Wolfgang Wildgen - Fachbereich 10 - Universität Bremen
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Neben diesem globalen Trend, der sich in den Zentren, insbesondere<br />
den zugezogenen oberen Mittelschichten wellenförmig ausgebreitet hat<br />
und derzeit die dezentralen ländlichen Gebiete Niederdeutschlands erreicht<br />
hat, gab es und gibt es Gegentendenzen. Lehrer, Pastoren und<br />
Beamte am Ort, die der ursprünglichen Sprache noch durch ihre Kindheit<br />
verbunden sind, geben dem Druck nicht nach und beharren auf dem tradierten<br />
Sprachgut. Innerhalb der Familie sind es gelegentlich die Großeltern,<br />
die mit den Enkeln weiter Platt sprechen und damit zumindest eine<br />
plattdeutsch—hochdeutsche Zweisprachigkeit bewirken.<br />
Die Zukunft jeder Regionalsprache liegt somit in den Händen der Familien,<br />
häufig der Mütter. Erst in zweiter Linie spielen Kindergarten und<br />
Schule eine Rolle. Der Spracherwerb von Erwachsenen (häufig von Senioren)<br />
wird wohl nur dann erfolgreich sein, wenn zumindest Grundkenntnisse<br />
und eine positive Einstellung zum Plattdeutschen in der Kindheit<br />
erworben wurden.<br />
In einer Pilotstudie haben StudentInnen des Schwerpunkts: Regionalsprache<br />
und Regionalkultur Niederdeutsch acht Familien, die sich auf<br />
eine Zeitungsmitteilung gemeldet hatten, interviewt. Es sollen im folgenden<br />
nur allgemeine Tendenzen der Studie dargestellt werden.<br />
Die Video-Interviews verfolgen neben den sprachwissenschaftlichen<br />
Zielen noch zwei weitere Ziele:<br />
- Es soll eine öffentlich zugängliche Dokumentation über die Möglichkeiten<br />
und Formen einer zweisprachigen Erziehung: Plattdeutsch—<br />
Hochdeutsch erstellt werden. Diese ist dann die Basis für ein schulisches<br />
Förderungsprogramm.<br />
- Die Familien sollen über diese Möglichkeit unterrichtet werden bzw.<br />
sich gegenseitig über die Realität der zweisprachigen Familie informieren<br />
(z.B. anhand der Aufnahmen). Damit soll einer stillen „Repression“<br />
bzw. Entmutigung entgegen gewirkt werden.<br />
Sprachwissenschaftlich werden zwei Ziele verfolgt. Erstens soll die<br />
Einstellung, Motivation der Eltern erfasst werden, um so die Faktoren des<br />
Spracherhalts (language maintenance) feststellen zu können, die den<br />
Sprachverlust verhindern oder bremsen. Zweitens sollen anhand der Gespräche<br />
mit den Kindern und der Aufnahme ihres Sprachverhaltens die<br />
erworbenen Kompetenzen in den beiden Sprachen, eventuell auch<br />
Interferenzen, festgestellt werden.