Wolfgang Wildgen - Fachbereich 10 - Universität Bremen
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Die niederdeutschen Mundarten lassen sich in solche des Stammlandes<br />
(westlich der Elbe) und solche des Kolonialgebietes unterteilen, wobei<br />
gemeinhin die Pluralbildung des Präsens als Unterscheidungsmerkmal<br />
benutzt wird: -et (wi maket) versus -en (wi maken). Das Areal weist<br />
einige Besonderheiten auf, die hervorzuheben sind:<br />
- Da auch das Niederfränkische (heute das Flämische und Niederländische<br />
bzw. deren Dialekte) die hochdeutsche Lautverschiebung nicht<br />
mitgemacht hat, wird es mit dem Niederdeutschen in eine Nachbarschaftsbeziehung<br />
gebracht (Behaghel, 1916 benutzt „Niederdeutsch“<br />
als Oberbegriff und „Niederfränkisch“ bzw. „Niedersächsisch“ als Unterbegriffe).<br />
- Die Beziehungen sind aber komplizierter, da Teile der niederdeutschen<br />
Ostkolonisation durch Siedlerströme aus den Niederlanden erfolgte<br />
(besonders die Altmark; vgl. Karte 1: Die niederländische<br />
Kolonisation des 12. Jahrhunderts in Deutschland, in Frings und<br />
Lerchner, 1966) und auch an der küstennahen Weser und Elbe<br />
(<strong>Bremen</strong>, Hamburg) niederländische Siedlungen entstanden. Aufgrund<br />
von Wortgeschichten postulieren Frings und Lechner, 1966: 34 ff.,<br />
weitere und engere „Verbände“. Ein Verband umfasst „Englisch—<br />
Friesisch—Niederländisch—Niederrheinisch—Westfälisch<br />
(Niederdeutsch). Dabei spielt das Friesische, das ursprünglich die<br />
Nordseeküste als Areal hatte, eine Mittler-Rolle.<br />
- Die norddeutsche Küste war von Friesen bewohnt. Das Friesische,<br />
eine andere westgermanische Sprache wie das Englische, wird aber<br />
nur noch in Westfriesland, wo es eine weitgehende Autonomie besitzt,<br />
im Saterland, einer Sprachinsel westlich von Oldenburg, und auf den<br />
nordfriesischen Inseln und Teilen des Festlandes vor den Inseln<br />
gesprochen. Es wurde also im Bereich von Ostfriesland und dem Land<br />
zwischen Weser und Elbe vom Niederdeutschen verdrängt; insbesondere<br />
die west- bzw. ostfriesischen Schriftsprachen wurden ab der<br />
zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts durch das Niederdeutsche und das<br />
Niederländische verdrängt. Das Ostfriesische überlebte schließlich nur<br />
in Randgebieten. Im Harlinger Land und im Land Wursten waren<br />
ostfriesische Dialekte noch im 17. und 18. Jahrhundert lebendig. Auf<br />
Wangerooge starb das Ostfriesische Anfang dieses Jahrhunderts aus.<br />
Im oldenburgischen Saterland (Ramsloh, Strücklingen und Scharrel)<br />
wird Ostfriesisch noch von ein paar Tausend Menschen gesprochen.<br />
Es wurde in der europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen<br />
in die Liste der zu schützenden Sprachminderheiten aufgenommen.