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Anja Jank, 26, hat eine Firma für antike Möbel ... - Anne Lemhöfer

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1. Die Geschäftsidee:Kurz (kurz!) erläutern: Was ist das Besonderean der perfekten Bar? Wirtschaftswissenschaftlersprechen vom »Elevator Pitch«, »Aufzugtest«:Stell dir vor, du triffst den Banker, vondem alles abhängt, im Aufzug – und hastzwanzig Stockwerke, 90 Sekunden, ihm deinKonzept zu erklären. Testpublikum: Freunde.2. Der Gründer:Wer bist du? Was qualifiziert dich als Barkeeper,außer dass du selbst gern trinkst? Werseit Jahren als Programmierer arbeitet undsich jetzt mit <strong>eine</strong>r Softwarefirma selbstständigmachen will, <strong>hat</strong> einleuchtende Argumente.Du hast dir dein Studium als Bedienungfinanziert und kennst den Ablauf <strong>eine</strong>sKneipenabends hinter der Theke vom Türaufschließenbis zur Schlussabrechnung nachRausschmiss der letzten Gäste? Gut. Nochbesser: Dein Nebenfach an der Uni hieß zwarnicht BWL, aber Volkswirtschaftslehre. Dashast du nach zwei Semestern abgebrochen,weil du durch die Statistikprüfung gefallenbist? Egal. Die Sprachregelung lautet: »Ichhabe an der Uni Tübingen Volkswirtschaftslehre,Soziologie und Skandinavistik studiert.«Ist ja nicht gelogen. Du planst selbstverständlich,dich weiterzubilden (Volkshochschule).3. Rechtlicher Rahmen:Hast du mal <strong>eine</strong>n Blick ins Gaststättengesetzgeworfen? Musst du zwecks Lärmschutz vielleichtWände verkleiden? Du weißt schon, dassdie Stadtverwaltung <strong>eine</strong> Parkplatzablöse verlangt?Die perfekte Bar war bis vor kurzem <strong>eine</strong>Kinderkleiderboutique? Dann musst du in dieVollen gehen: Ein Umbau wird nötig. Stell dichauf ein nerviges (und: teures) Klein-Klein mitdiversen Ämtern ein. Das geht schon, nur: Dumusst dir dessen bewusst sein, Mehrkosteneinkalkulieren und kenntnisreich auflisten.Hier passt der Satz, dass ein Businessplan erstin zweiter Linie für die Banken und zuerst fürden Gründer selbst da ist: Vielleicht entschließtdu dich an dieser Stelle, dir das Leben nichtunnötig schwer zu machen und die perfekteBar da einzurichten, wo vorher schon <strong>eine</strong> Barwar, die wegen »familiärer Probleme« des Inhabersleider nach <strong>eine</strong>m Dreivierteljahr dichtmachenmusste (kritisch nachfragen).Maike Brunk, 38,bietet mit ihrer <strong>Firma</strong> individuelleHafenrundfahrten an»Mein erster Job bei <strong>eine</strong>m Softwarevertriebfiel mir vor die Füße. Ich <strong>hat</strong>te Wirtschaftsinformatikstudiert und dachte: Warumnicht? Ein Fehler. Langatmige Projekte,Druck vom Chef, oft habe ich mich insBüro gequält. Der zweite Fehler: Ichglaubte, durch <strong>eine</strong>n Jobwechsel würde esbesser. Dabei mochte ich m<strong>eine</strong>n Beruf ansich nicht. Dann wurde mir gekündigt –das Beste, was mir passieren konnte! Auf<strong>eine</strong>r Feier kam ich mit <strong>eine</strong>m Kapitän insGespräch, er brachte mich auf <strong>eine</strong> Idee:Ich wollte individuelle Touren im HamburgerHafen anbieten. K<strong>eine</strong> Wende um180 Grad, sondern <strong>eine</strong> Rückkehr zu m<strong>eine</strong>nWurzeln. Ich bin in Nordfrieslandaufgewachsen, ich liebe Schiffe, ich willdraußen sein. All das <strong>hat</strong>te ich im Büroverdrängt. Der Gründerzuschuss vomArbeitsamt half über das erste halbe Jahr.Aber ich <strong>hat</strong>te Glück: Die Fahrten, die ichfür Firmenfeiern konzipierte, wurdenüber Xing massenhaft weiterempfohlen.Ich arbeite viel mehr als früher, aber esfühlt sich nicht an wie Arbeit.«88 / Wissen Fotos: Benne Ochs


Alexander Böker, 37, entwickelt mit Oliver Wurm Panini-Alben für Städte»Es war vergangenes Frühjahr, wir aßenEis und überlegten, was wir mit dem Jahranstellen sollten. Es sollte irgendwas mitHamburg sein, dieser tollen Stadt. Plötzlichdie Idee: Panini-Alben mit Hamburg-Motiven! Schöne Orte und berühmte Menschenzum Sammeln. Wir wussten sofort:Das kann klappen. Die Frage war nur, wiewir das finanzieren. Wir <strong>hat</strong>ten die Idee,dass Firmen sich ins Heft einkaufen können,da klebt dann die Nivea-Dose nebenHans Albers. Im Oktober kam ›Hamburgsammelt Hamburg‹ auf den Markt, einpaar Wochen später waren fast alle 50 000Alben vergriffen. Es ist nicht so, dass wirblutige Anfänger waren: Wir sind Journalistenund <strong>hat</strong>ten schon Magazine gegründet.Es hilft sehr, die Branche zu kennen.Der Schweiß stand uns trotzdem oft aufder Stirn: Druckerei suchen, Vertrieb organisieren,Sponsoren werben. Spannendist es jedes Mal aufs Neue. Im März bringenwir ›Köln sammelt Köln‹ heraus. Münchenund das Ruhrgebiet sollen folgen.«Wissen / 89


4. Wettbewerbssituation:Du lebst in <strong>eine</strong>m Wohnviertel, in dem esbereits drei Schokoladenläden gibt. Du willstwirklich <strong>eine</strong>n vierten aufmachen? Die »lebendigeKneipenszene« d<strong>eine</strong>r Stadt wird bereitsin jedem Reiseführer gepriesen. Wer brauchtda noch d<strong>eine</strong> Bar und warum? Sprich mitGastronomen in der Umgebung, geh zweiWochen in der Gegend d<strong>eine</strong>r Wunschimmobilieaus. Wo genau verläuft die Ameisenstraßeder nachts Feiernden? Denk an d<strong>eine</strong>igenes Ausgehverhalten: Biegst du morgensum halb drei noch mal in <strong>eine</strong> Seitenstraßeein, auf der du 300 Meter zum nächstenLeuchtschild mit Bierreklame laufen musst?Schreib d<strong>eine</strong> Eindrücke auf, jedes Argumentgehört hierhin.5. Marketing:Du willst Flyer drucken, schön. Wie viele? Wersoll sie lesen? Wo willst du sie auslegen? Waskostet die Druckerei? Bist du online gut vernetzt?Hier kommen soziale Plattformen wieXing (bist du scharf auf die After-Work-Leute?Wäre zumindest für den Anfang nicht ungeschickt)und Facebook ins Spiel. Du hast dochbestimmt dein Lieblingsmodelabel in d<strong>eine</strong>rFreundesliste und kannst vermutete Interessensschnittmengennutzen. Mach <strong>eine</strong> Gruppe fürd<strong>eine</strong>n T-Shirt-Laden auf und versuche, denschmalen Grat zwischen sympathischemNeugierwecken und peinlicher Anwanzereinicht zu überschreiten. Der Schneeballeffektim Internet kann überraschende Ausmaßeannehmen. Richtig: kann.6. Die Finanzplanung:Alles, alles, alles, was Geld kostet, musst du hierauflisten. Daneben schreibst du, wo das Geldfür Miete, Zapfanlage, Versicherungen, Mobiliar,Gewerbesteuer, Getränke, Lohn für Bedienungen(respektive: Kleiderbügel, Schaufensterpuppenund so weiter) herkommen soll. Nichtvergessen: dein eigenes Gehalt plus Altersvorsorge,Einkommenssteuer und Sozialversicherung.Dein Cousin studiert BWL? Super. Rufihn an und geh mit ihm die Excel-Tabellendurch. Der Teufel lauert im Detail. Du musstjeden Monat ein Polster einkalkulieren – dasnennt sich Liquiditätsplanung. Wann kommendie Einnahmen aufs Konto? Wann bucht derVermieter die Miete ab, wann will der Getränkelieferantsein Geld? Wenn du <strong>eine</strong> RechnungJan Klose, 32,Creative Director beim Computerspieleentwickler»Deck 13«»Als Kind habe ich mir Brettspiele ausgedacht.Dann habe ich Comics gezeichnet.Computerspiele zu entwickeln, war derlogische nächste Schritt. Ich will m<strong>eine</strong>eigenen Welten erschaffen. Wenn manIdeen 1:1 umsetzen will, gibt es zu <strong>eine</strong>reigenen <strong>Firma</strong> k<strong>eine</strong> Alternative. ›Deck 13‹habe ich im Studium mit Schulfreundengegründet. Mein Fach Medienwirtschafthalf beim Schreiben des Businessplans.Der ist aber nur ein Stück Papier. Katastrophenkann man nicht planen. Wir <strong>hat</strong>tengerade unser erstes Spiel fertig, da ging die<strong>Firma</strong> pleite, die es kaufen wollte. ZweiJahre Arbeit umsonst! M<strong>eine</strong> Freunde <strong>hat</strong>tenAngst, dass ich durchdrehe. Als Selbstständigerkann man aber nicht schreiendweglaufen. Man braucht ein Optimismusgen.Das Spiel haben wir bei <strong>eine</strong>r anderen<strong>Firma</strong> unterbringen können. Seitdem läuftes. Der Nachfolger ›Ankh‹, das Abenteuer<strong>eine</strong>s kl<strong>eine</strong>n Jungen im alten Ägypten,wurde beim Deutschen Entwicklerpreis2005 Spiel des Jahres. Heute beschäftigenwir 25 Mitarbeiter.«90 / Wissen Fotos: Michael Hudler


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