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Wolfgang Wildgen - Fachbereich 10 - Universität Bremen

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räume haben den Rahmen für die weitere Entwicklung neu bestimmt. Mit<br />

der Politik der politischen, ökonomischen und kulturellen Einheit<br />

Europas ergibt sich ein grundlegendes Dilemma:<br />

Die neue Größe, Europa kann nicht mehr nach dem Muster: Zentralität,<br />

Homogenität von Sprache und Kultur konzipiert werden. Die vorherige<br />

Entwicklung, welche starke, zentrale nationale Identitäten geschaffen<br />

hat, macht eine analoge Entwicklung für ganz Europa unmöglich.<br />

Das entsprechende Szenario wäre z.B. Brüssel (oder Straßburg) als<br />

europäisches Machtzentrum (mit den früheren Staaten als traurige Provinz)<br />

mit der Sprache der Brüsseler Bürokraten (hauptsächlich Englisch/Französisch)<br />

als Einheitssprache. Bereits die Vorstellung einer<br />

Einheitswährung, des „Euro“, löst großes Unbehagen aus, obwohl die<br />

Wechselkurskontrollen, die „Übersetzungsverhältnisse“ zwischen den<br />

Währungen extrem vereinfacht haben (im Vergleich zu dem Übersetzungsproblem<br />

bei den entsprechenden Sprachen).<br />

Die Konsequenz der Europolitik könnte eine ganz neue (und deshalb<br />

ungewohnte) Konzeption sein: Eine auf viele Regionen verteilte (dezentrale)<br />

Einheit, die nicht mehr über die Sprache, sondern durch<br />

- die gemeinsame Geschichte und deshalb gemeinsame kulturelle Inhalte<br />

und Werte (unabhängig von deren sprachlicher Realisierung),<br />

- die existierenden und eventuell weiter vertieften Grenzziehungen zu<br />

benachbarten Kulturräumen<br />

- definiert ist.<br />

Die Konsequenzen der externen Abgrenzung, welche einerseits den<br />

Osten (im Kern die Nachfolgestaaten der Sowjetunion), andererseits den<br />

Süden und Osten (mit der Religionsgrenze zum Islam als grober Trennlinie)<br />

betrifft, ist sehr problematisch. Da sie mit dem Thema, das ich näher<br />

untersuchen möchte, nur indirekt (z.B. durch die Immigrantenkulturen)<br />

zu tun hat, möchte ich dieses Thema vorerst abtrennen.<br />

Wenn nun der gemeinsame Kern eher in einer historisch-kulturellen<br />

Einheit, einem gewachsenen „Kulturbund“ jenseits der Sprachdifferenzen<br />

gefunden wird und wenn die Identitätsfindung über eine gemeinsame<br />

Sprache blockiert ist, ergibt sich eine ganz neue Situation. Statt einzelner<br />

Sprachen treten jetzt Sprachfamilien in Nachbarschaft und Konkurrenz<br />

zueinander. Die zur Dominanz strebenden (diese aber mit Sicherheit nicht<br />

realisierenden) Sprachen, Englisch und Französisch, werden tendenziell<br />

als zentrale Vertreter von zwei in Westeuropa dominanten Sprachfamilien<br />

aufgefasst:<br />

- Das Englische wird als Zweitsprache in den Sprachgebieten, welche<br />

zur germanischen Sprachfamilie gehören, favorisiert bzw. als überre-

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