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Wolfgang Wildgen - Fachbereich 10 - Universität Bremen

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4.1. Die Rolle des Niederdeutschen in einer zukünftigen europäischen<br />

Sprachenlandschaft<br />

Ein erster Punkt muss klar sein. Das leidenschaftliche Engagement der<br />

Sprachpolitiker und Pädagogen um 1850, welche mit dem Verschwinden<br />

des Plattdeutschen die Morgenröte der deutschen Einheit (sprachlich,<br />

kulturell, politisch) erwarteten, ist nicht mehr aktuell. Auch die pädagogisch<br />

motivierte Sorge, die Segnungen der hochdeutschen Beschulung<br />

könnten den Kindern, welche im Elternhaus Plattdeutsch sprechen, versagt<br />

bleiben, ist aus zwei Gründen ad acta zu legen.<br />

a) Ein Kind, das heute im Elternhaus Plattdeutsch spricht, wächst sowieso<br />

zweisprachig auf, d.h. es ist in der Lage, dem hochdeutschen<br />

Unterricht zu folgen.<br />

b) Zweisprachigkeit, besonders bei so nah verwandten Sprachen, ist<br />

nichts Widernatürliches. Das Gegenteil ist der Fall. Die auf Einsprachigkeit<br />

getrimmte Monokultur, in der durch die Einheitssprache die<br />

Intimität der Lokalsprachen zerstört wird, ist eine emotional und intellektuell<br />

bedenkliche Verarmung der normalen kommunikativen<br />

Vielfalt, zu der selbst Völker ohne jede Beschulung fähig sind. Es ist<br />

nicht zuletzt dieser Aspekt einer Wiederherstellung der natürlichen<br />

Kommunikationsökologie, welcher die junge Generation ansprechen<br />

könnte.<br />

Wenn es also keinen Grund mehr gibt, gegen die Mehrsprachigkeit:<br />

Niederdeutsch (meist eine lokale Varietät des Niederdeutschen) ⎯ Hochdeutsch<br />

(Umgangs- bzw. Schriftsprache) zu sein, bleibt dennoch die<br />

Frage, was nutzt eine gezielte Förderung und Belebung der Regional- und<br />

Lokalsprachen. Im Kontext der Europäischen Charta der Regional- und<br />

Minderheitensprachen ist eben mehr als eine freundliche Duldung intendiert.<br />

Es geht um das Schaffen von Raum in den Institutionen und in der<br />

Öffentlichkeit, um so den Erhalt der Regionalsprache zu fördern. Da<br />

diese Maßnahmen Steuergelder kosten, muss eine Diskussion über den<br />

positiven Nutzen der Regionalsprachen stattfinden. Ich will versuchen,<br />

diese schwierige Thematik zumindest anzudiskutieren, um eine<br />

Verständigungsbasis zu schaffen. Ich will dabei verschiedene Entwicklungstendenzen,<br />

welche in die (europäische) Zukunft weisen, in den<br />

Vordergrund stellen.

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