Wolfgang Wildgen - Fachbereich 10 - Universität Bremen
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- In den kolonisierten Gebieten gab es noch lange slawische Sprachgemeinschaften,<br />
d.h. es existierte eine Diglossie. Sie kann 1253 in Lübeck;<br />
1293 in Anhalt; 1327 in Altenburg, Zwickau, Leipzig; 1424 in<br />
Meißen durch Dokumente nachgewiesen werden. 7 Im ausgehenden<br />
14. Jahrhundert wurde noch in allen Teilen Mecklenburgs Slawisch<br />
(Wendisch) gesprochen.<br />
- Die Kartierung von Behaghel zeigt südlich von Elbing (Elblog) eine<br />
Grenze zwischen Niederdeutsch (Niederpreußisch) und Mitteldeutsch<br />
(Hochpreußisch) an.<br />
1.2.3. Die Hanse<br />
Mit der Hanse wirkte ein starker wirtschaftlicher Faktor als Katalysator<br />
der Sprachentwicklung. Das ausgedehnte Netz der Hansestädte war durch<br />
festgelegte Wirtschaftsrechte definiert und umfasste schließlich über <strong>10</strong>0<br />
Städte; Hansekontore von Nowgorod, Bergen, London bis Brügge und<br />
Gent ergänzten dieses Netz. Gehandelt wurde mit Pelzen (aus Rußland<br />
und Norwegen), Getreide (aus Litauen, Polen, Deutschland), Wein (vom<br />
Rhein und aus Portugal), Fisch (z.B. aus Schonen), Seesalz (aus Frankreich)<br />
und Bienenwachs (aus Livland und Polen), Metall und Krämerwaren.<br />
Zwei große Handelswege bestimmten die areale Struktur der Hanse:<br />
- Über die Ostsee (Reval, Visby, Lübeck), über Trave und Elbe nach<br />
Hamburg und von hier über die Nordsee nach Brügge. Lübeck, Hamburg<br />
und Brügge bildeten Schlüsselpositionen des Seeweges.<br />
- Für den Handelsweg auf dem Rhein nach Süden hatte Köln eine<br />
Schlüsselposition.<br />
Die Rechtssprechung, die Buchhaltung und die Frachtbriefe wurden in<br />
verschiedenen niederdeutschen Schriftdialekten geführt, wobei das Lübische<br />
aber dominierte. Die lübische Kanzleisprache wurde in der Folge<br />
(im 14. Jahrhundert) zur Gemeinsprache der Kaufleute im hansischen<br />
Gebiet. Insbesondere die Frachtbriefe, die Verträge sowie Beschwerden<br />
und Prozeßakten vor Gericht wurden in Niederdeutsch verfasst. Da das<br />
Mittelhochdeutsche, die andere mittelalterliche Schreibsprache, primär<br />
eine literarische Hofsprache gewesen war und zudem bereits verblasst<br />
war, ist das Niederdeutsche die erste deutsche Hochsprache für Politik<br />
und Verwaltung gewesen. Eben diese Funktion sollte ab dem 15. und<br />
besonders dem 16. Jahrhundert das Frühneuhochdeutsche übernehmen.<br />
13<br />
7 Vgl. Behaghel, 1916: 23. Die Jahresdaten beziehen sich auf urkundliche<br />
Nennung, meist im Zusammenhang eines Verbotes dieser Sprachen vor Gericht.