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2011 bio.psycho.sozial - Schattauer

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Editorial<br />

seit Heisenberg wird sich kein vernünftiger Physiker mehr auf<br />

eine Diskussion einlassen, ob Licht denn nun als Welle oder<br />

als Korpuskel zu erklären sei. Und in Psychiatrie, Psychotherapie<br />

und Psychologie behauptet mittlerweile auch kein ernst<br />

zu nehmender Forscher oder Praktiker mehr, dass entweder<br />

die <strong>sozial</strong>en oder die <strong>bio</strong>logischen Faktoren die Störungen<br />

und Krankheiten prägen, mit denen wir es zu tun haben.<br />

Während meines Studiums war das für mich und viele meiner<br />

Kommilitonen noch anders – und scheinbar viel einfacher:<br />

diejenigen, die sich mit Genetik, Neurotransmittern oder Hirnpathologie beschäftigten,<br />

waren die „Bösen“, wer Gemeindepsychiatrie, Angehörigenarbeit oder Soteria auf seine<br />

Fahnen geschrieben hatte, gehörte zu den „Guten“. Zwei Fronten, die sich lange<br />

unversöhnlich gegenüber standen. Dann kam bei den rasanten Fortschritten der Bildgebung<br />

der Boom der Neuro<strong>bio</strong>logie mit ihren beeindruckenden Erkenntnissen, aber auch mit ihrer<br />

teils angemaßten, teils angedienten Deutungshoheit für Genese und Phänomenologie psychischer<br />

Störungen. Vor diesem Hintergrund ist die Bedeutung ihrer <strong>sozial</strong>en Faktoren wohl<br />

gelegentlich verblasst. Vergegenwärtigen wir uns aber: Die attestierte Arbeitsunfähigkeit<br />

wegen psychischer Erkrankungen hat seit 1998 um 77 % zugenommen. In diesem Zeitraum<br />

mit seinen wiederholten Wirtschaftskrisen wurden von den Betroffenen immer häufiger psychische<br />

Belastungen als Ursache oder aufrechterhaltende Bedingung ihrer Erkrankungen<br />

genannt. Das macht deutlich, dass wir es uns nicht leisten können, neben der zweifellos<br />

spannenden Beschäftigung mit den hirneigenen die Bedeutung des gesellschaftlichen<br />

Belohnungssystems zu vergessen – mit all seiner Problematik in Zeiten von Hartz IV und<br />

Prekariat. Die <strong>bio</strong>logische und die soziologische Perspektive schließen sich in der Psychiatrie<br />

nicht nur nicht aus, sie sind eine unerlässliche Voraussetzung für eine vollständige Wahrnehmung<br />

unserer Patienten und damit für eine wirksame Heilkunst.<br />

Dass sich Gräben von einst auf erfreuliche Weise einebnen, wird auch an einem Ereignis<br />

deutlich, das für die große weite Welt der Psychiatrie und Psychotherapie marginal sein mag,<br />

die Publizistik in diesem Bereich aber beleben wird: Die Verbindung von <strong>Schattauer</strong> mit dem<br />

Psychiatrie Verlag. <strong>Schattauer</strong> hat in den vergangenen Jahren einen starken Akzent auf die<br />

<strong>psycho</strong>therapeutische und neurowissenschaftliche Literatur gesetzt – mit Highlights wie dem<br />

in diesem Heft vorgestellten Borderline-Handbuch und der „Neuro<strong>bio</strong>logie der Psychotherapie“<br />

(S. 63). Der Psychiatrie Verlag ist führend im Bereich der <strong>sozial</strong>psychiatrischen Literatur<br />

– ausgehend von seiner legendären literarischen Keimzelle „Irren ist menschlich“. Durch die<br />

Fusion erreichen die Programme beider Verlage Leserinnen und Leser, in deren Blickwinkel<br />

ihre Bücher, Zeitschriften und elektronischen Medien vorher seltener gelangt waren. Ich<br />

verbinde damit den Wunsch, dass die Wahrnehmung der vielen verschiedenen Facetten von<br />

Psychiatrie, Psychotherapie und Psychologie dabei vollständiger wird – und wünsche Ihnen<br />

viele gute Fundstellen in unserem neuen, komplementären Programmspektrum.<br />

In diesem Sinne, stets<br />

Dr. med. Dipl.-Psych. Wulf Bertram<br />

Verleger und Psychotherapeut

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