Akademie der Wissenschaften<br />

der Ukraine in Kiew. Von 2000 bis<br />

2003 war sie außerordentliche<br />

Professorin in der Abteilung »Genetik<br />

und Biotechnologie« an der<br />

Nationalen Universität in Lemberg,<br />

gefolgt von einem Postdoktorandenaufenthalt<br />

an der University<br />

of Washington (Seattle, USA).<br />

Von dort wechselte sie im Jahr<br />

2008 an das <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong>, wo<br />

sie seitdem die <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />

Forschungsgruppe »Genexpres -<br />

sion und Signalwirkung« leitet.<br />

Kontakt:<br />

halyna.shcherbata@mpibpc.mpg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/<br />

groups/shcherbata<br />

H. R. Shcherbata, A. S. Yatsenko, L. Patterson,<br />

V. D. Sood, U. Nudel, D. Yaffe,<br />

D. Baker, H. Ruohola-Baker: Dissecting<br />

muscle and neuronal disorders in a<br />

<strong>Droso</strong>phila model of muscular dystrophy.<br />

EMBO J. 26, 481-493 (2007).<br />

H. R. Shcherbata, E. J. Ward, K. A.<br />

Fischer, J. Y. Yu, S. H. Reynolds, C. H.<br />

Chen, P. Xu, B. A. Hay, H. Ruohola-<br />

Baker: Stage-specific differences in the<br />

requirements for germline stem cell<br />

maintenance in the <strong>Droso</strong>phila ovary.<br />

Cell Stem Cell 1, 698-709 (2007).<br />

80<br />

Genexpression und Signalwirkung<br />

An Muskeldystrophien leiden allein in<br />

Deutschland mehr als 30.000 Menschen.<br />

Die Muskeln Erkrankter verlieren<br />

zunehmend an Masse, ihr Schwund lässt<br />

sich nicht heilen. Geht es darum, diese erb -<br />

lichen Muskelerkrankungen zu erforschen,<br />

so ist die Taufliege <strong>Droso</strong>phila melanogaster<br />

als Modellorganismus da<strong>für</strong> wie geschaffen –<br />

wenn dies auch auf den ersten Blick nicht<br />

so scheinen mag. Dabei machen wir uns<br />

zunutze, dass sich die Fliege vergleichsweise<br />

einfach manipulieren lässt, aber dennoch<br />

komplex aufgebaut ist. So haben wir in unserer<br />

Arbeitsgruppe eine Fliegenvariante<br />

entwickelt, in der zwei Gene defekt sind, die<br />

bei Muskeldystrophien eine Rolle spielen:<br />

Dystroglykan und Dystrophin. Die Folgen<br />

dieser Defekte sind denen beim Menschen<br />

sehr ähnlich: Die Fliegen verlieren zunehmend<br />

ihre Beweglichkeit, ihre Muskelmasse<br />

nimmt ab, und ihr Hirn wird geschädigt.<br />

Mithilfe unserer Fliegenmodelle untersuchen<br />

wir die molekularen Komponenten<br />

und Signalwege, die diese Gene in der<br />

Zelle regulieren. Die Ursachen von Muskel -<br />

dystrophien besser zu verstehen, könnte<br />

zukünftig dazu beitragen, neue Therapieansätze<br />

zu entwickeln.<br />

Stammzellen als stille Reserve<br />

Stammzellen sind ein weiterer Forschungsschwerpunkt.<br />

Stammzellen finden sich<br />

nicht nur im Embryo. Adulte Stammzellen<br />

bilden die Reserve des Körpers, um Gewebe<br />

mit dem nötigen Nachschub an neuen<br />

Zellen zu versorgen. Damit Stammzellen<br />

nicht zur Neige gehen, erzeugen sie stets<br />

zweierlei Nachkommen: Nur eine Tochterzelle<br />

entwickelt sich zu einem bestimmten<br />

Zelltyp, die andere bleibt Stammzelle.<br />

Wir möchten herausfinden, wie die<br />

Selbsterneuerung und der Erhalt von<br />

(A) <strong>Droso</strong>phila adulte<br />

Keimbahn-Stammzellen<br />

(mit weißen Linien markiert)<br />

und ihre Stammzellnische<br />

(mit Pfeilen gekennzeichnet,<br />

pink).<br />

(B) Die vergrößerte<br />

Stammzellnische einer<br />

Mutante kann mehr<br />

Stammzellen aufnehmen.<br />

� <strong>Droso</strong>phila entwickelt einen altersabhängigen<br />

Muskeldystrophie-Phenotyp, der benutzt wurde, um<br />

Modifizierungsmittel zu überprüfen. (A) Architektur<br />

des transversalen Wildtyp-Muskelquerschnittes. (B)<br />

Dg-Mutanten zeigen schwere Muskeldegeneration.<br />

Stammzellen gesteuert wird. Uns interessiert<br />

vor allem, welche Rolle mikro-Ribonukleinsäure-Moleküle<br />

– miRNAs – dabei<br />

übernehmen. Stammzellen arbeiten in ihrem<br />

Gewebe nicht autonom, sondern sie<br />

werden durch Signale aus ihrer Umwelt –<br />

ihrer Stammzell-Nische – reguliert. Nur in<br />

ihrer speziellen Nische kann sich eine<br />

Stammzelle selbst erneuern. miRNAs kontrollieren<br />

dabei nicht nur die Teilung der<br />

Stammzellen; sie sorgen auch <strong>für</strong> deren Erhalt<br />

in der Nische.<br />

Wir machen uns zunutze, dass sich<br />

Stammzellen – ebenso wie Nischenzellen –<br />

in der Taufliege leicht auffinden lassen. Im<br />

Fliegen-Genom fahnden wir nach neuen<br />

Genen, die bei diesen Prozessen mit den<br />

miRNAs interagieren. Wir hoffen, damit<br />

ein generelles Modell <strong>für</strong> die beteiligten<br />

Signalwege zu entwickeln, um darüber<br />

Stammzellen manipulieren zu können. Da<br />

miRNAs nicht nur klein sind, sondern<br />

auch spezifisch, und zudem leicht von Zellen<br />

aufgenommen werden, sind sie als<br />

mögliche Therapeutika in regenerativer<br />

Medizin und bei der Behandlung von<br />

Krebs besonders vielversprechend.


Schlaf und Wachsein<br />

Schlafen und Wachsein sind Teil des<br />

Lebens eines jeden Tieres und eines<br />

jeden Menschen. Warum wir wach sind,<br />

scheint offensichtlich. Aber warum schlafen<br />

wir? Im Schlaf bewegt man sich weniger<br />

und nimmt seine Umwelt kaum wahr.<br />

Wer schläft, ist somit leichter verletzlich.<br />

Warum also begibt sich ein Lebewesen in<br />

einen solch gefähr lichen Zustand?<br />

Ohne Schlaf fühlen wir Menschen uns<br />

müde und sind leistungsschwach. Forscher<br />

glauben heute, dass Schlaf nicht nur wichtig<br />

<strong>für</strong> den Energiehaushalt ist, sondern auch <strong>für</strong><br />

das Nervensystem. Während des Schlafens<br />

wird Energie gespart, und das Nervensystem<br />

hat Zeit zu regenerieren. Aber was regeneriert<br />

sich eigentlich in den Nervenzellen?<br />

Unsere Arbeitsgruppe versucht heraus -<br />

zufinden, was beim Schlafen in den Nervenzellen<br />

passiert. Wir möchten wissen,<br />

wie ein Nervensystem einschläft und wieder<br />

aufwacht, und woher es weiß, dass es<br />

müde ist und schlafen muss. Wir möchten<br />

die lebenswichtigen Funktionen von Schlaf<br />

verstehen, die es Lebewesen unmöglich<br />

machen, auf Dauer darauf zu verzichten.<br />

Der schlafende Wurm<br />

Wir erforschen Schlafen und Wachsein an<br />

einem der einfachsten Tiermodelle, das<br />

einen schlafähnlichen Zustand besitzt:<br />

dem Fadenwurm Caenorhabditis elegans.<br />

Bei den meisten Tieren, die wie der<br />

Mensch dem Sonnenlicht ausgesetzt sind,<br />

ist der Schlaf-Wach-Rhythmus an den äußeren<br />

Tag-Nacht-Zyklus angepasst. Der im<br />

Boden lebende Wurm C. elegans spürt von<br />

der Sonne dagegen nichts. Sein Schlaf-<br />

Wach-Rhythmus wird von einem exakt<br />

vorbestimmten inneren Entwicklungsprogramm<br />

gesteuert. Die Lar ven von C. elegans<br />

durchleben in ihrer Entwick lung genau<br />

vier ausgeprägte Schlaf phasen. Nach<br />

jedem Schlaf häuten sich die Tiere.<br />

Ein großer Vorteil <strong>für</strong> unsere Untersuchungen<br />

ist, dass das Nervensystem von<br />

C. elegans extrem einfach aufgebaut ist. Da<br />

die Tiere transparent sind, können wir das<br />

Ner vensystem im intakten Organismus<br />

sowohl während des Schlafes als auch<br />

während des Wachseins beobachten und<br />

manipulieren.<br />

Unsere daraus gewonnenen Erkennt -<br />

nisse möchten wir an komplexer aufge -<br />

bauten Tieren und auch am Menschen<br />

überprüfen, um etwas über die Unterschiede<br />

und Gemeinsamkeiten von Schlafen<br />

und Wachsein bei verschiedenen Organismen<br />

zu lernen.<br />

Dr. Henrik Bringmann studierte<br />

Biologie in Göttingen und Heidelberg<br />

und promovierte 2007 am<br />

<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Zellbiologie<br />

und Genetik in Dresden.<br />

Anschließend arbeitete er als<br />

Post doktorand am Laboratory of<br />

Molecular Biology in Cambridge,<br />

England. Seit 2009 leitet er die<br />

<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Forschungsgruppe<br />

»Schlaf und Wachsein« am<br />

Göttinger <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />

<strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong>. Henrik<br />

Bringmann wurde 2008 mit der<br />

Otto-Hahn-Medaille der <strong>Max</strong>-<br />

<strong>Planck</strong>-Gesellschaft ausgezeichnet.<br />

Kontakt:<br />

henrik.bringmann@mpibpc.mpg.de<br />

www.mpibpc.mpg.de/research/<br />

ags/bringmann<br />

Montage zweier Bilder desselben Wurms.<br />

Gezeigt sind Verbindungen zwischen Nervenzellen<br />

(die Synapsen) des wachen C. elegans<br />

(rot), und des schlafenden Tieres (grün).<br />

H. Bringmann: Mechanical and genetic<br />

separation of aster- and midzone-positioned<br />

cytokinesis. Biochem. Soc. Trans.<br />

36, 381-383 (2008).<br />

H. Bringmann, C. R. Cowan, J. Kong,<br />

A. A. Hyman: LET-99, GOA-1/GPA-16,<br />

and GPR-1/2 are required for aster-positioned<br />

cytokinesis. Curr. Biol. 17,<br />

185-191 (2007).<br />

H. Bringmann, A. A. Hyman: A cyto -<br />

kinesis furrow is positioned by two consecutive<br />

signals. Nature 436, 731-734<br />

(2005).<br />

H. Bringmann, G. Skiniotis, A. Spilker,<br />

S. Kandels-Lewis, I. Vernos, T. Surrey:<br />

A kinesin-like motor inhibits micro -<br />

tubule dynamic instability. Science 303,<br />

1519-1522 (2004).<br />

81


�Beim Down-Syndrom<br />

sind ne ben vielen anderen<br />

Genen auch das<br />

PCP4 und Col18a1 in drei<br />

Kopien vor handen. PCP4<br />

(links) ist im Nervensystem<br />

wirksam, während<br />

Col18a1 – ein Kollagen-<br />

Gen (rechts) – im Binde -<br />

gewebe des Maus-<br />

Embryos aktiv ist.<br />

82<br />

Gene und Verhalten<br />

Wer einmal mit dem Flieger mehrere Zeitzonen<br />

überquert hat, der kennt das Gefühl in den<br />

ersten Tagen danach: Tagsüber lähmt einen bleischwere<br />

Müdigkeit, nachts wälzt man sich hellwach<br />

im Bett. Ein klarer Fall von Jetlag. Unsere innere<br />

Uhr braucht ein paar Tage, bis sie sich auf den<br />

um mehrere Stunden verschobenen Tagesrhythmus<br />

eingestellt hat. Doch es funktioniert: Nach ein paar<br />

Tagen »ticken« wir wieder synchron zur Außenwelt.<br />

Die Probleme, die bei einem Jetlag auftreten,<br />

sind ein anschauliches Beispiel da<strong>für</strong>, wie äußere<br />

Einflüsse unsere innere Uhr stören. Dabei muss<br />

man eigentlich von vielen inneren Uhren sprechen,<br />

denn die physiologischen Abläufe im Körper<br />

bis hin zu unserem Verhalten werden von einem<br />

ganzen Netz molekularer Zeitgeber koordiniert.<br />

Die einzelnen Organe beherbergen jeweils eigene<br />

periphere Os zillatoren, die unter der zentralen<br />

Kontrolle des im Hypothalamus gelegenen zirka -<br />

dianen Schrittmachers stehen, dem suprachias -<br />

matischen Nukleus (SCN).<br />

Die inneren Uhren der Organe passen sich unterschiedlich<br />

schnell an die veränderten äußeren<br />

Einflüsse an. Dabei spielt die Uhr der Nebenniere<br />

eine entscheidende Rolle, wie wir durch Expe -<br />

rimente mit Mäusen zeigen konnten. Das Organ<br />

schüttet normalerweise das Hormon<br />

Kortisol aus und nimmt so<br />

maßgeblichen Einfluss auf die<br />

Uhren anderer Organe. Hemmt<br />

man die Kortisol-Synthese, passt<br />

sich der Körper schneller an die<br />

neue Zeitzone an. Diese Erkenntnis<br />

eröffnet einen Weg zur Hormontherapie<br />

des Jetlags.<br />

Ein Atlas der Uhrengene<br />

Einsichten dieser Art erhalten wir, indem<br />

wir die <strong>für</strong> die zirkadiane Uhr maßgeblichen<br />

Gene ana lysieren. Eine reichhaltige,<br />

einzigartige Quelle von Uhrengen-Kandidaten<br />

sind die von uns mitent wickelten Atlanten der<br />

Genaktivität im Gehirn (www.brain-map.org,<br />

www.geneatlas.org). Um diese molekularen Karten<br />

zu erstellen, haben wir hochauflösende und automatisierte<br />

Techniken entwickelt. So können wir<br />

effizient Gene identifi zieren, die zum Beispiel in<br />

der Zentraluhr des SCN im Hypothalamus tages -<br />

rhythmisch aktiviert werden. Solche Kandidaten-<br />

Gene entfernen wir dann gezielt im SCN von Mäu -<br />

sen und bestimmen über Laufrad- und molekulare<br />

Experimente, ob die zirkadiane Uhr defekt ist.


Der Expressionsatlas eröffnet uns<br />

auch neue Einsichten in das Metabolom,<br />

die Gesamtheit aller Moleküle im<br />

Stoffwechsel (Metabolismus) eines Organismus.<br />

Viele dieser Moleküle zeigen<br />

über den Tag verteilt Konzentrationsschwankungen.<br />

Inzwischen kennen wir<br />

beispielsweise die Aktivitätsmuster aller<br />

360 Solute Carrier (SLC)-Gene. Diese<br />

enthalten die Baupläne <strong>für</strong> die SLC-<br />

Proteine, wichtige Porenproteine in biologischen<br />

Membranen. Sie schleusen<br />

kleine Moleküle wie Nährstoffe, Vitamine,<br />

Hormone und Mineralien zwischen<br />

Zellen ein und aus und innerhalb<br />

einer Zelle hin und her. Wenn wir wissen,<br />

wann welche Gene aktiv sind, können<br />

wir einen hochauflösenden Atlas<br />

des Stoffaustausches über den gesamten<br />

Säugetierorganismus konstruieren,<br />

mit besonderem Augenmerk auf die zirkadianen<br />

Aspekte des Stoffwechsels.<br />

Entwicklungsgene unter der Lupe<br />

Unsere Atlanten der Genexpression<br />

(www.genepaint.org, www.eurex press.<br />

org) sind auch ein wichtiger Fundus,<br />

um zu erforschen, wie Gene die Entwicklung<br />

des Gehirns im Embryo beeinflussen<br />

– der zweite große Forschungsschwerpunkt<br />

in unserer Ab -<br />

teilung. Wir konzentrieren uns primär<br />

auf DNA-Abschnitte, die<br />

Wachstum und Struktur<br />

der Großhirnrinde koordinieren.<br />

Ein Beispiel ist das<br />

Esco2-Gen, das in den<br />

Stammzellen der Großhirnrinde<br />

<strong>für</strong> eine kurze<br />

Zeit wirksam ist und<br />

während der Zellteilung<br />

den Zusammenhalt der<br />

Chromosomen reguliert.<br />

Entfernt man bei Mäusen<br />

dieses Gen in der Wachstumszone<br />

der Großhirnrinde,<br />

so werden die Tiere ohne<br />

diesen Teil des Hirns geboren.<br />

Menschen, bei denen das<br />

Esco2-Gen mutiert ist, leiden unter<br />

einer schwerwiegenden Erbkrankheit,<br />

die man als Roberts-Syndrom<br />

bezeichnet. Wir verwenden unsere<br />

Esco2-Mausmutanten, um sowohl<br />

die molekularen Prozesse der Zellteilung<br />

als auch die Ursache des Roberts-<br />

Syndroms zu erforschen.<br />

In der Abbildung wird die Aktivitätsstärke (grün<br />

bis rot) von 36 Solute Carrier-Genen (SLCs) in<br />

der Nebenniere der Maus gezeigt. Je früher am<br />

Tag ein SLC sein Aktivitätsmaximum (rot)<br />

erreicht, desto weiter oben befindet es sich im<br />

Diagramm. Man erkennt leicht, dass selbst in<br />

einer Gruppe von gerade einmal 36 SLC-Genen<br />

eine klare tageszeitliche Präferenz auftritt.<br />

Prof. Dr. Gregor Eichele studierte<br />

<strong>Chemie</strong> und Strukturbiologie und<br />

promovierte 1980 an der Universität<br />

Basel. Im Anschluss forschte<br />

er von 1981 bis 1984 als Postdoktorand<br />

an der University of California,<br />

San Francisco (USA) auf<br />

dem Gebiet der Entwicklungsbiologie.<br />

1985 bis 1990 war er Mitglied<br />

der Fakultät der Harvard<br />

University School of Medicine<br />

Boston (USA) und wechselte<br />

von 1991 bis 1998 an das Baylor<br />

College of Medicine, Houston<br />

(USA). Er war von 1997 bis 2006<br />

Direktor und Wissenschaftliches<br />

Mitglied am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong><br />

<strong>für</strong> experimentelle Endokrinologie.<br />

Seit 2006 ist Gregor Eichele<br />

Direktor am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong> und<br />

Leiter der Abteilung »Gene und<br />

Verhalten«. Für seine Forschung<br />

erhielt er zahlreiche Auszeichnun -<br />

gen, darunter 1991 den Friedrich-<br />

Miescher-Preis und den McKnight<br />

Neuroscience Development<br />

Award sowie 2000 den Innovation<br />

Award in Functional Genomics.<br />

Kontakt:<br />

gregor.eichele@mpibpc.mpg.de<br />

http://genesandbehavior.mpibpc.<br />

mpg.de<br />

V. Jakubcakova, H. Oster, F. Tamanini,<br />

C. Cadenas, M. Leitges, G. T. van der<br />

Horst, G. Eichele: Light entrainment of<br />

the mammalian circadian clock by a<br />

PRKCA-dependent posttranslational<br />

mechanism. Neuron 54, 831-843 (2007).<br />

E. S. Lein, M. J. Hawrylycz, N. Ao, et al.:<br />

Genome-wide atlas of gene expression in<br />

the adult mouse brain. Nature 445, 168-<br />

176 (2007).<br />

A. Visel, J. Carson, J. Oldekamp, M.<br />

Warnecke, V. Jakubcakova, X. Zhou, C. A.<br />

Shaw, G. Alvarez-Bolado, G. Eichele: Regulatory<br />

pathway analysis by highthroughput<br />

in situ hybridization. PLoS<br />

Genet. 3, 1867-1883 (2007).<br />

J. P. Carson, T. Ju, H. C. Lu, C. Thaller,<br />

M. Xu, S. L. Pallas, M. C. Crair, J. Warren,<br />

W. Chiu, G. Eichele: A digital atlas to<br />

characterize the mouse brain transcriptome.<br />

PLoS Comput. Biol. 1, e41 (2005).<br />

83


Dr. Henrik Oster promovierte<br />

2002 an der Universität Freiburg<br />

(Schweiz) in Bio chemie. Von 2002<br />

bis 2007 forschte er am <strong>Max</strong>-<br />

<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> experimentelle<br />

Endokrinologie in Hannover und<br />

am Wellcome Trust Centre for Human<br />

Genetics an der Universität<br />

Oxford (England). Seit 2007 leitet<br />

er als Emmy-Noether-Preisträger<br />

der Deutschen Forschungs -<br />

gemeinschaft die Arbeitsgruppe<br />

»Zir kadiane Rhythmen« am <strong>Max</strong>-<br />

<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />

<strong>Chemie</strong>. Für seine Forschung erhielt<br />

Henrik Oster 2002 den Fakultätspreis<br />

der Universität Freiburg<br />

(Schweiz) und 2003 die Otto-Hahn-<br />

Medaille der <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Gesell -<br />

schaft.<br />

Kontakt:<br />

henrik.oster@mpibpc.mpg.de<br />

http://circadianrhythms.mpibpc.<br />

mpg.de<br />

D. Lupi , H. Oster, S. Thompson, R. G.<br />

Foster: The acute light-induction of<br />

sleep is mediated by OPN4-based photoreception.<br />

Nat. Neurosci. 11, 1068-<br />

1073 (2008).<br />

H. Oster, S. Damerow, S. Kiessling, V.<br />

Jakubcakova, D. Abraham, J. Tian, M.<br />

W. Hoffmann, G. Eichele: The circadian<br />

rhythm of glucocorticoids is regulated<br />

by a gating mechanism residing in<br />

the adrenal cortical clock. Cell Metab.<br />

4, 163-173 (2006).<br />

H. Oster, S. Baeriswyl, G. T. van der<br />

Horst, U. Albrecht: Loss of circadian<br />

rhythmicity in aging mPer1-/-mCry2-/mutant<br />

mice. Genes Dev. 17, 1366-<br />

1379 (2003).<br />

84<br />

Zirkadiane Rhythmen<br />

Alles Leben auf unserer Erde verläuft in<br />

Zyklen. Einer der einflussreichsten dieser<br />

Zyklen ist der tägliche Wechsel von Tag<br />

und Nacht. Der Tageslauf bringt weitreichende<br />

Veränderungen der Umwelt mit<br />

sich, die es optimal zu nutzen gilt. Um dies<br />

zu erreichen, haben fast alle Lebewesen – von<br />

Bakterien bis hin zum Menschen – innere<br />

Zeitmesser entwickelt (sogenannte zirkadiane<br />

Uhren). Damit bestimmen sie die aktuelle<br />

Tageszeit, um die Physiologie ihres Körpers<br />

und ihr Verhalten optimal auf die jeweiligen<br />

Anforderungen vorzubereiten. Diese innere<br />

Uhr ist genetisch verankert. Sie funktioniert<br />

deshalb auch, wenn äußere Zeitgeber wie<br />

die Sonne fehlen. Die innere Uhr lässt uns<br />

abends müde werden, weckt uns morgens<br />

wieder auf und steuert die Ausschüttung<br />

zahlreicher Hormone im 24-Stunden-Takt.<br />

Unsere Forschungsgruppe interessiert<br />

sich <strong>für</strong> die molekularen Mechanismen,<br />

die hinter diesen Phänomenen stecken.<br />

Um diese zu ergründen, haben wir Mäuse<br />

gezüchtet, in denen einzelne Steuergene<br />

der inneren Uhr – die übrigens beim Menschen<br />

ganz ähnlich funktioniert – ausgeschaltet<br />

sind. An diesen Mäusen untersuchen<br />

wir nun die Veränderung ihrer Tagesrhythmen.<br />

Dabei interessieren wir uns besonders<br />

<strong>für</strong> das Schlaf-Wachverhalten der<br />

Tiere sowie das Zusammenspiel zwischen<br />

der inneren Uhr und der Nahrungsaufnahme<br />

und -verwertung.<br />

Das Ticken der Uhr zum Leuchten bringen<br />

So stellen wir den Mäusen ein Laufrad in<br />

den Käfig, mit dem wir sehr präzise den Aktivitätsrhythmus<br />

der Tiere messen können.<br />

Bei anderen Tieren haben wir ein Leuchtprotein<br />

aus dem Glühwürmchen an die innere<br />

Uhr gekoppelt. Anhand des Leuchtsignals<br />

verfolgen wir nicht nur das moleku-<br />

Oben: Wenn man das Uhrenprotein PER2 an das<br />

Leuchtprotein LUCIFERASE koppelt, kann man mit<br />

dem Lichtsignal, das bei der Luciferin-Spaltung ent -<br />

steht, den Rhythmus der inneren Uhr sichtbar machen.<br />

Unten: Lichtemissionsrhythmen in Leberschnitt-<br />

Kulturen aus Mäusen mit PERIOD2-LUCIFERASE-<br />

Fusionsprotein.<br />

lare »Ticken« der Uhr, sondern auch, wie<br />

die Uhr im lebenden Gewebe auf Stoffwechsel-Signale<br />

reagiert.<br />

Wir erhoffen uns davon neue Ansatzpunkte,<br />

zum Beispiel <strong>für</strong> die Behandlung<br />

von »Rhythmus-Krankheiten« beim Menschen<br />

wie Schlafstörungen, Winterdepression<br />

und das sogenannte Nachtesser-<br />

Syndrom (engl. Night Eating Syndrome).<br />

Laufradaktivität einer<br />

Cry1-mutanten Maus unter Licht-<br />

Dunkel-Bedingungen (LD) und in<br />

konstanter Dunkelheit (DD). In DD<br />

folgt der Aktivitätsrhythmus des<br />

Tieres seiner inneren Uhr mit einer<br />

Perioden länge von ca. 22 Stunden,<br />

während unter LD die innere Uhr<br />

mit dem Tagesrhythmus synchronisiert<br />

ist (24 Stunden pro Zyklus).


Das <strong>Institut</strong> in aller Kürze<br />

Mitarbeiter:<br />

837, davon 473 Wissenschaftler<br />

Geschäftsführender Direktor:<br />

Professor Dr. Helmut Grubmüller (2009 – 2010)<br />

Assistentin des Geschäftsführenden Direktors:<br />

Eva-Maria Hölscher<br />

Verwaltungsleiter:<br />

Manfred Messerschmidt<br />

Kontakt:<br />

<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong><br />

(Karl-Friedrich-Bonhoeffer-<strong>Institut</strong>)<br />

Am Faßberg 11 · 37077 Göttingen<br />

Telefon: +49 (0)551 201-0 · Fax: +49 (0)551 201-1222<br />

www.mpibpc.mpg.de<br />

Wissenschaftliche Abteilungen<br />

Gene und Verhalten (Professor Dr. Gregor Eichele)<br />

Membranbiophysik (Professor Dr. Erwin Neher)<br />

Molekulare Entwicklungsbiologie (Professor Dr. Herbert Jäckle)<br />

Molekulare Zellbiologie (Professor Dr. Peter Gruss;<br />

<strong>für</strong> die Zeit seiner Präsidentschaft bei der MPG beurlaubt)<br />

NanoBiophotonik (Professor Dr. Stefan W. Hell)<br />

Neurobiologie (Professor Dr. Reinhard Jahn)<br />

NMR-basierte Strukturbiologie (Professor Dr. Christian Griesinger)<br />

Physikalische Biochemie (Professor Marina Rodnina)<br />

Theoretische und computergestützte Biophysik (Professor Dr. Helmut Grubmüller)<br />

Zelluläre Biochemie (Professor Dr. Reinhard Lührmann)<br />

Zelluläre Logistik (Professor Dr. Dirk Görlich)<br />

Biomedizinische NMR (Professor Dr. Jens Frahm)<br />

Kuratorium<br />

Ralf O. H. Kähler · Vorstandsvorsitzender der Volksbank Göttingen<br />

Thomas Keidel · Geschäftsführender Gesellschafter der Mahr GmbH, Göttingen<br />

Dr. Joachim Kreuzburg · Vorstandsvorsitzender der Sartorius AG, Göttingen<br />

Dr. Wilhelm Krull · Generalsekretär der VolkswagenStiftung, Hannover<br />

Dr. Peter Lange · Ministerialdirektor, Bundesministerium <strong>für</strong> Bildung und Forschung, Berlin<br />

Prof. Dr. Gerd Litfin (Vorsitzender) · Aufsichtsratsvorsitzender der LINOS AG, Göttingen<br />

Wolfgang Meyer · Oberbürgermeister der Stadt Göttingen<br />

Thomas Oppermann · Mitglied des Deutschen Bundestages, Berlin<br />

Gerhard Scharner · Ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Göttingen<br />

Reinhard Schermann · Landrat des Landkreises Göttingen<br />

Dr. Herbert Stadler · Vorstandsvorsitzender der Affectis Pharmaceuticals AG, München<br />

Ilse Stein · Chefredakteurin, Göttinger Tageblatt<br />

Volker Stollorz · Redakteur, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und Westdeutscher Rundfunk<br />

Lutz Stratmann · Niedersächsischer Minister <strong>für</strong> Wissenschaft und Kunst, Hannover<br />

Prof. Dr. Rita Süssmuth · Ehemalige Präsidentin des Deutschen Bundestages, Berlin<br />

Prof. Dr. Kurt von Figura · Präsident der Georg-August-Universität Göttingen<br />

85


86<br />

Wissenschaftlicher Beirat<br />

Professor Dr. Hugo Bellen<br />

Howard Hughes Medical <strong>Institut</strong>e, Baylor College of Medicine (Houston, USA)<br />

Professor Dr. Carmen Birchmeier-Kohler<br />

<strong>Max</strong>-Delbrück-Centrum <strong>für</strong> Molekulare Medizin (Berlin)<br />

Professor Dr. David Case<br />

BioMaPS <strong>Institut</strong>e and Department of Chemistry & Chemical Biology,<br />

Rutgers University (Piscataway, USA)<br />

Professor Dr. Christopher Dobson<br />

University of Cambridge (Cambridge, UK)<br />

Professor Dr. Gideon Dreyfuss<br />

Howard Hughes Medical <strong>Institut</strong>e,<br />

University of Pennsylvania (Philadelphia, USA)<br />

Professor Dr. Mary Beth Hatten<br />

Rockefeller University (New York, USA)<br />

Professor Dr. Peter Jonas<br />

Universität Freiburg (Freiburg i. Breisgau)<br />

Professor Dr. Michael Levitt<br />

Stanford University (Stanford, USA)<br />

Professor Dr. David Nesbitt<br />

University of Colorado at Boulder (Boulder, USA)<br />

Professor Dr. Peter So<br />

Massachusetts <strong>Institut</strong>e of Technology (Cambridge, USA)<br />

Professor Dr. Joan Steitz (Vorsitzende)<br />

Yale University (New Haven, USA)<br />

Professor Dr. Joseph Takahashi<br />

Howard Hughes Medical <strong>Institut</strong>e, University of Texas (Dallas, USA)<br />

Professor Dr. Peter Walter<br />

University of California (San Francisco, USA)


Sie erreichen uns ...<br />

... mit dem Auto<br />

Autobahn A7 Kassel-Hannover, Ausfahrt Göttingen<br />

Nord. An der ersten Ampel geradeaus der B27<br />

in Richtung Braunlage folgen. Nach knapp 2 km<br />

links einbiegen in Richtung Nikolausberg (be -<br />

schildert). Die dritte Straßeneinmündung links<br />

führt auf das <strong>Institut</strong>sgelände.<br />

... mit dem Zug<br />

Ab Göttingen Hauptbahnhof mit dem Taxi zum<br />

<strong>Institut</strong> oder mit dem Stadtbus der Linie 8 und 13<br />

in Richtung Innenstadt. An einer der ersten vier<br />

Haltestellen umsteigen in die Linie 5 Richtung<br />

Nikolausberg. Die Haltestelle »Am Faßberg« liegt<br />

kurz vor dem <strong>Institut</strong>sgelände.<br />

... mit dem Flugzeug<br />

Flughafen Frankfurt/Main oder Hannover<br />

Ab Flughafen Frankfurt vom Fernbahnhof nach<br />

Göttingen (Richtung Hamburg, Berlin; direkte Züge<br />

verkehren im Zweistundentakt). Alternativ vom<br />

Regionalbahnhof mit Zug oder S-Bahn nach Frank -<br />

furt/Hbf (Züge nach Göttingen zweimal stünd -<br />

lich). Fahrzeit mit dem Auto ca. drei Stunden.<br />

Ab Flughafen Hannover mit der S-Bahn zum<br />

Hauptbahnhof Hannover, von dort mit dem ICE<br />

oder IC nach Göttingen (Fahrzeit ca. 30 Minuten).<br />

Fahrzeit mit dem Auto ca. 1,5 Stunden.<br />

87


88<br />

Abbildungen<br />

Seite 5 (unten, links): Medialer Nucleus des Trapezkörpers<br />

(MNTB) im Gehirn, injiziert mit GFP-Adeno -<br />

virus (grün). Der vesikuläre Glutamattransporter<br />

VGLUT1 ist rot angefärbt. (Meike Pedersen, Abteilung<br />

<strong>für</strong> Membranbiophysik)<br />

Seite 5 (unten, zweites Bild von links): Räumliche<br />

Struktur von Bakteriorhodopsin. Archaebakterien<br />

wie Halo bac terium halobium benutzen die lichtgetriebene<br />

Protonenpumpe zur Energieproduktion.<br />

(Helmut Grubmüller, Abteilung <strong>für</strong> Theoretische<br />

und Computergestützte Biophysik)<br />

Seite 5 (unten, zweites Bild von rechts): Aus dem<br />

embryonalen Gehirn der Maus wurden neurale<br />

Stammzellen gewonnen, die sich in Gewebekultur in<br />

sogenannte Sternzellen (Astrozyten, grün) differenziert<br />

haben. Zell kerne sind blau angefärbt. (Michael Kessel,<br />

Forschungs gruppe Entwicklungsbiologie)<br />

Seite 5 (unten rechts): Das Hormon Insulin in zwei<br />

unterschiedlichen Darstellungsformen. (Helmut<br />

Grubmüller, Abteilung <strong>für</strong> Theoretische und Computergestützte<br />

Biophysik)<br />

Seite 6: Konfokale Fluoreszenzmikroskopie-Aufnahme<br />

von Beutelratten-Zellen, in denen das Tubulin-Zyto -<br />

skelett angefärbt ist. (Christian Wurm, Stefan Jakobs;<br />

Forschungsgruppe Struktur und Dynamik von<br />

Mitochondrien)<br />

Seite 7 (unten rechts): <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />

Neurobiologie<br />

Seite 8 (unten links): Archiv der <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />

Gesellschaft<br />

Seite 9 (oben): Räumliche Struktur des molekularen<br />

Kraftsensors Titinkinase. (Helmut Grubmüller,<br />

Abteilung <strong>für</strong> Theoretische und Computergestützte<br />

Biophysik)<br />

Seite 9 (unten): Dirk Bockelmann, Abteilung <strong>für</strong><br />

NMR-basierte Strukturbiologie<br />

Seite 12 (oben): Deutscher Zukunftspreis,<br />

Ansgar Pudenz<br />

Seite 13: Schärferer Blick auf das Innere von Zellen:<br />

Die Abbildung zeigt Filamente in einer menschlichen<br />

Nervenzelle; rechts durch ein herkömmliches Kon -<br />

fo kalmikroskop, links durch ein STED-Mikroskop.<br />

(Stefan W. Hell, Abteilung <strong>für</strong> NanoBiophotonik)<br />

Seite 21: Konfokale Fluoreszenzmikroskopie-Aufnahme<br />

von Beutelratten-Zellen, in denen das Aktin-Zytoskelett<br />

rot, das Tubulin-Zytoskelett grün und der Zellkern blau<br />

angefärbt ist. (Christian Wurm, Stefan Jakobs;<br />

Forschungsgruppe Struktur und Dynamik von<br />

Mitochon drien)<br />

Seite 30: Federico Neri, fotolia.com<br />

Seite 33: Inter-Stilist, fotolia.com<br />

Seite 34: Der »head tail connector« der phi29-DNA-<br />

Polymerase. Er ist an der DNA-Verpackung während<br />

der Virus-Reproduktion beteiligt. Die DNA ist blau<br />

dargestellt. (Mattias Popp, Abteilung <strong>für</strong> Theoretische<br />

und Computergestützte Biophysik)<br />

Seite 48/49: Struktur der größten Untereinheit des<br />

Spleißosoms, des sogenannten »tri-snRNP« (links) und<br />

vier weitere Strukturen seiner »beweglichen« Kompo -<br />

nente (U5 snRNP). (Holger Stark, Forschungsgruppe<br />

Dreidimensionale Kryo-Elektronenmikroskopie)<br />

Seite 54/55 (oben): Bakterienzellen.<br />

(Irochka, fotolia.com)<br />

Seite 56/57: Milliarden Nervenzellen sind im mensch -<br />

lichen Gehirn zu einem komplexen Netzwerk verknüpft.<br />

(Sebastian Kaulitzki, fotolia.com)<br />

Seite 64: Konfokale Fluoreszenzmikroskopie-Aufnahme<br />

von Beutelratten-Zellen, in denen das Tubulin-Zytoske -<br />

lett rot und der Zellkern blau angefärbt ist. (Christian<br />

Wurm, Stefan Jakobs; Forschungsgruppe Struktur<br />

und Dynamik von Mitochondrien)<br />

Seite 65: Die zentrale Einrichtung »Innovative<br />

Lichtmikroskopie«. (Alexander Egner)<br />

Seite 70/71: Schnitt durch das Gehirn der Maus mit<br />

so genannten Sternzellen (Astrozyten, grün) in der<br />

oberen Schicht und Nervenzellen (rot) in der unteren<br />

Schicht. Zellkerne sind blau angefärbt.(Michael<br />

Kessel, Forschungsgruppe Entwicklungsbiologie)<br />

Seite 76/77: Emilia Stasiak, fotolia.com<br />

Seite 82/83: FinePix, fotolia.com (alte Uhr)<br />

Seite 84: Kyslynskyy, fotolia.com


Impressum<br />

Herausgeber <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong><br />

Am Faßberg 11 · 37077 Göttingen<br />

Texte Marcus Anhäuser, Diemut Klärner, Dr. Carmen Rotte;<br />

in Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern<br />

am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong><br />

Fotos Irene Böttcher-Gajewski, Peter Goldmann (S. 10 unten links, S. 17 oben<br />

rechts), Heidi Wegener (S. 85)<br />

Titelbild Irene Böttcher-Gajewski<br />

Schlussredaktion Dr. Ulrich Kuhnt, Silvia Petrova, Dr. Carmen Rotte<br />

Layout Rothe-Grafik, Georgsmarienhütte; Hartmut Sebesse<br />

Druck Druckhaus Fromm, Osnabrück<br />

Koordination Dr. Carmen Rotte<br />

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong><br />

pr@mpibpc.mpg.de<br />

Internet www.mpibpc.mpg.de


<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong><br />

(Karl-Friedrich-Bonhoeffer-<strong>Institut</strong>)<br />

Am Faßberg 11 · 37077 Göttingen<br />

Tel.: +49 (0)551 201-0 · Fax: +49 (0)551 201-1222<br />

www.mpibpc.mpg.de

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