PhysikalischePhysikalischeTherapieMeDiZiN uNDundRehabilitatioNrehabilitationInterdisziplinäres <strong>Schmerz</strong>managementInterdisziplinäres <strong>Schmerz</strong>managementBedeutung. Rückenschmerz ist als Einzelfaktor die häufigsteUrsache für eine dauerhafte Invalidisierung und Erwerbsunfähigkeit(Göbel 2001).Die Pensions- und Krankenversicherungen haben daherein großes Interesse, Patienten mit chronifizierten Rückenschmerzengeeigneten Therapie- und Rehabilitationsmaßnahmenzuzuführen, um sie frühzeitig wieder in den Arbeitsprozessreintegrieren und eine vorzeitige Pensionierung hintanhalten zu können und damit die Kosten für die medizinischenBehandlungsmaßnahmen zu dämpfen.Methodische Grundlagen der RehabilitationIn systematischen Literaturreviews und Leitlinien werden zurRehabilitation unspezifischer chronischer Rückenschmerzenmultidisziplinäre und multimodale biopsychosoziale Rehabilitationskonzepteempfohlen (Cochrane Database of SystematicReviews; European Guidelines for the Management of ChronicNonspecific Low Back Pain, 2004).Ein in Deutschland weit verbreitetes und diesen Grundsätzenentsprechendes Rehabilitationskonzept ist das GRIP (GöttingerRücken Intensiv Programm), das sich auf trainingstherapeutischeund körperlich aktivierende Maßnahmen sowie verhaltenstherapeutischeMethoden stützt. Die Ursprünge gehenauf Arbeiten und Konzepte von T. Mayer zurück, nach dessenVorstellungen die Chronifizierung von Rückenschmerzen ausDefiziten in der objektiven und subjektiven Funktionsfähigkeitsowie einer fortschreitenden körperlichen Dekonditionierungresultiert (Hildebrandt et al. 2003).Die rehabilitativen Maßnahmen zielen auf eine Erhöhung desAktivitätsniveaus und den Abbau von inadäquatem Krankheitsverhalten,insbesondere eines ausgeprägten Angst/<strong>Schmerz</strong>vermeidungs- und Schonverhaltens (Fear AvoidanceBeliefs) ab. Es soll das Kontrollerleben und Selbstvertrauender Betroffenen steigern, Angst und Depressivität abbauenund, unabhängig vom <strong>Schmerz</strong>erleben, die zur Bewältigungder Alltags- und Berufsaufgaben erforderlichen funktionellenFertigkeiten wiederherstellen.Ziel der somatisch orientierten Interventionen sind die Verbesserungder allgemeinen Fitness, die Steigerung der kardiovaskulärenund -pulmonalen Kapazität, die Verbesserung derkoordinativen Fertigkeiten und der Körperwahrnehmung sowiedie Verbesserung der Eigenkontrolle betreffend die individuellenBelastungsgrenzen. Einen wichtigen Bestandteil bildetdabei auch das Trainieren von alltags- und berufsrelevantenkomplexen Bewegungsabläufen, wie zum Beispiel das Heben,Ziehen und Schieben von Gegenständen. Dieses berufsspezifischeund individuell angepasste Training besteht aus denElementen einer Rückenschule, Koordinationsschulung undeinem Ergonomietraining und führt zu einer Verbesserungder Kraft, Ausdauer und Koordination der für diese Tätigkeitenspezifisch erforderlichen Muskelgruppen, zu einer ergonomischenBewegungsausführung und zu einem gesteigertenSelbstvertrauen in die motorische Handlungskompetenzder Patienten.Die verhaltenstherapeutisch orientierten Interventionen zielenauf eine Veränderung der emotionalen Beeinträchtigung, eineVeränderung des Krankheitsverhaltens sowie auf die kognitivrepräsentierten Einstellungen bzw. Befürchtungen in Bezugauf Aktivität und Arbeitsfähigkeit ab.Die über allem stehende Zielsetzung liegt somit in der psychischenund somatischen Rekonditionierung und Verbesserungder funktionellen Leistungsfähigkeit im Alltag und Beruf,in der Vermittlung eines auf <strong>Schmerz</strong>kontrolle ausgerichtetenKrankheitsmodells und damit einhergehend eine Reduktionder Analgetikaeinnahme sowie der Inanspruchnahme sonstigermedizinischer Interventionen und in der sozialen undberuflichen Reintegration und Reduktion von Arbeitsausfallzeitenund Frühpensionierungen (Pfingsten und Hildebrandt2001).Dieses Rehabilitationskonzept wird seit Mai 2005 auch im Institutfür Physikalische Medizin und Rehabilitation der OÖ.Gebietskrankenkasse in Linz ambulant für Patienten mit chronifiziertenRückenschmerzen mit mehr als 2 Monate darausresultierender Arbeitsunfähig angeboten. Das Programmzeichnet sich durch einen täglichen Therapieumfang von6 Stunden an 5 Tagen pro Woche und einer Gesamtdauer vonvier Wochen aus. Alle 2 Monate beginnt ein Rehabilitationsturnus,zu dem 8 Patienten zeitgleich beginnen und zusammenin Form von Gruppetherapien die Programminhaltedurchlaufen. In Einzelfällen wird bei besonderem Bedarf aucheine Psychotherapie in Form von Einzelsitzungen angeboten.ergebnisseStudienergebnisse von J. Hildebrandt 2003 und eigene Auswertungenbelegen, dass die Patienten nach Abschluss derRehabilitation nachhaltig weniger <strong>Schmerz</strong>en und wenigerfunktionelle Beeinträchtigungen hatten, ihr maladaptives Verhaltenänderten und weniger depressiv waren. Zugleich zeigtesich eine Kraftzunahme der Rumpfmuskulatur, eine deutlicheVerbesserung der return to work rate bzw. die Wiederaufnahmeder Arbeitstätigkeit (63%) und ein reduzierter Konsummedizinischer Interventionen. Der Prozentsatz von Behandlungsabbrüchenlag in einem Beobachtungszeitraum von 10Jahren nur zwischen 2-3%, was für eine hohe Patientenakzeptanzund Verträglichkeit der Maßnahmen spricht.Neben den subjektiven Parametern wie <strong>Schmerz</strong>, Befinden,Zufriedenheit, Depressivität und Beeinträchtigung zeigtenaber auch objektive Daten, wie die Anzahl der Krankenstandstage,Arztbesuche, stationäre Behandlungstage und physikotherapeutischeAnwendungen in einem Katamnesezeitraumvon einem Jahr positive Ergebnisse. Anhand von 67 Patientenermittelte J. Hildebrandt die durch dieses Rehabilitationsprogrammerzielbaren volkswirtschaftlichen Kosteneinsparungen.Den personenbezogenen Rehabilitationskosten vonetwa 2.600,- Euro steht nach einem Jahr eine durchschnittlicheEinsparung von direkten und indirekten Kosten in derHöhe von 22.674,- Euro und nach 2 Jahren kumulativ von35.528,- Euro gegenüber. Eigene Untersuchungen belegen eineReduktion der direkten Gesundheitskosten in der Höhe vonrund 30%.Anschrift des Verfassers:Prim. Dr. Winfried Habelsberger, MSc.Krankenhaus der Elisabethinen LinzFadingerstraße 1AA-4010 LinzTel.: 0732/7676/3940Fax: 0732/7676/3946E-mail: winfried.habelsberger@elisabethinen.or.at2010
InterdisziplinäresInterdisziplinäres<strong>Schmerz</strong>management<strong>Schmerz</strong>managementPhysikalische TheraPie Therapie und rehabiliTaTionrehabilitation„Grundlegende Wirkprinzipienphysikalischer Therapiemodalitäten“Reinhard Resch Landesklinikum Krems, Institut für Physikalische Medizin und RehabilitationDie Physikalische Medizin ist der Teil der naturwissenschaftlichgeprägten Medizin, der sich für Diagnostik und Therapieüberwiegend physikalischer Einflüsse und Reize bedient.Die Hauptaufgabe der Physikalischen Therapie liegt in derVerwendung definierter physikalischer Reize, um gezielte körperlicheReaktionen auszulösen. Diese Reaktionen könnenlokal und umschrieben sein oder den gesamten Organismusbetreffen, also den „ganzen Menschen“. Diese Reaktionen sollenin weiterer Folge Regulationsvorgänge anstoßen, die dannAdaptationsprozesse induzieren. Dies setzt aber voraus, dassder behandelte Patient noch in der Lage ist, auf einen Reiz zureagieren. Wesentliche Behandlungsziele sind <strong>Schmerz</strong>linderungund Funktionsverbesserung.In Folge wird das „Reiz-Reaktionsgeschehen“ als ein wesentlichesWirkprinzip der Physikalischen Therapie dargestellt.Weitere wichtige Wirkprinzipien, Prozesse und Vorgänge werdenin diesem Beitrag nicht behandelt.das reiz - reaktionsgeschehenEin gemeinsames Prinzip der physikalischen Therapien istes, mit planmäßigen, definierten, seriellen „Reizen“ biologischeAntworten, d.h. physiologische „Reaktionen“ auszulösen.Man spricht auch von einem „Reiz-Reaktionsgeschehen“. Diegeplante Reaktion ist eine aktive Leistung des Organismus.Als Reiz wird Energie mit kinetischer, mechanischer, thermischer,elektrischer, elektromagnetischer, aktinischer, physikochemischerWirkqualität eingesetzt. Daraus definieren sichdie Methoden der Physikalischen Therapie.Beispiele:• Mechanotherapie (inkludiert Heilgymnastik / Bewegungstherapie/ medizinische Trainingstherapie, Massagen, Medikomechanik,etc.)• Elektrotherapie (nieder-, mittelfrequente Ströme; Magnetfeldtherapie,Mikroströme etc.);• Thermotherapie (Wärme entziehende und Wärme zuführendeModalitäten, inklusive Ultraschall und Hochfrequenz);• Hydrotherapie (Wärme in Kombination mit Wasser);• Lichttherapie (Laser, UV-Strahlung, etc.)Diese Therapiemethoden werden in seriellen Anwendungenmeist kombiniert, um so ein differenziertes, abstufbares, individuellausformbares Spektrum an Therapien zur Verfügungzu haben.Die verschiedenen physikalischen Reize erregen verschiedeneRezeptoren:Druck-, Berührungs-, Dehnungs-, Kälte-, Wärme-, Photo-,Chemorezeptoren, Muskel- / Sehnenspindeln etc.. Weitere, fürdie Reizwirkung wichtige Parameter sind die Adaptationsfähigkeitder Rezeptoren, die Art und Funktion der Synapsen,aber auch ob es sich bei dem Reiz um einen „adäquaten“ Reizhandelt.Von „nicht adäquater“ Reizung spricht man, wenn zum Beispielein mechanischer Reiz eine Lichtreaktion auslöst. Dazusind aber größere physikalische Energiemengen nötig. ZumBeispiel kann ein Schlag auf das Auge zum „Sterne sehen“ führen.Kältereize können auch Druckrezeptoren erregen. Dieszeigt sich zum Beispiel darin, dass ein kaltes Gewicht subjektivals schwerer empfunden wird (Weber´sche Täuschung).Die Reizqualität umfasst einerseits die vom Arzt oder Therapeuten„einstellbaren“ Reizgrößen („Reizgüte“) und andererseitsdie zu berücksichtigenden „individuellen Bedingungen“des Patienten (siehe Abb.1). Das exakte Wissen um dieParameter der „Reizgüte“ und die Kenntnis der Wirkungender individuellen Bedingungen sind das Fundament für einequalitativ hochwertige Verordnung physikalischer Therapien,- messbar im Grad der Therapiezielerreichung. Im Folgendenwerden einige Parameter und Bedingungen näher dargestellt.Einstellbare Reizparameter= „Reizgüte“Reizart / Reizmodalität / ReizgüteReizstärkeReizdauerReizflächeReizortReizintervall / ReizfrequenzAbb. 1 (nach Wiedemann):ReizqualitätIndividuelle BedingungenAusgangslageTonuslageReaktionslageReaktionstypen / KonstitutionAlter / Geschlecht / RasseKrankheitsart / KrankheitsphaseReizgewöhnungreizgüte:Reizmodalität oder Reizart gibt die Art des eingesetzten Reizesan (z.B. mechanisch, thermisch, elektrisch); die Auswahldes adäquaten Reizes setzt auch eine Berücksichtigung der<strong>Schmerz</strong>art (nocizeptiv, neuropathisch, sympathisch vermittelt),der Akuität des Krankheitsbildes (akut / subakut / chronisch/ rezidivierend), der Körperregion (Rücken, Gesicht,Extremitäten) und auch der hauptsächlich betroffenen Körperstruktur(Haut, Muskulatur, Periost etc.) voraus.Die Reizstärke steht in einem engen Zusammenhang mit dereingesetzten Energie; - dies aber nicht in linearer Beziehungzwischen Stärke und zugehöriger Reaktion.So „regen schwache Reize an, mittelstarke fördern und starkeReize hemmen (blockieren, führen zu überschießenden Reaktionen,haben gegenteilige Wirkung etc.) die Reizantwort“(Arndt-Schulz Gesetz)!Die Reizdauer beschreibt die zeitliche Dauer der Einzelreizeinwirkung;- von Minuten (z.B. bestimmte Massagegriffe)bis Tage (Klimatherapie, Höhentraining). Regel: „Je akuter das211