Wolfgang Wildgen - Fachbereich 10 - Universität Bremen
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dass ihr Vater, obwohl die Mutter keine Bremerin war, mit den Kindern<br />
Plattdeutsch sprach.<br />
Sprecherin 8b (geb. 1899):<br />
"Ich weiß nur in meiner Familie die Geschwister meines<br />
Vaters, die sprachen immer untereinander Plattdeutsch bis<br />
zum Tode, und mein Vater sprach mit uns Kindern Hochdeutsch<br />
aber auch Plattdeutsch; wenn er mit uns<br />
Hochdeutsch sprach, dann war er mit uns böse." ... "Meine<br />
weitere Familie, die sprechen heute noch Plattdeutsch ...<br />
die jungen Menschen, ein Vetter von mir, hat sehr darauf<br />
gehalten, daß einmal in der Woche und zwar am Freitag<br />
nur Plattdeutsch im Hause gesprochen wurde" ... "alle<br />
echten Bremer haben Plattdeutsch gesprochen."<br />
Noch klarer beherrscht das Plattdeutsche die Sprachsituation in den<br />
Außenbezirken, so z.B. in Habenhausen. In Interview 9 berichten drei<br />
Sprecherinnen aus Habenhausen (geb. 19<strong>10</strong>, 1907 und 1908), dass die<br />
einfachen Landarbeiterkinder noch einsprachig waren, die reicheren Bauern,<br />
die ihre Kinder in die Zahlschulen zur Stadt schickten, aber bereits<br />
Hochdeutsch mit ihren Kindern sprachen. In den 20er Jahren haben die<br />
Kleinbauern dann selbst damit begonnen, mit den Kindern Hochdeutsch<br />
zu sprechen.<br />
Man kann also sagen, dass, abgesehen von einer Oberschicht im Stadtkern,<br />
die schon Mitte des 19. Jahrhunderts teilweise zum Hochdeutschen<br />
als Umgangssprache übergegangen war, in den Familien der Sprachwechsel<br />
um die Jahrhundertwende voll im Gange war und bis 1920 auch die<br />
Außenbezirke erreichte. Als Hauptzeitraum des Wechsels lässt sich somit<br />
die Zeit zwischen der Reichsgründung (1871) und dem Ende des Ersten<br />
Weltkrieges ansetzen; als Höhepunkt die Zeitspanne von 1880 bis 1920.<br />
Der genaue Ablauf des Sprachwechsels in Abhängigkeit vom Stadtviertel<br />
und der Berufsgruppe des Vaters wird erst in Umrissen deutlich.<br />
Als tentative Faktoren des Sprachwechsels kommen in Frage:<br />
- Eine Entwicklungslinie: Stadtkern—Peripherie, wobei zumindest in<br />
der ersten Phase der Eingliederung von Vororten der Sprachwechsel<br />
nach außen wandert; in einer zweiten Phase der Bildung von Villenvororten<br />
und einer Entvölkerung der Innenstadt wird diese Dynamik<br />
teilweise umgekehrt. 15<br />
15 Vgl. dazu die Entwicklung in Oberneuland und in Schwachhausen.