Schwerpunkt: âReproduktionsmedizinâ - Tierärztliche Hochschule ...
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Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover Forschung fürs Leben 2005 Schwerpunkt: „Reproduktionsmedizin“
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Stiftung Tierärztliche <strong>Hochschule</strong> Hannover<br />
Forschung fürs Leben 2005<br />
<strong>Schwerpunkt</strong>:<br />
„Reproduktionsmedizin“
Boehringer Ingelheim Vetmedica GmbH<br />
55216 Ingelheim/Rhein • Telefon 0180/3660660<br />
vetservice@ing.boehringer-ingelheim.com<br />
Boehringer Ingelheim<br />
ABCD<br />
Ingelvac®<br />
PRRS MLV<br />
Ingelvac®<br />
M.hyo<br />
Metacam®<br />
Voren®<br />
Benester-<br />
mycin®<br />
Venti<br />
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Vetmedin®<br />
Enterisol®<br />
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Das „laktophile“ Antimastitikum gegen die akute E. coli-Mastitis<br />
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schnelle Bakterizidie<br />
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Therapie von Infektionskrankheiten bei Rindern und Schweinen, hervorgerufen durch folgende Enrofloxacin-empfindliche gramnegative und grampositive Bakterien sowie Mykoplasmen: Rind: Bakteriell bedingte Erkrankungen des Respirations- und<br />
Digestionstraktes (Pasteurellose, Mykoplasmose, Colibazillose, Coliseptikämie) bakterielle Sekundärerkrankungen (z.B. im Rindergrippe-Crowding-Komplex) sowie akute E.-coli-Mastitiden mit gestörtem Allgemeinbefinden. - E. coli, Haemophilus spp.,<br />
Pasteurella spp., Mycoplasma bovis. Schwein: Bakteriell bedingte Erkrankungen des Digestions- (Colidiarrhoe, Coliseptikämie) und Respirationstraktes (enzootische Pneumonie), MMA-Syndrom der Sauen. - E. coli, Pasteurella spp., Mycoplasma hyopneumoniae.<br />
Gegenanzeigen: Vorliegende Resistenz gegenüber Chinolonen, da gegenüber diesen eine nahezu vollständige, gegenüber anderen Fluochinolonen eine komplette Kreuzresistenz besteht. Bereits bestehende Knorpelwachstumsstörungen<br />
oder Schädigungen des Bewegungsapparates im Bereich funktionell besonders beanspruchter oder durch das Körpergewicht belasteter Gelenke. Tiere mit bekannter Überempfindlichkeit gegen Fluochinolone sollte nicht mit Enrofloxacin therapiert<br />
werden. Nebenwirkungen: Es kann zu vorübergehenden lokalen Reaktionen an der Injektionsstelle kommen. In seltenen Fällen kann die i.v. Behandlung bei Rindern, vermutlich als Folge von Kreislaufstörungen, zum Auftreten von Schockreaktionen<br />
führen. Vereinzelt ist unter der Behandlung bei Rindern mit dem Auftreten von gastrointestinalen Störungen zu rechnen. Wechselwirkungen: Bei der Kombination von Baytril ® (Enrofloxacin) mit Makroliden oder Tetrazyklinen ist mit antagonistischen<br />
Effekten zu rechnen. Wartezeit: Rind: Essbare Gewebe: i.v.: 7 Tage, s.c.: 14 Tage, Milch: i.v.: 3 Tage, s.c.: 5 Tage; Schwein: Essbare Gewebe: i.m.: 9 Tage. Verschreibungspflichtig. Bayer HealthCare, Bayer Vital GmbH, Geschäftsbereich Tiergesundheit,<br />
51368 Leverkusen<br />
Baytril 05/08/29/TA
2<br />
Dagmar Waberski, Burkhard Meinecke<br />
Das Fachgebiet Reproduktionsmedizin wird an der Stiftung Tierärztliche<br />
<strong>Hochschule</strong> Hannover vom Institut für Reproduktionsmedizin,<br />
den Tierartenkliniken vertreten. Mit der Gründung des Virtuellen<br />
Zentrums für Reproduktionsmedizin Niedersachsen an der Stiftung<br />
Tierärztliche <strong>Hochschule</strong> Hannover im Jahr 2004 werden durch<br />
institutsübergreifende Kooperationen die Belange des Fachgebietes<br />
in Forschung, Lehre und Dienstleistung synergistisch bearbeitet.<br />
Insbesondere die steigenden Anforderungen einer wettbewerbsfähigen<br />
landwirtschaftlichen Tierproduktion, aber auch die<br />
zunehmende Erwartungshaltung von Pferde- und Hundezüchtern<br />
erfordern eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Reproduktionsmedizinern<br />
und -biologen. Mit der Gründung des Virtuellen<br />
Zentrums wird dem Stellenwert und den Bedürfnissen der Reproduktionsforschung<br />
in der Tiermedizin Rechnung getragen.<br />
In fünf Einrichtungen innerhalb der TiHo, sowie in der Bundesforschungsanstalt<br />
für Landwirtschaft (FAL) Mariensee und im Landgestüt<br />
Celle wird derzeit Forschung im Virtuellen Zentrum für<br />
Reproduktionsmedizin betrieben. Das vorliegende Magazin berichtet<br />
beispielhaft über die Forschungsaktivitäten innerhalb des Zentrums<br />
und über die Forschungskooperationen mit anderen Institutionen.<br />
Dabei kommt der Entwicklung und Anwendung von Biotechnologien,<br />
wie Besamung, Embryotransfer, In-vitro-Produktion von<br />
Embryonen und assoziierten Techniken, eine besondere Bedeutung<br />
zu. Fortschritte in diesen Bereichen setzen das zunehmende Verständnis<br />
reproduktionsphysiologischer Mechanismen voraus. Die<br />
Physiologie der Fortpflanzung auf zellulärer und molekularer Ebene<br />
Vorwort<br />
Forschung im Virtuellen Zentrum für<br />
Reproduktionsmedizin Niedersachsen<br />
Impressum<br />
Herausgeber<br />
Der Präsident der Stiftung Tierärztliche <strong>Hochschule</strong> Hannover<br />
Redaktion und Vertrieb<br />
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />
Stiftung Tierärztliche <strong>Hochschule</strong> Hannover<br />
Sonja von Brethorst<br />
Judith Mc Alister-Hermann, PhD<br />
Bünteweg 2<br />
30559 Hannover<br />
Tel.: (05 11) 9 53-80 02<br />
Fax: (05 11) 9 53-82 80 02<br />
E-Mail: presse@tiho-hannover.de<br />
Literaturnachweis<br />
Umfangreiche Literaturnachweise liegen bei den Autoren vor und<br />
können dort angefordert werden.<br />
bildet daher einen <strong>Schwerpunkt</strong> in den Forschungsaktivitäten.<br />
Untersuchungen zur Herdenfruchtbarkeit und zum Reproduktionsmanagement<br />
besitzen einen hohen Stellwert für eine effiziente<br />
Reproduktionsleistung landwirtschaftlicher Nutztiere und bilden<br />
eine weitere wesentliche Ausrichtung der Forschungsaktivitäten<br />
des Zentrums.<br />
Neben der Forschung erfolgt eine gezielte Nachwuchsförderung in<br />
Praxis und Wissenschaft über spezielle Lehrangebote im Grundund<br />
PhD-Studium. Die Forschungsaktivitäten orientieren sich an<br />
den Notwendigkeiten einer leistungsfähigen wettbewerbsfähigen<br />
Tierproduktion und werden zu wesentlichen Anteilen von der Deutschen<br />
Forschungsgemeinschaft, den Besamungszuchtorganisationen<br />
und der Industrie gefördert. Die Mitglieder des Virtuellen Zentrums<br />
genießen national und international hohe Reputation, so dass<br />
den deutschen Tierzüchtern mit dem Virtuellen Zentrum für Reproduktionsmedizin<br />
eine interdisziplinär ausgerichtete Kompetenzeinrichtung<br />
für alle Spezies zur Verfügung steht.<br />
Verlag, Titel und Layout<br />
VMK Verlag für Marketing & Kommunikation GmbH & Co. KG<br />
Faberstraße 17<br />
67590 Monsheim<br />
Tel.: (0 62 43) 9 09-0<br />
Fax: (0 62 43) 9 09-4 00<br />
E-Mail: info@vmk-verlag.de<br />
Internet: www.vmk-verlag.de<br />
Druck<br />
VMK Druckerei GmbH<br />
Faberstraße 17<br />
67590 Monsheim<br />
Tel.: (0 62 43) 9 09-1 10<br />
Fax: (0 62 43) 9 09-1 00
Inhaltsverzeichnis<br />
Steigerung der Reproduktionseffizienz bei landwirtschaftlichen Nutztieren 6<br />
Dagmar Waberski<br />
Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />
Die gestresste Gebärmutter – Ursache für die Gebärmutterentzündung bei der Kuh? 9<br />
Holm Zerbe, Torge König, Hans-Joachim Schuberth, Wolfgang Leibold<br />
Klinik für Wiederkäuer der Ludwig-Maximilians-Universität München<br />
Arbeitsgruppe Immunologie der TiHo<br />
Detektion und Auswirkungen anabol wirksamer Substanzen an peripubertären Pferdehengsten 12<br />
Bettina Zingrebe, Melanie Köllmann, Erich Klug<br />
Klinik für Pferde der TiHo<br />
Molekulargenetische Untersuchungen zur Fruchtbarkeit von Hengsten 15<br />
Tosso Leeb, Rony Jude, Henning Hamann, Ottmar Distl, Harald Sieme, Edda Töpfer-Petersen<br />
Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung der TiHo<br />
Niedersächsisches Landgestüt Celle<br />
Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />
Einfluss von Inseminatkomponenten auf den Uterus und die Fertilität der Stute 18<br />
Harald Sieme, Doris Schoon, Magali Quetin, Erich Klug, Heinz-Adolf Schoon<br />
Niedersächsisches Landgestüt Celle<br />
Institut für Veterinär-Pathologie der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig<br />
Klinik für Pferde der TiHo<br />
3
4<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Qualitätsmanagement im Uterus: nur ausgewählte Spermien erreichen die Eizelle 21<br />
Hans-Joachim Schuberth, Holm Zerbe, Hans-Wilhelm Michelmann, Peter Schwartz, Ulrike Taylor, Henning Wendt,<br />
Antje Frenzel und Detlef Rath<br />
Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />
Arbeitsgruppe Immunologie der TiHo<br />
Zentrum für Frauenheilkunde und Zentrum für Anatomie der Georg-August-Universität Göttingen<br />
Hallo Herr Doktor, bitte ein Stutfohlen! 25<br />
Detlef Rath, Harald Sieme, Heide Buss, Chis Maxwell<br />
Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee, (FAL)<br />
Niedersächsisches Landgestüt Celle<br />
Veterinärfakultät der Universität Sydney<br />
Die Zona pellucida: Schutz- und Kommunikationsorgan der Eizelle 28<br />
Edda Töpfer-Petersen, Detlef Rath, Hans-Wilhelm Michelmann, Dorothee von Witzendorff, Mahnaz Ekhlasi-Hundrieser,<br />
Peter Schwartz, Erik Piehler, Silja Ebeling, Christiane Hettel, Birgit Sieg, Petra Westermann<br />
Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />
Zur erfolgreichen Fortpflanzung von Wildschweinen 32<br />
Friederike Gethöffer<br />
Institut für Wildtierforschung der TiHo (Arbeitsgruppe Prof. Dr. Klaus Pohlmeyer, Dr. Gunter Sodeikat)<br />
Genetische Ursachen der Wurfgröße beim Schwein 35<br />
Andreas Spötter, Ottmar Distl<br />
Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung der TiHo<br />
Einsatz der Farbdopplersonographie in der Gynäkologie des Rindes 39<br />
Heinrich Bollwein, Kathrin Herzog, Sandra Schmauder, Ulrich Baumgartner, Detlef Rath und Heiner Niemann<br />
Klinik für Rinder und Institut für Tierzucht der TiHo<br />
Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />
Zentrum für Frauenheilkunde und Zentrum für Anatomie der Georg-August-Universität Göttingen<br />
Untersuchungen zu östrogen-bedingten-Störungen der Fertilität von Sauen<br />
mittels eines Reportergen-Assays 42<br />
Petra Winter, Alfonso Lampen, Tatjana Shobeiry, Dzmitry Karaljov, Charlotte Schröder, Karl-Heinz Waldmann,<br />
Heinz Nau, Josef Kamphues<br />
Institut für Lebensmitteltoxikologie und Chemische Analytik der TiHo<br />
Institut für Tierernährung der TiHo<br />
Klinik für kleine Klauentiere und Forensische Medizin und Ambulatorische Klinik der TiHo<br />
Assistierte Reproduktionstechniken und Epigenetik: Die neue Flexibilität in der Embryonalentwicklung 45<br />
Christine Wrenzycki, Andrea Lucas-Hahn und Heiner Niemann<br />
Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL), Forschungsbereich Biotechnologie<br />
Assistierte Reproduktion bei Baumsteigerfröschen:<br />
Ein veterinärmedizinischer Beitrag zur Erhaltung gefährdeter Tierarten 49<br />
Christian Lipke, Sabine Meinecke-Tillmann, Burkhard Meinecke<br />
Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo
Ihr Partner<br />
für Tiergesundheit …<br />
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in Deutschland zu den führenden Unternehmen auf dem<br />
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und entwickelt innovative Tierarzneimittel bis zur Praxisreife<br />
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mit Tierärzten und Tierhaltern für die Gesundheit und Vitalität<br />
Ihrer Tiere<br />
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Wir beraten Sie gerne! Sie erreichen uns unter:<br />
Intervet Deutschland GmbH, Postfach 1130, 85701 Unterschleißheim<br />
Telefon 0 89 –3 10 06 – 0, Telefax 0 89 –3 10 06 – 4 66<br />
Oder im Internet unter:<br />
P-80/Kleintier/A4/4c/Int
6<br />
Dagmar Waberski<br />
Forschung für die künstliche Besamung<br />
Die Erfolgsstory darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es noch<br />
immer viele ungelöste Fragestellungen in der Anwendung dieser Biotechnologie<br />
gibt. Die Beantwortung dieser Fragen ist für die Wettbewerbsfähigkeit<br />
einer modernen Tierproduktion grundlegend. Dazu<br />
zählen beispielsweise die Verbesserung von Konservierungsverfahren,<br />
die Möglichkeiten einer zuverlässigen Fertilitätsprognose durch<br />
moderne spermatologische Untersuchungsmethoden und durch Invivo-Besamungsmodelle,<br />
die Verbesserung des Besamungsmanagements<br />
in der Herde sowie die Sicherstellung der Spermahygiene. Die<br />
Grundlage für den Fortschritt auf diesen Gebieten ist stets das<br />
zunehmende Verständnis der Physiologie der Befruchtung, aus dem<br />
Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />
Steigerung der Reproduktionseffizienz bei<br />
landwirtschaftlichen Nutztieren<br />
Zusammenfassung<br />
Die Sicherstellung des Fortpflanzungserfolgs hat obere Priorität<br />
in der landwirtschaftlichen Tierproduktion. Anders als in der<br />
Humanmedizin ist dafür nicht das einfache Erreichen einer<br />
Schwangerschaft entscheidend, sondern eine möglichst effiziente<br />
Fortpflanzungsleistung der Einzeltiere und die der Herde. Dazu<br />
wird bei Rind und Schwein zu etwa 80% die so genannte künstliche<br />
Besamung eingesetzt: Konserviertes Sperma genetisch<br />
wertvoller Vatertiere wird instrumentell in das Genital weiblicher<br />
Zuchttiere eingebracht. Dort kommt es auf natürliche Weise zur<br />
Befruchtung. Die Nachkommen werden in Zuchtprogrammen<br />
wiederum auf ihren züchterischen Wert, Erbgesundheit und<br />
Fruchtbarkeit getestet, so dass ein permanenter Zuchtfortschritt<br />
erzielt wird. Die künstliche Besamung hat sich in den vergangenen<br />
Jahrzehnten zu einer unerlässlichen und äußerst praktikablen<br />
Biotechnologie entwickelt; so werden in Deutschland jährlich<br />
etwa 4,8 Mio. Rinder und 5 Mio. Schweine besamt. Maßgeblich<br />
für den Siegeszug der Besamung war und ist die Vermeidung der<br />
Übertragung von Krankheiten, so dass die klassischen Deckseuchen<br />
der Nachkriegsjahre heute der Vergangenheit angehören.<br />
Abb. 1: Immunreaktion im Uterus:<br />
Phagozytose von Spermien (Köpfe mit Pfeilen markiert) durch neutrophile<br />
Granulozyten<br />
Summary<br />
High reproductive efficiency is the overall goal in farm animal production.<br />
In contrast to human medicine, where the objective is a<br />
single pregnancy in individual couples, in domestic farm animals<br />
high fertility performance is required for entire herds. In cattle and<br />
pigs, breeding is realized in about 80% of females by artificial<br />
insemination. Preserved semen of genetically proven males is<br />
introduced instrumentally into the female tract, where fertilization<br />
occurs in a natural manner. Offspring are tested for their genetic<br />
value, hereditary diseases, and fertility, thus ensuring ongoing<br />
breeding progress. Artificial insemination has evolved into the<br />
most important and reliable biotechnology in reproductive medicine.<br />
In Germany, about 4.8 million cows and 5 million sows are<br />
inseminated annually. The reason for the current widespread use<br />
of artificial insemination lies in the elimination of genital infections,<br />
which were the cause of severe economic loss in post-war years.<br />
Nevertheless, numerous research issues remain to meet the<br />
challenges of a modern, efficient animal production. Our growing<br />
understanding of reproductive physiology can be applied to<br />
develop reproductive strategies for use in artificial insemination.<br />
This article presents four projects conducted at the Institute for<br />
Reproductive Medicine with the aim of enhancing reproductive<br />
performance in farm animals.<br />
sich Gesetzmäßigkeiten für erfolgreiche Reproduktionsstrategien<br />
ableiten lassen. Im Institut für Reproduktionsmedizin der Stiftung<br />
Tierärztliche <strong>Hochschule</strong> werden in Kooperation mit den Mitgliedern<br />
des Virtuellen Zentrums für Reproduktionsmedizin, mit Unterstützung<br />
des Fördervereins Biotechnologieforschung e. V., der Besamungszuchtorganisationen<br />
ZDS und ADR und der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />
folgende Projekte zu diesen Gebieten bearbeitet:<br />
1. Interaktion von Inseminat und dem Genital beim<br />
weiblichen Schwein<br />
Dagmar Waberski, Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />
Hans-Joachim Schuberth, Arbeitsgruppe Immunologie der TiHo<br />
Marion Hewicker-Trautwein, Institut für Pathologie der TiHo<br />
Holm Zerbe, Ludwig-Maximilians-Universität München<br />
Ronald H.F. Hunter, Edinburgh, UK<br />
Spermien und das Sekret der akzessorischen Geschlechtsdrüsen<br />
(Seminalplasma) interagieren auf vielfältige Weise mit dem weiblichen<br />
Genitaltrakt. Ziel ist, dass befruchtungskompetente Spermien<br />
zum richtigen Zeitpunkt an den Ort der Befruchtung, der Eileiterampulle,<br />
gelangen. Das Seminalplasma der männlichen Geschlechtsdrüsen<br />
beeinflusst beim Schwein den Ovulationszeitpunkt und den<br />
Spermientransport im weiblichen Genital. Immunmodulatorische
Einflüsse auf den Uterus spielen eine große Rolle für die Spermienselektion<br />
und die Entwicklungsmöglichkeit des jungen Embryos.<br />
Die beteiligten aktiven Substanzen und Signaltransduktionswege<br />
sind weitgehend unbekannt. Bekannt ist allerdings, dass beim<br />
Schwein und einigen anderen Haussäugetieren effiziente lokale<br />
Kommunikationswege zwischen Uterus, Eileiter und Ovar existieren,<br />
an denen Lymph- und Blutgefäße mit charakteristischen<br />
Gegenstrombahnen beteiligt sind. Mit Hilfe mikrochirurgischer<br />
Methoden wurde der Versuch unternommen, uterine Lymphflüssigkeit<br />
nach einseitiger „Besamung“ eines Uterushorns zu gewinnen<br />
und zu analysieren. Zum Vergleich wurde ein Kontrolluterushorn mit<br />
einem Placebo behandelt. Vergleichende immunhistochemische<br />
Untersuchungen sollten mögliche lokale Einflüsse des Inseminats<br />
aufzeigen. Die Analyse von Cytokinen und antigenpräsentierenden<br />
Molekülen (MHC II Zellen) als Immunmodulatoren ergab einen signifikanten<br />
Einfluss des Inseminats sowie regionale Unterschiede<br />
zwischen Uterushorn und Uterushornspitze. Damit ist ein weiterer<br />
Hinweis auf die lokale immunmodulatorische Wirksamkeit des<br />
Samens gefunden worden, der bei der Feinsteuerung der sensiblen<br />
Ereignisse unmittelbar vor der Befruchtung von Bedeutung sein<br />
kann. Dieses Phänomen soll in zukünftigen Studien weiter charakterisiert<br />
und beteiligte Substanzen identifiziert werden.<br />
2. Besamungsmanagement in Sauenherden<br />
Dagmar Waberski, Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />
Horst Brandt, Justus-Liebig-Universität Gießen<br />
Der falsche Besamungszeitpunkt gilt als Hauptursache für eine verminderte<br />
Fruchtbarkeit (Subfertilität) im Sauenbestand. Im Gegensatz<br />
zum Rind sind Brunstdauer und Ovulationszeitpunkt beim<br />
Schwein variabel. So kommt es in der Praxis häufig zur Spermienalterung<br />
im weiblichen Genital. Dafür verantwortlich sind zu lange<br />
Intervalle zwischen Besamung und Ovulation oder, in selteneren<br />
Fällen, eine verspätete Besamung. Obwohl seit längerem bekannt<br />
ist, dass die Länge des Absetz-Brunstbeginn-Intervalls bestimmend<br />
für den erwartenden Ovulationszeitpunkt ist, bereitet die Umsetzung<br />
der Erkenntnisse Landwirten<br />
und Tierärzten oft Schwierigkeiten.<br />
Ziel dieses Projektes ist es, nach<br />
einer sorgfältigen Anamnese von<br />
Fruchtbarkeitsdaten und -management<br />
betriebsspezifische Empfehlungen<br />
für das Besamungsmanagement<br />
zu erstellen. Wesentliches<br />
Merkmal der Studie ist der Einsatz<br />
einer ultraschallbasierten Ovardiagnostik<br />
im Rahmen der Fruchtbarkeitsbetreuung<br />
im Bestand. In sieben<br />
ausgewählten Betrieben mit<br />
Leistungsreserven im Fruchtbarkeitsbereich<br />
wurde ein Konzept zur<br />
Verbesserung des Besamungsmanagements<br />
erprobt. Das Konzept<br />
berücksichtigt die ökonomischen<br />
Verhältnisse zwischen tierärztlicher<br />
Betreuungsleistung und Verände-<br />
rung der biologischen Leistung nach<br />
Umsetzung der Besamungsempfeh-<br />
Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />
lung. Es zeigte sich, dass in allen Betrieben die Fruchtbarkeitsleistung<br />
steigerbar war. Dies war mit erheblichen ökonomischen Vorteilen<br />
für die Landwirte verbunden. Die tierärztliche Betreuungstätigkeit<br />
war mit etwa 5% der Steigerung der direktkostenfreien Leistung<br />
äußerst gering.<br />
Die besondere Rolle der transkutanen Ovulationsdiagnostik wurde<br />
in dieser Arbeit herausgestellt und ein Leitfaden für die Analyse des<br />
Reproduktionsmanagements erstellt. Die Erkenntnisse werden in<br />
Fortbildungsveranstaltungen an Besamungsorganisationen sowie<br />
der in der Schweinebestandsbetreuung tätigen Tierärzteschaft und<br />
Landwirte vermittelt.<br />
3. Spermaqualität und Fruchtbarkeit bei<br />
Rind und Schwein<br />
Abb. 2: Ovarsonographie zur Feststellung des Ovulationszeitpunktes<br />
in Sauenherden<br />
Dagmar Waberski, Anna Petrunkina, Edda Töpfer-Petersen, Institut<br />
für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />
Kooperation: Heinrich Bollwein, Klinik für Rinder der TiHo<br />
Christine Wrenzycki, Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt<br />
für Landwirtschaft (FAL)<br />
Martin Beyerbach, Institut für Biometrie, Epidemiologie und Informationsverarbeitung<br />
der TiHo<br />
Die Einschätzung der Spermienqualität bildet die Grundlage für eine<br />
Fertilitätsprognose und ist somit unerlässlich für den gezielten Einsatz<br />
von Zuchttieren. Weiter bildet sie die Grundlage für die Ermittlung<br />
der von Tier zu Tier unterschiedlichen Anzahl an Spermien in<br />
der Besamungsportion, die für einen Besamungserfolg vorhanden<br />
sein müssen. Zudem ist die Erhebung qualitativer Spermienparameter<br />
für eine Beurteilung und Entwicklung von Konservierungsverfahren<br />
essentiell. Standardspermatologische Parameter, wie Motilität<br />
und Morphologie sind für diese Zwecke unzureichend. Moderne<br />
Ansätze beinhalten die Technik der Durchflusszytometrie (s. S. 39)<br />
sowie die computergestützte Motilitätsanalyse.<br />
In dem Projekt werden moderne spermatologische Techniken auf<br />
ihre Eignung zur Fertilitätsdiagnostik<br />
überprüft. Die Basis dafür bilden<br />
reproduktionsphysiologische Erkenntnisse<br />
zu den Mechanismen<br />
der Volumenregulation von Spermien<br />
und deren Bindungsfähigkeit<br />
am Eileiterepithel. Für die Überprüfung<br />
der Methoden werden In-vitro-<br />
Modelle angewendet: z.B. der Oviduktexplant<br />
Assay und In-vivo-<br />
Besamungsmodelle wie dem Jungsauen-Modell<br />
Hannover.<br />
Das Forschungsgebiet bildet einen<br />
<strong>Schwerpunkt</strong> der Arbeitsgruppe<br />
und hat einen ausgeprägten interdisziplinären<br />
Charakter. Spermienpopulationen<br />
werden hinsichtlich<br />
ihrer funktionellen und morphologischen<br />
Eigenschaften präzise charakterisiert<br />
und befruchtungsrelevante<br />
Merkmale identifiziert. So ist<br />
7
8<br />
Abb. 3: Spermien im Eileiter des Schweins: Durch feste Bindung an das Eileiterepithel<br />
wird das funktionelle Spermienreservoir gebildet.<br />
die Fähigkeit von Spermien zur Volumenregulation eine wichtige<br />
Voraussetzung zur Adaptation an unterschiedliche osmotische Verhältnisse<br />
im Nebenhodenschwanz, Uterus und Eileiter und essentiell<br />
für die Aufrechterhaltung der Spermienvitalität sowie für die<br />
Induktion von Reifungsprozessen im weiblichen Genital (Kapazitation).<br />
Unter In-vitro-Bedingungen wird die Fähigkeit von Spermienpopulationen<br />
zur Osmoregulation erfasst und beteiligte Ionenkanäle<br />
identifiziert. Interessanterweise sind bei Bullenspermien die<br />
Fähigkeiten zur Volumenregulation und zur Bindung an das Oviduktepithel<br />
miteinander assoziiert, wie In-vitro-Untersuchungen mit<br />
dem Ovidukt Explant Assay zeigten. Die Bindung von Spermien an<br />
das Eileiterepithel gilt als Voraussetzung für die Etablierung des<br />
funktionellen Spermienreservoirs im weiblichen Genitaltrakt, das für<br />
Selektion, Überleben und Reifung der Spermien verantwortlich ist.<br />
Hierbei konnten die beteiligten Protein-Kohlenhydratstrukturen bei<br />
verschiedenen Spezies identifiziert werden. Die Anzahl der befruchtungskompetenten<br />
Spermien in diesem Spermienreservoir steht in<br />
direkter Beziehung zum Befruchtungserfolg.<br />
Spermienmembranen reagieren während der Spermakonservierung<br />
empfindlich auf Lagerungs- und Temperatureinflüsse. Das<br />
methodische Spektrum einer sensiblen Spermienqualitätsdiagnostik<br />
ist daher der Schlüssel zur Entwicklung verbesserter Konservierungstechniken.<br />
Die Ziele dabei sind die Reduzierung der Schäden<br />
durch Tiefgefrierung bei Rindersperma und die Verlängerung der<br />
Lagerungsfähigkeit flüssigkonservierter Eberspermien. Spermien<br />
unterscheiden sich hinsichtlich Bau und Funktion hochgradig von<br />
Körperzellen, aber nur graduell zwischen verschiedenen Tierarten,<br />
so dass dieses Forschungsgebiet klassischerweise speziesübergreifend<br />
bearbeitet wird und neben den landwirtschaftlichen Nutztieren<br />
auch die Spezies Hund (Kooperation Anne-Rose Günzel-<br />
Apel, Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo) und Pferd (Kooperation<br />
Harald Sieme, Landgestüt Celle) beinhaltet. Eine besondere<br />
Herausforderung stellt die Ermittlung der Beziehung zwischen spermatologischen<br />
Parameter und der Fertilitätsleistung von Vatertieren<br />
dar. Die Fruchtbarkeit ist das Resultat einer Vielzahl von Einflussfaktoren,<br />
z.B. Besamungsmanagement und der Fertilität der weiblichen<br />
Tiere, die in ihrer Summe den Einfluss der Spermaqualität<br />
dominieren. Sorgfältig ausgearbeitete Versuchsdesigns mit In-vivo-<br />
Modellen und Feldbesamungsversuchen, die Erhebung robuster<br />
Fertilitätsdaten sowie solide statistische Analysen sind daher<br />
Voraussetzung für eine erfolgreiche Bearbeitung der Fragestellung.<br />
Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />
4. Hygiene in der Spermaproduktion auf<br />
Besamungsstationen<br />
Dagmar Waberski, Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />
Kooperation: Jens Seedorf, Institut für Tierhygiene der TiHo<br />
Während seuchenhaft auftretende Genitalinfektionen durch Einführung<br />
der künstlichen Besamung hierzulande ihren Schrecken verloren<br />
haben, sind unspezifische Genitalinfektionen durch fakultativ<br />
pathogene Keime nach wie vor von hoher Relevanz für den Reproduktionserfolg.<br />
Insbesondere unter den Bedingungen des Natursprungs<br />
gelangen nicht unwesentliche Mengen an Keimen in den<br />
weiblichen Genitaltrakt. Der größte Teil dieser Keime wird durch körpereigene<br />
Abwehrmechanismen inaktiviert oder ist unbedenklich für<br />
die Gesundheit und Fruchtbarkeit des weiblichen Tieres. Anders ist<br />
die Situation bei einer Schwächung des Immunsystems unter<br />
Stressbedingungen oder bei der Übertragung obligat pathogener<br />
Keime. Die Sicherstellung der Produktion mikrobiell unbedenklichen<br />
Spermas ist daher von höchster Priorität für Besamungsstationen.<br />
Da die Gewinnung keimfreien Spermas praktisch unmöglich ist,<br />
müssen Strategien zur Keimminimierung entwickelt werden. Dazu<br />
gehören die Absenkung der Temperatur, die Begrenzung der Lagerungsdauer<br />
bei flüssigkonserviertem Sperma sowie der Zusatz von<br />
Antibiotika zum Konservierungsmedium. In diesem Projekt wurden<br />
der qualitative und der quantitative Keimstatus im Nativsamen und<br />
im verdünnten Samen von Ebern einer repräsentativen Anzahl von<br />
Besamungsstationen erhoben. Es wurden mögliche Keimeintragsquellen<br />
während des Spermaverarbeitungsprozesses identifiziert<br />
und Strategien zur Minimierung des Keimgehaltes entwickelt. Dies<br />
beinhaltet neben der Anleitung zur Verbesserung räumlicher und<br />
arbeitstechnischer Gegebenheiten die Entwicklung eines Hygienekontrollplans<br />
für Spermalabors, der sich als Instrumentarium eines<br />
Qualitätskontrollsystems eignet. Die Untersuchungen zeigten, dass<br />
trotz der unvermeidbaren Kontamination des Spermas während der<br />
Ejakulatgewinnung die Produktion keimfreien verdünnten Spermas<br />
möglich ist.<br />
Abb. 4: Flüssigkonserviertes Ebersperma (mit farblicher Markierung verschiedener<br />
Eberrassen)
Die physiologische Situation<br />
Klinik für Wiederkäuer der Ludwig-Maximilians-Universität München<br />
Arbeitsgruppe Immunologie der TiHo<br />
Holm Zerbe, Torge König, Hans-Joachim Schuberth, Wolfgang Leibold<br />
Die gestresste Gebärmutter – Ursache für die<br />
Gebärmutterentzündung bei der Kuh?<br />
Zusammenfassung<br />
Als Ursache für die Entstehung der beim Rind relativ häufigen<br />
Gebärmutterentzündung (Endometritis) wird eine bisher nicht<br />
geklärte Verringerung der Abwehrkapazität diskutiert. Es wird vermutet,<br />
dass die neutrophilen Granulozyten, eine Subpopulation<br />
der weißen Blutzellen, dafür verantwortlich sind. Ziel unserer Forschung<br />
ist es, detaillierte Erkenntnisse über die Mechanismen zu<br />
gewinnen, die bei der Entstehung einer Gebärmutterentzündung<br />
eine Rolle spielen. Dieses Wissen ist Voraussetzung für die Erarbeitung<br />
verbesserter Behandlungs- und Prophylaxekonzepte. Die<br />
Forschungsarbeiten haben die Hypothese entkräftet, dass<br />
Geburtsstress die Funktion der neutrophilen Granulozyten in der<br />
Gebärmutter hemmt und so die Entstehung der Endometritis<br />
begünstigt. Weiter konnte gezeigt werden, dass die Stoffwechselsituation<br />
des Tieres sowie die Qualität, die Quantität einer bakteriellen<br />
Kontamination in der Gebärmutter die Funktionalität der<br />
Abwehrzellen stark beeinflussen.<br />
Annähernd bei jeder Abkalbung kommt es beim Rind zu einer bakteriellen<br />
Kontamination der Gebärmutter. Der erste Schutzwall<br />
gegen bakterielle Verunreinigungen, die anatomischen Verschlussmechanismen<br />
des Geburtsweges, ist während der Geburt außer<br />
Kraft – der Geburtsweg ist weit geöffnet. Unter physiologischen<br />
Bedingungen reinigt sich der Uterus trotzdem innerhalb von 10-14<br />
Tagen selbst, so dass keine Keime mehr nachweisbar sind. Zu verdanken<br />
ist das der zweiten, der immunologischen Abwehrlinie.<br />
Diese wird v. a. durch die neutrophilen Granulozyten (Phagozyten =<br />
„Fresszellen“) gebildet. Das gilt grundsätzlich für jede Körperregion<br />
– auch für die Genitalorgane. Unter normalen Bedingungen sind die<br />
neutrophilen Granulozyten, die in großer Anzahl in die Gebärmutterschleimhaut<br />
und -höhle einwandern, in der Lage, die Bakterien<br />
durch Phagozytose zu eliminieren.<br />
Warum kommt es beim Rind trotzdem zur<br />
Gebärmutterentzündung?<br />
Oftmals versagt dieses Prinzip. Viele Rinder erkranken kurz nach<br />
der Abkalbung an einer Gebärmutterentzündung. Meist handelt es<br />
sich dabei um eine rein lokale Entzündung, die oft trotz Behandlung<br />
über 7 bis 10 Tage, manchmal in chronischer Form über Wochen,<br />
fortbesteht. In einigen Fällen ist die körpereigene Abwehr nicht in<br />
der Lage, den Gesamtorganismus gegen die Keime und deren Toxine<br />
zu schützen. Dann kann es zu zum Teil schweren Störungen des<br />
Allgemeinbefindens des Tieres kommen. Die Erkrankung führt häufig<br />
zu empfindlichen wirtschaftlichen Verlusten für den Landwirt.<br />
Summary<br />
Postpartum endometritis is a frequent disease in cows. One reason<br />
for the development of endometritis seems to be a depression<br />
of the functional capacity of neutrophilic granulocytes, a subpopulation<br />
of white blood cells. The aim of our studies is to investigate<br />
in detail the pathogenic mechanisms of this disease. This<br />
knowledge is necessary to develop improved treatment regimens<br />
for puerperal endometritis. In our experiments we could not confirm<br />
the hypothesis that birth-associated stress leading to a<br />
functional depression of neutrophilic granulocytes is responsible<br />
for the development of endometritis in cows. However, it was<br />
determined that metabolic and microbiological parameters were<br />
responsible for the modulation of functional parameters of neutrophils.<br />
Trotz umfangreicher Forschung auf diesem Gebiet gibt es in der<br />
Literatur noch immer sehr unterschiedliche Auffassungen zu Ursachen,<br />
Entstehung und Therapie der Gebärmutterentzündung beim<br />
Rind. Behandelt wird die Erkrankung zurzeit mit Antibiotika und desinfizierenden<br />
Lösungen. Allerdings ist diese Behandlung nicht<br />
immer effizient und hat nachweislich negative Einflüsse auf das<br />
lokale Abwehrgeschehen. Aus diesen Gründen wird nach Therapieformen<br />
gesucht, die die Unterstützung körpereigener Abwehrmechanismen<br />
zum Ziel haben. Neue Erkenntnisse zur Aktivität neutrophiler<br />
Granulozyten im Zusammenhang mit der Entstehung und<br />
Verhinderung der Endometritis sind von grundlegender Bedeutung<br />
und könnten zu Verbesserungen der klinischen Diagnostik und<br />
besonders der Therapie beitragen.<br />
Die Granulozytenfunktionalität ist kurz nach der<br />
Abkalbung inhibiert – wodurch?<br />
Neutrophile Granulozyten, die schon in eine gesunde Gebärmutter<br />
eingewandert sind, weisen im Vergleich zu aus dem Blut isolierten<br />
Zellen eine geringere Vitalität und Phagozytosefähigkeit auf – und<br />
dies sogar in Zeiten weitab von der allgemein als besonders kritisch<br />
angesehenen geburtsnahen Phase. Außerdem weisen diese Zellen<br />
eine deutlich verminderte Ausstattung mit funktionell wichtigen<br />
Oberflächenrezeptoren auf. Allerdings scheinen die neutrophilen<br />
Granulozyten aus der Gebärmutter Mikroorganismen ähnlich gut<br />
abzutöten, wie neutrophile Granulozyten aus dem Blut.<br />
Eigene Experimente haben gezeigt, dass bei Kühen die Abwehrkapazität<br />
der neutrophilen Granulozyten im Blut kurz nach der Abkalbung<br />
herabgesetzt ist. Dieses Defizit ist schon bei Kühen messbar,<br />
die nicht klinisch erkranken. Auf der Suche nach den Ursachen, die<br />
schließlich doch zur Erkrankung des Tieres führen, zeigte sich, dass<br />
sich Störungen des Kohlenhydrat-Lipidstoffwechsels, die regelmäßig<br />
9
10<br />
Klinik für Wiederkäuer der Ludwig-Maximilians-Universität München<br />
Arbeitsgruppe Immunologie der TiHo<br />
Abb. 1: Während der Geburt (a) werden hohe Konzentrationen des körpereigenen<br />
Stresshormons Kortisol im Blut gemessen. Ist diese als immunsuppressiv<br />
bekannte Mediatorsubstanz für die Entstehung der Gebärmutterentzündung<br />
(b – die Kuh zeigt entzündlichen Ausfluss) kurz nach der Geburt verantwortlich?<br />
nach der Abkalbung auftreten, negativ auf die Abwehrkapazität neutrophiler<br />
Granulozyten auswirken. Wir haben diese Zellen aus dem<br />
Blut von Kühen mit Leberverfettung isoliert. Sie fallen im Vergleich zu<br />
Zellen gesunder Kontrolltiere durch eine verringerte Rezeptordichte<br />
fast aller von uns untersuchten Oberflächenstrukturen auf. Gleichzeitig<br />
ist auch eine verringerte bakterizide Kapazität nachweisbar.<br />
Bisher fehlten auch Untersuchungen über den Einfluss der Gebärmutterflora<br />
auf die funktionellen Eigenschaften von neutrophilen<br />
Granulozyten. Unsere Resultate belegen, dass die Schlüsselbakterien<br />
der Gebärmutterentzündung beim Rind, Escherichia coli- und<br />
Arcanobacterium pyogenes-Keime, in ganz ähnlicher Weise funktionelle<br />
Parameter von neutrophilen Granulozyten modulieren können.<br />
Ausgelöst werden die Veränderungen bei neutrophilen Granulozyten<br />
durch den direkten Kontakt der Bakterien mit den Zellen.<br />
Die Bakterien haben überwiegend negative Effekte auf die Leistungsfähigkeit<br />
der Immunzellen. Dies könnte in einer dauerhaften<br />
und starken Aktivierung der Zellen begründet sein, die eine funktionelle<br />
Erschöpfung mit sich bringt. Außerdem deuten die Ergebnisse<br />
daraufhin, dass E. coli und A. pyogenes zur unphysiologisch erhöhten<br />
Anhäufung von neutrophilen Granulozyten im Entzündungsgebiet<br />
beitragen und damit die Regulation der entzündlichen Prozesse<br />
negativ beeinflussen.<br />
Welchen Einfluss hat Stress auf die Funktionalität<br />
von neutrophilen Granulozyten (PMN)?<br />
a) b) c)<br />
Die Kuh ist vor, während und nach der Geburt durch den Beginn der<br />
Laktation, die Futterumstellung, das Umstallen in den Abkalbestall<br />
und durch die Geburt selbst sowohl psychischem als auch physischem<br />
Stress ausgesetzt. Hinzu kommt die körperliche und<br />
schmerzhafte Belastung durch die Wehen.<br />
Es ist bekannt, dass sowohl psychischer als auch physischer Stress<br />
zu erhöhten Konzentrationen körpereigener Stresshormone, v. a.<br />
des Kortisols, im Blutplasma führen. Diese vom Tier selbst produzierten<br />
so genannten Glukokortikoide werden schon während der<br />
Trächtigkeit, aber eben besonders im Zeitraum der Geburt vermehrt<br />
produziert. Das Phänomen ist auch beim Menschen bekannt. Nachgewiesen<br />
ist weiterhin, dass die physiologische Geburt beim Wiederkäuer<br />
durch den Anstieg endogener Glukokortikoide eingeleitet<br />
wird. Syntheseort der Glukokortikoide ist die Nebenniere der Frucht.<br />
Eine holländische Forschungsgruppe hat zudem gezeigt, dass bei<br />
Kuh und Ziege Stresshormone wie das Kortisol in Abhängigkeit von<br />
der Stärke der Wehen vermehrt ausgeschüttet werden.<br />
Exogene Glukokortikoide werden in Form von Medikamenten aufgrund<br />
unterschiedlicher Indikationen eingesetzt. So wirken diese<br />
Stoffe zum Beispiel stark entzündungshemmend; sie können beim<br />
Rind aber auch zur Einleitung der Geburt eingesetzt werden. Eine<br />
große Bedeutung wird der immunsuppressiven Wirkung sowohl der<br />
exogenen als auch endogenen Glukokortikoide zugesprochen.<br />
Durch die Schwächung der körpereigenen Abwehrkräfte sind Tiere<br />
mit erhöhtem Glukokortikoid-Plasma-Spiegel anfällig gegenüber<br />
unterschiedlichen Erkrankungen. Dieses Phänomen wurde vielfach<br />
untersucht, gleichwohl sind die genauen Mechanismen, die dem<br />
zugrunde liegen, bisher ungenügend erforscht.<br />
Beim Rind sind verschiedene Wirkungen auf das Immunsystem<br />
beschrieben. So haben Glukokortikoide Einfluss auf die Expression<br />
von funktionell wichtigen Oberflächenstrukturen der Leukozyten<br />
(weiße Blutzellen), wie z.B. Bindungsmoleküle. Es wurden Effekte<br />
auf die Wanderungsfähigkeit, die Phagozytose (Fressaktivität), die<br />
Bakterienabtötung durch Leukozyten aber auch auf Antikörper-Konzentrationen<br />
im Blut und die Sekretion von verschiedenen immunologischen<br />
Mediatorsubstanzen beobachtet. Dabei finden sich<br />
durchaus auch widersprüchliche Resultate in der Literatur.<br />
Abb. 2: L-Selectin ist ein Bindungsmolekül der neutrophilen Granulozyten, das einen Tag nach Applikation des Glukokortikoids Dexamethason schwächer an der Oberfläche<br />
der Zellen exprimiert wird als bei unbehandelten Tieren (a). L-Selectin spielt bei der Bindung und beim so genannten „Rolling“ der Zellen an der Gefäßwand<br />
und damit für ihre Auswanderung ins Entzündungsgebiet eine maßgebliche Rolle (b – Abbildung aus Kuby, Immunology, 4th ed.). In einem Endometritismodell wurde<br />
allerdings gezeigt, dass die Einwanderung der neutrophilen Granulozyten in die Gebärmutter nach Dexamethasongabe sogar stärker erfolgt als bei Kontrolltieren (c).
Klinik für Wiederkäuer der Ludwig-Maximilians-Universität München<br />
Arbeitsgruppe Immunologie der TiHo<br />
Unsere Untersuchungen sollten nun zeigen, ob entsprechende Wirkungen<br />
auch beim Rind im geburtsnahen Zeitraum vorhanden sind<br />
und diese mit der Entstehung der Gebärmutterentzündung in<br />
Zusammenhang gebracht werden können.<br />
Zur Simulation von Geburtsstress wurde das synthetische Glukokortikoid<br />
Dexamethason eingesetzt. Dieses gehört zu den am häufigsten<br />
medizinisch genutzten Glukokortikoiden. Es wirkt deutlich<br />
stärker entzündungshemmend als das endogene Kortisol. Da alle<br />
Glukokortikoide über den gleichen Rezeptor innerhalb der Zelle wirken,<br />
kann es auch zur Simulation der Effekte endogener Glukokortikoide<br />
eingesetzt werden. Außerdem kam ein durch eine Kooperation<br />
zwischen Forschern der Klinik für Rinder und der Arbeitsgruppe<br />
Immunologie der TiHo entwickeltes Modell der akuten Gebärmutterentzündung<br />
zur Anwendung. Es ermöglicht, neutrophile Granulozyten<br />
unter definierten Bedingungen in den gesunden Uterus<br />
„jungfräulicher“ Rinder zu locken, zu gewinnen und deren funktionelle<br />
Kapazität zu untersuchen. Mit der Verabreichung des Chemokins<br />
Interleukin 8 (IL-8) wird eine körpereigene Substanz verwendet,<br />
die im Entzündungsgeschehen eine bedeutende Rolle spielt<br />
und im Entzündungsmodell die Granulozyten in großer Anzahl in die<br />
Gebärmutter lockt.<br />
Um aber überhaupt in die Gebärmutter gelangen zu können, müssen<br />
die im Blut zirkulierenden neutrophilen Granulozyten aus den<br />
Blutgefäßen auswandern können. Dieser als Extravasation<br />
bezeichnete Prozess setzt die Kontaktaufnahme der Zellen mit der<br />
Innenauskleidung der Gefäße, dem Gefäßendothel, voraus. Vermittelt<br />
wird dies durch Oberflächenrezeptoren (Adhäsine) wie L-Selektin.<br />
Genau dieser Prozess könnte aber unter Stressbedingungen<br />
gestört sein. Aus der Literatur war bekannt, dass es nach Glukokortikoid-Applikation<br />
zur verminderten Expression von Adhäsionsmolekülen<br />
wie dem L-Selektin kommt – beim Rind, aber auch beim Menschen.<br />
Dieses Phänomen konnte in eigenen Experimenten reproduziert<br />
werden. Deshalb war zu erwarten, dass bei Glukokortikoid-<br />
behandelten Tieren weniger Zellen aus den Blutgefäßen in ein Entzündungsgebiet<br />
migrieren als bei unbehandelten Tieren. Zu einer<br />
Störung der Wanderung der Zellen in die Gebärmutter kam es allerdings<br />
nicht: Einerseits steigerte die Applikation des Glukokortikoids<br />
die Anzahl im Blut zirkulierender neutrophiler Granulozyten dramatisch,<br />
was auch im physiologischen geburtsnahen Zeitraum zu verzeichnen<br />
ist. Andererseits wurden bei diesen Tieren, im Vergleich<br />
zu Placebo-behandelten Tieren, mehr vitale neutrophile Granulozyten<br />
durch IL-8 in die Gebärmutter gelockt.<br />
Allerdings vermindern Glukokortikoide die Produktion von so<br />
genannten reaktiven Sauerstoffmetaboliten bei neutrophilen Granulozyten,<br />
die in erster Linie als bakterizide Substanzen zu verstehen<br />
sind. Da sie – im Übermaß produziert – auch zur Gewebszerstörung<br />
führen können, ist noch nicht abschließend geklärt, ob es sich<br />
hier um eine immunsuppressive Wirkung oder einen natürlichen<br />
Eigenschutzmechanismus vor Gewebsschäden handelt. Dies fordert<br />
weiterführende Forschungsaktivitäten.<br />
Fazit<br />
Diese Resultate – im Zusammenhang mit denen anderer Forschungsteams<br />
– zeigen, dass stoffwechselassoziierte und mikrobiologische<br />
Faktoren Einfluss auf Entstehung und Verlauf einer<br />
puerperalen Endometritis haben können. Daraus sind praktische<br />
Interpretationen und Konsequenzen ableitbar, die insbesondere<br />
das angemessene Fütterungsmanagement und die strenge<br />
Geburtshygiene betreffen. Die Resultate liefern weitere Beweise für<br />
immunmodulierende Glukokortikoidwirkungen, jedoch nicht nur<br />
immunsuppressiver, sondern auch immunprotektiver Art. So konnte<br />
gezeigt werden, dass Glukokortikoide die Wanderung der neutrophilen<br />
Granulozyten in die Gebärmutter nicht stören und damit nicht<br />
zwangsläufig die Empfänglichkeit der Tiere für eine uterine bakterielle<br />
Infektion erhöhen. Vielmehr begünstigen sie eine Akkumulation<br />
von Granulozyten im Entzündungsgebiet.<br />
11
12<br />
Bettina Zingrebe, Melanie Köllmann, Erich Klug<br />
Endogene Androgene<br />
Die wichtigsten körpereigenen Androgene sind neben Testosteron<br />
5-alpha Dihydrotestosteron sowie Dehydroepiandrostenon und 4-<br />
Androsten-3,17-dion. Hauptsyntheseort der endogenen Androgene<br />
sind neben der Nebennierenrinde und dem Ovar vor allem die Leydigschen<br />
Zwischenzellen des Hodens. Das beim Mann 90% der<br />
körpereigenen Androgene ausmachende Testosteron wird in den<br />
meisten Geweben durch ein Enzym erst in das eigentlich wirksame<br />
5-alpha Dihydrotestosteron umgewandelt.<br />
Wirkung von Androgenen<br />
Sexualunspezifische Wirkungen<br />
- Zunahme der Muskelmasse durch erhöhte Stickstoffretention,<br />
damit einher geht eine proteinanabole Wirkung<br />
- Zunahme des Körpergewichts<br />
- Vermehrtes Knochenwachstum durch verstärkte Kalzium-Einlagerung<br />
(Zunahme der Knochendicke und vermehrtes Längenwachstum,<br />
insbesondere der Röhrenknochen beim juvenilen Tier)<br />
- Anregung der Erythropoese<br />
- Verstärkte Mukopolysacharidsynthese<br />
- Regulation der Funktion der Talgdrüsen, sowie Auswirkungen auf<br />
die Beschaffenheit der Haut<br />
- gesenkter Blutspiegel von Cholesterol, freien Fettsäuren, Triglyceriden<br />
und Phospholipiden<br />
- „psychische Effekte“ wie Appetitsteigerung, vermehrte Aggressivität<br />
und „will to win“<br />
sexualspezifische Wirkungen<br />
- Ausprägung der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale<br />
Therapeutisch kommen Androgene in der Humanmedizin bei Hypogonadismus,<br />
zur generellen Stoffwechselanregung in Rekonvaleszenzphasen,<br />
nach schweren Operationen oder auch zur Appetitsteigerung<br />
und bei Muskeldystrophie zum Einsatz.<br />
Klinik für Pferde der TiHo<br />
Detektion und Auswirkungen anabol wirksamer<br />
Substanzen an peripubertären Pferdehengsten<br />
Zusammenfassung<br />
Die so genannten Anabolika sind (halb)synthetische Verwandte<br />
des androgenen Steroids Testosteron. Um ihre Bedeutung bei der<br />
missbräuchlichen Anwendung im Leistungssport bei Mensch und<br />
Tier sowie in der Aufzucht von Tieren verstehen zu können, ist<br />
zunächst ein Exkurs in die Pharmakologie des Testosterons<br />
notwendig. Aus diesem Kontext erklären sich auch die negativen<br />
Auswirkungen, die hier in den Vordergrund gestellt werden sollen.<br />
Summary<br />
Anabolic drugs are (semi-)synthetic derivates of the androgenic<br />
steroid testosterone. Thorough knowledge of the pharmacology<br />
of testosterone is required both for better understanding of the<br />
relevance of anabolic drugs in drug abuse in high-level sports in<br />
both humans and animals as well as for the breeding and care of<br />
equine athletes. This knowledge will make it possible to explain<br />
the negative side effects of anabolic drugs.<br />
Infolge der (therapeutischen) Anwendung von Androgenen wurden<br />
jedoch auch Nebenwirkungen wie ein frühzeitiger Epiphysenschluss<br />
beim Heranwachsenden, Leberfunktionsstörungen, Maskulinisierungssyndrom<br />
bei Frauen sowie eine Hemmung der Partialfunktion<br />
der Hypophyse mit Störungen der Hodenfunktion (Verringerung<br />
der Spermatozoenzahl, -qualität und -beweglichkeit, Reduktion<br />
der Hodengröße) festgestellt.<br />
Abb. 1: Strukturformel von Testosteron und einigen im Pferdesport verbotenerweise<br />
eingesetzten anabolen Steroiden
Abb. 2: Schema eines durch Applikation eines GnRH-Analogons stimulierbaren<br />
Testosteronbasalwertes im Gegensatz zu einem niedrigen, nicht stimulierbaren<br />
Testosteronwert eines Hengstes durch Anabolika-Einsatz (aus Untersuchungen<br />
der Klinik für Pferde, TiHo Hannover ermittelt, bislang unveröffentlicht)<br />
Anabolika, anabole Steroide und Doping<br />
Besonders die anabolen (griechisch: ana: auf, ballein: werfen, etwa:<br />
den Aufbaustoffwechsel fördernder Wirkstoff) Effekte der Androgene<br />
sind es, die schon in den 1950er Jahren zum Einsatz dieser Hormone<br />
bei Hochleistungssportlern geführt haben. Schon kurze Zeit<br />
später war der Einsatz auch in der Aufzucht von Masttieren nicht<br />
unüblich und wurde vermehrt im Pferdespring- und Rennsport eingesetzt.<br />
Durch unterschiedliche chemische Modifikationen am Testosteronmolekül,<br />
die insbesondere die androgenen Nebenwirkungen<br />
der Stoffe reduzieren sollten, wurde die Stoffgruppe der<br />
(halb)synthetischen Steroide oder Anabolika „geboren“.<br />
Trotz des Verbots anabole Steroide bei Tieren, die der Fleischgewinnung<br />
dienen, einzusetzen sowie die Aufnahme dieser Stoffe in<br />
die Dopinglisten der Pferdesportverbände, zeigte sich in jüngster<br />
Zeit, dass der Einsatz von Anabolika nicht nur im Pferdeleistungssport<br />
ein ernst zu nehmendes Problem darstellt. Auch in der Pferdezucht,<br />
insbesondere in der Jungpferdeaufzucht in Vorbereitung<br />
auf den Verkauf oder Auktionen, hat der Einsatz der verbotenen<br />
Stoffe Einzug gehalten. Die drei- bis vierjährig zum Verkauf angebotenen<br />
Tiere sollen zu diesem Zeitpunkt einen möglichst weit entwickelten<br />
Eindruck erwecken. Dazu werden den Tieren anabol wirkende<br />
Substanzen verabreicht. Der Einsatz der Substanzen erfolgt<br />
vom Absetzen bis zu einem Zeitpunkt vor dem möglichen Verkauf.<br />
Unabhängig von den Bestimmungen der einzelnen Pferdesportverbände,<br />
die auf sportethischen Gedanken beruhen, ist Doping auch<br />
im Tierschutzgesetz selbst geregelt (TIERSCHUTZGESETZ 1998).<br />
Dort heißt es in § 3: Es ist verboten, 5. ein Tier auszubilden, sofern<br />
damit erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden für das Tier verbunden<br />
sind, 11. an einem Tier bei sportlichen Wettkämpfen oder<br />
ähnlichen Veranstaltungen Dopingmittel anzuwenden. Nicht zuletzt<br />
ist es auch seit 1998 nach § 6a des Arzneimittelgesetzes ausdrücklich<br />
verboten, Arzneimittel zu Dopingzwecken im Sport in den Verkehr<br />
zu bringen, zu verschreiben oder anzuwenden (ARZNEIMIT-<br />
TELGESETZ 1976).<br />
Durch die Entwicklung anaboler Steroide sollte eine Reduktion der<br />
androgenen Wirkung erzielt werden. Eine vollkommene Trennung<br />
der anabolen von der androgenen Wirkungskomponente gelang<br />
Klinik für Pferde der TiHo<br />
jedoch bei den anabolen Steroiden nicht, so dass oben erwähnte<br />
Nebenwirkungen auch bei einem Einsatz von Anabolika bei Pferden<br />
auftreten.<br />
Anabole Steroide beim Junghengst<br />
Auch bei Junghengsten zeigte die Anwendung anaboler Steroide in<br />
Form von androgenen Nebenwirkungen deutlich negative Folgen:<br />
Es konnten in mehreren Studien neben einer starken Reduktion des<br />
Hodenumfanges und -gewichtes eine signifikante Abnahme der LH-<br />
Konzentration (Luteinisierendes Hormon) im Serum durch negative<br />
Rückkopplung zur Hypophyse sowie eine stark herabgesetzte<br />
Samenqualität nachgewiesen werden.<br />
Nach den bisherigen Erfahrungen in der Klinik für Pferde der TiHo<br />
werden gehäuft Junghengste zur Zuchttauglichkeitsuntersuchung<br />
vorgestellt, die durch eine verminderte Befruchtungsleistung auffallen.<br />
Bei diesen Junghengsten steht oftmals eine Mikrorchie, einhergehend<br />
mit einer verminderten Samenbeschaffenheit (Dysspermie)<br />
im Vordergrund der abweichenden Befunde. In den meisten der hier<br />
beschriebenen Fälle kann die Ursache für diese Symptome mit Hilfe<br />
der bisherigen andrologischen Untersuchungsmethoden nicht festgestellt<br />
werden.<br />
Im Zusammenhang mit Symptomen wie Hodendegeneration bzw.<br />
Hypoplasie wird häufig ihre Ätiologie diskutiert. Als mögliche Ursache<br />
für diese Befunde wird in der Literatur die Anwendung von anabolwirksamen<br />
Steroiden angegeben. Bislang konnte diese Vermutung<br />
aber noch nicht eindeutig verifiziert werden. Da vermutet wird,<br />
dass anabole Steroide auch in der Pferdepraxis und in der Hengstaufzucht<br />
eingesetzt werden, und beim Menschen die negative Wirkung<br />
der Anabolika auf die Fertilität beschrieben wurde, werden von<br />
den Ergebnissen der hier vorgestellten Studie grundlegende Daten<br />
für die andrologische Bewertung und Prognose von Hengsten, die<br />
neu in der Zucht eingesetzt werden, erwartet.<br />
In der geplanten wissenschaftlichen Arbeit soll durch gezielte und<br />
kontrollierte Anabolika-Verabreichung der Effekt der Substanzen<br />
auf Hodengröße und -gewicht ermittelt werden. Weiter soll das<br />
ultrasonographische Erscheinungsbild der Hoden mit der Graustu-<br />
Abb. 3: Foto eines Junghengstes mit Mikrorchie<br />
(Klinik für Pferde, TiHo Hannover)<br />
13
fenanalyse betrachtet werden und<br />
endokrinologische Regelmechanismen<br />
sowie histologische Veränderungen im<br />
Hodenparenchym durch Hodenbiopsien<br />
an einer Versuchs- und einer Kontrollgruppe<br />
von Junghengsten ermittelt<br />
werden.<br />
Die Hodenmaße (Gewicht und Größe)<br />
wurden bislang in allen durchgeführten<br />
Studien durch die einseitige Kastration<br />
der Tiere ermittelt. Die Spermiogeneseleistung<br />
wurde in histologischen Untersuchungen<br />
an den kastrierten Hoden<br />
oder mittels Ejakulatgewinnung durchgeführt.<br />
Die Methode der Kastration ist<br />
nur für wissenschaftliche Studien praktikabel,<br />
zur Diagnosefindung in der<br />
Praxis und Untersuchung am Zuchthengst<br />
allerdings ungeeignet.<br />
Ein Ziel der Arbeit ist es, die Darstellung der histologischen Befunde,<br />
die in früheren Studien mittels einseitiger Kastration erfolgten<br />
anhand von repräsentativen Biopsien zu evaluieren und so eine differenzierte<br />
Bewertung der Spermiogeneseleistung auch am Zuchthengst<br />
zu ermöglichen.<br />
Klinik für Pferde der TiHo<br />
Weiterhin soll ein eindeutiger<br />
Zusammenhang zwischen<br />
Detektion der Substanzen<br />
und klinisch-histologischen<br />
Abweichungen durch eine an<br />
der Stiftung Tierärztliche<br />
<strong>Hochschule</strong> Hannover etablierte<br />
(SCHLUPP) Haarproben-Analysen<br />
erbracht werden.<br />
Nur durch eine enge<br />
Zusammenarbeit mit dem<br />
Institut für Veterinär-Pathologie<br />
der Veterinärmedizinischen<br />
Fakultät der Universität<br />
Leipzig (Heinz-Adolf<br />
Schoon), dem Institut für<br />
Chemische Analytik und<br />
Endokrinologie der TiHo<br />
Abb. 4: Ultrasonogramm eines mikrorchen Hodens, diffuse hyperechogene<br />
Bereiche im Hodenparenchym (Klinik für Pferde, TiHo Hannover) (Hans-Otto Hoppen) und dem<br />
Institut für Dopinganalytik und<br />
Sportbiochemie in Kreischa<br />
(Rudhard Klaus Müller) ist es möglich die Ergebnisse aus verschiedenen<br />
Blickrichtungen zu beleuchten und damit durch eine Harmonisierung<br />
der verschiedenen Fachrichtungen zu einer gemeinsamen<br />
Bewertung der Befunde von subfertilen Junghengsten mit dem<br />
Verdacht auf anabolikabedingte Subfertilität zu kommen.<br />
German Genetics International GmbH<br />
GGI German Genetics International GmbH ist die Export- und<br />
Marketingorganisation von 11 der wichtigsten, deutschen<br />
Zuchtorganisationen, die hauptsächlich Holstein und Red Holstein Genetik<br />
liefern. Wir bieten den Züchtern aus aller Welt einen direkten und<br />
einfachen Zugang zu den besten Bullen aus deutschen Zuchtprogrammen.<br />
Das genetische Potenzial der GGI-Bullen reflektiert in hervorragender<br />
Weise die deutsche Zuchtphilosophie: Sehr hohe Milchleistung, bestes<br />
Exterieur, exzellente Fundamente, sehr gute, gesunde Euter, Fruchtbarkeit<br />
und Langlebigkeit.<br />
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Ablauf der Befruchtung<br />
Damit ein Hengst erfolgreich in der Zucht eingesetzt werden kann,<br />
muss er neben anderen Voraussetzungen natürlich fruchtbar sein.<br />
Für eine erfolgreiche Fortpflanzung muss der Hengst hierzu<br />
zunächst korrekt ausgebildete Hoden aufweisen, in denen die frühen<br />
Schritte der Spermienproduktion ablaufen (Abb. 1). In den<br />
Samenkanälchen der Hoden befinden sich die Vorläuferzellen für<br />
die Spermienproduktion, die so genannten Spermatogonien, die<br />
noch, genauso wie fast alle anderen Körperzellen, einen doppelten<br />
Satz an Erbanlagen aufweisen (diploide Zellen). Für die Spermienproduktion<br />
werden aus den relativ wenigen Spermatogonien durch<br />
Zellteilung ständig große Mengen an Spermatocyten, welche über<br />
cytoplasmatische Brücken untereinander verbunden sind, gebildet.<br />
In den zwei Teilungsschritten der Meiose werden aus den Spermatocyten<br />
die so genannten Spermatiden gebildet. Spermatide sind<br />
kleine runde Zellen, die anders als die Spermatogonien oder Spermatocyten<br />
nur noch einen einfachen Satz an Erbanlagen tragen.<br />
Dies ist charakteristisch für Keimzellen (haploide Zellen). Ebenfalls<br />
noch im Hoden differenzieren die Spermatiden zu Spermien aus.<br />
Dabei wird die DNA der Spermien mit besonderen Schutzproteinen<br />
extrem dicht verpackt und die charakteristische Morphologie der<br />
Spermien mit Kopf, Mittelstück und Schwanz bildet sich aus. Am<br />
Ende dieser Differenzierungsprozesse im Hoden sind die Spermien<br />
aber immer noch unbeweglich und unter natürlichen Bedingungen<br />
nicht in der Lage, eine Eizelle zu befruchten. Die Spermien werden<br />
schließlich vom Hoden in den Nebenhoden transportiert, wo die<br />
Spermienreifung stattfindet und die Spermien ihre Befruchtungsfähigkeit<br />
erlangen. Bei der Passage durch den Nebenhoden verändert<br />
sich unter anderem die Zusammensetzung der Spermienhülle.<br />
Zu diesen Veränderungen gehört die Bindung verschiedener vom<br />
Nebenhoden sezernierter Proteinen an die Spermienoberfläche.<br />
Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung der TiHo<br />
Niedersächsisches Landgestüt Celle<br />
Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />
Tosso Leeb, Rony Jude, Henning Hamann, Ottmar Distl, Harald Sieme, Edda Töpfer-Petersen<br />
Molekulargenetische Untersuchungen zur<br />
Fruchtbarkeit von Hengsten<br />
Zusammenfassung<br />
Die Fruchtbarkeit von Hengsten wird durch ein komplexes<br />
Zusammenspiel aus Umweltfaktoren und genetischen Einflüssen<br />
bestimmt. Die zunehmende Verbreitung der künstlichen<br />
Besamung in der Warmblutzucht führt zu einer Reduktion der<br />
Anzahl der Zuchthengste und gleichzeitig zu einer Reduktion der<br />
umweltbedingten Schwankungen der Hengstfruchtbarkeit.<br />
Dadurch werden nun auch Untersuchungen zur Genetik der<br />
Hengstfruchtbarkeit möglich. In einem aktuellen Projekt werden<br />
Gene für die CRISP Proteine, einer Hauptkomponente des Seminalplasmas<br />
von Hengsten, untersucht. Dabei wird analysiert,<br />
ob bestimmte Genvarianten mit einer besonders hohen oder<br />
niedrigen Reproduktionsleistung korrelieren.<br />
Summary<br />
Stallion fertility is influenced by complex interactions between<br />
environmental and genetic factors. The increasing use of artificial<br />
insemination in the breeding of riding horses leads to a decrease<br />
in the number of breeding stallions and simultaneously to a<br />
reduction in the environmentally caused variance in stallion fertility.<br />
These developments facilitate the analysis of the genetic<br />
determinants of stallion fertility. The genes for CRISP proteins are<br />
the focus of a current research project. CRISP proteins represent<br />
a major fraction of stallion seminal plasma. This project investigates<br />
whether specific genetic variants are correlated with high or<br />
low reproductive performance.<br />
Genetik der Fruchtbarkeit<br />
Insbesondere durch Untersuchungen an Menschen und Mäusen<br />
sind heute weit über hundert genetische Mechanismen bekannt, die<br />
die Fruchtbarkeit beeinflussen. Hierzu zählen genetische Veränderungen,<br />
die ganze Chromosomen betreffen, wie z.B. das Klinefelter<br />
Syndrom, bei dem zwei X-Chromosomen und ein Y-Chromosom in<br />
den Zellen vorliegen (XXY) oder das Turner Syndrom, bei dem nur<br />
ein X-Chromosom in allen Zellen vorhanden ist (X0). Solche Chromosomenanomalien<br />
beeinträchtigen die korrekte Verteilung der<br />
Chromosomen während der Meiose und führen daher im Allgemeinen<br />
zur vollständigen Unfruchtbarkeit.<br />
Ebenso sind zahlreiche Mutationen einzelner Gene bekannt, die<br />
frühe Schritte der Geschlechtsentwicklung oder der Spermienproduktion<br />
beeinträchtigen, und die typischerweise ebenfalls zur vollständigen<br />
Unfruchtbarkeit führen. Beispielsweise führen Mutationen<br />
im Gen für den Androgenrezeptor, welcher die Wirkung des männlichen<br />
Geschlechtshormons Testosteron vermittelt, zur so genannten<br />
testikulären Feminisierung. Hengste, die eine derartige Mutation<br />
tragen, entwickeln die äußeren Geschlechtsmerkmale einer<br />
Stute, weisen jedoch Hoden in der Bauchhöhle auf. Diese Pferde,<br />
die zunächst für Stuten gehalten werden, sind unfruchtbar und weisen<br />
ein hengsttypisches aggressives Verhalten auf, das durch die<br />
chirurgische Entfernung der Hoden korrigiert werden kann.<br />
In der Pferdezucht gilt das Interesse neben den genetischen<br />
Mechanismen, die zur Unfruchtbarkeit führen, vor allem jenen<br />
genetischen Variationen, die bei grundsätzlich fertilen Hengsten zu<br />
quantitativen Schwankungen in der Reproduktionsleistung führen.<br />
Der zunehmende Einsatz der künstlichen Besamung führt dazu,<br />
dass relativ wenige Hengste, die ohne Berücksichtigung ihrer<br />
Fruchtbarkeitsleistung, ausschließlich aufgrund ihres Exterieurs<br />
und ihrer Leistung im Reitsport selektiert werden, sehr intensiv in<br />
15
16<br />
der Zucht genutzt werden und sehr viele Nachkommen bekommen<br />
(Abb. 2). Natürlich möchte man aber nur solche Hengste für die<br />
künstliche Besamung einsetzen, die uneingeschränkt fertil sind und<br />
eine gleichmäßig hohe Spermienqualität aufweisen. Im Vergleich zu<br />
anderen Nutztierarten weisen die Erfolgsraten der künstlichen<br />
Besamung bei Pferden große Schwankungen auf und sind deutlich<br />
schlechter als zum Beispiel bei Rindern oder Schweinen.<br />
Es ist für die Pferdezucht von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung,<br />
wenn aus dem Sperma eines Spitzenhengstes möglichst viele<br />
Spermaportionen für die künstliche Besamung gewonnen werden<br />
können, d.h. es wird versucht, die Anzahl der Spermien pro Spermaportion<br />
möglichst niedrig einzustellen. Gerade im Zuge dieser<br />
Entwicklung zeigt sich jedoch, dass es bei verschiedenen Hengsten<br />
Schwankungen in den Befruchtungsfähigkeiten der Spermien gibt.<br />
Diese Unterschiede fallen bei natürlichen Bedeckungen nicht so<br />
sehr ins Gewicht, da der Hengst beim Natursprung eine sehr große<br />
Anzahl von Spermien auf die Stute überträgt, so dass die hohe<br />
Menge an Spermien kleinere Beeinträchtigungen der Spermienqualität<br />
kompensieren kann. Es kann daher passieren, dass ein Hengst<br />
Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung der TiHo<br />
Niedersächsisches Landgestüt Celle<br />
Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />
Abb. 1: Schematische Darstellung der Abläufe bei der Differenzierung von Spermien im männlichen<br />
Geschlechtsapparat. Im Hoden befinden sich mit den Spermatogonien die Stammzellen der Spermienproduktion.<br />
Durch mitotische Zellteilungen entstehen aus den Spermatogonien Spermatocyten, welche über<br />
cytoplasmatische Brücken verbunden bleiben. Nach der Meiose, bei der aus jedem Spermatocyt insgesamt<br />
vier Spermatiden entstehen, enthalten die Zellen nur noch einen haploiden Satz an Chromosomen. Immer<br />
noch im Hoden differenzieren die Spermatide zu unreifen Spermien, welche in den Nebenhoden transportiert<br />
werden. Dort und bei der weiteren Passage durch den Genitaltrakt lagern sich Proteine aus dem Seminalplasma<br />
an die Spermienoberfläche, welche zur Spermienreifung beitragen und somit eine wichtige Rolle<br />
für die Befruchtungsfähigkeit spielen. Im rechten Teil der Abbildung sind einige der über 100 Gene aufgelistet,<br />
von denen man heute weiß, dass sie für die männliche Fruchtbarkeit wichtig sind.<br />
im Natursprung eine völlig normale Fruchtbarkeit<br />
zeigt und erst bei seinem Einsatz in<br />
der künstlichen Besamung unterdurchschnittliche<br />
Befruchtungserfolge verzeichnet<br />
werden. Neben der Anzahl der Spermien<br />
haben unter den Bedingungen der Samenübertragung<br />
insbesondere auch die Spermienalterung<br />
und die Konfektionsform<br />
(Frisch-, Tiefgefriersperma) einen wichtigen<br />
Einfluss auf das Fertilitätsergebnis. Aufgrund<br />
der zunehmenden Bedeutung der Spermaqualität<br />
in der künstlichen Besamung<br />
erscheint es besonders wichtig, in Ergänzung<br />
zu modernen spermatologisch-diagnostischen<br />
Verfahren auch genetische<br />
Mechanismen zu untersuchen, die einen<br />
Einfluss auf die Befruchtungsfähigkeit von<br />
Hengstsperma haben.<br />
Untersuchung der CRISP Gene<br />
In dem Forschungsprojekt, das gemeinsam<br />
vom Institut für Reproduktionsmedizin, dem<br />
Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung<br />
und dem Landgestüt Celle durchgeführt<br />
wird, ist die systematische Untersuchung<br />
von fortpflanzungsrelevanten Genen<br />
geplant. Derzeit konzentrieren sich die<br />
Untersuchungen dabei vor allem auf Gene,<br />
die die Spermienreifung und die Wechselwirkungen<br />
der Spermien mit dem weiblichen<br />
Genitaltrakt beeinflussen. Hierzu werden am<br />
Institut für Reproduktionsmedizin Proteine<br />
aus der Spermaflüssigkeit isoliert und biochemisch<br />
charakterisiert. Nach der biochemischen<br />
Charakterisierung der isolierten<br />
Proteine beginnt die molekularbiologische<br />
Charakterisierung der zugehörigen Gene.<br />
Abb. 2: Gewinnung von Samen für die künstliche Besamung von einem Hengst.<br />
Der Hengst springt auf ein so genanntes Phantom, welches die charakteristische<br />
Silhouette einer Stute aufweist. Ein Besamungstechniker benutzt eine künstliche<br />
Scheide, um den Samen aufzufangen. Der gewonnene Samen wird anschließend<br />
spermatologisch untersucht, mit Verdünner auf eine definierte Spermienkonzentration<br />
eingestellt und in Portionen für die künstliche Besamung aufgeteilt.
Hierfür werden die mRNA-Moleküle für die Proteine entschlüsselt.<br />
Die Kenntnis der mRNA-Sequenz ist dann wiederum der Ausgangspunkt<br />
für die Bestimmung der genomischen DNA-Sequenz der<br />
zugehörigen Gene, welche am Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung<br />
durchgeführt wird. Am Ende dieser drei ersten<br />
Schritte liegen somit Daten über die untersuchten Gene auf DNA-,<br />
mRNA-, und Proteinebene vor.<br />
Die ersten Gene, die von uns auf diese umfassende Weise charakterisiert<br />
wurden, waren die Gene für die Cystein-reichen sekretorischen<br />
Proteine (CRISP) beim Pferd. Unsere Untersuchungen ergaben,<br />
dass das Pferd zwar genauso wie der Mensch oder die Maus<br />
drei CRISP Gene besitzt. Im Gegensatz zu allen anderen bisher<br />
untersuchten Säugetierarten bildet der Hengst jedoch sehr große<br />
Mengen des CRISP3 Proteins in den akzessorischen Geschlechtsdrüsen.<br />
Dies könnte ein erster Hinweis auf eine besondere tierartspezifische<br />
Funktion von CRISP3 beim Pferd sein. Die Beobachtung,<br />
dass auf der Oberfläche der Spermien eines subfertilen<br />
Hengstes deutlich weniger CRISP Proteine zu finden waren als auf<br />
den Spermien von normal fertilen Hengsten, ist ein weiteres Indiz<br />
für die mögliche Bedeutung der CRISP Proteine im Befruchtungsgeschehen.<br />
Inzwischen wurden die DNA-Sequenzen der drei CRISP Gene von<br />
über 100 Hengsten des Niedersächsischen Landgestüts Celle<br />
untersucht. Dabei zeigte sich im Vergleich zu anderen Genen eine<br />
besonders hohe Variabilität der CRISP Gene. Insgesamt konnten in<br />
den drei CRISP Genen etwa 100 Sequenzvariationen aufgespürt<br />
werden, von denen sechs auch Veränderungen in den Proteinsequenzen<br />
der CRISP Proteine bewirken (Abb. 3).<br />
Im nächsten Schritt des Projekts wird derzeit untersucht, ob die<br />
gefundenen Variationen in den CRISP Genen mit der Spermaqualität<br />
in Zusammenhang stehen. Hierzu werden die oben erwähnten<br />
DNA-Sequenzen der CRISP Gene von Besamungshengsten des<br />
Niedersächsischen Landgestüts bestimmt (Genotyp). Gleichzeitig<br />
werden von diesen Hengsten die Daten über alle Bedeckungen<br />
inerhalb von sechs Jahren ausgewertet, um einen Anhaltspunkt<br />
über die Besamungserfolge der einzelnen Hengste zu gewinnen<br />
(Phänotyp). Im Rahmen einer Assoziationsstudie werden dann<br />
Genotyp und Phänotyp der Hengste verglichen und es wird untersucht,<br />
ob bestimmte genetische Varianten der CRISP Gene gehäuft<br />
bei Hengsten mit besonders guten oder schlechten Besamungsergebnissen<br />
auftreten. Erste Ergebnisse unserer Arbeiten deuten<br />
inzwischen tatsächlich darauf hin, dass bestimmte Varianten der<br />
CRISP Gene die Hengstfertilität beeinflussen. Sollten sich diese<br />
vorläufigen Ergebnisse bestätigen, so könnte ein Gentest entwickelt<br />
werden, der die Beurteilung der Spermaqualität von Hengsten verbessern<br />
wird. Ein großer Vorteil eines solchen Gentests besteht<br />
darin, dass der Test schon beim Fohlen durchgeführt werden kann<br />
und man nicht erst die Geschlechtsreife oder gar den Zuchteinsatz<br />
eines Hengstes abwarten muss.<br />
Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung der TiHo<br />
Niedersächsisches Landgestüt Celle<br />
Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />
Abb. 3: Genotypisierung von Hengsten an einer DNA-Sequenzvariation. (A)<br />
Schematische Darstellung des Nachweisverfahrens. Der Test dient dazu, die<br />
DNA-Sequenz einer vorher bekannten variablen Stelle zu bestimmen. In dem<br />
konkreten Beispiel ist ein DNA-Ausschnitt eines Hengstes dargestellt, bei dem<br />
an einer Position entweder der Baustein A oder der Baustein G stehen kann.<br />
Falls die variable Position ein A ist, enthält die Sequenz an dieser Stelle eine<br />
Erkennungssequenz für das Restriktionsenzym DdeI, welches DNA an bestimmten<br />
Erkennungssequenzen zerschneidet. Falls an der variablen Stelle der Baustein<br />
G steht, dann entspricht die Sequenz in diesem Bereich nicht der DdeI<br />
Erkennungssequenz. Etwas weiter rechts von dieser fakultativen DdeI Erkennungssequenz<br />
befindet sich noch eine konstitutive Schnittstelle für DdeI, die bei<br />
allen Pferden immer konstant vorhanden ist. Zur Bestimmung des Genotyps wird<br />
ein 300 Basenpaare (300 bp) langes DNA-Fragment mit Hilfe der Polymerasekettenreaktion<br />
(PCR) selektiv vermehrt und anschließend mit dem Restriktionsenzym<br />
DdeI gespalten. Die zwei verschiedenen Allele ergeben dabei unterschiedliche<br />
Fragmentmuster, die schematisch angedeutet sind. (B) Darstellung<br />
eines Agarosegels, bei dem nach einer Gelelektrophorese die DNA-Fragmente<br />
des Experiments ihrer Größe nach aufgetrennt wurden. In den vier Spuren (1-4)<br />
sind vier verschiedene Hengste untersucht worden. Anhand der unterschiedlichen<br />
Bandenmuster lässt sich der Genotyp eindeutig zuordnen (A/A – homozygot<br />
A; A/G – heterozygot A/G; G/G – homozygot G).<br />
17
18<br />
Niedersächsisches Landgestüt Celle<br />
Institut für Veterinär-Pathologie der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig<br />
Klinik für Pferde der TiHo<br />
Harald Sieme, Doris Schoon, Magali Quetin, Erich Klug, Heinz-Adolf Schoon<br />
Einfluss von Inseminatkomponenten auf den<br />
Uterus und die Fertilität der Stute<br />
Zusammenfassung<br />
Jede Bedeckung oder Besamung hat, vermittelt durch komplexe<br />
Interaktionen zwischen zellulärer und humoraler Immunantwort<br />
(neutrophile Granulozyten, Immunglobuline, Komplement) sowie<br />
mechanischer Clearance (myometriale Kontraktionen) eine physiologische<br />
transiente Endometritis bei der Stute zur Folge. Die<br />
Bedeutung dieses Entzündungsgeschehens für das Fertilitätsergebnis<br />
wird kontrovers diskutiert.<br />
Der Einfluss isolierter Inseminatkomponenten (Spermien, Seminalplasma,<br />
Verdünner) nach intrauteriner Applikation auf das<br />
Auftreten von neutrophilen Granulozyten und weiterer Entzündungszellen,<br />
wie Makrophagen, Lymphozyten, Plasmazellen,<br />
eosinophile Granulozyten und Mastzellen, wurde in einem<br />
aktuellen Projekt anhand von Endometriumbioptaten östrischer<br />
Stuten erfasst. Im Ergebnis waren die Einzelkomponenten des<br />
Inseminates, bezogen auf die Zelldichte der neutrophilen Granulozyten,<br />
IgA-produzierender Plasmazellen und Makrophagen<br />
graduell und temporär unterschiedlich am Entzündungsgeschehen<br />
beteiligt. Die gewonnenen Erkenntnisse werden hinsichtlich<br />
der Ätiopathogenese und Bedeutung für das Fertilitätsergebnis<br />
erläutert.<br />
Vorgänge im Genitaltrakt der Stute nach<br />
Bedeckung/Besamung<br />
Damit eine erfolgreiche Vereinigung der Gameten im Eileiter stattfinden<br />
kann, muss vorher eine Reihe von Prozessen in einer präzise<br />
abgestimmten, zeitlichen Reihenfolge ablaufen. Neben der<br />
Anzahl befruchtungspotenter Spermien werden in diesem Zusammenhang<br />
der Bedeckungs-/Inseminationszeitpunkt, die -frequenz<br />
und das -intervall als wesentliche, limitierende Faktoren hinsichtlich<br />
des Befruchtungserfolges angesehen. Die Überlebensdauer männlicher<br />
Gameten im Genitaltrakt der Stute variiert sehr deutlich zwischen<br />
den Hengsten (24 Stunden - 6 Tage). Die Lebensdauer der<br />
Eizelle hingegen nimmt mit zunehmendem Abstand zur Ovulation<br />
kontinuierlich ab. In den Gebärmutterkörper eingebrachte Spermien<br />
erreichen schon nach relativ kurzer Zeit die Uterushornspitze und<br />
stehen in einer spezifischen Anordnung zu den epithelialen Strukturen<br />
der uterotubalen Verbindung. Deutlicher als durch die individuelle<br />
Progressivität der Spermien wird die Verteilung im weiblichen<br />
Genitale jedoch durch eine Uterusmotilitätssteigerung im Zuge der<br />
Interaktion mit dem Inseminat beeinflusst. Der Spermientransport<br />
gilt 4 Stunden nach Bedeckung oder Besamung als abgeschlossen.<br />
Nach erfolgreicher Befruchtung gelangt der Embryo ~6 Tage post<br />
ovulationem in die Gebärmutter.<br />
Summary<br />
In the mare, breeding, whether natural or artificial, leads to a transient<br />
physiological endometritis due to complex interactions<br />
between the cellular and lymphatic immune response (the neutrophils,<br />
immunoglobulins, the complement system) and to<br />
mechanical clearance (myometrial contractions). There is as yet<br />
no consensus about the significance of this inflammatory process<br />
for fertilization.<br />
The present project used endometrial biopsies from mares in<br />
estrus to study the effects of intrauterine application of isolated<br />
inseminate components (sperm, seminal plasma and extender)<br />
on the occurrence of neutrophils and other inflammatory cells:<br />
macrophages, lymphocytes, plasma cells, eosinophils and mast<br />
cells. The results showed that the different involvement of individual<br />
components of the inseminate to different degrees and at different<br />
times influenced the cell density of neutrophils, IGA-producing<br />
plasma cells, and macrophages. These phenomena are<br />
discussed in terms of their etiopathogenesis and their relevance<br />
for fertility.<br />
Entzündung des Endometriums nach<br />
Bedeckung/Besamung („post-breeding induced<br />
Endometritis“, PBIE)<br />
Als Endometritis werden alle entzündlichen Prozesse des Endometriums<br />
bezeichnet, die qualitativ sowie quantitativ über die physiologische<br />
zyklische Selbstreinigung hinausgehen, unabhängig von<br />
ihrer Ätiologie. Es handelt sich um Infiltrationen freier Zellen in der<br />
Uterusschleimhaut, die durch den vorkommenden Zelltyp, die Lokalisation,<br />
die Verteilung der Infiltrate sowie den Grad der Infiltration<br />
charakterisiert werden. Die Beurteilung des Schweregrades der<br />
Entzündung erfolgt unter Berücksichtigung der Ausdehnung und<br />
Verteilung der zellulären Infiltrate innerhalb des Endometriums.<br />
Jede Bedeckung/Besamung löst bei der Stute eine akute entzündliche<br />
Reaktion des Endometriums aus. Eine ähnliche Entzündung<br />
kann bei Ratten, Mäusen und Kaninchen sowie bei Frauen in der<br />
Schleimhaut der Vagina beobachtet werden.<br />
Diese Endometritis (post-breeding induced Endometritis, PBIE) ist<br />
physiologischerweise transient. Durch komplexe Interaktionen zwischen<br />
zellulärer und humoraler Immunantwort (neutrophile Granulozyten,<br />
Immunglobuline, Komplement) und mechanischer Clearance<br />
(myometriale Kontraktionen) ist der Entzündungsprozess innerhalb<br />
von 48 bis 72 Stunden abgeschlossen. Bei der persistierenden<br />
Endometritis handelt es sich um einen entzündlichen Vorgang des<br />
Endometriums, der länger als 96 Stunden nach der Bedeckung
Niedersächsisches Landgestüt Celle<br />
Institut für Veterinär-Pathologie der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig<br />
Klinik für Pferde der TiHo<br />
Abb. 1: Rasterelektronenmikroskopische Darstellung der Emigration neutrophiler<br />
Granulozyten aus dem Uterusepithel in das Uteruslumen<br />
andauert. Pathomechanismen, die zur Persistenz der Endometritis<br />
führen, sind in zahlreichen Studien untersucht worden (s. Abb 2).<br />
Überwiegend wird eine Inkompetenz des uterusassoziierten<br />
Immunssystems nicht als kausaler Faktor angesehen.<br />
Als wesentlicher klinischer Indikator für das Vorliegen einer persistierenden<br />
Endometritis gilt die ultrasonographische Darstellung<br />
Abb. 2: Übersicht über die in der Literatur diskutierte Ätiopathogenese endometrialer Reaktionen nach<br />
Bedeckung/Besamung bei genitalgesunden („resistant“) und endometritisanfälligen („susceptible“)<br />
Stuten.<br />
einer Flüssigkeitsakkumulation mit einem Durchmesser von ≥2cm<br />
12-36 Stunden post inseminationem. Intrauterine Flüssigkeitsansammlungen<br />
können mit Fertilitätsstörungen verbunden sein, da<br />
der Pferdeembryo ~6 Tage post ovulationem vom Eileiter in ein entzündliches<br />
und damit nicht-rezeptives Uterusmilieu gelangt. Die fertilitätsmindernde<br />
Relevanz intrauteriner Flüssigkeitsansammlungen<br />
infolge Bedeckung oder Besamung wird in der Literatur kontrovers<br />
diskutiert. Als wesentliche Ursache für eine gestörte Fertilität gilt bei<br />
der Stute eine herabgesetzte Motilität des Uterus. Dies kann dazu<br />
führen, dass einerseits der Spermientransport in Richtung Eileiter<br />
gestört ist, andererseits die „uterine clearance“, d.h. die Entfernung<br />
überschüssiger Flüssigkeit und Zellmaterials aus dem Uterus nach<br />
einer Insemination herabgesetzt ist.<br />
Einfluss von Inseminatkomponenten (Spermien,<br />
Seminalplasma, Verdünner)<br />
Eine Vielzahl von Forschungseinrichtungen beschäftigt sich mit der<br />
PBIE der Stute; entscheidend für eine differenzierte Beurteilung der<br />
teils widersprüchlichen Ergebnisse dieser Studien dürfte die<br />
Berücksichtigung der Untersuchungsparameter, der zeitlichen<br />
Abstände bei Verlaufsuntersuchungen sowie deren Anzahl und der<br />
Reproduktionsstatus der Versuchsstuten sein. Der überwiegende<br />
Anteil dieser Publikationen zur „uterinen clearance“ der Stute<br />
befasst sich mit Untersuchungen zur Uterusmotorik sowie der<br />
Erfassung der Anzahl aus Rückspülungen<br />
gewonnener, intraluminaler polymorphkerniger<br />
neutrophiler Granulozyten (PMN), einschließlich<br />
deren Funktionseigenschaften in-vitro.<br />
Zum Einfluss der Bedeckung/Besamung auf das<br />
Auftreten von PMN und weiterer Entzündungszellen,<br />
wie Makrophagen, Lymphozyten, Plasmazellen,<br />
eosinophilen Granulozyten und Mastzellen,<br />
im gesamten Endometrium der Stute ist nur<br />
wenig bekannt; dieser Aspekt wurde im Projekt<br />
der eigenen Arbeitsgruppe unter Berücksichtigung<br />
der Effekte isolierter Inseminatkomponenten<br />
(Spermien, Seminalplasma, Verdünner)<br />
untersucht.<br />
Am 17. Zyklustag wurde klinisch-genitalgesunden,<br />
östrischen Stuten einmalig intrauterin Aliquote<br />
von konstant 20 ml einer sterilen NaCl-<br />
Lösung (Kontrolle), Verdünner, Seminalplasma,<br />
seminalplasmafreie Spermiensuspension sowie<br />
ein Inseminat (verdünnte Spermaportion) appliziert.<br />
Endometriumbiopsieproben wurden zu den<br />
Zeitpunkten vor (0h), sowie 6-8h und 48 h nach<br />
intrauteriner Applikation gewonnen. Die Effekte<br />
der Inseminatkomponenten auf das Endometrium<br />
wurden durch histopathologische (Hämatoxylin-Eosin-Färbung),<br />
enzymhistochemische<br />
(Naphthol-AS-D-Chlorazetat-Esterase ClAE-Darstellung<br />
von PMN, 1-Naphthylazetat-Esterase<br />
(ANAE)-Darstellung von Makrophagen) und<br />
immunhistochemische (CD3-Rezeptoren der<br />
T-Lymphozyten, Darstellung IgG,A,M produzie-<br />
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Niedersächsisches Landgestüt Celle<br />
Institut für Veterinär-Pathologie der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig<br />
Klinik für Pferde der TiHo<br />
Abb. 3: Unterschiede in der PMN-Dichte im Stratum compactum vor (0h), 6-8h<br />
und 48h nach intrauteriner Flüssigkeitsapplikation bei östrischen Warmblutstuten<br />
unter Berücksichtigung des endometrialen Ausgangszustandes (o.b.B.,<br />
Endometritis, Endometritis und Endometrose, Endometrose) (Mittelwertdarstellung,<br />
±SD)<br />
render Plasmazellen) Untersuchungsverfahren ermöglicht. Mikroskopisch<br />
wurden je nach Zelltyp 5-15 Gesichtsfelder im Stratum<br />
compactum inkl. luminalem Epithel sowie im Stratum spongiosum<br />
auf das Vorkommen von Entzündungszellen untersucht.<br />
Nach Auswertung der prae applicationem gewonnenen Bioptate<br />
(0 h) wurden die Stuten zunächst, unabhängig von ihrer Gruppenzuordnung,<br />
in vier verschiedene histopathologische „Klassen“ eingeteilt:<br />
Stuten mit ungeschädigtem Endometrium, mit Endometritissymptomen,<br />
mit Endometrose oder mit entzündlichen und fibrotischen<br />
Läsionen der Uterusschleimhaut. Dadurch wurde zusätzlich<br />
die Beeinflussung des initialen histopathologischen Endometriumzustandes<br />
auf den Reaktionsverlauf untersucht. Aus der Klassenverteilung<br />
konnte keine signifikante Veränderung des Reaktionsvorganges<br />
hinsichtlich der Infiltration mit PMN, Lymphozyten, Makrophagen<br />
sowie Mastzellen bei Stuten mit geschädigtem Endometrium<br />
im Vergleich zu gesunden Probanden festgestellt werden (s.<br />
Abb. 3). Durch eine vorab bestehende Endometritis war jedoch die<br />
Rekrutierung von IgA-Plasmazellen beeinträchtigt.<br />
Die entzündliche Reaktion der Uterusschleimhaut nach der Bedeckung/Besamung<br />
entspricht, wie in Abbildung 4 dargestellt, im<br />
pathohistologischen Kontext einer akuten katarrhalischen Endometritis,<br />
welche im Wesentlichen durch Infiltrate von PMN im Stratum<br />
compactum und im luminalen Epithel charakterisiert werden kann.<br />
Die intrauterine Applikation von Spermien, verdünntem Samen<br />
(Inseminat) sowie Seminalplasma verursachte einen signifikant größeren<br />
Anstieg der Infiltration mit PMN als die Applikation von Verdünner<br />
bzw. von Kochsalzlösung (Kontrolle). Diese Unterschiede<br />
werden zum einen als Effekte einer Wirkung von Spermatozoen<br />
und gewissen Faktoren des Seminalplasmas auf Chemotaxis, Vermittlung<br />
von Komplementfaktoren und Entzündungsmediatoren der<br />
PMN und zum anderen als Folge mechanischer Reize nach Applikation<br />
eines bestimmten Flüssigkeitsvolumens (Verdünner, Kochsalzlösung)<br />
auf die Schleimhaut interpretiert. Die Clearance erwies<br />
sich innerhalb von 48 Stunden als vergleichsweise verzögert bei<br />
Stuten der Seminalplasma- und Verdünnergruppe.<br />
0h<br />
6-8h<br />
48h<br />
Nach Applikation von Spermien, Inseminat sowie Kochsalzlösung<br />
(Kontrolle) waren über den Untersuchungszeitraum IgA-produzierende<br />
Plasmazellen signifikant vermehrt nachweisbar; im Gegensatz<br />
dazu bestimmten Makrophagen nach intrauteriner Applikation<br />
von Seminalplasma bzw. Verdünner das histologische Bild. Die<br />
Applikation von Verdünner führte möglicherweise auch zu einer<br />
intensivierten Degranulation von Mastzellen.<br />
Zusammenfassend sind bei der PBIE die Einzelkomponenten des<br />
Inseminates (Spermien, Seminalplasma, Verdünner), bezogen auf<br />
die Zelldichte der PMN, graduell und temporär unterschiedlich<br />
beteiligt. Die Rekrutierung von Lymphozyten, Plasmazellen, Makrophagen<br />
und Mastzellen könnte dahingehend gedeutet werden,<br />
dass möglicherweise auch bei der Stute die Konfrontation des<br />
Endometriums mit dem semiallogenetischem Material Hengstsperma<br />
nicht nur hinsichtlich uteriner Reparationsprozesse, sondern<br />
auch im Sinne einer immunomodulatorischen Auseinandersetzung<br />
im Verbund mit möglicherweise fertiltätsfördernden Effekten spezifischer<br />
Inseminatkomponenten (Seminalplasma) – wie bei Maus,<br />
Schwein und Mensch beschrieben – von Bedeutung sein könnte.<br />
Dies wird das Ziel weiterer Untersuchungen sein.<br />
Aus den bisher vorliegenden Erkenntnissen zur PBIE ergeben sich<br />
Notwendigkeiten zielgerichteter, weiterer Untersuchungen aber<br />
auch Hinweise für Anwendungsmöglichkeiten in der Praxis der Pferdezucht<br />
zur Verbesserung der Fertilitätsresultate der Stute; so<br />
befassen sich bereits publizierte und aktuelle Studien mit Verbesserungen<br />
des Besamungsmanagements und der Besamungstechnik<br />
via Beeinflussung des Myometriums und der uterinen Immunantwort<br />
durch spezifische Modifikationen der Inseminatbeschaffenheit.<br />
0h<br />
6-8h<br />
48h<br />
Abb. 4: Befunde von Endometriumbiopsien vor (0h), 6-8h und 48h nach intrauteriner<br />
Applikation eines verdünnten Inseminats einer östrischen Warmblutstute<br />
(Naphthol-AS-D-Chlorazetat-Esterase (ClAE)-Darstellung polymorphkerniger<br />
neutrophiler Granulozyten PMN)<br />
0h gesundes Endometrium<br />
6-8h diffuse, mittelgradige Infiltration des Stratum compactum mit PMN;<br />
einige PMN auch im Stratum spongiosum<br />
48h einzelne PMN-Infiltrate im Stratum compactum noch vorhanden
Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />
Arbeitsgruppe Immunologie der TiHo<br />
Zentrum für Frauenheilkunde und Zentrum für Anatomie der Georg-August-Universität Göttingen<br />
Hans-Joachim Schuberth, Holm Zerbe, Hans-Wilhelm Michelmann, Peter Schwartz, Ulrike Taylor, Henning Wendt,<br />
Antje Frenzel und Detlef Rath<br />
Qualitätsmanagement im Uterus: nur ausgewählte<br />
Spermien erreichen die Eizelle<br />
Zusammenfassung<br />
Für eine erfolgreiche Konzeption muss eine ausreichende Anzahl<br />
befruchtungsfähiger Spermien im Eileiter auf die zu befruchtende<br />
Eizelle treffen. Nach einer Bedeckung oder Besamung kommt es<br />
bei vielen Spezies zu einem regulierten Einstrom neutrophiler<br />
Granulozyten in den Uterus. Ziel der gegenwärtigen Forschung<br />
ist es, die Regulation des Einstroms näher zu analysieren und die<br />
Mechanismen zu klären, über die Granulozyten an der Selektion<br />
befruchtungskompetenter Spermatozoen teilnehmen. Diese<br />
frühe Phase nach der Besamung ist zudem Teilaspekt einer komplexen<br />
immunologischen Gesamtreaktion im Uterus, welche nicht<br />
nur ausgewählte Spermien die Eizelle erreichen lässt, sondern<br />
auch die Vorraussetzung für eine erfolgreiche Trächtigkeit schafft.<br />
Warum so viele Spermien?<br />
Bei einer Besamung gelangen natürlicherweise viele Milliarden<br />
Spermien in die Vagina, die Cervix<br />
oder in den Uterus. Die Anzahl der<br />
Spermien und die Lokalisation der<br />
Deposition variiert je nach Spezies.<br />
Der scheinbare Überfluss äußert<br />
sich auch darin, dass beim Schwein<br />
in den ersten Stunden nach Besamung<br />
durch Rückfluss aus dem<br />
weiblichen Genitale etwa 25% der<br />
applizierten Spermatozoen schlicht<br />
verloren gehen. Warum werden so<br />
viele Spermien bei der Besamung<br />
gebraucht, wo doch nur wenige für<br />
die Befruchtung einer oder mehrerer<br />
Oozyten benötigt werden? Die<br />
Beantwortung dieser Frage wird<br />
umso wichtiger, als bei landwirtschaftlichen<br />
Nutztieren die Besamung<br />
schon seit einigen Jahrzehnten<br />
routinemäßig angewendet wird<br />
und neuere biotechnologische Verfahren den Einsatz immer geringerer<br />
Spermatozoenmengen implizieren. Beispielsweise enthalten<br />
Besamungsportionen mit verfahrenstechnisch gesextem Sperma<br />
nur noch 10% (Rind), 2,5% (Schwein) oder 4-10% (Pferd) der üblichen<br />
Spermatozoendosierungen. Eine nahe liegende Antwort lautet,<br />
dass Vielzahl gleichzeitig auch Auswahl ermöglicht. Eine weitere<br />
Antwort ergibt sich, wenn man das physiologische Folgegeschehen<br />
im Uterus betrachtet. Die Interaktionen, die viele Spermatozoen<br />
mit Zellen im Uterus eingehen, und die Wechselwirkungen zwischen<br />
Bestandteilen des sie umgebenden Seminalplasmas mit Zel-<br />
Summary<br />
A successful conception requires sufficient numbers of spermatozoa<br />
to reach the oocyte in the oviduct. Insemination with an abundance<br />
of spermatozoa is followed in many species by a regulated<br />
influx of granulocytes into the uterus. Ongoing research focuses<br />
on the analysis of this influx, its regulation and the mechanisms<br />
of granulocyte-mediated selection of competent and fertilizing<br />
spermatozoa. The early phase after insemination is part of a<br />
complex immunological reaction in the uterus, which not only<br />
results in sperm selection but also creates the environment necessary<br />
for a successful pregnancy.<br />
len des Uterus induzieren Mechanismen und Folgeprozesse, die<br />
sich positiv auf eine erfolgreiche Trächtigkeit oder Schwangerschaft<br />
auswirken. Somit tragen die physiologischen Mechanismen im Uterus<br />
nach Besamung zur optimalen Auswahl von Spermien bei und<br />
schaffen die Voraussetzungen für erfolgreiche Trächtigkeit (Abb. 1).<br />
Abb. 1: Eine Besamung kurz vor (prä) oder nach (post) dem Eisprung führt zum Granulozyten-Einstrom. Etwa zu<br />
diesem Zeitraum findet eine Spermienselektion statt. Das Milieu im Gewebe bleibt bis zur Nidation entzündlich (proinflammatorisch).<br />
Im Verlauf der Trächtigkeit kehrt sich die Situation um; das graviditätserhaltende Milieu ist antiinflammatorisch.<br />
Vielzahl ermöglicht Auswahl<br />
Neben einer potenziellen Auswahl der besten Spermatozoen (ein<br />
noch nicht definierbarer Begriff) wird durch das Prinzip der Selektion<br />
sichergestellt, dass nicht befruchtungsfähige oder geschädigte<br />
Spermien mit befruchtungsfähigen Spermien konkurrieren.<br />
Selektionsvorgänge an Spermien während ihrer Wanderung durch<br />
den Uterus sind allerdings nur teilweise bekannt und werden gegen-<br />
21
22<br />
Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />
Arbeitsgruppe Immunologie der TiHo<br />
Zentrum für Frauenheilkunde und Zentrum für Anatomie der Georg-August-Universität Göttingen<br />
wärtig genauer untersucht. Zwei denkbare Szenarien werden<br />
geprüft. Die These der Negativ-Selektion geht davon aus, dass<br />
überflüssige Spermien aktiv entsorgt werden, und damit im Wesentlichen<br />
befruchtungsfähige Spermien übrig bleiben. Der anderen<br />
These liegt die Idee der Positiv-Selektion zu Grunde, die besagt,<br />
dass Spermien, die mit Zellen im Uterus in Kontakt treten, zu<br />
befruchtungsfähigen Spermien werden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />
greifen beide Selektionsprinzipien ineinander und komplementieren<br />
sich.<br />
Wer wählt wen aus?<br />
Spermatozoen können im Uterus prinzipiell mit allen Zellen interagieren,<br />
die dort residieren. Dies sind zunächst uterine Epithelzellen.<br />
Vergleichbare Interaktionen wurden mit Epithelzellen des Eileiters<br />
beschrieben. Ihnen wurde eine reifende Wirkung auf die später<br />
befruchtenden Spermien zugeschrieben. Über Bindungen von Spermien<br />
an Uterus-Epithelzellen ist bisher wenig bekannt. Spermatozoen<br />
gehen während der Uteruspassage ebenfalls Interaktionen mit<br />
uterinen Leukozyten ein. Die Analyse der vorhandenen Leukozyten<br />
im Uterus des Schweins und des Rindes vor einer Besamung ergab<br />
ein heterogenes Bild. Beim Rind lassen sich kaum Leukozyten aus<br />
einem nicht besamten Uterus ausspülen. Dennoch zeigen rasterelektronenmikroskopische<br />
Aufnahmen viele neutrophile Granulozyten<br />
in engem Kontakt mit der Oberfläche des Uterusepithels<br />
(Abb. 2A), so dass sie durchaus an der postulierten Spermienselektion<br />
aktiv teilhaben könnten. Das Rind belässt es offensichtlich bei<br />
diesem Status. Nach umfangreichen Studien, in denen unterschiedliche<br />
Besamungsverfahren mit verschiedenen Spermapräparationen<br />
geprüft wurden, zeigte sich zu keinem der gewählten Zeitpunkte<br />
nach Besamung ein weiterer Einstrom neutrophiler Granulozyten.<br />
Beim Schwein lassen sich vor der Ovulation (prä-ovulatorisch) nur<br />
relativ wenige Leukozyten im Uteruslumen nachweisen (etwa 1 Million<br />
pro Uterus). Diese Zahl wächst post-ovulatorisch auf das 50 bis<br />
180-fache an. Diese Immunzellen setzen sich beim Schwein im<br />
Wesentlichen aus neutrophilen Granulozyten und Monozyten<br />
zusammen (Abb. 2B). Die Besamung beim Schwein belässt es<br />
jedoch nicht bei diesem Status quo, bei dem das Verhältnis Spermien<br />
zu Leukozyten anfangs immer zu Gunsten der Spermien ausfällt.<br />
Vielmehr kommt es, mit einer zeitlichen Verzögerung von ca.<br />
90 Minuten bis 3 Stunden, zu einem deutlichen Leukozyteneinstrom,<br />
diesmal hauptsächlich von neutrophilen Granulozyten.<br />
Abb. 2: A) Granulozyten auf dem Endometrium des Rindes. Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme, 2000x Vergrößerung. Die Pfeile kennzeichnen einige der<br />
erkennbaren Granulozyten. B) Zellen im Uterus von Schweinen vor einer Besamung (durchflusszytometrische Messung). Neutrophile Granulozyten (nG), Monozyten<br />
(Mz) und Epithelzellen (Ez) lassen sich anhand ihrer relativen Zellgröße und Komplexität voneinander differenzieren.
Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />
Arbeitsgruppe Immunologie der TiHo<br />
Zentrum für Frauenheilkunde und Zentrum für Anatomie der Georg-August-Universität Göttingen<br />
Signal zum Einstrom von<br />
neutrophilen Granulozyten<br />
Im Tiermodell konnten wir zeigen,<br />
dass viele Faktoren diesen<br />
Einstrom steuern können, allerdings<br />
quantitativ sehr unterschiedlich.<br />
Hierzu zählt ein einfacher<br />
Volumenreiz (physiologische<br />
Salzlösung), chemotaktische<br />
(chemisch anlockende)<br />
Faktoren wie das Chemokin<br />
Interleukin-8, der Komplementfaktor<br />
C5a, das Seminalplasma,<br />
die Spermien, und das bei der<br />
Besamung verwendete Verdünnungsmedium<br />
für porcine Spermien.<br />
Die Granulozyten treten<br />
dabei in der vergleichsweise langen<br />
Gebärmutter der Sau auf<br />
breiter Front in das Lumen ein.<br />
Gerade der Blick auf die Effekte<br />
des Seminalplasmas im Vergleich<br />
zum Verdünnermedium<br />
lässt erkennen, dass ein Einstrom<br />
neutrophiler Granulozyten<br />
nicht um jeden Preis erwünscht<br />
ist. Vielmehr scheint die Kombi-<br />
nation aus Seminalplasma und Spermien die neutrophilen Granulozyten<br />
moderat anzulocken (Abb. 3).<br />
Es wird davon ausgegangen, dass Interleukin-8 eine bedeutende<br />
Rolle bei der Granulozyten-Rekrutierung in den Uterus spielt, und<br />
dass es von den endometrialen Epithelzellen auch selbst gebildet<br />
wird. Bei der Frau stimuliert das Seminalplasma die Freisetzung<br />
dieses Chemokins aus den Makrophagen und den Zervikalschleimhautzellen.<br />
Beim Schwein führen Inhaltstoffe des Seminalplasmas<br />
(Spermadhäsine) dazu, dass von Makrophagen eine für Granulozyten<br />
chemoattraktive Substanz frei gesetzt wird. Wir fanden ebenso<br />
Hinweise, dass die vor der Bedeckung im Uteruslumen vorliegenden<br />
Monozyten an der Induktion des Granulozyteneinstroms in den<br />
Uterus beteiligt sind. Auch Spermien selbst können, nach Kontakt<br />
mit Epithelzellen, zur Induktion chemoattraktiver Moleküle beitragen.<br />
Diese insgesamt fördernden, stimulierenden Wirkungen von<br />
Ejakulatbestandteilen werden teilweise wieder aufgefangen und<br />
durch hemmende Eigenschaften moduliert. So erwies sich porcines<br />
Seminalplasma in vitro als inhibierend für eine Interleukin-8-induzierte<br />
Chemotaxis von Granulozyten.<br />
Neutrophile Granulozyten – Fresszellen und Selektierer<br />
Diesen Fress-Zellen, sie sind in der Lage zu phagozytieren, schrieb<br />
man bisher nahezu ausschließlich eine reinigende Funktion zu; sie<br />
sollten im Sinne der Negativ-Selektion überflüssige, nicht-motile,<br />
geschädigte, zu früh und damit falsch gereifte Spermien entsorgen.<br />
Überdies eliminieren sie eingedrungene Mikroorganismen und stellen<br />
binnen kurzer Zeit ein steriles Milieu wieder her. Ob die Phagozytose<br />
der Spermatozoen durch uterine, polymorphkernige neutro-<br />
Abb. 3: Die Zahl einwandernder Granulozyten in den Uterus des Schweines hängt vom Zeitpunkt der Besamung relativ<br />
zum Eisprung ab (prä- oder post-ovulatorisch) und ist größer, wenn statt Seminalplasma ein Spermienverdünnermedium<br />
eingesetzt wird.<br />
phile Granulozyten (PMN) selektiv erfolgt oder ein randomisierter<br />
Prozess ist, kann noch nicht beantwortet werden. Zumindest deuten<br />
Beobachtungen darauf hin, dass neben erkennbar geschädigten<br />
Spermien auch solche gebunden werden, die augenscheinlich<br />
vital und morphologisch intakt sind. Die Phagozytose von Spermatozoen<br />
(Abb. 4) scheint jedoch unter In-vitro-Bedingungen nicht<br />
schnell abzulaufen. Das wesentliche Element der Interaktion zwischen<br />
PMN und Spermien ist eine nicht sehr stabile, transiente Bindung<br />
und Kontaktaufnahme.<br />
Abb. 4: Phagozytose eines Spermiums im Uterus des Schweins.<br />
Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme. 3000x Vergrößerung.<br />
23
24<br />
Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />
Arbeitsgruppe Immunologie der TiHo<br />
Zentrum für Frauenheilkunde und Zentrum für Anatomie der Georg-August-Universität Göttingen<br />
Generell setzt die Positiv- wie die Negativselektion voraus, dass<br />
sich Spermien-Subpopulationen in molekularen Strukturen unterscheiden,<br />
die von anderen Zellen mittels Rezeptoren erkannt werden<br />
können. Diese molekulare Basis der Unterscheidung könnte<br />
auf der Expression von Lektinen oder deren Zielstrukturen (Zuckermotiven)<br />
liegen. Lektine sind Zucker-bindende Proteine, die im Zentrum<br />
eines komplexen Zuckermoleküls einen bestimmten Zucker<br />
erwarten, um binden zu können. Zellen des Immunsystems erkennen<br />
und beeinflussen sich gegenseitig über verschiedene Zucker-<br />
Lektin-Bindungen. Solche Interaktionen spielen ebenfalls eine Rolle<br />
bei der Bindung von Spermien an Epithelzellen des Eileiters und bei<br />
der Bindung von Spermien an die zu befruchtenden Eier. Analysen<br />
von Spermien und Granulozyten haben gezeigt, dass sie eine Vielzahl<br />
unterschiedlicher Zuckermotive an der Oberfläche aufweisen.<br />
Mit Hilfe fluoreszenzmarkierter Lektine können Veränderungen an<br />
Spermien identifiziert werden (Abb. 5).<br />
Die Oberflächenstrukturen von Granulozyten unterscheiden sich<br />
nach ihrer Wanderung durch das Gewebe in das Uteruslumen beim<br />
Rind und beim Schwein signifikant von denen aus dem Blut. Dies<br />
betrifft bestimmte Adhäsionsmoleküle, Komplementrezeptoren,<br />
Lektine wie auch einige von Lektinen erkannte Zuckermotive.<br />
Gegenwärtig untersuchen wir, ob diese modulierten Zelloberflächenstrukturen<br />
für die selektive Erkennung einzelner Spermienpopulationen<br />
relevant sind, und welche Folgen dies für die gebundenen<br />
Spermien sowie für die Zellen selbst hat.<br />
Eine erhebliche Bedeutung kommt hier der vermittelnden Rolle von<br />
Inhaltsstoffen des Seminalplasmas zu. Es gilt unter anderem, den<br />
Widerspruch zwischen der vielfach publizierten massiven Phagozytose<br />
von Spermien durch Granulozyten und dem hemmenden Einfluss<br />
von Seminalplasma auf diese Zellfunktion zu klären. Hypothetisch<br />
lässt sich die These formulieren, dass Komponenten des<br />
Seminalplasmas anfangs dafür Sorge tragen, die Interaktionen zwischen<br />
Granulozyten und Spermien nur transient zu gestalten. Dies<br />
würde Zeit für eine subtilere Selektion von Spermien lassen und<br />
andererseits die Zellen an einer zu frühen und zu massiven Produktion<br />
reaktiver Sauerstoffprodukte (ROS, reactive oxygen species)<br />
hindern. In vitro führten ROS-produzierende Granulozyten zu einer<br />
gesteigerten Spermatozoenkapazitation, die durch die Zugabe von<br />
Seminalplasma umgekehrt werden konnte. Reaktive Sauerstoffspezies,<br />
zu früh und massiv gebildet, können die Motilität von Spermien<br />
deutlich reduzieren, als auch für das Endometrium schädigende<br />
Folgen haben.<br />
Haben die regulierten Interaktionen zwischen Granulozyten und<br />
Spermien zur Selektion der besten Spermien geführt, steht einer<br />
effektiven Phagozytose der überzähligen Spermien nichts mehr im<br />
Wege.<br />
Ausblick<br />
Die Gesamtreaktionen im Uterus nach Besamung bis zur Nidation<br />
eines befruchteten Eies werden durch Spermien, Komponenten des<br />
Seminalplasmas, Immunzellen und die Interaktionen dieser Komponenten<br />
mit Endometriumszellen bestimmt. Die einzelnen Mechanismen<br />
führen nicht nur zur Selektion von befruchtungsfähigen Spermien,<br />
sondern schaffen ebenso ein Milieu, das durch das Vorherrschen<br />
entzündlicher Mediatoren im Gewebe gekennzeichnet ist.<br />
Dieses so genannte pro-inflammatorische Milieu scheint für die<br />
Kontaktaufnahme zwischen befruchtetem Ei und der Uterusschleimhaut<br />
essentiell zu sein und die Embryonenentwicklung zu<br />
fördern. Überdies werden immunologische Folgeprozesse eingeleitet,<br />
die sicherstellen, dass die sich entwickelnden Embryonen nicht<br />
vom mütterlichen Immunsystem abgestoßen werden. In der<br />
Summe sind dies äußerst komplexe, ineinander greifende Abläufe,<br />
deren tiefere Kenntnis mittelfristig Schlussfolgerungen für biotechnologische<br />
Ansätze zur Verbesserung der Befruchtungserfolge in<br />
der Tierproduktion ermöglicht.<br />
Abb. 5: Fluorochrom-markierte, zuckerbindende Lektine markieren in unterschiedlicher Weise membranintakte und membrangeschädigte porcine Spermien. Mit<br />
Erdnussagglutinin (FITC-PNA) können 5 Spermien-Subpopulationen im Durchflusszytometer unterschieden werden (Kreise).
Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />
Niedersächsisches Landgestüt Celle<br />
Veterinärfakultät der Universität Sydney<br />
Detlef Rath, Harald Sieme, Heide Buss, Chis Maxwell<br />
Hallo Herr Doktor, bitte ein Stutfohlen!<br />
Zusammenfassung<br />
In den vergangenen Jahren ist ein Sortiersystem für Spermien<br />
entwickelt worden, das auf der Flowzytometrietechnik basiert. Da<br />
sich die Geschlechtschromosomen geringfügig in ihrer Größe<br />
unterscheiden, kann nach Fluoreszenzfärbung eine Selektion in<br />
X- und Y-Chromosom tragende Spermien vorgenommen werden.<br />
Auch im modifizierten Hochgeschwindigkeitsflowzytometer bleibt<br />
die Zahl der „gesexten“ Spermien auf ca. 15 Millionen pro Stunde<br />
beschränkt, aber die Reinheit der Proben liegt deutlich über 90%.<br />
Weltweit sind bereits mehr als 40 000 Nachkommen nach diesem<br />
Verfahren geboren worden. Es gibt aber deutliche Unterschiede<br />
zwischen den Tierarten, wobei für Bullensperma der kommerzielle<br />
Einsatz in sehr begrenztem Umfang bereits erfolgt.<br />
Zurzeit werden in Mariensee in mehreren Kooperationsprojekten<br />
vor allem Hengst- und Ebersperma sortiert und die Konservierungsverfahren<br />
optimiert.<br />
Hallo Herr Doktor, bitte ein Stutfohlen! So oder ähnlich wird wohl in<br />
Zukunft häufig an den Tierarzt die Bitte herangetragen werden,<br />
„gesextes Sperma“ bei der Besamung einzusetzen. Damit wird ein<br />
in der Tierzucht seit langem gehegter Wunsch Wirklichkeit, das<br />
Nachkommengeschlecht vor der Besamung bereits festzulegen.<br />
Seit mehreren Jahren wird an einer Technik gearbeitet, die jetzt kurz<br />
davor steht, bei den Nutztierspezies in die Routinebesamung übernommen<br />
zu werden. Am weitesten ist die Sortiertechnik beim Rind<br />
vorangeschritten, was vor allem im Zusammenhang mit der relativ<br />
geringen Anzahl an Spermien, die für eine erfolgreiche Besamung<br />
notwendig ist, steht.<br />
Biologischer Hintergrund<br />
Bei Säugetieren wird das Geschlecht primär durch die Geschlechtschromosomen<br />
in den Samenzellen bestimmt. Eine Gensequenz<br />
(SRY) auf dem kurzen Arm des Y-Chromosoms ist für die Anlage<br />
des Hodengewebes verantwortlich, nachdem die Urgeschlechtszellen<br />
in die Genitalfalte des frühen Fetus eingewandert sind.<br />
Das Y-Chromosom ist etwas kleiner als das X-Chromosom und enthält<br />
entsprechend weniger DNA. Der relative, speziesspezifische<br />
Unterschied beträgt bei den Nutztierspermien 3,5 - 4%. Dieses ist<br />
der einzige, nachgewiesene Unterschied zwischen X- und Y-Chromosom<br />
tragenden Spermien, der für eine Separation aus dem Ejakulat<br />
zuverlässig genutzt werden kann. Alle anderen, theoretisch<br />
möglichen, physikalischen und immunologischen Unterschiede<br />
konnten nicht verifiziert werden oder ließen sich technisch bisher<br />
nicht nutzen.<br />
Abstract<br />
Recently, a new method for sorting of spermatozoa has been<br />
developed on the basis of flow cytometry. Differences in the size<br />
of sex chromosomes are visualized by fluorochromes and sorted<br />
into sperm populations bearing X and Y chromosomes. Although<br />
the output is limited to 15 million spermatozoa per hour even with<br />
a modified high speed flow cytometer, the purity of samples is<br />
greater than 90%. Worldwide more than 40,000 offspring have<br />
thus far been produced with this technique, but there are obvious<br />
species-related differences. Sex-sorted bull semen is now almost<br />
ready for commercial production. At present, our research is concentrated<br />
on spermatozoa from stallions and boars. Several<br />
cooperative projects focus on the optimization of long-term<br />
preservation of sperm.<br />
Technische Lösungen<br />
Zur Darstellung der Unterschiede der Geschlechtschromosomen<br />
werden die Spermien mit einem Fluoreszenzfarbstoff (Hoechst<br />
33342), der sich an die Chromosomen anlegt, gefärbt. In einem an<br />
die Samenzellmorphologie angepassten Flowzytometer mit angekoppelter<br />
Sortiervorrichtung werden die Spermien individuell erfasst<br />
und entsprechend ihres Fluoreszenzsignals nach UV-Laser Exposition<br />
zwei Populationen zugeordnet. Um eine hohe Reinheit zu<br />
gewährleisten, werden nur die Spermien ausgewählt, die mit ihrer<br />
flachen Seite senkrecht zum Laserstrahl stehen. Der Sortiervorgang<br />
erfolgt nach Fluoreszenzsignal abhängiger elektrischer Aufladung<br />
der Spermatröpfchen im elektrostatischen Feld. In speziellen<br />
Auffangmedien werden pro Stunde bis zu 15 Millionen gesexte<br />
Spermien gesammelt. Die Sortierreinheit beträgt dabei deutlich<br />
über 90%. Nach kurzer Zentrifugation stehen die gesexten Spermien<br />
zur Besamung zur Verfügung oder können für den späteren<br />
Gebrauch tiefgefroren werden. Allerdings bestehen noch erhebliche<br />
Unterschiede zwischen den verschieden Nutztierspezies bei der<br />
Anwendung von gesextem Tiefgefriersperma.<br />
Einsatz in der Tierzucht<br />
Ursprünglich war es das Ziel der amerikanischen Forschergruppe<br />
um Professor L.A. Johnson in Washington gewesen, kleinere, sehr<br />
reine Spermienpopulationen zu sortieren und diese auf andere<br />
geeignete Parameter zu untersuchen, die einen großflächigen Einsatz<br />
in der Tierzucht erlauben sollten. Mittlerweile ist die flowzytometrische<br />
Technik trotz einiger noch nicht vollkommen gelöster Probleme<br />
zu einem stabilen und zuverlässigen Verfahren weiterentwickelt<br />
worden, so dass es Sinn macht, über Anwendungsbereiche in<br />
der Tierzucht nachzudenken. Sortiertes Bullensperma wird in den<br />
USA und England bereits für den kommerziellen Einsatz in<br />
beschränktem Umfang angeboten.<br />
25
26<br />
Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />
Niedersächsisches Landgestüt Celle<br />
Veterinärfakultät der Universität Sydney<br />
Beim Rind kann gesextes Sperma beispielweise in Milchbetrieben<br />
zur Erstellung von Kuhkälbern benutzt werden, da HF-Bullenkälber<br />
zur Mast kaum zu verwenden sind. Testbesamungen zur Ermittlung<br />
des Zuchtwertes der Bullen können bis um 50% reduziert werden,<br />
ohne die statistische Präzision der Zuchtwertschätzung zu verringern.<br />
Färsen können mit X-chromosomalen Spermien besamt werden,<br />
um die Rate der Todgeburten zu reduzieren. Außerdem könnten<br />
gezielt Bullenmütter erzeugt werden. Bei Mastrassen wird eher<br />
Wert auf männliche Nachkommen gelegt. Gesexte Y-chromosomale<br />
Spermienpopulationen sind in ihrer Reinheit zwar geringfügig<br />
schlechter als X-chromosomale (2%-5%), aber prinzipiell besteht<br />
für den Sortiervorgang kein Unterschied.<br />
In der Endstufe der Schweineproduktion steht die Erzeugung weiblicher<br />
Nachkommen im Vordergrund des Interesses. Seit kurzem<br />
wird in einigen EU-Staaten über die Abschaffung der Ferkelkastration<br />
nachgedacht; beispielsweise wird Norwegen die Kastration ab<br />
2009 nicht mehr zulassen. Gesextes Sperma könnte theoretisch<br />
eine Alternative sein, wenn es gelingt, die Effizienz des Sortierprozesses<br />
deutlich zu steigern. Beim gegenwärtigen technischen<br />
Stand kommt lediglich ein Einsatz in ausgewählten Zuchtbereichen,<br />
z.B. Nukleusherden in Frage, denn trotz neuer Besamungsverfahren<br />
werden immer noch 20-mal mehr Spermien für die Besamung<br />
benötigt als beim Rind.<br />
Seit der Einführung der hysteroskopischen Besamung konnte die<br />
für die Besamung bei Stuten benötigte Spermienzahl deutlich reduziert<br />
werden. Der Sortierprozess ist aufgrund der Spermienkopfform<br />
und des höheren DNA-Unterschiedes<br />
zwischen den Spermienpopulationen<br />
effektiver als bei anderen Tierarten.<br />
So wird in absehbarer Zeit der<br />
Wunsch nach Besamung mit gesextem<br />
Sperma auch beim Pferd zur<br />
Routine gehören können. Auch bei<br />
Schafen war die hysteroskopische<br />
Besamung mit gesextem Tiefgefriersperma<br />
sehr erfolgreich.<br />
Eine besondere Bedeutung hat<br />
gesextes Sperma bei der Erhaltung<br />
von Rassen in Genreserveprogrammen<br />
sowie zur Erhaltung bedrohter<br />
Tierarten. Hierbei wird Wert auf „Xchromosomale<br />
Spermien“ gelegt,<br />
denn mit weiblichen Nachkommen<br />
kann eine Stabilisierung bedrohter<br />
Arten und Rassen deutlich schneller<br />
erzielt werden. So werden außer den<br />
Spermien unserer Nutztiere auch die<br />
von Primaten, Delfinen, Elefanten,<br />
Nashörnern, Büffeln und andere exotischer<br />
Tierarten für Versuche genutzt,<br />
um entsprechende Spermabanken<br />
anlegen zu können. Für die letzten<br />
drei genannten Spezies werden diese<br />
Untersuchungen u.a. in Mariensee<br />
gemeinsam mit nationalen und internationalen<br />
Forschungsinstitutionen<br />
durchgeführt.<br />
Aktuelle Forschungsarbeiten<br />
Abb. 1: Nachkommen aus gesextem Sperma in Mariensee.<br />
Die Ferkel wurden im In-vitro-System via ICSI erstellt, das Kalb<br />
stammt aus einer Besamung in den Uteruskörper.<br />
Seit dem Jahr 2000 steht dem Institut für Tierzucht der FAL in Mariensee<br />
das einzige Flowzytometer in Deutschland zur Verfügung,<br />
das zur Sortierung von Spermien geeignet ist. Das Gerät dient ausschließlich<br />
Forschungszwecken, von denen im Folgenden einige<br />
Projekte, die vorwiegend in Zusammenarbeit mit Institutionen des<br />
Virtuellen Zentrums für Reproduktionsmedizin durchgeführt wurden,<br />
aufgeführt sind.<br />
Rind: Eines der Hauptprojekte der vergangenen zwei Jahre diente<br />
der Verbesserung von gesextem Tiefgefriersperma. Zwar wird dieses<br />
bereits kommerziell angeboten, die Qualität ist aber sehr variabel<br />
und konnte bislang nicht überzeugen. Mittlerweile ist es uns<br />
gelungen, einige der Hauptbelastungsquellen während des Sortiervorganges<br />
aufzudecken und ein verbessertes Sortierverfahren mit<br />
geändertem Processing und neuen Verdünnern (Sexcess®) zu entwickeln.<br />
Die Besamungsergebnisse bei rund 500 Färsen verschiedener<br />
Rassen und Nutzungstypen unterschieden sich nicht mehr<br />
von den Kontrollbesamungen mit unsortiertem Sperma identischer<br />
Ejakulate und lagen in der Befruchtungsrate über 70%. Auch als<br />
gesextes Frischsperma ist es bei Lagerung im Kühlschrank für drei<br />
Tage für die Besamung geeignet. Deutlich schlechtere Trächtigkeitsergebnisse<br />
(~-20%) erhielten wir nach Besamung von Kühen.<br />
Die Ursache ist zurzeit noch offen; es könnte sich aber um immunologische<br />
Prozesse im Uterus handeln, die noch nicht verstanden<br />
werden (s. auch Qualitätsmanagement im Uterus S. 21). Neben der<br />
Verwendung für die Besamung wird gesextes Sperma auch zur Invitro-Befruchtung<br />
sowie im Rahmen<br />
des Embryotransfers mit<br />
Erfolg eingesetzt<br />
Schwein: Die Untersuchungen<br />
zum Sortieren von Ebersperma<br />
gehen auf eine langjährige Kooperation<br />
des Instituts für Tierzucht mit<br />
dem USDA in Beltsville zurück.<br />
Bereits 1993 wurden gemeinsam<br />
erste Embryonen mit gesextem<br />
Ebersperma über In-vitro-Befruchtung<br />
erstellt und drei Jahre später<br />
gelang mit diesem Verfahren die<br />
Geburt der ersten Ferkel. Interessanterweise<br />
zeigten neuere Time-<br />
Lapse-Studien unserer Arbeitsgruppe,<br />
dass sich männliche und<br />
weibliche Embryonen nach der Invitro-Befruchtung<br />
in ihrem Entwicklungsverhalten<br />
unwesentlich unterscheiden.<br />
Ihr Wachstumspotential<br />
war aber deutlich vermindert, wenn<br />
die Eizellen vor der Befruchtung invitro<br />
gereift werden mussten.<br />
Noch effizienter konnten wir Ferkel<br />
mit gewünschtem Geschlecht<br />
erzeugen, wenn die Befruchtung<br />
mittels intrazytoplasmatischer<br />
Spermieninjektion (ICSI) erfolgte
Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />
Niedersächsisches Landgestüt Celle<br />
Veterinärfakultät der Universität Sydney<br />
Abb. 2: High-Speed Flowzytometer zur Trennung von Spermien<br />
(MoFlo Sx, Dakocytomation)<br />
und je Eizelle nur eine Samenzelle zur Verfügung stehen musste.<br />
Dieses Verfahren ist allerdings technisch aufwendig und erfordert<br />
relativ hohe Investitionen für eine Mikromanipulationseinheit. Das<br />
Verfahren ist aber dann sinnvollerweise einzusetzen, wenn nur<br />
wenige oder nicht mehr funktionsfähige Spermien zur Verfügung<br />
stehen, wie dies häufig bei bedrohten Tierarten vorkommt. Für viele<br />
dieser Tierarten wurden noch keine Spermakonservierungsverfahren<br />
entwickelt; hier kann über ICSI versucht werden, gereifte Eizellen<br />
mechanisch zu befruchten.<br />
Für den Routineeinsatz von gesextem Sperma muss die Besamung<br />
auch beim Schwein das Mittel der Wahl sein. Üblicherweise werden<br />
pro Besamung mindestens 1 Milliarde Samenzellen, evtl. auch<br />
mehrmals pro Rausche, verwendet. Um die Schweinebesamung<br />
mit gesextem Sperma zu ermöglichen,<br />
musste daher zunächst ein<br />
Besamungskatheter entwickelt werden,<br />
der es erlaubt, das Sperma tief<br />
im Uterushorn kurz vor der utero-tubalen<br />
Verbindung zu platzieren. Damit<br />
lassen sich Spermaverluste vermeiden.<br />
Von mehreren Typen hat sich ein<br />
in Spanien entwickeltes Instrumentarium<br />
als besonders geeignet erwiesen<br />
(Firflex®). Hiermit kann die Besamungsdosis<br />
auf ca. 50 Millionen Spermien<br />
reduziert werden. Erste Ferkel<br />
aus der Besamung mit gesextem<br />
Sperma wurden 2003 in Mariensee<br />
geboren. Dennoch bedeutet eine<br />
Spermadosis von 50 Millionen Spermien<br />
eine Sortierdauer von 3 bis 5<br />
Stunden, was zeigt, dass ein Routineeinsatz<br />
für die Erstellung von Endprodukten<br />
kaum rentabel sein wird. Ein<br />
Ausweg bietet evtl. die Tiefgefrierung<br />
von Ebersperma. Allerdings müssen<br />
hierzu bekannte Einfrierverfahren<br />
stark modifiziert werden. Dies wird<br />
gegenwärtig in Mariensee in Zusammenarbeit<br />
mit den Universitäten in<br />
Sydney und Murcia erarbeitet.<br />
Abb. 3: Sortierdiagramm für Hengstsperma<br />
Pferd: Auch bei der Pferdebesamung besteht prinzipiell die Anforderung<br />
einer relativ hohen Spermadosierung. In Kombination mit der<br />
hysteroskopischen Besamung wurden in den USA, Argentinien,<br />
Australien und Deutschland mehrere Fohlen aus gesextem Sperma<br />
geboren. In Zusammenarbeit mit dem Landgestüt Celle und der<br />
Universität Sydney wird zurzeit an einem neuen Tiefgefrierverfahren<br />
geforscht, das in Anlehnung an die Ergebnisse aus Gefrierversuchen<br />
mit Schweine- und Rindersperma die Belastungen beim<br />
Sortieren und Tiefgefrieren mindern soll. Erste Ergebnisse zeigen,<br />
dass mit dem gewählten Einfrierprotokoll Hengstspermien nach<br />
dem Sortierprozess eingefroren werden können und dabei eine<br />
ausreichende Bewegungsaktivität und Membranintegrität nach dem<br />
Auftauen erhalten bleibt. Beim Vergleich eines computergesteuerten<br />
Gefrierprozesses war kein Unterschied gegenüber einem einfachen<br />
Verfahren im Stickstoffdampf zu erkennen. Auch zwischen<br />
zwei Verdünnersystemen (INRA 82 und LactoseEDTA) bestand<br />
kein nachweisbarer Unterschied. Während bei allen geprüften Verfahren<br />
die Motilität durch die Kombination von Sortier- und Gefrierprozess<br />
deutlich abnahm, blieben Membranintegrität und morphologische<br />
Parameter unbeeinflusst gut. Gegenwärtig muss die Besamung<br />
dennoch sehr genau auf den Ovulationszeitpunkt terminiert<br />
werden, da nach dem Auftauvorgang die Überlebenszeit der<br />
Hengstspermien auf wenige Stunden beschränkt ist.<br />
Einen zusätzlichen Aspekt untersucht man derzeit an der Universität<br />
Sydney. Hier wird zunächst tiefgefrorenes Sperma von Schafböcken<br />
und Hengsten aufgetaut, im Flowzytometer sortiert, anschließend<br />
wieder eingefroren und zum Gebrauchstermin erneut aufgetaut.<br />
Das Sperma dieser beiden Spezies ist ausreichend widerstandsfähig,<br />
um den Prozess zu überstehen und um zur In-vitro-<br />
Befruchtung verwendet werden können. So könnte es bald häufiger<br />
heißen: Herr Doktor, bitte ein Stutfohlen!<br />
a) Jeder rote Punkt repräsentiert eine Samenzelle, Anhäufungen färben sich über gelb nach grün. Zwei deutliche<br />
Populationen (X-und Y-chromosomale Spermien) sind zu erkennen.<br />
b) Elektronische Aufbereitung nach Gating. Rotes und blaues Fenster dienen der Sortierentscheidung<br />
c) Separation der Spermienpopulation nach DNA Gehalt (counts: DNA Gehalt).<br />
27
28<br />
Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />
Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />
Zentrum für Frauenheilkunde und Zentrum für Anatomie der Georg-August-Universität Göttingen<br />
Edda Töpfer-Petersen, Detlef Rath, Hans-Wilhelm Michelmann, Dorothee von Witzendorff, Mahnaz Ekhlasi-Hundrieser,<br />
Peter Schwartz, Erik Piehler, Silja Ebeling, Christiane Hettel, Birgit Sieg, Petra Westermann<br />
Die Zona pellucida: Schutz- und Kommunikationsorgan<br />
der Eizelle<br />
Zusammenfassung<br />
Die Zona pellucida (ZP) der Eizelle spielt für die Regulierung der<br />
Befruchtung eine wesentliche Rolle. Voraussetzung für eine erfolgreiche<br />
Befruchtung ist die Kohlenhydrat-vermittelte Erkennung<br />
beider Gameten, die an dieser extrazellulären Matrix abläuft. Die<br />
Untersuchung der beteiligten Kohlenhydrat-Rezeptorsysteme ist<br />
daher schon lange ein Anliegen der Reproduktionsbiologie. In<br />
einem gemeinsamen Projekt werden die Glykane der porzinen<br />
ZP mittels moderner massenspektrometrischer Methoden (glycomics)<br />
identifiziert, Veränderungen ihrer Struktur sowie die globalen<br />
Veränderungen der dreidimensionalen Architektur der ZP<br />
während der Oozytenreifung in Relation zu ihrer Funktionalität<br />
untersucht. Die Kenntnis der Vorgänge, die bei der Reifung der<br />
Zona pellucida ablaufen, sind von besonderem Interesse für die<br />
Optimierung der In-vitro-Produktion von Schweineembryonen.<br />
Die Befruchtungskaskade<br />
Die Säugetiereizelle ist von einer hochorganisierten, dreidimensionalen<br />
Matrix umgeben, die als Zona pellucida bezeichnet wird. Die<br />
Zona pellucida schützt die wachsende Eizelle und den jungen –<br />
noch nicht implantierten – Embryo vor mechanischen und anderen<br />
äußeren Einflüssen und vermittelt, wie eine Mailbox, den Kontakt<br />
zwischen Embryo und der mütterlichen Umgebung. Darüber hinaus<br />
erkennt das befruchtungskompetente Spermatozoon über die Zona<br />
pellucida seine Eizelle und nimmt den ersten Kontakt zu ihr auf. Im<br />
Gegenzug dazu steuert die Zona pellucida die Funktion des Spermatozoons,<br />
sodass es diese äußere Eihülle durchdringen und<br />
schließlich die Eizelle befruchten kann.<br />
Die Folge dieser verschiedenen Schritte der Befruchtungkaskade<br />
sind in Abbildung 1 dargestellt. Zunächst müssen die Spermatozoen,<br />
die nach der Insemination in den Eileiter gelangt sind, in einen<br />
aktiven befruchtungsfähigen Zustand versetzt werden – eine<br />
Sequenz äußerst komplizierter endogener Vorgänge, die unter dem<br />
Begriff Kapazitation zusammengefasst werden. Das kapazitierte<br />
Spermatozoon ist nun in der Lage, der ovulierten Eizelle zum Ort<br />
der Befruchtung (der Übergang von Isthmus zur Ampulle des Eileiters)<br />
entgegen zu schwimmen, die Eizelle an der Zona pellucida zu<br />
erkennen und an diese zu binden. Bei dem gebundenen Spermatozoon<br />
induziert die Zona pellucida nun über Signaltransduktionskaskaden<br />
den massiven Influx von Kalziumionen in die Zelle; dieser<br />
löst dann die so genannte Akrosomreaktion, die Exozytose des<br />
Akrosoms, aus. Durch die Akrosomreaktion wird der enzymatische<br />
Inhalt des Akrosoms, das einen Teil des Spermatozoonkopfes<br />
umgibt (Abb. 1), ausgeschüttet, und trypsinähnliche Proteinasen,<br />
wie beispielsweise das akrosomale Akrosin, hydrolisieren sehr lokal<br />
Summary<br />
The oocyte zona pellucida plays an essential role in the regulation<br />
of fertilization. The carbohydrate-mediated recognition of<br />
both gametes is a crucial step of the fertilization cascade and has<br />
been one of the main topics of reproductive biology in the past<br />
decade. The current project focus on the characterization of the<br />
glycans of the porcine zona pellucida (glycomics), their structural<br />
changes, as well as the global changes in the three-dimensional<br />
architecture of the ZP during oocyte maturation in relation to zona<br />
pellucida function. Knowledge of the maturation process of the<br />
zona pellucida is of interest for optimizing the in-vitro production<br />
of porcine embryos.<br />
die Zona pellucida. Den sich bildenden Schlitz kann das Spermatozoon<br />
nun mit Hilfe seiner eigenen Beweglichkeit durchdringen und<br />
gelangt in den perivitellinen Raum. Das ist der Raum zwischen Zona<br />
pellucida und der eigentlichen Eizelle. Es dockt im nächsten Schritt<br />
an die Plasmamembran der Eizelle an, fusioniert mit dieser und<br />
wird in das Zytoplasma der Eizelle gezogen, wobei der Kern des<br />
Spermatozoons zu dekondensieren beginnt und den männlichen<br />
Vorkern bildet. Bei der Fusion werden neben der Aktivierung der<br />
Kernreifung und des embryonalen Entwicklungssystems auch<br />
Mechanismen eingeleitet, die zum so genannten Polyspermieblock<br />
führen. Dieser soll verhindern, dass mehr als ein Spermatozoon in<br />
die Eizelle eindringen kann. Bei der reifen, befruchtungsfähigen<br />
Eizelle sind unterhalb der Plasmamembran kleine Organellen – die<br />
Abb. 1: Die Befruchtungskaskade. Das kapazitierte Spermatozoon (Akrosom:<br />
rot) bindet an die Zona pellucida (grün). Die Akrosomreaktion wird ausgelöst und<br />
das akrosom-reagierte Spermatozoon penetriert die Zona pellucida. Durch die<br />
Fusion mit der Eizelle kommt es zur Exozytose der kortikalen Granulae (grau);<br />
durch deren Inhalt die Zona Reaktion eingeleitet wird.
Karl-Eibl-Str. 17–27 · 91413 Neustadt<br />
Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />
Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />
Zentrum für Frauenheilkunde und Zentrum für Anatomie der Georg-August-Universität Göttingen<br />
kortikalen Granulae – angeordnet (Abb. 2),<br />
die bei Fusion von Spermatozoon und Eizelle<br />
ihren Inhalt in den perivitellinen Raum ausschütten.<br />
Proteinasen, Glycosidasen, Lektine<br />
und viele andere kortikale Inhaltsstoffe verändern<br />
die Struktur der Zona pellucida in einer<br />
Weise, dass nachfolgende Spermatozoen<br />
nicht mehr an die Zona pellucida binden oder<br />
diese nicht mehr penetrieren können. Diese<br />
Strukturveränderung der Zona pellucida wird<br />
als Zona Reaktion oder Zona hardening<br />
bezeichnet. Interessanterweise kann man<br />
Spermatozoen auch außerhalb des Eileiters<br />
in künstlichen Medien kapazitieren und<br />
schließlich sogar eine Eizelle befruchten.<br />
Damit sind die Voraussetzungen für die so<br />
genannte In-vitro-Fertilisation (IVF-)Techniken<br />
gegeben, die seit vielen Jahren nicht nur<br />
beim Menschen, sondern auch beim Nutztier<br />
eine wichtige Rolle spielen. Beim Menschen<br />
wird die Technik zur Behandlung von Kinderwunschpatienten eingesetzt,<br />
bei Nutztieren zur assistierten Fortpflanzung.<br />
Die Zona pellucida<br />
Die Zona pellucida (ZP) ist, gemessen an ihren vielfältigen Aufgaben,<br />
einfach zusammengesetzt. Sie besteht aus drei Glykoproteinen,<br />
die entsprechend ihrer Gene als ZPA- (das größte Gen), ZPBund<br />
ZPC-Proteine benannt werden (Abb. 3a). Sie sind nicht nur<br />
innerhalb der Säuger hoch konserviert. Die Eihüllproteine anderer<br />
Vertebraten, wie beispielsweise die vom Krallenfrosch, von Fischen<br />
oder von Hühnern, gehören zu den gleichen Proteinfamilien.<br />
Gemeinsam ist allen Zona- und Eihüllproteinen eine etwa 260 Aminosäure<br />
lange so genannte ZP-Domäne, die für die Filamentbildung<br />
der Zona-Proteine und damit für den netzartigen Aufbau dieser<br />
extrazellulären Matrix verantwortlich ist. Die ZP-Proteine werden im<br />
Ihr bewährter Partner für<br />
Darstellung der kortikalen Granulae<br />
Wesentlichen von der Eizelle selbst synthetisiert<br />
und während ihres Wachstums<br />
sezerniert. Bei größeren Tierarten, wie<br />
Schweinen und Rindern, tragen auch<br />
die die wachsende Eizelle umgebenden<br />
Granulosazellen zur Synthese und dem<br />
Aufbau der dreidimensionalen Struktur<br />
der Zona pellucida bei.<br />
Das große ZPA-Protein spielt bei dem<br />
Block gegen Polyspermie eine besondere<br />
Rolle, da es nach der Befruchtung<br />
durch Enzyme der kortikalen Granula<br />
gespalten und damit eine weitere Vernetzung<br />
der Proteine begünstigt wird.<br />
Die Zona pellucida wird dadurch weitgehend<br />
undurchlässig für weitere eindringende<br />
Spermatozoen. Für die erste<br />
Kontaktaufnahme und Erkennung von<br />
Spermatozoon und Eizelle sind je nach<br />
Tierart die beiden anderen ZP Proteine, ZPC (Maus) und ZPB im<br />
Komplex mit ZPC (Schwein), verantwortlich. Für die meisten anderen<br />
Tierarten ist der Spermienrezeptor der Zona pellucida noch<br />
nicht eindeutig bestimmt. Definierte Kohlenhydrate der entsprechenden<br />
Glykoproteine, die in der dreidimensionalen Struktur der<br />
ZP in der richtigen Weise nach außen gerichtet sind, können nun<br />
von Lektin-ähnlichen Proteinen, die auf der Oberfläche des Spermatozoonkopfes<br />
lokalisiert sind, erkannt werden. Die Spermatozoen<br />
binden an die Matrix, und es werden die weiteren Schritte der<br />
Befruchtungskaskade eingeleitet (Abb. 1). Die Erkennung beider<br />
Gameten und die Bindung eines Spermatozoons an die Zona pellucida<br />
sind also Voraussetzung für die Befruchtung der Eizelle.<br />
Abb. 2: Darstellung der kortikalen Granulae im<br />
konfokalen Mikroskop. Die kortikalen Granulae<br />
sind 120 min nach Beginn der In-vitro-Befruchtung<br />
mit FITC-PNA angefärbt.<br />
• Spitzengenetik von Bullen und Ebern<br />
• Fruchtbarkeitsberatung und<br />
-schulung<br />
• Trächtigkeitsuntersuchung<br />
mit dem Scanner<br />
• Embryotransfer auf höchstem Niveau<br />
Die Identifizierung der Kohlenhydratstrukturen, ihre Lokalisation<br />
entlang der Polypeptidketten und die Definition der an der Erkennung<br />
und Bindung beteiligten Kohlenhydrate der Zona pellucida<br />
sind daher schon lange ein Anliegen der Reproduktionsbiologen.<br />
E-Mail: info@bvn-online.de · Internet: http://www.bvn-online.de<br />
Telefon: 09161 / 787 - 0 · Fax: - 2 50<br />
29
30<br />
Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />
Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />
Zentrum für Frauenheilkunde und Zentrum für Anatomie der Georg-August-Universität Göttingen<br />
Die Kohlenhydrate der Zona pellucida des Schweins<br />
Die Analyse der Kohlenhydrate in Gykoproteinen stellt den Analytiker<br />
wegen des hohen Materialbedarfs und der normalerweise<br />
außerordentlichen Heterogenität der Kohlenhydratseitenketten<br />
(Glykane) vor besondere Probleme. Erst mit der Entwicklung der<br />
Massenspektrometrie, hier insbesondere der Entwicklung der<br />
„Matrix-unterstützten Laserdesorption/Ionisation Massenspektrometrie<br />
(MALDI-MS), gelingt es, auch mit geringeren Ausgangsmengen<br />
Glykoproteine zu analysieren. In den neunziger Jahren ist es<br />
M. Nakano, Chiba Universität, Japan, gelungen, die Glykane der<br />
beiden Glykoproteine ZPB und ZPC vollständig in ihrer Struktur aufzuklären,<br />
ihre Verteilung entlang der Moleküle zu bestimmen und<br />
die Struktur und Lokalisation der für die Gametenerkennung verantwortlichen<br />
Glykane zu identifizieren. Die Glykoproteine der porzinen<br />
Zona pellucida sind mit einem Kohlenhydratanteil von etwa 30%<br />
hochglykosyliert. Sie enthalten Glykane, die über die Aminosäuren<br />
Asparagin oder Serin/Threonin verknüpft sind und kurz als N-Glykane<br />
bzw. O-Glykane bezeichnet werden. Die N-Glykane gehören<br />
dem so genannten komplexen Typus an. N- und O-Glykane können<br />
durch sulfatierte Lactosamineinheiten und Neuraminsäuren verlängert<br />
sein (Abb. 3b). Durch die Vielzahl der Modifizierungen sind die<br />
Kohlenhydratstrukturen der ZP außerordentlich heterogen. Es sind<br />
daher nur die häufigsten Glykanstrukturen der porzinen Zona pellucida<br />
in Abbildung 3b schematisch dargestellt.<br />
Auf der Basis dieser Arbeiten konnten nun mittels moderner massenspektrometrischer<br />
Methoden die Kohlenhydratmuster (glycan<br />
profiles) des großen ZPA-Proteins bestimmt und ihre Veränderungen<br />
während Wachstum und Reifung der Eizelle verfolgt werden.<br />
Zona pellucida Glycomics<br />
Die im Wesentlichen massenspektrometrische Analyse der Glykane<br />
in Glykoproteinen wird in Analogie zur proteomics auch glycomics<br />
genannt. Die Untersuchung der Zona pellucida folgt der Methodik<br />
Abb. 3:<br />
a) Die Domänenstruktur der reifen Glykoproteine der Zona pellucida des<br />
Schweins. Die Glykosylierungen sind mit Symbolen dargestellt (für eine Erklärung<br />
siehe Abbildung 2b). Schwarze Balken symbolisieren die Lokalisation der<br />
Cysteinreste. bezeichnet die nicht besetzte potentielle Glykosylierungsstelle<br />
in ZPA.<br />
von glycomics und soll hier kurz schematisch dargestellt werden<br />
(Abb. 4a). Nach elektrophoretischer Trennung von ZPA werden im<br />
Gel die Kohlenhydratseitenketten durch spezifische Enzyme (endo-<br />
Glykosidasen) abgespalten, die freien Glykane aus dem Gel gelöst<br />
und nach Reinigung im MALDI-MS analysiert. Alternativ wird das<br />
Protein im Gel selbst mit Proteasen (vorwiegend Trypsin) gespalten,<br />
die entstehenden Peptide und Glykopeptide aus dem Gel<br />
gelöst und dann ebenfalls massenspektrometrisch analysiert. Dieses<br />
Vorgehen erlaubt die Erstellung der Glykanmuster (glycan profiling,<br />
Abb. 4b) und die Lokalisation der Glykane innerhalb des<br />
Moleküls. Für ZPA konnte damit gezeigt werden, dass dieses Protein<br />
neben den vorher beschriebenen komplexen N-Glykanen eine<br />
weitere Glykanstruktur trägt, die als Oligomannosyl-Glykan<br />
bezeichnet wird (Abb. 3b). Außerdem konnte gezeigt werden, dass<br />
nur fünf der sechs potentiellen Glykosylierungsstellen tatsächlich<br />
Glykane tragen.<br />
Die Reifung der Zona pellucida<br />
Zyklusabhängig wächst die Eizelle im Follikel heran. Zu diesem<br />
Zeitpunkt hat sie die Reduktionsteilung (Meiose) noch nicht vollständig<br />
durchgeführt, d.h. sie hat ihren doppelten Chromosomensatz<br />
(die mütterlichen und väterlichen Chromosomenpaare) noch<br />
nicht vollständig halbiert. Das gelingt erst mit der Ovulation und der<br />
nachfolgenden Befruchtung selbst. Befruchtungskompetent ist nur<br />
die ovulierte, gereifte Eizelle. Die Reifung der Eizelle kann ebenfalls,<br />
wie die eigentliche Befruchtung, in vitro durchgeführt werden<br />
(In-vitro-Maturation, IVM). Es stellte sich nun die Frage, ob es<br />
neben der Reifung des Eizellkerns, des Zytoplasmas und der intrazytoplasmatischen<br />
Organellen auch zu reifungsbedingten Veränderungen<br />
der extrazellulären Matrix kommt. Vergleicht man die Eigenschaften<br />
der Zona pellucida „ungereifter“ Eizellen, die aus Follikeln<br />
gewonnen wurden, mit denen, die einer 2-tägigen In-vitro-Reifung<br />
unterworfen wurden, lassen sich einige entscheidende Unterschiede<br />
feststellen. So hat sich die Kommunikationsfähigkeit mit der<br />
Samenzelle während der Reifung deutlich erhöht. Die von der Zona<br />
b) Die häufigsten Glykane der porzinen Zona pellucida. Die Symbole charakterisieren<br />
bi- (blau), tri- (grau) und tetra- (rot) antennäre komplexe N-Glykane<br />
sowie Oligomannose-Typ N-Glykane (grün).
Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />
Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />
Zentrum für Frauenheilkunde und Zentrum für Anatomie der Georg-August-Universität Göttingen<br />
Abb. 4:<br />
a) Schema der Strategie für die Glykananalyse der Proteine der porzinen<br />
Zona pellucida.<br />
pellucida induzierte Akrosomreaktion der gebundenen Spermatozoen<br />
läuft deutlich schneller und effizienter ab. Elektrophoretische und<br />
rasterelektronenmikroskopische Analysen der ZP zeigten, dass<br />
diese Funktionalität von einer Erhöhung des Anteils der sauren sulfatierten<br />
Glykane und einer feineren dreidimensionalen Architektur<br />
der Zona pellucida begleitet ist. Zusätzlich unterscheiden sich diese<br />
Parameter in einer in-vitro-gereiften von denen einer in-vivo-gereiften<br />
Zona pellucida.<br />
Ausblick<br />
Die Kenntnis der Funktionskapazität der Zona pellucida ist von<br />
besonderem Interesse für die Optimierung der In-vitro-Produktion<br />
von Schweineembryonen. Die ersten Analyseergebnisse über Bau<br />
und Funktion des Zona Glykoproteins ZPA deuten auf eine insuffiziente<br />
Funktion im In-vitro-System hin, das für polysperme Befruchtungen,<br />
die nicht zur Fortpflanzung führen können, mit verantwortlich<br />
ist. Zusätzlich spielen aber auch die zeitgerechte Ausschüttung<br />
des Inhaltes der kortikalen Granula (Abb. 2) und die Integrität der<br />
Spermienmembranen eine entscheidende Rolle bei der polyspermen<br />
Befruchtung. Auch wenn mit den hier beschriebenen Untersuchungen<br />
einige Bausteine der Befruchtungsvorgänge gefunden<br />
wurden, ist das In-vitro-System noch weit von den natürlichen Vorgängen<br />
entfernt und bedarf intensiver Forschungsarbeiten. Dies<br />
gilt, wenn auch in unterschiedlichem Umfang, ebenfalls für die Invitro-Techniken<br />
anderer Nutztierspezies.<br />
b) Glycan Profiling von ZPA durch MALDI-MS. Die Glykanstrukturen sind über<br />
den entsprechenden Massenpeaks angegeben.<br />
31
32<br />
Friederike Gethöffer<br />
Einleitung<br />
Institut für Wildtierforschung der TiHo (Arbeitsgruppe Prof. Dr. Klaus Pohlmeyer, Dr. Gunter Sodeikat)<br />
Zur erfolgreichen Fortpflanzung von Wildschweinen<br />
Zusammenfassung<br />
Die Bestände des europäischen Wildschweins in Mitteleuropa<br />
sind in den letzten Jahren stark angewachsen. In einer 2-jährigen<br />
Untersuchung am Institut für Wildtierforschung wurde die<br />
Fortpflanzungsleistung dieser Wildtiere kontrolliert. Dazu wurden<br />
Ovarien und Uteri aus einem niedersächsischen und zwei rheinland-pfälzischen<br />
Gebieten gewonnen, in denen die Klassische<br />
Schweinepest (KSP) bei Wildschweinen aufgetreten ist. Untersuchungen<br />
von Blutproben gaben zudem Aufschluss über das<br />
Vorhandensein von Erkrankungen, die Auswirkungen auf das<br />
Reproduktionsgeschehen der Sauen haben können.<br />
Die Ergebnisse zeigen, dass exogene Faktoren sowohl den Zeitpunkt<br />
der Fortpflanzung im Jahresverlauf als auch die Gesamtbeteiligung<br />
der Tiere an der Reproduktion stark beeinflussen.<br />
Neben hohen Ovulationsraten, Fetenzahlen und Trächtigkeitsprävalenzen<br />
aller Altersklassen konnte bei Jungtieren eine frühe<br />
Geschlechtsreife mit anschließender Trächtigkeit festgestellt werden.<br />
Das europäische Wildschwein (Sus scrofa), zu dem derzeit 14<br />
Unterarten gerechnet werden, sorgte in der jüngeren Vergangenheit<br />
durch anhaltend hohe Vermehrungsraten für Aufmerksamkeit. Das<br />
natürliche Vorkommen dieser Wildart erstreckt sich von Westeuropa<br />
über Asien bis nach Japan. In Australien, Neuseeland sowie<br />
Nord- und Südamerika ist es, nach Aussetzung von Menschenhand,<br />
ebenfalls verbreitet. In Mitteleuropa nehmen die Bestände<br />
des in Deutschland als Schwarzwild bezeichneten Wildtiers stetig<br />
zu. Die Streckenzahlen, also die Zahlen der von Jägern erlegten<br />
Tiere, die noch immer als einziger Indikator zur Einschätzung der<br />
Bestände herangezogen werden<br />
können, zeigen seit dem Ende des<br />
zweiten Weltkrieges ein ununterbrochenes<br />
Wachstum (Abb.1).<br />
Die Gründe für diesen Populationsanstieg<br />
sind vielfältig. Neben hervorragenden<br />
Umweltbedingungen, milden<br />
Wintern, einem ausreichenden<br />
Futterangebot sowie einer geringen<br />
Zahl von natürlichen Feinden geben<br />
Untersuchungen von Reproduktionsparametern<br />
seit den 1950er Jahren<br />
gleichzeitig Hinweise auf eine<br />
zunehmende Fortpflanzungsleistung<br />
des Wildschweins. Die starke Vermehrung<br />
der Tiere wird zum Teil als<br />
Summary<br />
Recent increases in wild boar populations in central Europe<br />
necessitated evaluation of the current reproductive performance<br />
of this species.<br />
During a two-year study, samples of ovaries and uteri were taken<br />
from wild boars from areas in Lower Saxony and Rhineland-<br />
Palatinate, Germany (“Westeifel” and “Pfälzerwald”, respectively),<br />
in which wild boar have been vaccinated against CSF following<br />
several outbreaks of the disease. Serum samples were also<br />
analyzed to determine the prevalence of diseases that may influence<br />
pig reproduction and fertility.<br />
Our results indicate that exogenous factors have a strong impact<br />
on both reproductive seasonality and the percentage of reproducing<br />
individuals in an age class. Ovulation rates, numbers of fetuses<br />
and prevalence of pregnancies were found to be high among<br />
all age classes, while early onset of puberty and high pregnancy<br />
rates were typical of young animals.<br />
problematisch angesehen. Abgesehen von einer erhöhten Unfallgefahr<br />
sowie Schäden in der Infrastruktur birgt die hohe Wildschweindichte<br />
auch epidemiologische Risiken. KSP ist insbesondere in<br />
Wildschweinbeständen mit hoher Wilddichte und hohen Reproduktionsraten<br />
endemisch. Mehreren Untersuchungen zufolge ist eine<br />
Vielzahl der Primärausbrüche von KSP beim Hausschwein auf Kontakte<br />
zu Sus scrofa zurückzuführen.<br />
Fragestellungen zur Wildschweinreproduktion<br />
Die Seuchenzüge der KSP in niedersächsischen und rheinlandpfälzischen<br />
Wildschweinpopulationen geben daher Anlass, die<br />
Reproduktionsparameter des Wildschweins in diesen Regionen<br />
Abb. 1: Entwicklung der Schwarzwildstrecke in Deutschland von 1960-2004
Institut für Wildtierforschung der TiHo (Arbeitsgruppe Prof. Dr. Klaus Pohlmeyer, Dr. Gunter Sodeikat)<br />
Abb. 2: Verteilung der Geburtstermine im Jahresverlauf (Okt. 2003 bis Sept. 2004) von Wildschweinen der rheinland-pfälzischen Untersuchungsgebiete (Altersklasse<br />
1=Frischlinge, 2=Überläufer, 3=Mehrjährige; Untersuchungsgebiet 2=westliche Eifel, 3=Pfälzerwald)<br />
erneut zu untersuchen. Unter anderem wurde geprüft, inwieweit der<br />
Beginn der Geschlechtsreife und die erste Trächtigkeit von Alter und<br />
Gewicht der Wildschweine abhängig ist. Ein weiterer Focus lag auf<br />
der jahreszeitlichen Reproduktionsaktivität der Tiere.<br />
Insbesondere die für Wildtiere typische Saisonalität der Fortpflanzung,<br />
die durch Faktoren wie Tageslichtlänge, Temperatur und Nahrungsangebot<br />
beeinflusst wird, ist wegen der starken Vermehrung<br />
des Schwarzwildes oft in Frage gestellt worden. Ganz wesentlich<br />
ist, herauszufinden, in welchem Alter sich die Wildschweine fortpflanzen.<br />
Vor allem ist der Anteil der sich reproduzierenden Jungtiere<br />
interessant. Frischlinge, die Ferkel des Wildschweins, machen<br />
den größten Anteil der demographischen Struktur aus – ob sie aber<br />
tatsächlich nennenswerten Zuwachs beisteuern, ist umstritten.<br />
Sicher ist, dass vor allem Tiere der Jugendklasse von KSP-Infektionen<br />
betroffen sind, so dass eine Quantifizierung des potentiellen<br />
jährlichen Zuwachses notwendig ist.<br />
Neue Ergebnisse zu dieser Thematik liefert die am Institut für Wildtierforschung<br />
im Rahmen einer Dissertation durchgeführte Untersuchung.<br />
Uteri und Ovarien von erlegten Wildschweinen aus zwei<br />
rheinland-pfälzischen sowie einem niedersächsischen Untersuchungsgebiet<br />
bilden das Untersuchungsmaterial der über einen<br />
Zeitraum von zwei Jahren durchgeführten Arbeit. Anhand der<br />
Zuordnung ovarieller Zyklusstadien konnte die jahreszeitliche<br />
Reproduktionsaktivität der Tiere in der Stichprobe skizziert werden.<br />
Die Scheitel-Steiß-Länge sowie das Gewicht von Wildschweinfeten,<br />
die in der Gebärmutter von geschossenen Tieren vorgefunden wur-<br />
den, geben Anhaltspunkte über den Zeitpunkt der Bedeckung des<br />
Muttertieres und dienen zur Berechnung des Geburtstermins.<br />
Saisonal, frühreif und hocheffektiv<br />
Die Untersuchung zeigt, dass die Saisonalität für die Fortpflanzung<br />
der Wildschweine noch immer von erheblicher Bedeutung ist. Die<br />
Hauptreproduktionszeit beginnt mit der Rausche, der Begattungszeit,<br />
in den Monaten November und Dezember und endet in gestaffelten<br />
Wurfterminen in den Frühjahrsmonaten. Ein beachtlicher Teil<br />
weiblicher Individuen der Jugendklasse weicht allerdings von diesem<br />
Rhythmus ab. Während mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr als<br />
zwei Drittel der Jungtiere bereits im Alter von 8 - 12 Monaten zur<br />
„Hauptsaison“ erfolgreich gedeckt wurden, waren weitere 15% dieser<br />
Altersklasse in den Sommermonaten tragend, wie in den rheinland-pfälzischen<br />
Untersuchungsgebieten gezeigt werden konnte<br />
(Abb. 2). So entstand in den rheinland-pfälzischen Wildschweinpopulationen<br />
während der Sommermonate ein zweites Geburtenmaximum.<br />
Paarungstermine, die sich außerhalb dieser Zeiträume<br />
befinden, konnten nur für weniger als 10% der Stichprobe ermittelt<br />
werden. Allerdings weisen die Ovarien der Tiere mehrheitlich auch<br />
während der Sommermonate sowohl Follikel von präovulatorischer<br />
Größe als auch Gelbkörper auf.<br />
Die ermittelten Ovulationsraten und Fetenzahlen der Wildschweine<br />
in den drei Untersuchungsgebieten übertreffen die im innerdeutschen<br />
und europäischen Vergleich bisher bekannten Werte. Diese<br />
33
34<br />
Institut für Wildtierforschung der TiHo (Arbeitsgruppe Prof. Dr. Klaus Pohlmeyer, Dr. Gunter Sodeikat)<br />
Fruchtbarkeitsmerkmale sind multifaktoriell beeinflusst. Ihre Untersuchung<br />
hat zudem signifikante Altersunterschiede ergeben. So<br />
weisen Frischlinge in Niedersachsen bereits durchschnittlich 5,2<br />
Feten im Uterus auf, für zwei- und mehrjährige Tiere werden 6,7<br />
und 7,6 Feten im arithmetischen Mittel errechnet. Im Gegensatz<br />
hierzu erzielt die embryonale Mortalität, die der Literatur zufolge<br />
beim Wildschwein 25% und mehr erreichen kann, in den untersuchten<br />
Populationen mit 6% bis 18% Minimalwerte.<br />
Auch das Eintrittsalter von Frischlingen in die Geschlechtsreife<br />
scheint geringer zu sein als bisher angenommen. In den untersuchten<br />
Regionen besteht eine 80%ige Wahrscheinlichkeit für Frischlinge,<br />
in einem Alter von acht Monaten die Pubertät erreicht zu haben.<br />
Dabei erweist sich das Körpergewicht der Tiere als wesentlicher<br />
Einflussfaktor. Ab einem Aufbruchgewicht von 20 kg, das circa 75%<br />
des Lebendgewichtes entspricht, konnten mehr als zwei Drittel der<br />
untersuchten Tiere als geschlechtsreif eingestuft werden. Da ein so<br />
komplexes biologisches Ereignis wie die Pubertät nicht allein an<br />
Ovarbefunden festzumachen ist, kann in diesem Zusammenhang<br />
die Zahl der tatsächlich tragenden Frischlinge im weiteren Reproduktionsgeschehen<br />
als zusätzlicher Beweis gelten. Das Minimalgewicht<br />
tragender Jungtiere beträgt 22 kg (Aufbruchgewicht).<br />
Zu den Umweltfaktoren, die wesentlichen Einfluss auf die Reproduktion<br />
des Schwarzwilds haben können, gehört die Nahrungsverfügbarkeit.<br />
Obwohl in den drei untersuchten Gebieten aufgrund der Vegetationsstruktur<br />
und der landwirtschaftlichen Verhältnisse von einer<br />
guten Ernährungsgrundlage für Wildschweine ausgegangen werden<br />
kann, haben Baummasten, insbesondere die Fruktifizierung von<br />
Eichen und Buchen, Auswirkungen auf die Fortpflanzung der Sauen<br />
gezeigt. Im zweiten Untersuchungsjahr wurde im Untersuchungsgebiet<br />
der westlichen Eifel (Rheinland-Pfalz) eine Vollmast, also ein<br />
besonders ertragreiches Jahr, für Eichen und Buchen festgestellt.<br />
Die anschließende Reproduktionsphase des Schwarzwilds begann<br />
ungefähr vier Wochen früher als im Vorjahr und zeigte eine Trächtigkeitsrate<br />
der zwei- und mehrjährigen Tiere von 100% (Abb. 3).<br />
Ein weiteres Augenmerk<br />
der Untersuchung lag auf<br />
Erkrankungen, die Auswirkungen<br />
auf das Reproduktionsgeschehen<br />
der Wildschweine<br />
haben können. In<br />
stratifizierten serologischen<br />
Untersuchungen auf Antikörper<br />
gegen die Aujeszky`sche<br />
Krankheit, Brucellose,<br />
KSP, Porcine Parvovirose<br />
sowie PRRS (Porcines<br />
Reproduktives und Respiratorisches<br />
Syndrom) wurde<br />
in den drei Regionen ein<br />
hoher Durchseuchungsgrad<br />
der Wildschweinpopulationen<br />
mit Porcinem Parvovirus<br />
festgestellt. Zudem weisen<br />
mehrere Seren von Tieren<br />
eines rheinland-pfälzi-<br />
Abb. 3: Ovarbefunde von Wildschweinen eines rheinland-pfälzischen Untersuchungsgebietes während eines normalen und<br />
eines Mastjahres<br />
Abb. 4: Nur im Winter, insbesondere im<br />
November und Dezember, gesellen sich<br />
die alten Keiler zu den Bachen; Foto:<br />
Copyright: Goldmann<br />
schen Untersuchungsgebietes zusätzlich Antikörper gegen den<br />
Erreger der Aujeszky`schen Krankheit auf. Weder pathologische<br />
Organveränderungen noch abnorme Embryonal- oder Fetalstadien<br />
geben Anlass, ein erhöhtes Vorkommen der Erkrankung in diesen<br />
Populationen zu vermuten. Lediglich eine geringfügig erhöhte<br />
embryonale Mortalität unter mehrjährigen Tieren der Stichprobe im<br />
Vergleich zu den übrigen Gebieten macht einen Einfluss der Erkrankung<br />
auf die Fortpflanzungsleistung wahrscheinlich.<br />
Die Analyse der Untersuchungsgebiete hinsichtlich Nahrungsverfügbarkeit,<br />
Vegetation, klimatischer Verhältnisse und weiterer Komponenten<br />
veranschaulicht, dass das Wildschwein sich sowohl als<br />
reiner Waldbewohner als auch in der Rolle des Kulturfolgers in<br />
Großstädten erfolgreich fortpflanzt. Neben einem hohen Reproduktionspotential,<br />
das bei einer idealen Populationsstruktur eine Vermehrungsrate<br />
von mehr als 200% gewährleistet, weisen die untersuchtenWildschweinbestände<br />
einen hohen Anteil<br />
reproduzierender Frischlinge<br />
auf.
Andreas Spötter, Ottmar Distl<br />
Wurfgröße beim Schwein – bestimmende Faktoren<br />
und Rasseunterschiede<br />
Die Anzahl lebend geborener Ferkel wird von zahlreichen Faktoren,<br />
wie Ovulationsrate, embryonaler Überlebensrate und Uteruskapazität,<br />
bestimmt. Die Anzahl ovulierter Eizellen (= Ovulationsrate)<br />
bestimmt die maximale Wurfgröße. Bei steigenden Ovulationsraten<br />
nimmt jedoch die pränatale Überlebensrate ab und ist als limitierender<br />
Faktor anzusehen. Eine Steigerung der Wurfgröße über eine<br />
Verminderung dieser Verluste scheint daher ein viel versprechender<br />
Ansatz zu sein. Für die Schweinezucht ist es wichtig, zu erfahren,<br />
welche Faktoren die Wurfgröße regulieren und wie sich diese<br />
Erkenntnisse in der Zucht praktisch nutzen lassen.<br />
Das chinesische Meishan Schwein (Abb. 1) ist für seine hohe<br />
Fruchtbarkeit bekannt. Im Vergleich mit westlichen Schweinerassen<br />
Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung der TiHo<br />
Genetische Ursachen der Wurfgröße beim Schwein<br />
Zusammenfassung<br />
Die Wurfgröße beim Schwein wird wesentlich von der embryonalen<br />
Sterblichkeit bestimmt. Diese ist während der ersten<br />
Wochen der Trächtigkeit am höchsten und wird auf Störungen<br />
bestimmter embryonaler Entwicklungsprozesse zurückgeführt.<br />
Um die Wurfgröße zu erhöhen, wird bisher meist auf phänotypische<br />
Informationen und eine Zuchtwertschätzung für die Anzahl<br />
lebend geborener Ferkel zurückgegriffen. Ein anderer Ansatz verwendet<br />
molekulargenetische und phänotypische Informationen<br />
gleichzeitig. Dementsprechend gehen viele Forschungsarbeiten<br />
dahin, Gene zu identifizieren und deren Expressionsmuster<br />
aufzuklären, die einen Einfluss auf die Befruchtung, embryonale<br />
Implantation und weitere fetale Entwicklung haben. Das Ziel<br />
dieses Artikels ist es, einen Überblick über den Stand dieses<br />
Forschungsgebiets zu geben.<br />
Abb. 1: Meishan oder Chinesisches Faltenschwein<br />
Summary<br />
One of the major determinants for litter size in pigs is prenatal<br />
mortality. It occurs most frequently during the first few weeks of<br />
gestation and can be attributed to disturbances in developmental<br />
processes during embryogenesis. Improvement of litter size has<br />
been attempted using phenotypic data and prediction of breeding<br />
values. However, another promising approach in pursuit of this<br />
aim has been the use of molecular genetic information to<br />
increase embryonic survival. Accordingly, considerable efforts<br />
have been made in identifying and mapping genes involved in the<br />
regulation of fertilization, embryo implantation and fetal development<br />
and in elucidating their expression patterns.<br />
The objective of this paper was to give an overview of the efforts<br />
being made and approaches being used in this field.<br />
hat es bei vergleichbaren Ovulations- und Befruchtungsraten durchschnittlich<br />
3,6 lebend geborene Ferkel mehr pro Wurf sowie eine<br />
höhere Anzahl von Zitzenpaaren.<br />
Die pränatalen Verluste sind beim Schwein während des ersten<br />
Monats der Trächtigkeit mit 20 bis 30% der ovulierten Eizellen doppelt<br />
so hoch, wie für den restlichen Zeitraum der Trächtigkeit (85<br />
Tage), da die Implantation des Embryos in die Gebärmutterschleimhaut<br />
eine sehr kritische Phase für das weitere Überleben darstellt.<br />
Diese Phase wird von einer größeren Anzahl von Genen gesteuert<br />
und Mutationen in einzelnen Genen können bereits zu erheblichen<br />
Veränderungen in der Frequenz pränataler Verluste führen.<br />
Die Rolle genetischer Marker bei der Erforschung der<br />
Wurfgröße<br />
Molekulargenetische Methoden, insbesondere der Einsatz genetischer<br />
Marker wie Mikrosatelliten und Single Nucleotide Polymorphisms<br />
(SNPs), sind von großer Bedeutung bei der Identifizierung<br />
reproduktionsrelevanter Gene und der Selektion von Zuchttieren.<br />
Mikrosatelliten bestehen aus Wiederholungen von zwei oder mehr<br />
Basenpaaren (z.B.: (GT) n ). Die Anzahl der Wiederholungen ist<br />
variabel, d.h. sowohl einzelne Individuen als auch die beiden Allele<br />
eines Individuums können sich durch die Anzahl der Wiederholungen<br />
unterscheiden (Abb. 2). Die Anzahl möglicher Allele ist je nach<br />
Mikrosatellit sehr verschieden und kann zwischen 1 und bis zu 20<br />
liegen. Die Nutzbarkeit eines Mikrosatelliten für die Selektion ergibt<br />
sich dann, wenn er in unmittelbarer Nähe eines Gens liegt, das für<br />
die Fruchtbarkeit von Bedeutung ist. In diesem Fall ist der Mikrosatellit<br />
mit dem fruchtbarkeitsrelevanten Gen genetisch gekoppelt und<br />
somit eine Trennung dieser beiden Genorte durch Crossing-over<br />
während der Meiose wenig wahrscheinlich.<br />
35
36<br />
Eine zweite Klasse genetischer Marker, SNPs, kommt überall im<br />
Genom vor, also auch innerhalb von Genen, und hat gegenüber<br />
Mikrosatelliten den Vorteil, dass sie wesentlich häufiger auftreten,<br />
d.h. leichter zu finden sind. SNPs sind Einzelbasenaustausche an<br />
bestimmten Stellen im Genom (z.B. ein Adenin für ein Cytosin,<br />
Abb. 3). Da die meisten SNPs diallel sind, sind sie weniger informativ<br />
als Mikrosatelliten, d.h. die Vererbung der Allele eines SNP von<br />
den Eltern auf die Nachkommen lässt sich nicht immer nachvollziehen.<br />
Dieser Nachteil lässt sich jedoch durch die Verwendung mehrerer<br />
unmittelbar benachbarter SNPs ausgleichen.<br />
Die Genotypisierung, d.h. der Allelnachweis für genetische Marker,<br />
erfolgt z.B. über eine Sequenzierung des entsprechenden Genomabschnitts<br />
für das jeweilige Individuum, eine Minisequenzierung<br />
(SNaPshot Methode), durch PCR (Polymerase Chain Reaction)<br />
und anschließender gelelektrophoretischer Auftrennung des Polymorphismus<br />
(Abb. 2) oder durch einen PCR gestützten „Restriction<br />
Fragment Length Polymorphism“ (PCR-RFLP, Abb. 3). Eine Selektionsentscheidung<br />
anhand eines Genotypisierungsergebnisses ist<br />
im Gegensatz zur phänotypischen Selektion bereits sofort nach der<br />
Geburt möglich, wodurch das Generationsintervall verkürzt wird.<br />
Des Weiteren kann der Genotyp in beiden Geschlechtern nachgewiesen<br />
werden und ist damit der Selektion leichter zugänglich.<br />
Merkmalsassoziierte intragenische oder eng gekoppelte Marker<br />
können über die Untersuchung von Kandidatengenen identifiziert<br />
Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung der TiHo<br />
Abb. 2: Genotypisierung eines Mikrosatellitenmarkers. Der Nachweis der zwei verschiedenen Allele eines jeden Tieres geschieht in zwei Schritten. Zuerst wird der<br />
den Marker enthaltende Genomabschnitt über eine PCR amplifiziert. Anschließend erfolgt eine elektophoretische Auftrennung der PCR Produkte in einem 6 %igen<br />
Polyacrylamidgel.<br />
werden. Dieser Ansatz und die damit erzielten Ergebnisse werden<br />
anschließend näher erläutert.<br />
Kandidatengene für die Wurfgröße beim Schwein<br />
Es gibt verschiedene Kriterien für die Wahl eines Gens als Kandidatengen<br />
für ein bestimmtes Merkmal, die es zur weiteren Untersuchung<br />
mit dem Ziel der Bestätigung oder Verwerfung dieses Verdachts<br />
qualifizieren. Gene von denen bekannt ist, dass sie eine<br />
wichtige physiologische Rolle bei der Steuerung des jeweiligen<br />
Merkmals bei der untersuchten Spezies oder auch einer anderen<br />
Art spielen, werden als physiologische Kandidatengene bezeichnet.<br />
Kandidatengene können auch aufgrund ihrer chromosomalen Lokalisation<br />
in der Nähe von Quantitative Trait Loci (QTL, siehe folgenden<br />
Abschnitt) für das untersuchte Merkmal ausgewählt werden<br />
(positionelle Kandidatengene) oder aufgrund differentieller Expression<br />
eines Gens in dem untersuchten Gewebe. Treffen mehrere Kriterien<br />
auf ein Gen zu, erhöht dies die Chance ein merkmalsbeeinflussendes<br />
Gen identifizieren zu können. Dieser Nachweis<br />
geschieht über die Durchführung einer Assoziationsstudie, d.h. ein<br />
identifizierter Kandidatengenpolymorphismus (z.B. Mikrosatellit<br />
oder SNP) wird anhand eines Familienmaterials (z.B. Halbgeschwister)<br />
genotypisiert und auf eine Assoziation mit dem untersuchten<br />
Merkmal untersucht. Die Entdeckung eines signifikanten<br />
phänotypischen Effekts eines solchen Polymorphismus auf die
Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung der TiHo<br />
Abb. 3: Genotypisierung eines SNP Markers über Restriction Fragment Length Polymorphism (RFLP). Hierbei wird die Tatsache genutzt, dass der SNP zufällig innerhalb<br />
der Erkennungssequenz des Restriktionsenzyms DraIII liegt. Der Nachweis der zwei verschiedenen Allele eines jeden Tieres geschieht in drei Schritten. Zuerst<br />
wird der den Marker enthaltende Genomabschnitt über eine PCR amplifiziert. Im zweiten Schritt wird das PCR Produkt mit DraIII verdaut. Abschließend werden die<br />
Reaktionsprodukte auf einem 1%igen Agarosegel aufgetrennt.<br />
Wurfgröße dient als Beleg der Bedeutung dieses Gens für die Wurfgröße.<br />
Die erste Verifizierung einer Assoziation zwischen einem Kandidatengenpolymorphismus<br />
und der Wurfgröße beim Schwein gelang<br />
für einen SNP im Östrogen Rezeptor 1 (ESR1) Gen, welches auf<br />
dem Schweinechromosom (SSC) 1 lokalisiert ist. Vom Embryo<br />
sezerniertes Östrogen ist essenziell für die Trächtigkeit, indem es<br />
die Funktionsfähigkeit der Corpora lutea aufrechterhält. Dieser<br />
Polymorphismus wurde in zahlreichen weiteren Studien untersucht,<br />
wobei die an unterschiedlichen Schweinerassen nachgewiesenen<br />
Effekte zwischen +0,3 und +1,8 Ferkeln pro Wurf schwankten bzw.<br />
in zwei Studien kein Effekt nachgewiesen werden konnte.<br />
Ein weiteres Kandidatengen für die Wurfgröße beim Schwein ist<br />
das Prolactin Rezeptor (PRLR) Gen auf SSC 16, welches eine<br />
Rolle bei der Aufrechterhaltung der Trächtigkeit spielt. Die Interaktion<br />
von Östrogen und Prolaktin ist verantwortlich für die Umleitung<br />
des luteolytisch (= gelbkörperauflösend) wirkenden Prostaglandin F<br />
(PGF 2α ), so dass es seinen luteolytischen Effekt nicht über die<br />
utero-arterielllen Gefäße ausüben kann. Für einen SNP im PRLR<br />
Gen wurde eine Assoziation mit Unterschieden in der Wurfgröße<br />
nachgewiesen und in unterschiedlichen anderen Studien bestätigt.<br />
Das Retinol-Binding Protein 4 (RBP4) Gen auf SSC 14 wurde als<br />
Kandidatengen ausgewählt, da es während der frühen Phase der<br />
Trächtigkeit bei der Versorgung des Embryos mit Retinolsäure mit-<br />
wirkt und ein Überangebot dieser Substanz abpuffert. Retinolsäure<br />
wird mit der Regulierung der Gen-Transkription in Zusammenhang<br />
gebracht. Bei der Untersuchung eines diallelen SNP in einem Intron<br />
des Gens wurden in den ersten Studien an der Rasse Large White<br />
und verschiedenen synthetischen Linien keine signifikanten Effekte<br />
nachgewiesen. Beim Deutschen Edelschwein und der Deutschen<br />
Landrasse zeigten sich jedoch deutliche Effekte des Markers auf<br />
die Anzahl lebend geborener Ferkel.<br />
Das Erythropoietin Rezeptor (EPOR) Gen kontrolliert Differenzierung<br />
und Anzahl der fetalen roten Blutzellen. Die Transkription des<br />
Gens in der fetalen Leber steigt zwischen Tag 24 und 40 der Trächtigkeit<br />
stark an. Während dieser Periode kann es durch die zunehmende<br />
Enge im Uterus zu Entwicklungsstörungen der Erythrozyten<br />
im Fötus und letztendlich zu seinem Absterben kommen. Aus den<br />
genannten Gründen wurde ein SNP im EPOR Gen auf seine Assoziation<br />
mit Reproduktionsmerkmalen beim Schwein untersucht.<br />
Dabei wurde ermittelt, dass der fetale Genotyp signifikant mit der<br />
Wurfgröße und der Genotyp der Sau signifikant mit der Uteruskapazität<br />
assoziiert sind.<br />
Das Osteopontin (OPN) Gen auf SSC8 wird mit dem Transport und<br />
der Pufferung von Ca 2+ vom maternalen Blutkreislauf zum Embryo<br />
in Zusammenhang gebracht. Die Existenz von Bindestellen für<br />
Östrogen und Glucocorticoide im Promotor des OPN Gens in Mäusen<br />
lässt auf eine Regulierung seiner Transkription durch Steroid-<br />
Hormone schließen, welche bekanntermaßen an reproduktionsrele-<br />
37
38<br />
Klinik für Rinder und Institut für Tierzucht der TiHo<br />
Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />
Zentrum für Frauenheilkunde und Zentrum für Anatomie der Georg-August-Universität Göttingen<br />
vanten Vorgängen beteiligt sind. Aus diesem Grund und der Gegebenheit,<br />
dass die chromosomale Lokalisierung von OPN auf SSC8<br />
mit der Position eines QTL für die Wurfgröße korrespondiert, wurde<br />
das Gen auf seinen Einfluss auf die Wurfgröße untersucht. In zwei<br />
Studien wurden signifikante Effekte einiger Allele eines mit OPN<br />
gekoppelten Mikrosatellitenmarkers auf die Wurfgröße nachgewiesen.<br />
Die Effekte des Leukemia Inhibitory Factor (LIF) auf SSC14 umfassen<br />
Proliferation und Differenzierung von Zellen. Die essentielle<br />
Rolle von endometrial synthetisiertem LIF auf Embryowachstum<br />
und -implantation bei Mäusen lässt vermuten, dass dieses Gen<br />
auch während der frühen Phase der Trächtigkeit beim Schwein<br />
wichtige Aufgaben erfüllt. Diese Annahme wird durch die Entdeckung<br />
der LIF Expression im Endometrium während der Zeit der<br />
Embryoimplantation und das Vorhandensein von LIF Rezeptor<br />
mRNA im porcinen Embryo gestützt. In einer Studie, die zum ersten<br />
Mal den Einfluss des LIF Gens auf die Fruchtbarkeit beim Schwein<br />
untersuchte, wurde für einen SNP im 3’-untranslatierten Bereich<br />
des dritten LIF Exons eine signifikante Assoziation mit der Wurfgröße<br />
nachgewiesen.<br />
Die unterschiedlichen Resultate zwischen den verschiedenen Studien<br />
zeigen die Schwierigkeiten, Resultate vorangegangener Studien<br />
an einer anderen Population zu bestätigen. Selbst eine fehlende<br />
Assoziation zwischen Kandidatengenpolymorphismus und Phänotyp<br />
muss nicht bedeuten, dass das Genprodukt keine Bedeutung<br />
bei der Regulierung des Merkmals hat. Vielmehr ergibt sich hieraus,<br />
verschiedene Schweinerassen zu untersuchen und vor allem den<br />
Stichprobenumfang groß genug zu wählen, um die Nützlichkeit<br />
eines Markers für Zuchtprogramme, die die Steigerung der Wurfgröße<br />
zum Ziel haben, beurteilen zu können.<br />
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Die inkonsistenten Resultate lassen sich durch unterschiedliche<br />
Stichprobengrößen und/oder unterschiedliche rasse- oder populationsspezifische<br />
Allelverteilungen und das Vorhandensein unterschiedlicher<br />
Mutationen in den einzelnen Genen erklären. Des Weiteren<br />
wäre es denkbar, dass zwischen der ursächlichen Mutation<br />
und dem untersuchten intragenischen Polymorphismus in dem<br />
jeweiligen Kandidatengen unterschiedliche populationsspezifische<br />
Kopplungsphasen vorliegen, welche durch Rekombination während<br />
der Meiose verursacht wurden. Außerdem könnten epistatische und<br />
pleiotrope Effekte dafür verantwortlich sein, dass ein Gen in einer<br />
Population einen großen Effekt bewirkt, in einer anderen jedoch nur<br />
einen kleinen.<br />
Schlussfolgerungen<br />
Für ein umfassendes Verständnis der Kontrolle der Reproduktion<br />
beim Schwein ist es wichtig, in größerem Umfang weitere Kandidatengene<br />
auf ihren Einfluss auf die Wurfgröße zu untersuchen. Bei<br />
der Auswahl solcher Gene sind insbesondere Expressionsstudien<br />
an Uterus, Plazenta und Embryonen vom Schwein hilfreich. Derartige<br />
Untersuchungen wurden in den letzten Jahren in zunehmend<br />
größerem Maßstab durchgeführt – was auf die Entwicklung neuer<br />
Techniken, wie cDNA Microarrays, zurückzuführen ist. Als ergänzende<br />
Auswahlkriterien dienen Informationen über die Funktion<br />
orthologer Gene bei anderen Arten. Insbesondere für die Maus wurden<br />
dank der Technik des Gen Knock-Outs viele Genfunktionen<br />
aufgeklärt. Für eine Überprüfung des Einflusses dieser Gene auf<br />
die Wurfgröße durch Assoziationsstudien wird die schnelle und kostengünstige<br />
Entwicklung genetischer Marker wie SNPs und Mikrosatelliten<br />
von großer Bedeutung sein. Die Markerdichte in der untersuchten<br />
Region muss dabei so hoch sein, dass Effekte, die vom<br />
untersuchten Gen ausgehen, von solchen Effekten unterschieden<br />
werden können, die von eng benachbarten Genen ausgehen. Für<br />
den Nachweis signifikanter Merkmalseffekte in Assoziationsstudien<br />
ist weiterhin das Vorhandensein eines genügend großen Familienmaterials,<br />
an welchem die neu entwickelten Marker genotypisiert<br />
werden können, von hoher Bedeutung. Eine weitere Verbesserung<br />
der Nachweisbarkeit von Effekten wird über die Genotypisierung<br />
extremer Teilpopulationen – im Falle der Wurfgröße mit Sauen, die<br />
stets eine große Anzahl lebend geborener Ferkel haben, und Sauen<br />
mit einer stets kleinen Anzahl lebend geborener Ferkel – erreicht.<br />
Für die ausgewählten Gene sind also umfassende Untersuchungen<br />
auf DNA-, mRNA-, Protein- und Phänotyp-Ebene nötig. Hierbei werden<br />
Techniken zur DNA Sequenzierung, Genexpressions- und<br />
Mutationsanalyse eingesetzt, welche unter der Bezeichnung<br />
‘functional genomics’ zusammengefasst werden. Das Ziel ist es,<br />
diese Techniken so einzusetzen, dass möglichst viele Gene und<br />
deren Produkte in ihren multiplen Wechselwirkungen untersucht<br />
werden können. Die neuen Erkenntnisse aus solchen Studien werden<br />
unser Verständnis von komplexen, d.h. von einer Vielzahl von<br />
Genen gesteuerten, Merkmalen in Nutztierrassen erweitern. Hierdurch<br />
sollte es dann möglich sein, die Anzahl der lebend geborenen<br />
Ferkel und deren Überlebensrate beim Schwein zu steigern.
Einleitung<br />
Klinik für Rinder und Institut für Tierzucht der TiHo<br />
Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />
Zentrum für Frauenheilkunde und Zentrum für Anatomie der Georg-August-Universität Göttingen<br />
Heinrich Bollwein, Kathrin Herzog, Sandra Schmauder, Ulrich Baumgartner, Detlef Rath und Heiner Niemann<br />
Einsatz der Farbdopplersonographie in der<br />
Gynäkologie des Rindes<br />
Zusammenfassung<br />
Das Ziel der vorliegenden Studien war, zu überprüfen, ob die<br />
Untersuchung des uterinen und lutealen Blutflusses mittels transrektaler<br />
Farbdopplersonographie neue Erkenntnisse über zyklische<br />
und pathologische Prozesse am inneren Genitale der Kuh<br />
liefert. Sowohl die uterine als auch die luteale Durchblutung<br />
zeigten charakteristische Schwankungen während des Zyklus,<br />
die nur teilweise mit den Veränderungen der Sexualsteroidhormonkonzentrationen<br />
zusammenhingen. Das künstliche Auslösen<br />
einer Entzündung der Gebärmutterschleimhaut führte zu einem<br />
deutlichen Anstieg des uterinen Blutflusses. Eine Stunde nach<br />
Auflösung der Gelbkörperrückbildung mittels eines PGF2α-Analo gons war ein Anstieg in der lutealen Durchblutung bei konstant<br />
bleibenden Progesteronwerten zu beobachten. Erst danach kam<br />
es zu einem gemeinsamen Abfall der lutealen Durchblutung und<br />
der Plasmaprogesteronkonzentrationen. Die Ergebnisse zeigen,<br />
dass die Farbdopplersonographie im Vergleich zu bisherigen<br />
Untersuchungsmethoden zusätzliche Informationen über physiologische<br />
und pathologische Veränderungen an Uterus und<br />
Ovarien der Kuh liefert.<br />
Vor etwa zwei Jahrzehnten wurde die B-Mode Sonographie erstmals<br />
in der Gynäkologie des Rindes eingesetzt. Diese Technik brachte<br />
tief greifende Fortschritte sowohl in der Forschung als auch in der<br />
klinischen Diagnostik mit sich, da sie die visuelle Untersuchung der<br />
inneren Reproduktionsorgane auf nicht-invasivem Weg ermöglichte.<br />
Die mit dieser Technik erhobenen Befunde erlauben zwar Aussagen<br />
über die morphologische Struktur der Organe, nicht jedoch über ihre<br />
Funktionen, wie z.B. die Blutversorgung. Blutflussstudien zur Untersuchung<br />
der Physiologie und Pathophysiologie der Genitalorgane<br />
werden zwar beim Rind seit langem<br />
durchgeführt, jedoch ausschließlich experimentell<br />
mittels invasiver Methoden. In<br />
der Humanmedizin wird seit einigen Jahren<br />
die Farbdopplersonographie eingesetzt,<br />
um auf nicht-invasivem Weg die<br />
genitale und fetale Blutversorgung zu<br />
beurteilen. Diese Technik wird dort bereits<br />
in der Routinediagnostik angewandt, um<br />
bei Frauen mit Risikoschwangerschaften<br />
den Blutfluss in der Nabelschnurarterie zu<br />
bestimmen und dadurch frühzeitige Hinweise<br />
auf eine eventuell unzureichende<br />
fetale Zirkulation zu erlangen. Bei Patientinnen,<br />
die sich einem Embryotransferprogramm<br />
unterziehen, wird die Farb-<br />
Abb. 1: Farbdopplersonographische Darstellung der<br />
A. uterina dextra einer Kuh am Tag 5 post ovulationem.<br />
In der linken Bildhäfte sind die Dopplerfrequenzverschiebungen<br />
im Spektralmodus dargestellt, in der<br />
rechten Bildhälfte ist der Blutfluss farbig kodiert.<br />
Summary<br />
The aim of the present study was to determine if the examination<br />
of genital blood flow by transrectal colour Doppler sonography<br />
provides new information about physiological and pathological<br />
changes in the inner genital organs of cows. Both uterine and<br />
luteal blood flow were found to show characteristic changes during<br />
the oestrous cycle which were only partly related to alterations<br />
in sexual steroid hormone levels. Artificial induction of endometritis<br />
caused a distinct increase in uterine blood flow. One hour after<br />
the induction of luteolysis by PGF2α there was an increase in<br />
luteal blood flow without changes in plasma progesterone values.<br />
Afterwards there was a simultaneous decrease in luteal blood<br />
flow and plasma progesterone levels. These results show that,<br />
compared to conventional methods, transrectal colour Doppler<br />
sonography provides additional information about physiological<br />
and pathological changes in the bovine uterus and ovaries.<br />
dopplersonographie angewandt, um anhand der uterinen und lutealen<br />
Durchblutung eine Prognose bezüglich der Implantation des<br />
Embryos abzugeben. Das Ziel der vorliegenden Studien war, zu<br />
überprüfen, ob und inwieweit mit Hilfe der transrektalen Farbdopplersonographie<br />
beim Rind zusätzliche Informationen über physiologische<br />
und pathologische Prozesse an den inneren Genitalien<br />
erzielt werden können.<br />
Grundlagen und Technik der Farbdopplersonographie<br />
Der Doppler-Effekt, benannt nach seinem Entdecker Christian<br />
Johann Doppler, besagt, dass sich die Frequenz einer fortlaufenden<br />
Welle ändert, wenn Beobachter und Wellenerreger sich relativ zueinander<br />
bewegen. Ein Beispiel für dieses Phänomen stellt ein vorbeifahrendes<br />
Auto dar. Nähert sich das Auto, so<br />
erhöht sich für den Beobachter die Frequenz<br />
der vom Motor ausgehenden Schallwellen<br />
und damit der Ton. Entfernt sich das<br />
Fahrzeug wieder, dann erniedrigt sich die<br />
Frequenz der Schallwellen und der Ton wird<br />
tiefer. In der Farbdopplersonographie wird<br />
dieses Prinzip vor allem zur Untersuchung<br />
des Blutflusses genutzt. Treffen die von<br />
einem in Schwingung versetzten, piezoelektrischen<br />
Kristall ausgesendeten Ultraschall-<br />
wellen auf die sich bewegenden Blutkörperchen,<br />
so kommt es zu einer Frequenzänderung<br />
der reflektierten Ultraschallwellen, der<br />
so genannten Dopplerfrequenzverschiebung.<br />
Ein Demodulator im Ultraschallgerät<br />
39
40<br />
Klinik für Rinder und Institut für Tierzucht der TiHo<br />
Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />
Zentrum für Frauenheilkunde und Zentrum für Anatomie der Georg-August-Universität Göttingen<br />
vergleicht die Frequenzen der abgestrahlten und der empfangenen<br />
Schallwellen und berechnet die Frequenzverschiebung, anhand<br />
welcher sich wiederum die Geschwindigkeit der Blutkörperchen<br />
bestimmen lässt. Bei Farbdopplergeräten werden die Dopplersignale<br />
zum einen als farbkodierte Bildpunkte in ein Ultraschallbild eingeblendet,<br />
zum anderen werden die Doppler-Spektren in Abhängigkeit<br />
von der Zeit dargestellt und geben indirekt ein Abbild des Blutströmungsprofils<br />
in dem betrachteten Gefäß (Abb. 1). Pulsatile Arterien<br />
zeigen typischerweise eine biphasische Wellenform der Frequenzverschiebungen<br />
mit einer systolischen Spitze und einem Abfall in<br />
der Diastole.<br />
In den letzten Jahren wurde eine neue Technik, der so genannte<br />
Colour-Angio-Modus, im Bereich der Farbdopplersonographie entwickelt.<br />
Hierbei wird nicht, wie bei dem herkömmlichen Verfahren,<br />
die Geschwindigkeit, sondern die Anzahl<br />
der pro Zeiteinheit durch ein Gefäß strömenden<br />
Blutkörperchen farblich kodiert.<br />
Da diese Methode gegenüber dem herkömmlichen<br />
Verfahren eine höhere Sensitivität<br />
bei der Sichtbarmachung des Blutflusses<br />
besitzt, wird sie vorwiegend zur<br />
Untersuchung der Durchblutung kleiner<br />
Gefäße innerhalb von Organen, wie z.B.<br />
dem Corpus luteum, eingesetzt (Abb. 2).<br />
Quantifiziert werden kann der im Colour-<br />
Angio-Modus erfasste Blutfluss jedoch<br />
nicht am Farbdopplergerät selbst, sondern<br />
nur durch die Digitalisierung der Farbbilder<br />
und die anschließende Bestimmung der<br />
Farbpixelzahl mit Hilfe eines computergestützten Bildanalyseprogramms.<br />
Je mehr Farbpixelzahl ein untersuchtes Organ aufweist,<br />
desto besser ist es durchblutet.<br />
Uterine Durchblutung<br />
Die uterine Perfusion wurde anhand der Blutflussgeschwindigkeit in<br />
der A. uterina beurteilt. Dazu wurde dieses Gefäß beidseits in der<br />
Nähe der Darmbeisäule aufgesucht, und der Blutfluss farbig sowie<br />
in Form von Dopplerwellen dargestellt (Abb. 1).<br />
Abb. 3: Mittlere Blutflussgeschwindigkeit (time averaged maximum velocity =<br />
TAMV) der A. uterina während des Zyklus. Darstellung der Mittelwerte und Standardfehler<br />
(x ± s x ) von 4 Kühen während je 2 Zyklen.* signifikanter Unterschied<br />
zum vorhergehenden Untersuchungstag (p < 0,05).<br />
Abb. 2: Darstellung des Corpus luteum eines Rindes<br />
im Colour Angio Modus am Tag 10 post ovulationem.<br />
Es zeigte sich, dass die uterine Durchblutung während des Zyklus<br />
charakteristischen Schwankungen unterliegt (Abb. 3). Der Blutfluss<br />
in der A. uterina war kurz nach der Ovulation (Tage 0 und 1) sehr<br />
niedrig, stieg danach auf Maximalwerte während des Proöstrus<br />
(Tag -3) an, um bereits an den letzten beiden Zyklustagen wieder<br />
abzufallen. Da die Blutflussschwankungen sich nur teilweise auf die<br />
zyklischen Änderungen der Sexualsteroidhormone zurückführen<br />
lassen und sich in eigenen Studien gezeigt hat, dass beim Pferd<br />
das Stickstoffmonoxydsystem eine wichtige Rolle bei der Regulation<br />
der uterinen Durchblutung zu spielen scheint, wird in laufenden<br />
Studien überprüft, inwieweit dieses System auch eine Rolle bei der<br />
Regulation der uterinen Blutversorgung des Rindes spielt.<br />
Um zu überprüfen, ob die transrektale Farbdopplersonographie der<br />
A. uterina auch geeignet ist, um entzündungsbedingte Änderungen<br />
in der uterinen Perfusion darzustellen,<br />
wurde bei Kühen mittels intra-uteriner Infusion<br />
von 100 ml einer 4%igen Lotagen®-<br />
Lösung artifiziell eine Endometritis induziert.<br />
Während es bei zwei Kontrolltieren,<br />
denen 100 ml einer physiologischen Kochsalzlösung<br />
infundiert wurden, zu keinen<br />
Schwankungen in der uterinen Durchblutung<br />
kam, wurde eine Stunde nach der<br />
Infusion der Lotagen®-Lösung ein Anstieg<br />
in der Blutflussgeschwindigkeit der A. ute-<br />
rina um mehr als das 1,7fache ausgelöst<br />
(Abb. 3). Sechs Stunden post infusionem<br />
hatte die Blutflussgeschwindigkeit wieder<br />
annähernd das Ausgangsniveau erreicht,<br />
stieg dann aber zwischen den Stunden 6 und 48 wieder an. Am dritten<br />
Tag post infusionem war die mittlere Blutflussgeschwindigkeit<br />
wieder deutlich abgefallen, lag aber immer noch über den vor der<br />
Infusion gemessenen Werten.<br />
Luteale Durchblutung<br />
Auch der luteale Blutfluss zeigte charakteristische Veränderungen<br />
während des Zyklus (Abb. 4). Die Durchblutung, gemessen anhand<br />
der Farbpixelzahl, stieg bis Tag 9 kontinuierlich an, blieb bis Tag 13<br />
Abb. 4: Mittlere Blutflussgeschwindigkeit (time averaged maximum velocity =<br />
TAMV) der A. uterina nach intrauteriner Infusion einer 4 %-igen Lotagen®- (n =<br />
4 Kühe) bzw. physiologischen Kochsalzlösung (n = 2 Kühe). Darstellung der<br />
Mittelwerte und Standardfehler (x ± s x ). * signifikanter Unterschied zur vorhergehenden<br />
Untersuchung (p < 0,05).
Klinik für Rinder und Institut für Tierzucht der TiHo<br />
Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />
Zentrum für Frauenheilkunde und Zentrum für Anatomie der Georg-August-Universität Göttingen<br />
auf ähnlichem Niveau und fiel ab Tag -5 stetig bis<br />
Tag -1 ab. Die Korrelation zwischen lutealer<br />
Durchblutung und den Plasmaprogesteronspiegeln<br />
war höher als diejenige zwischen der Größe<br />
des Corpus luteum und den peripheren Progesteronkonzentrationen.<br />
Daraus lässt sich folgern,<br />
dass die Farbdopplertechnik der B-Mode Sonographie<br />
bei der Beurteilung des Funktionszustandes<br />
des Corpus luteum überlegen ist.<br />
In einer weiteren Studie wurden die Auswirkungen<br />
einer medikamentös induzierten Luteolyse<br />
auf die luteale Vaskularisation untersucht. Dazu<br />
wurde Kühen zwischen den Tagen 8 und 10 post<br />
ovulationem das PGF 2α -Analogon Tiaprost intramuskulär<br />
appliziert und die Veränderungen in der<br />
lutealen Blutversorgung, dem Durchmesser des<br />
Corpus luteum sowie dem peripheren Progesteronspiegel<br />
überprüft. Eine Stunde nach der Injektion<br />
wurde überraschenderweise kein Abfall, sondern<br />
ein Anstieg in der lutealen Durchblutung<br />
festgestellt. Dieser Anstieg könnte auf entzündungsähnliche<br />
Vorgänge, welche bei einer<br />
Luteolyse eine wichtige Rolle spielen sollen,<br />
zurückzuführen sein. Erst im weiteren Verlauf<br />
kam es dann zum Abfall des lutealen Blutflusses,<br />
der parallel mit dem Absinken der peripheren<br />
Progesteronkonzentrationen einherging. Der<br />
Rückgang im Durchmesser des Corpus luteum<br />
war im Vergleich zu den Änderungen in der lutealen<br />
Durchblutung und in den Progesteronkonzentrationen<br />
nur relativ undeutlich ausgeprägt.<br />
Schlussfolgerung und Ausblick<br />
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dass die transrektale<br />
Farbdopplersonographie ein geeignetes Verfahren darstellt, um<br />
beim Rind auf nicht-invasivem Weg die genitale Durchblutung zu<br />
messen. Mit Hilfe dieser Technik können im Bereich der Forschung<br />
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Abb. 5: Luteale Durchblutung (gemessen an der Farbpixelzahl), Plasmaprogesteronkonzentration und<br />
Durchmesser des Corpus luteum (x ± s x ) während des Zyklus der Kuh (n = 8); * signifikanter Unterschied<br />
zur vorhergehenden Untersuchung (p < 0,05).<br />
Abb. 6: Luteale Durchblutung (gemessen an der Farbpixelzahl), Plasmaprogesteronkonzentration und<br />
Durchmesser des Corpus luteum (x ± s x ) nach Applikation von PGF 2α bei der Kuh (n = 8); * signifikanter<br />
Unterschied zur vorhergehenden Untersuchung (p < 0,05).<br />
wertvolle neue Erkenntnisse über die Physiologie und Pathophysiologie<br />
des inneren Genitales beim weiblichen Rind gewonnen werden.<br />
Daraus könnten sich neue Konzepte bei der Therapie von Fertilitätsstörungen<br />
ergeben.<br />
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41
42<br />
Phytoöstrogene<br />
Institut für Lebensmitteltoxikologie und Chemische Analytik der TiHo<br />
Institut für Tierernährung der TiHo<br />
Klinik für kleine Klauentiere und Forensische Medizin und Ambulatorische Klinik der TiHo<br />
Petra Winter, Alfonso Lampen, Tatjana Shobeiry, Dzmitry Karaljov, Charlotte Schröder, Karl-Heinz Waldmann, Heinz Nau,<br />
Josef Kamphues<br />
Untersuchungen zu östrogen-bedingten-Störungen der Fertilität<br />
von Sauen mittels eines Reportergen-Assays<br />
Zusammenfassung<br />
Fruchtbarkeitsstörungen gehören zu den häufigsten Problemen<br />
in der Nutztierhaltung und verursachen weltweit hohe<br />
wirtschaftliche Verluste. Oft handelt es sich um ein multifaktorielles<br />
Geschehen, bei dem mehrere Ursachen gleichzeitig vorliegen.<br />
Im Zentrum vorliegender Untersuchungen stehen zurzeit<br />
jene Fruchtbarkeitsstörungen, bei denen ein Zusammenhang mit<br />
östrogen-aktiven Inhaltsstoffen in Futtermitteln vermutet wird<br />
oder nachgewiesen ist. Beim Schwein werden Zearalenonkontaminationen<br />
von Futtermitteln in allen Lehrbüchern der Nutztierreproduktion<br />
als Ursache von Hyperöstrogenismus und verminderten<br />
Konzeptionsraten genannt. Dabei konnte aber nur in<br />
einem Teil der Proben, die wegen des Verdachts auf eine Mycotoxinkontamination<br />
untersucht wurden, Zearalenon nachgewiesen<br />
werden (Abb.1). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob<br />
Phytoöstrogene für die Entwicklung des Hyperöstrogenismus<br />
beim Schwein von Bedeutung sein können. Soja bzw. Sojanebenprodukte<br />
(z.B. Sojaextraktionsschrot) als wichtige Proteinlieferanten<br />
in der Schweinefütterung und gleichzeitig eine der<br />
diätetischen Hauptquellen für Phytoöstrogene verdienen besonderes<br />
Interesse. Zum einen wurden Futtermittel aus Betrieben<br />
mit Hyperöstrogenismusproblemen mittels eines neuen Reportergen-Assays<br />
auf ihre östrogene Aktivität hin analysiert. Zum<br />
anderen wurde graviden Sauen phytoöstrogen-angereichertes<br />
Futter verabreicht, um zu untersuchen, ob so bei neugeborenen<br />
Ferkeln die besondere Form des Hyperöstrogenismus experimentell<br />
ausgelöst werden kann.<br />
Einige natürlich in Pflanzen vorkommende Substanzen zeigen<br />
östrogenartige Wirkungen und werden allgemein als Phytoöstrogene<br />
bezeichnet. Ihre Wirkung ist in der strukturellen Ähnlichkeit zum<br />
17 ß-Estradiol, dem potentesten weiblichen Sexualhormon, begründet.<br />
Anhand ihres chemischen Aufbaus lassen sich die Phytoöstrogene<br />
in drei Hauptgruppen unterteilen: den Isoflavonen, den<br />
Cumestanen, die jeweils zu den Flavonen gehören, und den Lignanen<br />
als Nicht-Flavonoide. Die wichtigsten Vertreter der Isoflavone<br />
sind Genistein, Daidzein und Glycitein. Sie werden fast ausschließlich<br />
in Leguminosen gefunden. Eine besonders reichhaltige Quelle<br />
dieser Phytoöstrogene ist die Sojabohne. Isoflavone sind in der<br />
Pflanze glycosidisch gebunden, sind aber in dieser Form nicht<br />
östrogen wirksam. Sie werden erst durch die Spaltung zu Aglyka<br />
aktiv. Isoflavone werden durch die Bakterienflora im Magen-Darm-<br />
Trakt deklycosidiert und in der Folge oxidiert. Die Isoflavone und<br />
deren Metaboliten werden resorbiert und weisen per se östrogene<br />
Effekte auf. Die Coumestane werden vor allem in verschiedenen<br />
Kleearten, Luzerne und auch in geringerem Ausmaß in Sojaspros-<br />
Summary<br />
Fertility disorders are among the most common problems in animal<br />
production and are responsible for high financial losses<br />
worldwide. Such disorders are often due to a variety of factors<br />
acting concomitantly. Research has concentrated on those fertility<br />
disorders suspected of being caused by estrogenically active<br />
substances in feedstuffs. The main reason cited in the literature<br />
for hyperestrogenism in pigs is contamination of feedstuffs by the<br />
mycotoxin zearalenone. Although there are many reports of<br />
hyperestrogenism, zearalenone has been found in only a few<br />
feed samples tested for mycotoxin contamination. Of particular<br />
interest in this context is the influence of phytoestrogens on the<br />
development of hyperestrogenism in pigs. There has been much<br />
research on soy and soy products, which are preferred ingredients<br />
in diets for pigs as a main source of proteins; but they are<br />
also a main dietary source of phytoestrogens.<br />
For the investigation of the relation between phytoestrogens and<br />
hyperestrogenism, a reporter gene assay was used to analyze<br />
feedstuffs from herds with hyperestrogenism problems. Furthermore,<br />
pregnant sows were fed a diet enriched with phytoestrogens<br />
to determine if the particular form of hyperestrogenism that<br />
occurs in newborn piglets can be induced by phytoestrogens.<br />
sen gefunden. Ihr wichtigster Vertreter ist Coumestrol. Lignane aus<br />
Ölsaaten, Früchten und den äußeren Schichten von Getreidekörnern<br />
sind selbst nicht östrogen aktiv. Sie werden erst von der Darmflora<br />
durch Demethylierung zu den wirksameren Formen Enterolacton<br />
und Enterodiol metabolisiert.<br />
Abb. 1: Nachweishäufigkeit einer Kontamination mit Zearalenon in Futterproben<br />
aus Sauenbeständen, die mit dem Vorbericht „Fruchtbarkeitsstörungen“ im<br />
Jahre 2000 eingesandt wurden.
Institut für Lebensmitteltoxikologie und Chemische Analytik der TiHo<br />
Institut für Tierernährung der TiHo<br />
Klinik für kleine Klauentiere und Forensische Medizin und Ambulatorische Klinik der TiHo<br />
Die Mehrheit der Phytoöstrogene gehört zur Gruppe der Flavone<br />
und kann bis zu 7 % der Trockenmasse einiger Pflanzen ausmachen.<br />
Es gibt große Unterschiede zwischen den Konzentrationen<br />
der Phytoöstrogene in den verschiedenen Pflanzen, aber auch<br />
innerhalb einer Pflanzenart selbst. Die Konzentration der östrogenaktiven<br />
Substanzen ist abhängig von Pflanzenspezies und -stamm,<br />
aber auch von Faktoren wie Erntezeitpunkt, geographische Lage<br />
des Pflanzenanbaus als auch von weiteren Umweltfaktoren wie z.B.<br />
der Wasserversorgung oder ein möglicher Pilzbefall.<br />
Östrogene Wirkungen<br />
Östrogenvermittelte biologische Reaktionen erfordern die Bindung<br />
des Hormons an den Estrogenrezeptor (ER). Dieser gehört zur großen<br />
Familie der nukleären Steroid-Rezeptoren. Die Strukturanalogie<br />
der Phytoöstrogene zum 17 ß-Estradiol bedingt die Affinität zum<br />
Estrogenrezeptor (Abb. 2). Durch die Bindung eines Liganden an<br />
den Estrogenrezeptor kommt es zur Konformationsänderung des<br />
Hormon-Rezeptor-Komplexes und Bildung eines Homodimers aus<br />
zwei Hormon-Rezeptor-Komplexen. Diese lagern sich an die Estrogen-Response-Elements<br />
(ERE) auf der DNA an und aktivieren so<br />
die Transkription östrogen gesteuerter Gene.<br />
Abb. 2: Strukturähnlichkeit der Phytoöstrogene vom Isoflavon-Typ zum Estradiol<br />
Es sind zwei Hauptisoformen des Estrogenrezeptors identifiziert: ER<br />
alpha und ER beta. Die Expression beider Rezeptoren in den Geweben<br />
ist unterschiedlich. Während der ER alpha vor allem in den<br />
Brustdrüsen, den Zellen der Vagina, dem Endometrium, im Ovar und<br />
im Hypothalamus stark verbreitet ist, kommt der ER beta vor allem<br />
in den Ovarien, im Hypothalamus, dem Knochengewebe, im Herz-<br />
Kreislaufsystem, in den männlichen Geschlechtsorganen und in der<br />
Großhirnrinde vor. Die Rezeptoren besitzen jeweils fünf unterschiedliche<br />
Domänen, jede von ihnen mit einer anderen Funktion. Die<br />
wichtigsten Domänen sind die DNA-Bindungsdomäne (mit zwei<br />
Zinkfingern für die spezifische Bindung an die DNA) und die Liganden-Bindungsdomäne<br />
(direkte Interaktion von Aminosäuren der<br />
Liganden-Bindungsdomäne mit dem Östrogenmolekül). Die Stärke<br />
dieser Interaktion steht in direkter Korrelation zur Affinität zum Estrogenrezeptor.<br />
Das 17 ß-Estradiol besetzt die Liganden-Bindungsstelle<br />
zu einem großen Teil und zeigt daher eine sehr hohe Affinität.<br />
Phytoöstrogene besitzen Hydroxylgruppen und Phenolgruppen, die<br />
eine ähnliche Raumanordnung wie die des 17 ß-Estradiols einnehmen<br />
(Abb.2) und binden ebenfalls an den Estrogenrezeptor, jedoch<br />
mit geringerer Affinität. Im Gegensatz zum 17 ß-Estradiol besitzen<br />
Phytoöstrogene und insbesondere Isoflavone außerdem eine deutlich<br />
höhere Affinität zum ER beta als zum ER alpha und können<br />
daher als SERMs (Selective Estrogen Receptor Modulator) bezeichnet<br />
werden. Die relative Bioaktivität von Phytoöstrogenen – gemessen<br />
mittels eines Bioassays mit humaner Zellkultur – ist im Vergleich<br />
zum 17 ß-Estradiol relativ gering: 17 ß-Estradiol 100 (Zearalenon 1),<br />
Coumestrol 0,202 , Genistein 0,084 und Daidzein 0,013 .<br />
Funktionelle Analytik: Reportergen-Assay<br />
Die große Vielfalt von Substanzen mit einer Affinität zum Estrogenrezeptor<br />
macht eine Voraussage des östrogenen Potentials eines Substanzgemisches<br />
schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Mit konventionellen<br />
analytischen Methoden wie der GC-MS oder LC-MS lassen<br />
sich zwar die Inhaltsstoffe einer Probe sehr gut ermitteln, es können<br />
jedoch keine Aussagen zur Wirksamkeit der gefundenen Substanzen<br />
getroffen werden, sofern nicht detaillierte pharmakologische oder<br />
toxikologische Daten vorliegen. Analytische Systeme zur Erfassung<br />
von Östrogenen bzw. östrogen-aktiven Stoffen sollten daher die<br />
potenzielle Wirkung eines Stoffes oder Stoffgemisches erfassen.<br />
Ein schnelles In-vitro-Screeningsystem zur Durchmusterung einer<br />
großen Anzahl unterschiedlicher Stoffklassen auf ihr hormonelles<br />
Potential ist ein Reportergen-Assay auf der Basis von Human<br />
Embryonic Kidney 293 Zellen (Hek 293 Zellen). Reportergene kodieren<br />
für Proteine, die leicht quantifizierbar sind und zugleich von<br />
endogenen Proteinen gut unterschieden werden können. In diesem<br />
Fall wurden die Hek 293 Zellen stabil (mit dauerhaftem Einbau des<br />
Reportergens in das Wirtszellgenom) mit dem Luciferase-Reportergen,<br />
dem Response Element und den entsprechenden Rezeptorgenen<br />
für ER alpha und beta transfiziert. Die Zellen exprimieren jeweils<br />
den ER alpha oder den ER beta. Nach Bindung eines Liganden an<br />
den Rezeptor ändert dieser seine Konformation, bindet im Zellkern<br />
an das Estrogen-Response-Element der DNA und aktiviert so die<br />
Transkription des vom Response-Element kontrollierten Luciferase-<br />
Reportergens. Zur Quantifizierung der gebildeten Luciferase werden<br />
Abb. 3: Funktionelles Prinzip des Reportergen-Assays. Messung der Luciferase-Aktivität.<br />
RE = Response Element.<br />
43
44<br />
Institut für Lebensmitteltoxikologie und Chemische Analytik der TiHo<br />
Institut für Tierernährung der TiHo<br />
Klinik für kleine Klauentiere und Forensische Medizin und Ambulatorische Klinik der TiHo<br />
Abb. 4 : Mittlere Gehalte an alpha-aktiven und beta-aktiven Estradiol-Equivalenten<br />
in μg EEQ / kg Futter in Proben aus Beständen mit (n=14) und ohne Hyperöstrogenismus<br />
(n=14)<br />
die Zellen lysiert, danach erfolgt die Messung der Lichtblitze, die bei<br />
der Umsetzung von zugesetztem Luciferin durch die Luciferase<br />
gebildet werden (Abb. 3).<br />
Zielsetzung<br />
Ziel der Untersuchungen war zunächst, in einem gemeinsamen Projekt<br />
des Instituts für Lebensmitteltoxikologie und Chemische Analytik,<br />
des Instituts für Tierernährung und der Klinik für kleine Klauentiere<br />
mit dem Reportergen-Assay eine geeignete funktionelle Methode<br />
zu etablieren, mit der ein Nachweis östrogen-aktiver Substanzen<br />
gelingt. Somit können Proben genauer untersucht werden, die im<br />
Zusammenhang mit dem Auftreten von Hyperöstrogenismus stehen,<br />
jedoch keine bzw. keine erhöhten Gehalte an Zearalenon aufweisen.<br />
In einem weiteren Schritt wurden die Phytoöstrogene aus Soja, die<br />
aufgrund ihrer östrogenen Aktivität eventuell Ursache für das Auftreten<br />
des Hyperöstrogenismus sind, konzentriert im Futter gravider<br />
Sauen (eine Woche vor der Geburt) eingesetzt, um experimentell<br />
das Bild des Hyperöstrogenismus bei neugeborenen Ferkeln auszulösen.<br />
Ergebnisse<br />
Untersuchungen von Futtermitteln aus Betrieben mit<br />
und ohne Hyperöstrogenismusproblematik<br />
Es wurden Mischfutterproben aus Betrieben, in denen wiederholt<br />
Tiere hyperöstrogene Effekte zeigten und zugleich Proben aus<br />
Betrieben ohne derartige Störungen mittels des dargestellten<br />
Reportergen-Assays untersucht. Die Vorbehandlung der Futterproben<br />
erfolgte durch eine Flüssig-Flüssig-Extraktion. Die molaren Estradiol-Dosisequivalente<br />
(EEQ) der untersuchten Proben in der Zellkultur<br />
wurden durch mathematische Ableitung aus Funktionsgleichungen<br />
von 17 ß-Estradiolstandardkurven ermittelt und auf μg<br />
EEQ pro Kilogramm Probe umgerechnet. Die mittleren Gehalte der<br />
Estradiol-Equivalente in Futterproben aus Betrieben mit Hyperöstrogenismussymptomen<br />
waren doppelt so hoch wie in Futterproben<br />
aus nicht betroffenen Tierbeständen. Es zeigte sich jedoch ein sehr<br />
inhomogenes Bild in der Verteilung der EEQ-Gehalte, so dass kein<br />
signifikanter Unterschied zwischen Proben aus Betrieben mit<br />
Hyperöstrogenismus und ohne Hyperöstrogenismus besteht. Eine<br />
parallel vorgenommene Untersuchung der Futterproben auf Zearalenon<br />
zeigte nur eine geringe Beteiligung an dem Gesamtgehalt<br />
östrogener Aktivität bzw. es wurde in vielen Fällen trotz hoher EEQ-<br />
Gehalte kein Zearalenon nachgewiesen.<br />
Untersuchungen zur möglichen Auslösung des Hyperöstrogenismus<br />
bei neugeborenen Ferkeln durch experimentell<br />
phytoöstrogen-angereichertes Futter<br />
Die östrogen-aktiven Phytohormone des Sojas wurden konzentriert<br />
in ein Mischfutter für laktierende Sauen eingemischt (10 g Isoflavongemisch<br />
pro Tier und Tag, d.h. im Durchschnitt 43 mg Isoflavone /<br />
kg KM). Nach Feststellung erhöhter östrogener Aktivität des Futters<br />
im Vergleich zu einem Kontrollfutter mittels des Reportergen-<br />
Assays wurde es über eine Woche ante partum an gravide Sauen<br />
verabreicht, um so eventuell das klinische Bild des Hyperöstrogenismus<br />
bei neugeborenen Ferkeln zu provozieren. Die Ferkel zeigten<br />
unmittelbar nach der Geburt klinisch aber nur bedingt und<br />
ansatzweise das „typische Bild“ des Hyperöstrogenismus. Bisherige<br />
Untersuchungen des Kolostrums der Muttersauen lassen nicht<br />
auf eine erhöhte östrogene Aktivität schließen, so dass die Exposition<br />
der Ferkel über das Kolostrum von Sauen, die kurz vor der<br />
Geburt sehr hohe Aufnahmen an Phytoöstrogenen hatten, in Frage<br />
steht.<br />
Ausblick<br />
Das Kolostrum von Sauen, die ein phytoöstrogen-angereichertes<br />
Futter erhielten, scheint bei Ferkeln mit hyperöstrogenen Effekten<br />
nicht der ausschlaggebende Faktor zu sein. Vielmehr ist zu prüfen,<br />
ob der intrauterinen Exposition eine größere Bedeutung zukommt.<br />
Des Weiteren sind auch kritische Expositionszeitpunkte in der Entwicklung<br />
des Ferkels zu berücksichtigen; wirkt sich die Phytoöstrogenbelastung<br />
auf die Ferkel nicht zum Zeitpunkt der Geburt aus, so<br />
kann es dennoch – entsprechenden experimentellen Untersuchungen<br />
an kleinen Labortieren zufolge – zu Entwicklungsstörungen zu<br />
einem späteren Zeitpunkt wie etwa in der Pubertät kommen.
Einleitung<br />
Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL),<br />
Forschungsbereich Biotechnologie<br />
Christine Wrenzycki, Andrea Lucas-Hahn und Heiner Niemann<br />
Assistierte Reproduktionstechniken und Epigenetik:<br />
Die neue Flexibilität in der Embryonalentwicklung<br />
Zusammenfassung<br />
Die Produktion von Rinderembryonen im Reagenzglas (In-vitro-<br />
Produktion, IVP) wurde in den letzten Jahren bis zur Praxisreife<br />
entwickelt und stellt mittlerweile eine gute Ergänzung zu konventionellen<br />
reproduktionsmedizinischen Techniken wie der Superovulationstechnik<br />
und Embryonenspülungen dar. Allerdings können<br />
Embryonen und Kälber, je nach dem, ob sie mit der IVP-<br />
Technik produziert oder in vivo gewonnen wurden, Unterschiede<br />
aufweisen. Abnormalitäten, die bei den in vitro produzierten<br />
Tieren auftreten können, werden als „Large offspring syndrome<br />
(LOS)“ zusammengefasst. Die Ursachen für dieses Phänomen,<br />
das auch nach dem Transfer geklonter Embryonen auftreten<br />
kann, sind noch weitgehend unbekannt. Es wird vermutet, dass<br />
Störungen in der Expression entwicklungsrelevanter Gene bedingt<br />
durch Änderungen der epigenetischen Modifikationen, z.B.<br />
DNA-Methylierung und Histon-Modifikationen, während der<br />
frühen Embryonalentwicklung eine wichtige Rolle spielen.<br />
Seit der Geburt des ersten Kalbes, das aus dem Transfer eines IVP-<br />
Embryos entstanden ist, hat die Technologie enorme Fortschritte<br />
erfahren und wird bereits vielfach in der Praxis angewendet. Die Invitro-Produktion<br />
von Embryonen wird heute häufig in Kombination<br />
mit weiteren biotechnischen Methoden eingesetzt, wie z.B. der<br />
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Summary<br />
In vitro production (IVP) of embryos has significantly been<br />
improved in cattle and can be used as an alternative to conventional<br />
MOET programs. However, the quality of IVP embryos is<br />
impaired in comparison with their in vivo counterparts, and a considerable<br />
proportion of the embryos is afflicted by the “large offspring<br />
syndrome (LOS)“ which is also seen after transfer of<br />
embryos derived from somatic nuclear transfer (sNT). The exact<br />
mechanism(s) by which IVP and sNT proceed are not yet known.<br />
It is thought that altered expression patterns of developmentally<br />
important genes due to abnormal epigenetic modifications, i.e.<br />
DNA methylation and histone modifications, are responsible for<br />
the induction of LOS.<br />
Eizellgewinnung vom lebenden Tier durch transvaginale Follikelpunktion<br />
(Ovum pick up, OPU) und dem Klonen mit Hilfe des somatischen<br />
Kerntransfers (somatic nuclear transfer, sNT). Der Anteil an<br />
IVP-Kälbern hat sich insbesondere nach der Praxiseinführung der<br />
transvaginalen Follikelpunktion deutlich erhöht. Die Anzahl lebender<br />
Nachkommen aus dem somatischen Kerntransfer ist dagegen<br />
noch begrenzt, obwohl die Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet<br />
des somatischen Klonens von Nutztieren nach der Geburt von<br />
„Dolly“, dem ersten Klonschaf, stark zugenommen haben. Die<br />
Anwendungsperspektiven für das Klonen in der Forschung, der Biomedizin<br />
und der praktischen Tierzucht sind sehr viel versprechend.<br />
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45
46<br />
Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL),<br />
Forschungsbereich Biotechnologie<br />
In-vitro-Produktion von Rinderembryonen<br />
und somatisches Klonen: Erfolgsquoten<br />
Die IVP setzt sich im Wesentlichen aus drei methodischen<br />
Schritten zusammen:<br />
In-vitro-Reifung (in vitro maturation, IVM) der Eizellen<br />
In-vitro-Befruchtung (in vitro fertilization, IVF) der<br />
gereiften Eizellen<br />
In-vitro-Kultur (in vitro culture, IVC) der befruchteten<br />
Eizellen bis zum transfertauglichen Embryonalstadium<br />
(Morula, Blastozyste)<br />
Heute können bereits durchschnittliche Erfolgsraten von<br />
85-95% bei der In-vitro-Reifung, 80-90% bei der In-vitro-<br />
Befruchtung und 25-40% bei der Entwicklung bis zur<br />
Blastozyste erzielt werden, so dass bei einer Trächtigkeitsrate<br />
von durchschnittlich 50% 12-15 Kälber nach<br />
dem Transfer von IVP-Embryonen geboren werden können (Abb. 1).<br />
Körperzellen von Feten oder erwachsenen Tieren, die über längere<br />
Zeit in vitro kultiviert wurden, können erfolgreich im somatischen<br />
Kerntransfer eingesetzt werden. Die Effizienz der einzelnen Schritte<br />
beträgt beim Rind 95-100% für die Enukleation (Entfernen des<br />
genomischen Materials der Eizelle), für die Fusion der enukleierten<br />
Eizelle mit der Spenderzelle 80-90% und für die Aktivierung 90-95%.<br />
Durchschnittlich 20-30% der produzierten Embryonen entwickeln sich<br />
bis zur Blastozyste. Ist der Transfer des Embryos gelungen, werden<br />
10-15% lebende Nachkommen geboren (Abb. 1).<br />
Phänomen der übergroßen Kälber (LOS)<br />
Trotz der vielen Verbesserungen, die die IVP in den letzten Jahren<br />
erfahren hat, unterscheiden sich in vitro produzierte Embryonen<br />
nach wie vor in zahlreichen Details von in vivo gewonnenen<br />
Embryonen. Unterschiede wurden hinsichtlich der Morphologie, der<br />
Entwicklungsgeschwindigkeit, der Gefriertauglichkeit, metabolischer<br />
Parameter sowie im Genexpressionsmuster beschrieben.<br />
Unterschiede bestehen auch bei aus IVP- und sNT-Embryonen<br />
resultierenden Kälbern im Vergleich zu konventionell erzeugten. Sie<br />
werden unter dem Begriff „Phänomen der übergroßen Kälber<br />
(Large offspring syndrome, LOS)“ zusammengefasst. Neben der<br />
charakteristischen Übergröße treten Abweichungen in Form von<br />
erhöhten pränatalen Verlusten, Schwergeburten, verlängerten<br />
Trächtigkeiten, Atemproblemen, Saugschwierigkeiten sowie plötzlichem<br />
perinatalen Tod auf. Die Kälber weisen außerdem häufiger<br />
einen veränderten Energiestoffwechsel auf. Weiterhin sind Abnormalitäten<br />
in verschiedenen Organen beschrieben worden, z.B.<br />
erhöhte Muskelmasse, Veränderungen in der Zusammensetzung<br />
der Muskelfasern, zerebelläre Dysplasie sowie Missbildungen des<br />
Skeletts. Oft wird auch von Veränderungen der Plazenta, wie z.B.<br />
Eihautwassersucht, berichtet. Trotz des Übergewichtes und der teilweise<br />
erheblichen Übergröße zum Zeitpunkt der Geburt, hat sich<br />
gezeigt, dass nach 8-12 Monaten diese Unterschiede im Vergleich<br />
zu Kontrolltieren nicht mehr vorhanden sind. Abnormal große Herzen<br />
können zu diesem Zeitpunkt allerdings noch auftreten.<br />
Die ursächlichen Mechanismen sind noch weitgehend unbekannt.<br />
Es wird vermutet, dass Fehler in der Regulation embryonaler und<br />
Abb. 1: In-vitro-Produktion und somatisches Klonen beim Rind<br />
fetaler Gene bei der Ausbildung dieses komplexen Phänomens eine<br />
Rolle spielen. Die in der Humanmedizin auftretenden Erkrankungen,<br />
Beckwith-Wiedemann-Syndrom (BWS) und Angelman-Syndrom<br />
(AS), weisen große Ähnlichkeiten zu LOS auf. Es wird vermutet,<br />
dass die Erkrankungen im Zusammenhang mit der künstlichen<br />
Befruchtung auftreten.<br />
Expression entwicklungsrelevanter Gene während<br />
der frühen Embryonalphase<br />
Für die reguläre Entwicklung des Embryos vor dem Einsetzen in die<br />
Gebärmutter ist es wichtig, dass die Expression der entwicklungsrelevanten<br />
Gene genau abgestimmt ist. Die frühe Entwicklungsphase<br />
ist von Genprodukten abhängig, die bereits während der Eireifung<br />
synthetisiert wurden (maternales Genom). Die späteren Stadien<br />
sind auf embryonale Genprodukte angewiesen. Die Aktivierung<br />
des embryonalen Genoms erfolgt in zwei Schritten: der ersten<br />
frühen Aktivierung und der danach folgenden Hauptaktivierung.<br />
Beim Rind findet der Übergang der Kontrolle vom maternalen zum<br />
embryonalen Genom (maternal-embryonic transition, MET) im 8-<br />
16-Zellstadium statt (Abb. 2). Somit können die einzelnen Transkripte<br />
unterschiedliche Expressionsmuster aufweisen. Sie sind in<br />
Abbildung 3 dargestellt. Abweichungen von diesem Ablauf sind<br />
möglicherweise die Ursachen für das LOS.<br />
Molekulare Ursachen für LOS<br />
Der Begriff Epigenetik bezeichnet alle Veränderungen im Genom,<br />
denen keine Veränderung der DNA-Sequenz selbst zugrunde liegt.<br />
Bei Säugetieren spielen die DNA-Methylierung und die Modifikationen<br />
der Histone eine zentrale Rolle in der Epigenetik. Sie sind an<br />
wichtigen Entwicklungsvorgängen, wie dem genomischen Imprinting<br />
und der Inaktivierung des X-Chromosoms beteiligt. Das genomische<br />
Imprinting kann man vereinfacht als elternspezifische Ausprägung<br />
einer genetischen Anlage bezeichnen. Durch das Anhängen<br />
einer Methylgruppe werden die mütterlichen und väterlichen<br />
Gene entweder aktiviert oder abgeschaltet. Durch die Methylierung<br />
wird folglich geregelt, ob die mütterlichen oder die väterlichen Gene<br />
abgelesen werden. Die X-Chromosom-Inaktivierung tritt nur bei<br />
weiblichen Tieren auf. Im Laufe der Embryogenese wird eins der
Abb. 2: Maternale und embryonale Genexpression bei Rinderembryonen.<br />
Abb. 3: Mögliche Transkriptionsverläufe während der präimplantatorischen Entwicklung<br />
von Rinderembryonen.<br />
beiden X-Chromosomen inaktiviert. Auch die X-Chromosom-Inaktivierung<br />
wird durch die Methylierung der DNA wesentlich beeinflusst.<br />
Nicht so einheitlich in ihren Wirkungen auf die Genexpression<br />
sind die unterschiedlichen Veränderungen von Histonen. Eine<br />
Acetylierung der Histone führt meistens zur Aktivierung der Transkription,<br />
also dem Ablesen eines Gens. Bei der Methylierung von<br />
Histonen entscheidet die Position der Methylgruppe, ob die Transkription<br />
aktiviert oder gehemmt wird.<br />
Epigenetische Modifikationen wie DNA-Methylierungen und Histon-<br />
Modifikationen werden als mögliche Ursache des LOS diskutiert.<br />
Die DNA-Methylierungen des gesamten väterlichen und mütterlichen<br />
Genoms werden in zwei Entwicklungsphasen komplett gelöscht.<br />
Diese Demethylierungen finden einmal vor und einmal nach<br />
der Befruchtung statt. Die erste Phase findet in den Keimzellen beider<br />
Geschlechter statt und führt zu einer raschen Demethylierung<br />
des gesamten Genoms, bevor die neue Methylierung in den männlichen<br />
und weiblichen Keimzellen einsetzt. Die zweite Demethylierung<br />
wird nach der Befruchtung beobachtet. Zunächst erfolgt direkt<br />
nach der Befruchtung die schnelle aktive Demethylierung des väterlichen<br />
Genoms. Das mütterliche Genom unterliegt einer passiven<br />
Demethylierung während der sich anschließenden Teilungen.<br />
Einige dauerhaft elterlich geprägte (imprinted) Gene sind hiervon<br />
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Carl Zeiss: FluoresScience<br />
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48<br />
ausgenommen. Sie behalten ihre keimbahnspezifischen Methylierungsmuster<br />
bei. Die De-novo-Methylierung beginnt beim Rinderembryo<br />
im 8-16-Zellstadium. Also genau dem Zeitpunkt, zu dem die<br />
genetische Kontrolle des Embryos vom maternalen auf das<br />
embryonale Genom übergeht.<br />
Die Blastozyste besteht aus den Zellen der inneren Zellmasse (ICM)<br />
und des Trophektoderms (TE). Die DNA der Zellen der inneren Zellmasse<br />
der Blastozyste zeigt normalerweise eine besonders starke<br />
Methylierung (Hypermethylierung), während die DNA der Trophektodermzellen<br />
weniger methyliert ist (Hypomethylierung). Es konnte<br />
gezeigt werden, dass die DNA geklonter Blastozysten in allen Zellen<br />
eine Hypermethylierung aufweist (Abb. 4). Die DNA in den Zellen<br />
des Trophektoderms enthält also erheblich mehr Methylierungen als<br />
üblicherweise. Weiterhin konnte nachgewiesen werden, dass die<br />
Mengen der Transkripte der Enzyme, die die Methylgruppen an die<br />
DNA anlagern (DNA-Methyltransferasen) durch die In-vitro-Produktion<br />
und/oder dem somatischen Kerntransfer (sNT) beeinflusst werden.<br />
Über das genomische Imprinting beim Rind ist bisher wenig bekannt.<br />
Ein Gen, das dem Imprinting unterliegt, wird nur von einem der elterlichen<br />
Allele exprimiert. Ist es maternal „imprinted“, wird es vom<br />
väterlichen Allel exprimiert und umgekehrt. Bei Maus und Mensch<br />
sind mehr als 80 Gene bekannt, die dem Imprinting unterliegen.<br />
Durch intensive Forschungsaktivitäten in jüngster Vergangenheit<br />
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Abb. 4: Rückprogrammierung der DNA-Methylierung in präimplantatorischen<br />
Rinderembryonen<br />
sind mittlerweile sechs bovine Gene identifiziert, die abhängig von<br />
ihrer elterlichen Herkunft exprimiert werden. Die Untersuchungen<br />
sind an fetalem oder adultem Gewebe geklonter Tiere durchgeführt<br />
worden. Ergebnisse für Embryonen liegen noch nicht vor.<br />
Untersuchungen auf mögliche Störungen der epigenetischen Rückprogrammierung<br />
und der damit in Verbindung stehenden Phänomene<br />
sind somit viel versprechend, um die zugrunde liegenden<br />
Mechanismen von Entwicklungsabnormalitäten (u. a. LOS) zu verstehen.<br />
Das Rind könnte aufgrund seiner ähnlichen frühen Embryonalentwicklung<br />
auch für den Menschen ein wichtiges Modell darstellen.<br />
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Der Goldbaumsteigerfrosch, Dendrobates auratus (CITES Appendix<br />
II), ist ein ca. 3,5 - 4,5 cm langer und nur etwa 3 g schwerer Vertreter<br />
der Gattung Dendrobates innerhalb der Familie der Dendro-<br />
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Assistierte Reproduktion bei Baumsteigerfröschen:<br />
Ein veterinärmedizinischer Beitrag zur Erhaltung<br />
gefährdeter Tierarten<br />
Zusammenfassung<br />
Die Geschichte des Frosches als Modelltier in der modernen Wissenschaft<br />
reicht bis in das 19. Jahrhundert und davor zurück. Er<br />
ist auch heute nicht aus den Forschungslaboratorien wegzudenken.<br />
Seit einigen Jahrzehnten allerdings ist ein erschreckender<br />
weltweiter Rückgang der Amphibienpopulationen zu<br />
beobachten, dessen Ursachen vor allem für die Frösche in Südund<br />
Mittelamerika nur unvollständig geklärt sind. So rücken die<br />
Frösche nun um ihrer selbst willen in den Fokus der Wissenschaft,<br />
um eine drohende Ausrottung dieser faszinierenden<br />
Tiere zu verhindern. Dabei wächst das Interesse an der<br />
Fortpflanzungsphysiologie dieser Tierarten, mit dem Ziel, in der<br />
Zukunft Gametenbanken anzulegen.<br />
In diesem Artikel soll neben der Laborhaltung gefährdeter tropischer<br />
Frösche, welche als Grundvoraussetzung für alle weiteren<br />
Arbeiten anzusehen ist, die Technik der Spermiengewinnung<br />
vom lebenden Frosch sowie die Morphologie und Morphometrie<br />
gewonnener Spermien am Beispiel des Goldbaumsteigers,<br />
Dendrobates auratus, als ein wichtiger Beitrag zur<br />
Erhaltung gefährdeter Tierarten beschrieben werden.<br />
Abb. 1: Der Goldbaumsteigerfrosch, Dendrobates auratus (Variante aus Costa<br />
Rica)<br />
Summary<br />
The history of frogs as laboratory animals in modern research<br />
began in the 19th century and even earlier, and frogs still play an<br />
important role in many laboratories. However, in recent decades<br />
there has been a worldwide and alarming decline in amphibian<br />
populations. The reasons for such losses in South and Central<br />
American frog populations in particular are still unknown.<br />
Thus the frogs themselves have now become the focus of scientific<br />
research to prevent the extinction of these fascinating animals.<br />
Of particular interest is their physiology and the establishment<br />
of gamete banks in the future.<br />
In addition to outlining the basic requirements for laboratory care<br />
and maintenance of endangered tropical frogs, this article also<br />
describes the method of induced spermiation and presents the<br />
morphology and morphometry of the spermatozoa of the Green<br />
Poison-Dart Frog, Dendrobates auratus, as an important contribution<br />
to the conservation of endangered species.<br />
batidae (Baumsteigerfrösche), dessen natürliches Verbreitungsgebiet<br />
sich vom Norden Kolumbiens, über Panama und Costa Rica,<br />
bis hin zum südlichen Nicaragua erstreckt (Abb. 1 u. 2). Zwei weitere<br />
Populationen sind auf Tobago und Oahu (Hawaii) beheimatet.<br />
Die tagaktiven Frösche bewohnen dort den bodennahen Wurzelbereich<br />
sowie die Laubschicht der tropischen Regenwälder.<br />
Abb. 2: Dendrobates auratus mit der Grundfarbe Bronze aus Panama<br />
49
50<br />
Die Grundfarbe der Haut ist meist schwarz, kann aber bei einigen<br />
Populationen auch bräunlich oder bronzefarben sein und wird stets<br />
von dunkel- bis hellgrünen, blaugrünen oder sogar weißen bis gräulichen<br />
Flecken oder Bändern durchzogen. In einigen Populationen<br />
kann die schwarze Grundfarbe die grüne Bänderung fast völlig verdrängen.<br />
Als ein sicheres äußeres Unterscheidungsmerkmal der Geschlechter<br />
gilt die Breite der Haftscheibe des dritten vorderen Fingers, welche<br />
beim männlichen Frosch relativ zur Körperlänge größer ausfällt<br />
als beim Weibchen. Ein schmaler Körperbau hingegen kann lediglich<br />
auf ein männliches Tier hinweisen.<br />
Reproduktionsverhalten<br />
Die männlichen Goldbaumsteigerfrösche verteidigen ihr festes<br />
Revier gegenüber anderen männlichen Eindringlingen, indem ständig<br />
wechselnde Rufplätze aufgesucht werden, von denen aus der<br />
Frosch einen schnarrenden Laut abgibt. Revierkämpfe zwischen<br />
zwei Männchen werden durch Schieben und Klammern der Gegner<br />
ausgetragen.<br />
Die Frösche sind ganzjährig fortpflanzungsfähig, allerdings wird die<br />
Fortpflanzungsbereitschaft durch klimatische Veränderungen wie<br />
Temperatur- oder Luftdruckschwankungen sowie durch höhere<br />
Luftfeuchte nach längeren Trockenphasen deutlich stimuliert.<br />
Ein herausragendes Merkmal von Dendrobates auratus sowie aller<br />
Baumsteigerfrösche stellt sowohl ein komplexes Paarungsverhalten<br />
als auch ein mehr oder weniger stark ausgeprägtes Brutpflegeverhalten<br />
dar, was für Vertreter der Amphibien eine Besonderheit bedeutet.<br />
Betritt ein Weibchen das Revier, erfolgt eine erste Kontaktaufnahme<br />
in Form von gegenseitigen Kopfberührungen. Im weiteren Verlauf<br />
folgt das Weibchen visuell orientiert dem Männchen, bis ein geeigneter<br />
Ablaichplatz erreicht ist. Dabei kann ein recht weiter Weg von<br />
etwa 5 - 6 Metern in einer Zeit von 2 Stunden zurückgelegt werden.<br />
Sollte das Weibchen zurückbleiben, so wird es durch Berührungen<br />
des Partners zum Folgen aufgefordert. Am Ablaichort angekommen,<br />
übernimmt der weibliche Frosch die aktive Stimulation des<br />
Partners, indem der Rücken des Männchens bestiegen oder durch<br />
trommelnde Bewegungen mit den Hinterbeinen berührt wird. Darüber<br />
hinaus wird das Männchen wiederholt umrundet und mit Kopfberührungen<br />
fortwährend stimuliert. Nach der Ablage von 5 - 10<br />
Eiern auf einer glatten Fläche, z.B. einem Blatt, und der Befruchtung,<br />
trennen sich die Wege der beiden Geschlechtspartner wieder.<br />
Das anschließende Brutpflegeverhalten wird bei Dendrobates auratus,<br />
anders als bei anderen Baumsteigerfröschen, ausschließlich<br />
vom Männchen gezeigt. Kurze Zeit nach der Befruchtung kehrt es<br />
zurück und bewässert das Gelege, indem es sich direkt auf dieses<br />
setzt. Durch diese Prozedur wird eine Quellung der die eigentlichen<br />
Eier umgebenden Eigallerte gewährleistet. Nach etwa 14 Tagen<br />
sind die Kaulquappen ausreichend entwickelt, um aus den Gallerten<br />
zu schlüpfen. Dabei können sie von dem Männchen unterstützt<br />
werden, welches in regelmäßigen Zeitabständen das Gelege aufsucht.<br />
Indem es sich auf das Gelege setzt, wird zusätzlicher Druck<br />
von außen auf die Gallerthüllen ausgeübt, um den Schlupf ggf. zu<br />
beschleunigen. Jeweils 1 - 3 Quappen schlängeln sich auf den<br />
Rücken des männlichen Frosches und werden so zu einer geeigneten<br />
Wasseransammlung (z.B. Bromelientrichter) getragen, wo sie<br />
sich eigenständig entwickeln.<br />
Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />
Laborhaltung<br />
Sollen exotische Amphibien im Labor gehalten werden, sind vielfältige<br />
Voraussetzungen und Besonderheiten zu beachten. Die Tiere<br />
werden in Kleingruppen in Glasterrarien bei einer Umgebungstemperatur<br />
von 25 - 28 °C, einer relativen Luftfeuchte von ca. 85 - 95%<br />
und einem Lichtrhythmus von 12:12 Stunden gehalten (Abb. 3). Der<br />
Bodengrund besteht aus strukturiertem braunen Acrylglas, da dieses,<br />
anders als der häufig verwendete feine Blähton, problemlos zu<br />
reinigen ist. Darüber hinaus ist so die Gefahr des Verschluckens<br />
von Bestandteilen dieses Granulates und eines daraus folgenden<br />
tödlichen Darmverschlusses beseitigt. Die Seitenwände sind mit<br />
Baumfarnplatten ausgekleidet, die einerseits durch ihre Fähigkeit<br />
Wasser zu speichern, das Klima im Terrarium positiv beeinflussen<br />
und andererseits den Fröschen eine Struktur zum Klettern bieten.<br />
Die Fütterung erfolgt mit lebenden Fruchtfliegen, die vorher mit Vitaminpulver<br />
bestäubt werden.<br />
Abb. 3: Glas-Terrarium für vier Tiere (Acrylglas-Bodengrund mit Gefälle)<br />
Spermiengewinnung am lebenden Frosch<br />
Da eine Spermiengewinnung nach Tötung der Tiere und anschließender<br />
Isolierung der Hoden, wie es bei Laborfröschen gängige<br />
Praxis ist, bei gefährdeten Tierarten nicht in Betracht gezogen werden<br />
sollte, wird im vorliegenden Fall die Abgabe der Spermien<br />
durch hormonelle Beeinflussung induziert.<br />
Die für alle nachfolgenden Manipulationen essentielle sichere Fixierung<br />
der Goldbaumsteigerfrösche wird gewährleistet, indem der<br />
Frosch in ein mit Wasser angefeuchtetes Gazegewebe eingehüllt<br />
wird, welches Abwehrbewegungen weitestgehend unterbindet. Hingewiesen<br />
werden soll an dieser Stelle noch einmal auf die geringe<br />
Größe (3,5 - 4,5 cm) und das geringe Gewicht (ca. 3 g) von Dendrobates<br />
auratus. Diese Gegebenheiten erfordern sowohl in Hinblick<br />
auf die Entwicklung der Methoden als auch auf deren manuelle<br />
Ausführung höchste Präzision und Sorgfalt, damit die Tiere keinen<br />
Schaden erleiden.<br />
Die sicher fixierten männlichen Frösche erhalten eine Injektion von<br />
humanem Choriongonadotropin (hCG) in den dorsalen Lymphsack,<br />
um die Spermiation (Abgabe der Spermien) auszulösen (Abb. 4).
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52<br />
Abb. 4: Applikation von hCG in den dorsalen Lymphsack des sicher fixierten<br />
Frosches<br />
Dafür muss zuerst die äußerst derbe und verschiebliche äußere<br />
Haut durchdrungen werden, um das darunter gelegene Lymphsystem<br />
zu erreichen. Dieses System von Lymphräumen erstreckt sich<br />
über weite Teile des Froschkörpers und stellt einen geeigneten<br />
Zugang für Injektionen dar. Die Spermien werden durch Kloakenspülungen<br />
mit Hilfe einer kleinen Knopfkanüle zu verschiedenen<br />
Zeitpunkten gewonnen (Abb. 5). Bereits 15 Minuten nach Applikation<br />
von hCG kann eine Abgabe von Spermien nachgewiesen werden.<br />
30 Minuten nach hCG-Gabe ist die Spermienabgabe am<br />
höchsten, während nach 120 Minuten keine Spermatozoen mehr<br />
aus der Kloake gewonnen werden können.<br />
Abb. 5: Spülung der Kloake (Öffnung als V-förmiger Wulst erkennbar) mit Hilfe<br />
einer feinen Knopfkanüle zur Gewinnung der abgegebenen Spermien<br />
Die Spermien<br />
Die Spermien von Dendrobates auratus bestehen aus einem sichelförmig<br />
gekrümmten Kopfstück und einem Spermienschwanz. In der<br />
Biegung des hinteren Kopfbereiches befindet sich bei ca. 64 % der<br />
Spermatozoen eine inhomogene, zellähnliche Struktur, bei der es<br />
sich um eine akzessorische Zelle handeln könnte. Ein Mittelstück ist<br />
nur bei ca. 15 % der Spermien erkennbar, eine undulierende Membran<br />
fehlt stets.<br />
Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />
Die festgestellte durchschnittliche Gesamtlänge der Spermien<br />
beträgt ca. 56 μm. Die Länge des Kopfes wird mit etwa 21 μm<br />
gemessen, während der Schwanz eine Länge von etwa 35 μm aufweist.<br />
Der Durchmesser der Kopfmitte beträgt ca. 2 μm. Darüber<br />
hinaus kann sowohl der Umfang als auch der Flächeninhalt des<br />
Kopfstückes in der zweidimensionalen Ansicht bestimmt werden.<br />
Der Umfang beträgt etwa 44 μm, die Fläche des Kopfstückes wird<br />
mit ca. 36 μm 2 bestimmt (Abb. 6). Das Verhältnis von Kopf- zu<br />
Schwanzlänge beträgt 1 zu 1,7.<br />
Abb. 6: Spermium von Dendrobates auratus, Vermessung des Schwanzes mit<br />
der segmentierten Messmethode (800x, Phasenkontrastmikroskop)<br />
Weitere Vorhaben<br />
Um die Ultrastruktur der Spermatozoen näher charakterisieren zu<br />
können, wird zurzeit an Methoden gearbeitet, mit denen diese<br />
geringen Spermienmengen für die in der Elektronenmikroskopie<br />
notwendigen umfangreichen Fixierungs- und Färbeschritte vorbereitet<br />
werden können. Eine induzierte Abgabe von Eiern bei weiblichen<br />
Tieren ist nach gleicher Vorgehensweise erfolgreich durchgeführt<br />
worden. Die Struktur dieser Eier wird ebenfalls licht- und elektronenmikroskopisch<br />
näher untersucht.<br />
Ein weiterer wichtiger Schritt wird die Erarbeitung von Methoden zur<br />
Kryokonservierung befruchtungsfähiger Gameten des Goldbaumsteigerfrosches<br />
sein.<br />
Mit diesen Arbeiten soll gezeigt werden, dass einerseits etablierte<br />
reproduktionsmedizinische Techniken auch auf sehr kleine exotische<br />
Tiere anzuwenden sind, wenn diese entsprechend im Hinblick<br />
auf die besonderen Gegebenheiten angepasst werden. Andererseits<br />
finden durchaus auch in der Tiermedizin ökologisch motivierte<br />
Arbeiten ihren Platz, zumal sich der Tierarzt zukünftig dem wachsenden<br />
Interesse von Tierbesitzern an exotischen Tierarten nicht<br />
verschließen kann.
Innovation<br />
als Programm!<br />
Pfi zer bietet eine breite<br />
Palette an hochwirksamen<br />
Medikamenten bei<br />
Hobby- und Nutztieren.<br />
Bei Forschung und<br />
Entwicklung gehört Pfi zer<br />
weltweit zu den<br />
führenden Unternehmen.<br />
Vertrauen Sie uns.<br />
Impfstoffe<br />
Antiinfektiva<br />
Mastitis-Präparate<br />
NSAIDs<br />
Anthelminthika<br />
Antiparasitika<br />
Sedativa<br />
Anästhetika<br />
Hormone<br />
Vitamine<br />
Mineralstoffe<br />
Proteine<br />
Pfi zer GmbH<br />
Direktionsbereich Tiergesundheit<br />
Postfach 4949 · 76032 Karlsruhe<br />
www.tiergesundheit.com
Erfolgreiche Dachmarken aus dem Hause<br />
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Ergänzungsfuttermittel<br />
www.bela-pharm.com<br />
MeproVet<br />
MeproHygiene<br />
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für Heimtiere<br />
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Der Landkreis Vechta in Süd-Oldenburg gehört zu dem<br />
größten Gebiet der tierischen Veredelungswirtschaft<br />
in Europa.<br />
Kontinuierliche Modernisierung, langjährige Marktkompetenz<br />
und eine hochqualifizierte Belegschaft<br />
haben bela-pharm zu einem der bedeutendsten<br />
Unternehmen der veterinär-pharmazeutischen<br />
Branche in Deutschland werden lassen.<br />
Das geschäftliche Engagement von bela-pharm läßt sich<br />
in folgende Bereiche gliedern:<br />
• die Produktion und die Neuentwicklung eigener<br />
Präparate und deren Zulassung für den<br />
nationalen/internationalen Vertrieb;<br />
• Zukauf und Übernahme von Mitvertriebsrechten;<br />
• eigener nationaler/internationaler Vertrieb;<br />
• Auftragsherstellung für namhafte in- und<br />
ausländische Firmen;<br />
bela-pharm GmbH & Co.KG · Arzneimittelfabrik<br />
Lohner Straße 19 · D-49377 Vechta<br />
Tel.: +49 (0)4441-873-0 · Fax: +49 (0)4441-873-140<br />
Internet: www.bela-pharm.com · E-Mail: info@bela-pharm.com