Droso - Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie - Max-Planck
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<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong><br />
<strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong><br />
Karl-Friedrich-Bonhoeffer-<strong>Institut</strong><br />
Göttingen
Vorwort<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
in der traditionsreichen Universitätsstadt Göttingen<br />
im Süden Niedersachsens gelegen, steht<br />
das <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong><br />
seit vielen Jahren <strong>für</strong> Grundlagenforschung auf<br />
höchstem Niveau. Als eines der größten <strong>Institut</strong>e<br />
der <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Gesellschaft beherbergt es zahlreiche<br />
Forschungsgruppen. Studierende und Wissenschaftler<br />
unterschiedlichster Disziplinen aus<br />
dem In- und Ausland arbeiten hier zusammen, tatkräftig<br />
unterstützt durch Werkstätten und zentrale<br />
Einrichtungen. Die in der Grundlagenforschung<br />
gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen es dem <strong>Institut</strong>,<br />
stets innovative Impulse zu setzen, die bereits<br />
zu zahlreichen wirtschaftlich erfolgreichen<br />
Entwicklungen und Unternehmen geführt haben.<br />
Mit dieser Broschüre möchten wir Sie zu einem<br />
Rundgang einladen und Ihnen die Geschichte des<br />
<strong>Institut</strong>s und dessen aktuelle wissenschaftliche<br />
Aktivitäten vorstellen. Wir würden uns freuen, wenn<br />
dieser erste Eindruck Sie anregt, sich näher mit<br />
der aktuellen Forschung am <strong>Institut</strong> zu beschäftigen<br />
oder eines unserer Besuchs- und Ausbildungsprogramme<br />
wahrzunehmen.<br />
Helmut Grubmüller<br />
Geschäftsführender Direktor, im Oktober 2009<br />
1
2<br />
Inhalt<br />
Das <strong>Institut</strong> stellt sich vor 4<br />
Entdeckungsreise<br />
in die Welt der Moleküle 4<br />
Forschen ohne Zwänge 6<br />
Tradition und Vision 8<br />
Lehren und Lernen 10<br />
Wenn eine neue Idee zündet 12<br />
Starker Service <strong>für</strong> Spitzenforschung 14<br />
Offene Türen<br />
Emeritierte<br />
16<br />
Wissenschaftliche Mitglieder 18<br />
Tiefer blicken 20<br />
NanoBiophotonik 22<br />
Prof. Dr. Stefan W. Hell<br />
Struktur und Dynamik<br />
von Mitochondrien 24<br />
Dr. Stefan Jakobs<br />
Biomolekulare Spektroskopie<br />
und Einzelmoleküldetektion 25<br />
Prof. Dr. Peter Jomo Walla<br />
Labor <strong>für</strong> Zelluläre Dynamik 26<br />
Dr. Thomas M. Jovin<br />
Biochemische Kinetik 27<br />
Prof. Dr. Manfred Eigen<br />
Elektronenspinresonanz-Spektroskopie 28<br />
Dr. Marina Bennati<br />
Biologische Mikro- und Nanotechnologie 29<br />
Dr. Thomas Burg<br />
Spektroskopie und<br />
photochemische Kinetik 30<br />
Prof. Dr. Jürgen Troe<br />
Reaktionsdynamik 31<br />
Prof. Dr. Dirk Schwarzer<br />
Strukturdynamik<br />
(bio)chemischer Prozesse 32<br />
Dr. Simone Techert<br />
Laserchemie 33<br />
Prof. Dr. Michael Stuke<br />
Raffinierte Moleküle 34<br />
Theoretische und<br />
computergestützte Biophysik 36<br />
Prof. Dr. Helmut Grubmüller<br />
Computergestützte<br />
biomolekulare Dynamik 38<br />
Prof. Dr. Bert de Groot<br />
Strukturuntersuchungen<br />
an Proteinkomplexen 39<br />
Dr. Stefan Becker<br />
NMR-basierte Strukturbiologie 40<br />
Prof. Dr. Christian Griesinger<br />
Proteinstrukturbestimmung<br />
mittels NMR 42<br />
Prof. Dr. Markus Zweckstetter<br />
Festkörper-NMR-Spektroskopie 43<br />
Dr. Adam Lange<br />
Systembiologie der Motorproteine 44<br />
Dr. Martin Kollmar<br />
Bioanalytische Massenspektrometrie 45<br />
Dr. Henning Urlaub<br />
Enzym-Biochemie 46<br />
Dr. Manfred Konrad<br />
Nukleinsäurechemie 47<br />
Dr. Claudia Höbartner
Zelluläre Maschinen 48<br />
Zelluläre Biochemie 50<br />
Prof. Dr. Reinhard Lührmann<br />
Molekulare<br />
Kryo-Elektronenmikroskopie 52<br />
Prof. Dr. Holger Stark<br />
Ribosomendynamik 53<br />
Prof. Dr. Wolfgang Wintermeyer<br />
Physikalische Biochemie 54<br />
Prof. Marina Rodnina<br />
Mitteilsame Nervenzellen 56<br />
Neurobiologie 58<br />
Prof. Dr. Reinhard Jahn<br />
Strukturelle Biochemie 60<br />
Dr. Dirk Fasshauer<br />
Biophysik der synaptischen Übertragung 61<br />
Dr. Takeshi Sakaba<br />
Membranbiophysik 62<br />
Prof. Dr. Erwin Neher<br />
Der Zellkern als Kommandozentrale 64<br />
Zelluläre Logistik 66<br />
Prof. Dr. Dirk Görlich<br />
Funktionelle Zellkernarchitektur 68<br />
Dr. Volker Cordes<br />
Chromatin-Biochemie 69<br />
Dr. Wolfgang Fischle<br />
Vom Ei zum Organismus 70<br />
Molekulare Entwicklungsbiologie 72<br />
Prof. Dr. Herbert Jäckle<br />
Entwicklungsbiologie 74<br />
Prof. Dr. Michael Kessel<br />
Molekulare Organogenese 75<br />
Prof. Dr. Reinhard Schuh<br />
Molekulare Zelldifferenzierung 76<br />
Prof. Dr. Ahmed Mansouri<br />
Molekulare Neuroentwicklungsbiologie 77<br />
Dr. Anastassia Stoykova<br />
Biomedizinische NMR 78<br />
Prof. Dr. Jens Frahm<br />
Genexpression und Signalwirkung 80<br />
Dr. Halyna Shcherbata<br />
Schlaf und Wachsein 81<br />
Dr. Henrik Bringmann<br />
Gene und Verhalten 82<br />
Prof. Dr. Gregor Eichele<br />
Zirkadiane Rhythmen 84<br />
Dr. Henrik Oster<br />
Das <strong>Institut</strong> in aller Kürze 85<br />
Sie erreichen uns ... 87<br />
Bildnachweis 88<br />
3
4<br />
Entdeckungsreise<br />
in die Welt der Moleküle<br />
Wie Nervenzellen miteinander kommunizieren,<br />
sich aus einer Eizelle ein komplexer<br />
Organismus entwickelt oder unsere »innere Uhr«<br />
gesteuert wird – Wissenschaftler am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />
<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong> sind den molekularen<br />
Vorgängen auf der Spur, die komplexe<br />
Lebensprozesse steuern und regeln. So ohne weiteres<br />
lassen sich diese allerdings nicht beobachten.<br />
Sie spielen sich im Nanokosmos der Zelle ab und<br />
sind damit <strong>für</strong> unser Auge unsichtbar. Mit gängigen<br />
Mikroskopen lassen sich zwar Bakterien aufspüren<br />
oder einzelne Körperzellen betrachten.<br />
Man erfährt aber kaum etwas darüber, was sich<br />
tief im Inneren lebender Zellen abspielt.<br />
Ein Schwerpunkt der Forschungsarbeit am<br />
Ins ti tut ist es daher, spezielle Verfahren zu ent -<br />
wickeln, die Einblicke in die Welt der Moleküle<br />
erlauben. Ultra-hochauflösende Fluoreszenz -<br />
mikroskopie, Kernspinresonanz-Spektroskopie,<br />
Kryo-Elektronenmikroskopie und Computersimulationen<br />
sind einige solcher Methoden, die erfolgreich<br />
eingesetzt werden, um Proteine – die winzigen<br />
Nanomaschinen lebender Zellen – unter die<br />
Lupe zu nehmen. Dabei gilt es, den Tricks auf die<br />
Schliche zu kommen, mit denen Proteine ihre vielfältigen<br />
Funktionen in der Zelle erfüllen, beispielsweise<br />
als molekulare Motoren, <strong>Chemie</strong>fabriken,<br />
Photozellen oder Sensoren. Auch die zelluläre Logistik<br />
wird von Proteinen bewerkstelligt. Wie der<br />
Stofftransport zwischen den unterschiedlichen<br />
Kompartimenten einer Zelle abläuft, wird derzeit<br />
am <strong>Institut</strong> genauer erforscht.
Die Wissenschaftler untersuchen zudem, wie<br />
die Baupläne <strong>für</strong> Proteine zunächst in eine lesbare<br />
Form gebracht werden und sind der Funktions -<br />
weise der zellulären Proteinfabriken – der Ribosomen<br />
– auf der Spur. Nur korrekt gebaut können<br />
Proteine ihre Aufgaben in der Zelle erfolgreich erfüllen.<br />
Wie die Qualitätskontrolle beim Bau der<br />
Proteine funktioniert, dieser Frage gehen Forscher<br />
am <strong>Institut</strong> im Detail nach.<br />
Ebenso lassen sich viele Erscheinungen der unbelebten<br />
Natur auf molekulare Prozesse zurückführen.<br />
So reagieren viele Moleküle, Radikale und<br />
Atome in der Atmosphäre miteinander, nachdem<br />
sie durch Sonneneinstrahlung erzeugt und angeregt<br />
worden sind. Ihre innere molekulare Dynamik<br />
zu untersuchen, ist ein weiterer Forschungszweig<br />
am <strong>Institut</strong>.<br />
Um solche komplexen Lebensvorgänge und Prozesse<br />
aufzuklären, arbeiten Wissenschaftler verschiedenster<br />
Disziplinen und unterschiedlicher<br />
Nationen am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />
<strong>Chemie</strong> zusammen. Biologen, Chemiker,<br />
Mediziner und Physiker kooperieren dazu nicht<br />
nur mit ihren Kollegen am <strong>Institut</strong>, sondern mit<br />
einer Vielzahl von Fachleuten weltweit.<br />
So sind auf dem Campus viele verschiedene<br />
Sprachen zu hören, in denen sich über Projekte,<br />
Ideen und Ergebnisse ausgetauscht wird. Wenn<br />
Ende 2010 auch das Göttinger <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />
<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Dynamik und Selbstorganisation auf<br />
das Gelände am Faßberg umzieht, werden auf dem<br />
neu entstehenden <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Campus mehr als<br />
1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig sein.<br />
5
6<br />
Forschen ohne Zwänge<br />
Wie an allen <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong>en wird am<br />
<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />
<strong>Chemie</strong> in erster Linie Grundlagenforschung betrieben.<br />
Wer hier forscht, kann grundlegend neue<br />
Ideen verfolgen. Diese freie Forschung, die exzellenten<br />
Arbeitsbedingungen und das hohe internationale<br />
Renommee machen das <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />
<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong> zu einem Anziehungspunkt<br />
<strong>für</strong> Studierende ebenso wie <strong>für</strong> Forscher<br />
aus aller Welt.<br />
Gerade die so errungenen neuen Erkenntnisse<br />
aus der Wissenschaft führen zu manch zukunftsweisender<br />
Anwendung in der Praxis. So entpuppte<br />
sich eine am <strong>Institut</strong> synthetisierte chemische Verbindung<br />
namens Miltefosin als äußerst wirksames<br />
Mittel gegen die Tropenkrankheit viszerale<br />
Leishmaniose – die »Schwarze Krankheit«. Bleibt<br />
diese Krankheit unbehandelt, so endet sie in nahe -<br />
zu 100 Prozent der Fälle tödlich. Mit diesem<br />
Medikament erhofft sich die Weltgesundheitsorganisation<br />
(WHO), die Leishmaniose-Krankheit<br />
langfristig unter Kontrolle zu halten und schließlich<br />
zu besiegen. Mit bahnbrechenden Ideen zur<br />
Verbesserung der Lichtmikroskopie haben andere<br />
Forscherkollegen gültiges Lehrbuchwissen auf den<br />
Kopf gestellt und damit die optische Mikroskopie<br />
revolutioniert.<br />
Es ist daher kein Wunder, dass viele der Wissenschaftler<br />
am <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> ihre Arbeiten Auszeichnungen<br />
und Preise erhalten haben, darunter allein<br />
siebenmal den begehrten Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis<br />
der Deutschen Forschungsgemeinschaft.<br />
Auch zwei der 44 Nobelpreisträger, die in Göt -<br />
tingen studiert oder gewirkt haben, forschen<br />
gegenwärtig am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />
<strong>Chemie</strong>.<br />
Manfred Eigen erhielt 1967 den Nobelpreis <strong>für</strong><br />
<strong>Chemie</strong>. Ihm war es gelungen, den Verlauf sehr<br />
schneller chemischer Reaktionen zu verfolgen, die<br />
sich im Bereich von unter einer Millisekunde bis<br />
hin zu einer Nanosekunde (dem milliardsten Teil<br />
einer Sekunde) abspielen. Er durchbrach damit<br />
eine grundlegende Grenze, denn solche sehr<br />
schnellen Reaktionsabläufe wurden bis dahin <strong>für</strong><br />
unmessbar gehalten. Seine Arbeiten sind weit über<br />
die <strong>Chemie</strong> hinaus von fundamentaler Bedeutung.<br />
Erwin Neher und Bert Sakmann wurde 1991<br />
der Nobelpreis <strong>für</strong> Physiologie oder Medizin verliehen.<br />
Im Jahr 1976 entwickelten die beiden <strong>Max</strong>-<br />
<strong>Planck</strong>-Forscher eine Methode, mit der sich zum<br />
ersten Mal der außerordentlich schwache elektrische<br />
Strom durch einen einzigen geöffneten Ionen -<br />
kanal in einer Nervenzellmembran messen ließ –<br />
die sogenannte Patch-Clamp-Technik. Ionen kanä le –<br />
porenbildende Proteine – sind in der äußeren<br />
Membran fast aller Zelltypen eingebaut. Sie ver-
Manfred Eigen erhielt 1967 den Nobelpreis <strong>für</strong> <strong>Chemie</strong> <strong>für</strong> »Untersuchungen von extrem schnellen chemischen Reaktionen, die durch<br />
Störung des Gleichgewichts durch sehr kurze Energieimpulse ausgelöst werden«. Bald darauf übernahm er die Leitung des Göttinger<br />
<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> physikalische <strong>Chemie</strong> in der Bunsenstraße und initiierte die Gründung des <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />
<strong>Chemie</strong> am Faßberg vor den Toren Göttingens.<br />
mitteln nicht nur die elektrische Aktivität von Nerven-<br />
und Muskelzellen, sondern übersetzen auch<br />
physikalische oder chemische Sinnesreize in neuronale<br />
Signale. Auch Blut-, Immun- oder Leberzellen<br />
nutzen Ionenkanäle zur Kommunikation.<br />
Diese Nanomaschinen in der Membran sind daher<br />
keine reine »Nervensache«, sondern spielen in den<br />
»Nachrichtensystemen« der Organismen eine universelle<br />
Rolle.<br />
Erwin Neher (links) und Bert Sakmann (rechts) erhielten 1991 den Nobelpreis <strong>für</strong> Physiologie oder Medizin »<strong>für</strong> ihre Entwicklung einer<br />
Methode zum direkten Nachweis von Ionenkanälen in Zellmembranen zur Erforschung der Signalübertragung innerhalb der Zelle<br />
und zwischen den Zellen«. Diese sogenannte Patch-Clamp-Technik wird heute von Forschungslabors weltweit eingesetzt. Sie lie -<br />
ferte den Schlüssel zur Aufklärung zahlreicher Lebensprozesse auf zellulärer Ebene.<br />
7
8<br />
Tradition und Vision<br />
Das <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />
<strong>Chemie</strong> am Göttinger Faßberg wurde auf<br />
Initiative von Manfred Eigen gegründet und 1971<br />
offiziell eingeweiht. Seine Geschichte lässt sich jedoch<br />
weit länger zurückverfolgen. Sie reicht zurück<br />
bis zum einstigen Kaiser-Wilhelm-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />
physikalische <strong>Chemie</strong> in Berlin, das 1949 von Karl<br />
Friedrich Bonhoeffer als <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />
physikalische <strong>Chemie</strong> in Göttingen wieder aufge-<br />
baut wurde. Durch Zusammenlegung mit dem<br />
Göttinger <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Spektroskopie<br />
ging daraus das <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />
<strong>Chemie</strong> hervor. Der Physikochemiker<br />
Karl Friedrich Bonhoeffer verfolgte bereits früh einen<br />
stark interdisziplinären Ansatz und wandte<br />
physikalisch-chemische Methoden auch auf biologische<br />
Fragestellungen an. Grund genug, das<br />
<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong><br />
nach ihm zu benennen.<br />
Die Vision von Manfred Eigen war es, am neu<br />
gegründeten <strong>Institut</strong> komplexe Lebensvorgänge<br />
mit biologischen, chemischen und physikalischen<br />
Methoden zu erforschen. Eine Vision, die den Erfolg<br />
des <strong>Institut</strong>s maßgeblich mitbestimmt hat und<br />
die in den Abteilungen und Arbeitsgruppen auch<br />
heute noch trägt.<br />
Karl Friedrich Bonhoeffer (1899–1957) war der Gründer und<br />
erster Leiter des <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> physikalische <strong>Chemie</strong><br />
in Göttingen, das er 1949 als Nachfolgeinstitut des Berliner<br />
Kaiser-Wilhelm-<strong>Institut</strong>s <strong>für</strong> physikalische <strong>Chemie</strong> wieder aufgebaut<br />
hatte.
Derzeit besteht das <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />
<strong>Chemie</strong> aus elf Abteilungen und 30<br />
Arbeitsgruppen mit eigenen Forschungsschwerpunkten.<br />
Mit mehr als 830 Mitarbeitern – darunter<br />
rund 470 Wissenschaftler – ist es nicht nur eines<br />
der größten <strong>Institut</strong>e der <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Gesellschaft.<br />
Es ist auch in seiner interdisziplinären Ausrichtung<br />
einzigartig.<br />
Die Direktoren der einzelnen Abteilungen sind<br />
zugleich Wissenschaftliche Mitglieder der <strong>Max</strong>-<br />
<strong>Planck</strong>-Gesellschaft und entscheiden gemeinsam<br />
über die Geschicke des <strong>Institut</strong>s. Aus dem Direktorenkreis<br />
des <strong>Institut</strong>s stammen auch der amtierende<br />
Präsident der <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Gesellschaft,<br />
Peter Gruss, und Vizepräsident Herbert Jäckle.<br />
Über ganz Deutschland verteilt unterhält die<br />
»<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften<br />
e.V.« zurzeit 80 <strong>Institut</strong>e mit einem<br />
breiten Spektrum unterschiedlicher Fachgebiete<br />
von Geisteswissenschaften über Rechtswissenschaften<br />
bis hin zu Naturwissenschaften und<br />
Astronomie.<br />
Um die hohe Qualität der wissenschaftlichen<br />
Arbeiten auch langfristig zu gewährleisten, begutachtet<br />
ein Fachbeirat von internationalen Wissenschaftlern<br />
regelmäßig die geleistete Forschung am<br />
<strong>Institut</strong>. Ein Kuratorium, dem neben Wissenschaftlern<br />
auch Vertreter aus Wirtschaft und Politik<br />
angehören, unterstützt die Einbettung in das<br />
breitere gesellschaftliche Umfeld.<br />
9
10<br />
Lehren und Lernen<br />
Wissenschaft gründet sich auf Erfahrung,<br />
aber längst nicht nur. Ihre Zukunft ist der<br />
wissenschaftliche Nachwuchs, der die Forschung<br />
weiter vorwärts treibt. Viele Forscher am <strong>Max</strong>-<br />
<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong> lehren<br />
daher als Professoren an der Göttinger Universität,<br />
beteiligen sich aktiv an Sonderforschungsbereichen<br />
und Graduiertenkollegs und halten so den<br />
engen Kontakt zu den Studierenden. Viele Studierende<br />
kommen wiederum <strong>für</strong> ihre Laborarbeit<br />
während der Bachelor- und Masterarbeit oder der<br />
Promotion an das <strong>Institut</strong>.<br />
Im internationalen Wettbewerb um die besten<br />
jungen Köpfe haben die <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Gesellschaft<br />
und verschiedene Universitäten <strong>für</strong> exzellente Studierende<br />
ein besonderes Ausbildungsprogramm<br />
geschaffen: die International <strong>Max</strong> <strong>Planck</strong> Research<br />
Schools. Gemeinsam mit der Universität Göttingen<br />
und dem Deutschen Primatenzentrum haben die<br />
<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong>e <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong>,<br />
<strong>für</strong> Experimentelle Medizin sowie <strong>für</strong> Dynamik<br />
und Selbstorganisation die naturwissenschaftlichen<br />
Programme Molecular Biology, Neurosciences<br />
und Physics of Complex and Biological Systems ins<br />
Leben gerufen. Die strukturierte Ausbildung mit<br />
exzellenten Forschungs- und Lernbedingungen<br />
soll besonders begabte deutsche und ausländische<br />
Studierende auf ihre Promotion vorbereiten.<br />
Auch zum Erfolg der Göttinger Georg-August-<br />
Universität bei der nationalen Exzellenzinitiative<br />
hat das <strong>Institut</strong> mit der Göttinger Graduiertenschule<br />
<strong>für</strong> Neurowissenschaften und Molekulare Biowissenschaften<br />
(GGNB) wesentlich beigetragen. Aus<br />
Mitteln der Exzellenzinitiative gefördert, schafft<br />
die GGNB optimale Forschungs- und Ausbildungsbedingungen<br />
<strong>für</strong> Doktoranden und fördert<br />
junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler<br />
mit intensiven Betreuungs- und Kursangeboten.<br />
Programme <strong>für</strong> junge Wissenschaftlerinnen und<br />
Wissenschaftler gibt es auch im Rahmen weiterer<br />
Kooperationen des <strong>Institut</strong>s mit der Universität,<br />
den <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong>en <strong>für</strong> Dynamik und<br />
Selbstorganisation und <strong>für</strong> Experimentelle Medizin<br />
sowie dem Deutschen Primatenzentrum. Dazu<br />
zählen:
– das European Neuroscience <strong>Institut</strong>e (ENI), das<br />
sich der experimentellen Forschung über Funktionen<br />
und Krankheiten des Nervensystems<br />
widmet,<br />
– das Göttinger Zentrum <strong>für</strong> Molekularphysiologie<br />
des Gehirns (CMPB), an dem Forscher interdisziplinär<br />
im Bereich der Hirnforschung zusammenarbeiten,<br />
um molekulare Prozesse und<br />
Wechselwirkungen zwischen Nervenzellen besser<br />
zu verstehen,<br />
– das Bernstein Center for Computational Neuro -<br />
science (BCCN Göttingen), an dem die neuronalen<br />
Grundlagen unserer Gehirnleistungen<br />
mithilfe mathematischer Modelle erforscht werden,<br />
– der Göttinger Exzellenzcluster Mikroskopie im<br />
Nanometerbereich, der innovative Mikroskopie-<br />
Methoden mit einer Auflösung im Nanometerbereich<br />
entwickelt und nutzbar macht.<br />
11
12<br />
Wenn eine neue Idee zündet<br />
Ob medizinische Diagnostik, Lasertechnologie<br />
oder Mikroskopie – Erkenntnisse aus der<br />
Grundlagenforschung lösen manch praktisches<br />
Problem, das die angewandte Forschung nicht zu<br />
lösen vermochte. Solche Erkenntnisse sind daher<br />
auch in der Industrie stark nachgefragt.<br />
Viele Wissenschaftler am <strong>Institut</strong> haben vielversprechende<br />
Patente angemeldet und Firmen gegründet,<br />
etwa im Bereich der medizinischen Diagnostik<br />
und Therapie, der Mess- und Umwelttechnik<br />
oder der ultra-hochauflösenden Mikroskopie.<br />
Mit der neu entwickelten FLASH (Fast Low<br />
Angle Shot)-Methode lassen sich in der Magnet -<br />
resonanz-Tomografie Bilder 100-fach schneller<br />
aufnehmen. Diese neue Technik revolutionierte<br />
die Magnetresonanz-Tomografie und machte es<br />
erst möglich, sie in Kliniken weltweit routinemäßig<br />
einzusetzen. Das FLASH-Patent war lange Zeit eines<br />
der erfolgreichsten Patente der <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />
Gesellschaft.<br />
Die RNA-Interferenz (RNAi)-Technik konnte<br />
am <strong>Institut</strong> erstmals erfolgreich an Säugerzellen<br />
angewandt werden. Einzelne Gene können so gewissermaßen<br />
»stumm« geschaltet und so ihre<br />
Funktion gezielt untersucht werden. Diese Methode<br />
könnte es in Zukunft ermöglichen, bestimmte<br />
Erbkrankheiten zu behandeln.<br />
Das am <strong>Institut</strong> entwickelte STED (Stimulated<br />
Emission Depletion)-Mikroskop erlaubt fluoreszenzmikroskopische<br />
Aufnahmen mit einer drastisch<br />
verbesserten Auflösung gegenüber herkömmlichen<br />
Lichtmikroskopen. Damit können selbst<br />
winzige Details im Inneren lebender Zellen be -<br />
obachtet und sogar live »gefilmt« werden. Das ultra-
STED+<br />
hochauflösende Mikroskop ist seit 2007 auch kommerziell<br />
erhältlich.<br />
Die Einnahmen aus Patenten und Lizenzen werden am <strong>Institut</strong><br />
in neue Projekte investiert. Die Anwendung der Patente<br />
schafft neue Arbeitsplätze <strong>für</strong> hochqualifizierte Mitarbeiter. Daneben<br />
gibt es ein breites Spektrum weiterer Kooperationen mit Industrieunternehmen.<br />
Pharmazeutische Firmen sind hier ebenso vertreten wie Unternehmen,<br />
die industrielle Messtechnik entwickeln. An mehr als einem Dutzend<br />
Firmengründungen sind ehemalige Mitarbeiter des <strong>Institut</strong>s beteiligt.<br />
Eine dieser Ausgründungen ist die Firma DIREVO (heute Bayer HealthCare AG),<br />
in der eine automatisierte »Evolutionsmaschine« im Einsatz ist. Mit dieser Technologie<br />
lassen sich biologisch-pharmazeutische Wirkstoffe schnell auffinden und optimieren.<br />
Ein weiteres Beispiel ist die Firma Lambda-Physik (heute Coherent), die sich auf die Entwicklung<br />
von Lasern spezialisiert hat, die mit extrem kurzen Lichtpulsen arbeiten. Wie zahlreiche<br />
Patente dokumentieren, wurden die Laser kontinuierlich weiterentwickelt. Sie werden heute neben der<br />
Drucktechnik auch in Medizin und Forschung eingesetzt.<br />
Auch die Biotechnologie-Firma DeveloGen, an<br />
der die <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Gesellschaft selbst als Gesellschafterin<br />
beteiligt ist, entstammt dem <strong>Max</strong>-<br />
<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong>. Zwei<br />
Wissenschaftler des <strong>Institut</strong>s, Peter Gruss und<br />
Herbert Jäckle, haben dieses Unternehmen im<br />
Jahr 1997 gegründet. Dort werden die von ihnen<br />
entschlüsselten genetischen Kontrollprozesse bei<br />
der Entwicklung unterschiedlicher Gewebe genutzt,<br />
um Therapien zu entwickeln, mit denen sich<br />
Krankheiten wie Fettleibigkeit und Diabetes behandeln<br />
lassen.<br />
Konfokal<br />
13
14<br />
Starker Service <strong>für</strong> Spitzenforschung<br />
Was, wenn ein Baustein fehlt, sei es im kom -<br />
plizierten Versuchsaufbau oder im eigenen<br />
Wissensschatz? Werkstätten und Bibliothek sind<br />
<strong>für</strong> eine erfolgreiche Forschungsarbeit ebenso<br />
wichtig wie gut ausgestattete Labors.<br />
Um Einblicke in die »inneren Angelegenheiten«<br />
lebender Zellen zu erhalten, wird die Leistungs -<br />
fähigkeit und Auflösung von Experimenten und<br />
Messgeräten immer weiter vorangetrieben. Die<br />
Ideen der Wissenschaftler werden dabei von den<br />
Experten in der Feinmechanik- und der Elektronik-<br />
Werkstatt praktisch umgesetzt, sei es bei der Patch-<br />
Clamp-Technik, beim Einfrieren biologischer Proben<br />
oder bei der ultra-hochauflösenden Mikroskopie.<br />
Rund 50 Mitarbeiter der Werkstätten bauen<br />
komplizierte neue Geräte oder optimieren vorhandene<br />
Apparaturen <strong>für</strong> das jeweilige Experiment.<br />
In den Regalen der Otto-Hahn-Bibliothek stehen<br />
mehr als 70.000 Zeitschriftenbände neben fast<br />
40.000 Monographien; rund 600 Zeitschriften werden<br />
im Abonnement bezogen. Wer das Gesuchte<br />
dort nicht findet, kann auf eine Vielzahl elektroni-
scher Kataloge und diverse Datenbanken zurückgreifen<br />
oder die Möglichkeit zur Fernleihe aus anderen<br />
Fachbibliotheken nutzen. Dieser Service<br />
steht neben <strong>Institut</strong>sangehörigen allen Interessierten<br />
offen.<br />
Ebenso unentbehrlich sind die Mitarbeiter in<br />
den wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen<br />
zentralen Einrichtungen. Damit allen Forschern<br />
am <strong>Institut</strong> die besten Analyse- und Messmethoden<br />
zur Verfügung stehen, und um diese<br />
stets auf dem neuesten Stand zu halten, arbeiten<br />
Wissenschaftler in den abteilungsübergreifenden<br />
Einrichtungen »Elektronenmikroskopie«, »Innovative<br />
Lichtmikroskopie«, »Massenspektrometrie«<br />
und »Röntgenkristallografie« an der Weiterentwicklung<br />
komplexer Methoden auf ihrem Gebiet. <strong>Institut</strong>smitarbeiter<br />
finden hier bei der Probenvorbereitung<br />
ebenso Unterstützung wie bei der Aufnahme<br />
und Analyse ihrer Daten.<br />
Das Team des IT & Elektronikservice unterstützt<br />
die Mitarbeiter bei allen Hardware- und Software-<br />
Problemen und sorgt <strong>für</strong> die reibungslose Speicherung,<br />
Archivierung und Übertragung ihrer Daten,<br />
sowohl intern als auch mit kooperierenden For-<br />
schungseinrichtungen innerhalb und außerhalb<br />
Göttingens. Kolleginnen und Kollegen in der Repro -<br />
stelle gewährleisten die professionelle Bearbeitung<br />
von Fotos und Präsentationsmaterial sowie der internen<br />
Mitarbeiterzeitung. Das EU-Referat berät<br />
Forscher bei der Antragstellung und unterstützt sie<br />
bei den Vertragsverhandlungen mit der EU-Kommission<br />
sowie bei der gesamten Projektkoordination.<br />
Die Werkstätten, die Tischlerei, der IT & Elektronikservice,<br />
die Haustechnik und die Verwaltung<br />
des <strong>Institut</strong>s bieten zudem auch etlichen jungen<br />
Leuten eine qualifizierte Ausbildung. Vier bis sechs<br />
Auszubildende schließen jedes Jahr ihre Ausbildung<br />
ab, oft mit überdurchschnittlichem Erfolg.<br />
Nicht zuletzt können Wissenschaftlerinnen und<br />
Wissenschaftler ihre Forschung nur dann mit Engagement<br />
vorantreiben, wenn auch ihr Nachwuchs<br />
tagsüber gut versorgt ist. Das <strong>Institut</strong> bietet daher<br />
seit 2005 eine Kinderbetreuung direkt auf dem <strong>Institut</strong>sgelände<br />
an. Rund 30 Kinder im Alter von ein<br />
bis vier Jahren werden dort fachkundig umsorgt –<br />
und das <strong>für</strong> den ganzen Tag.<br />
15
16<br />
Offene Türen<br />
Am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />
<strong>Chemie</strong> stoßen Interessierte auf offene Türen.<br />
Bei Führungen durch das <strong>Institut</strong> und einzelne<br />
Abteilungen, bei Vorträgen und bei Diskussionen<br />
kann sich jeder – ob Lehrer, Schüler, Journalist<br />
oder Privatperson – über aktuelle Forschungsprojekte<br />
in formieren.<br />
Ein größeres Publikum lässt sich allerdings nur<br />
über die Medien erreichen. Deshalb gibt das <strong>Institut</strong><br />
nicht nur Pressemitteilungen zu aktuellen<br />
Themen heraus. Journalisten werden <strong>für</strong> Recherchen<br />
und Nachfragen auch gern an Fachleute am<br />
<strong>Institut</strong> weitervermittelt. Darüber hinaus hält das<br />
<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Journalisten noch ein weiteres Angebot<br />
bereit: Im Rahmen der Europäischen Initiative <strong>für</strong><br />
Wissenschaftsjournalisten (European Initia tive for<br />
Communicators of Science, EICOS) werden einmal<br />
jährlich bis zu 14 Journalisten und Redakteure<br />
an das <strong>Institut</strong> eingeladen und erleben dort die<br />
Forschung in den Laboren hautnah. Für eine Woche<br />
– manchmal auch länger – hantieren sie selbst<br />
mit Pipette und Gelkammer, spüren bestimmten<br />
Proteinmolekülen nach und unter suchen, wie diese<br />
in der Zelle ihre Aufgaben verrichten. So gewinnen<br />
sie nicht nur einen un mittelbaren Einblick in<br />
den Alltag der Forscher, auch die Wissenschaftler<br />
profitieren von den Einsichten in die Arbeitsweise<br />
der Journalisten.<br />
Lehrer und Schüler lädt das <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />
<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong> ein, die<br />
Forschung am <strong>Institut</strong> in Führungen und Vor -<br />
trägen mit anschaulichen Experimenten kennenzulernen.<br />
In ein Labor hineinschnuppern können<br />
Schülerinnen und Schüler zum Beispiel im<br />
Rahmen der Göttinger Woche: Wissenschaft und Jugend,<br />
die die Stadt Göttingen alljährlich ver -<br />
anstaltet. Viele Arbeitsgruppen am <strong>Institut</strong> bieten<br />
in dieser Woche Vorträge, Vorführungen und<br />
Besichtigungen an. So kann man etwas über die<br />
innere Uhr lernen, Proteinen gewissermaßen »bei<br />
der Arbeit« zuschauen, selbst einen Blick durch<br />
ein hochmodernes Mikroskop werfen oder einen<br />
Magnetresonanztomo grafen aus nächster Nähe<br />
kennenlernen.
Lehrerinnen und Lehrer können zudem ihr<br />
Wissen auf bestimmten Schwerpunkten vertiefen.<br />
In Kooperation mit XLAB – Göttinger Experimentallabor<br />
<strong>für</strong> Junge Leute e. V. bietet das <strong>Institut</strong><br />
Lehrerfortbildungen an. Sollten weder Lehrbuch<br />
noch Recherchen weiterhelfen – über das Online-<br />
Portal Schule fragt die Wissenschaft können sich<br />
Schüler wie Lehrer mit ihren natur wissen schaft -<br />
lichen Fragen direkt an Wissenschaftler des <strong>Institut</strong>s<br />
und XLAB wenden.<br />
Und schließlich soll nicht vergessen werden: Am<br />
<strong>Institut</strong> wird Wissenschaft betrieben, aber nicht<br />
nur. Im Foyer sind regelmäßig Kunstausstellungen<br />
zu sehen. Im Rahmen einer Wissenschaftsreihe ist<br />
das <strong>Institut</strong> zum wiederholten Mal auch am<br />
Göttinger Literaturherbst beteiligt.<br />
17
Professor Dr. Otto-D. Creutzfeldt †<br />
1971 – 1992 · Neurobiologie (links)<br />
Professor Dr. Leo C. M. De Maeyer<br />
1971 – 1996 · Experimentelle Methoden<br />
(Mitte)<br />
Professor Dr. Manfred Eigen<br />
1971 – 1995 · Biochemische Kinetik<br />
(rechts)<br />
18<br />
Professor Dr. Bert Sakmann<br />
1985 – 1988 · Zellphysiologie (links)<br />
Professor Dr. Fritz Peter Schäfer<br />
1971 – 1994 · Laserphysik (Mitte)<br />
Professor Dr. Hans Strehlow<br />
1971 – 1984 · Elektrochemie und<br />
Reaktionskinetik (rechts)<br />
Emeritierte Wissenschaftliche Mitglieder<br />
Professor Dr. Dieter Gallwitz<br />
1985 – 2004 · Molekulare Genetik (links)<br />
Professor Dr. Manfred Kahlweit<br />
1971 – 1996 · Kinetik der<br />
Phasenbildung (Mitte)<br />
Professor Dr. Hans Kuhn<br />
1971 – 1984 · Molekularer Systemaufbau<br />
(rechts)<br />
Professor Dr. Klaus Weber<br />
1973 – 2004 · Biochemie und<br />
Zellbiologie (links)<br />
Professor Dr. Albert Weller †<br />
1971 – 1990 · Spektroskopie (Mitte)<br />
Professor Dr. Victor P. Whittaker<br />
1973 – 1987 · Neurochemie (rechts)
Forschung im Fokus<br />
19
Tiefer blicken<br />
20
Wie die Welt des Verborgenen<br />
sichtbar wird<br />
Dass die Erbsubstanz DNA als Doppelhelix daherkommt –<br />
ohne Röntgenstrukturanalyse hätten Francis Crick und<br />
James Watson das nicht herausfinden können. Und wie<br />
hätte Robert Koch, ebenfalls Nobelpreisträger, ohne ein<br />
gutes Mikroskop den Milzbrand-Erreger aufspüren sollen?<br />
Wissenschaftliche Spitzenleistungen erfordern entsprechendes<br />
Handwerkzeug. Kein Wunder, dass viele<br />
Wissenschaftler des <strong>Institut</strong>s an methodischen Inno -<br />
vationen arbeiten. So sind zum Beispiel neue spektroskopische<br />
und mikroskopische Verfahren gefragt, um<br />
auf der Ebene einzelner Moleküle strukturelle Details<br />
zu erfassen und die Dynamik molekularer Prozesse zu<br />
erkunden.<br />
21
22<br />
NanoBiophotonik<br />
Unsichtbares sichtbar zu machen, dieses Ziel<br />
ver folgen wir mit unseren überauflösenden<br />
Licht mikroskopen. Konventionelle Mikroskope<br />
stoßen an ihre Grenzen, wenn zwei gleichartige<br />
Objekte dichter als 200 Nanometer (millionstel<br />
Teile eines Milli meters) nebeneinander liegen: Die<br />
Beugung der Lichtstrahlen lässt sie optisch zu einem<br />
einzigen Objekt verschwimmen. Daran können<br />
auch die besten Linsensysteme nichts ändern.<br />
Wer in molekulare Dimensionen vordringen will,<br />
kann auf ein Elektronenmikroskop zurückgreifen.<br />
Was sich im Inneren einer lebenden Zelle abspielt,<br />
lässt sich jedoch nur mit Lichtmikroskopen beobachten.<br />
Clever beleuchtet<br />
Um dem Phänomen der Lichtbeugung ein Schnipp -<br />
chen zu schlagen, sorgen wir da<strong>für</strong>, dass benachbarte<br />
Moleküle – die im klassischen Bild verschwimmen<br />
würden – ihre Fluoreszenz zeitlich<br />
nacheinander abgeben. Dabei nutzen wir verschiedene<br />
molekulare Prozesse, um die Fluoreszenz<br />
eines Moleküls ein- und auszuschalten.<br />
Mit einem »Trick« haben wir die erste Licht -<br />
mikroskopie-Methode entwickelt, die nicht mehr<br />
durch die Beugung begrenzt ist: die Stimulated<br />
Emission Depletion (STED)-Mikro skopie. Hierbei<br />
wird dem Anregungsstrahl ein zweiter Licht strahl –<br />
der STED-Strahl – hinterher gesandt, der in der<br />
Mitte einen dunklen Punkt aufweist. Durch den<br />
STED-Strahl werden Moleküle am Rand des<br />
Licht flecks ausgeschaltet, Moleküle im Zentrum<br />
können dagegen ungestört fluoreszieren. Mit einer<br />
bis zu zehnfach verbesserten Auflösung gegenüber<br />
herkömmlichen Mikroskopen lassen sich flu o res -<br />
zenz- mar kierte Proteinkom plexe mit einem Abstand<br />
von nur 15 bis 50 Nanometern getrennt<br />
vonein ander beobachten.<br />
Wird die Helligkeit des STED-Strahls weiter erhöht,<br />
kann die Zahl der zur Fluoreszenz fähigen<br />
Moleküle ver kleinert und so die Ausdehnung des<br />
Spots, in dem Moleküle fluoreszieren können, beliebig<br />
verringert werden. Kombiniert mit dynamischen<br />
Methoden wie der Fluoreszenz-Korrelations-Spektroskopie<br />
und Techniken der schnel len<br />
Lichtstrahl-Rasterung, lassen sich mit der STED-<br />
Zwei-Farben-STED-Aufnahme eines Glioblastoms, des häufigsten bösartigen Hirntumors bei Erwachsenen. Das Protein Clathrin ist<br />
grün, das Protein β-Tubulin rot angefärbt. Im Gegensatz zum verschwommenen klassischen Bild (links) zeigt das STED-Bild (rechts)<br />
erheblich feinere Strukturen. (Bildaufnahme und Probe: J. Bückers, D. Wildanger, L. Kastrup, R. Medda)
Mikroskopie sogar Lebensvorgänge im<br />
Inneren einer Zelle in hochaufgelösten<br />
Videos »live« ver folgen.<br />
Fluoreszenz mit Schalter<br />
Das Schalten der Fluoreszenz kann aber<br />
auch anders erfolgen: Bei einer wei -<br />
teren hochauflösenden Mikroskopie-<br />
Methode – der GSDIM-Fluoreszenz-<br />
Mikroskopie – ist stets exakt ein Mo -<br />
lekül im Beugungsbereich eingeschaltet,<br />
allerdings an einer unbekannten,<br />
zu fälligen Position. Die Nachbar mo -<br />
lekü le liegen dann zwar innerhalb des<br />
Beugungsflecks, sind aber inaktiv und<br />
stören daher nicht die Aufnahme des<br />
einzelnen aktiven Moleküls. Aus des -<br />
sen Fluoreszenz kann die Position des<br />
Moleküls mit einer Genauigkeit berechnet<br />
werden, die weit jenseits der Auf -<br />
lö sungsgrenze liegt. Dieses Verfahren<br />
wird so lange wiederholt, bis jedes Mo -<br />
lekül erfasst ist.<br />
Ein weiterer Schwerpunkt unserer<br />
Forschung ist die Entwicklung innovativer<br />
optischer Anordnungen. Im 4Pi-<br />
Mikroskop werden zwei Objektive auf<br />
einen Punkt gerichtet, so dass sich das<br />
Licht im Fokus überlagert. Dadurch gelingt<br />
eine Verkleinerung des Lichtfokus<br />
um das Drei- bis Siebenfache entlang<br />
der Längsachse des Mikroskops.<br />
Raffiniert kombiniert<br />
Kombiniert man die 4Pi- mit der STED-<br />
Mikroskopie, so lassen sich damit Objekte<br />
in allen Raumrichtungen ausein -<br />
anderhalten, die kaum 30 Nanometer<br />
voneinander entfernt sind – bis vor<br />
wenigen Jahren noch unvorstellbar.<br />
Prinzipiell geht es sogar noch schärfer:<br />
bis in den Größenbereich des Moleküls<br />
selbst. Solche »scharfsichtigen« Mikroskope<br />
versprechen völlig neue Einsichten<br />
in die »inneren Angelegenheiten«<br />
lebender Zellen.<br />
Prof. Dr. Stefan W. Hell<br />
promovierte 1990 an der Univer -<br />
sität Heidelberg in Physik und<br />
arbeitete von 1991 bis 1993 am<br />
Europä ischen Laboratorium <strong>für</strong><br />
Molekular biologe in Heidelberg.<br />
Von 1993 bis 1996 forschte er an<br />
den Universitäten Turku (Finnland)<br />
und Oxford (Großbritannien).<br />
Im Jahr 1997 wechselte er als<br />
Leiter der <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Nachwuchsgruppe<br />
»Hochauflösende<br />
optische Mikroskopie« an das<br />
<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />
<strong>Chemie</strong>, wo er seit 2002<br />
die Abteilung »NanoBiophotonik«<br />
leitet. Stefan Hell erhielt <strong>für</strong> seine<br />
Forschung zahlreiche Auszeichnungen,<br />
darunter den Preis der<br />
International Commission for<br />
Optics (2000), den Helmholtz-<br />
Preis (2001), den zehnten Deutschen<br />
Zukunftspreis des Bundespräsidenten<br />
(2006) und den Julius-<br />
Springer-Preis (2007). Im Jahr<br />
2008 wurde ihm der Leibniz-Preis<br />
sowie der Niedersächsische<br />
Staatspreis überreicht. 2009 erhielt<br />
er den Otto-Hahn-Preis <strong>für</strong><br />
Physik.<br />
Kontakt:<br />
hell@4pi.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/groups/hell<br />
Die STED-Mikroskopie (innen) liefert hier zirka<br />
zehnmal schärfere Details von Filamentstrukturen<br />
einer Nervenzelle als ein herkömmliches Mikroskop<br />
(außen). (Aufnahme: G. Donnert, S. W. Hell)<br />
S. W. Hell: Far-field optical nanoscopy.<br />
Science 316, 1153-1158 (2007).<br />
S. W. Hell: Nanoskopie mit fokussiertem<br />
Licht. Physik Journal 6, 47-53 (2007).<br />
23
PD Dr. Stefan Jakobs studierte<br />
Bio logie in Kaiserslautern und<br />
Manchester (Großbritannien)<br />
und promovierte 1999 am <strong>Max</strong>-<br />
<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Züchtungsforschung<br />
in Köln. Anschließend<br />
arbeitete er zunächst als Postdoktorand<br />
in Köln und in der Abteilung<br />
»NanoBiophotonik« am<br />
<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> biophy -<br />
sikalische <strong>Chemie</strong>. Seit 2005 leitet<br />
er die Forschungsgruppe »Struktur<br />
und Dynamik von Mitochondrien«.<br />
Stefan Jakobs habilitierte<br />
sich 2007 an der Universität<br />
Göttingen.<br />
Kontakt:<br />
sjakobs@gwdg.de<br />
www.mitoweb.de<br />
Säugetierzellen, in denen die Mitochondrien<br />
grün, das Zellskelett aus Mikrotubuli rot<br />
und der Zellkern blau markiert sind.<br />
I. E. Suppanz, C. A. Wurm, D. Wenzel,<br />
S. Jakobs: The m-AAA protease processes<br />
cytochrome c peroxidase preferentially<br />
at the inner boundary membrane of<br />
mitochondria. Mol. Biol. Cell 20, 572-<br />
580 (2009).<br />
R. Schmidt, C. A. Wurm, A. Punge, A.<br />
Egner, S. Jakobs, S. W. Hell: Mitochondrial<br />
cristae revealed with focused light.<br />
Nano Lett. 9, 2508-2510 (2009).<br />
M. Andresen, A. C. Stiel, J. Fölling, D.<br />
Wenzel, A. Schönle, A. Egner, C. Eggeling,<br />
S. W. Hell, S. Jakobs: Photoswitchable<br />
fluorescent proteins enable monochromatic<br />
multilabel imaging and<br />
dual color fluorescence nanoscopy. Nature<br />
Biotechnol. 26, 1035-1040 (2008).<br />
M. Andresen, A. C. Stiel, S. Trowitzsch,<br />
G. Weber, C. Eggeling, M. C. Wahl, S.<br />
W. Hell, S. Jakobs: Structural basis for<br />
reversible photoswitching in Dronpa.<br />
Proc. Natl. Acad. Sci. USA 104, 13005-<br />
13009 (2007).<br />
24<br />
Struktur und Dynamik<br />
von Mitochondrien<br />
Mitochondrien sind die »Kraftwerke«<br />
der Zelle. Sie liefern ihr die nötige<br />
chemische Energie, die den zellulären<br />
Stoffwechsel in Gang hält. Entsprechend<br />
fatal sind die Folgen, wenn diese nicht<br />
richtig funktionieren: Defekte Mitochondrien<br />
können zu Erkrankungen wie Krebs,<br />
Parkinson oder Alzheimer führen.<br />
Doch wie sind Mitochondrien im Detail<br />
aufgebaut, und welche molekularen Mecha -<br />
nismen stecken hinter dieser Architektur?<br />
Mitochondrien sind so nanoskopisch klein,<br />
dass sich ihre innere Struktur bisher nur mit<br />
Elektronenmikroskopen untersuchen ließ.<br />
Dazu müssen Zellen allerdings zunächst<br />
fixiert und dann in hauch dünne Scheiben<br />
geschnitten werden. Entsprechend wenig<br />
weiß man darüber, was sich in den Mitochondrien<br />
lebender Zellen abspielt.<br />
10 µm<br />
Mit Lichtmikroskopen lassen sich dagegen<br />
auch völlig intakte Zellen untersuchen.<br />
Selbst bei den besten konventionellen Modellen<br />
reicht die räumliche Auflösung allerdings<br />
bei weitem nicht aus, um das Innere<br />
der »Kraftwerke« genauer unter die<br />
Lupe zu nehmen. Deshalb nutzen wir neue<br />
lichtmikroskopische Verfahren wie die Stimulated<br />
Emission Depletion (STED)-<br />
Mikroskopie, mit der sich die Bildschärfe<br />
um ein Vielfaches steigern lässt.<br />
Konfokal STED<br />
1µm<br />
Verschiedene Proteinkomplexe – hier der »TOM-<br />
Komplex« – reichern sich in bestimmten Bereichen<br />
der äußeren Mitochondrien-Membran an.<br />
Links: Aufnahme mit konventioneller Laser-Raster-<br />
Fluoreszenz-Mikroskopie, rechts: Aufnahme mit<br />
STED-Mikroskopie.<br />
Blick ins Innere der Zellkraftwerke<br />
Ausgewählte Proteine werden dabei mit<br />
Farbstoffen oder fluoreszierenden Prote -<br />
inen markiert, um sie anschließend in den<br />
Mitochondrien lokalisieren zu können. So<br />
haben wir beispielsweise entdeckt, dass<br />
sich einige Proteinkomplexe in einem bestimmten<br />
Teil der inneren Mitochondrien-<br />
Membran konzentrieren. Derzeit erforschen<br />
wir die funktionelle Bedeutung dieser<br />
speziellen Verteilung.<br />
In einem zweiten Forschungsschwerpunkt<br />
geht es darum, unsere molekularen<br />
Werkzeuge zu verbessern. Wir untersuchen<br />
und entwickeln fluoreszierende Proteine,<br />
die sich mit Lichtblitzen wiederholt gezielt<br />
ein- und ausschalten lassen. Dank ihrer<br />
besonderen Fähigkeiten eröffnen solche<br />
photochromen Proteine ganz neue Möglichkeiten,<br />
das Innenleben von Zellen und<br />
Mitochondrien zu erkunden.
Biomolekulare Spektroskopie<br />
und Einzelmoleküldetektion<br />
Um den Nanokosmos der Zelle zu er -<br />
forschen, entwickeln Wissenschaftler<br />
immer ausgetüfteltere Werkzeuge und<br />
Techniken. Unsere Forschungsgruppe ist<br />
darauf spezialisiert – meist in enger Zu -<br />
sammen arbeit mit biologisch orientierten<br />
Gruppen des <strong>Institut</strong>s – Biomoleküle mittels<br />
spektro skopischer und mikroskopischer<br />
Verfahren zu untersuchen und diese<br />
Techniken weiter zu verbessern.<br />
Wir erforschen beispielsweise, wie Nervenzellen<br />
innerhalb von Sekundenbruchteilen<br />
chemische Botenstoffe freisetzen,<br />
um Signale an an dere Nervenzellen weiterzuleiten.<br />
In »Botenstoffpaketen« – den Vesikeln<br />
– verpackt, liegen diese Botenstoffe<br />
im Inneren der Nervenzellen bereit. Wenn<br />
ein elektrischer Nervenreiz anzeigt, dass eine<br />
Botschaft übermittelt werden soll, verschmelzen<br />
einige synap tische Vesikel mit<br />
der Zellmem bran und entleeren ihren Inhalt<br />
nach außen, so dass eine benachbarte Nervenzelle<br />
den Reiz sofort erkennen kann.<br />
Diese Vesikel sind nur 30 bis 60 Nanometer<br />
(millionstel Millimeter) groß. Trotzdem<br />
gelingt es uns, im Reagenzglas sogar einzelne<br />
von ihnen exakt in dem Moment zu studieren,<br />
wenn sie mit künstlichen Zellmembranen<br />
fusionieren. Dies erreichen wir<br />
dank hoch emp find licher Mikroskopie-<br />
Techniken, die sogar einzelne an die Membranen<br />
geheftete Fluoreszenz-Farbstoffe<br />
erkennen können.<br />
Ultrakurze Laserblitze erhellen<br />
Photo synthese<br />
In einem weiteren Schwerpunkt unter -<br />
suchen wir, wie bei der Photosynthese die<br />
� In der Arbeitsgruppe »Biomolekulare<br />
Spektroskopie und Einzelmoleküldetektion«<br />
werden konfokale Mikroskopie-Methoden<br />
angewendet und entwickelt, mit denen<br />
sich Biomoleküle einzeln untersuchen<br />
lassen.<br />
Ein genau abgestimmtes Wechselspiel der<br />
Energieflüsse zwischen Chlorophyll- und<br />
Carotinoid-Molekülen erlaubt es dem Photosynthese-Apparat,<br />
fast jedes Lichtquantum<br />
<strong>für</strong> Elektronentransfers zu verwenden und<br />
deren Energie <strong>für</strong> die Erzeugung bio -<br />
chemisch gespeicherter Energie zu nutzen.<br />
Sonnenenergie eingefangen und in che -<br />
mische Energie umgewandelt wird. Diese<br />
Umwandlung läuft teilweise so schnell ab,<br />
dass selbst modernste Oszilloskope diese<br />
Zeitskala nicht auflösen können. Wir ar -<br />
beiten daher mit ultrakurzen Laserblitzen,<br />
die im Bereich von Femtosekunden (10 –15<br />
Sekunden) liegen, also dem milliardsten<br />
Teil einer millionstel Sekunde. Dies sind<br />
Zeitskalen, in denen selbst Licht nur Dis -<br />
tanzen zurücklegt, die kürzer sind als der<br />
Durchmesser eines menschlichen Haares.<br />
Langfristig möchten wir künstliche Photosynthesesysteme<br />
entwickeln, die solare<br />
Energie in chemisch gespeicherte Energie<br />
umwandeln und so <strong>für</strong> den Menschen<br />
nutz bar machen können.<br />
Prof. Dr. Peter Jomo Walla<br />
studierte in Heidelberg und Göttingen<br />
<strong>Chemie</strong> und wechselte <strong>für</strong><br />
die Promotion an das <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />
<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong>.<br />
Nach Forschungsaufenthalten<br />
am CNRS (Bordeaux, Frankreich)<br />
und an der University of<br />
California (Berkeley, USA) arbeitete<br />
er als Abteilungsleiter der<br />
DIREVO Biotech AG. Im Jahr 2003<br />
etablierte er mit einem Emmy-<br />
Noether-Stipendium eine Nachwuchsgruppe<br />
am <strong>Institut</strong>. 2007<br />
wurde er als Professor an die TU<br />
Braunschweig berufen und leitet<br />
am <strong>Institut</strong> weiterhin die Forschungsgruppe<br />
«Biomolekulare<br />
Spektroskopie und Einzelmoleküldetektion».<br />
Peter Jomo Walla erhielt<br />
einen Forschungspreis des<br />
Fonds der Chemischen Industrie<br />
<strong>für</strong> ausgewählte Juniorprofessoren<br />
in der <strong>Chemie</strong> (2003) und den<br />
Young-Investigators Award der<br />
Gordon Conference on Photo -<br />
synthesis (2000).<br />
Kontakt:<br />
pwalla@gwdg.de<br />
www.pci.tu-bs.de/agwalla/<br />
Peter_Walla_Main_d.htm<br />
A. Cypionka, A. Stein, J. M. Hernandez,<br />
H. Hippchen, R. Jahn, P. J. Walla: Dis -<br />
crimination between docking and fusion<br />
of liposomes reconstituted with neuronal<br />
SNARE-proteins using FCS. Proc.<br />
Natl. Acad. Sci. USA | doi:10.1073/<br />
pnas.0906677106 (2009).<br />
P. J. Walla: Modern biophysical<br />
chemistry. Wiley-VCH Weinhein,<br />
Februar 2009.<br />
S. Bode, C. C. Quentmeier, P-N. Liao,<br />
N. Hafi, T. Barros, L. Wilk, F. Bittner, P.<br />
J. Walla: On the regulation of photosynthesis<br />
by excitonic interactions between<br />
carotenoids and chlorophylls. Proc. Natl.<br />
Acad. Sci. 106, 12311-12316 (2009).<br />
P. J. Walla, P. A. Linden, C.–P. Hsu, G.<br />
D. Scholes, G. R. Fleming: Femtosecond<br />
dynamics of the forbidden carotenoid<br />
S1 state in light-harvesting complexes<br />
of purple bacteria observed after twophoton<br />
excitation. Proc. Natl. Acad.<br />
Sci. 97, 10808-10813 (2000).<br />
25
Dr. Thomas M. Jovin promovierte<br />
1964 an der Johns Hopkins University<br />
(USA). Seit 1969 ist er<br />
Wissenschaftliches Mitglied der<br />
<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Gesellschaft und<br />
forschte als Direktor und Leiter<br />
der Abteilung »Molekulare Biologie«<br />
am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />
<strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong>. Nach<br />
seiner Emeritierung 2007 führt er<br />
seine Forschung als Leiter der<br />
Emeritusgruppe «Labor <strong>für</strong> Zelluläre<br />
Dynamik» und des «Laboratorio<br />
<strong>Max</strong> <strong>Planck</strong> de Dinámica<br />
Celular», Universität von Buenos<br />
Aires (Argentinien), fort. Thomas<br />
Jovin erhielt die Ehrendoktorwürde<br />
der Limburg-Universität (Belgien)<br />
und der University Medical School,<br />
Debrecen (Ungarn). Er ist Honorar -<br />
professor der Facultad de Ciencias<br />
Exactas y Naturales der Univer -<br />
sität von Buenos Aires, EMBO-<br />
Mitglied und Ehrenmitglied der<br />
biolo gischen Sektion der Ungarischen<br />
Aka demie der Wissenschaft.<br />
Kontakt:<br />
tjovin@gwdg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/groups/jovin/<br />
M. Gralle Botelho, X. Wang, D. J. Arndt-<br />
Jovin, D. Becker, T. M. Jovin: Induction<br />
of terminal differentiation in melanoma<br />
cells on downregulation of �-amyloid<br />
precursor protein. J. Invest. Dermatol. |<br />
doi:10.1038/jid.2009.296 (2009).<br />
M. S. Celej, W.Caarls, A. P. Demchenko,<br />
T. M. Jovin: A triple emission fluorescent<br />
probe reveals distinctive amyloid fibrillar<br />
polymorphism of wild-type �-synuclein<br />
and its familial Parkinson’s disease<br />
mutants. Biochemistry 48, 7465-7472<br />
(2009).<br />
E. A. Jares-Erijman, T. M. Jovin: Reflec -<br />
tions on FRET imaging: formalism,<br />
probes, and implementation. In: »FRET<br />
and FLIM Imaging Techniques«. T. Gadella,<br />
Jr. ed. S. 475-517. Elsevier (2009).<br />
M. J. Roberti, M. Morgan, G. Menéndez,<br />
L. Pietrasanta, T. M. Jovin, E. A. Jares-<br />
Erijman: Quantum dots as ultrasensitive<br />
nanoactuators and sensors of amyloid<br />
aggregation in live cells. J. Am. Chem.<br />
Soc. 131, 8102-8107 (2009).<br />
26<br />
Labor <strong>für</strong> Zelluläre Dynamik<br />
Zwei Forschungsbereiche stehen im<br />
Mittelpunkt unserer Arbeit. Zum einen<br />
beschäftigen wir uns damit, wie normale<br />
Zellen, aber auch Tumorzellen, von Wachs -<br />
tums faktoren und anderen äußeren Faktoren<br />
aktiviert werden. Zum anderen er kun den<br />
wir, welche molekularen Mechanismen der<br />
Parkinson-Krankheit zugrunde liegen.<br />
Dass sich in den Nervenzellen des Gehirns<br />
von Parkinson-Patienten Fibrillen des<br />
Proteins α-Synuclein bilden, ist bereits bekannt.<br />
Doch was macht diese sogenannten<br />
Amyloid-Aggregate so zerstörerisch, und<br />
wie lässt sich den fatalen Verklumpungen<br />
vorbeugen? Um Antworten auf diese Fragen<br />
zu erhalten, kombinieren wir mole -<br />
kular- und zell bio lo gische Techniken mit<br />
<strong>biophysikalische</strong>n Methoden.<br />
Moleküle in lebenden<br />
Zellen aufspüren<br />
Für unsere Studien entwickeln und be -<br />
nutzen wir neuartige fluoreszierende Halbleiter-Nanokristalle<br />
(Quantum Dots), edel -<br />
metallische Nanopartikel (Nanodots) und<br />
organische Verbindungen, die wir an bio -<br />
logische Moleküle anheften.<br />
Mithilfe eines neu -<br />
artigen Hochgeschwindigkeitsfluoreszenz-Mikroskops<br />
(Programmable Array<br />
Microscope, PAM) aus<br />
eigener Werkstatt lassen<br />
sich solcherart markierte<br />
Moleküle an lebenden Zellen<br />
mit einer hohen räumlichen,<br />
zeitlichen und spektralen<br />
Auflösung unter -<br />
suchen.<br />
Donna Arndt-Jovin leitet<br />
zellbiologisch orientierte<br />
Forschungsprojekte. Sie er -<br />
forscht Wachstumsfaktor -<br />
Rezeptoren in Zellen und<br />
menschlichen Tumoren sowie<br />
die Architektur des<br />
Zellkerns. Dazu entwickelt<br />
sie neue molekulare Sonden<br />
und Mikroskopie-<br />
Methoden, die sie <strong>für</strong> Untersuchungen<br />
an lebenden<br />
Zellen einsetzt.<br />
Menschliche Tumor-Epithelzellen: Der mit Quantum Dots markierte Epidermale Wachstumsfakor (EGF,<br />
rot) bindet an seinen Rezeptor, der seinerseits mit einem grün fluoreszierenden Protein gekoppelt ist.<br />
Das Bild wurde mit einem am <strong>Institut</strong> entwickelten neuartigen Hochgeschwindigkeitsfluoreszenz-<br />
Mikroskop (Programmable Array Microscope) aufgenommen. (G. M. Hagen, K. A Lidke, B. Rieger,<br />
W. Caarls, D. J. Arndt- Jovin, T. M. Jovin: Dynamics of membrane receptors: single molecule tracking of<br />
quantum dot liganded epidermal growth factor. In: Yanagida, T, Ishii, Y, Eds. Single Molecule Dynamics<br />
in Life Sciences. Orlando: Wiley. pp. 117-130 (2008)).
Biochemische Kinetik<br />
Die faszinierende Vielfalt des Lebens<br />
ist naturgegebener Unschärfe der Reproduktion<br />
zu verdanken. Die Erbsubstanz<br />
Desoxyribonukleinsäure (DNA) selbst ist<br />
ein außergewöhnlich stabiles Makromolekül,<br />
doch beim Kopieren und Vervielfältigen<br />
treten bisweilen Fehler auf. Da nicht<br />
alle diese Defekte repariert werden, entstehen<br />
immer wieder neue Varianten als<br />
Grundlage <strong>für</strong> die Evolution der Organismen.<br />
Alle Arten von Lebewesen sind diesem<br />
ständigen Wandel unterworfen.<br />
Evolution lässt sich beobachten, aber<br />
auch unter kontrollierten Bedingungen<br />
nach Wunsch inszenieren: Bei solchen<br />
Experimenten dürfen sich Bakterien, Vi -<br />
ren oder einzelne Nuklein säure-Moleküle<br />
fleißig vermehren, während sie immer wieder<br />
nach bestimmten Kriterien aussortiert<br />
werden. Da<strong>für</strong> sind Apparaturen entwickelt<br />
worden, die viele tausend Proben gleich-<br />
zeitig bearbeiten können. So lassen sich<br />
grundlegende Mechanismen der Evolution<br />
studieren, zum Beispiel auch die Tricks,<br />
mit denen das AIDS-Virus und andere tückische<br />
Krankheitserreger das Immunsystem<br />
überlisten. Darüber hi n aus können derartige<br />
»Evolutionsmaschinen« dabei helfen,<br />
neuartige molekulare Wirkstoffe <strong>für</strong><br />
Medikamente zu entwickeln.<br />
Die unterschiedlichen Fragestellungen<br />
haben eines gemeinsam: Stets müssen win -<br />
zig kleine Stoffmengen analysiert werden.<br />
Die »Stecknadel im Heuhaufen« zu finden<br />
ist hier das Problem. Das gilt auch <strong>für</strong><br />
diagnostische Verfahren, etwa bei der möglichst<br />
frühzeitigen Erkennung von BSE.<br />
Mit speziellen spektroskopischen Techniken<br />
kann man einzelne Moleküle nachweisen.<br />
Und nicht nur das: Im Prinzip lässt sich auf<br />
diese Weise sogar der Aufbau einzelner<br />
Nukleinsäure-Moleküle entschlüsseln.<br />
Die Bilder zeigen die automatisierte »Evolutions -<br />
maschine« der DIREVO Biosystems AG/Köln (heute:<br />
Bayer HealthCare AG) in der Vorderansicht (oben)<br />
und der Rückansicht (links). Die DIREVO Bio systems<br />
AG ist eine Ausgründung der Abteilung »Biochemische<br />
Kinetik« am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> biophysi -<br />
kalische <strong>Chemie</strong>.<br />
Prof. Dr. Manfred Eigen promovierte<br />
1951 an der Universität<br />
Göttingen in Physik und arbeitete<br />
dort anschließend am <strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />
physikalische <strong>Chemie</strong>. Seit 1953<br />
am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> physi -<br />
kalische <strong>Chemie</strong> tätig, übernahm<br />
er 1964 die Leitung der Abteilung<br />
»Chemische Kinetik«. Aus diesem<br />
<strong>Institut</strong> ging auf Initiative von<br />
Manfred Eigen 1971 das heutige<br />
<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> bio -<br />
physikalische <strong>Chemie</strong> hervor.<br />
Dort ist Manfred Eigen auch nach<br />
seiner Emeritierung 1995 weiterhin<br />
wissenschaftlich aktiv. Für<br />
seine Forschung über »schnelle<br />
chemische Reaktionen« erhielt er<br />
1967 den Nobelpreis <strong>für</strong> <strong>Chemie</strong>.<br />
Kontakt:<br />
www.mpibpc.mpg.de/<br />
groups/eigen<br />
A. Koltermann, U. Kettling, J. Bieschke,<br />
T. Winkler, M. Eigen: Rapid assay processing<br />
by integration of dual-color<br />
fluorescence crosscorrelation spectroscopy:<br />
High throughput screening for<br />
enzyme activity. Proc. Natl. Acad. Sci.<br />
USA 95, 1421-1426 (1998).<br />
M. Eigen, B. Lindemann, M. Tietze, R.<br />
Winkler-Oswatitsch, A. Dress, A. von<br />
Hae seler: How old is the genetic code?<br />
Statistical geometry of tRNA provides<br />
an answer. Science 244, 673-679<br />
(1989).<br />
M. Eigen: Stufen zum Leben. Die frühe<br />
Evolution im Visier der Moleku lar bio lo -<br />
gie. R. Piper-Verlag, München (1987).<br />
M. Eigen: Selforganization of matter<br />
and evolution of biological macromolecules.<br />
Naturwissenschaften 58, 465-523<br />
(1971).<br />
M. Eigen: Proton transfer acid-base catalysis,<br />
and enzymatic hydrolysis. I. Elementary<br />
processes. Angewandte <strong>Chemie</strong><br />
Int. Ed. 3, 1-19 (1964).<br />
27
Dr. Marina Bennati promovierte<br />
1995 an der Universität Stuttgart<br />
in Experimen teller Physik. Anschließend<br />
arbeitete sie am<br />
Massachusetts <strong>Institut</strong>e of<br />
Techno logy und Harvard Center<br />
for Magnetic Resonance (Cambridge,<br />
USA). Im Jahr 2001 wechselte<br />
sie an die Universität in<br />
Frankfurt am Main, wo sie sich<br />
2006 habi li tier te. Seit 2007 leitet<br />
sie die selbstständige Forschungs -<br />
gruppe »Elektronenspinresonanz -<br />
Spektroskopie« am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />
<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> biophysika lische <strong>Chemie</strong>.<br />
Für ihre Forschung erhielt<br />
Marina Bennati 2002 den Young<br />
Inves tigator Award der International<br />
EPR Society.<br />
Kontakt:<br />
bennati@mpibpc.mpg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/<br />
research/ags/bennati<br />
V. Denysenkov, D. Biglino, W. Lubitz,<br />
T. Prisner, M. Bennati: Structure of the<br />
tyrosyl biradical of mouse R2 ribonucleotide<br />
reductase from high-field PEL-<br />
DOR. Angew. Chem. Int. Ed. 47, 1224-<br />
1227 (2008).<br />
M. R. Seyedsayamdost, C. T. Y. Chan, V.<br />
Mugnaini, J. Stubbe, M. Bennati: PEL-<br />
DOR spectroscopy with DOPA-β2 and<br />
NH2Y-α2s: Distance measurements<br />
between residues involved in the radical<br />
propagation pathway of E. coli<br />
ribonucleotide reductase. J. Am. Chem.<br />
Soc. 129, 15748-15749 (2007).<br />
V. Denysenkov, T. Prisner, J. Stubbe, M.<br />
Bennati: High-field pulsed electronelectron<br />
double resonance spectroscopy<br />
to determine the orientation of the tyrosyl<br />
radicals in ribonucleotide reductase.<br />
Proc. Nat. Acad. Sci. 103, 13386-13390<br />
(2006).<br />
28<br />
Elektronenspinresonanz-<br />
Spektroskopie<br />
Ob simples Wasser oder komplizierte<br />
Proteine, in Molekülen treten Elek -<br />
tronen meist paarweise auf. Durch ihren<br />
Spin – eine Form des Drehimpulses – erzeu -<br />
gen sie ein mikroskopisches Magnetfeld. Da<br />
sie in entgegengesetzte Richtungen rotieren,<br />
heben sich ihre magnetischen Wirkungen je -<br />
doch gegenseitig auf. Uns interessieren des -<br />
halb nur ungepaarte Elektronen, die uns<br />
als hochempfindliche Sonden dienen. Diese<br />
»paramagnetischen Zentren« können uns<br />
Informationen darüber liefern, wie komplexe<br />
Biomoleküle ihre Struktur verändern, während<br />
sie ihre speziellen Aufgaben erfüllen.<br />
Mit Methoden der Elektronenspinresonanz<br />
(EPR)-Spektroskopie können wir Biomoleküle<br />
unter beinahe natürlichen Bedingungen<br />
beobachten und etwas darüber lernen,<br />
wie sie in der lebenden Zelle agieren.<br />
Das Innere von Proteinen vermessen<br />
Wir entwickeln Techniken, mit denen wir<br />
ein paramagnetisches Zentrum oder mehrere<br />
paramagnetische Zentren gleichzeitig mit<br />
Mikro wellen oder Radiofrequenzstrahlung<br />
anregen, um ihre magnetischen Wechsel -<br />
A<br />
B<br />
wirkun gen zu manipulieren. So kön nen wir<br />
nicht nur die Abstände zwischen den aktiven<br />
Zentren eines Proteins bis in den Nanometerbereich<br />
messen, sondern auch etwas<br />
über deren Ausrichtung innerhalb des<br />
Moleküls lernen. Wir verwenden darüber<br />
hinaus Detektionsfrequenzen im Milli -<br />
meter-Bereich, die nicht nur polarisierende<br />
supraleitende Magnete erfordern, sondern<br />
noch eine deutlich komplexere Mikrowellen -<br />
technik. Daher gehen in unserer Arbeitsgruppe<br />
die bio physikalischen Untersuchungen<br />
Hand in Hand mit methodischen<br />
und technischen Weiterentwicklungen.<br />
Ungepaarte Elektronen sind bei zahl -<br />
reichen Stoffwechselprozessen im Spiel.<br />
Paradebeispiele da<strong>für</strong> sind die Photo -<br />
synthese oder die Atmungskette, aber auch<br />
Proteine wie das Enzym Ribonukleotid-<br />
Reduktase (RNR). Von den Bakterien bis<br />
hin zum Menschen übernimmt die RNR<br />
den letzten Schritt bei der Bildung der<br />
einzelnen Bausteine der Desoxyribonuklein -<br />
säure (DNA). Durch den Transfer von<br />
Elektronen entstehen dabei ebenfalls paramagnetische<br />
Zustände. Mithilfe verschiedener<br />
EPR-Techniken ist es uns<br />
gelungen, mehrere Zwischenschritte<br />
und Zwischenprodukte<br />
bei diesem enzymatischen Zyklus<br />
aufzuklären. Wäh rend Proteine<br />
wie die RNR schon von<br />
Natur aus ungepaarte Elektronen<br />
enthalten, müssen wir sie<br />
bei anderen Proteinen erst einbauen.<br />
Dazu führen wir gezielt<br />
Spinmarkierungen ein. Mit diesem<br />
Verfahren haben wir in<br />
Kollaboration mit anderen Forschungsgruppen<br />
des <strong>Institut</strong>s<br />
angefangen, die innere Struktur<br />
von Nukleinsäuren und Membranproteinen<br />
zu untersuchen.<br />
(A) Struktur des dimeren Komplexes der<br />
Ribonukleotid-Reduktase der Maus und<br />
Orientierung der aktiven Tyrosylradikale,<br />
die durch Hochfeld-EPR-Spektroskopie<br />
detektiert wurden.<br />
(B) Typische magnetfeldabhängige dipola -<br />
re Spektren von zwei wechselwirkenden<br />
Radikalen bei hohen EPR-Frequenzen.
Biologische Mikro-<br />
und Nanotechnologie<br />
Zellen sind mikroskopisch klein. Doch<br />
im Vergleich zu ihren Hauptakteuren –<br />
winzigen molekularen Maschinen – sind<br />
sie riesig. Selbst die komplexesten von ihnen<br />
messen nur wenige zehn bis hundert Nanometer<br />
(millionstel Millimeter). Schon einfache<br />
Parameter wie Größe, Masse oder Anzahl<br />
solcher Nano partikel sind <strong>für</strong> Wissenschaftler<br />
wichtige Informationen. Diese können<br />
helfen, zelluläre Prozesse besser zu verstehen<br />
oder krank hafte Ver än de run gen zu<br />
erkennen. Aber wie zählt oder wiegt man etwa<br />
eine Gruppe von Proteinen, die so ver -<br />
schwindend klein ist? Konventionelle Methoden<br />
aus der makroskopischen Welt helfen<br />
da nicht weiter. Da<strong>für</strong> braucht es neue<br />
mikro- und nanotechnologische Verfahren,<br />
die wir in unserer Gruppe entwickeln.<br />
Mit einer »Stimmgabel« wiegen<br />
Um zum Beispiel einzelne Nanopartikel zu<br />
wiegen, entwerfen wir sogenannte mikro -<br />
mechanische Resonatoren – eine Art Minia -<br />
tur-Stimmgabel, kleiner als der Durchmesser<br />
eines Haares. Damit man mit ihnen bio -<br />
logische Objekte in Lösung unter suchen<br />
kann, bedarf es eines Tricks. Der Resonator<br />
befindet sich in einem Vakuum und<br />
kann praktisch ungedämpft schwingen. In<br />
seinem Inneren befindet sich ein nur<br />
wenige Mikrometer breiter Kanal. Passiert<br />
ein Partikel den Kanal, so verschiebt sich<br />
die Resonanzfrequenz, also der <strong>für</strong> diese<br />
Mikro- und nanofluidische Systeme ermöglichen es,<br />
komplexe biologische Experimente in winzig kleinen<br />
Kanälen durchzuführen. Sehr kleine Objekte wie Zellen<br />
können darin einzeln und unter genau<br />
kontrollierten Bedingungen untersucht werden.<br />
»Stimm gabel« typische Ton. Aus dieser Änderung<br />
der »Tonlage« berechnen wir die<br />
Masse – mit einer Abweichung von einem<br />
Millionstel eines milliardstel Gramms. Damit<br />
gelingt es zum Beispiel, einzelne Bakterien<br />
mit der Genauigkeit von rund einem<br />
Prozent zu wiegen.<br />
Mit solchen physikalischen Messungen<br />
wollen wir bis in den Bereich einzelner<br />
Moleküle vorstoßen. Dazu bündeln wir die<br />
Kräfte verschiedener Forschungsbereiche<br />
und stützen uns auf das Wissen aus Bio -<br />
logie, <strong>Chemie</strong>, Ingenieurwissenschaften<br />
und Physik. Sie alle tragen zu den neuen<br />
Methoden bei und können von deren<br />
Anwendung profitieren.<br />
Auf Mikrochips integrierte hoch empfindliche Sen soren<br />
können kleinste Partikel, wie zum Beispiel einzelne Bakterien,<br />
direkt anhand ihrer Masse detektieren.<br />
Dr. Thomas Burg studierte bis<br />
2001 Physik an der ETH Zürich<br />
und promovierte 2005 am Massachusetts<br />
<strong>Institut</strong>e of Technology<br />
(MIT) in Cambridge (USA). Von<br />
2005 bis 2008 forschte er als Postdoktorand<br />
am MIT im Department<br />
of Biological Engineering. Seit<br />
2009 leitet er die <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Forschungsgruppe<br />
»Biologische Mikro-<br />
und Nanotechno logie« am<br />
<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />
<strong>Chemie</strong>.<br />
Kontakt:<br />
tburg@mpibpc.mpg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/<br />
research/ags/burg<br />
T. P. Burg, M. Godin, W. Shen, G. Carlson,<br />
J. S. Foster, K. Babcock, S. R. Manalis:<br />
Weighing of biomolecules, single cells,<br />
and single nanoparticles in fluid.<br />
Nature 446, 1066-1069 (2007).<br />
T. P. Burg, S. R. Manalis: Suspended<br />
microchannel resonators for biomolecular<br />
detec tion. Applied Physics Letters 83,<br />
2698-2700 (2003).<br />
29
Prof. Dr. Jürgen Troe promovierte<br />
1965 an der Universität Göttingen<br />
und habilitierte sich dort in Physikalischer<br />
<strong>Chemie</strong>. Im Jahr 1971<br />
wurde er als ordentlicher Professor<br />
an die École Polytechnique<br />
Fédérale nach Lausanne<br />
(Schweiz) berufen. 1975 kehrte er<br />
als Direktor an das <strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />
Physikalische <strong>Chemie</strong> der Universität<br />
Göttingen zurück. Von 1990<br />
bis 2008 leitete er zudem die Abteilung<br />
»Spektroskopie und photochemische<br />
Kinetik« am <strong>Max</strong>-<br />
<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />
<strong>Chemie</strong>, wo er seine Forschung<br />
im Rahmen einer Emeritusgruppe<br />
seither fortführt. Seit<br />
2009 arbeitet er darüber hinaus<br />
im Rahmen einer »Niedersachsenprofessur«<br />
an der Universität<br />
Göttingen. Jürgen Troe ist Honorarprofessor<br />
der École Polytechnique<br />
Fédérale de Lausanne,<br />
Ehrendoktor der Universitäten<br />
Bordeaux und Karlsruhe, Ehrenmitglied<br />
der Deutschen Bunsen-<br />
Gesellschaft, Mitglied zahlreicher<br />
Akademien und Träger vieler<br />
Preise.<br />
Kontakt:<br />
idreger@gwdg.de und<br />
shoff@gwdg.de<br />
www.uni-pc.gwdg.de/troe<br />
E. I. Dashevskaya, I. Litvin, E. E. Nikitin,<br />
J. Troe: Modelling low-energy electron-molecule<br />
capture processes. Phys.<br />
Chem. Chem. Phys. 10, 1270 (2008).<br />
Ch. Müller, J. Schroeder, J. Troe: Intramolecular<br />
hydrogen bonding in 1,8dihydroxy<br />
anthraquinone, 1-aminoanthraquinone,<br />
and 9-hydroxyphenalenone<br />
studied by pico second time-resolved<br />
fluorescence. J. Phys. Chem. B 110,<br />
19820 (2006).<br />
Ch. Müller, M. Klöppel-Riech, F. Schröder,<br />
J. Schroeder, J. Troe: Fluorescence<br />
and REMPI spectroscopy of jet-cooled<br />
isolated 2-phenylindene in the S1. J.<br />
Phys. Chem. A 110, 5017 (2006).<br />
30<br />
Spektroskopie und<br />
photochemische Kinetik<br />
Viele Erscheinungen der belebten und<br />
unbelebten Natur lassen sich auf molekulare<br />
Prozesse zurückführen. So reagieren<br />
viele Moleküle, Radikale und Atome in<br />
der Atmosphäre miteinander, nachdem sie<br />
durch Sonneneinstrahlung erzeugt und angeregt<br />
worden sind. Erstaunlicherweise<br />
sind diese Vorgänge denen sehr ähnlich,<br />
die im Feuer und im Verbrennungsmotor<br />
ablaufen. Sogar bei der Entstehung neuer<br />
Sterne in interstellaren Molekülwolken<br />
spielen solche Prozesse eine wichtige Rolle.<br />
Auch die Elementar prozesse photobiologischer<br />
Vorgänge, zum Beispiel der Photo -<br />
synthese, folgen in ihrer inner- und zwischenmolekularen<br />
Dynamik sehr ähn -<br />
lichen, grundlegenden Prinzipien.<br />
Um solche molekularen Prozesse zu untersuchen,<br />
leiten wir sie durch photo che -<br />
mische Aktivierung ein. Moleküle ab -<br />
sorbieren das Licht und erreichen durch<br />
die zugeführte Energie hoch aktive Zu -<br />
stände, oder es entstehen reaktive Teilchen,<br />
die eine Kette von Reaktionen auslösen.<br />
Wir untersuchen den zeitlichen Ablauf dieser<br />
Reaktionen und die nachfolgenden,<br />
häufig sehr schnellen Vorgänge, in dem wir<br />
die sehr spezifische Absorption von Licht<br />
durch die Mo leküle mit spektroskopischen<br />
Verfahren analysieren. Sogar Moleküle, die<br />
nur in ihrem Energiezustand variieren,<br />
können wir über ihre jewei ligen Spektren<br />
unterscheiden.<br />
Untersuchungen im<br />
Femtosekunden-Bereich<br />
Mithilfe moderner optischer Methoden<br />
lassen sich die Konzentrationen der Moleküle<br />
und ihre Energiezustände mit einer<br />
Zeitauflösung bis in den Femtosekunden-<br />
Bereich verfolgen, der Zeitskala der Bewegungen<br />
von Atomen. Damit wird sogar die<br />
»ultraschnelle« innermolekulare Dynamik<br />
direkt »sichtbar«. Ein theoretisches Verständnis<br />
dieser Abläufe erreichen wir mit<br />
den Methoden der Quantenchemie, der<br />
Reaktionsdynamik und der molekularen<br />
Statistik.<br />
Zurzeit konzentrieren wir uns auf Reaktionen<br />
von Molekül-Ionen in sogenannten<br />
Plasmen, dem gasförmigen Zustand der<br />
Materie, in dem nicht nur elektrisch neutrale,<br />
sondern auch geladene Teilchen<br />
nebeneinander existieren. Auf der Erde<br />
lässt sich dieser Zustand in der Ionosphäre<br />
oder in elektrischen Entladungen, etwa bei<br />
einem Blitz, nachweisen. Im Weltall be -<br />
findet sich der größte Teil der Materie in<br />
diesem Zustand.<br />
Mit den Ergebnissen aus diesen Untersuchungen<br />
entwickeln wir theoretische<br />
Modelle, die in vielen Gebieten von Nutzen<br />
sind: von der Astro- und Atmosphärenchemie<br />
über die Plasma- und Photochemie<br />
bis hin zur Verbrennungschemie. Auch<br />
großindustrielle Prozesse lassen sich damit<br />
optimieren.
Reaktionsdynamik<br />
Wenn Steine verwittern, so geschieht<br />
das in einem Zeitraum von vielen<br />
Jahrhunderten. Doch so langsam die zugrunde<br />
liegenden chemischen Reaktionen<br />
augenscheinlich ablaufen – auf der Ebene<br />
der Atome und Moleküle vollziehen sie<br />
sich un vorstellbar schnell: In Bruchteilen<br />
von Pikosekunden, also dem millionsten<br />
Teil einer millionstel Sekunde, ändern Moleküle<br />
ihre Struktur, werden chemische Bin -<br />
dungen gelöst oder neu geknüpft. Denn so<br />
schnell bewegen sich Atome im Molekül.<br />
Dabei durchlaufen die Moleküle unterschiedliche<br />
Energiezustände. Angetrieben<br />
werden diese Vorgänge einerseits durch<br />
Transport von Energie innerhalb der Mole -<br />
küle. Aber Energie wandert auch von Molekül<br />
zu Molekül, etwa wenn die Reaktanden<br />
mit dem Lösungsmittel wechsel -<br />
wirken, das sie umgibt.<br />
Auf der Zeitskala<br />
von Atom-Bewegungen<br />
Wir wollen die einzelnen Schritte dieser<br />
molekularen Prozesse sichtbar machen<br />
und im Detail verstehen. Dabei bedienen<br />
wir uns der Laserspektroskopie. Sie erlaubt<br />
es uns, die an einer chemischen Reaktion<br />
beteiligten Stoffe anhand ihres typischen<br />
Lichtspektrums zu identifizieren, so als<br />
hätte jede Substanz ihr ganz eigenes Regenbogenmuster.<br />
Damit charakterisieren<br />
wir auch die Konzentrationen, Energie -<br />
inhalte und anderen Eigenschaften dieser<br />
Stoffe zu jedem Zeitpunkt einer Reaktion.<br />
Im Zentrum unseres Interesses steht die<br />
Dynamik chemischer Reaktionen in Gasen,<br />
Flüssigkeiten und überkritischen Fluiden.<br />
Indem wir makroskopische Parameter<br />
wie Temperatur, Dichte oder Viskosität ändern,<br />
verändern wir auf mikroskopischer<br />
Ebene die Stärke der<br />
Wechselwirkungen zwischen<br />
den Molekülen<br />
sowie die Häufigkeit von<br />
energieübertragenden<br />
Stößen. Auf diese Weise<br />
entwirren wir die verschiedenen,<br />
einander<br />
überlagernden Faktoren,<br />
die den Verlauf einer che -<br />
mischen Reaktion be -<br />
einflussen. Mit unseren<br />
experimentellen Methoden<br />
können wir bis auf<br />
die Zeitskala der Bewegungen<br />
von Atomen in<br />
Molekülen vorstoßen.<br />
Damit wird die innermolekulare<br />
Dynamik direkt<br />
sichtbar.<br />
Dijodmethan in Chloroform – Momentaufnahme einer molekulardynamischen<br />
Computersimulation (Jod-Atome sind violett, Chlor-Atome orange gefärbt).<br />
Prof. Dr. Dirk Schwarzer promo -<br />
vierte 1989 an der Universität<br />
Göttingen in Physikalischer<br />
<strong>Chemie</strong>. Nach einem Forschungs -<br />
aufenthalt an der University of<br />
Chicago wechselte er 1990 als<br />
Arbeitsgruppenleiter in die Abteilung<br />
»Spektroskopie und photochemische<br />
Kinetik« an das <strong>Max</strong>-<br />
<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />
<strong>Chemie</strong>. Seit 2006 leitet er<br />
dort die Forschungsgruppe »Reaktionsdynamik«.<br />
Dirk Schwarzer<br />
habilitierte 1999 an der Universität<br />
Göttingen in Physikalischer<br />
<strong>Chemie</strong> und lehrt dort seit 2002<br />
als außerplanmäßiger Professor.<br />
Kontakt:<br />
dschwar@gwdg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/research/<br />
ags/schwarzer<br />
T. Schäfer, D. Schwarzer, J. Lindner, P.<br />
Vöhringer: ND-stretching vibrational<br />
energy relaxation of NH2D in liquid-tosupercritical<br />
ammonia studied by femtosecond<br />
midin frared spectroscopy. J.<br />
Chem. Phys. 128, 064502 (2008).<br />
C. Reichardt, J. Schroeder, D. Schwarzer:<br />
Femtosecond IR spectroscopy of<br />
peroxycarbonate photodecomposition:<br />
S1-lifetime determines decarboxylation<br />
rate. J. Phys. Chem. A, 111, 10111<br />
(2007).<br />
31
Dr. Simone Techert promovierte<br />
1997 an der Universität Göttingen.<br />
Von 1998 bis 2000 arbeitete sie als<br />
Postdoktorandin und Wissenschaftlerin<br />
an der Europäischen<br />
Synchrotron-Strahlungsquelle in<br />
Grenoble (Frankreich) und wechselte<br />
von dort an das Scripps Research<br />
<strong>Institut</strong>e in La Jolla (Kalifornien,<br />
USA) Von 2001 bis 2004<br />
leitete sie eine Emmy-Noether-<br />
Nach wuchs gruppe am <strong>Max</strong>-<br />
<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />
<strong>Chemie</strong>. 2005 habilitierte<br />
sie in Physikalischer <strong>Chemie</strong> und<br />
arbeitete an der Stanford Synchrotron<br />
Radiation Light Source<br />
in Stanford (USA). Seit 2006 leitet<br />
sie am <strong>Institut</strong> die unabhängige<br />
Arbeitsgruppe »Strukturdynamik<br />
(bio)chemischer Prozesse«.<br />
Simone Techert ist Mitglied der<br />
Advanced Study Group der <strong>Max</strong>-<br />
<strong>Planck</strong>-Gesellschaft am Center of<br />
Free Electron Laser Science,<br />
Hamburg. Ihre Arbeiten wurden<br />
unter anderem mit dem ESRF-PdP-<br />
Preis (1999), dem Röntgen-Preis<br />
(2005) und dem Karl-Winnacker-<br />
Stipendium (2006) ausgezeichnet.<br />
Kontakt:<br />
stecher@gwdg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/<br />
research/ags/techert<br />
A. Debnarova, S. Techert: Ab initio<br />
treatment of time-resolved X-ray scattering.<br />
J. Chem. Phys. 125, 224101<br />
(2006).<br />
A. M. Lindenberg, et al.: Atomic-scale<br />
visualization of inertial dynamics.<br />
Science 308, 392-394 (2005).<br />
32<br />
Strukturdynamik<br />
(bio)chemischer Prozesse<br />
Wie flink ist ein Molekül und wie<br />
wendig? Was passiert, wenn seine<br />
Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird, etwa<br />
weil es in einem Kristallgitter gefangen<br />
sitzt? Wie bewegen sich die einzelnen Atome,<br />
wenn sich ein Molekül mit einem anderen<br />
einlässt, also eine chemische Reaktion statt -<br />
findet? Um solche Fragen geht es in unserer<br />
Arbeitsgruppe.<br />
Wenn wir atomare und molekulare Struk -<br />
turen in Aktion beobachten, setzen wir<br />
Röntgenblitze ein, die nur 10 –14 Sekunden<br />
dauern – eine hundert billionstel Sekunde.<br />
Diese extrem kurzen Blitze werden an den<br />
Molekülen abgelenkt und dann nachgewiesen<br />
(ultraschnelle Röntgenbeugung). So las sen<br />
sich einzelne Atome innerhalb eines Moleküls<br />
lokalisieren, und zwar mit einer Genauigkeit<br />
von einem milliardstel Millimeter.<br />
Da die untersuchten Moleküle hundert- bis<br />
tausendmal größer sind, können wir so sehr<br />
genau auf sehr schnellen Zeitskalen jede<br />
Bewegung und jede Dynamik in Molekülen<br />
und chemischen Reaktionen verfolgen.<br />
Choreographie der Moleküle<br />
Zusätzlich beobachten wir, was von dem<br />
Röntgenblitz übrig bleibt, nachdem ein Teil<br />
der Lichtquanten von den im Weg stehenden<br />
Molekülen aufgefangen wurde (ultraschnelle<br />
Röntgenspektroskopie). So können<br />
wir herausfinden, mit welchen Bewegungen<br />
Molekulare Bewegungen während einer chemischen<br />
Reaktion werden mit weicher Röntgenstrahlung<br />
der vierten Generation (Free Electron<br />
Laser) untersucht: Ultraschnelle Röntgenbeugung<br />
an Lipiden liefert typische Beugungsmuster.<br />
einzelne Atome der untersuchten Moleküle<br />
in der Choreographie einer chemischen<br />
Reaktion mitspielen. Mit diesen Methoden<br />
hoffen wir, chemische Prozesse so genau<br />
zu verstehen, dass wir sie gezielt manipulieren<br />
können, beispielsweise um Materialien<br />
zu entwickeln, die elektrische Energie<br />
effizienter in Lichtenergie um wandeln.<br />
Solche lichtaktiven Materialien könnten<br />
unter anderem in Photovoltaik-Anlagen<br />
und Biokraftwerken eingesetzt werden.<br />
Röntgenblitz aus Röntgenblitz an<br />
Röntgenstrahlung und Wasserchemie – wenn extrem kurze Röntgenblitze auf Wasser treffen,<br />
entstehen im billionsten Teil einer Sekunde freie Elektronen.
Laserchemie<br />
Die Sonne schickt energiereiches Licht<br />
auf die Erde und induziert dort zahlreiche<br />
Prozesse, die thermischer oder photo -<br />
chemischer Natur sein können. Wir erforschen<br />
die Wechselwirkung und Einkopplung<br />
von energiereicher Strahlung, ins besondere<br />
von Laserstrahlung, in Mate ri a lien. Wir<br />
wollen dadurch verstehen, wie diese Energie<br />
auf Moleküle und Atome wirkt und möchten<br />
diese Effekte gezielt nutzbar machen.<br />
Gelingt es, Laserlicht kontrolliert einzu -<br />
setzen, kann man es etwa <strong>für</strong> die Laser-<br />
Ablation nutzen – das extrem genaue und<br />
schonende Abtragen von Materialien. Damit<br />
lässt sich die weiche Oberfläche der<br />
Augen-Hornhaut zur Behandlung von Fehl -<br />
sichtigkeit ebenso bearbeiten wie härteste<br />
Metalle in der Industrie.<br />
Filigrane Strukturen per Laser<br />
Ferner setzen wir Laser ein, um kleine<br />
filigrane Strukturen aus Keramiken oder<br />
Metallen aufzubauen. Dazu richten wir<br />
den Laser in ein Gas, das<br />
eine Verbindung enthält,<br />
die durch die Energie<br />
des Lasers gezielt zerfällt<br />
und beispielsweise Alu -<br />
mi nium oder Aluminium -<br />
oxid abscheidet. So wach -<br />
sen scheinbar aus dem<br />
Nichts feine Aluminiumstreben<br />
oder Aluminium-<br />
oxiddrähte. Wie mit einer Art Zeichenstift<br />
schreiben wir die gewünschten Strukturen<br />
mit unserem Laserstrahl in den Gasnebel.<br />
So lassen sich winzige Ring-Elektroden <strong>für</strong><br />
die Chipindustrie erzeugen oder kleine<br />
Käfige bauen, die aussehen wie der Eiffelturm<br />
oder ein modernes Kunstwerk aus<br />
Metalldrähten.<br />
Im Inneren dieser Käfige lassen sich Zellen<br />
oder Substanzen dank abstoßender<br />
elektrischer Felder frei schwebend halten,<br />
um sie zu erforschen. Nur so können Biologen<br />
zum Beispiel Zellen völlig unbeeinflusst<br />
von einer Oberfläche in einer wässrigen<br />
Lösung untersuchen.<br />
Käfigstrukturen, die durch Laser-Direktschreiben aus<br />
dem Gas heraus erzeugt werden. Aluminiumstreben<br />
wurden mit einer Schreibgeschwindigkeit von 100 (links)<br />
oder 50 Mikrometern pro Sekunde (oben) erzeugt. Ausgangsmaterial<br />
ist in beiden Fällen die Substanz Dimethylethylaminallan<br />
in einem Gas. Durch die Energie des<br />
Lasers bricht die Verbindung zwischen einem Stickstoffatom<br />
und dem Aluminiumatom auf und das Aluminium<br />
lagert sich zur Strebe zusammen.<br />
Prof. Dr. Michael Stuke studierte<br />
Physik an den Universitäten Marburg<br />
und Heidelberg sowie der<br />
Technischen Universität München.<br />
Im Jahr 1977 promovierte<br />
er in Physikalischer <strong>Chemie</strong> mit<br />
einer Arbeit über Laser-Isotopentrennung,<br />
<strong>für</strong> die er mit der Otto-<br />
Hahn-Medaille der <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />
Gesellschaft ausgezeichnet wurde.<br />
Seit 1981 ist er Leiter der Arbeitsgruppe<br />
«Laserchemie» am<br />
<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />
<strong>Chemie</strong>.<br />
Kontakt:<br />
mstuke@gwdg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/research/<br />
ags/stuke<br />
M. Stuke, K. Mueller, T. Mueller et al.:<br />
Direct-writing of three-dimensional<br />
structures using laser-based processes.<br />
MRS BULLETIN 32, 32-39 (2007),<br />
invited paper.<br />
33
34<br />
Raffinierte Moleküle
Wie Form und Funktion zusammenhängen<br />
Für jeden Zweck ein passendes Protein – der menschliche<br />
Körper hält Hunderttausende davon bereit. Allein unser<br />
Immunsystem schützt uns mit einem riesigen Sortiment<br />
von Antikörpern vor Krankheitserregern. Einer Vielzahl von<br />
Proteinen lässt sich allerdings noch keine biologische Aufgabe<br />
zuordnen. Und funktionelle Details sind noch seltener<br />
bekannt. Hier eröffnet sich ein weites Feld <strong>für</strong> die Forschung.<br />
Darüber hinaus gilt das Interesse der Wissenschaftler<br />
einer weiteren Kategorie von Makromolekülen:<br />
Nukleinsäuren bergen nicht nur genetische Botschaften,<br />
sie fungieren auch als Enzyme – nicht zuletzt bei der Produktion<br />
von Proteinen.<br />
35
36<br />
Theoretische und<br />
computergestützte Biophysik<br />
Hoch spezialisierte Proteine verrichten und<br />
steuern praktisch alle Prozesse im Körper:<br />
Sie transportieren zelluläre Fracht, empfangen und<br />
übermitteln Signale, wandeln Energie um, brin gen<br />
chemische Reaktionen in Gang oder sorgen<br />
<strong>für</strong> Wachstum und Bewegung. Mit gutem Recht<br />
kann man diese Moleküle als die biochemischen<br />
»Nano-Maschinen« der Zelle bezeichnen, hervorgegangen<br />
aus einer Milliarden Jahre langen Evolution.<br />
Wie bei den von Menschenhand gebauten<br />
Maschinen sind es oft auch bei den Proteinen die<br />
Bewegungen der Einzelteile, die ihre Funktion bestimmen.<br />
Die interne Proteindynamik ist daher äußerst<br />
fein abgestimmt: In vielen Fällen kommt es<br />
auf die Bewegung einzelner Atome an.<br />
Kein Wunder, dass kleine Konstruktionsfehler<br />
mitunter fatale Folgen haben. Einige Erbkrank -<br />
heiten, beispielsweise die Sichelzellanämie, sind<br />
darauf zurückzuführen, dass sich ein bestimmtes<br />
Protein in nur wenigen Atomen von der normalen<br />
Version unterscheidet. Und das, obwohl<br />
Proteine nicht selten aus vielen zehntausend<br />
Atomen beste hen. Während der genaue<br />
Aufbau von Proteinen in vielen<br />
Fällen mit atomarer Auflösung vermessen<br />
werden kann, sind die oft<br />
sehr schnellen Bewegungen eines<br />
Proteins auf atomarer Ebene<br />
experimentell äußerst schwer zugänglich.<br />
Um herauszufinden, wie diese<br />
nanotechnischen Wunderwerke<br />
funktionieren, setzen wir Computersimulationen<br />
ein. Moderne
Kräfte spielen bei den molekularen Nanomaschinen eine wichtige Rolle, sind dort jedoch außer -<br />
ordentlich schwer zu messen. Unsere Computersimulationen helfen hier zu verstehen, wie Proteine<br />
auf Kräfte reagieren. Das Bild zeigt ein Vitamin-Molekül, das aus der Bindungstasche eines Rezeptors<br />
gezogen wird – ein Prozess, der experimentell im Rasterkraftmikroskop vermessen werden kann.<br />
Höchstleistungs parallelcomputer und<br />
immer ausgeklügeltere numerische Verfahren<br />
erlauben uns, die Bewegung jedes<br />
einzelnen Atoms eines Proteinkomplexes<br />
mit hinreichender Genauigkeit<br />
zu berechnen. Um komplexe Lebensprozesse<br />
auf der Grundlage der bekannten<br />
physikalischen Gesetze im Detail zu<br />
verstehen, arbeiten wir eng mit experimentellen<br />
Arbeitsgruppen zusammen.<br />
Proteine bei der Arbeit –<br />
der kleinste Motor der Welt<br />
Ein besonders eindruckvolles Beispiel<br />
<strong>für</strong> Proteine »bei der Arbeit« ist der molekulare<br />
Motor ATP- Synthase. Dieser<br />
Protein komplex von nur zwanzig Nanometern<br />
(millionstel Millimetern) Größe<br />
arbeitet in den »Kraftwerken« der Zellen<br />
und liefert <strong>für</strong> viele Prozesse im Körper<br />
die nötige Energie. Mithilfe dieser<br />
Proteinmaschine setzt der menschliche<br />
Körper pro Tag etwa 75 Kilogramm des<br />
Energiespeichermoleküls ATP um, bei<br />
sportlichen Höchst leis tun gen sogar<br />
noch weit mehr.<br />
In der Tat ist die Ähnlichkeit zwischen<br />
der ATP-Synthase und einem<br />
Ottomotor frap pierend: Hier wie dort<br />
gibt es antreibende Kraft stöße, eine sich<br />
drehende »Kurbelwelle« und sich bewegende<br />
»Zy linder«. Der entscheidende<br />
Unterschied ist der Wirkungsgrad:<br />
Während der Ottomotor nur einen<br />
Bruchteil der thermodynamisch maximal<br />
möglichen Leistung erzielt, sind es<br />
bei der ATP-Synthase nahezu 100 Pro -<br />
zent. Wie diese Energieübertragung im<br />
Detail funktioniert, konnten wir durch<br />
Com puter simu la tio nen aufklären. Die<br />
Simulationen of fenbarten eine regelrechte<br />
»Nanomechanik«. Die Drehbewegung<br />
der Achse wird in eine atomar<br />
abgestimmte Bewegung an der Syn -<br />
thesestelle übersetzt, sodass das ATP-<br />
Molekül gezielt zusammengesetzt wird.<br />
� Als Nanomaschine par excellence produziert die ATP-Synthase den universellen »Brennstoff« ATP im<br />
Körper. Die komplette Maschinerie ist gerade einmal 20 millionstel Millimeter groß. In diesem am Computer<br />
erzeugten Schnappschuss wurde gerade ein ATP-Molekül (rot) im Kopfteil (cyan/grün) fertig gestellt. Die<br />
dazu benötigte Energie wird durch eine schnell rotierende »Kurbelwelle« (orange, gelber Pfeil) übertragen,<br />
die ihrerseits von einem Fußteil in der Mitochondrienmembran (grün/ gelb) angetrieben wird. Ähnlich<br />
wie ein Elektromotor wird dieser Fußteil durch einen elektrischen Strom angetrieben, der zwischen dem<br />
Fußteil und dem roten Stator über die Membran fließt. Um die Nanomaschine bei der Arbeit zu untersuchen,<br />
be stimmen wir mithilfe des Computers die Kräfte, die auf jedes einzelne Atom wirken, und berechnen<br />
daraus deren detaillierte Bewegung. Die so erzeugte »Filmsequenz« enthüllt die Tricks der Natur.<br />
Prof. Dr. Helmut Grubmüller<br />
promovierte 1994 in Theoretischer<br />
Physik an der Technischen Universität<br />
München. Von 1994 bis<br />
1998 arbeitete er als Assistent an<br />
der Ludwig-<strong>Max</strong>imi lians-Uni ver -<br />
si tät in München. Im Jahr 1998<br />
wechselte er als Forschungsgruppenleiter<br />
an das <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />
<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong>.<br />
Dort leitet er seit 2003 die<br />
Abteilung »Theoretische und<br />
computergestützte Biophysik«.<br />
Helmut Grubmüller ist zugleich<br />
Honorar professor <strong>für</strong> Physik an<br />
der Universität Göttingen.<br />
Kontakt:<br />
hgrubmu@gwdg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/home/<br />
grubmueller<br />
Interne Arbeitsgruppen:<br />
Dr. Gerrit Grœnhof<br />
M. Zink, H. Grubmüller: Mechanical<br />
properties of the icosahedral shell of<br />
southern bean mosaic virus: a molecular<br />
dynamics study. Biophys J. 96, 1350-<br />
1363 (2009).<br />
L. V. Schäfer, E. M. Müller, H. E. Gaub,<br />
H. Grubmüller: Elastic properties of<br />
photo switchable azobenzene polymers<br />
from molecular dynamics simulations.<br />
Angew. <strong>Chemie</strong> Int. Ed. 46, 2232-2237<br />
(2007).<br />
F. Gräter, J. Shen, H. Jiang, M. Gautel,<br />
H. Grubmüller: Mechanically induced<br />
titin kinase activation studied by forceprobe<br />
molecular dynamics simulations.<br />
Biophys. J. 88, 790-804 (2005).<br />
R. Böckmann, H. Grubmüller: Nano -<br />
seconds molecular dynamics simulation<br />
of primary mechanical energy transfer<br />
steps in ATP synthase. Nature Struct.<br />
Biol. 9, 198-202 (2002).<br />
M. Rief, H. Grubmüller: Kraftspektroskopie<br />
von einzelnen Biomolekülen.<br />
Physikalische Blätter, 55-61, Feb.,<br />
(2001).<br />
37
Prof. Dr. Bert de Groot promovierte<br />
1999 in Biophysikalischer <strong>Chemie</strong><br />
an der Universität Groningen<br />
(Nie derlande). Von 1999 bis 2003<br />
arbeitete er als Postdoktorand in<br />
der Arbeitsgruppe von Helmut<br />
Grubmüller am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />
<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />
<strong>Chemie</strong> in Göttingen. Dort leitet<br />
er seit 2004 die Arbeitsgruppe<br />
»Computergestützte biomoleku -<br />
lare Dynamik«. Seit 2009 ist Bert<br />
de Groot außerplanmäßiger Professor<br />
<strong>für</strong> Physik an der Univer -<br />
sität Göttingen.<br />
Kontakt:<br />
bgroot@gwdg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/research/<br />
ags/degroot<br />
O. F. Lange, N. A Lakomek, C. Fares, G.<br />
F. Schröder, K. F. A. Walter, S. Becker, J.<br />
Meiler, H. Grubmüller, C. Griesinger, B.<br />
L. de Groot: Recognition dynamics up<br />
to microseconds revealed from RDC<br />
derived ubiquitin ensemble in solution.<br />
Science 320, 1471-1475 (2008).<br />
J. S. Hub, B. L. de Groot: Mechanism<br />
of selectivity in aquaporins and aquaglyceroporins.<br />
Proc. Nat. Acad. Sci.<br />
105, 1198-1203 (2008).<br />
D. Seeliger, J. Haas, B. L. de Groot:<br />
Geometry-based sampling of conformational<br />
transitions in proteins. Structure<br />
15, 1482-1492 (2007).<br />
38<br />
Computergestützte biomolekulare<br />
Dynamik<br />
Die Funktion einer Maschine lässt sich<br />
viel leichter verstehen, wenn wir sie<br />
in Aktion beobachten können. Das gleiche<br />
gilt <strong>für</strong> die winzigen Maschinen unserer<br />
Zellen – die Proteine. Milliarden dieser<br />
»Nanomaschinen« ermöglichen, steuern<br />
oder unterstützen fast alle Prozesse in unserem<br />
Körper. Entsprechend fatal sind die<br />
Folgen, wenn Pro teine nicht richtig funktionieren:<br />
Viele Krankheiten beruhen auf<br />
solchen Fehlfunktionen.<br />
Welche Wechselwirkungen bewirken das<br />
Verklumpen von Proteinen und verursachen<br />
somit Krankheiten wie Alzheimer<br />
oder Parkinson? Wie regulieren Zellen den<br />
Ein- und Ausstrom von Molekülen wie<br />
Wasser, Ionen und Nährstoffe? Wie funktioniert<br />
die molekulare Erkennung? Diese<br />
Fragestellungen untersuchen wir in unserer<br />
Arbeitsgruppe.<br />
Um die Funktion und Fehlfunktion von<br />
Pro teinen zu verstehen, reicht es allerdings<br />
nicht aus, ihren Bauplan und ihre drei -<br />
dimensionale Form zu kennen. Erst über<br />
fein abgestimmte Bewegungen erfüllen Proteine<br />
ihre jeweilige Aufgabe. Unser Ziel ist<br />
es, die mole kularen Mechanismen aufzuklären,<br />
die dieser Proteindynamik zugrunde<br />
liegen. Wir setzen dabei auf Computer -<br />
simulationen, um die Bewegungen von Proteinen<br />
im atomaren Detail zu verfolgen.<br />
Wasserkanäle, die auch filtern<br />
Ein Protein, das wir in unserer Gruppe<br />
un tersuchen, ist das Aquaporin. In der<br />
Zell membran bildet es Poren, die als perfekte,<br />
hochselektive Filter wirken. Nur<br />
Was ser moleküle können passieren, Ionen<br />
Molekulare Erkennung durch Ubiquitin. Da Ubiquitin<br />
schnell unterschiedliche Formen annehmen kann,<br />
erkennt es viele verschiedene Bindungspartner.<br />
Man kann es sich wie einen Schlüsselbund vorstellen,<br />
mit dem sich verschiedene Schlösser öffnen lassen.<br />
und grö ße ren Molekülen wird der Durchtritt<br />
verwehrt. Durch Molekulardynamik-<br />
Simulationen ist es uns gelungen, den Mechanismus<br />
aufzuklären, der Aquaporine<br />
derart selektiv filtern lässt: Eine elektrostatische<br />
Barriere verwehrt jeglichen Ionen<br />
wirksam den Durchlass.<br />
Daneben haben wir einen wahren Verwandlungskünstler<br />
unter den Proteinen im<br />
Visier: das Ubiquitin. Es ist Teil eines ausgeklügelten<br />
Recycling-Systems der Zelle,<br />
das bestimmte Proteine als zellulären »Müll«<br />
markiert. Doch wie schafft es das Ubiquitin,<br />
eine Vielzahl unterschiedlicher Partnermoleküle<br />
zu erkennen und zu binden?<br />
In Zusammenarbeit mit der Ab teilung<br />
»NMR-basierte Strukturbiologie« konnten<br />
wir nach weisen, dass Ubiquitin überraschend<br />
beweglich ist: Extrem schnell – innerhalb<br />
von millionstel Sekunden – ändert<br />
es ständig seine Form, bis diese zufällig zu<br />
einem seiner Partner passt.<br />
Wasserfluss durch einen Aquaporin-Kanal.<br />
Links: Wasser (rot/weiss) fließt nicht durch die Lipidmembran<br />
(grün/gelb), sondern durch spezielle Poren,<br />
die Aquaporine in der Membran bilden (blau).<br />
Rechts: Weg der Wassermoleküle durch den Aqua -<br />
porin-Kanal. Spezifische Wechselwirkungen erlauben<br />
den Durchtritt von Wasser, verhindern aber, dass größere<br />
Moleküle oder Ionen unkontrolliert passieren<br />
können. Sogar winzige Protonen (Wasserstoffionen)<br />
werden ausgeschlossen.
Strukturuntersuchungen<br />
an Proteinkomplexen<br />
Die Kommunikation muss stimmen, das<br />
gilt auch <strong>für</strong> Zellen. Um zu überleben,<br />
müssen Bakterienzellen genau wie die<br />
Zellen unseres Körpers auf eine ganze Palet -<br />
te von Reizen in ihrer Umgebung reagieren.<br />
Allerdings haben die Reize auf dem Weg<br />
ins Zell innere noch eine Barriere zu bezwin -<br />
gen: die Zellmembran. Sie schirmt das Innen -<br />
leben der Zelle wirksam von der Außenwelt<br />
ab. Eine Verbindung von drinnen nach<br />
draußen gibt es dennoch: Winzige Empfangs-<br />
Antennen in der Membran – die Sensor-<br />
Proteine – fangen die Reize auf und leiten<br />
sie durch die Membran. Dabei treten sie in<br />
engen Kontakt mit ihren Kommunikationspartnern.<br />
Je nach Bedarf werden Sensor-<br />
Proteine ein- und ausgeschaltet. Doch was<br />
lässt Proteine umschalten von »an« auf »aus«?<br />
Um eine Antwort auf diese Frage zu finden,<br />
züchten wir Kristalle solcher Sensor-<br />
Proteine – eine mitunter langwierige Prozedur.<br />
Durch einen solchen Kristall schicken<br />
wir dann energiereiche Röntgenstrahlen<br />
und erhalten so ein kompliziertes Beu -<br />
gungs muster, das eine Fülle von Informationen<br />
über die räumliche Struktur des<br />
Sensor-Proteins liefert. Einen<br />
Nachteil hat diese Methode<br />
freilich. Dem Protein bleibt<br />
im Kristall praktisch kein Bewegungsspielraum.<br />
Um dy na -<br />
mi sche Prozesse wie Schalt vor -<br />
gänge zu erfassen, sind daher<br />
ergänzende Kernspin resonanz<br />
(NMR)-Messungen vonnöten.<br />
Denn bei diesem Verfahren<br />
können Moleküle in Lösung<br />
untersucht werden – mit viel<br />
Be wegungsfreiheit.<br />
Was Proteine schalten lässt<br />
Strukturänderungen sind <strong>für</strong> die Zustände<br />
»an« und »aus« von zentraler Bedeutung.<br />
Die Unterschiede zwischen aktivem und<br />
inaktivem Zustand können klein sein, wie<br />
zum Beispiel bei der Histidin-Kinase CitA.<br />
Dieses Protein ist <strong>für</strong> Bakterien lebenswichtig,<br />
weil sie damit auf Veränderungen<br />
ihres Lebensraums re agieren. Unsere Unter -<br />
suchungen zeigen: Wenn Citrat an den Bereich<br />
des Proteins bindet, der nach außen<br />
ragt, zieht sich das Protein an dieser Stelle<br />
zusammen. Diese Kontraktion ist letztlich<br />
entscheidend <strong>für</strong> die Übertragung des Signals<br />
ins Zellinnere.<br />
Im Fall einer anderen Proteingruppe, der<br />
STAT-Proteine, sind die Strukturänderungen<br />
dagegen groß: STAT-Proteine über -<br />
tragen Signale von der Zellmembran ins<br />
Innere des Zellkerns und verändern die Aktivität<br />
bestimmter Gene. Zwar binden immer<br />
zwei STAT-Proteine aneinander, egal<br />
ob das STAT aktiv ist oder inaktiv. Doch die<br />
Bindung erfolgt auf ganz unterschiedliche<br />
Weise, mal parallel, mal antiparallel zu -<br />
einander angeordnet.<br />
Nur wenn Citrat an den Teil der Histidin-Kinase<br />
CitA bindet, der aus der Zellmembran nach außen<br />
ragt, ist dieser kontrahiert. Hierdurch wird ein<br />
anderer Teil der Histidin-Kinase nach »oben« gezogen.<br />
Diese Bewegung ist das Signal, das ins<br />
Zellinnere weitergegeben wird.<br />
Dr. Stefan Becker promovierte<br />
1991 an der Universität des Saarlandes<br />
in <strong>Chemie</strong> und ging anschließend<br />
an das C.H. Best <strong>Institut</strong>e<br />
in Toronto (Kanada). Im Jahr<br />
1995 wechselte er an die Außenstelle<br />
des Europäischen Molekularbiologischen<br />
Labors in Grenoble.<br />
Seit 1999 leitet Stefan Becker<br />
die Projektgruppe »Molekularbiologie«<br />
in der Abteilung »NMRbasierte<br />
Strukturbiologie« am<br />
<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> bio -<br />
physika lische <strong>Chemie</strong>.<br />
Kontakt:<br />
sabe@nmr.mpibpc.mpg.de<br />
http://medusa.nmr.mpibpc.mpg.de<br />
M. Sevvana et al.: A ligand-induced<br />
switch in the periplasmic domain of<br />
sensor histidine kinase CitA. J. Mol.<br />
Biol. 377, 512-523 (2008).<br />
In ihrer aktiven Form (A) sind die beiden STAT- Moleküle parallel an geordnet und<br />
umschließen wie ein Nussknacker die Erbsubstanz (rote Struktur in zentraler<br />
Position). In der inaktiven Form (B) sind die STATs hingegen antiparallel angeordnet;<br />
die Struktur ähnelt einem Boot.<br />
D. Neculai, A. M. Neculai, S. Verrier,<br />
K. Straub, K. Klumpp, E. Pfitzner,<br />
S. Becker: Structure of the unphosphory -<br />
lated STAT5a dimer. J. Biol. Chem.<br />
280, 40782-40787 (2005).<br />
S. Becker, B. Groner, C.W. Müller:<br />
Three-dimensional structure of the<br />
Stat3ß homodimer bound to DNA.<br />
Nature 394, 145-151 (1998).<br />
39
Räumliche Rekons truk -<br />
tion eines Tubulin-<br />
Moleküls. Wie sich das<br />
Antikrebsmittel (Mitte)<br />
in diese Struktur<br />
hineindrängt, zeigte die<br />
NMR-Spektroskopie.<br />
40<br />
NMR-basierte Strukturbiologie<br />
Bei molekularem Inventar ist die räumliche<br />
Struktur gleichermaßen wichtig wie die chemische<br />
Zusammensetzung. Welch fatale Folgen<br />
ein Formfehler haben kann, zeigen bisher unheilbare<br />
Leiden wie die Alzheimer-, Parkinson- und<br />
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit. In allen drei Fällen<br />
sammeln sich deformierte Proteinmoleküle in<br />
Gehirnzellen an und richten sie zugrunde. Nur<br />
wenn Proteine und Nukleinsäuren in Form bleiben,<br />
können sie ihre biologische Aufgabe erfüllen.<br />
Uns interessiert die Frage, auf welche strukturellen<br />
Details es dabei ankommt.<br />
Zum Kern der Sache<br />
Die Methode der Wahl ist hier die NMR-Spektroskopie.<br />
Bei der nuklearmagnetischen Resonanz<br />
(NMR) macht man sich zunutze, dass die meisten<br />
Atomkerne magnetische Eigenschaften besitzen.<br />
Sie lassen sich als elektrisch geladene Kreisel betrachten,<br />
die sich an einem äußeren Magnetfeld<br />
auszurichten versuchen. Aufgrund dieser Eigenschaft<br />
können die Atomkerne elektromagnetische<br />
Strahlung bestimmter Energie absorbieren. Welche<br />
Frequenz absorbiert wird, hängt von der chemischen<br />
Umgebung ab. In einem Molekül mit vielen<br />
unterschiedlich platzierten Atomkernen wird eine<br />
entsprechend große Zahl unterschiedlicher Energieportionen<br />
benötigt. So ergibt sich ein NMR-<br />
Spektrum, das detaillierte Informationen über die<br />
Anordnung der einzelnen Atomkerne und damit<br />
der Atome im Raum enthält.<br />
Diese Informationen zu entschlüsseln ist al -<br />
lerdings eine Kunst <strong>für</strong> sich. Und je größer die untersuchten<br />
Moleküle, desto schwieriger wird diese<br />
Aufgabe: Man muss auf sogenannte Tripelresonanz-Experimente<br />
zurückgreifen, die drei di men -<br />
sionale Spektren ergeben. Bei Proteinmolekü-<br />
len, die aus mehr als zweihundert Aminosäu ren –<br />
Bausteinen aller Proteine – zusammengesetzt sind,<br />
stößt selbst diese NMR-Spektroskopie an<br />
ihre Grenzen. Doch wir versuchen, darüber<br />
hinaus zugehen.<br />
Grenzen überschreiten<br />
Unter anderem arbeiten wir dabei mit Isotopen:<br />
Wir ersetzen beispielsweise gewöhnlichen Stickstoff<br />
zum Teil durch eine Variante mit schwererem<br />
Atomkern. Im NMR-Spektrum können wir dann<br />
ent weder das eine oder das andere Isotop sichtbar<br />
machen. So lassen sich Proteine, die <strong>für</strong> die NMR-
Spektroskopie eigentlich zu groß sind,<br />
stückweise analysieren. Zunächst stellt<br />
sich jedoch das Problem, sie in ausreichender<br />
Menge zu produzieren. Als hilfreich<br />
erweisen sich dabei Bakterien, die<br />
mit dem fraglichen Gen ausgestattet<br />
wurden. Füttert man sie mit Aminosäuren,<br />
die ein bestimmtes Isotop enthalten,<br />
so bauen sie – wenn alles gut geht –<br />
das Protein nach Wunsch zusammen.<br />
Elektronen – die ein viel größeres mag -<br />
netisches Moment besitzen – können<br />
ebenfalls an Moleküle geheftet werden.<br />
Sie liefern zusätzliche Informa tionen,<br />
die wir zum Beispiel genutzt haben, um<br />
bei einem der häufigsten Membranproteine<br />
des Menschen die räumliche<br />
Struktur zu analysieren. Darüber hinaus<br />
möchten wir Elektronen auch zur Signalverstärkung<br />
verwenden.<br />
Dynamische Moleküle<br />
Mit der NMR-Spektroskopie lassen sich<br />
Proteine aber auch in Aktion beobachten.<br />
In Lösung oder in eine Membran<br />
eingebettet, können sie sich während<br />
der Messung ähnlich frei bewegen wie<br />
in ihrem natürlichen Umfeld. Wenn sie<br />
dabei ihre räumliche Struktur ändern,<br />
geschieht das oft sehr schnell. Ein<br />
neues Verfahren erlaubt es uns, Bewegungen<br />
von Proteinen zu messen, die<br />
sich in einem Zeitfenster zwischen einer<br />
Räumliche Struktur eines molekularen Kanals, der die<br />
äußere Membran von Mitochondrien – die »Kraftwerke«<br />
jeder Zelle – durchdringt. Über solche Kanäle<br />
liefern die Mitochondrien chemische Energie in Form<br />
von Adenosintriphosphat (ATP), im Körper eines Menschen<br />
täglich etwa 75 Kilogramm.<br />
milliardstel und einer millionstel Sekunde<br />
abspielen. Dadurch gewinnen wir neue<br />
Erkenntnisse, wie Proteine einander erkennen<br />
und was sie beweglich macht.<br />
Arzneimittel im Blickpunkt<br />
Wie kleine Moleküle auf große Proteine<br />
einwirken, können wir schon jetzt sehr<br />
genau studieren. So lässt sich zum Beispiel<br />
zeigen, wie ein Wirkstoff <strong>für</strong> die<br />
Chemotherapie von Krebs an dem Protein<br />
Tubulin andockt. Aus Tubulin sind<br />
die Mikrotubuli zusammengesetzt, lange<br />
Röhren, mit denen sich die Zellen in<br />
Form halten. Wenn der Auf- und Umbau<br />
dieses Gerüsts nicht funktioniert,<br />
gehen die Zellen zugrunde, sobald sie<br />
sich zu vermehren versuchen. Das trifft<br />
Krebszellen besonders hart, weil sie gewöhnlich<br />
hemmungslos <strong>für</strong> Nachkommenschaft<br />
sorgen. Ein kleines Molekül<br />
aus eigener Herstellung kann Leiden<br />
wie die Alzheimer-, Parkinson- und<br />
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit stoppen –<br />
zumindest im Tiermodell. Derzeit studieren<br />
wir die räumliche Struktur dieses<br />
vielversprechenden Moleküls im Komplex<br />
mit seinem Zielmolekül.<br />
Prof. Dr. Christian Griesinger<br />
studierte <strong>Chemie</strong> und Physik an<br />
der Universität Frankfurt und promovierte<br />
dort 1986 in Organischer<br />
<strong>Chemie</strong>. Von 1986 bis 1989 arbei -<br />
tete er als Postdoktorand und<br />
Assistent am Laboratorium <strong>für</strong><br />
Physikalische <strong>Chemie</strong> der ETH<br />
Zürich. 1990 wurde er Professor<br />
am <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Organische <strong>Chemie</strong><br />
der Universität Frankfurt, und seit<br />
1999 leitet er die Abteilung »NMRbasierte<br />
Struktur biologie« am<br />
<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />
<strong>Chemie</strong>. Christian Griesinger<br />
erhielt mehrere wissenschaft -<br />
liche Auszeichnun gen, darunter<br />
den Sommerfeld-Preis (1997), den<br />
Leibniz-Preis (1998) und den<br />
Bayer-Preis (2003). Er ist Mitglied<br />
der Akademie der Wissenschaften<br />
zu Göttingen und der Aka demie<br />
Leopoldina. Christian Griesinger<br />
wird derzeit durch einen »ERC<br />
Advanced Grant« gefördert.<br />
Kontakt:<br />
cigr@nmr.mpibpc.mpg.de<br />
http://medusa.nmr.mpibpc.mpg.de<br />
O. Lange, N. A. Lakomek, C. Farès, G.<br />
Schröder, S. Becker, J. Meiler, H. Grub -<br />
müller, C. Griesinger, B. de Groot: Recognition<br />
dynamics up to microseconds<br />
revealed from an RDC-derived ubiquitin<br />
ensemble in solution. Science 320,<br />
1471-1475 (2008).<br />
M. Reese, D. Lennartz, T. Marquardsen,<br />
P. Höfer, A. Tavernier, P. Carl, T. Schippmann,<br />
M. Bennati, T. Carlomagno, F.<br />
Engelke, C. Griesinger: Construction of<br />
a Liquid-State NMR DNP Shuttle<br />
Spectrometer: First Experimental Results<br />
and Evaluation of Optimal Performance<br />
Characteristics. Appl. Magn. Reson.<br />
34, 301-311 (2008).<br />
M. Bayrhuber, T. Meins, M. Habeck, S.<br />
Becker, K. Giller, S. Villinger, C. Vonrhein,<br />
C. Griesinger, M. Zweckstetter, K.<br />
Zeth: Struc ture of the human voltagedependent<br />
anion channel. Proc. Natl.<br />
Acad. Sci. USA 105, 15370-5 (2008).<br />
41
Prof. Dr. Markus Zweckstetter<br />
studierte Physik an der Ludwig-<br />
<strong>Max</strong>imilians-Universität München.<br />
Seine Doktorarbeit fertigte er bei<br />
Dr. Tad Holak am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />
<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Biochemie in Martinsried<br />
an und promovierte an der<br />
Technischen Universität München.<br />
Im Anschluss arbeitete er von<br />
1999 bis 2001 als Postdoktorand<br />
in der Gruppe von Dr. Adrian Bax<br />
an den National <strong>Institut</strong>es of<br />
Health in Bethesda (Maryland,<br />
USA). Seit 2001 leitet er die Forschungsgruppe»Proteinstrukturbestimmung<br />
mittels NMR« am<br />
<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />
<strong>Chemie</strong>. Markus Zweckstetter<br />
lehrt seit 2008 als Honorar -<br />
professor <strong>für</strong> Biologie an der<br />
Universität Göttingen.<br />
Kontakt:<br />
mzwecks@gwdg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/groups/<br />
zweckstetter<br />
D. P. Karpinar, M. B. Balija, S. Kügler,<br />
F. Opazo, N. Rezaei-Ghaleh, N. Wender,<br />
H. Y. Kim, G. Taschenberger, B. H. Falkenburger,<br />
H. Heise, A. Kumar, D. Riedel,<br />
L. Fichtner, A. Voigt, G. H. Braus,<br />
K. Giller, S. Becker, A. Herzig, M. Baldus,<br />
H. Jäckle, S. Eimer, J. B. Schulz, C.<br />
Griesinger, M. Zweckstetter: Pre-fibrillar<br />
alpha-synuclein variants with impaired<br />
beta-structure increase neurotoxicity in<br />
Parkinson's disease models. EMBO J. |<br />
doi:10.1038/emboj.2009.257 (2009).<br />
M. D. Mukrasch, S. Bibow, J. Korukottu,<br />
S. Jeganathan, J. Biernat, C. Griesinger,<br />
E. Mandelkow, M. Zweckstetter:<br />
Structural polymorphism of 441-residue<br />
tau at single residue resolution.<br />
PLoS Biol. 17, e34 (2009).<br />
M. Bayrhuber, T. Meins, M. Habeck, S.<br />
Becker, K. Giller, S. Villinger, C. Vonrhein,<br />
C. Griesinger, M. Zweckstetter, K.<br />
Zeth: Structure of the human voltagedependent<br />
anion channel. Proc. Natl.<br />
Acad. Sci. USA 105, 15370-15375<br />
(2008).<br />
42<br />
Proteinstrukturbestimmung<br />
mittels NMR<br />
Die Form folgt der Funktion, diese Binsenweisheit<br />
<strong>für</strong> gutes Produktdesign<br />
hat die Natur wie so oft auch bei Proteinen<br />
perfekt umgesetzt. Je nach Aufgabe haben<br />
sie eine ganz bestimmte Form. Die Aminosäureketten<br />
eines Muskelproteins falten<br />
sich zu einer anderen räumlichen Struktur<br />
als die eines Kanalproteins, das Stoffe<br />
durch eine Membran passieren lässt.<br />
Proteine außer Form<br />
Umso überraschender mag es erscheinen,<br />
dass insbesondere das menschliche Genom<br />
zu einem erheblichen Teil Baupläne<br />
<strong>für</strong> Proteine enthält, die in der Zelle nahezu<br />
ungefaltet vorliegen. Diese Proteine<br />
werden als »intrinsisch ungeordnet« oder<br />
»nativ entfaltet« bezeichnet. Sie spielen eine<br />
wichtige Rolle in verschiedenen zellulären<br />
Prozessen, etwa wenn ein Gen abgelesen<br />
wird, wenn sich eine Zelle teilt oder<br />
wenn Signale weitergeleitet werden.<br />
Diese ungewöhnliche Protein-Gruppe zu<br />
untersuchen ist nicht ganz einfach, denn<br />
solche Proteine sind sehr flexibel und be -<br />
weg lich. Das erschwert die Arbeit unter<br />
dem Mikroskop, weil man ähnlich wie in<br />
der Fotografie unscharfe Aufnahmen erhält.<br />
Nur mit der Kernspinresonanzspektroskopie<br />
sind wir in der Lage, Informatio-<br />
nen mit atomarer Auflösung zu erhalten. In<br />
der Zelle ist die hohe Beweglichkeit allerdings<br />
von großem Nutzen: Sie erlaubt<br />
solch ungeordneten Proteinen, an viele unterschiedliche<br />
Partner zu binden. Zudem<br />
kann die Zelle diese Proteine effizient regulieren,<br />
beispielsweise durch die Anheftung<br />
kleiner Phosphatreste.<br />
In meiner Gruppe erforschen wir mithilfe<br />
der Kernspinresonanz, wie die Proteine ihre<br />
Form verändern, wenn sie andere Proteine<br />
erkennen und an sie binden oder<br />
wenn bei ihrer eigenen Faltung etwas<br />
schiefläuft. Die Folgen solcher Missfaltungen<br />
untersuchen wir an Proteinen wie<br />
�-Synuclein, Tau und Amyloid-�, die bei<br />
der Parkinson- und Alzheimer-Krankheit<br />
eine zentrale Rolle spielen. Bei den erkrank -<br />
ten Personen lassen sich Tau und Amyloid-ß<br />
missgefaltet als »Protein-Verklumpungen«<br />
im Hirngewebe nachweisen. Doch warum<br />
sind diese falsch gefalteten Proteine so<br />
schädlich? Eine mögliche Ursache ist nach<br />
unseren Forschungsergebnissen, dass falsch<br />
gefaltetes Tau-Protein viel schwächer an<br />
Mikrotubuli-Proteine – die »Transportschie -<br />
nen« der Zelle – bindet. Als Folge ist der<br />
Stofftransport innerhalb der Nervenzelle<br />
gestört und der Stoffwechsel in den Nervenzell-Endigungen<br />
massiv beeinträchtigt.<br />
Struktur des Tau-Proteins.<br />
Im Hintergrund ist eine Elektronenmikroskopie-Aufnahme<br />
der<br />
Mikro tubuli, des Bindungspartners<br />
von Tau, zu sehen.
Festkörper-NMR-Spektroskopie<br />
Ohne Proteine wäre Leben undenkbar.<br />
Sie managen und verrichten die<br />
meisten Aufgaben, die Bakterien ebenso<br />
wie Pflanzen und Tieren das Überleben sichern.<br />
Alle Proteine sind aus Aminosäuren<br />
auf gebaut, die zu hunderten, manchmal<br />
sogar tausenden korrekt aneinandergereiht<br />
werden müssen. Doch erst wenn sie sich<br />
zu ihrer korrekten dreidimensionalen Struk -<br />
tur falten, können sie ihre jeweilige Funktion<br />
in der Zelle erfüllen. Falsch gefaltet<br />
können sie indes großen Schaden anrichten.<br />
In Hirngeweben von Alzheimer-Patienten<br />
lassen sich gleich zwei falsch gefaltete<br />
Proteine nachweisen: Zwischen Nerven -<br />
zellen sind Amyloid-Plaques, »Protein -<br />
verklumpungen«, diffus in der Hirnrinde<br />
und anderen Gehirnregionen eingestreut.<br />
Im Inneren der Nervenzellen liegen zu<br />
Knäueln verklumpte Tau-Fibrillen. Diese<br />
tragen im Zusammenspiel mit genetischen<br />
Faktoren dazu bei, dass der Stoffwechsel<br />
der Nervenzellen aus dem Ruder läuft und<br />
die Kommunikation zwischen den Nervenzellen<br />
gestört ist. Die Nervenzellen verkümmern<br />
und sterben schließlich ab.<br />
Warum lagern sich hier die einzelnen<br />
Moleküle zusammen, und weshalb können<br />
sie von der Zelle nicht abgebaut werden?<br />
Um Antworten auf diese Fragen zu finden,<br />
versuchen wir, die Struktur einzelner Pro -<br />
teine in den Tau-Bündeln zu bestimmen.<br />
Trickreiches Experiment<br />
Konventionelle Methoden zur Strukturbestimmung<br />
versagen hier allerdings, denn<br />
die Plaques und Bündel sind schlicht zu<br />
groß und zudem wasserunlöslich. Sie sind<br />
damit weder <strong>für</strong> die Flüssigkeits-Kernspinresonanz<br />
(NMR)-Spektroskopie noch <strong>für</strong><br />
die Röntgenstrukturanalyse geeignet. Wir<br />
wenden daher eine spezielle Form der<br />
NMR-Spektroskopie an, um diese schweren,<br />
wasserunlöslichen Proteinaggregate zu<br />
erforschen: die Festkörper-NMR-Spektro -<br />
skopie. Dabei nutzen wir einen Trick: Da<br />
sich die Moleküle nicht schnell genug von<br />
selbst drehen, rotieren wir unsere gesamte<br />
Probe bis zu 65.000 Mal pro Sekunde.<br />
Mithilfe von Radiowellen können wir dann<br />
die Struktur der Tau-Fibrillen im starken<br />
Magnetfeld des NMR-Spektrometers untersuchen.<br />
Uns interessieren aber auch die Struk -<br />
turen anderer Proteine, die fest in der<br />
Zell membran verankert sind. Wie verändert<br />
sich beispielsweise die Struktur von<br />
Membranproteinen, wenn andere Mole -<br />
küle – zum Beispiel Medikamente – an sie<br />
binden?<br />
Dr. Adam Lange studierte Physik<br />
in Göttingen und promovierte<br />
2006 am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />
<strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong> in Zusammenarbeit<br />
mit den National<br />
<strong>Institut</strong>es of Health in Bethesda<br />
(Maryland, USA). Anschließend<br />
wechselte er mit einem EMBO-<br />
Stipendium an die ETH Zürich.<br />
Seit 2008 leitet er am <strong>Institut</strong> die<br />
Arbeitsgruppe »Festkörper-NMR-<br />
Spektroskopie«. Adam Lange<br />
wurde 2006 mit der Otto-Hahn-<br />
Medaille der <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Gesellschaft<br />
und dem R. R. Ernst-Preis<br />
der Gesellschaft Deutscher Chemiker<br />
ausgezeichnet.<br />
Kontakt:<br />
adla@nmr.mpibpc.mpg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/research/<br />
ags/lange<br />
Der supraleitende Magnet erzeugt ein<br />
Magnetfeld, das etwa 400.000 Mal so stark<br />
ist wie das Erdmagnetfeld.<br />
A. Lange, I. Scholz, T. Manolikas, M.<br />
Ernst, B. H. Meier: Low-power cross<br />
polarization in fast magic-angle spinning<br />
NMR experiments. Chem. Phys.<br />
Lett. 468, 100-105 (2009).<br />
C. Wasmer, A. Lange, H. Van Melckebeke,<br />
A. B. Siemer, R. Riek, B. H. Meier:<br />
Amyloid fibrils of the HET-s(218-289)<br />
prion form a �-solenoid with a triangular<br />
hydrophobic core. Science 319,<br />
1523-1526 (2008).<br />
A. Lange, K. Giller, S. Hornig, M. F.<br />
Martin-Eauclaire, O. Pongs, S. Becker,<br />
M. Baldus: Toxin-induced conformational<br />
changes in a potassium channel revealed<br />
by solid-state NMR. Nature<br />
440, 959-962 (2006).<br />
43
Dr. Martin Kollmar promovierte<br />
2002 am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong><br />
<strong>für</strong> medizinische Forschung in<br />
Heidelberg im Fach <strong>Chemie</strong>.<br />
Seitdem ist er Leiter der Projektgruppe<br />
»Systembiologie der<br />
Motorpro teine« am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />
<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong>.<br />
Martin Kollmar erhielt 2002<br />
ein Liebig-Stipendium und wurde<br />
1998 mit dem Sophie-Bernthsen-<br />
Preis ausgezeichnet.<br />
Kontakt:<br />
mako@nmr.mpibpc.mpg.de<br />
www.motorprotein.de<br />
F. Odronitz, H. Pillmann, O. Keller,<br />
S. Waack, M. Kollmar: WebScipio:<br />
An online tool for the determination of<br />
gene structures using protein sequences.<br />
BMC Genomics 9, 422 (2008).<br />
F. Odronitz, M. Kollmar: Drawing the<br />
tree of eukaryotic life based on the analysis<br />
of 2269 manually annotated myosins<br />
from 328 species. Genome Biology<br />
8, R196 (2007).<br />
F. Odronitz, M. Hellkamp, K. Kollmar:<br />
diArk – a resource for eukaryotic<br />
genome research. BMC Genomics<br />
8, 103 (2007).<br />
44<br />
Vordergrund: schematische Darstellung<br />
der Organisation der Untereinheiten<br />
im zytoplasmatischen Dynein/<br />
Dynactin-Komplex. Bereits bekannte<br />
Strukturen von Untereinheiten oder<br />
Fragmenten davon sind der schematischen<br />
Darstellung überlagert. Hintergrund:<br />
phylogenetischer Baum der<br />
Dyneine, in dem die verschiedenen<br />
Dynein-Formen farbig markiert sind.<br />
Systembiologie<br />
der Motorproteine<br />
Ob Tiere oder Pflanzen, ihre Zellen haben<br />
ein bewegtes Innenleben. Sie<br />
verfügen über ein molekulares Inventar –<br />
die Motorproteine – mit dem sie diverse<br />
Zell bestandteile gezielt in Bewegung setzen<br />
können. Auch <strong>für</strong> die Bewegung der Muskeln,<br />
die Zellteilung oder die intrazelluläre<br />
Logistik sind solche Motorproteine unentbehrlich.<br />
Wir wollen herausfinden, wie sie<br />
funktionieren und wie verschiedene Motorproteine<br />
als komplexes Netzwerk in der<br />
Zelle zusammenarbeiten. Dazu bestimmen<br />
wir, über welches Arsenal an Motorproteinen<br />
verschiedene Organismen verfügen.<br />
Dabei können wir auf eine stetig steigende<br />
Zahl vollständig sequenzierter Genome zurückgreifen.<br />
Um Motorprotein-Gene zu iden -<br />
tifizieren, vergleichen wir die DNA-Sequen -<br />
zen aus den Genomen vieler verschiedener<br />
Organismen, von Maus und Mensch bis hin<br />
zu Fliege, Fadenwurm und Hefepilz. Wenn<br />
die Sequenz der DNA bekannt ist, heißt<br />
das allerdings noch lange nicht, dass auch<br />
die darin kodierten Gene bekannt sind.<br />
Um Datenbanken zu durchmustern und<br />
Motorprotein-Gene gezielt aufzuspüren,<br />
entwickeln wir daher spezielle Werkzeuge.<br />
Gigant im Reich der Proteine<br />
Die Arbeitsweise der Motorproteine können<br />
wir nur dann verstehen, wenn wir die<br />
Details ihrer räumlichen Struktur kennen.<br />
Derzeit studieren wir den Proteinkomplex<br />
aus Dynein und Dynactin. Beim Transport<br />
unterschiedlicher Zellkomponenten ist er<br />
ebenso beteiligt wie bei der Zellteilung,<br />
wenn die Chromosomen sortiert und<br />
korrekt auf die Tochterzellen verteilt werden<br />
müssen. Dynactin koordiniert und reguliert<br />
den zellulären Frachtverkehr, während<br />
Dynein die da<strong>für</strong> benötigte Energie bereitstellt.<br />
Wie diese molekulare Maschine chemische<br />
Energie in mechanische Arbeit umsetzt,<br />
ist allerdings noch weitgehend ungeklärt.<br />
Kein Wunder, schließlich ist das<br />
Dynein ein wahrer Gigant unter den Proteinen,<br />
rund zwanzigmal so groß wie der<br />
rote Blutfarbstoff Hämoglobin, und daher<br />
Strukturuntersuchungen nur schwer zugänglich.<br />
Seine räumliche Struktur zu entschlüsseln<br />
ist deshalb eine besondere<br />
Herausforderung.
Bioanalytische<br />
Massenspektrometrie<br />
Hochleistungs-Elektrospray-Ionisationsmassenspektrometer<br />
zur quantitativen Analyse von Mole -<br />
külen. Geringste Mengen an Proteinen und Protein -<br />
fragmenten werden mittels Flüssigkeits chromato -<br />
graphie getrennt und direkt in das Massenspektro -<br />
meter »gesprüht«. Der Bildschirm zeigt die Position<br />
des Sprühers (Kapillarnadel aus Kieselglas), aus<br />
dem die Moleküle heraustreten.<br />
Wie viel wiegt ein Molekül? Die Mas -<br />
sen spektrometrie dient dazu, die<br />
Masse – und damit das Gewicht – von Molekülen<br />
exakt zu ermitteln. In den Lebenswissenschaften<br />
ist die moderne »bioanalytische«<br />
Massenspektrometrie von Proteinen<br />
zu einer grundlegenden Analysetechnik geworden.<br />
Dank neuer Methoden können<br />
wir die Proteine in verschiedenen Zellen<br />
und Entwicklungsstadien eines Organismus<br />
quantitativ erfassen. Denn wie sich Zellen<br />
entwickeln und wie Organismen altern,<br />
spiegelt sich auch in deren Proteinmuster<br />
wi der. In Zusammenarbeit mit anderen For -<br />
schungs gruppen ermitteln und vergleichen<br />
wir die Proteinmuster von Proteinkomplexen<br />
und zellulären Kompartimenten, aber auch<br />
ganzer Zellen und Gewebe. Die Unterschiede,<br />
die wir dabei beobachten, helfen<br />
nicht nur, zelluläre Prozesse zu verstehen.<br />
Sie lassen auch Rückschlüsse darauf zu,<br />
was in einer Zelle vor sich geht, wenn sie<br />
sich von einer Vorläuferzelle (zum Beispiel<br />
im Knochenmark) zu einer hochspezialisierten<br />
Immunzelle entwickelt. Nicht zuletzt<br />
interessiert uns, wie sich solche zellulären<br />
Prozesse bei bestimmten Krankheiten<br />
verändern.<br />
Handliche Proteinfragmente<br />
Hierzu analysieren wir allerdings nicht die<br />
intakten Proteine. Vielmehr spalten wir die<br />
aus einer Zelle isolierten Proteine zunächst<br />
in kleinere, handlichere Protein-Fragmente<br />
(Peptide). Anschließend wird nicht nur<br />
deren Masse exakt ermittelt, sondern auch<br />
die Abfolge ihrer einzelnen Bausteine, der<br />
Aminosäuren. Denn sobald wir von einem<br />
oder mehreren dieser Peptide Masse und<br />
Aminosäuresequenz kennen, können wir<br />
das dazugehörige intakte Protein in Datenbanken<br />
zuverlässig identifizieren und des -<br />
sen Menge bestimmen.<br />
Die Eigenschaften von Proteinen ändern<br />
sich mit der Abfolge und dem Modifizierungsgrad<br />
ihrer Aminosäuren. Dies muss<br />
bei der Analyse berücksichtigt werden. So<br />
erfordern Proteine, die Bestandteil von Zell -<br />
membranen sind und beispielsweise Zuckerreste<br />
tragen, andere Analyse-Ver fahren<br />
als solche, die Phosphatreste tragen und das<br />
»An- und Abschalten« spezieller Gene bewirken.<br />
Ein weiteres Ziel unserer Arbeitsgruppe<br />
ist es daher, die bestehenden analytischen<br />
Methoden weiter zu verbessern und<br />
neue Verfahren zu entwickeln, die einen<br />
noch detaillierteren Einblick in das vielgestaltige<br />
Protein-Inventar der Zellen erlauben.<br />
Ionenquelle eines Elektrospray-Ionisa tions-<br />
Massenspektrometers. Zwischen dem Sprüher und<br />
der Öffnung des Massenspektrometers liegt eine<br />
Spannung von ein bis zwei Kilovolt an. Dadurch werden<br />
wie bei einer Düse aus der Öffnung des Sprühers<br />
winzigste geladene Flüssigkeitströpfchen mit den zu<br />
untersuchenden Molekülen in das Massenspektrometer<br />
gesprüht. Dort verdampft das Lösungsmittel,<br />
zurück bleiben geladene Moleküle, deren Masse<br />
exakt bestimmt werden kann.<br />
Dr. Henning Urlaub studierte Biochemie<br />
an der Freien Universität<br />
Berlin und promovierte 1996 am<br />
Berliner <strong>Max</strong>-Delbrück-Centrum<br />
<strong>für</strong> molekulare Medizin. Von 1997<br />
bis 2004 forschte er als Postdoktorand<br />
im Labor von Reinhard<br />
Lührmann in Marburg und Göttingen,<br />
unterbrochen von einigen<br />
Forschungsaufenthalten am Euro -<br />
pean Molecular Biology Laboratory<br />
(EMBL) in Heidelberg. Seit<br />
2005 leitet er die Forschungsgruppe<br />
»Bioanalytische Massenspektrometrie«<br />
am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong><br />
<strong>für</strong> biophysika lische <strong>Chemie</strong>.<br />
Henning Urlaub orga nisiert seit<br />
2004 die »Summer School«-Serie<br />
»Proteomic Basics«. Er ist Vorstandsmitglied<br />
der Deutschen<br />
Gesellschaft <strong>für</strong> Proteomforschung<br />
(DGPF).<br />
Kontakt:<br />
henning.urlaub@mpibpc.mpg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/home/urlaub<br />
T. Oellerich, M. Gronborg, K. Neumann,<br />
H. H. Hsiao, H. Urlaub, J. Wienands:<br />
SLP-65 phosphorylation dynamics reveals<br />
a functional basis for signal integration<br />
by receptor-proximal adaptor proteins.<br />
Mol. Cell. Proteomics 8, 1738-<br />
1750 (2009).<br />
L. Weinmann, J. Hoeck, T. Ivacevic, T.<br />
Ohrt, J. Muetze, P. Schwille, E. Kremmer,<br />
V. Benes, H. Urlaub , G. Meister:<br />
Importin 8 is a gene silencing factor<br />
that targets argonaute proteins to distinct<br />
mRNAs. Cell 136, 496-507<br />
(2009).<br />
E. Meulmeester, M. Kunze, H .H. Hsiao,<br />
H. Urlaub, F. Melchior: Mechanism<br />
and consequences for paralog-specific<br />
sumoylation of ubiquitin-specific protease<br />
25. Mol. Cell 30, 610-619<br />
(2008).<br />
C. Lenz, E. Kuehn-Hoelsken, H. Urlaub:<br />
Detection of protein-RNA crosslinks by<br />
nanoLC-ESI-MS/MS using precursor<br />
ion scanning and multiple reaction monitoring<br />
(MRM) experiments. J. Am.<br />
Soc. Mass Spectrometry 18, 869-881<br />
(2007).<br />
45
Dr. Manfred Konrad studierte<br />
Biologie, Mathematik und <strong>Chemie</strong><br />
und promo vierte 1981 an der Universität<br />
Heidelberg. Von 1978 bis<br />
1979 forschte er als DAAD-Stipen -<br />
diat an der Boston University,<br />
School of Medicine (USA), 1982<br />
ging er als EMBO-Stipendiat an<br />
die University of Bristol (England).<br />
Nach einer Tätigkeit bei der Firma<br />
Gödecke (Freiburg) arbeitete er<br />
zunächst an der Universität Marburg<br />
und kam dann als wissenschaftlicher<br />
Mit arbeiter an das<br />
<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />
<strong>Chemie</strong>. Dort leitet Manfred<br />
Konrad seit 2005 die Arbeitsgruppe<br />
»Enzym-Biochemie«.<br />
Kontakt:<br />
mkonrad@gwdg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/research/<br />
ags/konrad<br />
E. Sabini, S. Hazra, S. Ort, M. Konrad,<br />
A. Lavie: Structural basis for substrate<br />
promiscuity of deoxycytidine kinase. J.<br />
Mol. Biol. 378, 607-621 (2008).<br />
B. M. Wöhrl, L. Loubière, R. Brundiers,<br />
R. S. Goody, D. Klatzmann, M. Konrad:<br />
Expressing engineered thymidylate kinase<br />
variants in human cells to improve<br />
AZT phosphorylation and human immunodeficiency<br />
virus inhibition. J. Gen.<br />
Virol. 86, 757-764 (2005).<br />
C. Monnerjahn, M. Konrad: Modulated<br />
nucleoside kinases as tools to improve<br />
the activation of therapeutic nucleoside<br />
analogues. Chem. Bio. Chem. 4, 143-<br />
146 (2003).<br />
46<br />
Enzym-Biochemie<br />
Ohne Enzyme käme jedes Leben abrupt<br />
zum Stillstand. Diese Biokatalysatoren<br />
ermöglichen eine Fülle chemischer<br />
Vorgänge, die in unserem Körper sonst<br />
nicht stattfinden könnten. Sie beschleunigen<br />
chemische Reak tionen in einem unvorstellbaren<br />
Ausmaß, mitunter um den<br />
Faktor 1020 – mehr als das Trillionenfache.<br />
Um Reaktionen<br />
derart forcieren zu können,<br />
benötigen die En zyme chemische<br />
Ener gie in pas sen -<br />
der Form. Die meisten arbeiten<br />
mit einem kleinen<br />
Molekül namens Adenosin -<br />
tri phos phat (ATP), der universalen<br />
Energie-Währung<br />
der Zelle. Im Durchschnitt<br />
bildet und verbraucht ein<br />
Mensch davon rund 75<br />
Kilo gramm pro Tag.<br />
Wir beschäftigen uns mit Enzymen, die<br />
wirkungslose Vorstufen eines Medikaments<br />
aktivieren können. Bei der Chemotherapie<br />
mancher Krebs-Erkrankungen und<br />
Virus- Infektionen erhalten die Patienten<br />
nicht die eigentliche Wirksubstanz, sondern<br />
eine chemische Vorstufe, Pro-Drug<br />
genannt. Im menschlichen Körper, bestenfalls<br />
nur in den kranken Zellen, entfaltet<br />
das Medikament dann die gewünschte zerstörerische<br />
Wirkung. Dabei kommen häufig<br />
Enzyme ins Spiel, die Phosphatgruppen<br />
an Bausteine der Erbsubstanz hängen. Diese<br />
Enzyme akzeptieren – mehr oder minder<br />
bereitwillig – aber auch ähnliche Moleküle,<br />
die als Pro-Drugs eingeschleust wurden.<br />
Viren und Tumore bremsen<br />
Wenn an diesen »falschen« Bausteinen<br />
drei Phosphatgruppen hängen,<br />
werden sie ebenfalls in neue DNA-<br />
Moleküle eingebaut. Da sie sich nicht optimal<br />
einfügen, wird die Struktur der DNA<br />
� In menschlichen Zellen existieren Enzyme aus der Familie der Kinasen,<br />
die Nukleoside (N) – die Bausteine der DNA – in drei Schritten mit<br />
Phosphat gruppen bestücken. Als Medikament ver abreichte Nukleosid-<br />
Analoga (NA) werden ebenfalls bereit willig akzeptiert, doch ihr Einbau<br />
zerstört die Struktur der DNA.<br />
jedoch instabil, oder die Kette der Bausteine<br />
bricht sogar vorzeitig ab. Dadurch bremsen<br />
die falschen DNA-Bausteine die Vermehrung<br />
von Viren oder hindern einen Tumor<br />
am Wachsen.<br />
Welche molekularen Strukturen ent ste -<br />
hen, wenn die Pro-Drugs mit diesen En zy -<br />
men in Kontakt kommen, wissen wir bereits.<br />
Das hilft uns zu verstehen, warum sich<br />
verschiedene Medikamente unterschiedlich<br />
leicht mit Phosphatgruppen bestücken<br />
lassen. Auf dieser Grundlage wollen wir En -<br />
zymvarianten konstruieren, die bestimmte<br />
Pro-Drugs noch besser und selektiver aktivieren.<br />
Dabei geht es insbesondere um die<br />
strukturellen Spiegelbilder normaler DNA-<br />
Bausteine von lebenden Zellen.<br />
Das Enzym Desoxy -<br />
cytidin-Kinase hängt<br />
Phosphatgruppen an<br />
den DNA-Baustein<br />
Desoxycytidin.<br />
Dabei sind ihm Bild<br />
(D-Desoxycytidin D-dC)<br />
und Spiegelbild (L-Desoxycytidin,<br />
LdC) gleichermaßen<br />
recht.
Nukleinsäurechemie<br />
Sie sind lebenswichtige Bausteine aller<br />
Organismen: Die Nukleinsäuren DNA<br />
und RNA speichern und übertragen die genetische<br />
Information. Ihr Repertoire ist da-<br />
Die Primärstruktur der Ribonukleinsäure (RNA).<br />
Chemische Veränderungen können an den<br />
Nukleo basen, der Zuckereinheit (Ribose) oder<br />
dem Phosphat-Rückgrat angebracht werden.<br />
mit allerdings noch bei weitem nicht erschöpft.<br />
Die Nukleinsäuren erledigen auch<br />
Aufgaben, die Wissenschaftler eigentlich<br />
nur von Proteinen kennen. Genau wie Proteine<br />
kann RNA katalytisch wirken und be -<br />
schleu nigt als Ribozym chemische Reaktionen<br />
im Körper. Sie reguliert aber auch die<br />
Aktivität von Genen durch Riboschalter<br />
oder RNA-Interferenz.<br />
DNA- und RNA-Enzyme<br />
Wir wollen verstehen, wie RNA als Enzym<br />
oder Genregulator arbeitet. Dazu müssen<br />
wir das RNA-Molekül zunächst chemisch<br />
ver ändern. So versehen wir es etwa mit che -<br />
mischen Markierungen, die wir zielgenau an<br />
der Nukleinsäure anbringen können. Die<br />
Eigenschaften dieser veränderten RNA<br />
ana ly sieren wir in Zusammenarbeit mit anderen<br />
Arbeitsgruppen am <strong>Institut</strong>.<br />
Erst seit einigen Jahren weiß man, dass<br />
auch DNA katalytisch wirken kann. Diese<br />
Desoxyribozyme haben unser Wissen über<br />
katalytische Nukleinsäuren auf eine neue<br />
Basis gestellt. Wissenschaftler verwenden<br />
DNA-Enzyme heute bereits in der Forschung<br />
und untersuchen ihren möglichen<br />
Einsatz als Medikamente oder alternative<br />
Biosen soren.<br />
In unserer Gruppe entwickeln wir DNA-<br />
Enzyme, mit denen wir in einem neuen<br />
Verfahren RNA chemisch verändern können.<br />
Doch um aus Desoxyribozymen solch<br />
maßgeschneiderte Werkzeuge zu bauen,<br />
müssen wir im Detail verstehen, wie sie<br />
funktio nieren: Welche der Tausende von<br />
Atomen in einem DNA-Enzym sind an der<br />
Katalyse beteiligt? Woher stammt eigentlich<br />
die Triebkraft, die eine Reaktion beschleunigt?<br />
Um diese Fragen zu beantworten,<br />
analysieren wir die molekularen Details<br />
der Struktur, Funktion und Mechanismen<br />
von DNA-Katalysatoren mit einem<br />
ganzen Arsenal von Methoden aus der<br />
<strong>Chemie</strong>, der Biochemie und der Biophysik.<br />
Dr. Claudia Höbartner studierte<br />
Tech nische <strong>Chemie</strong> an der Technischen<br />
Universität Wien und an<br />
der ETH Zürich. Sie promovierte<br />
2004 an der Leopold-Franzens-<br />
Universität Innsbruck in Organischer<br />
<strong>Chemie</strong>. Von 2005 bis 2007<br />
forschte sie als Erwin-Schrödinger-<br />
Stipendiatin an der University of<br />
Illinois in Urbana-Champaign (USA).<br />
2007 kehrte sie – unterstützt<br />
durch das Hertha-Firnberg-<br />
Programm des österreichischen<br />
Bundesministeriums <strong>für</strong> Wissenschaft<br />
und Forschung – an die<br />
Universität Innsbruck zurück.<br />
Seit März 2008 leitet sie die <strong>Max</strong>-<br />
<strong>Planck</strong>-Forschungsgruppe<br />
»Nukleinsäurechemie« am <strong>Max</strong>-<br />
<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />
<strong>Chemie</strong>.<br />
Kontakt:<br />
claudia.hoebartner@mpibpc.mpg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/research/<br />
ags/hoebartner<br />
Die in-vitro-Selektion ist das Verfahren, mit dem katalytische Nukleinsäuren<br />
im Labor gefunden werden. Dabei werden in einem zyklischen Prozess verschiedenste<br />
Nukleinsäuren aus einer umfassenden Auswahl – einer sogenannten<br />
kombinatorischen Bibliothek – solange sortiert und vervielfältigt, bis<br />
man Ribozyme mit den gewünschten Eigenschaften erhält.<br />
R. Rieder, C. Höbartner, R. Micura:<br />
Enzy matic ligation strategies for the<br />
preparation of purine riboswitches with<br />
site-specific chemical modifications.<br />
In: Riboswitches (Ed. A. Serganov).<br />
Methods Mol. Biol. 540, 15-24 (2009).<br />
C. Höbartner, S. K. Silverman: Recent<br />
ad vances in DNA catalysis. Biopolymers<br />
87, 279-292 (2007).<br />
47
48<br />
Zelluläre<br />
Maschinen
Wie Moleküle sich die Arbeit teilen<br />
Hefepilze zählen zu jenen Lebewesen, die nur aus einer<br />
einzigen Zelle bestehen. Weitgehend autonom sind aber<br />
auch die Körperzellen vielzelliger Organismen wie Maus<br />
und Mensch. Damit Zellen zuverlässig ihre vielfältigen<br />
Aufgaben erfüllen, müssen eine Vielzahl verschiedener<br />
Proteine als molekulare Maschinen reibungslos zusammenarbeiten.<br />
Welche molekularen Maschinen sind jeweils<br />
am Werk, wie funktionieren sie im Detail, und wie<br />
ist ihre Zusammenarbeit organisiert? Solchen Fragen<br />
widmen sich mehrere Abteilungen und Forschungsgruppen<br />
mit biochemischen, molekulargenetischen, mikroskopischen<br />
und fluoreszenzspektroskopischen Methoden.<br />
49
50<br />
Zelluläre Biochemie<br />
Ob Muskeln, Haut oder Leber – in jedem<br />
Gewebe gibt es eine Fülle vielgestaltiger Proteine.<br />
Die Baupläne <strong>für</strong> all diese Proteinmoleküle<br />
liegen verschlüsselt im Zellkern in der Erbsubstanz<br />
Desoxyribonukleinsäure (DNA) vor.<br />
Um nach diesen Bauplänen Proteine herzu -<br />
stellen, wird ein Gen zunächst in die Rohfassung<br />
einer Boten-Ribonukleinsäure (Boten-RNA) umkopiert.<br />
Diese Rohfassung lässt sich allerdings<br />
nicht sofort <strong>für</strong> die Proteinproduktion einsetzen.<br />
Denn gewöhnlich liegt der Bauplan <strong>für</strong> ein Protein<br />
nicht in einem Stück vor, sondern in mehreren<br />
Abschnitten – den Exons. Zwischen diesen Exons<br />
liegen Bereiche, die aus der Rohfassung heraus -<br />
geschnitten werden müssen – die Introns. Erst in<br />
diesem Arbeitsgang, dem Spleißen, werden alle<br />
benötigten Exons zu einer gebrauchsfertigen Boten-RNA<br />
lückenlos miteinander verbunden.<br />
Das erscheint zwar recht kompliziert, hat aber<br />
einen Vorteil: Bei Bedarf können unterschiedliche<br />
Exons ausgewählt und zu einer Boten-RNA zusammengesetzt<br />
werden. Damit liefert ein einzelnes<br />
Gen die Baupläne <strong>für</strong> viele verschiedene Proteine.<br />
Dieser als alternatives Spleißen bezeichnete<br />
Prozess erklärt, warum der Mensch mit einem<br />
recht bescheidenen Sortiment von zirka 25.000<br />
Genen weit mehr als 100.000 unterschiedliche<br />
Proteine herstellen kann.<br />
Zuschnitt nach Maß<br />
Um die Rohfassung einer Boten-RNA in ein<br />
taugliches Endprodukt zu verwandeln, muss das<br />
Spleißen sehr präzise ablaufen. Kein Wunder, dass<br />
Aus der Rohfassung<br />
schneidern Spleißosomen eine<br />
Boten-RNA zurecht, die dann außerhalb<br />
des Zellkerns als Bauplan <strong>für</strong> die<br />
Proteinproduktion dient.<br />
Ein katalytisch<br />
aktives Spleißosom<br />
hat eine komplexe<br />
Raumstruktur.<br />
dies eine komplizierte molekulare Maschinerie<br />
bewerkstelligt, das Spleißosom. Es setzt sich aus<br />
über 150 Proteinen und fünf kleinen RNA-Molekülen<br />
(den snRNAs U1, U2, U4, U5 und U6) zusammen.<br />
Viele dieser spleißosomalen Proteine<br />
lie gen nicht ungeordnet im Zellkern herum, sondern<br />
formieren sich in präzise organisierten Verbänden.<br />
So lagern sich beispielweise etwa 50 dieser<br />
Proteine mit den snRNAs zu RNA-Protein-<br />
Partikeln zusammen. Diese sogenannten snRNPs<br />
(Snurps) dienen dem Spleißosom als vorgefertigte<br />
Bauteile.<br />
Ein molekularer Schneidetisch<br />
Wie wir heute wissen, wird das Spleißosom bei jedem<br />
Spleißvorgang vor Ort neu zusammengebaut.<br />
An der Boten-RNA werden dazu nach und nach<br />
die snRNPs und weitere Helferproteine rekrutiert.
Jedes dieser fünf RNA-Protein-Partikel<br />
ist <strong>für</strong> bestimmte Aufgaben zuständig.<br />
So gilt es zum Beispiel, Anfang und Ende<br />
eines Introns zu erkennen und einander<br />
zu nähern, um die angrenzenden<br />
Exons dann beim Spleißen sofort<br />
zu verbinden. Die molekularen »Scheren«,<br />
die das Intron herausschneiden,<br />
werden dabei erst schritt weise aktiviert.<br />
Hierbei findet ein reges Kommen und<br />
Gehen der snRNAs und Proteine statt,<br />
das zeitlich exakt ge steuert wird. Vermutlich<br />
gewährleistet diese aufwendige<br />
Prozedur eine exakte Schnittführung<br />
und damit eine fehlerlose Bauanleitung<br />
<strong>für</strong> das benötigte Protein.<br />
Unser Ziel ist es, diese dramatische<br />
strukturelle Dynamik des Spleißosoms<br />
»filmartig« festzuhalten. Gleichzeitig<br />
wollen wir verstehen, wie die molekularen<br />
Scheren des Spleißosoms – sein katalytisches<br />
Zentrum – zusammengesetzt<br />
sind und möchten diesen Scheren beim<br />
Herausschneiden eines Introns zuschauen.<br />
Dazu haben wir die Spleißo -<br />
somen bei verschiedenen Arbeitsschritten<br />
angehalten, sie in diesen Zuständen<br />
isoliert und ihre Bestandteile analysiert.<br />
Umgekehrt gelingt es uns, Spleißo -<br />
somen auch wieder aus den isolierten<br />
Bestandteilen zu biologisch aktiven Maschinen<br />
zusammenzubauen. Indem wir<br />
einzelne Teile gezielt entfernen oder<br />
verändern, können wir beobachten, wie<br />
sich diese Manipulationen auf das<br />
Spleißosom auswirken.<br />
Um die Arbeitsweise dieser faszinierenden<br />
molekularen Maschine im<br />
Detail zu verstehen, verfolgen wir einen<br />
interdisziplinären Ansatz. Neben biochemischen<br />
und <strong>biophysikalische</strong>n<br />
Methoden benutzen wir vor allem die<br />
hochauflösende Elektronenmikroskopie<br />
und die Röntgenkristallstrukturana lyse.<br />
Sie liefern uns dreidimensionale Modelle<br />
einzelner snRNPs und vollständiger<br />
Spleißosomen und atomare Details der<br />
beteiligten Makromoleküle.<br />
Aktive Spleißosomen (rot angefärbt) befinden<br />
sich nur in bestimmten Regionen des Zellkerns.<br />
Folgenschwere Fehler<br />
Die molekulare Analyse des Spleißo -<br />
soms, die wir mit unserem interdiszipli -<br />
nären Ansatz verfolgen, wird nicht nur<br />
dazu beitragen, Erkenntnisse über die<br />
Ursachen molekularer Krankheiten zu<br />
liefern, die auf Fehler beim Spleißen<br />
der Boten-RNA beruhen. Sie wird auch<br />
neue Therapieansätze zur Behand lung<br />
solcher Krankheiten ermöglichen. Neu -<br />
ere Schätzungen gehen davon aus, dass<br />
mehr als 20 Prozent humaner genetischer<br />
Erkrankungen auf Muta tio nen<br />
zurückzuführen sind, die die Funktion<br />
von Spleißosomen beeinträchtigen.<br />
Im Herzen des Spleißosoms:<br />
Eine RNase H-ähnliche Domäne im Prp8-Protein<br />
(hier als Kristallstruktur gezeigt) lässt vermuten,<br />
dass das Spleißosom ein RNP-Enzym ist.<br />
Prof. Dr. Reinhard Lührmann promovierte<br />
1975 an der Universität<br />
Münster im Fach <strong>Chemie</strong>. Von<br />
dort wechselte er an das Berliner<br />
<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> molekulare<br />
Genetik, wo er von 1981 bis<br />
1988 am Otto-Warburg-Laboratorium<br />
eine selbstständige Arbeitsgruppe<br />
leitete. Im Jahr 1982 habilitierte<br />
er sich an der Freien Universität<br />
Berlin in Molekularbio -<br />
logie und Biochemie. 1988 übernahm<br />
er eine Professur <strong>für</strong> Physiologische<br />
<strong>Chemie</strong> und Molekulare<br />
Biologie am Fachbereich<br />
Medizin der Universität Marburg.<br />
Seit 1999 leitet er am <strong>Max</strong>-<br />
<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> biophysika -<br />
lische <strong>Chemie</strong> die Abteilung<br />
»Zelluläre Biochemie«. Reinhard<br />
Lührmann erhielt mehrere wissen -<br />
schaftliche Preise, unter anderem<br />
den <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Forschungs -<br />
preis (1990), den Leibniz-Preis<br />
(1996), den Feldberg-Preis (2002)<br />
und den Ernst-Jung-Preis <strong>für</strong><br />
Medizin (2003). Er ist Hono rar -<br />
professor an den Universitäten<br />
Göttingen und Marburg.<br />
Kontakt:<br />
reinhard.luehrmann@mpibpc.mpg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/research/<br />
dep/luehrmann<br />
M. C. Wahl, C. L. Will, R. Lührmann:<br />
The spliceosome: design principles of a<br />
dynamic RNP machine. Cell 136, 701-<br />
718 (2009).<br />
S. Bessonov, M. Anokhina, C. L. Will,<br />
H. Urlaub, R. Lührmann: Isolation of<br />
an active step 1 spliceosome and composition<br />
of its RNP core. Nature 452,<br />
846-850 (2008).<br />
H. Stark, R. Lührmann: Electron cryomicroscopy<br />
of spliceosomal components.<br />
Ann. Rev. Biophys. Biomol.<br />
Structure 35, 435-457 (2006).<br />
51
Prof. Dr. Holger Stark studierte<br />
Bio chemie und promovierte 1997<br />
am Fritz-Haber-<strong>Institut</strong> in Berlin.<br />
Anschließend forschte er am Imperial<br />
College in London und von<br />
1998 bis 1999 an der Universität<br />
Marburg. Im Jahr 2000 wechselte<br />
er als Gruppenleiter an das <strong>Max</strong>-<br />
<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />
<strong>Chemie</strong>. Seit 2008 ist er zudem<br />
Professor <strong>für</strong> Molekulare<br />
Kryo-Elektronenmikroskopie an<br />
der Universität Göttingen. Für<br />
seine Forschung erhielt Holger<br />
Stark zahlreiche Auszeichnungen,<br />
unter anderem die Otto-<br />
Hahn-Medaille der <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />
Gesellschaft (1997), den Förderpreis<br />
der Deutschen Gesellschaft<br />
<strong>für</strong> Elektronenmikroskopie (1998)<br />
sowie den BioFuture-Preis (2005).<br />
Kontakt:<br />
hstark1@gwdg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/groups/stark<br />
F. Herzog, I. Primorac, P. Dube, P. Lenart,<br />
B. Sander, K. Mechtler, H. Stark, J.<br />
M. Peters: Structure of the anaphase<br />
promoting complex/cyclosome inter -<br />
acting with a mitotic checkpoint complex.<br />
Science 323, 1477-1481 (2009).<br />
A. Chari, M. M. Golas, M. Klingenhager,<br />
N. Neuenkirchen, B. Sander, C. Englbrecht,<br />
A. Sickmann, H. Stark, U. Fischer:<br />
An assembly chaperone collaborates<br />
with the SMN complex to generate<br />
spliceosomal SnRNPs. Cell 135, 497-<br />
509 (2008).<br />
B. Kastner, N. Fischer, M. M. Golas, B.<br />
Sander, P. Dube, D. Boehringer, K. Hartmuth,<br />
J. Deckert, F. Hauer, E. Wolf, H.<br />
Uchtenhagen, H. Urlaub, F. Herzog, J.<br />
M. Peters, D. Poerschke, R. Luhrmann,<br />
H. Stark: GraFix: sample preparation for<br />
single-particle electron cryomicroscopy.<br />
Nat. Methods 5, 53-55 (2008).<br />
B. Sander, M. M. Golas, E. M. Makarov,<br />
H. Brahms, B. Kastner, R. Luhrmann, H.<br />
Stark: Organization of core spliceosomal<br />
com ponents U5 snRNA loop I and<br />
U4/U6 Di-snRNP within U4/U6.U5<br />
Tri-snRNP as revealed by electron cryomicroscopy.<br />
Mol. Cell 24, 267 (2006).<br />
52<br />
Molekulare<br />
Kryo-Elektronenmikroskopie<br />
Mit molekularen Maschinen hält jede<br />
Zelle ihren Stoffwechsel in Gang.<br />
Oft sind es sehr komplexe Gebilde, zusammengesetzt<br />
aus einer Vielzahl verschiedener<br />
Komponenten. Um diese Maschinen im<br />
Nanokosmos der Zelle direkt in »Aktion«<br />
zu beobachten, müssen Wissenschaftler allerdings<br />
einiges an Aufwand betreiben.<br />
Momentaufnahmen in Schockstarre<br />
In unserer Gruppe untersuchen wir Makromoleküle<br />
mithilfe der Kryo-Elektronen mi -<br />
kroskopie in schockgefrorenem Zustand.<br />
Das mag paradox klingen, doch durch blitzartiges<br />
Einfrieren lässt sich die molekulare<br />
Maschinerie während ganz unterschied -<br />
licher Arbeitsschritte stoppen. Das Elektronenmikroskop<br />
liefert uns mit diesen Proben<br />
eine ganze Serie von Aufnahmen eines<br />
Makromoleküls aus verschiedenen Blickwinkeln<br />
und zu verschiedenen Zeitpunkten.<br />
Aus diesen Einzelbildern setzen wir<br />
mithilfe spezieller Computerprogramme<br />
schließlich die räumliche Struktur zusammen.<br />
Diese zeigt uns, wie die molekulare<br />
Maschine aussieht und wie sie sich ver -<br />
ändert – und das in 3D.<br />
Wir wenden diese Technik auf eine Vielzahl<br />
unterschiedlicher molekularer Ma-<br />
schinen an, die an wichtigen Schaltstellen<br />
der zellulären Informationsverarbeitung<br />
sitzen. Diese Maschinen bestehen häufig<br />
nicht allein aus Proteinen, sondern sie sind<br />
komplexe Verbünde aus Proteinen und<br />
Nukleinsäuren. Zum Beispiel untersuchen<br />
wir, wie die Proteinfabrik der Zelle – das<br />
Ribosom – durch Ablesen der Erbinformation<br />
Proteine herstellt. Derzeit unter -<br />
suchen wir auch Spleißosomen. Sie treten<br />
in Aktion, nachdem die Baupläne <strong>für</strong> Proteine<br />
in die Rohfassung einer Boten-RNA<br />
umkopiert wurden. Spleißosomen schneiden<br />
die nicht benötigten Teile aus der Boten-RNA<br />
heraus und bringen so die Baupläne<br />
in eine lesbare Form. Daneben er -<br />
forschen wir einen lebenswichtigen Proteinkomplex,<br />
der bei der Zellteilung eine<br />
wichtige Rolle spielt: den sogenannten<br />
Anaphase einleitenden Komplex. Er sorgt<br />
da<strong>für</strong>, dass die Erbinformation korrekt auf<br />
die beiden Tochterzellen verteilt wird.<br />
Dank der Kryo-Elekronenmikroskopie<br />
können wir die räumliche Struktur und die<br />
Bewegungen solch unterschiedlicher molekularer<br />
Maschinen direkt »während ihrer<br />
Arbeit« beobachten – und lernen so, ihre<br />
Funktion im Detail zu verstehen.<br />
Das Ribosom<br />
»bei der Arbeit«!
Ribosomendynamik<br />
Etikett <strong>für</strong> Membranproteine<br />
Alle lebenden Zellen sind von einer Zellmembran<br />
umhüllt, die ihr Inneres von der<br />
Außenwelt abgrenzt. Sie besteht aus einer<br />
Doppelschicht fettähnlicher Moleküle, in<br />
der zahlreiche Proteine eingelagert sind,<br />
die ganz bestimmte Funktionen erfüllen.<br />
Einige arbeiten beispielsweise als »Empfangs-Antennen«<br />
<strong>für</strong> die Aufnahme von<br />
Signalen. Andere dienen als Schleusen, die<br />
nur bestimmte Stoffe passieren lassen. Wie<br />
aber werden solche Proteine in die Zellmembran<br />
eingefügt?<br />
Zumeist geschieht ihr Einbau in die Zellmembran,<br />
noch während das Protein am<br />
Ribosom zusammengesetzt wird. Ribo -<br />
somen, die Membranproteine zusammenbauen,<br />
müssen daher zur Zellmembran<br />
dirigiert werden. Doch wie wird ein Membranprotein<br />
erkannt, und wie wird das am<br />
Zusammenbau beteiligte Ribosom rekrutiert?<br />
Wie dieser komplexe Vorgang gesteuert<br />
wird, erforschen wir in Bakterienzellen.<br />
Werden die ersten Bausteine eines<br />
Membranproteins am Ribosom zusammengefügt,<br />
erhält es bereits ein ganz spezielles<br />
Etikett. Dieses Etikett (»Signal -<br />
sequenz«) wird von einem Ribonuklein -<br />
säure-Protein-Komplex – dem Signalerkennungspartikel<br />
(SRP) – erkannt, der das<br />
wachsende Protein mitsamt dem Ribosom<br />
an die Zellmembran dirigiert. Wechsel -<br />
wirkungen des Ribosoms mit dem Signalerkennungspartikel<br />
und Helferproteinen<br />
führen schließlich dazu, dass das ent ste -<br />
hen de Protein während der weiteren Synthese<br />
in die Membran integriert wird. Die<br />
molekularen Vorgänge bei diesem Prozess<br />
sind ein Schwerpunkt unserer Forschung.<br />
Ribosomen in Bewegung<br />
In einem zweiten Projekt untersuchen wir<br />
in Kooperation mit Marina Rodnina und<br />
Holger Stark die molekularen Bewegungen<br />
von Molekülen auf dem Ribosom, wäh rend<br />
es ein Protein synthetisiert. Die da<strong>für</strong><br />
nötige Energie steckt im Speichermolekül<br />
GTP und wird frei, wenn das GTP ge -<br />
spalten wird. Diese Energie gezielt auf das<br />
Schema der Membranassoziation eines trans latierenden<br />
Ribosoms. Gezeigt ist der Querschnitt der 50S-Untereinheit<br />
des Ribosoms. Das wachsende Peptid innerhalb des<br />
Peptidaustrittstunnels ist blau, die exponierte Signalsequenz<br />
rot. Protein L23 (gelb) ist Teil der Bindungsstelle von<br />
SRP. Der Kontakt des wach senden Peptids mit dem Protein<br />
L23 induziert eine Konformationsänderung, welche die SRP-<br />
Bindung verstärkt. Anschließend bindet SRP an den SRP-<br />
Rezeptor, der den Kontakt mit der Membran und der Translokationspore<br />
(»Translocon«) vermittelt.<br />
Ribosom zu übertragen, ist Aufgabe des<br />
Elongationsfaktors G. Wir wollen herausfinden,<br />
wie dieses Protein Bewegungen auf<br />
dem Ribosom in Gang setzt: direkt, durch<br />
eine mechanische Kopplung vergleichbar<br />
mit der Welle in einem Motor, oder indirekt,<br />
über einen Mechanismus, der die<br />
spontane Eigenbewegung der Moleküle<br />
nutzt – die Brown’sche Molekularbewegung.<br />
Die Kombination von Methoden der<br />
physikalischen Biochemie und der Kryo-<br />
Elektronenmikroskopie sollen in diesem<br />
Projekt zum Ziel führen.<br />
Prof. Dr. Wolfgang Wintermeyer<br />
promovierte in <strong>Chemie</strong> an der<br />
Ludwig-<strong>Max</strong>i milians-Universität<br />
München. Nach der Habilitation<br />
im Jahr 1979 forschte er mit einem<br />
Heisenberg-Stipendium der<br />
Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />
weiter in München, am<br />
Karolinska <strong>Institut</strong>et (Stockholm)<br />
und am Massachusetts <strong>Institut</strong>e<br />
of Technology (Cambridge, USA).<br />
Von 1987 bis zu seiner Emeritierung<br />
im Jahr 2009 hatte er den<br />
Lehrstuhl <strong>für</strong> Molekularbiologie<br />
an der privaten Universität Witten/Herdecke<br />
inne. Von 1991 bis<br />
2007 war er dort Dekan der Fakultät<br />
<strong>für</strong> Biowissenschaften. Seit<br />
2009 ist Wolfgang Wintermeyer<br />
<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Fellow und Leiter<br />
der Arbeitsgruppe »Ribosomendynamik«<br />
in der Abteilung<br />
»Phy sikalische Biochemie« am<br />
<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> biophysi -<br />
kalische <strong>Chemie</strong>.<br />
Kontakt:<br />
Wolfgang.Wintermeyer@mpibpc.<br />
mpg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/home/<br />
wintermeyer<br />
T. Bornemann, J. Jöckel, M. V. Rodnina,<br />
W. Wintermeyer: Signal sequence-independent<br />
membrane targeting of ribosomes<br />
containing short nascent peptides<br />
within the exit tunnel. Nat. Struct. Mol.<br />
Biol. 15, 494-499 (2008).<br />
A. Savelsbergh, V. I. Katunin, D. Mohr,<br />
F. Peske, M. V. Rodnina, W. Winter -<br />
meyer: An elongation factor G-induced<br />
ribosome rearrangement preceeds<br />
tRNA-mRNA translocation. Mol. Cell<br />
11, 1517-1523 (2003).<br />
53
54<br />
Physikalische Biochemie<br />
Nichts geht ohne Proteine: Sie halten eine<br />
Zelle in Form, sorgen <strong>für</strong> Mobilität, Frachttransport<br />
und Kommunikation, und nicht zuletzt<br />
sind sie überall im Spiel, wo Aufbau-, Abbau- oder<br />
Umbauprozesse stattfinden. Produziert werden<br />
Proteine nach Bauplänen, die in der Erbsubstanz<br />
Desoxyribonukleinsäure (DNA) ge speichert sind.<br />
Komplexe molekulare Maschinen (Ribosomen)<br />
sind da<strong>für</strong> zuständig, die einzelnen Bausteine der<br />
Proteine – die Aminosäuren – in der durch den<br />
Bauplan bestimmten Reihenfolge an einander zu -<br />
fügen. Zusammengesetzt aus mehr als fünfzig Proteinkomponenten<br />
und drei bis vier Ribo nuklein -<br />
säure-Molekülen, sind Ribosomen mit Dimensionen<br />
von 10 bis 20 Nanometern etwa so groß wie<br />
die kleinsten Viren. Um diese Molekülkomplexe<br />
bei der Arbeit zu beobachten, nutzen wir verschiedene<br />
<strong>biophysikalische</strong> Methoden wie die Fluoreszenzspektroskopie<br />
und schnelle kinetische Techniken.<br />
Strukturmodell eines bakteriellen<br />
Ribosoms. Die beiden Transfer-<br />
Ribonukleinsäuren, die daran andocken,<br />
bringen passende<br />
Aminosäuren.
Präzisionsarbeit<br />
Auch wenn hunderte, manchmal sogar<br />
tausende von Aminosäuren aneinandergereiht<br />
werden, kommt es auf jede einzelne<br />
an. Ein einziger falscher Baustein<br />
kann das Protein arbeitsunfähig machen.<br />
Schlimmstenfalls kann ein defektes<br />
Protein sogar Schaden anrichten.<br />
Wie es den Ribosomen gelingt, die Fehlerquote<br />
so erstaunlich niedrig zu halten,<br />
interessiert uns deshalb besonders.<br />
Bekannt ist bereits, dass Ribosomen auf<br />
einen Kontakt mit einem falschen Baustein<br />
gewöhnlich nicht reagieren. Nur<br />
wenn der richtige Baustein andockt,<br />
löst das eine prompte Strukturveränderung<br />
aus, die schließlich zur Verknüpfung<br />
der Aminosäuren führt. Das Ribosom<br />
bringt dabei zwei Aminosäuren derart<br />
in Position, dass sie bereitwillig in<br />
Verbindung treten. So wird es zum Katalysator,<br />
der die Verkettung von Amino -<br />
säuren zehn Millionen Mal beschleunigt.<br />
Welche molekularen Prozesse bei<br />
der Strukturveränderung im Spiel sind<br />
und wie der katalytische Mechanismus<br />
im Detail funktioniert, versuchen wir<br />
derzeit herauszufinden.<br />
Erwünschte »Fehler«<br />
Gewöhnlich läuft die Produktion eines<br />
Proteins nach Plan. Ein Bauplan aus Ribonukleinsäure<br />
gibt genau vor, welche<br />
der zwanzig gängigen Aminosäuren in<br />
welcher Reihenfolge aneinandergehängt<br />
werden müssen. Fehler sind selten –<br />
manchmal aber sogar notwendig, um<br />
das gewünschte Protein zu erhalten:<br />
Nur wenn das Ribosom scheinbar einen<br />
Fehler macht, kann es nämlich spezielle<br />
Aminosäuren wie Selenocystein ein -<br />
bauen, die nicht zum Standardrepertoire<br />
gehören. Doch welche Mechanismen<br />
erlauben solche Ausnahmen von der<br />
Regel? Wenn wir das ergründen, hoffen<br />
wir zugleich, besser zu verstehen, wie<br />
Fehler normalerweise vermieden wer -<br />
den. Möglicherweise lassen sich solche<br />
Erkenntnisse eines Tages auch medizinisch<br />
nutzen.<br />
Laufend umstrukturiert<br />
Während das Ribosom ein Protein<br />
Schritt <strong>für</strong> Schritt zusammenbaut, verändert<br />
es im selben Rhythmus seine<br />
räumliche Struktur. Dabei kommen bestimmte<br />
Proteinfaktoren ins Spiel. Der<br />
Elongationsfaktor G zum Beispiel setzt<br />
mit chemischer Energie eine tiefgreifende<br />
Umstrukturierung des Ribosoms<br />
in Gang, ähnlich wie Motorproteine in<br />
Muskelzellen chemische Energie in<br />
me chanische Arbeit verwandeln. Gemeinsam<br />
mit der Arbeitsgruppe von<br />
Wolfgang Wintermeyer studieren wir<br />
diesen Vorgang mit biochemischen und<br />
<strong>biophysikalische</strong>n Methoden. In Ko ope -<br />
ra tion mit der Arbeitsgruppe von Holger<br />
Stark versuchen wir, diese Struktur -<br />
veränderungen am Ribosom mit der<br />
Kryo-Elektro nen mikroskopie sichtbar<br />
zu machen.<br />
Prof. Marina Rodnina hat in Kiew<br />
Bio logie studiert und dort 1989<br />
promoviert. Anschließend kam<br />
sie mit einem Forschungsstipendium<br />
der Alexander von Humboldt-Stiftung<br />
an die Universität<br />
Witten/Herdecke, wo sie von<br />
1992 bis 1997 als wissenschaftliche<br />
Assistentin arbeitete. Nach<br />
der Habilitation 1997 wurde sie<br />
dort zur Universitätsprofes sorin<br />
berufen und hatte von 2000 bis<br />
2009 den Lehrstuhl <strong>für</strong> Physikalische<br />
Biochemie inne. Seit 2008<br />
leitet sie als Direktorin die Abteilung<br />
»Physikalische Biochemie«<br />
am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> bio -<br />
physika lische <strong>Chemie</strong>. Sie ist<br />
seit 2008 Mitglied der Deutschen<br />
Akademie der Natur forscher<br />
Leopoldina, Halle.<br />
Kontakt:<br />
rodnina@mpibpc.mpg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/<br />
research/dep/rodnina<br />
P. Milon, A. L. Konevega, C. O. Gualerzi,<br />
M. V. Rodnina: Kinetic checkpoint at a<br />
late step in translation initiation. Mol.<br />
Cell 30, 712-720 (2008).<br />
A. L. Konevega, N. Fischer, Y. P. Semenkov,<br />
H. Stark, W. Wintermeyer, M. V.<br />
Rodnina: Spontaneous reverse movement<br />
of tRNA-mRNA through the ribosome.<br />
Nat. Struct. Mol. Biol. 14, 318-<br />
324 (2007).<br />
M. Diaconu, U. Kothe, F. Schlünzen, N.<br />
Fischer, J. Harms, A. G. Tonevitski, H.<br />
Stark, M. V. Rodnina, M. C. Wahl:<br />
Structural basis for the function of the<br />
ribosomal L7/L12 stalk in factor binding<br />
and activation of GTP hydrolysis. Cell<br />
121, 991-1004 (2005).<br />
55
56<br />
Mitteilsame<br />
Nervenzellen
Wie Signale weitergeleitet werden<br />
Einen Ball fangen, eine Gefahr rechtzeitig erkennen,<br />
sich an etwas erinnern oder eine Rechenaufgabe<br />
lösen – scheinbar mühelos speichert unser Nervensystem<br />
von frühester Kindheit an Erfahrungen, steuert<br />
komplizierte Bewegungsabläufe und erschafft<br />
unser Bewusstsein. Hundert Milliarden Nervenzellen<br />
umfasst das Nervensystem des Menschen schätzungsweise.<br />
Und die einzelnen Nervenzellen können<br />
jeweils mit Tausenden von Nachbarn Kontakt aufnehmen.<br />
Aus kleinen Membranbläschen, den Speichervesikeln,<br />
werden dabei spezielle Botenstoffe freigesetzt,<br />
die das Verhalten bestimmter Nachbarzellen<br />
beeinflussen. Ziel der Forscher am <strong>Institut</strong> ist es, die<br />
molekularen Prozesse aufzuklären, die Nervenzellen ihre<br />
Fähigkeit verleihen, Informationen zu sammeln und<br />
zu verarbeiten – bis hin zu komplexen Gehirnfunktionen<br />
wie Lernen und Gedächtnis.<br />
57
58<br />
Neurobiologie<br />
Nervenzellen sind Spezialisten <strong>für</strong> Kommuni -<br />
kation. Sie nehmen Signale auf, verarbeiten<br />
sie und geben sie weiter, an Muskelzellen zum Beispiel<br />
oder an benachbarte Nervenzellen. Gewöhnlich<br />
werden diese Signale über spezielle Boten -<br />
stoffe vermittelt. Portionsweise verpackt in kleine<br />
Membranbläschen, die synaptischen Vesikel, liegen<br />
die Signalmoleküle im Inneren der Nervenzellen<br />
bereit. Wenn elektrische Signale anzeigen, dass<br />
eine Botschaft übermittelt werden soll, verschmelzen<br />
einige synaptische Vesikel mit der Zellmembran<br />
und entleeren ihren Inhalt nach außen.<br />
Kontaktfreudige SNAREs<br />
Das molekulare Inventar synaptischer Vesikel ist<br />
mittlerweile weitgehend bekannt. Sie enthalten<br />
faszinierende Proteine, die alle Aufgaben synaptischer<br />
Vesikel erledigen. Diese Membranbläschen<br />
sind nicht nur <strong>für</strong> die Aufnahme und Speicherung<br />
von Botenstoffen zuständig, sie müssen Signale<br />
erkennen und Membranen verschmelzen. Hierbei<br />
spielen spezielle Proteine, die sogenannten<br />
SNAREs, eine wichtige Rolle.<br />
Gemeinsam mit anderen Forschergruppen wollten<br />
wir herausfinden, wie die SNAREs zusammenarbeiten,<br />
um Membranen zu fusionieren. Inzwischen<br />
wissen wir das recht genau: Wenn passende<br />
� Modell eines aufgeschnittenen<br />
synaptischen Vesikels mit der<br />
ringförmigen Vesikelmembran, in<br />
die verschiedene Proteine eingebettet<br />
sind. Im Inneren ist der<br />
Botenstoff Glutamat gespeichert.
Wenn Membranen miteinander verschmelzen, sind bestimmte Proteine im Spiel: die SNARES<br />
(blau, rot und grün).<br />
SNAREs miteinander in Kontakt treten<br />
und sich ineinander verhaken, verändern<br />
sie ihre Form. Anscheinend üben<br />
sie dabei eine solche Zugkraft aus, dass<br />
die Membranen, in denen sie verankert<br />
sind, einander extrem nahe kommen<br />
und schließlich verschmelzen. Dieser<br />
Prozess, der von zahl reichen anderen<br />
Proteinen kontrolliert wird, lässt sich im<br />
Reagenzglas nachstellen. In einem unserer<br />
Forschungsschwerpunkte nehmen<br />
wir die viel fältigen Faktoren, auf die es<br />
dabei ankommt, einzeln genauer unter<br />
die Lupe.<br />
SNAREs werden nicht nur dann gebraucht,<br />
wenn sich synaptische Vesikel<br />
entleeren. Sie beteiligen sich auch bei<br />
den vielfältigen Membranfusionen, die<br />
im Inneren jeder belie bigen Zelle ablaufen.<br />
Was auch immer biologische Membranen<br />
umschließen, sie werden ständig<br />
umgebaut. Dabei schnüren sie kleine<br />
Bläschen ab, die sich dann in ein anderes<br />
Membran system einfügen. Derzeit<br />
untersuchen wir, wie die SNAREs<br />
jeweils gesteuert werden, wenn unterschiedliche<br />
Membranen im Spiel sind.<br />
Schließlich sollen benachbarte Strukturen<br />
nicht wahllos fusionieren. Nervenzellen<br />
zum Beispiel sollen ihre Botenstoffe<br />
nur dann ausschütten, wenn sie<br />
eine Nachricht zu übermitteln haben.<br />
Wir möchten herausfinden, was allen<br />
Membranfusionen gemeinsam ist und<br />
was sie voneinander unterscheidet.<br />
Die Arbeitsgruppe von Hans Dieter<br />
Schmitt beschäftigt sich ebenfalls mit<br />
den SNARE-Proteinen. Als Modellsystem<br />
dient ihr die Bäckerhefe, weil sich<br />
bei diesem einzelligen Pilz einzelne Gene<br />
leicht ein- oder ausschalten lassen.<br />
Im Mittelpunkt des Interesses stehen<br />
die von einer Proteinhülle umgebenen<br />
Transportvesikel. Bemerkenswert ist,<br />
dass die SNAREs dabei helfen, diese<br />
Protein hülle abzustreifen. Erst dann<br />
können die SNAREs ihre eigentliche<br />
Arbeit verrichten und die Membranen<br />
ver schmelzen.<br />
Karin Kühnel untersucht einen destruktiven<br />
Prozess, an dem ebenfalls<br />
Membranen beteiligt sind: Wenn Zellen<br />
den »Gürtel enger schnallen« müssen,<br />
fangen sie an, sich selbst zu verzehren.<br />
Dabei bilden sie Membranvesikel, die<br />
Zellbestandteile einschließen. Diese<br />
werden dann im »Magen« der Zelle,<br />
dem Lysosom, verdaut. Dieser als Autophagozytose<br />
bezeichnete Vorgang hilft<br />
der Zelle nicht nur Hungerperioden zu<br />
überstehen, sondern sorgt auch <strong>für</strong> routinemäßiges<br />
Aufräumen. Beschädigte<br />
oder zusammengelagerte Zellbausteine<br />
werden auf diese Weise entsorgt. Karin<br />
Kühnels Forschungsschwerpunkt ist die<br />
räumliche Struktur der daran beteiligten<br />
Proteine.<br />
Interne Arbeitsgruppen:<br />
Dr. Karin Kühnel<br />
Dr. Hans Dieter Schmitt<br />
Prof. Dr. Reinhard Jahn studierte<br />
Biologie und <strong>Chemie</strong> und promovierte<br />
1981 an der Universität<br />
Göttingen. Von 1983 bis 1986 war<br />
er an der Rockefeller University,<br />
(New York) tätig, anschließend<br />
am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Psychiatrie<br />
(heute: Neurobiologie) in<br />
München. 1991 ging er als Professor<br />
an die Yale University in<br />
New Haven, Connecticut (USA),<br />
und seit 1997 leitet er die Abteilung<br />
»Neurobiologie« am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />
<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong>.<br />
Zugleich ist Reinhard Jahn<br />
Honorarprofessor an der Fakultät<br />
<strong>für</strong> Biologie, und er ist Sprecher<br />
der Göttingen Graduate School of<br />
Neurosciences and Molecular<br />
Biosciences (GGNB). Reinhard<br />
Jahn hat mehrere Auszeichnungen<br />
erhalten, darunter den <strong>Max</strong>-<br />
<strong>Planck</strong>-Forschungspreis (1990),<br />
den Leibniz-Preis der Deutschen<br />
Forschungsgemeinschaft (2000)<br />
sowie den Ernst-Jung-Preis <strong>für</strong><br />
Medizin (2006).<br />
Kontakt:<br />
rjahn@gwdg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/research/<br />
dep/jahn<br />
A. Stein, A. Radhakrishnan, D. Riedel,<br />
D. Fasshauer, R. Jahn: Synaptotagmin<br />
activates membrane fusion through a<br />
Ca2+ -dependent trans-interaction with<br />
phospholipids. Nature Struct. Mol. Biol.<br />
14, 904-911 (2007).<br />
D. Zwilling, A. Cypionka, W. Pohl, D.<br />
Fasshauer, P. J. Walla, M. C. Wahl, R.<br />
Jahn: Early endosomal SNAREs form a<br />
structurally conserved SNARE complex<br />
and fuse liposomes with multiple topologies.<br />
EMBO J. 26, 9-18 (2007).<br />
S. Takamori, M. Holt, K. Stenius, E. A.<br />
Lemke, M. Grønborg, D. Riedel, H. Urlaub,<br />
S. Schenck, B. Brügger, P. Ringler,<br />
S. A. Müller, B. Rammner, F. Gräter, J.<br />
S. Hub, B. L. De Groot, G. Mieskes, Y.<br />
Moriyama, J. Klingauf, H. Grubmüller,<br />
J. Heuser, F. Wieland, R. Jahn: Molecular<br />
anatomy of a trafficking organelle.<br />
Cell 127, 831-846 (2006).<br />
59
Dr. Dirk Fasshauer studierte Biologie<br />
und promovierte 1994 an der<br />
Universität Göttingen. Von 1995<br />
bis 1997 forschte er an der Yale<br />
University, New Haven (USA) und<br />
wechselte von dort an das <strong>Max</strong>-<br />
<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />
<strong>Chemie</strong>. Seit 2002 leitet er<br />
dort die Arbeitsgruppe »Strukturelle<br />
Biochemie« in der Ab teilung<br />
»Neurobiologie«.<br />
Kontakt:<br />
dfassha@gwdg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/groups/<br />
fasshauer/fassh_main.htm<br />
T. H. Kloepper, C. N. Kienle, D. Fasshauer:<br />
SNAREing the basis of multicellularity:<br />
Consequences of protein family<br />
expansion during evolution. Mol.<br />
Biol. Evol. 25, 2055-2068 (2008).<br />
P. Burkhardt, D. A. Hattendorf, W. Weis,<br />
D. Fasshauer: Munc18a controls SNARE<br />
assembly through its interaction with<br />
the syntaxin N-peptide. EMBO J. 27,<br />
923-933 (2008).<br />
A. Pobbati, A. Stein, D. Fasshauer: N- to<br />
C-terminal SNARE complex assembly<br />
promotes rapid membrane fusion.<br />
Science 313, 673-676 (2006).<br />
60<br />
Strukturelle Biochemie<br />
Die Zellen unseres Körpers – wie auch<br />
die anderer Tiere, Pflanzen, Pilze und<br />
vieler Einzeller – sind weitaus komplizierter<br />
aufgebaut als die Zellen der Bakterien.<br />
In unseren komplexen eukaryotischen Zellen<br />
gibt es viele durch Membranen abgetrennte<br />
Reaktionsräume, in denen ganz unterschiedliche<br />
Aufgaben erledigt werden.<br />
Im sogenannten Endoplasmatischen Retikulum,<br />
einem besonders großen, verzweigten<br />
Bereich, werden die Proteine der Zelle<br />
hergestellt. In den viel kleineren Lysosomen<br />
wird zellfremdes Material verdaut. In<br />
jedem Membranraum arbeitet ein ganz<br />
charakteristischer Satz von Molekülen.<br />
Damit die Aufgaben reibungslos erfüllt<br />
werden, ist es <strong>für</strong> die Zelle überlebenswichtig,<br />
dass die Moleküle in ausreichenden<br />
Mengen, zum exakten Zeitpunkt und<br />
am richtigen Ort bereitstehen. Sie werden<br />
deshalb über ein komplexes Transportsystem<br />
auf die verschiedenen Bereiche verteilt.<br />
Transport in Bläschen<br />
Meist werden die Moleküle dabei in kleinen,<br />
membranumhüllten Bläschen, den Vesikeln,<br />
von Raum zu Raum transportiert. Wenn eine<br />
Fracht ansteht, schnürt sich das Bläschen<br />
von der Membran des einen Raumes, dem<br />
Donorkompartiment, ab. Dann wandert es<br />
beladen durch den Hauptzellraum, das Zytosol,<br />
und verschmilzt schließlich mit der<br />
Membran des Zielkompartiments, in dem<br />
die Moleküle gebraucht werden.<br />
Wenn das Transportvesikel mit der<br />
Membran verschmilzt, spielen sogenannte<br />
SNARE-Proteine die Hauptrolle. Dies ist<br />
eine Gruppe relativ kleiner membranver -<br />
ankerter Proteine. Bisher geht man davon<br />
aus, dass sie in einem reißverschlussartigen<br />
Prozess einen stabilen Komplex zwischen<br />
der Membran des Transportbläschens und<br />
der Membran des Zielkompartiments ausbilden.<br />
Wir untersuchen, was genau passiert,<br />
wenn die SNARE-Proteine diesen Komplex<br />
aufbauen. Wir wollen auch wissen,<br />
welche anderen Faktoren diesen Prozess<br />
kontrollieren und katalysieren und wie der<br />
stabile Komplex am Ende wieder in seine<br />
Bestandteile zerlegt werden kann. Schließlich<br />
interessieren wir uns <strong>für</strong> die evolutionäre<br />
Entwicklung dieses Transportsystems.<br />
Denn immer häufiger zeigt sich, dass die<br />
molekularen Maschinen, die an den grundlegenden<br />
Prozessen des Transportgeschehens<br />
beteiligt sind, in allen Eukaryotenzellen<br />
zu finden sind – ein Hinweis auf ihre<br />
Verwandtschaft und die gemeinsame Abstammung,<br />
die wir erforschen. Daher kombinieren<br />
wir nicht nur strukturelle und<br />
<strong>biophysikalische</strong> Ansätze, sondern beziehen<br />
auch Verwandschaftsbeziehungen zwischen<br />
den Proteinmaschinen verschiedener<br />
Organismen mit ein.<br />
Phylogenetischer Baum<br />
der sekretorischen<br />
Syntaxin-Proteine aus<br />
Tieren (links). Mittels isothermerTitrationskalorimetrie<br />
lässt sich das<br />
starke Bestreben der<br />
beiden SNARE-Proteine<br />
Munc18a und Syntaxin 1a,<br />
sich miteinander zu verbinden,<br />
bestimmen. Dieser<br />
Komplex bildet sich während<br />
der Ausschüttung<br />
der Botenstoffe aus synaptischen<br />
Vesikeln aus<br />
(rechts).
Biophysik der<br />
synaptischen Übertragung<br />
Wenn eine Nervenzelle ein Signal an<br />
die nächste weitergibt, wird dieses<br />
Signal gewöhnlich zwei Mal umgewandelt.<br />
Die »sendende« Zelle übersetzt ihr elektrisches<br />
Signal in ein chemisches, die »empfangende«<br />
Zelle macht aus dem chemischen<br />
Signal wieder ein elektrisches. Warum<br />
so umständlich?<br />
Die chemische Kommunikation über Botenstoffe<br />
bietet einen entscheidenden Vorteil:<br />
Anders als elektrische Signale können<br />
Botenstoffe nicht nur aktivierend, sondern<br />
auch hemmend auf die nächste Nervenzelle<br />
wirken. Außerdem sind die dazu notwendigen<br />
Kontaktstellen zwischen den Nervenzellen<br />
– die Synapsen – bemerkenswert anpassungsfähig:<br />
Sie können elektrische Signale<br />
abgeschwächt weitergeben, sie können<br />
sie aber auch verstärken. Diese Dynamik<br />
der Synapse ist <strong>für</strong> die Informationsverarbeitung<br />
von heraus ragender Bedeutung.<br />
Wir wollen wissen, welche molekularen<br />
Mechanismen dahinter stecken.<br />
Dazu vergleichen wir verschiedene Synapsen-Typen<br />
aus unterschiedlichen Bereichen<br />
des Gehirns, beispielsweise dem<br />
Kleinhirn, der Hirnrinde und dem Hirn-<br />
stamm. Wir untersuchen diese Synapsen,<br />
indem wir elektrophysiologische Methoden<br />
mit bildgebenden Verfahren und molekularbiologischen<br />
Techniken kombinieren.<br />
Wie wir inzwischen wissen, trägt das Recycling<br />
der mit Boten stoffen gefüllten Vesikel<br />
auf Seiten der »sendenden« Nervenzelle<br />
entscheidend zur Vielfalt der Synapsentypen<br />
bei.<br />
Verschaltungsregeln auf der Spur<br />
Welche Rolle aber spielen die dynamischen<br />
Eigenschaften der Synapsen, wenn sich<br />
Nervenzellen zu komplexen neuronalen<br />
Schaltkreisen in unserem Gehirn zusammenfinden?<br />
Möglich wäre, dass sich Nervenzellen<br />
ganz zufällig mit verschiedenen<br />
Synapsen-Typen verschalten. Es könnte<br />
aber auch sein, dass diese Verschaltungen<br />
ganz bestimmten Regeln folgen. Eine<br />
Gruppe von Nervenzellen könnte sich beispielsweise<br />
nur mit aktivierenden Synapsen<br />
verschalten. Wir sind den »Verschaltungsregeln«<br />
auf der Spur, denen die Nervenzellen<br />
bei der neuronalen Verschaltung<br />
zwischen Hirnrinde und Kleinhirn folgen<br />
müssen.<br />
Dr. Takeshi Sakaba erwarb seinen<br />
Doktortitel in Psychologie 1998 an<br />
der Universität von Tokio, Japan.<br />
Von 1998 bis 2006 forschte er als<br />
Postdoktorand bei Erwin Neher<br />
am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />
<strong>Chemie</strong>. Seit 2006<br />
leitet er dort die <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />
Forschungsgruppe »Biophysik<br />
der synaptischen Übertragung«.<br />
Kontakt:<br />
tsakaba@gwdg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/research/ags/<br />
sakaba<br />
Fluoreszenzaufnahme einer Purkinjezelle im Kleinhirn,<br />
die von zahlreichen Nervenendigungen anderer<br />
Nerven zellen an ihrem Fortsatz (den Dendriten) erreicht<br />
wird und dort Synapsen bildet.<br />
N. Hosoi, M. Holt, T. Sakaba: Calcium<br />
dependence of exo- and endocytotic<br />
coupling at a glutamatergic synapse.<br />
Neuron 63, 216-229 (2009).<br />
T. Sakaba: Two Ca-dependent steps<br />
controlling synaptic vesicle fusion and<br />
replenishment at the cerebellar basket<br />
cell terminal. Neuron 57, 406-419<br />
(2008).<br />
K. Wadel, E. Neher, T. Sakaba: The<br />
coupling between synaptic vesicles and<br />
Ca2+ channels determines fast neurotransmitter<br />
release. Neuron 53, 563-<br />
575 (2007).<br />
61
62<br />
Membranbiophysik<br />
Ohne Kommunikation herrscht Schweigen<br />
und Stillstand, auch auf zellulärer Ebene.<br />
Viele Lebensprozesse beruhen auf dem Austausch<br />
von Signalen innerhalb einer Zelle, aber auch zwischen<br />
den Zellen unseres Körpers. Biologische<br />
Membranen nehmen dabei eine Schlüsselstellung<br />
ein, denn in vielen Fällen sind sie die Vermittler.<br />
Welche mole kularen Prozesse dabei ablaufen, erforschen<br />
wir mit <strong>biophysikalische</strong>n und molekularbiologischen<br />
Methoden. Dabei setzen wir zunehmend<br />
auf fluoreszierende Moleküle, um bestimmte,<br />
am Signalaustausch beteiligte Proteine<br />
sichtbar zu machen.<br />
Flexible Schaltkreise im Gehirn<br />
Synapsen sind die Schaltstellen unseres Gehirns,<br />
an denen Nervenzellen Kontakt miteinander aufnehmen<br />
und Signale austauschen. Im Gegensatz<br />
zu den Schaltelementen elektronischer Rechen -<br />
anlagen, die fest verdrahtet sind, sind die »Synapsenstärken«<br />
variabel. Synapsen ändern ihre Ver -<br />
bindungsstärke je nach Signaldurchfluss. Jeder<br />
Synapsentyp hat dabei sein charakteristisches<br />
Muster von »Plastizität«: Änderungen können von<br />
sehr kurzer Dauer sein oder über Stunden und<br />
Tage anhalten. Lang anhaltende Änderungen gelten<br />
als Grundlage <strong>für</strong> Lernen und Gedächtnis.<br />
Aber auch die kurzzeitigen Änderungen der Synapsenstärke<br />
spielen bei der Informationsverarbeitung<br />
eine wichtige Rolle, beispielsweise bei der Adaptation<br />
von Sinneseindrücken.<br />
Doch welche physiologischen und molekularen<br />
Mechanismen stecken hinter der synaptischen<br />
Plastizität? Diese Frage ist bis heute weitgehend<br />
unbeantwortet geblieben und interessiert uns daher<br />
ganz besonders. Dabei liegt der Fokus auf den<br />
kurzzeitigen Änderungen in der Nervenendigung<br />
der sendenden Zelle. Ein Nervenimpuls bewirkt<br />
dort die Freisetzung eines Botenstoffes, des Neurotransmitters.<br />
Was diesen Prozess auslöst, ist seit<br />
langem bekannt: ein Anstieg der Kalziumionen-<br />
Konzentration in der Nervenendigung der sendenden<br />
Zelle. Die Kalziumionen bringen Speicherbläschen<br />
(synaptische Vesikel) mit den darin<br />
enthaltenen Neurotransmittern dazu, mit der Zellmembran<br />
zu verschmelzen. Dabei wird der Neurotransmitter<br />
in den synaptischen Spalt – den<br />
Raum zwischen der signalgebenden und der Empfängerzelle<br />
– freigesetzt. Aber die Kalziumionen<br />
bewirken noch mehr: Sie beschleunigen die Bereitstellung<br />
neuer Vesikel. Die Synapsenstärke<br />
Die Held’sche Kelch-Synapse ist eine außerordentlich große<br />
Nervenendigung, die einen kompakten postsynaptischen<br />
Nervenzellkörper umschließt. Sie ist eine wichtige Schaltstelle<br />
in der Hörbahn und eignet sich besonders gut <strong>für</strong><br />
biophysika lische Untersuchungen, da sie aufgrund ihrer<br />
Größe zugänglich <strong>für</strong> elektrophysiologische Messungen<br />
(Patch-Clamp) ist.<br />
hängt unter anderem davon ab, wie viele synaptische<br />
Vesikel die sendende Zelle pro Nervenimpuls<br />
freisetzt und wie rasch Nachschub geliefert wird.<br />
Die Bereitstellung neuer Vesikel wird neben Kalziumionen<br />
auch durch weitere Signalstoffe, beispielsweise<br />
zyklisches AMP, reguliert. Synaptische<br />
Kurzzeitplastizität ist somit ein Ergebnis mehrerer<br />
inein andergreifender Prozesse.<br />
Wie ist es möglich, dass Kalziumionen mehrere<br />
Prozesse auf unterschiedliche Weise steuern<br />
können? Die Antwort liegt im <strong>biophysikalische</strong>n<br />
Detail: Die Auslösung der Transmitterfreisetzung<br />
durch Kalzium ist ein hochkooperativer Prozess,<br />
der erst bei höheren Kalzium-Konzentrationen einsetzt,<br />
dann aber sehr stark zunimmt. Die Nach -<br />
lieferung beschleunigt sich linear mit der Kalzium-<br />
Konzentration und erreicht bereits bei geringeren<br />
Konzentrationen genügend hohe Werte. Je nachdem,<br />
in welchem Konzentrationsbereich sich das<br />
Kalzium-Signal bewegt, wird daher der eine oder<br />
andere Prozess bevorzugt aktiviert.
Kontakte reifen lassen<br />
Im Fokus unserer Forschung steht seit<br />
längerem die Held’sche Kelch-Synapse,<br />
eine wichtige Schaltstelle in der Hörbahn<br />
von Säugetieren. Ihre kelchför mige<br />
Kontaktstelle ist so großzügig dimen sio -<br />
niert, dass sie sich leicht manipulieren<br />
lässt. Holger Taschen berger konnte zeigen,<br />
dass sie, wie die meisten anderen<br />
Synapsen unseres Gehirns, einen funktionellen<br />
Reifeprozess durchläuft. So<br />
gehen reifere Synapsen wesentlich sparsamer<br />
mit ihrem Vorrat an synaptischen<br />
Vesikeln um. Im Vergleich zu einer jungen<br />
Synapse setzt hier ein einzelner<br />
Nervenimpuls einen viel kleineren Anteil<br />
verfügbarer Vesikel frei. Dadurch nimmt<br />
die Synapsen stärke auch bei wiederholter<br />
Reizung sehr viel weniger ab. Auch<br />
der Umgang mit Kalziumionen wird von<br />
der reifen Synapse optimiert. Zum einen<br />
werden in der reifen Synapse Proteine<br />
produziert, die Kalzium an sich<br />
binden und so dessen Konzentration<br />
schnell wieder auf Normalmaß sinken<br />
lassen. Zum anderen erfordern reife Synapsen<br />
weniger Kalziumeinstrom, um<br />
ihre Vesikel mit der Zellmembran verschmelzen<br />
zu lassen. Denn dort sitzen<br />
die Kalziumkanäle näher an den aus -<br />
schüttungs bereiten Vesikeln.<br />
Die Held’sche Kelch-Synapse ist ideal<br />
geeignet <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> Studien<br />
zur synaptischen Übertragung im Hirnschnitt.<br />
Allerdings war es bisher nicht<br />
möglich, an diesem Präparat die rele-<br />
vanten Proteine gezielt zu verändern.<br />
Daher entwickelte Sa muel Young eine<br />
Methode, um maßgeschneiderte Adeno -<br />
viren in die Nervenzellen einzuschleusen.<br />
Gen-Varianten des synaptischen<br />
Kalziumsensors Synaptotagmin wurden<br />
in die Erbsubstanz des Virus eingebaut.<br />
Nach Infektion der Nervenzellen mit<br />
solchen Viren lässt sich beobachten,<br />
wie sich der verän derte Kalziumsensor<br />
auf die Funktion der Synapse auswirkt.<br />
Bunte Proteine<br />
Wie greifen die verschiedenen Signalprozesse<br />
an der Nervenendigung inein -<br />
ander? Um dieses »Räderwerk« sichtbar<br />
zu machen, gilt es, die Verteilung und<br />
die zeitlichen Veränderungen möglichst<br />
vieler Signalträger gleichzeitig darzustellen.<br />
Die Molekularbiologie bietet inzwischen<br />
hervorragende Möglichkeiten,<br />
Pro teine nach Wahl mit verschieden -<br />
farbigen Fluoreszenzfarbstoffen zu markieren.<br />
Bei der Analyse solcher Bilddaten<br />
stellt sich allerdings das Problem,<br />
dass bei Anwesenheit mehrerer markierter<br />
Proteine auf einem Bildpunkt<br />
deren individuelle Beiträge ermittelt<br />
werden müssen. Dazu entwickelten wir<br />
einen Algorithmus der sogenannten<br />
»Blinden Quellentrennung«, der es erlaubt,<br />
aus einer einzigen Aufnahme sowohl<br />
die spektralen Eigenschaften der<br />
beteiligten Farbstoffe als auch deren<br />
Beiträge zum Gesamtbild zu ermitteln.<br />
Dreifach markierte Fibroblastenzellen. Proteine des Zytoskeletts und Nukleinsäuren dieser Zellen wurden<br />
mit fluoreszierenden Farbstoffen markiert (Aktin: grün; Tubulin: blau; Nukleinsäuren: rot).<br />
Die spektrale Analyse des Fluoreszenzlichts erlaubt die Auftrennung der drei Komponenten auf der Basis<br />
einer einzigen Aufnahme (Zusammenarbeit im Rahmen des DFG-Forschungszentrums ›Molekularphysiologie<br />
des Gehirns‹).<br />
Prof. Dr. Erwin Neher studierte<br />
Physik in München und an der<br />
University of Wisconsin, wandte<br />
sich dann der Biophysik zu und<br />
promovierte 1970 am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />
<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Psychiatrie (heute:<br />
Neurobiologie) in München.<br />
Er kam 1972 an das <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />
<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> biophy sikalische <strong>Chemie</strong>,<br />
arbeitete zwischenzeitlich<br />
ein Jahr an der Yale University in<br />
New Haven (USA) und leitet seit<br />
1983 die Abteilung »Membran -<br />
biophysik« am <strong>Institut</strong>. Erwin<br />
Neher ist Honorarprofessor an<br />
der Universität Göttingen. Für<br />
seine Arbeit über Ionenströme<br />
an einzelnen Membranporen<br />
erhielt er 1991 gemeinsam mit<br />
Bert Sakmann den Nobelpreis<br />
<strong>für</strong> Medizin und Physiologie.<br />
Kontakt:<br />
eneher@gwdg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/<br />
groups/neher<br />
Interne Arbeitsgruppen:<br />
Dr. Meike Pedersen<br />
Dr. Holger Taschenberger<br />
Dr. Samuel Young<br />
R. A. Neher, M. Mitkovski, F. Kirchhoff,<br />
E. Neher, F. J. Theis, A. Zeug: Blind<br />
source separation techniques for the<br />
decomposition of multiply labeled fluorescence<br />
images. Biophys. J. 96, 1-10<br />
(2009).<br />
E. Neher, T. Sakaba: Multiple roles of<br />
calcium ions in the regulation of neurotransmitter<br />
release. Neuron 59, 861-<br />
872 (2008).<br />
J. Wlodarczyk, A. Woehler, F. Kobe, E.<br />
Ponimaskin, A. Zeug, E. Neher: Analysis<br />
of FRET-signals in the presence of free<br />
donors and acceptors. Biophys J. 94,<br />
986-1000 (2008).<br />
E. Neher: A comparison between exocytic<br />
control mechanisms in adrenal chromaffin<br />
cells and a glutamatergic synapse.<br />
Pflügers Arch. 453, 261-268 (2006).<br />
T. Sakaba, A. Stein, R. Jahn, E. Neher.<br />
Distinct kinetic changes in neurotransmitter<br />
release after SNARE-protein<br />
cleavage. Science 309, 491-494 (2005).<br />
63
Der Zellkern als<br />
Kommandozentrale<br />
64
Aktiver Informationsspeicher<br />
mit Ein- und Ausgangskontrolle<br />
Die Kommunikation muss stimmen, das gilt auch <strong>für</strong><br />
lebende Zellen.<br />
Damit Zellen richtig funktionieren, brauchen sie Kommunikationswege<br />
zwischen ihren einzelnen Kompartimenten<br />
– von Verpackungs- und Sortierstationen über<br />
die Kraftwerke bis hin zum Zellkern.<br />
Winzige Poren in der Zellkern-Hülle dienen als lebenswichtige<br />
Transport- und Kommunikationskanäle, die<br />
den gesamten Güterverkehr zwischen dem Zellkern<br />
und den anderen Kompartimenten der Zelle kontrollieren.<br />
Diese »Kernporen« sind hochselektive Tore: Während<br />
kleine Moleküle meist ungehindert passieren,<br />
sind große <strong>für</strong> ihren Transport auf einen Shuttle-Service<br />
angewiesen. Welche hochkomplexen Vorgänge<br />
dabei auf molekularer Ebene ablaufen, wird von Wissenschaftlern<br />
am <strong>Institut</strong> erforscht.<br />
65
66<br />
Zelluläre Logistik<br />
Erfolgsrezept Arbeitsteilung<br />
Eukaryotische Lebensformen, zu denen alle Pflanzen<br />
und Tiere gehören, zeichnen sich durch eine<br />
arbeitsteilige Organisation ihrer Zellen aus. So<br />
konzentrieren sich der Zellkern auf die Verwaltung<br />
des Genoms und die Mitochondrien auf die Energieversorgung<br />
der Zelle, während das sogenannte<br />
Zytosol auf die Proteinsynthese spezialisiert ist. Die<br />
Vorteile dieser Organisation lassen sich eindrucksvoll<br />
anhand der Tatsache zusammenfassen, dass<br />
nur Eukaryoten sich zu komplexen, vielzelligen Lebewesen<br />
entwickelt haben. Sie hat aber auch ihren<br />
Preis und muss mit einer ausgeklügelten Logistik<br />
aufrechterhalten werden. So verfügt der Zellkern<br />
über keine eigene Proteinsynthesemaschinerie,<br />
sondern muss sämtliche Enzyme und strukturellen<br />
Proteine aus dem Zytosol importieren. Umgekehrt<br />
produziert und exportiert er aber entscheidende<br />
Komponenten der Proteinsynthesemaschinerie<br />
(zum Beispiel Ribosomen) und ermöglicht damit<br />
erst die zytosolische Proteinsynthese.<br />
Tore und Transporteure<br />
Der Zellkern ist von zwei Membranen umgeben,<br />
die <strong>für</strong> Proteine und andere Makromoleküle völlig<br />
undurchlässig sind. Der stoffliche Austausch kann<br />
daher nicht direkt durch diese Membranen er -<br />
folgen. Stattdessen sind in die Kernhülle sogenannte<br />
Kernporen eingebettet, die man sich als<br />
hochselektive Tore vorstellen kann und die den<br />
stationären Teil einer ganzen Transportmaschi -<br />
nerie ausmachen.<br />
Den mobilen Teil dieser Transportmaschinerie<br />
bilden Importine und Exportine. Während die<br />
Ein Exportkomplex in<br />
atomarer Auflösung.<br />
Das Exportin CRM1<br />
(blau) bindet das<br />
Frachtmolekül Snur -<br />
portin (orange) sowie<br />
»Ran« (rot). Ran ist ein<br />
molekularer Schalter,<br />
der die Transportrichtung<br />
der Fracht bestimmt<br />
(in diesem Fall:<br />
Zellkern → Zytosol).<br />
CRM1 exportiert unter anderem die bereits genannten Ribosomen sowie hunderte regulatorische Faktoren aus dem Zellkern. Viren wie HIV missbrauchen<br />
CRM1, um ihre im Kern vermehrte Erbsubstanz in das Zytoplasma zu exportieren, wo diese in virale Partikel verpackt wird. Im Hintergrund: eine<br />
elektronenmikroskopische Aufnahme von Kernporenkomplexen – den gigan tischen Transportkanälen in der Zellkernhülle.
Kernporen <strong>für</strong> die meisten Makromoleküle<br />
ab einem bestimmten Größenlimit<br />
dicht verschlossen erscheinen, haben<br />
Importine und Exportine das Privileg,<br />
die Permeabilitätsbarriere der Kernporen<br />
nahezu ungehindert passieren zu<br />
können. Das Entscheidende dabei ist,<br />
dass sie bei ihrem Porendurchtritt auch<br />
»Fracht« oder »Passagiere« mit nehmen<br />
können. Nun darf nicht jeder Passagier<br />
an »Bord«, sondern Importine und Exportine<br />
erkennen mit molekularer Präzision,<br />
welche Moleküle in den Kern<br />
importiert und welche exportiert werden<br />
sollen. Die Mechanismen dieser<br />
Erkennungsprozesse stehen im Mittelpunkt<br />
unserer Forschung.<br />
Wie funktioniert die Sortiereinheit<br />
der Kernporen?<br />
Kernporen sind äußerst effektive Sortiermaschinen,<br />
und jede von ihnen kann<br />
pro Sekunde bis zu 1000 Frachtkom -<br />
plexe »abfertigen« und passieren lassen.<br />
Kernporen sind extrem komplex aufgebaut<br />
und be stehen jeweils aus ≈ 700<br />
Proteinmole külen oder ≈ 20 Millionen<br />
Einzelatomen. Um die Funktionsprinzipien<br />
eines derart komplexen Systems<br />
wirklich begreifen zu können, muss es<br />
auf das Wesentliche reduziert werden.<br />
Als einen entscheidenden Schritt in<br />
diese Richtung konnten wir kürzlich die<br />
Permeabilitätsbarriere der Kern poren<br />
im Reagenzglas nachbilden. Sie besteht<br />
aus sogenannten FG-Repeats und bil -<br />
det ein »intelligentes« Hydrogel mit er- staunlichen Materialeigenschaften. Es<br />
unterdrückt den Durchtritt von »normalen«<br />
Makromolekülen, erlaubt aber einen<br />
bis zu 20.000-fach schnelleren Einstrom<br />
der selben Moleküle, wenn diese<br />
an ein passendes Importin oder Exportin<br />
gebunden sind. Die Effizienz des<br />
Einstroms von Importinen und Exporti -<br />
nen in das Gel erreicht dabei die Grenzen<br />
des physikalisch Möglichen und<br />
wird nur durch die Geschwindigkeit des<br />
Die Permeabilitätsbarriere der Kernpore ist ein<br />
Hydrogel, das heißt ein größtenteils aus Wasser<br />
be stehender elastischer Feststoff, vergleichbar<br />
mit Götterspeise oder dem Glaskörper des Auges.<br />
Das durchscheinende rote Linienmuster der Unterlage<br />
gibt einen Eindruck von der Transparenz<br />
des Objekts. Da das Hydrogel aus FG-Repeats<br />
besteht, wird es FG-Hydrogel genannt. Das hier<br />
gezeigte in vitro rekonstituierte FG-Hydrogel ist<br />
einige Millimeter groß, die Barriere der Kernpore<br />
misst hingegen nur ≈ 50 Nanometer.<br />
Permeabilitätseigenschaften eines FG-Hydrogels.<br />
A) Ein »optischer Schnitt« durch ein fluoreszenzmarkiertes<br />
FG-Hydrogel. Helle Bereiche entsprechen<br />
dem Gel, dunkle dem umgebenden Puffer.<br />
B) Derselbe Bereich, in einem anderen Fluoreszenzkanal<br />
abgebildet, zeigt zu drei Zeitpunkten den<br />
Einstrom eines grün-fluoreszierenden Importin-<br />
Fracht-Komplexes. Der Komplex dringt schnell in<br />
das Gel ein, reichert sich dort etwa 100 bis 1.000fach<br />
an und bewegt sich im Gel mit einer Ge -<br />
schwindigkeit, die eine Kernporen passage innerhalb<br />
von 10 Millisekunden erlauben würde.<br />
C) Ein rot fluoreszierendes Kontrollsubstrat im Vergleich.<br />
Es bindet das Importin nicht und kann daher<br />
nicht in das Gel eindringen.<br />
Transports zur Barriere begrenzt. Die<br />
biologischen, chemischen und physikalischen<br />
Grundlagen dieses einzigartigen<br />
Phänomens werden derzeit von uns intensiv<br />
untersucht. Wir ver sprechen uns<br />
davon nicht nur ein tiefes Verständnis<br />
eines Pro zesses, der absolut essenziell<br />
<strong>für</strong> euka ryo tisches Leben ist, sondern<br />
auch Impulse zur Entwicklung neuer<br />
Materialien.<br />
Prof. Dr. Dirk Görlich studierte<br />
Biochemie in Halle/Saale und<br />
promovierte 1993 an der Humboldt-Universität<br />
in Berlin. Nach<br />
einem zweijährigen Forschungs -<br />
aufenthalt am Wellcome/CRC<br />
<strong>Institut</strong>e in Cambridge (England)<br />
wurde er 1996 zum Forschungsgruppenleiter<br />
und 2001 zum Professor<br />
<strong>für</strong> Molekularbiologie an<br />
das Zentrum <strong>für</strong> Molekulare Biologie<br />
der Universität Heidelberg<br />
(ZMBH) berufen. Seit 2007 leitet<br />
er die Abteilung »Zelluläre Logistik«<br />
am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />
<strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong>.<br />
Dirk Görlich erhielt zahlreiche<br />
wissenschaftliche Auszeichnungen,<br />
so den Karl-Lohmann-Preis<br />
der Deutschen Gesellschaft <strong>für</strong><br />
Bio logische <strong>Chemie</strong> (1993), den<br />
Heinz Maier-Leibnitz-Preis (1997),<br />
die EMBO-Goldmedaille (1997)<br />
und den Alfried-Krupp-Förderpreis<br />
(2001).<br />
Kontakt:<br />
goerlich@mpibpc.mpg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/research/<br />
dep/goerlich<br />
T. Monecke, T. Güttler, P. Neumann, A.<br />
Dickmanns, D. Görlich, R. Ficner:<br />
Crystal structure of the nuclear export<br />
receptor CRM1 in complex with snurportin1<br />
and RanGTP. Science 324,<br />
1087-1091 (2009).<br />
S. Frey, D. Görlich: A saturated FGrepeat<br />
hydrogel can reproduce the permeability<br />
pro perties of nuclear pore<br />
complexes. Cell 130, 512-523 (2007).<br />
S. Frey, R. P. Richter, D. Görlich: FGrich<br />
repeats of nuclear pore proteins<br />
form a three-dimensional meshwork<br />
with hydrogel-like properties. Science<br />
314, 815-817 (2006).<br />
67
Dr. Volker Cordes promovierte<br />
1992 an der Universität Heidelberg<br />
im Fach Zellbiologie. Von<br />
1992 bis 1997 arbeitete er als<br />
Assistent am Biozentrum der<br />
Universität Würzburg und am<br />
Deutschen Krebsforschungszentrum<br />
in Heidelberg. Im Jahr 1997<br />
wechselte er an das <strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />
Zell- und Molekularbiologie des<br />
Karo linska <strong>Institut</strong>et in Stockholm<br />
(Schweden). Dort war er anfangs<br />
als Nachwuchs forschungs -<br />
gruppenleiter und nach seiner<br />
Habilita tion als Hochschuldozent<br />
tätig. 2004 kehrte er nach<br />
Deutschland zurück und forschte<br />
als Arbeitsgruppenleiter an der<br />
Universität Heidelberg. Von dort<br />
wechselte er 2007 an das <strong>Max</strong>-<br />
<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />
<strong>Chemie</strong>, wo er seitdem die<br />
Arbeitsgruppe »Funktionelle<br />
Zellkernarchitektur« in der Ab -<br />
teilung »Zelluläre Logistik« leitet.<br />
Kontakt:<br />
vcordes@gwdg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/research/<br />
ags/cordes<br />
68<br />
Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme<br />
einer gereinigten Kernhüllen-Innenseite<br />
eines Oozytenzellkerns des Krallenfrosches<br />
Xenopus laevis. Fädige Strukturen, runden<br />
Körben ähnlich, sind direkt über den Kern -<br />
poren platziert. Der Durchmesser eines<br />
solchen Kernkorbs beträgt an seiner Basis<br />
etwa 120 Nanometer (millionstel Millimeter).<br />
Funktionelle Zellkernarchitektur<br />
Höhere Wirbeltiere wie der Mensch<br />
bestehen aus mehr als 200 verschiede -<br />
nen Zelltypen. Von nur wenigen Ausnahmen<br />
abgesehen, besitzen diese Zellarten alle einen<br />
Kern, der die zentrale Kommandozentrale der<br />
Zelle darstellt und die in den Chromosomen<br />
gespeicherte Erbinformation enthält. Durch<br />
einen Membranmantel, die Kernhülle, wird<br />
dieses Erbgut vom Rest der Zelle abgegrenzt.<br />
Damit unterschiedlichste Mole küle dennoch<br />
zwischen dem Kern und dem Zellplasma aus -<br />
getauscht werden können, ist die Kernhül le<br />
von zahlreichen Kernporen durch zogen, durch<br />
die der gesamte Frachtverkehr erfolgt.<br />
Auch wenn der Zellkern meist als Kugel<br />
abgebildet wird, kann er je nach Zelltyp ganz<br />
unterschiedliche Formen annehmen. In vielen<br />
Zellarten ist er tatsächlich kugelförmig oder<br />
ellipsoid, während er in anderen schlauch -<br />
artig, gelappt oder sogar segmentiert sein<br />
kann. Ebenso unterschiedlich erscheint<br />
manch mal auch die Architektur im Inneren<br />
solcher Zellkerne. Warum das so ist und<br />
wel che Moleküle dabei eine Rolle spielen, ist<br />
bisher weitgehend ungeklärt. Auch weiß man<br />
noch wenig darüber, ob die Kernarchitektur<br />
die Funktion eines Zelltyps beeinflusst.<br />
Kernkorb aus fädigen Proteinen<br />
Um diese Fragen zu beantworten, ver su -<br />
chen wir Proteine im Zellkern zu identifizieren,<br />
die dessen Aufbau und Infra struk -<br />
tur mitbestimmen. Ausgangspunkt unserer<br />
Untersuchungen sind fädige Bausteine, die<br />
an der Innenseite der Kernporen verankert<br />
sind und Strukturen bilden, die an rund -<br />
liche Körbe erinnern. Wir haben herausgefunden,<br />
dass ein Hauptbestandteil dieser<br />
Kernkörbe ein großes, stäbchenförmiges<br />
Protein ist, das wir in vielen Zelltypen an<br />
der Kernperipherie nach weisen konnten.<br />
Dort wirkt es auch als Andockstelle <strong>für</strong><br />
weitere Zellkernbestandteile, die je nach<br />
Zelltyp unterschiedlich sein können.<br />
Zumindest in einigen dieser Zelltypen<br />
spielt dieses stäbchenförmige Protein eine<br />
wichtige Rolle bei der Verteilung des Erb -<br />
guts in der Nähe der Kernhülle. Dort trägt<br />
es wesentlich zur Innenarchitektur des Zellkerns<br />
bei. Vermutlich haben der Kernkorb<br />
und dieses Protein aber auch noch andere<br />
Funktionen, die wir noch aufklären wollen.
Chromatin-Biochemie<br />
Jeder kennt das Bild der Desoxyribonu -<br />
kleinsäure (DNA), der Trägerin der Erb -<br />
information: eine Strickleiter zu einer Doppelhelix<br />
verdreht. In lebenden Zellen ist sie<br />
im Zellkern, der »Kommandozentrale« der<br />
Zelle, gespeichert. Dort liegt die DNA aller -<br />
dings nicht nackt vor. Im Verbund mit bestimmten<br />
Proteinen bildet sie das Chromatin.<br />
In regel mäßigen Abständen sind kurze Abschnitte<br />
der DNA um einen Komplex von<br />
Histon proteinen gewickelt – die Nukleosome.<br />
Diese stellen die fundamentale, sich wiederholende<br />
Einheit des Chromatins dar.<br />
Nukleosome sind immer auf die gleiche<br />
Weise zusammengebaut, und doch gibt es<br />
feine molekulare Unterschiede, die vor allem<br />
durch chemische Veränderungen der<br />
Histonproteine entstehen. Diese werden als<br />
post-translationale Histonmodifizierungen<br />
bezeichnet. Wir gehen heute davon aus,<br />
dass die zelluläre Maschinerie diese Veränderungen<br />
an den Nukleosomen als Signale<br />
oder Marker nutzt, um unterschiedliche<br />
Regionen des Chromatins zu erkennen und<br />
zu definieren. Und offenbar spielen Histonmodifizierungen<br />
eine wichtige Rolle bei<br />
der zellulären Vererbung.<br />
Nicht nur das Produkt unserer Gene<br />
Vererbbare Unterschiede zwischen einzelnen<br />
Zellen und ganzen Lebewesen ent -<br />
stehen nicht nur, weil die Gensequenzen<br />
sich unterscheiden, sondern auch, weil die<br />
gleiche Erbinformation unterschiedlich abgelesen<br />
wird. Abweichende Merkmale entstehen<br />
zum Beispiel, weil das gleiche Gen<br />
in bestimmten Zellen eines Organismus<br />
mehr, in anderen weniger aktiv ist. Auf der<br />
Ebene des Chromatins vererbt die Zelle<br />
diese Kontrolle über das Ablesen des Gens<br />
über stabile Muster der Histonmodifizierung.<br />
Diese sogenannten epigenetischen<br />
Effekte spielen zum Beispiel bei der Zelldifferenzierung<br />
eine Rolle, bei der Entwicklung<br />
des Embryos, aber auch wenn<br />
Zellen sich krebsartig verändern.<br />
Chromatin-Abschnitte liegen in unterschiedlichen Zuständen<br />
vor, die durch Histonmodifizierungen gesteuert<br />
werden. Die Bilder wurden mit einem Atomaren<br />
Kraftmikroskop aufgenommen.<br />
Wir wollen im Detail herausfinden, wie<br />
Histonmodifizierungen die Organisation und<br />
Dynamik des Chromatins beeinflussen und<br />
wie sie dabei das Auslesen des Genoms<br />
steuern. Dazu kombinieren wir experimentelle<br />
Ansätze aus verschiedenen Fachdiszi -<br />
plinen wie der Biochemie, der Biophysik,<br />
der Zell- und der Molekularbiologie.<br />
Organisation des<br />
Chromatins.<br />
Dr. Wolfgang Fischle studierte<br />
Bio chemie an der Universität<br />
Tübingen. Anschließend ging er<br />
als Stipendiat des Boehringer<br />
Ingelheim Fonds an die University<br />
of California (San Francisco, USA)<br />
und promovierte 2002 im Fach<br />
Bio chemie. Als Postdoktorand<br />
forschte er mit einem Sti pen di um<br />
der Damon Runyon Cancer Research<br />
Foundation von 2002 bis<br />
2005 an der University of Virginia<br />
in Charlottesville (USA) und an der<br />
Rockefeller University in New<br />
York (USA). Seit 2006 leitet er die<br />
<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Forschungsgruppe<br />
»Chromatin-Biochemie« am<br />
<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> biophy -<br />
sikalische <strong>Chemie</strong>. Wolfgang<br />
Fischle war NET Fellow des<br />
European Network of Excellence<br />
»Epigenome«.<br />
Kontakt:<br />
wfischl@gwdg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/research/<br />
ags/fischle<br />
K. Zhang, K. Mosch , W. Fischle, S. I.<br />
Grewal: Roles of the Clr4 methyltransferase<br />
complex in nucleation, spreading<br />
and maintenance of heterochromatin.<br />
Nat. Struct. Mol. Biol. 15, 381-388<br />
(2008).<br />
W. Fischle, H. Franz, S. A. Jacobs, C. D.<br />
Allis, S. Khorasanizadeh: Specificity of<br />
the CDY family of chromodomains for<br />
lysine-methylated ARKS/T motifs. J.<br />
Biol. Chem. 283, 19626-19635 (2008).<br />
W. Fischle: Talk is cheap – Crosstalk in<br />
the establishment, maintenance, and<br />
readout of chromatin marks. Genes Dev.<br />
22, 3375-3382 (2008).<br />
69
70<br />
Vom Ei<br />
zum<br />
Organismus<br />
Wie Lebewesen entstehen und gesteuert werden
Ob Gehirn oder Lunge – alle Zellen unseres Körpers stammen<br />
letztlich von einer einzigen Eizelle ab. Wie aber gelingt es der<br />
Eizelle, so vielfältige Nachkommen hervorzubringen? Und wie<br />
formieren sich die Zellen im Embryo zu komplexen Organen, die<br />
zuverlässig zusammenarbeiten? Diese rätselhaften Prozesse<br />
werden am <strong>Institut</strong> auf molekularer Ebene erkundet, bei Fliegen<br />
ebenso wie bei Mäusen. Auch wenn diese Organismen sehr<br />
verschieden sind, greifen sie während der Embryonalentwicklung<br />
auf ganz ähnliche genetische Programme zurück. Neue Erkenntnisse<br />
erlauben den Forschern daher auch Rückschlüsse<br />
auf den frühesten Lebensabschnitt des Menschen. Diese Erkenntnisse<br />
helfen, Krankheiten besser zu verstehen und zu behandeln,<br />
die auf Fehlentwicklungen in diesem frühen Lebens -<br />
abschnitt zurückzuführen sind.<br />
Einen großen Teil unseres Lebens verbringen wir im Schlaf, aber<br />
warum? Wie wird unsere »innere Uhr« gesteuert, die uns abends<br />
müde werden lässt und morgens wieder munter? Auch diesen<br />
spannenden Fragen gehen Wissenschaftler am <strong>Institut</strong> nach.<br />
Eine »Live-Schaltung« zum schlagenden Herzen oder »Bilder<br />
vom Denken« – nicht zuletzt arbeiten Forscher am <strong>Institut</strong> daran,<br />
bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanz-Tomografie<br />
immer weiter zu verbessern, um detaillierte Einblicke in das<br />
Innenleben von Mensch und Tier zu ermöglichen.<br />
71
72<br />
Molekulare Entwicklungsbiologie<br />
Alle fünf Taufliegen-Embryonen befinden sich im gleichen Entwicklungsstadium.<br />
Mit einer speziellen Färbetechnik wurden jedoch die Produkte<br />
verschiedener Gene sichtbar gemacht. Sie zeigen, dass der erst zwei<br />
Stunden alte Taufliegen-Embryo bereits in bestimmte Areale unterteilt ist<br />
(blau) und – obwohl morphologisch noch nicht sichtbar – bereits<br />
Segmenteinheiten aufweist (braun).<br />
Als Forschungsobjekt ist die Taufliege <strong>Droso</strong>phila<br />
melanogaster aus gutem Grund bei Wissenschaftlern<br />
sehr beliebt. Genügsam und ungemein<br />
vermehrungsfreudig ist sie trotz ihres Minia -<br />
tur formats ein sehr komplexer Organismus, durchaus<br />
vergleichbar mit einem Wirbeltier. Wie alle<br />
Tiere entsteht diese Fliege aus einer einzelnen<br />
Eizelle. Aber wie ent wickelt sich aus dieser einen<br />
Zelle ein komplexer Körper mit verschiedenen<br />
Zelltypen und Organen? Um dieses große Rätsel<br />
der Biologie zu lösen, vertiefen wir uns in die<br />
moleku laren Kontrollmechanismen, die solche<br />
Entwicklungsprozesse vom Ei zur Fliege steuern.<br />
Nicht selten sind Kontrollfaktoren, die wir in der<br />
Fliege gefunden haben, in ähnlicher Form auch im<br />
Erbgut des Menschen vorhanden. Sie sind keine<br />
spezielle Errungenschaft der Fliegen, sondern ein<br />
gemeinsames genetisches Erbe aller Tiere. Entsprechend<br />
aufschlussreich ist das genetische Inventar<br />
von <strong>Droso</strong>phila, wenn es um medizinische Fragen<br />
geht: Wenn Entwicklungsprozesse entgleisen,<br />
dann sind beim Menschen vermutlich oft Gene<br />
und ganze Kontrollsysteme gestört, die wir in der<br />
Fliegen-Version längst kennen.<br />
Frühe Weichenstellungen<br />
Die Körperstruktur der Fliege wird schon vor<br />
der Befruchtung der Eizelle festgelegt. Die Fliegenweibchen<br />
statten ihre Eier nicht nur mit Nähr -<br />
stoffen aus, sie liefern auch Proteine und de ren<br />
Baupläne, die als Kontrollfaktoren in die Entwicklung<br />
ein greifen. Diese sind asymmetrisch im Ei<br />
verteilt und legen auf diese Weise die Körper -<br />
achsen fest. Dabei aktivieren sie eine Gen-Kas -<br />
kade, die den Embryo in zunehmend kleinere<br />
Bereiche gliedert. Wie in der Blaupause eines Architekten<br />
wird so der Grundbauplan des Körpers<br />
mit seinen erst viel später sichtbaren Körpersegmenten<br />
und Organen fast unsichtbar skizziert und<br />
Areale festgelegt, in denen sich Körperteile entwickeln.<br />
Dabei spielen Kommunikationsprozesse<br />
zwischen den Zellen eine Rolle, die über ein<br />
Wechselspiel von Signalstoffen und passenden<br />
Rezeptormolekülen das jeweilige Entwicklungsschicksal<br />
von Zellen positionsgenau im Körper<br />
fest legen.<br />
Weitere Facetten<br />
Ganz besonderen Zellen widmet sich Alf Herzig<br />
mit seiner Arbeitsgruppe: den sogenannten Stamm -<br />
zellen. Diese teilen sich genau wie ihre genetisch<br />
identischen Zellschwestern, entwickeln sich aber
zunächst nicht zu einem bestimmten<br />
Zelltyp. Das ist auch gar nicht erwünscht,<br />
denn Stamm zellen sind die<br />
stille Reserve des Körpers. Sie bilden<br />
später genau die Zellen nach, die in<br />
einem Organismus durch Zelltod ver -<br />
loren gehen. Wie verhindert der Organismus<br />
aber, dass diese Zellen sich<br />
nicht gleichzeitig mit den anderen<br />
Zellen differenzieren? Offenbar sind die<br />
Gene der Stammzellen im Zellkern<br />
besonders verpackt und gelagert. Da her<br />
untersucht Herzigs Team die Ver -<br />
packungsmerkmale – die Histon-Modifikationen<br />
– und die Lage der Gene im<br />
Zellkern und vergleicht sie mit Nachbarzellen,<br />
die sich differenzieren.<br />
Gerd Vorbrüggens Arbeitsgruppe befasst<br />
sich mit einem Spezialisten unter<br />
den ausdifferenzierten Körper zellen,<br />
den jeder kennt: der Muskel zelle. Die<br />
Wissenschaftler untersuchen, wie Muskelzellen<br />
entstehen und sich zielsicher<br />
� Die Taufliege<br />
<strong>Droso</strong>phila melanogaster.<br />
zu einem genau festgelegten Gesamtmuster<br />
im Körper positionieren.<br />
Damit Muskeln arbeiten können,<br />
brauchen sie Energie. Wie die Fliege<br />
ihren Energiehaushalt kontrolliert, an<br />
dieser Frage arbeiten die Gruppen von<br />
Ronald Kühnlein, Mathias Beller und<br />
Ralf Pflanz. Sie wollen wissen, wie ein<br />
Organismus erkennt, wie viel Energie er<br />
in Form von Fettdepots speichern muss,<br />
um den Energiebedarf auch in Hungerzeiten<br />
abzu decken. Diese Projekte werden<br />
helfen, die menschliche Fettsucht<br />
besser zu ver stehen, die mit ihren Folgen<br />
wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen,<br />
Diabetes und bestimmten Krebsformen<br />
inzwischen eine Gesundheitsproble -<br />
matik mit weltweitem Ausmaß darstellt.<br />
Die Forscher erwarten, dass die Fliege<br />
als biomedizinisches Modell langfristig<br />
einen Beitrag zur Diagnose und <strong>für</strong> neue<br />
Therapien der Fettsucht leisten wird.<br />
Ein Taufliegen-Embryo kurz<br />
vor der Larvenbildung.<br />
Prof. Dr. Herbert Jäckle<br />
promo vierte 1977 an der Univer -<br />
sität Freiburg in Biologie. Anschließend<br />
arbeitete er an der<br />
University of Texas in Austin, am<br />
Euro päischen Molekularbiologischen<br />
Labor in Heidelberg und<br />
am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Entwicklungsbiologie<br />
in Tübingen.<br />
1987 wurde er Ordinarius <strong>für</strong> Genetik<br />
an der Ludwig-<strong>Max</strong>imilians-<br />
Universität München. Seit 1991<br />
leitet er die Abteilung »Molekulare<br />
Entwicklungsbiologie« am <strong>Max</strong>-<br />
<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> biophysika li -<br />
sche <strong>Chemie</strong>. Im Jahr 2002 wurde<br />
er Vize präsident der <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />
Gesellschaft. Herbert Jäckle erhielt<br />
zahlreiche wissenschaftliche<br />
Auszeichnungen, unter an derem<br />
1986 den Leibniz-Preis, 1990 den<br />
Feldberg-Preis, 1992 den Otto<br />
Bayer-Preis, 1999 den Louis<br />
Jeantet-Preis und den Deutschen<br />
Zukunftspreis. Seit 1993 lehrt er<br />
als Honorarprofessor an der Universität<br />
Göttingen.<br />
Kontakt:<br />
hjaeckl@gwdg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/<br />
groups/jaeckle<br />
Interne Arbeitsgruppen:<br />
Dr. Mathias Beller, Dr. Alf Herzig,<br />
Dr. Ronald Kühnlein, Dr. Ralf<br />
Pflanz, Dr. Gerd Vorbrüggen;<br />
die Forschungsgruppe von<br />
Dr. Reinhard Schuh ist mit der<br />
Abteilung assoziiert.<br />
M. Beller, C. Sztalryd, N. Southall,<br />
M. Bell, H. Jäckle, D. S. Auld,<br />
B. Oliver: COPI complex is a regulator<br />
of lipid homeostasis. PloS Biology 6,<br />
2530-2549 (2008).<br />
S. Grönke, A. Mildner, S. Fellert, N.<br />
Tennagels, S. Petry, G. Müller, H. Jäckle,<br />
R. P. Kühnlein: Brummer lipase is an<br />
evolutionary conserved fat storage re -<br />
gulator in <strong>Droso</strong>phila. Cell Metab.<br />
1, 323-330 (2005).<br />
R. Rivera-Pomar, H. Jäckle: From<br />
gradients to stripes in <strong>Droso</strong>phila embryogenesis:<br />
filling in the gaps. Trends<br />
Genet. 12, 478-483 (1996).<br />
73
Prof. Dr. Michael Kessel promovierte<br />
1981 in Biologie an der Universität<br />
Kiel. Von 1981 bis 1983 arbeitete<br />
er am National Cancer <strong>Institut</strong>e<br />
in Bethesda (Maryland,<br />
USA) und wechselte im Anschluss<br />
an das Zentrum <strong>für</strong> Molekularbiologie<br />
in Heidelberg. Dort forschte<br />
er von 1983 bis 1986, bevor er<br />
schließ lich 1986 Mitglied der Abteilung<br />
»Molekulare Zellbiologie«<br />
am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> bio -<br />
physi ka lische <strong>Chemie</strong> wurde. Seit<br />
1992 leitet er dort die Arbeitsgruppe<br />
»Entwicklungsbiologie«.<br />
Zugleich lehrt Michael Kessel als<br />
außerplanmäßiger Professor an<br />
der Biologischen Fakultät der<br />
Universität Göttingen.<br />
Kontakt:<br />
mkessel1@gwdg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/research/<br />
ags/kessel<br />
L. Luo, Y. Uerlings, N. Happel, N. S.<br />
Asli, H. Knoetgen, M. Kessel: Regulation<br />
of ge minin functions by cell cycle dependent<br />
nuclear-cytoplasmic shuttling.<br />
Mol. Cell. Biol. 27, 4737-4744 (2007).<br />
M. Pitulescu, M. Kessel, L. Luo: The<br />
regulation of embryonic patterning and<br />
DNA replication by Geminin. Cell.<br />
Mol. Life Sci. 62, 1425-1433 (2005).<br />
L. Luo, X. Yang, Y. Takihara, H. Knoetgen,<br />
M. Kessel: The cell-cycle regulator<br />
geminin inhibits Hox function through<br />
direct and polycomb-mediated inter -<br />
actions. Nature 427, 749-753 (2004).<br />
74<br />
Entwicklungsbiologie<br />
Wenn aus einer einzelnen<br />
Eizelle ein<br />
komplexer Organismus<br />
heran wächst, versetzt das<br />
auch erfahrene Biologen<br />
immer wieder in Staunen.<br />
Der Bauplan dazu<br />
steckt <strong>für</strong> Mensch wie<br />
Maus in den Genen, die<br />
von den Eltern an die<br />
Nachkommen weitergegeben<br />
werden. Mit jeder<br />
Zellteilung nähert sich<br />
der Embryo seinem Ziel:<br />
ein voll entwickelter Organismus.<br />
Auf dem Weg<br />
dorthin wiederholt sich<br />
immer wieder der gleiche<br />
Zyklus: Erst wird das<br />
genetische Material verdoppelt,<br />
dann wird es<br />
auf die entstehenden<br />
Tochterzellen verteilt.<br />
Während der Zellteilung<br />
im Embryo werden<br />
eine Vielzahl molekularer<br />
Weichen gestellt, die<br />
über das Schicksal der<br />
Zellen bestimmen. So wird beispielsweise<br />
definiert, ob einer Zelle noch viele Entwicklungsmöglichkeiten<br />
offen stehen oder<br />
ihre zukünftige Bestimmung schon festgelegt<br />
ist. Entschieden wird auch, ob die Zelle<br />
im vorderen oder hinteren Bereich des<br />
Körpers angesiedelt sein wird, und ob sie<br />
die Laufbahn einer Muskel- oder Nervenzelle<br />
einschlägt. Ist der endgültige Zustand<br />
erreicht, wird der Zellzyklus ab ge brochen,<br />
und die ausdifferenzierte Zelle widmet sich<br />
ganz ihrer speziellen Auf gabe, zum Beispiel<br />
der Signalübertragung im Nervensys tem.<br />
In vielen Organen bleiben aber auch Zellen<br />
erhalten, die sich weiter teilen und dabei<br />
selbst erneuern. Als eine Art stille Reserve<br />
liefern diese »Stammzellen« nötigen Nachschub<br />
an differenzierten Zellen und sor gen<br />
da<strong>für</strong>, dass das Zellrepertoire erhalten<br />
bleibt.<br />
Gen an, Gen aus<br />
Wir wollen verstehen, wie bei der frühen<br />
Entwicklung die zwei elementaren Räder-<br />
Aus dem Gehirn eines Maus-Embryos wurden neurale Stammzellen<br />
gewonnen, die sich in Gewebekultur in sogenannte Sternzellen (Astrozyten,<br />
grün) differenziert haben. Die Zellkerne sind blau angefärbt.<br />
werke, Zellteilung und Zelldifferenzierung,<br />
ineinandergreifen: Welche molekularen<br />
Mechanismen liegen diesen Prozessen zugrunde,<br />
welche Gene sind beteiligt, und<br />
wie wird ihre Wirkung koordiniert? Diese<br />
Fragen untersuchen wir am Modell der<br />
Maus. Obwohl die Nager völlig anders aus -<br />
sehen als der Mensch, ähneln sich ihre Organe<br />
und Gewebe, und <strong>für</strong> beein drucken de<br />
99 Prozent der Maus-Gene gibt es eine ähn -<br />
liche Sequenz im menschlichen Erbgut.<br />
Um die Mechanismen auf molekularer<br />
Ebene zu ergründen, fahnden wir nach<br />
Genen, die in beiden Prozessen eine Rolle<br />
spielen könnten. Um ihnen auf die Schliche<br />
zu kommen, versuchen wir, sie mit den<br />
Instrumentarien der Gentechnik gezielt zu<br />
aktivieren oder auszuschalten. An den Fol -<br />
gen können wir ablesen, welche Rolle das<br />
fragliche Gen normalerweise übernimmt.<br />
Mit den gewonnenen Informa tionen wollen<br />
wir zu einem Verständnis der molekularen<br />
Grundlagen der Säugetier-Entwicklung<br />
beitragen.
Molekulare Organogenese<br />
Etwa 20.000 Mal am Tag atmen<br />
wir ein und wieder<br />
aus, ohne darüber nachzudenken.<br />
Jedes Mal durchströmt die<br />
Atemluft das filigrane Röhrensystem<br />
unserer Lunge, die fünf<br />
bis sechs Liter fasst, und bei jedem<br />
Atemzug etwa einen halben<br />
Liter Luft austauscht. Wie<br />
die Krone eines Baumes verzweigt<br />
sich das System immer<br />
feiner bis in die Lungenbläschen,<br />
wo der Sauerstoff in den Blutkreislauf<br />
wandert.<br />
Unsere Arbeitsgruppe möchte verstehen,<br />
wie die Installation dieser reich verzweigten<br />
Leitungsbahnen <strong>für</strong> die Atemluft vonstatten<br />
geht. Die molekularen Mechanismen,<br />
die dahinter stecken, sind in Säugetieren<br />
allerdings nur sehr schwierig und zeitaufwendig<br />
zu untersuchen. Daher erforschen<br />
wir unsere Fragestellungen an einem beliebten<br />
Modellorganismus der Biologie: der<br />
Taufliege <strong>Droso</strong>phila melanogaster.<br />
Das Atemsystem trocken legen<br />
Fliege und Mensch sind sich in vielen<br />
Aspekten ähnlicher als man denkt. Von den<br />
insgesamt 13.600 <strong>Droso</strong>phila-Genen sind<br />
etwa 7.000 Gene in ähnlicher Form auch<br />
im Erbgut des Menschen vorhanden. Die<br />
Taufliege hat zwar keine Lungen, da<strong>für</strong> aber<br />
ebenfalls baumartig verzweigte Leitungsbahnen<br />
<strong>für</strong> die Atemluft, die Tracheen. Wir<br />
Die Vernetzung rot gefärbter Tracheenzellen erfolgt<br />
über Brückenzellen. Während der Entwicklung<br />
strecken sich die blau markierten Brückenzellen und<br />
verbinden so die Tracheenzellen. Diese wandern an<br />
den Brückenzellen entlang und bilden dadurch ein<br />
zu sammen hängendes Netzwerk.<br />
Die Lunge der Insekten – das Tracheensystem – durchzieht den<br />
gesamten Embryo der Fliege.<br />
wissen inzwischen, dass die Installation<br />
dieses Röhrensystems ganz ähnlich organisiert<br />
ist wie die Entwicklung der Lunge. Eine<br />
Reihe sehr ähnlicher Faktoren sorgen<br />
während der Embryonal entwicklung da<strong>für</strong>,<br />
dass sich die Röhren an den richtigen Stellen<br />
verzweigen und dass sie am Ende nicht<br />
zu eng oder zu weit ausfallen.<br />
Beiden Organismen gemeinsam ist auch,<br />
dass die Atemröhren in der Entwicklungsphase<br />
zunächst mit Flüssigkeit gefüllt sind.<br />
Sie müssen daher rechtzeitig trocken gelegt<br />
werden, sonst kommt es zu schweren Atem -<br />
problemen. Bei zu früh geborenen Babys<br />
droht etwa das »Respiratory Distress Syndrome«<br />
(RDS). Auch beim erwach senen<br />
Menschen kann Flüssigkeit in der Lunge<br />
zu lebensbedrohlichen Ödemen führen.<br />
Unter den 7.000 Genen, die bei Mensch<br />
und Fliege ganz ähnlich sind, haben wir inzwischen<br />
20 Gene entdeckt, die da<strong>für</strong> sorgen,<br />
dass sich die Röhren richtig ausbilden<br />
und rechtzeitig trocken gelegt sind. Jetzt<br />
wollen wir wissen, bei welchen moleku -<br />
laren Mechanismen diese Gene eine Rolle<br />
spielen und ob sie ihre Funktionen über<br />
die Artgrenzen hinweg beibehalten haben.<br />
Prof. Dr. Reinhard Schuh<br />
promovierte 1986 an der Eberhard-<br />
Karls-Universität Tübingen in Biologie.<br />
Von 1986 bis 1988 arbeitete<br />
er als Wissenschaftlicher Assistent<br />
am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />
Entwicklungsbiologie in Tübingen<br />
und von 1988 bis1991 als Akademischer<br />
Rat am <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Genetik<br />
und Mikrobiologie der Ludwig-<br />
<strong>Max</strong>i milians-Universität in München.<br />
Seit 1992 ist er Mitglied der<br />
Abteilung »Mole kulare Entwicklungsbiologie«<br />
am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />
<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong>.<br />
Seit 2005 leitet er dort die<br />
Forschungsgruppe »Molekulare<br />
Organo genese«. Reinhard Schuh<br />
lehrt zudem als außerplanmäßiger<br />
Professor an der Biologischen<br />
Fakultät der Universität Göttingen.<br />
Kontakt:<br />
rschuh@gwdg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/groups/<br />
schuh/<br />
M. Behr, C. Wingen, C. Wolf, R. Schuh,<br />
M. Hoch: Wurst is essential for airway<br />
clearance and respiratory-tube size<br />
control. Nature Cell Biol. 9, 847-853<br />
(2007).<br />
C. Krause, C. Wolf, J. Hemphälä, C.<br />
Samakovlis, R. Schuh: Distinct functions<br />
of the leucine-rich repeat transmembrane<br />
proteins capricious and tartan in<br />
the <strong>Droso</strong>phila tracheal morphogenesis.<br />
Dev. Biol. 296, 253-264 (2006).<br />
M. Behr, D. Riedel, R. Schuh: The<br />
claudin-like megatrachea is essential<br />
in septate junctions for the epithelial<br />
barrier function in <strong>Droso</strong>phila. Dev. Cell<br />
5, 611-620 (2003).<br />
C. Wolf, R. Schuh: Single meso dermal<br />
cells guide outgrowth of ectodermal<br />
tubular structures in <strong>Droso</strong>phila. Genes<br />
Dev. 14, 2140-2145 (2000).<br />
75
Prof. Dr. Ahmed Mansouri<br />
promovierte 1978 an der Technischen<br />
Universität Braunschweig<br />
in <strong>Chemie</strong>. Anschließend forschte<br />
er als Postdoktorand am <strong>Institut</strong><br />
<strong>für</strong> Humangenetik der Universität<br />
Göttingen, am Friedrich-Miescher-<br />
Labora to rium der <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />
Gesellschaft in Tübingen und am<br />
<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Immunbiologie<br />
in Freiburg. 1989 wurde<br />
er Wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />
<strong>Chemie</strong> in der Abteilung<br />
»Molekulare Zell biologie«.<br />
Im Jahr 1999 habilitierte er sich<br />
an der medizinischen Fakultät der<br />
Universität Göttingen. Seit 2002<br />
ist Ahmed Mansouri Leiter der<br />
Arbeitsgruppe »Molekulare Zelldifferenzierung«<br />
und hat seit 2005<br />
die Dr. Helmut Storz-Stiftungs -<br />
professur an der Universiäts -<br />
medizin Göttingen inne.<br />
Kontakt:<br />
amansou@gwdg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/groups/gruss/<br />
en/amansouri.htm<br />
P. Collombat, X. Xu, P. Ravassard, B.<br />
Sosa-Pineda, S. Dussaud, N. Billestrup,<br />
O. D. Madsen, P. Serup, H. Heimberg,<br />
A. Mansouri: The ectopic expression of<br />
Pax4 in the mouse pancreas converts<br />
progenitor cells into α- and sub -<br />
sequent ly β-cells. Cell 138, 449-462<br />
(2009).<br />
R. Dressel, J. Schindehütte, T. Kuhlmann,<br />
L. Elsner, P. Novota, P. C. Baier,<br />
A. Schillert, H. Bickeböller, T. Herrmann,<br />
C. Trenkwalder, W. Paulus, A.<br />
Mansouri: The tumorigenicity of mouse<br />
embryonic stem cells and in vitro differentiated<br />
neuronal cells is controlled by<br />
the recipients' immune response. PLoS<br />
ONE 3:e2622 (2008).<br />
76<br />
Molekulare Zelldifferenzierung<br />
Ob Herz oder Niere, Bauchspeichel -<br />
drüse oder Gehirn – die Organe in<br />
unserem Körper gleichen kleinen Fabriken,<br />
in denen spezialisierte »Einheiten« bestimmte<br />
Aufgaben erledigen. In der Bauchspeicheldrüse<br />
sind es vor allem zwei Zelltypen,<br />
die sich die Arbeit teilen. Während<br />
der größere Teil Verdauungssäfte produziert,<br />
erzeugt die kleinere Zellgruppe Hormone<br />
wie Insulin, das den Blutzuckerspiegel<br />
reguliert. Auch das Mittelhirn hat viele<br />
Spezialisten, zum Beispiel Nervenzellen,<br />
die den Botenstoff Dopamin produzieren.<br />
So unterschiedlich die zellulären Spezia -<br />
listen auch sind – sie alle entwickeln sich<br />
während der Entwicklung eines Organs aus<br />
weitgehend identischen Vorläuferzellen. Wir<br />
wollen in unserer Gruppe erforschen, welche<br />
Mechanismen dahinter stecken.<br />
Wir wissen bereits, dass bestimmte Gene<br />
die Reifung eines Organs kontrollieren und<br />
so das spätere Schicksal der Zellen be -<br />
stimmen. Diese Kontrollgene liefern den<br />
Bauplan <strong>für</strong> bestimmte Proteine, sogenannte<br />
Transkriptionsfaktoren. Diese Faktoren<br />
werfen gezielt genetische Programme<br />
an oder unterdrücken diese und verwandeln<br />
so Vorläuferzellen in Zellen mit ganz<br />
bestimmten Eigenschaften. Das zeigen<br />
Tests, bei denen diese Proteine fehlen. Ohne<br />
das Kontrollgen Pax4 zum Beispiel entwickeln<br />
sich in der Bauchspeicheldrüse<br />
A B<br />
keine Insulin produzierenden Zellen. Andere<br />
Faktoren veranlassen Zellen, den Gegenspieler<br />
Glukagon zu erzeugen. Ganz<br />
ähnlich ist es auch im Mittelhirn. Dort aktiviert<br />
beispielsweise der Faktor lmx1a die<br />
Merkmale einer bestimmte Gruppe von<br />
Nervenzellen, die den Botenstoff Dopamin<br />
produzieren sollen. Damit in einem Organ<br />
Zellen mit unterschiedlichen Aufgaben im<br />
richtigen Verhältnis zueinander entstehen,<br />
interagieren die jeweiligen Faktoren miteinander<br />
und tarieren so die notwendige<br />
Balance aus.<br />
Mausforschung <strong>für</strong> den Mensch<br />
Wir erforschen die Reifung eines Organs<br />
an Mäusen, weil wir die Nager genetisch<br />
sehr gut verändern und somit die Rolle der<br />
beteiligten Faktoren gezielt untersuchen<br />
können. Die Erkenntnisse unserer Forschung<br />
sind auch <strong>für</strong> die Humanmedizin<br />
von grundlegender Bedeutung. Sie können<br />
dazu dienen, aus menschlichen embryonalen<br />
Stammzellen Dopamin produzierende<br />
Zellen zu erzeugen – jene Zellen, die im<br />
Mittelhirn von Parkinson-Patienten absterben.<br />
Dopamin produ zierende Zellen lassen<br />
sich nicht nur in Kulturschale züchten, um<br />
die Wirksamkeit potentieller Medikamente<br />
zu testen. Sie könnten zukünftig auch <strong>für</strong><br />
Stammzell therapien eingesetzt werden.<br />
Im Maus-Embryo (A) lässt sich die Aktivität des Faktors lmx1a mithilfe eines Markers sichtbar machen (B).<br />
Der Faktor bestimmt das Schicksal der markierten Zellen im Mittelhirn (Pfeil). Damit werden sie zu Nerven -<br />
zellen, die sich auf die Produktion von Dopamin spezialisieren.
Molekulare<br />
Neuroentwicklungsbiologie<br />
Es ist faszinierend und rätselhaft zugleich<br />
– das menschliche Gehirn. Milliarden<br />
Nervenzellen und noch mehr Gliazellen sind<br />
darin zu einem komplexen Netz werk verknüpft.<br />
Trotz ihrer riesigen Anzahl und Vielfalt<br />
entwickeln sie sich aber nur aus erstaunlich<br />
wenigen Ursprungszellen: den Stammzellen.<br />
Wie das funktioniert, untersuchen wir<br />
am Beispiel der Hirnrinde, dem äußeren<br />
Großhirnbereich der Säugetiere. Hier laufen<br />
alle aufgenommenen Umweltreize zusammen,<br />
werden Bewegungsabläufe geplant und<br />
in Gang gesetzt, und hier entstehen unsere<br />
Wahrnehmungen und Erkenntnisse.<br />
Die Hirnrinde ist bemerkenswert komplex<br />
aufgebaut, eine Eigenschaft, die im Laufe<br />
ihrer Entwicklung entsteht. Ist diese er folg -<br />
reich abgeschlossen, besteht die Hirn rinde<br />
aus sechs zellulären Schichten und einer<br />
Vielzahl funktioneller Regionen mit jeweils<br />
speziellen Aufgaben. Die Nervenzel len der<br />
verschiedenen Schichten entstehen während<br />
bestimmter Entwicklungsstadien. Sie haben<br />
eine eigene Morphologie und Funktion und<br />
knüpfen Verbindungen mit spe zifischen Gehirnregionen<br />
und dem Rückenmark. Diese<br />
Prozesse werden durch die Expression bestimmter<br />
Gene in Vorläuferzellen und Nervenzellen<br />
kontrolliert. Außerdem entwickelt<br />
die kombinierte Ex pression von Transkrip -<br />
tions fakto ren in der Entstehungs zone eine Art<br />
»Land karte« <strong>für</strong> die nachfolgenden funk tio -<br />
nellen Regionen des vollentwickelten Gehirns.<br />
Wir erforschen die molekularen Mechanismen,<br />
die die Entwicklung der Hirnrinde<br />
steuern, am Modell der Maus. Der Trans -<br />
kriptionsfaktor Pax6, beispielsweise, spielt<br />
<strong>für</strong> die Entwicklung von Gehirn und Auge ei-<br />
ne entscheidende Rolle. Wird Pax6 ausgeschaltet,<br />
bilden sich weniger Nervenzellen<br />
und die Schichten und die funktionellen Regionen<br />
bauen sich fehlerhaft auf. Mäuse mit<br />
diesen Fehlentwicklungen zeigen deutliche<br />
Verhaltensstörungen. Die Inaktivierung von<br />
PAX6 beim Menschen führt zu ähnlichen<br />
A) Ist Pax6 abgeschaltet (rechts), weil Vorläuferzellen<br />
vorzeitig aufgehört haben, sich zu teilen, bilden sich zwar<br />
mehr Nervenzellen in den tieferen Schichten (L6, L5), aber<br />
fast keine in den oberen Schichten (L4 bis L2).<br />
B) Obwohl die motorische Region bei Mäusen mit<br />
inaktivem Pax6-Gen deutlich geschrumpft ist, bleiben die<br />
Verbindungen der Nervenfasern in das Rückenmark und<br />
in andere Regionen erhalten.<br />
Missbildungen der Hirnrinde und Verhaltensstörungen<br />
(aniridia syndrome). Wir untersuchen,<br />
wie Pax6 im Zusammenspiel mit<br />
anderen Proteinpartnern und Ziel-Genen die<br />
Differenzierung von Vorläuferzellen im sich<br />
entwickelnden Gehirn kontrolliert. Im erwachsenen<br />
Gehirn werden nur wenige Nervenzellen<br />
in bestimmten Regionen produziert.<br />
Nachdem wir nun die neuroge ne -<br />
tischen Eigenschaften von Pax6 kennen,<br />
möchten wir herausfinden, ob die Akti vie -<br />
rung von Pax6 und seinen Partnern im normalen<br />
oder beschädigten erwachsenen Gehirn<br />
die Entstehung neuer Nervenzellen <strong>für</strong><br />
eventuelle Reparaturprozesse anregen kann,<br />
beispielsweise nach unzureichender Blutversorgung.<br />
Der autoregulatorische Rückkopplungs-Mechanismus<br />
zwischen Trim11 und Pax6 hält das Pax6-Niveau in einem<br />
physiologischen Rahmen, welcher <strong>für</strong> eine normale Neurogenese<br />
notwendig ist.<br />
Dr. Anastassia Stoykova<br />
promovierte in Neurochemie am<br />
<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Molekularbiologie der<br />
Bulgarischen Akademie der Wissenschaften<br />
in Sofia (Bulgarien).<br />
Von 1973 bis 1992 arbeitete sie<br />
dort am Regeneration Research<br />
Laboratory und am <strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />
Molekularbiologie. Zwischen -<br />
zeitlich forschte sie als Alexander<br />
von Humboldt-Stipendiatin am<br />
<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Experimentelle<br />
Medizin (1980-81) und<br />
am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />
<strong>Chemie</strong> (1988-89).<br />
Nach ihrer Habilitation 1989 kehrte<br />
sie 1992 an das <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />
<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />
<strong>Chemie</strong> zurück. Seit 2002 leitet<br />
Anastassia Stoykova dort eine eigene<br />
Arbeits gruppe, seit 2008 im<br />
Rahmen des Minerva-Programms<br />
die Forschungsgruppe »Molekulare<br />
Neuroentwicklungsbiologie«.<br />
Kontakt:<br />
astoyko@gwdg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/research/<br />
ags/stoykova<br />
T. C. Tuoc, K. Radyushkin, A. B. Tonchev,<br />
M. C. Piñon, R. Ashery-Padan, Z. Molnar,<br />
M. S. Davidoff, A. Stoykova: Selective<br />
cortical layering abnormalities and behavioral<br />
deficits in cortex-specific Pax6<br />
knock-out mice. J. Neurosci. 29, 8335-<br />
8349 (2009).<br />
T. C. Tuoc, A. Stoykova: Trim11 modu -<br />
lates the function of neurogeneic transcription<br />
factor Pax6 through ubiquitin<br />
proteosome system. Genes Dev. 22,<br />
1972-1986 (2008).<br />
G. M. Fimia, A. Stoykova, A. Romagnoli,<br />
L. Giunta, S. Di Bartolomeo, R. Nar dacci,<br />
M. Corazzari, C. Fuoco, A. Ucar, P.<br />
Schwartz, P. Gruss, M. Pieacentini,<br />
K. Chowdhury, F. Cecconi: AMBRA1 regulates<br />
autophagy and development of<br />
the nervous system. Nature 447, 1121-<br />
1125 (2007).<br />
77
78<br />
Biomedizinische NMR<br />
Bildgebende Verfahren gewinnen in der bio lo -<br />
gi schen und medizinischen Forschung zunehmend<br />
an Bedeutung. Dies gilt auch <strong>für</strong> die Magnetresonanz-Tomografie<br />
(MRT), die detaillierte<br />
Ein blicke in die Or gansysteme von Mensch und<br />
Tier ermöglicht, ohne dass der Körper einer Belastung<br />
ausgesetzt wird.<br />
Die MRT ist damit nicht nur ein wichtiges In -<br />
strument in der medizinischen Diagnostik, sondern<br />
auch eine Methode <strong>für</strong> die Wissenschaft. Sie<br />
verbindet molekularbiologische und genetische<br />
Fortschritte mit den biochemischen, physiolo -<br />
gischen und morphologischen Verhältnissen im<br />
intakten Organismus. MRT-Untersuchungen von<br />
Versuchstieren bereiten den Weg, um neue biologische<br />
Er kennt nisse <strong>für</strong> die Medizin zu nutzen.<br />
In unserem Team verfolgen wir das Ziel, die<br />
Methoden der bildgebenden MRT weiter zu verbessern.<br />
Bereits Mitte der 80er Jahre gelang es<br />
uns, mit einem neuen Prinzip <strong>für</strong> die Aufnahme<br />
schneller MRT-Bilder (FLASH) einen entscheidenden<br />
wissenschaftlichen, klinischen und wirtschaftlichen<br />
Durchbruch zu erzielen. Unsere aktuellen<br />
Arbeiten befassen sich vor allem mit alternativen<br />
»Ortskodierungen« sowie neuen mathematischen<br />
Ansätzen <strong>für</strong> die Berechnung der Bilder. Daraus<br />
ergeben sich zum Beispiel Vorteile <strong>für</strong> die parallele<br />
MRT, die gleichzeitig Messdaten mithilfe einer<br />
Vielzahl von Empfangsspulen aufnimmt. Große<br />
Fortschritte erreichen wir mit sogenannten nichtkartesischen<br />
Kodierungsverfahren. So ermöglicht<br />
es uns die radiale FLASH-MRT, dyna mische Bildserien<br />
in Echtzeit aufzunehmen. Mit entsprechenden<br />
MRT-Filmen lassen sich selbst schnellste Bewegungen<br />
des Herzens unmittelbar und ohne Verzögerung<br />
darstellen.<br />
Beim Denken »zuschauen«<br />
Darüber hinaus beschäftigen wir uns mit besonderen<br />
Formen der MRT, die spezielle Einblicke in<br />
das Gehirn ermöglichen. So können wir aufgrund<br />
Nervenfaserbahnen im Gehirn von Mensch (oben) und Rhesusaffe (unten). Die MRT kann die gerichtete<br />
Bewegung des Wassers im Gewebe bestimmen. Damit lässt sich der dreidimen sionale Verlauf von<br />
Nervenfaserbahnen rekonstruieren, bei spiels weise derjenigen Bahnen, die über den weißen Balken im<br />
Zentrum des Gehirns kreuzen und funktionell gleich artige Areale der beiden Hirnhälften miteinander<br />
verbinden. Grün = präfrontal, hellblau = prämotorisch, dunkelblau = motorisch, rot = sensorisch,<br />
orange = parietal, violett = temporal, gelb = okkzipital.
Hochaufgelöste MRT-Aufnahme des Gehirns der<br />
Maus. Bei einer Auflösung von 30 Mikrometern in der<br />
Bild ebene gelingt es, einzelne zelluläre Schichten im<br />
Gehirn der anästhesierten Maus aufgrund ihrer unterschiedlichen<br />
Zelldichte und Myelinisierung zu identifizieren.<br />
Die Ausschnitte zeigen den Kortex (oben), den<br />
Hippocampus (Mitte) und das Kleinhirn (unten).<br />
der unterschiedlichen Beweglichkeit<br />
des Wassers im Hirngewebe den Verlauf<br />
von Nervenfaser bahnen virtuell rekonstruieren.<br />
Mit Verfahren, die empfindlich<br />
auf Veränderungen des Blutflusses<br />
reagieren, untersuchen wir das<br />
Gehirn bei Denkprozessen. Wir etablieren<br />
beispielsweise eine funktionelle<br />
Rückkopplung (Neurofeedback), mit der<br />
Versuchspersonen selbstkontrolliert die<br />
Aktivität in aus gewählten Systemen des<br />
eigenen Gehirns beein flussen lernen.<br />
Einen wichtigen Schwerpunkt unserer<br />
Forschungen bilden MRT-Unter -<br />
Mit der MRT lässt sich das schnelle Herzschlagen<br />
in Echtzeit »filmen«. Die radial<br />
kodierte FLASH-MRT erlaubt Untersuchungen<br />
schneller Organbewegungen bei freier<br />
Atmung und ganz ohne Synchronisation mit<br />
dem EKG. Gezeigt sind 15 aufeinanderfolgende<br />
Bilder (von links oben nach rechts unten),<br />
die in einem Abstand von 30 Millisekunden<br />
aufgenommen wurden, das entspricht etwa<br />
33 Bildern pro Sekunde. Der 450 Milli sekun -<br />
den dauernde Ausschnitt repräsentiert die<br />
systolische Phase eines einzelnen Herzschlags,<br />
in der sich der Herzmuskel verdickt<br />
und kontrahiert.<br />
suchungen von Versuchstieren. Diese<br />
betreffen vor allem Fragen der Hirn -<br />
forschung an genetisch veränderten<br />
Mäusen. In Zusammenarbeit mit anderen<br />
Arbeitsgruppen erforschen wir verschiedene<br />
Modelle menschlicher Hirnerkrankungen,<br />
zum Beispiel neurodegenerative<br />
Veränderungen oder Multiple<br />
Sklerose. Die MRT erlaubt es uns,<br />
Krank heitsverläufe und neue thera peu -<br />
tische Ansätze im einzelnen Tier zu beobachten.<br />
Um die Verfahren an das<br />
Mausgehirn anzupassen, müssen wir<br />
die MRT-Methoden erheblich weiterentwickeln.<br />
So können wir mit hoch -<br />
aufgelösten Darstellungen die konventionelle<br />
Untersuchung von Gewebe -<br />
proben durch strukturelle und funk -<br />
tionelle MRT-Messungen im lebenden<br />
Versuchstier erweitern.<br />
Prof. Dr. Jens Frahm studierte<br />
Physik an der Georg-August-Universität<br />
Göttingen und promovierte<br />
1977 in Physi kalischer <strong>Chemie</strong>.<br />
Anschließend forschte er als<br />
Assistent am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong><br />
<strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong>, wo<br />
er von 1982 bis 1992 die aus BMFT-<br />
Mitteln geförderte Forschungsgruppe<br />
»Biomedizinische NMR«<br />
leitete. Seit 1993 ist er wissen -<br />
schaftlicher Leiter der gemein -<br />
nützigen »Biomedizinischen NMR<br />
Forschungs GmbH«, die sich über<br />
die <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Gesellschaft aus<br />
den Einnahmen eigener Patente<br />
finanziert. Jens Frahm hat sich<br />
1994 in Physikalischer <strong>Chemie</strong><br />
habilitiert und lehrt als außer plan -<br />
mäßiger Professor <strong>für</strong> Physikalische<br />
<strong>Chemie</strong> an der Universität<br />
Göttingen. Für seine Arbeiten erhielt<br />
er zahlreiche Auszeichnungen,<br />
darunter die Gold Medal der<br />
Interna tional Society for Magnetic<br />
Resonance in Medicine (1991),<br />
den Beckurts-Preis (1993), den<br />
Niedersächsischen Staatspreis<br />
(1996) und den Sobek-<br />
Forschungspreis (2005). Seit<br />
2005 ist er Ordentliches Mitglied<br />
der Akademie der Wissenschaften<br />
zu Göttingen.<br />
Kontakt:<br />
jfrahm@gwdg.de<br />
www.biomednmr.mpg.de<br />
S. Boretius, T. Michaelis, R. Tammer, A.<br />
Tonchev, R. Ashery-Padan, J. Frahm, A.<br />
Stoy kova: In vivo MRI of altered brain<br />
anatomy and fiber connectivity in adult<br />
Pax6 deficient mice. Cerebr. Cortex,<br />
doi: 10.1093/cercor/bhp057 (2009).<br />
M. Uecker, T. Hohage, K. T. Block, J.<br />
Frahm: Image reconstruction by regularized<br />
nonlinear inversion – Applications<br />
to parallel imaging. Magn. Reson. Med.<br />
60, 674-682 (2008).<br />
S. Hofer, J. Frahm: Topography of the<br />
human corpus callosum revisited –<br />
Comprehensive fiber tractography<br />
using magnetic resonance diffusion<br />
tensor imaging. NeuroImage 32, 989-<br />
994 (2006).<br />
79
Dr. (Univ. Kiew) Halyna Shcherbata<br />
studierte Biologie an der Natio -<br />
na len Universität in Lemberg<br />
(Ukraine) und promovierte 1996<br />
am <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Pflanzenphysiologie<br />
und Genetik der Nationalen<br />
Akademie der Wissenschaften<br />
der Ukraine in Kiew. Von 2000 bis<br />
2003 war sie außerordentliche<br />
Professorin in der Abteilung »Genetik<br />
und Biotechnologie« an der<br />
Nationalen Universität in Lemberg,<br />
gefolgt von einem Postdoktorandenaufenthalt<br />
an der University<br />
of Washington (Seattle, USA).<br />
Von dort wechselte sie im Jahr<br />
2008 an das <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong><br />
<strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong>, wo<br />
sie seitdem die <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />
Forschungsgruppe »Genexpres -<br />
sion und Signalwirkung« leitet.<br />
Kontakt:<br />
halyna.shcherbata@mpibpc.mpg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/<br />
groups/shcherbata<br />
H. R. Shcherbata, A. S. Yatsenko, L. Patterson,<br />
V. D. Sood, U. Nudel, D. Yaffe,<br />
D. Baker, H. Ruohola-Baker: Dissecting<br />
muscle and neuronal disorders in a<br />
<strong>Droso</strong>phila model of muscular dystrophy.<br />
EMBO J. 26, 481-493 (2007).<br />
H. R. Shcherbata, E. J. Ward, K. A.<br />
Fischer, J. Y. Yu, S. H. Reynolds, C. H.<br />
Chen, P. Xu, B. A. Hay, H. Ruohola-<br />
Baker: Stage-specific differences in the<br />
requirements for germline stem cell<br />
maintenance in the <strong>Droso</strong>phila ovary.<br />
Cell Stem Cell 1, 698-709 (2007).<br />
80<br />
Genexpression und Signalwirkung<br />
An Muskeldystrophien leiden allein in<br />
Deutschland mehr als 30.000 Menschen.<br />
Die Muskeln Erkrankter verlieren<br />
zunehmend an Masse, ihr Schwund lässt<br />
sich nicht heilen. Geht es darum, diese erb -<br />
lichen Muskelerkrankungen zu erforschen,<br />
so ist die Taufliege <strong>Droso</strong>phila melanogaster<br />
als Modellorganismus da<strong>für</strong> wie geschaffen –<br />
wenn dies auch auf den ersten Blick nicht<br />
so scheinen mag. Dabei machen wir uns<br />
zunutze, dass sich die Fliege vergleichsweise<br />
einfach manipulieren lässt, aber dennoch<br />
komplex aufgebaut ist. So haben wir in unserer<br />
Arbeitsgruppe eine Fliegenvariante<br />
entwickelt, in der zwei Gene defekt sind, die<br />
bei Muskeldystrophien eine Rolle spielen:<br />
Dystroglykan und Dystrophin. Die Folgen<br />
dieser Defekte sind denen beim Menschen<br />
sehr ähnlich: Die Fliegen verlieren zunehmend<br />
ihre Beweglichkeit, ihre Muskelmasse<br />
nimmt ab, und ihr Hirn wird geschädigt.<br />
Mithilfe unserer Fliegenmodelle untersuchen<br />
wir die molekularen Komponenten<br />
und Signalwege, die diese Gene in der<br />
Zelle regulieren. Die Ursachen von Muskel -<br />
dystrophien besser zu verstehen, könnte<br />
zukünftig dazu beitragen, neue Therapieansätze<br />
zu entwickeln.<br />
Stammzellen als stille Reserve<br />
Stammzellen sind ein weiterer Forschungsschwerpunkt.<br />
Stammzellen finden sich<br />
nicht nur im Embryo. Adulte Stammzellen<br />
bilden die Reserve des Körpers, um Gewebe<br />
mit dem nötigen Nachschub an neuen<br />
Zellen zu versorgen. Damit Stammzellen<br />
nicht zur Neige gehen, erzeugen sie stets<br />
zweierlei Nachkommen: Nur eine Tochterzelle<br />
entwickelt sich zu einem bestimmten<br />
Zelltyp, die andere bleibt Stammzelle.<br />
Wir möchten herausfinden, wie die<br />
Selbsterneuerung und der Erhalt von<br />
(A) <strong>Droso</strong>phila adulte<br />
Keimbahn-Stammzellen<br />
(mit weißen Linien markiert)<br />
und ihre Stammzellnische<br />
(mit Pfeilen gekennzeichnet,<br />
pink).<br />
(B) Die vergrößerte<br />
Stammzellnische einer<br />
Mutante kann mehr<br />
Stammzellen aufnehmen.<br />
� <strong>Droso</strong>phila entwickelt einen altersabhängigen<br />
Muskeldystrophie-Phenotyp, der benutzt wurde, um<br />
Modifizierungsmittel zu überprüfen. (A) Architektur<br />
des transversalen Wildtyp-Muskelquerschnittes. (B)<br />
Dg-Mutanten zeigen schwere Muskeldegeneration.<br />
Stammzellen gesteuert wird. Uns interessiert<br />
vor allem, welche Rolle mikro-Ribonukleinsäure-Moleküle<br />
– miRNAs – dabei<br />
übernehmen. Stammzellen arbeiten in ihrem<br />
Gewebe nicht autonom, sondern sie<br />
werden durch Signale aus ihrer Umwelt –<br />
ihrer Stammzell-Nische – reguliert. Nur in<br />
ihrer speziellen Nische kann sich eine<br />
Stammzelle selbst erneuern. miRNAs kontrollieren<br />
dabei nicht nur die Teilung der<br />
Stammzellen; sie sorgen auch <strong>für</strong> deren Erhalt<br />
in der Nische.<br />
Wir machen uns zunutze, dass sich<br />
Stammzellen – ebenso wie Nischenzellen –<br />
in der Taufliege leicht auffinden lassen. Im<br />
Fliegen-Genom fahnden wir nach neuen<br />
Genen, die bei diesen Prozessen mit den<br />
miRNAs interagieren. Wir hoffen, damit<br />
ein generelles Modell <strong>für</strong> die beteiligten<br />
Signalwege zu entwickeln, um darüber<br />
Stammzellen manipulieren zu können. Da<br />
miRNAs nicht nur klein sind, sondern<br />
auch spezifisch, und zudem leicht von Zellen<br />
aufgenommen werden, sind sie als<br />
mögliche Therapeutika in regenerativer<br />
Medizin und bei der Behandlung von<br />
Krebs besonders vielversprechend.
Schlaf und Wachsein<br />
Schlafen und Wachsein sind Teil des<br />
Lebens eines jeden Tieres und eines<br />
jeden Menschen. Warum wir wach sind,<br />
scheint offensichtlich. Aber warum schlafen<br />
wir? Im Schlaf bewegt man sich weniger<br />
und nimmt seine Umwelt kaum wahr.<br />
Wer schläft, ist somit leichter verletzlich.<br />
Warum also begibt sich ein Lebewesen in<br />
einen solch gefähr lichen Zustand?<br />
Ohne Schlaf fühlen wir Menschen uns<br />
müde und sind leistungsschwach. Forscher<br />
glauben heute, dass Schlaf nicht nur wichtig<br />
<strong>für</strong> den Energiehaushalt ist, sondern auch <strong>für</strong><br />
das Nervensystem. Während des Schlafens<br />
wird Energie gespart, und das Nervensystem<br />
hat Zeit zu regenerieren. Aber was regeneriert<br />
sich eigentlich in den Nervenzellen?<br />
Unsere Arbeitsgruppe versucht heraus -<br />
zufinden, was beim Schlafen in den Nervenzellen<br />
passiert. Wir möchten wissen,<br />
wie ein Nervensystem einschläft und wieder<br />
aufwacht, und woher es weiß, dass es<br />
müde ist und schlafen muss. Wir möchten<br />
die lebenswichtigen Funktionen von Schlaf<br />
verstehen, die es Lebewesen unmöglich<br />
machen, auf Dauer darauf zu verzichten.<br />
Der schlafende Wurm<br />
Wir erforschen Schlafen und Wachsein an<br />
einem der einfachsten Tiermodelle, das<br />
einen schlafähnlichen Zustand besitzt:<br />
dem Fadenwurm Caenorhabditis elegans.<br />
Bei den meisten Tieren, die wie der<br />
Mensch dem Sonnenlicht ausgesetzt sind,<br />
ist der Schlaf-Wach-Rhythmus an den äußeren<br />
Tag-Nacht-Zyklus angepasst. Der im<br />
Boden lebende Wurm C. elegans spürt von<br />
der Sonne dagegen nichts. Sein Schlaf-<br />
Wach-Rhythmus wird von einem exakt<br />
vorbestimmten inneren Entwicklungsprogramm<br />
gesteuert. Die Lar ven von C. elegans<br />
durchleben in ihrer Entwick lung genau<br />
vier ausgeprägte Schlaf phasen. Nach<br />
jedem Schlaf häuten sich die Tiere.<br />
Ein großer Vorteil <strong>für</strong> unsere Untersuchungen<br />
ist, dass das Nervensystem von<br />
C. elegans extrem einfach aufgebaut ist. Da<br />
die Tiere transparent sind, können wir das<br />
Ner vensystem im intakten Organismus<br />
sowohl während des Schlafes als auch<br />
während des Wachseins beobachten und<br />
manipulieren.<br />
Unsere daraus gewonnenen Erkennt -<br />
nisse möchten wir an komplexer aufge -<br />
bauten Tieren und auch am Menschen<br />
überprüfen, um etwas über die Unterschiede<br />
und Gemeinsamkeiten von Schlafen<br />
und Wachsein bei verschiedenen Organismen<br />
zu lernen.<br />
Dr. Henrik Bringmann studierte<br />
Biologie in Göttingen und Heidelberg<br />
und promovierte 2007 am<br />
<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Zellbiologie<br />
und Genetik in Dresden.<br />
Anschließend arbeitete er als<br />
Post doktorand am Laboratory of<br />
Molecular Biology in Cambridge,<br />
England. Seit 2009 leitet er die<br />
<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Forschungsgruppe<br />
»Schlaf und Wachsein« am<br />
Göttinger <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />
<strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong>. Henrik<br />
Bringmann wurde 2008 mit der<br />
Otto-Hahn-Medaille der <strong>Max</strong>-<br />
<strong>Planck</strong>-Gesellschaft ausgezeichnet.<br />
Kontakt:<br />
henrik.bringmann@mpibpc.mpg.de<br />
www.mpibpc.mpg.de/research/<br />
ags/bringmann<br />
Montage zweier Bilder desselben Wurms.<br />
Gezeigt sind Verbindungen zwischen Nervenzellen<br />
(die Synapsen) des wachen C. elegans<br />
(rot), und des schlafenden Tieres (grün).<br />
H. Bringmann: Mechanical and genetic<br />
separation of aster- and midzone-positioned<br />
cytokinesis. Biochem. Soc. Trans.<br />
36, 381-383 (2008).<br />
H. Bringmann, C. R. Cowan, J. Kong,<br />
A. A. Hyman: LET-99, GOA-1/GPA-16,<br />
and GPR-1/2 are required for aster-positioned<br />
cytokinesis. Curr. Biol. 17,<br />
185-191 (2007).<br />
H. Bringmann, A. A. Hyman: A cyto -<br />
kinesis furrow is positioned by two consecutive<br />
signals. Nature 436, 731-734<br />
(2005).<br />
H. Bringmann, G. Skiniotis, A. Spilker,<br />
S. Kandels-Lewis, I. Vernos, T. Surrey:<br />
A kinesin-like motor inhibits micro -<br />
tubule dynamic instability. Science 303,<br />
1519-1522 (2004).<br />
81
�Beim Down-Syndrom<br />
sind ne ben vielen anderen<br />
Genen auch das<br />
PCP4 und Col18a1 in drei<br />
Kopien vor handen. PCP4<br />
(links) ist im Nervensystem<br />
wirksam, während<br />
Col18a1 – ein Kollagen-<br />
Gen (rechts) – im Binde -<br />
gewebe des Maus-<br />
Embryos aktiv ist.<br />
82<br />
Gene und Verhalten<br />
Wer einmal mit dem Flieger mehrere Zeitzonen<br />
überquert hat, der kennt das Gefühl in den<br />
ersten Tagen danach: Tagsüber lähmt einen bleischwere<br />
Müdigkeit, nachts wälzt man sich hellwach<br />
im Bett. Ein klarer Fall von Jetlag. Unsere innere<br />
Uhr braucht ein paar Tage, bis sie sich auf den<br />
um mehrere Stunden verschobenen Tagesrhythmus<br />
eingestellt hat. Doch es funktioniert: Nach ein paar<br />
Tagen »ticken« wir wieder synchron zur Außenwelt.<br />
Die Probleme, die bei einem Jetlag auftreten,<br />
sind ein anschauliches Beispiel da<strong>für</strong>, wie äußere<br />
Einflüsse unsere innere Uhr stören. Dabei muss<br />
man eigentlich von vielen inneren Uhren sprechen,<br />
denn die physiologischen Abläufe im Körper<br />
bis hin zu unserem Verhalten werden von einem<br />
ganzen Netz molekularer Zeitgeber koordiniert.<br />
Die einzelnen Organe beherbergen jeweils eigene<br />
periphere Os zillatoren, die unter der zentralen<br />
Kontrolle des im Hypothalamus gelegenen zirka -<br />
dianen Schrittmachers stehen, dem suprachias -<br />
matischen Nukleus (SCN).<br />
Die inneren Uhren der Organe passen sich unterschiedlich<br />
schnell an die veränderten äußeren<br />
Einflüsse an. Dabei spielt die Uhr der Nebenniere<br />
eine entscheidende Rolle, wie wir durch Expe -<br />
rimente mit Mäusen zeigen konnten. Das Organ<br />
schüttet normalerweise das Hormon<br />
Kortisol aus und nimmt so<br />
maßgeblichen Einfluss auf die<br />
Uhren anderer Organe. Hemmt<br />
man die Kortisol-Synthese, passt<br />
sich der Körper schneller an die<br />
neue Zeitzone an. Diese Erkenntnis<br />
eröffnet einen Weg zur Hormontherapie<br />
des Jetlags.<br />
Ein Atlas der Uhrengene<br />
Einsichten dieser Art erhalten wir, indem<br />
wir die <strong>für</strong> die zirkadiane Uhr maßgeblichen<br />
Gene ana lysieren. Eine reichhaltige,<br />
einzigartige Quelle von Uhrengen-Kandidaten<br />
sind die von uns mitent wickelten Atlanten der<br />
Genaktivität im Gehirn (www.brain-map.org,<br />
www.geneatlas.org). Um diese molekularen Karten<br />
zu erstellen, haben wir hochauflösende und automatisierte<br />
Techniken entwickelt. So können wir<br />
effizient Gene identifi zieren, die zum Beispiel in<br />
der Zentraluhr des SCN im Hypothalamus tages -<br />
rhythmisch aktiviert werden. Solche Kandidaten-<br />
Gene entfernen wir dann gezielt im SCN von Mäu -<br />
sen und bestimmen über Laufrad- und molekulare<br />
Experimente, ob die zirkadiane Uhr defekt ist.
Der Expressionsatlas eröffnet uns<br />
auch neue Einsichten in das Metabolom,<br />
die Gesamtheit aller Moleküle im<br />
Stoffwechsel (Metabolismus) eines Organismus.<br />
Viele dieser Moleküle zeigen<br />
über den Tag verteilt Konzentrationsschwankungen.<br />
Inzwischen kennen wir<br />
beispielsweise die Aktivitätsmuster aller<br />
360 Solute Carrier (SLC)-Gene. Diese<br />
enthalten die Baupläne <strong>für</strong> die SLC-<br />
Proteine, wichtige Porenproteine in biologischen<br />
Membranen. Sie schleusen<br />
kleine Moleküle wie Nährstoffe, Vitamine,<br />
Hormone und Mineralien zwischen<br />
Zellen ein und aus und innerhalb<br />
einer Zelle hin und her. Wenn wir wissen,<br />
wann welche Gene aktiv sind, können<br />
wir einen hochauflösenden Atlas<br />
des Stoffaustausches über den gesamten<br />
Säugetierorganismus konstruieren,<br />
mit besonderem Augenmerk auf die zirkadianen<br />
Aspekte des Stoffwechsels.<br />
Entwicklungsgene unter der Lupe<br />
Unsere Atlanten der Genexpression<br />
(www.genepaint.org, www.eurex press.<br />
org) sind auch ein wichtiger Fundus,<br />
um zu erforschen, wie Gene die Entwicklung<br />
des Gehirns im Embryo beeinflussen<br />
– der zweite große Forschungsschwerpunkt<br />
in unserer Ab -<br />
teilung. Wir konzentrieren uns primär<br />
auf DNA-Abschnitte, die<br />
Wachstum und Struktur<br />
der Großhirnrinde koordinieren.<br />
Ein Beispiel ist das<br />
Esco2-Gen, das in den<br />
Stammzellen der Großhirnrinde<br />
<strong>für</strong> eine kurze<br />
Zeit wirksam ist und<br />
während der Zellteilung<br />
den Zusammenhalt der<br />
Chromosomen reguliert.<br />
Entfernt man bei Mäusen<br />
dieses Gen in der Wachstumszone<br />
der Großhirnrinde,<br />
so werden die Tiere ohne<br />
diesen Teil des Hirns geboren.<br />
Menschen, bei denen das<br />
Esco2-Gen mutiert ist, leiden unter<br />
einer schwerwiegenden Erbkrankheit,<br />
die man als Roberts-Syndrom<br />
bezeichnet. Wir verwenden unsere<br />
Esco2-Mausmutanten, um sowohl<br />
die molekularen Prozesse der Zellteilung<br />
als auch die Ursache des Roberts-<br />
Syndroms zu erforschen.<br />
In der Abbildung wird die Aktivitätsstärke (grün<br />
bis rot) von 36 Solute Carrier-Genen (SLCs) in<br />
der Nebenniere der Maus gezeigt. Je früher am<br />
Tag ein SLC sein Aktivitätsmaximum (rot)<br />
erreicht, desto weiter oben befindet es sich im<br />
Diagramm. Man erkennt leicht, dass selbst in<br />
einer Gruppe von gerade einmal 36 SLC-Genen<br />
eine klare tageszeitliche Präferenz auftritt.<br />
Prof. Dr. Gregor Eichele studierte<br />
<strong>Chemie</strong> und Strukturbiologie und<br />
promovierte 1980 an der Universität<br />
Basel. Im Anschluss forschte<br />
er von 1981 bis 1984 als Postdoktorand<br />
an der University of California,<br />
San Francisco (USA) auf<br />
dem Gebiet der Entwicklungsbiologie.<br />
1985 bis 1990 war er Mitglied<br />
der Fakultät der Harvard<br />
University School of Medicine<br />
Boston (USA) und wechselte<br />
von 1991 bis 1998 an das Baylor<br />
College of Medicine, Houston<br />
(USA). Er war von 1997 bis 2006<br />
Direktor und Wissenschaftliches<br />
Mitglied am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong><br />
<strong>für</strong> experimentelle Endokrinologie.<br />
Seit 2006 ist Gregor Eichele<br />
Direktor am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong><br />
<strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong> und<br />
Leiter der Abteilung »Gene und<br />
Verhalten«. Für seine Forschung<br />
erhielt er zahlreiche Auszeichnun -<br />
gen, darunter 1991 den Friedrich-<br />
Miescher-Preis und den McKnight<br />
Neuroscience Development<br />
Award sowie 2000 den Innovation<br />
Award in Functional Genomics.<br />
Kontakt:<br />
gregor.eichele@mpibpc.mpg.de<br />
http://genesandbehavior.mpibpc.<br />
mpg.de<br />
V. Jakubcakova, H. Oster, F. Tamanini,<br />
C. Cadenas, M. Leitges, G. T. van der<br />
Horst, G. Eichele: Light entrainment of<br />
the mammalian circadian clock by a<br />
PRKCA-dependent posttranslational<br />
mechanism. Neuron 54, 831-843 (2007).<br />
E. S. Lein, M. J. Hawrylycz, N. Ao, et al.:<br />
Genome-wide atlas of gene expression in<br />
the adult mouse brain. Nature 445, 168-<br />
176 (2007).<br />
A. Visel, J. Carson, J. Oldekamp, M.<br />
Warnecke, V. Jakubcakova, X. Zhou, C. A.<br />
Shaw, G. Alvarez-Bolado, G. Eichele: Regulatory<br />
pathway analysis by highthroughput<br />
in situ hybridization. PLoS<br />
Genet. 3, 1867-1883 (2007).<br />
J. P. Carson, T. Ju, H. C. Lu, C. Thaller,<br />
M. Xu, S. L. Pallas, M. C. Crair, J. Warren,<br />
W. Chiu, G. Eichele: A digital atlas to<br />
characterize the mouse brain transcriptome.<br />
PLoS Comput. Biol. 1, e41 (2005).<br />
83
Dr. Henrik Oster promovierte<br />
2002 an der Universität Freiburg<br />
(Schweiz) in Bio chemie. Von 2002<br />
bis 2007 forschte er am <strong>Max</strong>-<br />
<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> experimentelle<br />
Endokrinologie in Hannover und<br />
am Wellcome Trust Centre for Human<br />
Genetics an der Universität<br />
Oxford (England). Seit 2007 leitet<br />
er als Emmy-Noether-Preisträger<br />
der Deutschen Forschungs -<br />
gemeinschaft die Arbeitsgruppe<br />
»Zir kadiane Rhythmen« am <strong>Max</strong>-<br />
<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong><br />
<strong>Chemie</strong>. Für seine Forschung erhielt<br />
Henrik Oster 2002 den Fakultätspreis<br />
der Universität Freiburg<br />
(Schweiz) und 2003 die Otto-Hahn-<br />
Medaille der <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Gesell -<br />
schaft.<br />
Kontakt:<br />
henrik.oster@mpibpc.mpg.de<br />
http://circadianrhythms.mpibpc.<br />
mpg.de<br />
D. Lupi , H. Oster, S. Thompson, R. G.<br />
Foster: The acute light-induction of<br />
sleep is mediated by OPN4-based photoreception.<br />
Nat. Neurosci. 11, 1068-<br />
1073 (2008).<br />
H. Oster, S. Damerow, S. Kiessling, V.<br />
Jakubcakova, D. Abraham, J. Tian, M.<br />
W. Hoffmann, G. Eichele: The circadian<br />
rhythm of glucocorticoids is regulated<br />
by a gating mechanism residing in<br />
the adrenal cortical clock. Cell Metab.<br />
4, 163-173 (2006).<br />
H. Oster, S. Baeriswyl, G. T. van der<br />
Horst, U. Albrecht: Loss of circadian<br />
rhythmicity in aging mPer1-/-mCry2-/mutant<br />
mice. Genes Dev. 17, 1366-<br />
1379 (2003).<br />
84<br />
Zirkadiane Rhythmen<br />
Alles Leben auf unserer Erde verläuft in<br />
Zyklen. Einer der einflussreichsten dieser<br />
Zyklen ist der tägliche Wechsel von Tag<br />
und Nacht. Der Tageslauf bringt weitreichende<br />
Veränderungen der Umwelt mit<br />
sich, die es optimal zu nutzen gilt. Um dies<br />
zu erreichen, haben fast alle Lebewesen – von<br />
Bakterien bis hin zum Menschen – innere<br />
Zeitmesser entwickelt (sogenannte zirkadiane<br />
Uhren). Damit bestimmen sie die aktuelle<br />
Tageszeit, um die Physiologie ihres Körpers<br />
und ihr Verhalten optimal auf die jeweiligen<br />
Anforderungen vorzubereiten. Diese innere<br />
Uhr ist genetisch verankert. Sie funktioniert<br />
deshalb auch, wenn äußere Zeitgeber wie<br />
die Sonne fehlen. Die innere Uhr lässt uns<br />
abends müde werden, weckt uns morgens<br />
wieder auf und steuert die Ausschüttung<br />
zahlreicher Hormone im 24-Stunden-Takt.<br />
Unsere Forschungsgruppe interessiert<br />
sich <strong>für</strong> die molekularen Mechanismen,<br />
die hinter diesen Phänomenen stecken.<br />
Um diese zu ergründen, haben wir Mäuse<br />
gezüchtet, in denen einzelne Steuergene<br />
der inneren Uhr – die übrigens beim Menschen<br />
ganz ähnlich funktioniert – ausgeschaltet<br />
sind. An diesen Mäusen untersuchen<br />
wir nun die Veränderung ihrer Tagesrhythmen.<br />
Dabei interessieren wir uns besonders<br />
<strong>für</strong> das Schlaf-Wachverhalten der<br />
Tiere sowie das Zusammenspiel zwischen<br />
der inneren Uhr und der Nahrungsaufnahme<br />
und -verwertung.<br />
Das Ticken der Uhr zum Leuchten bringen<br />
So stellen wir den Mäusen ein Laufrad in<br />
den Käfig, mit dem wir sehr präzise den Aktivitätsrhythmus<br />
der Tiere messen können.<br />
Bei anderen Tieren haben wir ein Leuchtprotein<br />
aus dem Glühwürmchen an die innere<br />
Uhr gekoppelt. Anhand des Leuchtsignals<br />
verfolgen wir nicht nur das moleku-<br />
Oben: Wenn man das Uhrenprotein PER2 an das<br />
Leuchtprotein LUCIFERASE koppelt, kann man mit<br />
dem Lichtsignal, das bei der Luciferin-Spaltung ent -<br />
steht, den Rhythmus der inneren Uhr sichtbar machen.<br />
Unten: Lichtemissionsrhythmen in Leberschnitt-<br />
Kulturen aus Mäusen mit PERIOD2-LUCIFERASE-<br />
Fusionsprotein.<br />
lare »Ticken« der Uhr, sondern auch, wie<br />
die Uhr im lebenden Gewebe auf Stoffwechsel-Signale<br />
reagiert.<br />
Wir erhoffen uns davon neue Ansatzpunkte,<br />
zum Beispiel <strong>für</strong> die Behandlung<br />
von »Rhythmus-Krankheiten« beim Menschen<br />
wie Schlafstörungen, Winterdepression<br />
und das sogenannte Nachtesser-<br />
Syndrom (engl. Night Eating Syndrome).<br />
Laufradaktivität einer<br />
Cry1-mutanten Maus unter Licht-<br />
Dunkel-Bedingungen (LD) und in<br />
konstanter Dunkelheit (DD). In DD<br />
folgt der Aktivitätsrhythmus des<br />
Tieres seiner inneren Uhr mit einer<br />
Perioden länge von ca. 22 Stunden,<br />
während unter LD die innere Uhr<br />
mit dem Tagesrhythmus synchronisiert<br />
ist (24 Stunden pro Zyklus).
Das <strong>Institut</strong> in aller Kürze<br />
Mitarbeiter:<br />
837, davon 473 Wissenschaftler<br />
Geschäftsführender Direktor:<br />
Professor Dr. Helmut Grubmüller (2009 – 2010)<br />
Assistentin des Geschäftsführenden Direktors:<br />
Eva-Maria Hölscher<br />
Verwaltungsleiter:<br />
Manfred Messerschmidt<br />
Kontakt:<br />
<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong><br />
(Karl-Friedrich-Bonhoeffer-<strong>Institut</strong>)<br />
Am Faßberg 11 · 37077 Göttingen<br />
Telefon: +49 (0)551 201-0 · Fax: +49 (0)551 201-1222<br />
www.mpibpc.mpg.de<br />
Wissenschaftliche Abteilungen<br />
Gene und Verhalten (Professor Dr. Gregor Eichele)<br />
Membranbiophysik (Professor Dr. Erwin Neher)<br />
Molekulare Entwicklungsbiologie (Professor Dr. Herbert Jäckle)<br />
Molekulare Zellbiologie (Professor Dr. Peter Gruss;<br />
<strong>für</strong> die Zeit seiner Präsidentschaft bei der MPG beurlaubt)<br />
NanoBiophotonik (Professor Dr. Stefan W. Hell)<br />
Neurobiologie (Professor Dr. Reinhard Jahn)<br />
NMR-basierte Strukturbiologie (Professor Dr. Christian Griesinger)<br />
Physikalische Biochemie (Professor Marina Rodnina)<br />
Theoretische und computergestützte Biophysik (Professor Dr. Helmut Grubmüller)<br />
Zelluläre Biochemie (Professor Dr. Reinhard Lührmann)<br />
Zelluläre Logistik (Professor Dr. Dirk Görlich)<br />
Biomedizinische NMR (Professor Dr. Jens Frahm)<br />
Kuratorium<br />
Ralf O. H. Kähler · Vorstandsvorsitzender der Volksbank Göttingen<br />
Thomas Keidel · Geschäftsführender Gesellschafter der Mahr GmbH, Göttingen<br />
Dr. Joachim Kreuzburg · Vorstandsvorsitzender der Sartorius AG, Göttingen<br />
Dr. Wilhelm Krull · Generalsekretär der VolkswagenStiftung, Hannover<br />
Dr. Peter Lange · Ministerialdirektor, Bundesministerium <strong>für</strong> Bildung und Forschung, Berlin<br />
Prof. Dr. Gerd Litfin (Vorsitzender) · Aufsichtsratsvorsitzender der LINOS AG, Göttingen<br />
Wolfgang Meyer · Oberbürgermeister der Stadt Göttingen<br />
Thomas Oppermann · Mitglied des Deutschen Bundestages, Berlin<br />
Gerhard Scharner · Ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Göttingen<br />
Reinhard Schermann · Landrat des Landkreises Göttingen<br />
Dr. Herbert Stadler · Vorstandsvorsitzender der Affectis Pharmaceuticals AG, München<br />
Ilse Stein · Chefredakteurin, Göttinger Tageblatt<br />
Volker Stollorz · Redakteur, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und Westdeutscher Rundfunk<br />
Lutz Stratmann · Niedersächsischer Minister <strong>für</strong> Wissenschaft und Kunst, Hannover<br />
Prof. Dr. Rita Süssmuth · Ehemalige Präsidentin des Deutschen Bundestages, Berlin<br />
Prof. Dr. Kurt von Figura · Präsident der Georg-August-Universität Göttingen<br />
85
86<br />
Wissenschaftlicher Beirat<br />
Professor Dr. Hugo Bellen<br />
Howard Hughes Medical <strong>Institut</strong>e, Baylor College of Medicine (Houston, USA)<br />
Professor Dr. Carmen Birchmeier-Kohler<br />
<strong>Max</strong>-Delbrück-Centrum <strong>für</strong> Molekulare Medizin (Berlin)<br />
Professor Dr. David Case<br />
BioMaPS <strong>Institut</strong>e and Department of Chemistry & Chemical Biology,<br />
Rutgers University (Piscataway, USA)<br />
Professor Dr. Christopher Dobson<br />
University of Cambridge (Cambridge, UK)<br />
Professor Dr. Gideon Dreyfuss<br />
Howard Hughes Medical <strong>Institut</strong>e,<br />
University of Pennsylvania (Philadelphia, USA)<br />
Professor Dr. Mary Beth Hatten<br />
Rockefeller University (New York, USA)<br />
Professor Dr. Peter Jonas<br />
Universität Freiburg (Freiburg i. Breisgau)<br />
Professor Dr. Michael Levitt<br />
Stanford University (Stanford, USA)<br />
Professor Dr. David Nesbitt<br />
University of Colorado at Boulder (Boulder, USA)<br />
Professor Dr. Peter So<br />
Massachusetts <strong>Institut</strong>e of Technology (Cambridge, USA)<br />
Professor Dr. Joan Steitz (Vorsitzende)<br />
Yale University (New Haven, USA)<br />
Professor Dr. Joseph Takahashi<br />
Howard Hughes Medical <strong>Institut</strong>e, University of Texas (Dallas, USA)<br />
Professor Dr. Peter Walter<br />
University of California (San Francisco, USA)
Sie erreichen uns ...<br />
... mit dem Auto<br />
Autobahn A7 Kassel-Hannover, Ausfahrt Göttingen<br />
Nord. An der ersten Ampel geradeaus der B27<br />
in Richtung Braunlage folgen. Nach knapp 2 km<br />
links einbiegen in Richtung Nikolausberg (be -<br />
schildert). Die dritte Straßeneinmündung links<br />
führt auf das <strong>Institut</strong>sgelände.<br />
... mit dem Zug<br />
Ab Göttingen Hauptbahnhof mit dem Taxi zum<br />
<strong>Institut</strong> oder mit dem Stadtbus der Linie 8 und 13<br />
in Richtung Innenstadt. An einer der ersten vier<br />
Haltestellen umsteigen in die Linie 5 Richtung<br />
Nikolausberg. Die Haltestelle »Am Faßberg« liegt<br />
kurz vor dem <strong>Institut</strong>sgelände.<br />
... mit dem Flugzeug<br />
Flughafen Frankfurt/Main oder Hannover<br />
Ab Flughafen Frankfurt vom Fernbahnhof nach<br />
Göttingen (Richtung Hamburg, Berlin; direkte Züge<br />
verkehren im Zweistundentakt). Alternativ vom<br />
Regionalbahnhof mit Zug oder S-Bahn nach Frank -<br />
furt/Hbf (Züge nach Göttingen zweimal stünd -<br />
lich). Fahrzeit mit dem Auto ca. drei Stunden.<br />
Ab Flughafen Hannover mit der S-Bahn zum<br />
Hauptbahnhof Hannover, von dort mit dem ICE<br />
oder IC nach Göttingen (Fahrzeit ca. 30 Minuten).<br />
Fahrzeit mit dem Auto ca. 1,5 Stunden.<br />
87
88<br />
Abbildungen<br />
Seite 5 (unten, links): Medialer Nucleus des Trapezkörpers<br />
(MNTB) im Gehirn, injiziert mit GFP-Adeno -<br />
virus (grün). Der vesikuläre Glutamattransporter<br />
VGLUT1 ist rot angefärbt. (Meike Pedersen, Abteilung<br />
<strong>für</strong> Membranbiophysik)<br />
Seite 5 (unten, zweites Bild von links): Räumliche<br />
Struktur von Bakteriorhodopsin. Archaebakterien<br />
wie Halo bac terium halobium benutzen die lichtgetriebene<br />
Protonenpumpe zur Energieproduktion.<br />
(Helmut Grubmüller, Abteilung <strong>für</strong> Theoretische<br />
und Computergestützte Biophysik)<br />
Seite 5 (unten, zweites Bild von rechts): Aus dem<br />
embryonalen Gehirn der Maus wurden neurale<br />
Stammzellen gewonnen, die sich in Gewebekultur in<br />
sogenannte Sternzellen (Astrozyten, grün) differenziert<br />
haben. Zell kerne sind blau angefärbt. (Michael Kessel,<br />
Forschungs gruppe Entwicklungsbiologie)<br />
Seite 5 (unten rechts): Das Hormon Insulin in zwei<br />
unterschiedlichen Darstellungsformen. (Helmut<br />
Grubmüller, Abteilung <strong>für</strong> Theoretische und Computergestützte<br />
Biophysik)<br />
Seite 6: Konfokale Fluoreszenzmikroskopie-Aufnahme<br />
von Beutelratten-Zellen, in denen das Tubulin-Zyto -<br />
skelett angefärbt ist. (Christian Wurm, Stefan Jakobs;<br />
Forschungsgruppe Struktur und Dynamik von<br />
Mitochondrien)<br />
Seite 7 (unten rechts): <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />
Neurobiologie<br />
Seite 8 (unten links): Archiv der <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />
Gesellschaft<br />
Seite 9 (oben): Räumliche Struktur des molekularen<br />
Kraftsensors Titinkinase. (Helmut Grubmüller,<br />
Abteilung <strong>für</strong> Theoretische und Computergestützte<br />
Biophysik)<br />
Seite 9 (unten): Dirk Bockelmann, Abteilung <strong>für</strong><br />
NMR-basierte Strukturbiologie<br />
Seite 12 (oben): Deutscher Zukunftspreis,<br />
Ansgar Pudenz<br />
Seite 13: Schärferer Blick auf das Innere von Zellen:<br />
Die Abbildung zeigt Filamente in einer menschlichen<br />
Nervenzelle; rechts durch ein herkömmliches Kon -<br />
fo kalmikroskop, links durch ein STED-Mikroskop.<br />
(Stefan W. Hell, Abteilung <strong>für</strong> NanoBiophotonik)<br />
Seite 21: Konfokale Fluoreszenzmikroskopie-Aufnahme<br />
von Beutelratten-Zellen, in denen das Aktin-Zytoskelett<br />
rot, das Tubulin-Zytoskelett grün und der Zellkern blau<br />
angefärbt ist. (Christian Wurm, Stefan Jakobs;<br />
Forschungsgruppe Struktur und Dynamik von<br />
Mitochon drien)<br />
Seite 30: Federico Neri, fotolia.com<br />
Seite 33: Inter-Stilist, fotolia.com<br />
Seite 34: Der »head tail connector« der phi29-DNA-<br />
Polymerase. Er ist an der DNA-Verpackung während<br />
der Virus-Reproduktion beteiligt. Die DNA ist blau<br />
dargestellt. (Mattias Popp, Abteilung <strong>für</strong> Theoretische<br />
und Computergestützte Biophysik)<br />
Seite 48/49: Struktur der größten Untereinheit des<br />
Spleißosoms, des sogenannten »tri-snRNP« (links) und<br />
vier weitere Strukturen seiner »beweglichen« Kompo -<br />
nente (U5 snRNP). (Holger Stark, Forschungsgruppe<br />
Dreidimensionale Kryo-Elektronenmikroskopie)<br />
Seite 54/55 (oben): Bakterienzellen.<br />
(Irochka, fotolia.com)<br />
Seite 56/57: Milliarden Nervenzellen sind im mensch -<br />
lichen Gehirn zu einem komplexen Netzwerk verknüpft.<br />
(Sebastian Kaulitzki, fotolia.com)<br />
Seite 64: Konfokale Fluoreszenzmikroskopie-Aufnahme<br />
von Beutelratten-Zellen, in denen das Tubulin-Zytoske -<br />
lett rot und der Zellkern blau angefärbt ist. (Christian<br />
Wurm, Stefan Jakobs; Forschungsgruppe Struktur<br />
und Dynamik von Mitochondrien)<br />
Seite 65: Die zentrale Einrichtung »Innovative<br />
Lichtmikroskopie«. (Alexander Egner)<br />
Seite 70/71: Schnitt durch das Gehirn der Maus mit<br />
so genannten Sternzellen (Astrozyten, grün) in der<br />
oberen Schicht und Nervenzellen (rot) in der unteren<br />
Schicht. Zellkerne sind blau angefärbt.(Michael<br />
Kessel, Forschungsgruppe Entwicklungsbiologie)<br />
Seite 76/77: Emilia Stasiak, fotolia.com<br />
Seite 82/83: FinePix, fotolia.com (alte Uhr)<br />
Seite 84: Kyslynskyy, fotolia.com
Impressum<br />
Herausgeber <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong><br />
Am Faßberg 11 · 37077 Göttingen<br />
Texte Marcus Anhäuser, Diemut Klärner, Dr. Carmen Rotte;<br />
in Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern<br />
am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong><br />
Fotos Irene Böttcher-Gajewski, Peter Goldmann (S. 10 unten links, S. 17 oben<br />
rechts), Heidi Wegener (S. 85)<br />
Titelbild Irene Böttcher-Gajewski<br />
Schlussredaktion Dr. Ulrich Kuhnt, Silvia Petrova, Dr. Carmen Rotte<br />
Layout Rothe-Grafik, Georgsmarienhütte; Hartmut Sebesse<br />
Druck Druckhaus Fromm, Osnabrück<br />
Koordination Dr. Carmen Rotte<br />
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />
<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong><br />
pr@mpibpc.mpg.de<br />
Internet www.mpibpc.mpg.de
<strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>biophysikalische</strong> <strong>Chemie</strong><br />
(Karl-Friedrich-Bonhoeffer-<strong>Institut</strong>)<br />
Am Faßberg 11 · 37077 Göttingen<br />
Tel.: +49 (0)551 201-0 · Fax: +49 (0)551 201-1222<br />
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