GIESSEREI-RUNDSCHAU 49 (2002) HEFT 1/2Die Gießereiindustrie hat ihre Luftemissionenim Griff – Emissionsreduktion durchtechnologischen FortschrittBilanz der technologie- und werkstoffspezifischen Luftemissionen derösterreichischen Gießereiindustrie im Zeitraum von 1995 bis 2000Austrian Foundry Industry succeeds in handling air emissions – Reduction of emissions through technological developmentBalance of technology- and material-related air emissions between 1995 and 2000Dipl.-Ing. Dr. mont. Hansjörg DichtlBis 1993 in leitenden Positionen in Industrieund Forschung, heute Geschäftsführer imFachverband der Gießereiindustrie in der WirtschaftskammerÖsterreich.1. EinleitungDipl.-Ing. Dr. mont. Josef SchrankBis 1997 Leiter der Umweltschutzabteilung amÖsterr. Gießerei-Institut, Leoben, heute staatlichbefugter u. beeideter Ingenieurkonsulentfür Technische Physik u. allg. beeideter Sachverständiger.In den letzten Jahrzehnten hat sich das Bild der Gießereien in vielfältigerWeise zum Positiven hin geändert. Dazu gehört unter anderem,dass die Luftemissionen – der hinlänglich bekannte Rauch und derStaub, die in der Vergangenheit das negative Image dieser Urformgebungprägten – gravierend reduziert werden konnten. So kann manheute tatsächlich von „weißen“ Gießereien mit modernsten Fertigungstechnologiensprechen, die ein großes Entwicklungspotenzial fürdie Herstellung nachhaltiger, hochfester Bauteile aufweisen. Insofernhat das „Gießen“ als ressourcenschonendes Herstellungsverfahreneine große Chance für die Zukunft.Die Reduktion der Luftemissionen wurde maßgeblich durch Primärmaßnahmen,wie durch die Optimierung der Gusswerkstoffe undder Schmelzprozesse aber auch durch die Änderung der Energieträgerund durch verbesserte Form- und Kernherstellungsverfahrenbewerkstelligt. Einen nicht unerheblichen Anteil steuerte dazu dermaßgenaue Guss (Near Net Shape Production) bei, da der Putz-,Schleif- und Bearbeitungsaufwand in vielen Fällen mehr als halbiertwerden konnte.Neben diesen hier skizzierten Primärmaßnahmen spielen natürlichauch die Fortschritte bei den Entstaubungstechnologien und die verbessertenMöglichkeiten bei der Erfassung der Abgase eine großeRolle. Gab es noch vor zwei Jahrzehnten Nassentstaubungsanlagenmit einem relativ begrenzten Staubabscheidegrad, so überwiegenheute in den Gießereien leistungsfähige Trockenabscheider inklusivediverser Verfahren der Nachverbrennung und der Möglichkeit einerAnreicherung von Wertstoffen.Einen wesentlichen Beitrag für die Umsetzung und den Erfolg bildetedie im Jahr 1994 in Kraft getretene Emissionsverordnung für Gießereien(BGBl. Nr. 447/1994), die eine einheitliche Handhabung in unsererBranche sichergestellt hat. Mit dieser Verordnung wurde auchein gewisser Druck auf die Betriebe ausgeübt, bei Investitionen undVerfahrensoptimierung die Luftreinhaltung mehr zu beachten.Für bestehende Gießereien wurde eine Übergangsfrist von 5 Jahrengesetzt, bis obige Verordnung in Kraft tritt. Mit einer speziellen Gießerei-Aktion(1996) wurde vom Umweltministerium in Verbindungmit der Österreichischen Kommunalkredit AG eine zeitlich begrenzteFörderungsaktion ins Leben gerufen, die den Gießereibetrieben wesentlichbei der Umstellung geholfen hat.Im Zuge der Erarbeitung der Emissionsverordnung, bei der vom Umweltministeriumder Fachverband der Österreichischen Gießereiindustrieund sachkundige Firmenvertreter eingeladen worden waren,stellte sich als ein Manko das Fehlen von Datenmaterial überwerkstoff- und verfahrensspezifische Emissionswerte heraus. Es gabausschließlich firmenspezifische Messergebnisse und das auch wiederumnur von den größeren Unternehmungen.Auf Anregung von M. Zimmermann 1 ) wurde bei der Fachverbandsausschusssitzungder Gießereiindustrie im Februar 1993 in Innsbruckbeschlossen, das Österreichische Gießerei-Institut mit einer Gesamterhebungder branchenspezifischen Luftemissionen zu betrauen, wobeialle Mitgliedsfirmen sich zu einer Kostenbeteiligung verpflichtethaben. Die Ergebnisse dieser Erhebung wurden auszugsweise in einemSammelband der Sektion Industrie [1] veröffentlicht. Sie wurdenauch dem österreichischen Umweltbundesamt für die CORI-NAIR- und NAMEA-Studien zur Verfügung gestellt.Nach nun mehr als sechs Jahren scheint es angebracht, eine Bilanz zuziehen, was sich in diesem Zeitraum verändert hat. Ein Zeitraum, indem die Gussproduktion um 20 % gesteigert werden konnte undgleichzeitig zahlreiche Prozessoptimierungen und sekundäre Luftreinhaltemaßnahmeneingeflossen sind.Die im Folgenden vorgestellte Emissionserhebung der ÖsterreichischenGießereiindustrie für die Jahre 1995 bis 2000 zeigt, dass es gelungenist, trotz stark gestiegenen Produktionsvolumens die Luftemissionenwesentlich zu reduzieren. Es ist eine deutliche Entkopplungvon Wachstum und Umweltbelastung festzustellen, womit die „nachhaltigen“Effekte der Bemühungen unserer Mitgliedsfirmen unterstrichenwerden.Mit der Präzisierung der werkstoff- und verfahrenspezifischen Emissionsfaktorenwurde weiters eine Lücke bei den Basisdaten geschlossen;Werte, die vor allem für eine rasche Grobabschätzung wertvollsind.2. Vorgangsweise bei der EmissionserhebungMethodisch orientiert sich die vorliegende Arbeit an der Emissionserhebungder Österreichischen Gießereiindustrie aus dem Jahr1996 für den Erhebungszeitraum 1992–1994 [1]. Diese vomÖsterreichischen Gießerei-Institut erstellte Studie wurde als Basisherangezogen und aktualisiert, wobei vor allem neuere Emissionsdatenund Technologieumstellungen in den Gießereien berücksichtigtwurden.1) KR Ing. Michael Zimmermann, Fa. P. & M. ZIMMERMANN GmbH, Wien,Vorsteher des Fachverbandes der österreichischen Gießereiindustrie seit1988.2
HEFT 1/2 GIESSEREI-RUNDSCHAU 49 (2002)Untersuchte LuftschadstoffeWie in der vorangegangenen Emissionserhebung werden auch in dieserArbeit die Emissionen der Hauptluftschadstoffe untersucht. Dassind:StaubOrganische Stoffe ohne Methan (NMVOC), angegeben alsGesamtkohlenstoffKohlenstoffmonoxidStickstoffoxide, angegeben als NO 2SchwefeldioxidDiese Luftschadstoffe repräsentieren (gemeinsam mit CO 2 ) mengenmäßigim Wesentlichen die gesamten umweltrelevanten Abluftemissionenaus Gießereien. Im Vergleich zu den Hauptluftschadstoffenweisen die anderen umweltrelevanten Abluftemissionen aus Gießereien(z.B.: Fluoride, Chloride oder Cyanide) nur geringe Massenströmeauf.Entsprechend ihrer Bedeutung für die Luftreinhaltung werden diezulässigen Luftverunreinigungen durch die Hauptluftschadstoffe emissionsseitigund (abgesehen von den NMVOC) auch immissionsseitigbegrenzt.Die für Gießereien maßgeblichen Emissionsgrenzwerte sind in derGießereiverordnung (BGBl. Nr. 447/1994) zusammengestellt [2].Andere Emissionsverordnungen wie etwa die Feuerungsanlagenverordnungoder die Lackieranlagenverordnung enthalten zwar ebenfallsGrenzwerte für die oben genannten Hauptluftschadstoffe, sie betreffenaber spezielle Betriebsanlagen und sind für Gießereien daher vonuntergeordneter Bedeutung.Immissionsgrenzwerte werden ganz allgemein im Immissionsschutzgesetz-Luft[3, 4, 5] und in den Luftreinhalteverordnungen der Bundesländerz. B. [6, 7] festgelegt.DatenbestandFür die vorliegende Emissionserhebung wurden die Emissionsdatenvon 46 Mitgliedsbetrieben des Fachverbandes der GießereiindustrieÖsterreichs überarbeitet. Darunter befinden sich alle produzierendenStahl-, Eisen- und Leichtmetallgießereien. Diese Betriebe erzeugen ca.95 % der Gusstonnage und sind daher in ihrer Gesamtheit für dieGießereiindustrie repräsentativ.Die Basis für die Überarbeitung der Daten waren 174 Emissionsmessberichteaus 28 Betrieben für den Erhebungszeitraum 1995–2000.Den Betrieben sei an dieser Stelle ausdrücklich dafür gedankt, dasssie ihre aktuellen Daten zur Verfügung stellten. Damit konnten beiden Hauptluftschadstoffen 286 Einzelmessdaten (Konzentration undMassenstrom) ausgewertet werden. Diese Messdaten verteilen sichfolgendermaßen auf die einzelnen Komponenten:1995 –2000 1992–1994Staub: 131 64NMVOC: 96 59Stickstoffoxide: 37 38Schwefeldioxid: 5 15Kohlenstoffmonoxid: 17 45Summe 286 221Die zur Verfügung stehenden Emissionsdaten aus den Eisen- undStahlgießereien sowie Leichtmetallgießereien waren für eine detaillierteAktualisierung der Emissionsbilanz für die HauptluftschadstoffeStaub, NMVOC, Stickstoffoxide, Schwefeldioxid und Kohlenstoffmonoxidausreichend.Die Schwermetallgießereien konnten in die detaillierte Überarbeitungnicht mit einbezogen werden, da für diese Werkstoffgruppe zu wenigaktuelle Daten vorlagen. Um trotzdem zu Aussagen über die gesamteGießereiindustrie zu gelangen, wurde für die Emissionen ausSchwermetallgießereien ein vorsichtiger Ansatz gewählt. Es wurdeangenommen, dass die Schadstofffrachten der Schwermetallgießereienseit der letzten Erhebung unverändert geblieben sind. Die aktuellenDaten aus den Eisen- und Leichtmetallgießereien gestattenaber den Schluss, dass die Emissionen damit eher zu hoch angesetztwerden.Da die meisten Daten aus Emissionsmessungen zur Betriebsanlagenüberwachungstammen, reflektiert die aktuelle Verteilung derEmissionsdaten die in der Gießereiverordnung [2] vorgegebeneSchwerpunktsetzung zur Emissionsüberwachung. Als wichtigste Parametersind der Staub und der Gesamtkohlenstoff zu nennen. DieStickstoffoxid- und Schwefeldioxidmessungen wurden meistens anGießereiöfen durchgeführt. Die geringe Zahl von Schwefeldioxidmessungenist auf die weitgehende Substitution von Erdöl durch Erdgaszurückzuführen.Technologie- und werkstoffbezogene Auswertung mittelsEmissionstabellenDa in der Gießereibranche verschiedene Technologien mit zum Teilsehr unterschiedlichem Schadstoffausstoß zum Einsatz kommen, führteine direkte Berechnung der Schadstofffrachten über Emissionsfaktorenin der Regel zu keinen brauchbaren Ergebnissen. Bei der Berechnungder Schadstofffrachten muss vielmehr vom Gusswerkstoff, deneingesetzten Technologien und Einsatzstoffen, der Tonnage und denMaßnahmen zur Abluftreinigung ausgegangen werden. AussagekräftigeEmissionsfaktoren können erst nachträglich, nach Vorliegen vonSchadstofffrachten, bestimmt werden.Um die werkstoff- und verfahrensspezifischen Besonderheiten angemessenzu berücksichtigen, wurden die vorliegenden Emissionsdatenfirmenweise ausgewertet, wobei alle emissionsrelevanten Produktionsbereicheeinzeln betrachtet wurden. Für die wichtigsten Produktionsbereicheder Betriebe wurden unter Berücksichtigung der eingesetztenTechnologien und des Anlagenbestandes die Schadstofffrachtender Hauptluftschadstoffe ermittelt. Die Betriebe bzw. fallweiseauch nur Fertigungseinheiten wurden entsprechend dem verarbeitetenGusswerkstoff einer Werkstoffgruppe zugeordnet, sodass schlussendlichfür jeden Schadstoff die Frachten nach Werkstoffgruppen,Betrieben und Produktionsbereichen tabellenförmig geordnet vorlagen.Diese Tabellen werden im Folgenden Emissionstabellen genannt.Sie sind der Ausgangspunkt jeder weiteren Auswertung.Die Schadstofffrachten folgender wichtiger Produktionsbereiche wurdenbestimmt:SchmelzbetriebGieß- und KühlstreckeSandkreislauf (Formerei, Ausleerstation, Altsandaufbereitung,Sandregenerierung)KernmachereiDruckgießereiGussputzereiSonstige Anlagen (z.B.: Wärmebehandlungsöfen, Nachverbrennungsanlagen,Lackieranlagen)Für folgende Werkstoffgruppen wurden Emissionstabellen aufgestellt:Eisen- und Stahlgießereien (Grauguss, Sphäroguss, Temperguss,Stahlguss)Leichtmetallgießereien (Aluminium, Magnesium)Ermittlung der SchadstofffrachtenBei der Überarbeitung der einzelnen Schadstofffrachten wurde folgendermaßenvorgegangen: Soweit verfügbar wurden aktuelle Emissionsmessberichte aus denJahren 1995–2000 herangezogen. An Hand der KonzentrationsundMassenstromwerte aus den Berichten und der durchschnittlichenBetriebsstundenzahlen der Betriebsanlagen lassen sich diejährlich emittierten Schadstofffrachten der Anlagen bestimmen.Diese Methode ist eine der genauesten zur Emissionsabschätzung[8] und bildet die Grundlage der gesamten Erhebung. Mit den soerrechneten Schadstofffrachten wurden alle nicht auf Messberichterückführbaren Emissionsdaten auf ihre Plausibilität überprüft.3