02.12.2012 Aufrufe

Wolfgang Wildgen - Fachbereich 10 - Universität Bremen

Wolfgang Wildgen - Fachbereich 10 - Universität Bremen

Wolfgang Wildgen - Fachbereich 10 - Universität Bremen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

44<br />

Die Trennung von Diachronie und Synchronie, die de Saussure Anfang<br />

dieses Jahrhunderts als Fazit seiner Erfahrungen mit der historischvergleichenden<br />

Sprachwissenschaft gefordert hat, ist also zu respektieren.<br />

Allerdings bedeutet die Trennung keine Abwertung der historischvergleichenden<br />

Forschung. Diese ist stärker auf Laut- und<br />

Wortvergleiche ausgerichtet und vernachlässigt häufig den funktionalen<br />

und kommunikativen Zusammenhang einer Sprache als Ganzes, außerdem<br />

werden pan-historische Konstrukte eingeführt, die funktional und<br />

kommunikativ fast bedeutungslos sind (sie sind lediglich für den<br />

Historiker bedeutungsvoll). Die beschriebenen Entwicklungstendenzen<br />

und besonders die Hypothesen zu den Kräften, die diese steuern (letzteres<br />

wird meist vernachlässigt oder bewusst ausgeklammert), sind auch für die<br />

synchrone Analyse relevant, besonders wenn ein System im Übergang ist<br />

und gleichzeitig verschiedene, alternative Interpretationen zulässt, die als<br />

Spuren oder Ansätze einer historischen Entwicklung zu deuten sind. Dies<br />

besagt, dass die Daten und Beschreibungsergebnisse der historischvergleichenden<br />

Analyse einen explanativen Hintergrund für die<br />

synchrone Analyse bereitstellen, der allerdings meistens durch<br />

soziolinguistische Untersuchungen und Ergebnisse zu ergänzen ist, damit<br />

die Integration in eine explanative Systembeschreibung vorgenommen<br />

werden kann. Ansätze zu einer solchen Integration enthalten sowohl<br />

Labovs Arbeiten zu Stadt-Soziolekten und zum Sprachwandel (vgl.<br />

Labov, 1994) als auch die Arbeiten im Rahmen der natürlichen<br />

Phonologie (besonders am Wiener Dialekt und der Wiener<br />

Umgangssprache; vgl. Foltin und Dressler, 1997).<br />

Im Falle einer Ortsgrammatik ergeben sich besondere methodische<br />

Probleme (vgl. Auer, 1990), da die Sprachvariation in den heutigen deutschen<br />

Städten weder geographisch (z.B. nach Vierteln und Straßen) noch<br />

schichtenspezifisch genau geortet werden kann; die Sprache, besonders<br />

die Substandard-Sprache ist „im Fluss“ (Konvergenz oder Divergenz),<br />

die Sprecher sind in Netzwerke eingebunden, die sich nur selten<br />

geographisch oder sozial definieren lassen. In <strong>Bremen</strong> ist der<br />

Verdrängungsprozess soweit fortgeschritten, dass nur noch Teilkompetenzen<br />

im Niederdeutschen (mit Verlust distinktiver Ortsmerkmale)<br />

vorliegen, teilweise wird die niederdeutsche Sprachkultur in der Stadt<br />

(etwa im Plattdeutschen Kring) von Personen aus der Stadtperipherie und<br />

dem Umland geprägt. Diese Situation motiviert ein zweiteiliges<br />

Vorgehen:<br />

1. Das „Bremer Platt“ als historische „langue“ zu Anfang des 20. Jahrhunderts<br />

wird anhand der Romane und Erzählungen Georg Drostes

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!