Wolfgang Wildgen - Fachbereich 10 - Universität Bremen
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4.2. Wie könnte eine Zukunft des Plattdeutschen aussehen?<br />
Ich will zuerst einige unrealistische Szenarien entwerfen.<br />
1. Szenario: Ein norddeutsches Bundesland entsteht, z.B. Schleswig-<br />
Holstein, Hamburg, Niedersachsen, <strong>Bremen</strong>, Mecklenburg-Vorpommern.<br />
In diesem Bundesland sind Hochdeutsch und Niederdeutsch gleichberechtigt.<br />
Für das Niederdeutsche wird dazu eine dem Hochdeutschen<br />
vergleichbare Schrift- und Sprechnorm geschaffen. Alle öffentlichen Bediensteten,<br />
insbesondere Lehrer, müssen den Nachweis der Zweisprachigkeit<br />
erbringen. Große Teile des privaten und geschäftlichen Schriftverkehrs<br />
werden in Niederdeutsch abgewickelt. Dieses Szenario könnte sich<br />
neuere Entwicklungen in Luxemburg zum Vorbild nehmen. Eine<br />
äußerlich vergleichbare Situation existiert im Baskenland; allerdings sind<br />
die Begleitumstände weniger friedlich.<br />
2. Szenario: Die politische Entwicklung könnte grob der oben skizzierten<br />
entsprechen. Hochdeutsch bleibt aber alleinige Schriftsprache und<br />
ist die Sprache der Schule, der Verwaltung, der Politik. Dagegen wird die<br />
gesprochene Sprache wieder das Niederdeutsche (in verschiedenen Varietäten,<br />
ohne Vereinheitlichungsdruck). Dieses Szenario entspräche dem<br />
in der deutschsprachigen Schweiz realisierten. Es scheitert an dem bereits<br />
zu weit fortgeschrittenen Sprachwechsel zu Gunsten des Hochdeutschen.<br />
(1870 wäre dieses Szenario noch realistisch gewesen).<br />
3. Szenario: Die Tendenzen zur rigorosen Verdrängung des Niederdeutschen,<br />
die von vielen Pädagogen seit etwa 1850 vertreten wurde,<br />
werden zu Ende geführt. Norddeutschland wird ebenso einsprachig wie<br />
flach. Zur Belustigung der Zuschauer und um verbliebene nostalgische<br />
Erinnerungen zu befriedigen, gibt es noch „Berufsplattdeutsche“, die<br />
diese Sprache selbstverständlich erst zum Zwecke der Berufsausübung<br />
gelernt haben und die bei bestimmten Anlässen die verlorene Sprachkultur<br />
als Medienereignis inszenieren. Manchem Beobachter der heutigen<br />
Situation mag dieses Szenario realistisch erscheinen; sie unterschätzen<br />
dabei aber wahrscheinlich die noch vorhandenen Identifikationsmuster.<br />
Als Merkbild für dieses Szenario bietet sich an: Der letzte Mohikaner als<br />
Filmkomparse.<br />
Ich versuche nun vorsichtig, ein mir realisierbar erscheinendes Szenario<br />
zu skizzieren, wobei zu bedenken ist, dass die Entwicklung weitgehend<br />
ungesteuert verläuft und sich deshalb nicht wirklich voraussehen<br />
lässt.<br />
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