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<strong>Die</strong> <strong>Entdeckung</strong> <strong>der</strong> Komplementarität, <strong>ihre</strong> Übertragung <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Theologie ...<strong>Die</strong> <strong>Entdeckung</strong> <strong>der</strong> Komplementarität, <strong>ihre</strong>Übertragung <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Theologie und <strong>ihre</strong>Bedeutung für das biblische DenkenThomas SchirrmacherKomplementarität in <strong>der</strong> PhysikIn <strong>der</strong> Physik hat man viele Phänomeneentdeckt, <strong>die</strong> man nur komplementär(von Lat. ‚complementum‘,Ergänzung, Vervollständigung)beschreiben kann, und zwar in einerZweier- und Dreierkomplementarität.So spricht man von Komplementärfarben,wenn sich zwei Farben (z. B. Rotund Grün) zu Weiß ergänzen. Ein Elektronkann im Experiment nur getrennteinerseits als Teilchen und an<strong>der</strong>erseitsals Welle erwiesen werden und ist dochimmer beides zugleich. Das gilt somitauch für das Licht.Ein solches komplementäres Denkenwar lange umstritten. Der DäneNiels Bohr (1885–1962), <strong>der</strong> 1922 denNobelpreis erhielt, führte den Begriff1927 in <strong>die</strong> Physik ein 1 und sorgte fürden Siegeszug des komplementärenDenkens in <strong>der</strong> Physik des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts.2„Komplementarität [lat.], <strong>die</strong> zuerstvon N. Bohr erkannte Erfahrungstatsache,dass atomare Teilchen zwei paarweisegekoppelte, scheinbar einan<strong>der</strong>wi<strong>der</strong>sprechende Eigenschaften haben,z. B. sowohl Teilchen- als auch Wellencharakter.<strong>Die</strong> Beobachtung zweierkomplementärer Eigenschaften ... istjedoch nicht gleichzeitig möglich, son<strong>der</strong>nerfor<strong>der</strong>t entgegengesetzte, nichtmiteinan<strong>der</strong> verträgliche Messvorgänge.“3Komplementäres Denken bedeutetalso, dass man zwei, drei o<strong>der</strong> mehrereSeiten eines Phänomens nur nacheinan<strong>der</strong>untersuchen und beschreibenkann, obwohl man weiß, dass <strong>die</strong> einzelnenErgebnisse und Aussagen gleichzeitigwahr sind und man ein exaktesErgebnis nur hat, wenn man beide o<strong>der</strong>alle beteiligten Seiten ins richtige Verhältnissetzt – man denke etwa an <strong>die</strong>Komplementärfarben, <strong>die</strong> nur dann einklares Weiß ergeben, wenn sie richtiggemischt sind.Carl Friedrich von Weizsäcker definiert<strong>die</strong> Komplementarität wissenschaftlicherForschungsmethoden und<strong>ihre</strong>r Ergebnisse wie folgt:„<strong>Die</strong> Komplementarität besteht darin,dass sie nicht gleichzeitig benutzt werdenkönnen, gleichwohl beide benutztwerden müssen.“ 4Theologische Akzente


Thomas Schirrmacher<strong>Die</strong> Entwicklung desKomplementaritätsgedankensdurch Niels BohrDer Komplementaritätsgedanke war<strong>auf</strong> den Bereich <strong>der</strong> Physik bezogenursprünglich nur im Zusammenhangmit den Komplementärfarben bekannt. 5Schon vor 1927 herrschte Einsicht vor,dass <strong>die</strong> Thermodynamik nicht <strong>auf</strong> reinmechanische Prinzipien zu reduzierensei und Bohr sagte 1932, dass bereits <strong>die</strong>Wärmetheorie, nicht erst <strong>die</strong> späterenbekannteren Beispiele, ein Beispiel fürKomplemetarität gewesen sei. 6<strong>Die</strong> erste Erwähnung <strong>der</strong> Komplementaritätim darüber hinausgehendenSinne findet sich bei Bohr schriftlich1928, bei Werner Heisenberg ähnlichschon 1927, 7 da Heisenberg zeigte, dassman im Experiment nicht <strong>die</strong> genaueMessung <strong>der</strong> Koordinate und des dazugehörigenImpulses vornehmen kann. 8Zuvor war <strong>der</strong> Begriff Komplementaritätvor allem aus <strong>der</strong> Farbenlehre bekannt. 9Werner Heisenberg berichtet dabei inseiner autobiografie, dass er mit Bohrseit 1927 darüber diskutiert hat undüberlässt Bohr <strong>die</strong> Urheberschaft. 10 DerKomplementaritätsgedanke wurde vorallem durch Vorträge Bohrs bekannt 11und es war Bohrs Version, <strong>die</strong> in <strong>der</strong>Physik zum Standard wurde. 12„‚Nach dem Wesen <strong>der</strong> Quantentheoriemüssen wir uns also damit begnügen,<strong>die</strong> Raum-Zeit-Darstellung und<strong>die</strong> For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Kausalität, <strong>der</strong>enVereinigung für <strong>die</strong> klassischen Theorienkennzeichnend ist, als komplementäre,aber einan<strong>der</strong> ausschließende Züge<strong>der</strong> Beschreibung des Inhalts <strong>der</strong> Erfahrung<strong>auf</strong>zufassen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Idealisation<strong>der</strong> Beobachtungs- bzw. Definitionsmöglichkeitensymbolisieren.‘ So lautet<strong>die</strong> erste schriftliche Verwendung <strong>der</strong>Komplementarität von Niels Bohr.“ 13„... nur ausdrücken, dass beide Bil<strong>der</strong>möglich sind, son<strong>der</strong>n dass für einevollständige Beschreibung auch beidenotwendig sind. Bohr betonte eine tiefeAnalogie des Komplementaritätsbegriffs‚mit den allgemeinen, in <strong>der</strong> Trennungvon Subjekt und Objekt begründeten,Schwierigkeiten <strong>der</strong> menschlichenBegriffsbildung‘ und glaubte, dass <strong>die</strong>durch <strong>die</strong> Quantenmechanik <strong>auf</strong>gezeigtenganzheitlichen Aspekte <strong>der</strong>Materie lediglich ein Beispiel eines allgemeinerenPhänomens sind, das er mitdem Wort ‚Komplementarität‘ bezeichnete.So spricht Bohr etwa von <strong>der</strong> Komplementaritätzwischen Gerechtigkeitund Güte o<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Komplementaritätzwischen dem Benutzen und demDefinieren eines Begriffs. Allerdingssind auch <strong>die</strong> späteren Formulierungenvon Bohr alle recht vage und haben zuvielen Missverständnissen geführt. Folgendesorgfältige Umschreibung desBohrschen Komplementaritätsbegriffsstammt von Klaus Michael Meyer-Abich 14 ... Im engeren Bereich <strong>der</strong> Quantenphysikwird als prominentes Beispielimmer wie<strong>der</strong> <strong>die</strong> Dualität von Welleund Korpuskel zitiert. Das ist insofernkorrekt, als <strong>die</strong>se Dualität tatsächlich<strong>auf</strong> komplementäre Aspekte <strong>der</strong> Materiehinweist. An<strong>der</strong>erseits führte <strong>die</strong>ses Beispielauch zu vielen Missverständnissen:Komplementarität ist nicht dasselbe wieMBS Texte 66


<strong>Die</strong> <strong>Entdeckung</strong> <strong>der</strong> Komplementarität, <strong>ihre</strong> Übertragung <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Theologie ...Dualität. <strong>Die</strong> mo<strong>der</strong>ne Quantenphysikist keine dualistische, son<strong>der</strong>n eineholistische Theorie. KomplementäreQuantenphänomene sind nie lediglichdualistisch, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> Quantenmechanikgibt es immer unendlich vielegleichberechtigte, aber einan<strong>der</strong> ausschließendeBeschreibungsformen. Alle<strong>die</strong>se Aspekte sind notwendig, keinerist richtiger als <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e, keiner kanneinen an<strong>der</strong>en ersetzen. <strong>Die</strong> Einführung<strong>der</strong> Komplementaritätsidee in <strong>die</strong>Physik durch Niels Bohr ist ein ideengeschichtlichüberaus wichtiges Ereignisund markiert das Ende <strong>der</strong> kartesischenEpoche. Obwohl <strong>die</strong> Komplementaritätslogikim mathematischen Formalismus<strong>der</strong> als fundamental angesehenenQuantentheorie vollumfänglich integriertist, hat <strong>die</strong>se grundsätzlich neueSicht <strong>die</strong> Denkweise <strong>der</strong> meisten Naturwissenschaftlernoch wenig beeinflusst.Auch heute ist <strong>die</strong> Komplementaritätnoch ein Faszinosum – ein Indiz dafür,dass wir <strong>die</strong> neue Situation noch nichtassimiliert haben.“ 15Varianten und KritikerEs geht an <strong>die</strong>ser Stelle nicht um <strong>die</strong>Verherrlichung von Niels Bohr o<strong>der</strong> <strong>der</strong>physikalischen Erklärungen im Rahmen<strong>der</strong> Komplementarität. Bohr hatsich mehrfach geirrt und den Gedanken<strong>der</strong> Komplementarität <strong>auf</strong> völlig falscheBeispiele bezogen 16 und seine Sicht hatbedeutende Kritiker wie den KollegenAlbert Einstein o<strong>der</strong> den PhilosophenKarl Popper <strong>auf</strong> den Plan gerufen. 17Daneben haben an<strong>der</strong>e Physiker nachBohr zwar grundsätzlich den Komplementaritätsgedanken<strong>auf</strong>gegriffen, abereigene Modelle und Varianten vorgelegt,18 so zum Beispiel Max Planck 19und Pascual Jordan 20 .Komplementarität inan<strong>der</strong>en DisziplinenInzwischen hat sich <strong>die</strong>ses Denkenweit über <strong>die</strong> Physik hinaus in allenWissenschaften und Lebensbereichendurchgesetzt. 21Klaus Michael Meyer-Abich definiertKomplementarität im ‚HistorischenWörterbuch <strong>der</strong> Philosophie‘:„Komplementarität heißt <strong>die</strong> Zusammengehörigkeitverschiedener Möglichkeiten,dasselbe Objekt als verschiedeneszu erfahren. Komplementäre Erkenntnissegehören zusammen, insofern sieErkenntnisse desselben Objektes sind;sie schließen einan<strong>der</strong> jedoch aus, als sienicht zugleich und für denselben Zeitpunkterfolgen können.“ 22Auch hierfür spielt interessanterweiseschon Niels Bohr eine initiierendeRolle.<strong>Die</strong> Übertragung des Komplementaritätsgedankens<strong>auf</strong>an<strong>der</strong>e Fächer und <strong>die</strong> Theologiedurch Niels BohrNiels Bohr selbst nahm bereits <strong>die</strong>Übertragung des Begriffes Komplementarität<strong>auf</strong> an<strong>der</strong>e naturwissen-Theologische Akzente


Thomas Schirrmacherschaftliche und geisteswissenschaftlicheFachgebiete vor:„<strong>Die</strong> ersten Überlegungen, dasKonzept <strong>der</strong> Komplementarität über<strong>die</strong> Grenzen <strong>der</strong> Erkenntnisweise <strong>der</strong>Physik hinaus auch für <strong>die</strong> an<strong>der</strong>enWissenschaften fruchtbar zu machen,stammen von Bohr selbst. So schluger beispielsweise vor, das Konzept <strong>der</strong>Komplementarität zur Klärung vonverschiedenen philosophischen undpsychologischen Problemen wie zumBeispiel dem Leib-Seele-Problem, <strong>der</strong>Frage nach dem Verhältnis von Gerechtigkeitund Liebe o<strong>der</strong> auch dem Verhältnisverschiedener menschlicherKulturen und den Schwierigkeiten<strong>ihre</strong>r Beobachtung heranzuziehen undin Hinsicht <strong>auf</strong> <strong>die</strong>se Problemstellungenkonstruktiv anzuwenden.“ 23In einem Vortrag <strong>auf</strong> dem InternationalenKongress für Anthropologie undEthnologie in Kopenhagen 24 , <strong>der</strong> 1939in <strong>der</strong> Zeitschrift ‚Nature‘ 25 erschien,übertrug Bohr den Gedanken schlagwortartig<strong>auf</strong> Biologie, Mathematik,Ethnologie und Psychologie.In einem Vortrag ‚Einheit des Wissens‘26 von 1954 empfiehlt Bohr denBegriff sogar <strong>der</strong> Theologie 27 und meint,dass Gerechtigkeit und Nächstenliebein den Religionen ein klassisches Beispielfür Komplementarität seien. 28Auch das Verhältnis von Wissenschaftund Glaube sei ein komplementäres. 29Nach John Baillie sagte Bohr in seinen‚Clifford Lectures‘ 1949 „I think youtheologians should make much moreuse than you are doing of the principleof Complementarity“ 30 („Ich denke,dass ihr Theologen viel mehr Gebrauchvon dem Prinzip <strong>der</strong> Komplementaritätmachen solltet, als ihr es tut.).Komplementarität in <strong>der</strong>Theologie: <strong>Die</strong> DreieinigkeitParadebeispiele für <strong>die</strong> Anwendung<strong>der</strong> Komplementarität in <strong>der</strong> christlichenDogmatik sind <strong>die</strong> Lehre von<strong>der</strong> Dreieinigkeit und von den zweiNaturen Jesu Christi.„Weit über <strong>die</strong> Physik hinaus hatChristopher Kaiser <strong>die</strong> Anwendungsmöglichkeiten<strong>der</strong> Komplementaritätauszudehnen versucht, nämlich in <strong>die</strong>Christologie hinein. Voraussetzung ist<strong>die</strong> Existenz eines einzigen ‘Wesens’(Jesus), das in mindestens zwei Seinsweisenin Erscheinung tritt, von denen<strong>die</strong> eine <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en übergeordnet ist(Gottessohn, Mensch). Kaiser nenntnun elf Kennzeichen, <strong>die</strong> erfüllt seinmüssen: (1) Beide Seinsweisen gehörenzum selben Bezugsobjekt (wieLeib und Seele des Menschen), (2) siehaben gewisse Attribute gemeinsam(etwa lebendig), (3) sie beschreibeno<strong>der</strong> erklären das Explanandum aus<strong>der</strong> jeweiligen Perspektive ausreichendgenau, (4) sie liefern zusammen einevollständige Beschreibung, (5) sie sindgleich notwendig, (6) sie sind gegenseitigverschränkt, (7) sie haben Attributeausgetauscht, (8) sie existieren unvermischtund unverwandelt (schließensich also gegenseitig aus), (9) sie habenauch jeweils einzigartige Attribute und(10) sind gekennzeichnet durch Asym-MBS Texte 66


<strong>Die</strong> <strong>Entdeckung</strong> <strong>der</strong> Komplementarität, <strong>ihre</strong> Übertragung <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Theologie ...metrie und Emergenz. Zudem gibt es(11) vom untergeordneten Modus Hinweise<strong>auf</strong> <strong>die</strong> Existenz des übergeordnetenModus.“ 31<strong>Die</strong> Dreieinigkeit wurde vor allemvon Bernhard Philberth 32 und ChristopherB. Kaiser 33 mit Hilfe <strong>der</strong> Komplementaritäterklärt.Philberth sieht von <strong>der</strong> Komplementarität<strong>der</strong> Dreieinigkeit des Schöpfersausgehend unser ganzes Universum von<strong>der</strong> Komplementarität durchdrungen:„Was ist Wirklichkeit? <strong>Die</strong> Komplementaritätselbst ist <strong>die</strong> Wirklichkeitund umgekehrt: <strong>Die</strong> Wirklichkeit istKomplementarität. Und warum? WeilGott, <strong>der</strong> Dreieine, <strong>der</strong> selbst Komplementaritätist, <strong>die</strong> Welt nach seiner Artgeschaffen hat. <strong>Die</strong> Komplementaritätist das Wesen <strong>der</strong> Allmacht.“ 34Für ihn gibt es kaum einen größerenWendepunkte in <strong>der</strong> Geistesgeschichte 35als <strong>die</strong> <strong>Entdeckung</strong> <strong>der</strong> Komplementarität.<strong>Die</strong> Physik wird plötzlich ungewolltWegbereiter von Philosophie und Theologieund letztere müssen sich plötzlichmit Physik befassen. Dennoch – so Philberth– muss letztlich jede Wissenschaftdoch den Weg <strong>der</strong> Anwendung <strong>der</strong>Komplementarität für sich selbst gehen.Komplementarität in <strong>der</strong>Theologie: Weitere ThemenNach Kaiser selbst diskutierte als erstesWilliam H. Austin 1967 <strong>die</strong> Möglichkeit,<strong>die</strong> Christologie komplementärzu erklären, lehnte <strong>die</strong>s jedoch ab. Ihmfolgte 1974 Ian G. Barbour, <strong>der</strong> <strong>die</strong> Möglichkeitetwas positiver einschätzte. 36Theologische AkzenteAn<strong>der</strong>e Autoren haben das Verhältnis<strong>der</strong> menschlich-psychologischenBekehrung und des Wirkens des HeiligenGeistes 37 o<strong>der</strong> Wun<strong>der</strong> 38 , <strong>die</strong> in Zeitund Raum geschehen, das Verhältnisvon Körper und Geist 39 , Gehirn undDenken 40 o<strong>der</strong> <strong>die</strong> christliche Ekklesiologieund Sakramentslehre 41 als nurkomplementär verständlich herausgestellt.42Allerdings muss bei all <strong>die</strong>sen Autorenfestgestellt werden, dass es ihneneher philosophisch-theoretisch um <strong>die</strong>Komplementarität theologischer Aussagengeht, als biblisch-exegetisch. Siewollen also nicht vorrangig Aussagen<strong>der</strong> biblischen Offenbarung <strong>auf</strong>einan<strong>der</strong>beziehen. Hier liegt ein weites Feldfür – insbeson<strong>der</strong>e auch evangelikale– Forscher.Komplementarität von Naturwissenschaftund TheologieDaneben ist <strong>die</strong> Komplementaritätin vielen Variationen als Modell für <strong>die</strong>Unterschiede zwischen Naturwissenschaftund Theologie erklärt worden. 43Ich möchte hier <strong>die</strong> einzelnen Modellenicht diskutieren, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Zuordnung<strong>der</strong> beiden unter dem Stichwort Komplementaritäterklären und auch nicht<strong>die</strong> Gründe anführen, warum an<strong>der</strong>ewie<strong>der</strong>um dagegen sind. Auch seheich <strong>die</strong> Gefahr, dass <strong>die</strong> theologischeWahrheit dabei allzuleicht als eine ahistorischunwirkliche gesehen wird. Aberdennoch hat sich <strong>der</strong> Begriff Komplementaritätbei keiner theologischenFrage mehr durchgesetzt, wie bei <strong>der</strong>


Thomas SchirrmacherVerhältnisbestimmung <strong>der</strong> Theologiezur Naturwissenschaft.Paradoxon, Polaritätund ähnliche Begriffe‚Paradox‘ und ‚Paradoxon‘ meinte vonden griechischen Philosophen bis zuLuther vor allem ‚befremdlich‘. Nur seltenhatte es später <strong>die</strong> Bedeutung einernur scheinbaren Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit.Im 20 Jh. war es vor allem Sache <strong>der</strong>Logik und Mathematik, wie man Paradoxienvermeiden könne. 44‚Polarität‘ erschien vor allem seitMitte des 17. Jh. im Zusammenhangmit dem Magnetismus und bezeichneteeher <strong>die</strong> Spannung zwischen zweiTatsachen o<strong>der</strong> Aussagen, wenn es auchbisweilen dem mo<strong>der</strong>nen Begriff Komplementaritätrecht nahe kam. 45Am häufigsten wurde früher noch<strong>der</strong> Ausdruck ‚Antinomie‘ im Sinnevon Komplementarität verstanden,aber meist bedeutete er den Wi<strong>der</strong>streitzweier Aussagen im Sinne <strong>der</strong> Antithetik,wobei aus These und Antitheseeine neue Synthese wurde. Bei Kantist Antinomie oft <strong>der</strong> unerklärlicheWi<strong>der</strong>streit zweier Aussagen. Seltenwurde Antinomie verwendet, um zweigleich gültige Aussagen zu bezeichnen,<strong>die</strong> sich scheinbar wi<strong>der</strong>sprechen, aberbeide unverän<strong>der</strong>t so stehen bleibenmüssen. 46Der Ausdruck ‚<strong>die</strong> goldene Mitte‘o<strong>der</strong> ‚<strong>der</strong> goldene Mittelweg‘ (Lat.‚aurea mediocritas) wurde von Horaz(65–8 v. Chr.) geprägt und von Epikurfortentwickelt, <strong>der</strong> davor warnte,Hervorragendes zu leisten, da man soden Neid an<strong>der</strong>er erwecke. Aristotelesversteht darunter in seiner nikomachischenEthik, dass Extremhaltungenfalsch seien und in <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong> Wertehöhepunktliege, weswegen man sichimmer von den Extremen zur Mittevorarbeiten müsse.Überall fehlt <strong>der</strong> für Komplementaritätentscheidende Gedanke, dass zweio<strong>der</strong> mehrere Aussagen trotz scheinbarerWi<strong>der</strong>sprüchlichkeit logisch bewiesenwerden können und deswegen nichtzugunsten einer an<strong>der</strong>en Aussage o<strong>der</strong>eines Mittelwertes verän<strong>der</strong>t werden.Lediglich <strong>der</strong> von Hermann L. Goldschmidt1944 in <strong>die</strong> Philosophie eigenführteBegriff ‚Dialogik‘ 47 hat praktisch<strong>die</strong>selbe Bedeutung wie Komplementarität.Heinz Stefan Herzka definiert ihnetwa wie folgt:„‚<strong>Die</strong> Dialogik postuliert, dass zweiGedanken, <strong>die</strong> niemand gleichzeitigdenken kann, o<strong>der</strong> zwei Strebungen,<strong>die</strong> niemand gleichzeitig verwirklichenkann, o<strong>der</strong> zwei Begriffe, <strong>die</strong> sich gegenseitigausschließen und je einen Bereichfür sich bezeichnen, gleichzeitig (d.h.nicht nacheinan<strong>der</strong>) und gleichwertig(d.h. ohne Überlegenheitsanspruch undUnterordnung) gemeinsam ein Ganzesausmachen.‘“ 48Allerdings ist <strong>der</strong> Begriff ‚Dialogik‘ 49zugleich im Umfeld von Martin Bubermit einer <strong>auf</strong> persönliche Beziehungenausgerichteten Bedeutung bekannt. 50MBS Texte 66


<strong>Die</strong> <strong>Entdeckung</strong> <strong>der</strong> Komplementarität, <strong>ihre</strong> Übertragung <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Theologie ...Zur KirchengeschichteMit <strong>der</strong> Verwendung des BegriffesKomplementarität in <strong>der</strong> Theologie sollauch nicht gesagt werden, dass man erstseit dem 20. Jahrhun<strong>der</strong>t <strong>die</strong> Zusammenschaubiblischer Wahrheiten kennto<strong>der</strong> benennen kann. <strong>Die</strong> Lehre <strong>der</strong> erstenKonzile <strong>der</strong> Frühen Kirche wi<strong>der</strong>legt<strong>die</strong>s nur zu deutlich.Auch später hat man sicher immerwie<strong>der</strong> bemüht, passende Begriffe zufinden. Der Reformator Zwingli verwendeteetwa für <strong>die</strong> Dreieinigkeitslehre51 und für <strong>die</strong> Zusammengehörigkeitdes Christus für uns (Christusnoster – pro nobis) und des Christus inuns 52 (Christus noster – in nobis) denBegriff <strong>der</strong> „Alloiosis“.Zur Komplementaritätdes biblischen DenkensNicht <strong>die</strong> ‚Unlogik‘, son<strong>der</strong>n <strong>die</strong>Begrenztheit des Menschen sorgt dafür,dass <strong>der</strong> Mensch gerade auch im Bereich<strong>der</strong> biblischen Offenbarung und <strong>der</strong>Theologie <strong>auf</strong> komplementäre Aussagenangewiesen ist. <strong>Die</strong> Frühe Kirchehat bewusst <strong>die</strong> zentralsten Dogmen deschristlichen Glaubens komplementärformuliert, als sie verteidigte, dass Gottdreieinig ist und Jesus wahrer Menschund wahrer Gott zugleich ist.„Nach den Erfahrungen, <strong>die</strong> wir mit<strong>der</strong> Quantentheorie und <strong>ihre</strong>r mathematischenKodifizierung des Komplementärgedankensgemacht haben, heißtkomplementäres Denken vor allem, denAbsolutheitsanspruch <strong>der</strong> zweiwertigenLogik mit <strong>ihre</strong>m Prinzip des ausgeschlossenenDritten zu verwerfen.“ 53Hans Niels Jahnke nennt in einemAufsatztitel <strong>die</strong> Komplementarität in<strong>der</strong> Mathematik „Beweisbare Wi<strong>der</strong>sprüche“.54 Ähnlich könnte man meinen,Hans Primas meine keine naturwissenschaftlichenBelange, son<strong>der</strong>n<strong>die</strong> Dreieinigkeit, wenn er völlig gleichwertigeBeschreibungen for<strong>der</strong>t: „Jedeist richtig, keine ist wahr. Keine genügtfür sich allein, alle sind notwendig. Nur<strong>die</strong> Gesamtheit aller komplementärenBeschreibungen kann <strong>die</strong> ungeteiltematerielle Realität repräsentieren.“ 55<strong>Die</strong>se Komplementarität spielt meinesErachtens eine herausragende Rolle imÜberwinden unnötiger Streitigkeitenunter Christen. 56 Wir neigen dazu,eine Seite <strong>der</strong> Komplementarität gegen<strong>die</strong> an<strong>der</strong>e zu stellen o<strong>der</strong> einen Teil<strong>der</strong> Komplementarität überzubetonen.So wurde zur Zeit <strong>der</strong> Frühen Kirchedas Menschsein Jesus gegen sein Gottseinausgespielt, und <strong>die</strong> Tatsache, dassJesus seinem Vater gehorsam war, gegen<strong>die</strong> Tatsache, dass er eines Wesens undRanges mit seinem Vater ist, gestellt.Es gibt viele Beispiele für komplementäreLehren in <strong>der</strong> Bibel, 57 nichtnur <strong>die</strong> Dreieinigkeit und das GottundMenschsein Jesu werden uns in <strong>der</strong>Bibel jeweils mit zwei o<strong>der</strong> mehr Seitenvorgestellt, <strong>die</strong> unlösbar zusammengehörenund doch nur nacheinan<strong>der</strong> zudenken sind.<strong>Die</strong> Erkenntnis selbst ist komplementär,weswegen Guy Marcel Clicqué <strong>die</strong>„zirkuläre Komplementarität“ 58 disku-Theologische Akzente


Thomas Schirrmachertiert. Etwa beim Bibelstudium bewirkt<strong>die</strong> Erkenntnis dessen, was <strong>die</strong> OffenbarungGottes lehrt, eine Verän<strong>der</strong>ung desDenkens dessen, <strong>der</strong> <strong>die</strong> Offenbarungstu<strong>die</strong>rt und ohne sein Vorverständnis<strong>die</strong> Schrift nicht stu<strong>die</strong>ren kann. <strong>Die</strong>serhermeneutische Zirkel ist kein Eingeständnis<strong>der</strong> Unwissenschaftlichkeit,son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Mehrseitigkeit von Wahrheitund Erkenntnis.Entscheidend ist dabei allerdings, dass<strong>die</strong> Komplementarität kein Ergebnistheologischer Kompromissformeln zwischenverschiedenen theologischen Systemenist, son<strong>der</strong>n sich aus <strong>der</strong> Offenbarung<strong>der</strong> Schrift selbst ergibt. <strong>Die</strong>Komplementarität des biblischen Denkensund <strong>der</strong> Theologie ist <strong>die</strong> Folge desVersuches <strong>der</strong> Systematischen Theologie,<strong>die</strong> ganze Schrift – <strong>die</strong> Reformationsprach von ‚tota scriptura‘ – zugleichzum Sprechen zu bringen. Wenn Jesusuns in <strong>der</strong> Offenbarung eben sowohlals Mensch, als auch als Gott offenbartwird, ist es nicht unsere Aufgabe, <strong>die</strong>beiden Seiten gegeneinan<strong>der</strong> auszuspielen,son<strong>der</strong>n sie zusammenzusehen undzugleich zu bekennen.In <strong>der</strong> Bibel werden häufig zwei Seiteneiner Münze (o<strong>der</strong> auch noch mehrSeiten) <strong>auf</strong>gezeigt, also zwei biblischeLehren, <strong>die</strong> sich scheinbar wi<strong>der</strong>sprechen,in einem Atemzug genannt. Wirbeginnen mit einigen Beispielen konkreterBibetexte, um uns dann einigenumfassen<strong>der</strong>en Lehren <strong>der</strong> Bibel zuzuwenden.5Mose 28–30 spricht vom „Segeno<strong>der</strong> Fluch, <strong>die</strong> ich euch vorgelegt habe“(5Mose 30,1). Der Bund mit Gottbringt Vorzüge, aber auch ein ernsteresGericht mit sich (vgl. Röm 2,9+10).In 1Mose 2,15 erhält <strong>der</strong> Menschden Auftrag, <strong>die</strong> Welt zu „bearbeiten“und zu „bewahren“, also zu verän<strong>der</strong>nund zu erhalten, was sich theoretischausschließt, doch im Alltag untrennbarzusammengehört.In Ps 51,18–19+21 heißt es: „Denn duhast keine Lust an Schlachtopfern, sonstgäbe ich es dir, Brandopfer gefallen dirnicht. <strong>Die</strong> Opfer Gottes sind ein zerbrochenerGeist, ein zerbrochenes undzerschlagenes Herz wirst du, o Gott,nicht verachten. ... Dann wirst du Lusthaben an rechten Opfern, Brandopfernund Ganzopfern, dann wird man Stiere<strong>auf</strong> deinem Altar darbringen.“ Hiersind Opfer zunächst nicht erwünscht,werden dann aber doch gerne entgegengenommen.In Ps 73,23: „Dennoch bleibe ichstets bei dir, denn du hältst mich anmeiner rechten Hand.“ Dass <strong>der</strong> Gläubigesich an Gott festhält, wird damitbegründet, dass Gott ihn festhält. Werhält hier wen fest? Beide Seiten gehörenuntrennbar zusammen.In 1Joh 1,5–3,10 wechselt Johannesständig mit immer neuen Formulierungenzwischen vier Grundaussagen:„Je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> aus Gott geboren ist, sündigtnicht“ (1Joh 3,9); „Wenn wir sagen,dass wir keine Sünde haben, betrügenwir uns selbst“ (1Joh 1,8); „So wirunsere Sünden bekennen ...“ (1Joh 1,9)und: „Das schreibe ich euch, damit ihrnicht sündigt“ (1Joh 2,1). <strong>Die</strong> vier Aussagen,1. dass <strong>der</strong> Christ nicht sündigt,2. dass je<strong>der</strong> Christ Sünde tut, 3. dass10MBS Texte 66


<strong>Die</strong> <strong>Entdeckung</strong> <strong>der</strong> Komplementarität, <strong>ihre</strong> Übertragung <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Theologie ...je<strong>der</strong> Christ seine Sünde bekennen sollund 4. dass <strong>der</strong> Christ von <strong>der</strong> Sündeablassen soll, wi<strong>der</strong>sprechen sich nicht,son<strong>der</strong>n gehören zusammen.In 1Kor 8–10 wendet sich Pauluszunächst gegen <strong>die</strong>, <strong>die</strong> im Tempel anden Götzenfeiern teilnehmen, dannaber auch gegen <strong>die</strong>, <strong>die</strong> glauben, dassman das Götzenopferfleisch nichtessen dürfte.Komplementäre biblischeThemenPrädestination und VerantwortungRöm 3+9–11 Schuld <strong>der</strong> Judeno<strong>der</strong> Heilsgeschichte?Kann ein Christ verlorengehen?Glaube und WissenGlaube und WerkeGesetz und GnadeGesetz und GeistGericht und BegnadigungBarmherzigkeit und ZornGottesLehre und Leben<strong>Die</strong> T<strong>auf</strong>e als Handeln Gottesund des MenschenDas allgemeine Priestertum und<strong>die</strong> Notwendigkeit von Leitungsämternin <strong>der</strong> Gemeinde 59<strong>Die</strong> Unterschiedlichkeit undZusammengehörigkeit vonMann und Frau 60Ehe – rechtliche und unsichtbarliebendeSeiteSelbstverwirklichungSelbstverleugnungundAn sich selbst und an<strong>der</strong>edenkenGenuss und VerzichtRöm 7 und Röm 8Geistesgaben: Gabe und FruchtZeugnis des Geistes und Zeugnisdes MenschenErwachsener/reifer und kindlicherGlaubeBebauen und bewahrenGott über uns und Gott unterunsChristus in uns und Christus fürunsGott <strong>der</strong> Allerhöchste und <strong>der</strong>AllernächsteLeib und GeistIrdisch und himmlischChristoph H<strong>auf</strong>e hat <strong>die</strong> Errettungallein durch Glauben und <strong>die</strong> Auffor<strong>der</strong>ungzu guten Werken nach denGeboten Gottes beide ausführlich ausden paulinischen Schriften erhoben 61und schreibt:„<strong>Die</strong>s bedeutet nämlich einmal, dassfür jeden, <strong>der</strong> sich <strong>auf</strong> Paulus beruft,beide Vorstellungsreihen verbindlichsein müssen, und zum an<strong>der</strong>en, dassbeide sich wi<strong>der</strong>sprechende Vorstellungsreihenin einem menschlichenSubjekt müssen Platz finden können ...Als orthodox könnte doch nur etwasTheologische Akzente 11


Thomas Schirrmachergewertet werden, das beides enthält,und jede theologische Arbeit und Predigt,<strong>die</strong> nicht beides berücksichtigen,müssten als unpaulinisch gelten, anstattdass man nur <strong>die</strong> eine Vorstellungsreiheals Kriterium des paulinischen Christentumsnimmt, und durch <strong>die</strong>se <strong>die</strong>an<strong>der</strong>e verketzert, sie also auch bei Paulusverketzern muss ... Paulus contraPaulus?“ 62Alister E. McGrath hat treffend <strong>die</strong>Position des größten Kirchenvaters zurFrage nach <strong>der</strong> Prädestination beschrieben:„Laut Augustinus muss man, wenndem Reichtum und <strong>der</strong> Komplexität <strong>der</strong>biblischen Aussagen zu <strong>die</strong>sem ThemaGerechtigkeit wi<strong>der</strong>fahren soll, zugleichan <strong>der</strong> absoluten Souveränität Gottesund an <strong>der</strong> wirklich menschlichen Freiheitund Verantwortlichkeit festhalten.<strong>Die</strong> Problematik durch eine Bestreitung<strong>der</strong> Souveränität Gottes o<strong>der</strong> <strong>der</strong>menschlichen Freiheit zu vereinfachenliefe <strong>auf</strong> eine ernsthafte Infragestellungdes christlichen Verständnisses <strong>der</strong> Artund Weise hinaus, in <strong>der</strong> Gott denMenschen rechtfertigt.“ 63<strong>Die</strong> Bibel macht den Menschen alseinzelne Person voll verantwortlich.Und dennoch bezieht sich <strong>die</strong>se Verantwortungnur <strong>auf</strong> den Verantwortungsbereich,den Gott den Menschengegeben hat. Darüber steht Gott inseiner Allmacht und lenkt <strong>die</strong> Schöpfung.Aus <strong>die</strong>ser Allmacht heraus wirdüberhaupt erst <strong>die</strong> Verantwortung desMenschen und das Gebot an den Menschenbegründet. <strong>Die</strong>s macht etwa Phil2,12–13 deutlich: „Schaffet euer Heilmit Furcht und Zittern, denn Gottist es, <strong>der</strong> in euch sowohl das Wollen,als auch das Vollbringen schafft, nachseinem Wohlgefallen“. Hier führt dasWissen darum, dass Gott alles wirkt,nicht zur Passivität, son<strong>der</strong>n geradezum ‚Schaffen‘.In ähnlicher Weise werden in Eph2,8–10 <strong>die</strong> guten Werke des Christenmit Gottes souveränem Handeln verbunden:„Denn aus Gnaden seid <strong>ihre</strong>rrettet durch den Glauben, und dasnicht aus euch, Gottes Gabe ist es,nicht aus Werken, damit sich niemandrühme. Denn wir sind sein Gebilde,geschaffen in Christus Jesus zu gutenWerken, <strong>die</strong> Gott zuvor bereitet hat,damit wir in ihnen wandeln sollen.“Karl Barth schreibt zur Zusammengehörigkeitvon Gnade und Zorn Gottes:„<strong>Die</strong> Kritiker des Begriffs des ‚ZornesGottes‘, A. Ritschl (Rechtf. u. Vers. 2.Bd. § 16f.) voran, waren schwer imUnrecht, wenn sie sagten, ‚Zorn’ seikeine aus dem Wesen Gottes verständlichzu machende, sie sei insbeson<strong>der</strong>ekeine mit seiner Liebe und Gnade zuvereinbarende Eigenschaft, Tätigkeito<strong>der</strong> Verfassung. Dazu ist zu sagen:Gnade wäre nicht Gottes Gnade, wennsie zu scheiden wäre von <strong>der</strong> Heiligkeit,in <strong>der</strong> Gott allein seinen eigenen undals solchen guten Willen gelten undgeschehen lässt, allem ihm Fremdenfern ist und wi<strong>der</strong>steht, jeden Wi<strong>der</strong>spruchihm gegenüber verurteilt, ausschließtund vernichtet. Und Gnade12MBS Texte 66


<strong>Die</strong> <strong>Entdeckung</strong> <strong>der</strong> Komplementarität, <strong>ihre</strong> Übertragung <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Theologie ...wäre nicht freie Gnade, wenn sie aneine einzige Gestalt <strong>ihre</strong>r Erweisungund Erscheinung gebunden, wenner verpflichtet wäre, monoton als <strong>die</strong>‚Liebe’, nämlich als das, was wir unsunter Liebe vorstellen, offenbar zu sein,wenn es ihm gewissermaßen verbotenwäre, dem, dem ein Nein zukommt,sein Nein entgegenzustellen, sich da,wo er <strong>auf</strong> jenen Wi<strong>der</strong>spruch stößt, als<strong>der</strong>, <strong>der</strong> er in sich ist, zu verbergen, seineGnade in jener Fremdgestalt seinesUnwillens und Zornes zu offenbaren.Und vor allem: Gnade wäre ja gar nichtGnade, gar nicht Gottes ernstliche undwirksame Zuwendung zum Menschen,gar nicht <strong>die</strong> effektive Aufrichtungseiner Gemeinschaft mit ihm, wenner sich zu des Menschen Gegensatz zuihm nicht seinerseits in Gegensatz setzen,wenn er ihn unangeklagt, unverurteilt,ungestraft seiner Wege ziehenlassen, wenn er des Menschen elendenHochmut ignorieren würde, wenn <strong>der</strong>Mensch <strong>der</strong> Sünde ihn nicht zu fürchtenhätte, wenn es nicht schrecklichwäre, in seine Hände zu fallen (Hebr.10,31), wenn er dem, <strong>der</strong> ihm wi<strong>der</strong>steht,nicht ein verzehrendes Feuer wäre(Hebr. 12,29). Dass seine Gnade ohnesein Gericht nicht seine Gnade wäre, istebenso wahr wie das scheinbar Entgegengesetzte– ist vielmehr in un<strong>auf</strong>löslicherEinheit eben damit wahr: dasses keine Heiligkeit Gottes gibt, <strong>die</strong> vonseiner Gnade zu scheiden, und alsoauch keinen Zorn Gottes, <strong>der</strong> – das hatA. Ritschl lei<strong>der</strong> von ferne nicht verstehenkönnen – etwas An<strong>der</strong>es wäre alsdas heilsame Brennen seiner Liebe, <strong>die</strong>ja eben darin ihr abschließendes undeigentliches Werk getan hat, dass er umunserer, <strong>der</strong> in Sünde und Schuld gefallenenMenschen willen, seines eigenenSohnes nicht verschont hat.“ 64C. S. Lewis schreibt einmal:„... <strong>der</strong> Teufel ... schickt <strong>der</strong> Welt<strong>die</strong> Irrtümer immer paarweise <strong>auf</strong> denHals – in Paaren von Gegensätzen.Und er stiftet uns ständig dazu an, vielZeit dadurch zu vertrödeln, dass wirnachgrübeln, welches <strong>der</strong> schlimmereIrrtum ist. Der Grund dafür liegt <strong>auf</strong><strong>der</strong> Hand: Er baut <strong>auf</strong> unserm tiefenWi<strong>der</strong>willen gegen den einen Irrtum,um uns Schritt für Schritt in den an<strong>der</strong>enhineinzuziehen. Lassen wir unsnicht zum Narren halten. Wir müssenunser Auge <strong>auf</strong> das Ziel richten undgeradewegs zwischen den beiden Irrtümernhindurchschreiten.“ 65<strong>Die</strong> biblische Formulierung dafürlautet: „Weichet nicht zur Rechten nochzur Linken“ (5Mose 17,11+20; ähnlich28,14; Jos 1,7; 23,6; 2Kön 22,2; 2Chr34,2; Spr 4,27; Jes 30,21). In <strong>der</strong> Bibelwird <strong>die</strong>s auch daran deutlich, dass oftzwei Seiten einer Münze dargestelltwerden. Beide Seiten zusammen ergebenerst <strong>die</strong> biblische Wahrheit und<strong>die</strong> biblische Ethik. Demenstprechendkann man in vielen Fragen rechtsund links vom Pferd fallen, also auchbiblische Ordnungen zu lasch und zustreng handhaben.Theologische Akzente 13


Thomas SchirrmacherAnmerkungen1Carl Friedrich von Weizsäcker. „Komplementaritätund Logik“. S. 281–331 in: <strong>der</strong>s. Carl Friedrichvon Weizsäcker. Zum Weltbild <strong>der</strong> Physik.S. Hirzel: Stuttgart, 19587. S. 281.2Vgl. Wolfgang Buchheim. Komplementaritätnach Niels Bohr. Sitzungsberichte <strong>der</strong> SächsischenAkademie <strong>der</strong> Wissenschaften zu Leipzig,Mathematisch-NaturwissenschaftlicheKlasse 117, 6. Akademie-Verlag: Berlin, 1984und Wolfgang Buchheim (Hg.). Beiträge zurKomplementarität, <strong>die</strong>selbe Reihe 55,5. ebd.1983.3Bertelsmann Neues Lexikon in 10 Bänden.Bd. 5. Bertelsmann Lexikon Verlag: Gütersloh,1995. S. 323.4Carl Friedrich von Weizsäcker. „Komplementaritätund Logik“. a. a. O. S. 284 skizziert so <strong>die</strong>klassische Auffassung <strong>der</strong> Quantentheorie. Seineeigene Sicht weicht etwas davon ab.5So L. von Strauss und Torney. „Das Komplementaritätsprinzip<strong>der</strong> Physik in philosophischerAnalyse“. Zeitschrift für philosophische Forschung10 (1956): 109–128, S: 110 und WolfgangBuchheim. Komplementarität nach NielsBohr. a. a. O. S. 18.6Michael Otte. „Komplementarität“. S. 847–849 in: Jansjörg Sandkühler (Hg.). EuropäischeEnzyklopä<strong>die</strong> zu Philosophie und Wissenschaften.Bd. 2. Hamburg: Felix Meiner Verlag,1990. S. 847.7Nach Armin Hermann. „<strong>Die</strong> KopenhagenerDeutung <strong>der</strong> Quantentheorie: WissenschaftsgeschichtlicheAnmerkungen“. S. 63–67 in:Werner Heisenberg, Niels Bohr. <strong>Die</strong> KopenhagenerDeutung <strong>der</strong> Quantentheorie. Dokumente<strong>der</strong> Naturwissenschaft, Abteilung Physik 4.Stuttgart: Ernst Battenberg Verlag, 1963.8So L. von Strauss und Torney. „Das Komplementaritätsprinzip<strong>der</strong> Physik in philosophischerAnalyse“. Zeitschrift für philosophische Forschung10 (1956): 109–128, S: 110.9Ebd. S. 110.10Werner Heisenberg. Der Teil und das Ganze:Gespräche im Umkries <strong>der</strong> Atomphysik. München,R. Piper, 1969. S. 113–11511<strong>Die</strong> wichtigsten Vorträge Bohs zum ThemaKomplementaritätsgedanken im Rahmen <strong>der</strong>Physik finden sich in Niels Bohr. Atomphysikund menschliche Erkenntnis. <strong>Die</strong> Wissenschaft112. Braunschweig: Friedr. Vieweg & Sohn,1958 (Aufsatzsammlung ab 1933); Niels Bohr.Atomtheorie und Naturbeschreibung: VierAufsätze. Berlin: Julius Springer, 1931 (bes. S.6–7); Niels Bohr. Atomphysik und menschlicheErkenntnis II: Aufsätze aus den Jahren1958–1962. Braunschweig: Viewg & Sohn,1966; Niels Bohr. Atomphysik und menschlicheErkenntnis: Aufsätze aus den Jahren 1930–1961.Facetten <strong>der</strong> Physik 20. Braunschweig: Viewg &Sohn, 1985;Werner Heisenberg, Niels Bohr. <strong>Die</strong>Kopenhagener Deutung <strong>der</strong> Quantentheorie.Dokumente <strong>der</strong> Naturwissenschaft, AbteilungPhysik 4. Stuttgart: Ernst Battenberg Verlag,1963.12Zu Bohrs Komplementaritätsgedanken imRahmen <strong>der</strong> Physik vgl. bes. Wolfgang Buchheim.Komplementarität nach Niels Bohr.Sitzungsberichte <strong>der</strong> Sächsischen Akademie<strong>der</strong> Wissenschaften zu Leipzig, Mathematisch-NaturwissenschaftlicheKlasse 117, 6.Akademie-Verlag: Berlin, 1984. S. 1–18; KlausMichael Meyer-Abich. Korrespondenz, Individualitätund Komplementarität. Boethius: Texteund Abhandlungen zur Geschichte <strong>der</strong> exaktenNaturwissenschaft 5. Wiesbaden: Franz SteinerVerlag, 1965; Edward MacKinnon. „Complementarity“.S. 255–270 in: W. Mark Richardson,Wesley J. Wildmann (Hg.). Religion andScience. New York/London: Routledge, 1996.S. 261–266; Guy Marcel Clicqué. Differenz undParallelität. Untersuchungen zum christlichen14MBS Texte 66


<strong>Die</strong> <strong>Entdeckung</strong> <strong>der</strong> Komplementarität, <strong>ihre</strong> Übertragung <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Theologie ...Glauben in einer säkularen Welt 1. Frankfurt:Peter Lang, 2001. S. 210ff. Zur philosophischenSeite <strong>der</strong> Sicht Bohrs vgl. Henry J. Folse. ThePhilosophy of Niels Bohr: The Framework ofComplementarity. Amsterdam: North Holland,1985; L. von Strauss und Torney. „Das Komplementaritätsprinzip<strong>der</strong> Physik in philosophischerAnalyse“. Zeitschrift für philosophische Forschung10 (1956): 109–128 (zum Komplementaritätsgedankenin <strong>der</strong> Philsoophie allgemeinvgl. <strong>die</strong> Literaturangaben oben).13Ernst Peter Fischer, Heinz Stefan Herzka, K.Helmut Reich. „<strong>Die</strong> grundlegenden Konzepte“.S. 18–28 in: <strong>die</strong>selben (Hg.). Wi<strong>der</strong>sprüchlicheWirklichkeit – Neues Denken in Wissenschaftund Alltag. Serie Piper 1554. München: Piper,1992. S. 1814<strong>Die</strong>se Definition wurde im letzten Abschnittoben wie<strong>der</strong>gegeben.15Hans Primas. “Ein Ganzes, das nicht ausTeilen besteht: Komplementarität in den exaktenNaturwissenschaften”. Mannheimer Forum: EinPanorama <strong>der</strong> Naturwissenschaften (BoehringerMannheim) 1992/1993 (1993): 81–111, hier S.82.16Für beides Beispiele bei Hans Primas. “EinGanzes, das nicht aus Teilen besteht: Komplementaritätin den exakten Naturwissenschaften”.a. a. O. S. 96–97.17Vgl. dazu Wilfried Kuhn. „<strong>Die</strong> Idee <strong>der</strong>Komplementarität: Historische Analyse undwissenschaftstheoretische Kritik“. Praxis <strong>der</strong>Naturwissenschaften/Physik (Österreich)34 (1985) 7: 12–17, S. 13–16; Michael Otte.„Komplementarität“. S. 847–849 in: JansjörgSandkühler (Hg.). Europäische Enzyklopä<strong>die</strong>zu Philosophie und Wissenschaften. Bd. 2.Hamburg: Felix Meiner Verlag, 1990, S. 848;Karl Popper. Vermutungen und Wi<strong>der</strong>legungen.Tübingen: Mohr, 1994. S. 146–147.18Vgl. Arkady Plotnitsky. Complementarity:Antiepistemology after Bohr and Derrida.Durham (NC): Duke University Press, 1994;Ernst Peter Fischer, Heinz Stefan Herzka, K.Helmut Reich. „<strong>Die</strong> grundlegenden Konzepte“.S. 18–28 in: <strong>die</strong>selben (Hg.). Wi<strong>der</strong>sprüchlicheWirklichkeit – Neues Denken in Wissenschaftund Alltag. Serie Piper 1554. München: Piper,1992 und den Überblick bei Guy Marcel Clicqué.Differenz und Parallelität. Untersuchungen zumchristlichen Glauben in einer säkularen Welt 1.Frankfurt: Peter Lang, 2001. S. 210–242, sowieL. von Strauss und Torney. „Das Komplementaritätsprinzip<strong>der</strong> Physik in philosophischer Analyse“.Zeitschrift für philosophische Forschung10 (1956): 109–128, S. 119–128.19Max Planck. Scheinprobleme <strong>der</strong> Wissenschaft.Vortrag, gehalten in Göttingen am 17.Juni 1946. Leipzig: Barth, 1947.20Pascual Jordan. Verdrängung und Komplementarität.Hamburg: Stormverlag, 19471,19512. S. 79–83.21Eine Eingabe des Begriffes Komplementarität/complementarity in eine Literatursuchmaschinebringt zahllose Titel aller Fachgebiete zumVorschein. Als Sammelband zu verschiedenenFächern empfiehlt sich: Ernst Peter Fischer,Heinz Stefan Herzka, K. Helmut Reich (Hg.).Wi<strong>der</strong>sprüchliche Wirklichkeit – Neues Denkenin Wissenschaft und Alltag. Serie Piper 1554.München: Piper, 1992. Mathematik WillemKuyk. Complementarity in Mathematics. Dordrecht(NL), 1977; Hans Niels Jahnke. „BeweisbareWi<strong>der</strong>sprüche: Komplementarität in <strong>der</strong>Mathematik“. S. 98–130 in: Ernst Peter Fischer,Heinz Stefan Herzka, K. Helmut Reich (Hg.).Wi<strong>der</strong>sprüchliche Wirklichkeit – Neues Denkenin Wissenschaft und Alltag. Serie Piper 1554.München: Piper, 1992; Helmut Reis. Harmonieund Komplementarität: Harmonikale Interpretationdes pythagoreischen Lehrsatzes. Bonn:Verlag für Systematische Musikwissenschaft,1983. Naturwissenschaften allgemein: WolfgangGründler. Komplementarität und Kompetitionnaturwissenschaftlicher Theorien. Berlin: DeutscherVerlag <strong>der</strong> Wissenschaften, 1990. Medizin:Heinz Stefan Herzka. „Gesundheit und Krankheit– Dialogisches Denken als Grundlage medizinischerAnthropologie“. 199–219 in: ErnstPeter Fischer, Heinz Stefan Herzka, K. HelmutReich (Hg.). Wi<strong>der</strong>sprüchliche Wirklichkeit– Neues Denken in Wissenschaft und Alltag.Serie Piper 1554. München: Piper, 1992; PascualJordan. Verdrängung und Komplementarität.Hamburg: Stormverlag, 19471, 19512. S.Theologische Akzente 15


Thomas Schirrmacher79–83. Psychologie: Léon Wurmser. <strong>Die</strong>zerborchene Wirklichkeit: Psychoanalyse alsdas Studium von Konflikt und Komplementarität.Berlin: Springer, 1989. Philosophie:Enno Rudolph. „Komplementarität und Zeit:Philosophische Anmerkungen ...“. S. 98–112 in:Christian Link (Hg.). <strong>Die</strong> Erfahrung <strong>der</strong> Zeit:Gedenkschrift für Georg Picht. Stuttgart: ErnstKlett, 1984; L. von Strauss und Torney. „DasKomplementaritätsprinzip <strong>der</strong> Physik in philosophischerAnalyse“. Zeitschrift für philosophischeForschung 10 (1956): 109–128; Michael Otte.„Komplementarität“. S. 847–849 in: JansjörgSandkühler (Hg.). Europäische Enzyklopä<strong>die</strong>zu Philosophie und Wissenschaften. Bd. 2.Hamburg: Felix Meiner Verlag, 1990; KlausMichael Meyer-Abich. „Komplementarität“. Sp.933–934 in: Historisches Wörterbuch <strong>der</strong> Philosophie.Bd. 4. Basel: Schwabe & Co, 1976.Kulturwissenschaften: Karl Acham. Geschichteund Sozialtheorie: Zur Komplementarität kulturwissenschaftlicherErkenntnisorientierungen.Freiburg: Alber, 1995: Rechtswissenschaften:Gustav Sommer. Polarität im Strafrecht: Theorieeines komplementären Komplexes zwischenPositivismus und Naturrecht. Hamburg: Tieck,1970. Pädagogik: Helmut K. Reich. Der Begriff<strong>der</strong> Komplementarität in Wissenschaft undAlltag. Berichte zur Erziehungswissenschaft 105.Pädagogisches Institut: Freiburg (CH), 1994.22Klaus Michael Meyer-Abich. „Komplementarität“.Sp. 933–934 in: Historisches Wörterbuch<strong>der</strong> Philosophie. Bd. 4. Basel: Schwabe & Co,1976. Sp. 933. Als ‘grundlegend’ bezeichnet undzustimmend zitiert von Ernst Peter Fischer, HeinzStefan Herzka, K. Helmut Reich. „<strong>Die</strong> grundlegendenKonzepte“. S. 18–28 in: <strong>die</strong>selben (Hg.).Wi<strong>der</strong>sprüchliche Wirklichkeit – Neues Denkenin Wissenschaft und Alltag. Serie Piper 1554.München: Piper, 1992. S. 19.23Guy Marcel Clicqué. Differenz und Parallelität.Untersuchungen zum christlichen Glaubenin einer säkularen Welt 1. Frankfurt: Peter Lang,2001. S. 214.24Abgedruckt S. 23–31 in Niels Bohr. Atomphysikund menschliche Erkenntnis. <strong>Die</strong> Wissenschaft112. Braunschweig: Friedr. Vieweg &Sohn, 1958.25Nature 143 (1939) Nr. 268.26Abgedruckt S. 68–83 in: Niels Bohr. Atomphysikund menschliche Erkenntnis. <strong>Die</strong> Wissenschaft112. Braunschweig: Friedr. Vieweg &Sohn, 1958.27Vgl. dazu Günter Howe. „Zu den Äußerungenvon Niels Bohr über religiöse Fragen“. Kerygmaund Dogma 4 (1958): 20–46 und Günter Howe.„Niels Bohr über <strong>die</strong> Religion (1958)“. S. 92–109in: <strong>der</strong>s. <strong>Die</strong> Christenheit im Atomzeitalter: Vorträgeund Stu<strong>die</strong>n. Stuttgart: Ernst Klett Verlag,1970.28Niels Bohr. „Physical Science and the Studyof Religions“. S. 385–390 in: Studia OrientaliaIoanni Pe<strong>der</strong>sen. Hauniae: Einar Munksgaard,1953. S. 389 (und den ganzen Vortrag). Vgl.dazu Guy Marcel Clicqué. Differenz und Parallelität.a. a. O. S. 225–227 und Günter Howe.„Zu den Äußerungen von Niels Bohr über religiöseFragen“. a. a.O. S. 34–36.29Niels Bohr. Atomphysik und menschlicheErkenntnis. a. a. O. S. 82.30John Baillie. The Sense of the Presence of God:Glifford Levtures, 1961–2. London: OxfordUniversity Press, 1962. S. 217.31Ernst Peter Fischer, Heinz Stefan Herzka, K.Helmut Reich. „<strong>Die</strong> grundlegenden Konzepte“.S. 18–28 in: <strong>die</strong>selben (Hg.). Wi<strong>der</strong>sprüchlicheWirklichkeit – Neues Denken in Wissenschaftund Alltag. Serie Piper 1554. München: Piper,1992. S. 21. Vgl. dazu Christopher B. Kaiser.“Christology and Complementarity”. ReligiousStu<strong>die</strong>s 12 (1976): 37–48; Christopher B. Kaiser.“Quantum Complementarity and ChristologicalDialectic”. S. 291–298 in: W. Mark Richardson,Wesley J. Wildmann (Hg.). Religion andScience. New York/London: Routledge, 1996;Christopher B. Kaiser. The Logic of Complementarityin Science and Theology. a. a. O. S.318–339.32Bernhard Philberth. Der Dreieine: Anfangund Sein: <strong>Die</strong> Struktur <strong>der</strong> Schöpfung. Steinam Rhein: Christiana-Verlag, 19877 (19701).S. 438–531, bes. S. 531; daran schließt sich anJohan Bouman. Augustinus: Lebensweg und16MBS Texte 66


<strong>Die</strong> <strong>Entdeckung</strong> <strong>der</strong> Komplementarität, <strong>ihre</strong> Übertragung <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Theologie ...Theologie. Gießen: Brunnen Verlag, 1987. S.191–196.33Christopher B. Kaiser. The Logic of Complementarityin Science and Theology. a. a. O. S.245–26834Ebd. S. 531.35Ebd. S. 438.36William H. Austin. Waves, Particles, andParadoxes. Rice University Stu<strong>die</strong>s 53. Houston(TX): Rice University Press, 1967. S. 85–92,bes. 86 ; Ian G. Barbour. Myths, Models, andParadigms. SCM, 1974. S. 151–55; dazu ChristopherB. Kaiser “Quantum Complementarityand Christological Dialectic”. a. a. O. S. 291;Christopher B. Kaiser. “Christology and Complementarity”.a. a. O. S. 38; Christopher B.Kaiser. “Christology and Complementarity”. a.a. O. S. 38.37D. M. MacKay. “Complementarity in Scientificand Theological Thinking”. Zygon: Journalof Religion and Science 9 (1974): 225–244, S.238–239.38Ebd. S. 237–238.39Christopher B. Kaiser. “Christology andComplementarity”. Religious Stu<strong>die</strong>s 12 (1976):37–48, S. 37.40Fraser Watts. „Science and Theology as ComplementaryPerspectives“. a. a. O. S. 165.41Christopher B. Kaiser. The Logic of Complementarityin Science and Theology. a. a. O. S.340–354.42Vgl. grundsätzlich auch James E. Lo<strong>der</strong>, W.Jim Neidhardt. „Barth, Bohr, and Dialectic“.S. 271–289 in: W. Mark Richardson, Wesley J.Wildmann (Hg.). Religion and Science. NewYork/London: Routledge, 1996 und am ausführlichstenChristopher B. Kaiser. The Logicof Complementarity in Science and Theology.Ph. D.-Thesis: University of Edinburgh, 1974.S. 230–377.43In chronologischer Reihenfolge möchte ichnennen: John Baillie. The Sense of the Presenceof God: Glifford Levtures, 1961–2. London:Oxford University Press, 1962. S. 218–219;Christopher B. Kaiser. The Logic of Complementarityin Science and Theology. PH. D.-Thesis:University of Edinburgh, 1974; D. M. MacKay.“Complementarity in Scientific and TheologicalThinking”. Zygon: Journal of Religion andScience 9 (1974): 225–244; Hugo Adam Bedau.“Complementarity and the Realtion betweenScience and Religion”. Zygon: Journal of Religionand Science 9 (1974): 202–224; HaroldH. Oliver. “The Complementarity of Theologyand Cosmology”. Zygon: Journal of Religionand Science 13 (1978): 19–33; Jürgen Hübner.„Komplementäre Geltungsbereiche: Der Dialogzwischen Theologie und Naturwissenschaft“. S.131–143 in: Ernst Peter Fischer, Heinz StefanHerzka, K. Helmut Reich (Hg.). Wi<strong>der</strong>sprüchlicheWirklichkeit – Neues Denken in Wissenschaftund Alltag. Serie Piper 1554. München:Piper, 1992; Edward MacKinnon. „Complementarity“.S. 255–270 in: W. Mark Richardson,Wesley J. Wildmann (Hg.). Religion andScience. New York/London: Routledge, 1996;Philip P. Duce. “Complementarity in Perspective”.Science and Christian Belief (Exeter, GB)8 (1996): 145–155; Howard J. van Till. “InSearch of a More Fruitful: A Response to PhilipP. Duce”. Science and Christian Belief (Exeter,GB) 8 (1996): 156–161; Fraser Watts. „Scienceand Theology as Complementary Perspectives“.S. 157–179 in: Niels Henrik Gregersen, J. Wentzelvan Huyssteen (Hg.). Rethinking Theologyand Science: Six Models for the Current Dialogue.Wm. B. Eerdman: Grand Rapids (MI),1998 (vgl. auch <strong>die</strong> Zusammenfassung <strong>der</strong> Hrsg.S. 9–10); Guy Marcel Clicqué. Differenz undParallelität. Untersuchungen zum christlichenGlauben in einer säkularen Welt 1. Frankfurt:Peter Lang, 2001, bes. 242–251, 269–279; GuyMarcel Clicqué. „Komplementarität: Chancenund Grenzen eines physikalischen Konzeptes fürden Dialog zwischen Theologie und Naturwissenschaft“.Evangelium und Wissenschaft (Karl-Heim-Gesellschaft) Nr. 41 (Mai 2002): 3–19.44Vgl. P. Probst. „Paradox ... I“. Sp. 81–90 in:Joachim Ritter, Karlfried Grün<strong>der</strong> (Hg.). HistorischesWörterbuch <strong>der</strong> Philosophie. Bd. 7.Basel: Schwabe & Co, 1989. Vgl. zum theologischenGebrauch H. Schrö<strong>der</strong>. „Paradox ... II.“.Sp. 91–96 in: ebd., sowie zur mo<strong>der</strong>nen Logik F.Theologische Akzente 17


Thomas Schirrmachervon Kutschera. „Paradox ... III.“. Sp. 91–96 in:ebd.45Vgl. P. Probst. „Polarität“. Sp. 1026–1029 in:Joachim Ritter, Karlfried Grün<strong>der</strong> (Hg.). HistorischesWörterbuch <strong>der</strong> Philosophie. Bd. 7.Basel: Schwabe & Co, 1989. In zwei Werkenfinden sich viele gute Beispiel für Polarität (undKomplementarität) in den Naturwissenschaften:Walter Bloch. Polarität: Ihre Bedeutung für <strong>die</strong>Philosophie, <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Physik, Biologieund Psychologie. Erfahrungen und Denken 37.Berlin: Duncker & Humblot, 1972. 59–63 hältKomplementarität für eine gesteigerte, speziellePolarität (vgl. bei ihm S. 139–145 zur Polaritätvon Leib und Seele). Heinrich Blendinger. Polaritätals Weltgesetz. Stuttgart/Tübingen: RainerWun<strong>der</strong>lich Verlag, 1947. Blendinger will Pantheismusund Christentum vereinen.46Vgl. Petr Kotátko. „Antinomie“. S. 847–849in: Jansjörg Sandkühler (Hg.). EuropäischeEnzyklopä<strong>die</strong> zu Philosophie und Wissenschaften.Bd. 1. Hamburg: Felix Meiner Verlag,1990 und N. Hinske. “Antinomie I.”. S. 393–396 in: Joachim Ritter, Karlfried Grün<strong>der</strong> (Hg.).Historisches Wörterbuch <strong>der</strong> Philosophie. Bd. 1.Basel: Schwabe & Co, 1971; zur Logik F. vonKutschera. “Antinomie II.”. S. 396–405 in: ebd.47Hermann L. Goldschmidt. Philosophie alsDialogik. Frankfurt: EVA, 1948; Hermann L.Goldschmidt. Dialogik – Philosophie <strong>auf</strong> demBoden <strong>der</strong> Neuzeit. Frankfurt: EVA, 1964.48Heinz Stefan Herzka. „Was ist Dialogik“.S. 38–42 in: Ernst Peter Fischer, Heinz StefanHerzka, K. Helmut Reich (Hg.). Wi<strong>der</strong>sprüchlicheWirklichkeit – Neues Denken in Wissenschaftund Alltag. Serie Piper 1554. München:Piper, 1992. S. 38.49Vgl. Werner Licharz, Heinz Schmidt (Hg.).Dialogik und Dialektik: Internationales Symposiumzum 20. Todestag von Martin Buber.Arnoldshainer Texte 57. Frankfurt: Haag + Herchen,1991.50John Baillie. The Sense of the Presence of God:Glifford Levtures, 1961–2. London: OxfordUniversity Press, 1962. S. 217 verweist <strong>auf</strong> KarlHeim’s Begriff ‘Dimensionalität’, <strong>der</strong> allerdingsauch eine etwas an<strong>der</strong>e Färbung hat.51Vgl. Gottfried W. Locher. <strong>Die</strong> TheologieHuldrych Zwinglis im Lichte seiner Christologie.Erster Teil: <strong>Die</strong> Gotteslehre. Stu<strong>die</strong>n zurDogmengeschichte und systematischen Theologie1. S. 128–130.52Vgl. ebd. S. 39.53Hans Primas. “Ein Ganzes, das nicht ausTeilen besteht“. a. a. O. S. 84.54Hans Niels Jahnke. „Beweisbare Wi<strong>der</strong>sprüche:Komplementarität in <strong>der</strong> Mathematik“. S.98–130 in: Ernst Peter Fischer, Heinz StefanHerzka, K. Helmut Reich (Hg.). Wi<strong>der</strong>sprüchlicheWirklichkeit – Neues Denken in Wissenschaftund Alltag. Serie Piper 1554. München:Piper, 1992.55Hans Primas. “Ein Ganzes, das nicht ausTeilen besteht: Komplementarität in den exaktenNaturwissenschaften”. Mannheimer Forum: EinPanorama <strong>der</strong> Naturwissenschaften (BoehringerMannheim) 1992/1993 (1993): 81–111, S. 100.56So bes. auch Winfried Amelung. In IHMist <strong>die</strong> Fülle: Wi<strong>der</strong> <strong>die</strong> falschen Alternativen.Weinmann-Stiftung: Dornstetten, 1988.57Gute Beispiele stellen dar: Frank Stagg. Polaritiesof Man‘s Existence in Biblical Perspective.Westminster Press: Philadelphia, 1973; HendrikusBoers. „Polarities at the Roots of NewTestament“. Perspectives in Religious Stu<strong>die</strong>s11 (1984) 4: 55–75; erbaulich: Nicolass JacobusHofmeyer. Gegensätze im Christenleben.Übers. [aus dem Afrikaans] von G. Holtey-Weber. Hagen: Rippel, 18902; 19033; Kassel: J.G. Oncken, o. J.4; für ein Einzelthema: MarkusZehetbauer. <strong>Die</strong> Polarität von Gerechtigkeitund Barmherzigkeit. Stu<strong>die</strong>n zur Geschichte<strong>der</strong> katholischen Moraltheologie 35. Regensburg:Friedrich Pustet, 1999. John Stott. Einheit<strong>der</strong> Evangelikalen: Gegen <strong>die</strong> falschen Polarisierungen.Theologie und <strong>Die</strong>nst 8. Gießen:Brunnen, 1975 (Engl. Balanced Christianity)ist grundsätzlich gegen Polarisierung, argumentiertaber mehr für den Frieden und Kompromissund bietet keine theologische Erklärung für <strong>die</strong>Themen Verstand und Gefühl, Konservativeund Radikale, Form und Freiheit, Evangelisationsund soziales Handeln.18MBS Texte 66


<strong>Die</strong> <strong>Entdeckung</strong> <strong>der</strong> Komplementarität, <strong>ihre</strong> Übertragung <strong>auf</strong> <strong>die</strong> Theologie ...58Guy Marcel Clicqué. Differenz und Parallelität.Untersuchungen zum christlichen Glaubenin einer säkularen Welt 1. Frankfurt: Peter Lang,2001. S. 222–228.59<strong>Die</strong>se beiden Beispiele bei ebd. S. 33–50 (Amt)und S. 51–69 (T<strong>auf</strong>e).60So bes. John Stott. Christsein in den Brennpunktenunserer Zeit ... 4 ... im sexuellen Bereich.Francke: Marburg, 1988 [Engl. 1984]. S. 21–24(Abschnitt „Komplementarität“).61Christoph H<strong>auf</strong>e. <strong>Die</strong> sittliche Rechtfertigungdes Paulus. . Max Niemeyer: Halle, 1957(ganz).62Ebd. S. 37–38.63Alister E. McGrath. Der Weg <strong>der</strong> christlichenTheologie. C. H. Beck: München, 1997. S. 436.64Karl Barth. <strong>Die</strong> Kirchliche Dogmatik. 4.Band. Teil 1. Ev. Verlag: Zollikon, 1953. § 60S. 545–546 (Stu<strong>die</strong>nausgabe: Bd. 21, 1986); vgl.auch 2. Band. Teil 1. Ev. Verlag: Zollikon, 1940.§ 30, S. 405–407 (Stu<strong>die</strong>nausgabe: Bd. 8, 1987.Vgl. dazu auch Markus Zehetbauer. <strong>Die</strong> Polaritätvon Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Stu<strong>die</strong>nzur Geschichte <strong>der</strong> katholischen Moraltheologie35. Regensburg: Friedrich Pustet, 1999.65C. S. Lewis. Christentum schlechthin. J.Hoegner: Köln, 1956. S. 228–229 (neuer Titel:Pardon – ich bin Christ!).Über den AutorÜber den AutorDr. mult. Thomas Schirrmacher promovierte in Theologie(1985), in Kulturanthropologie (1989) und in Ethik (1996)und erhielt 1997 eine Ehrenpromotion. Er ist Rektor desMartin Bucer Seminars, einer theologischen Hochschule fürBerufstätige mit Stu<strong>die</strong>nzentren in Bonn, Hamburg, Berlin,Zürich, Innsbruck, Prag, Zlin und Istanbul, Direktor des Institutsfür Lebens- und Familienwissenschaften in Bonn,Kuratoriumsvorsitzen<strong>der</strong> des internationalen HilfswerkesGebende Hände GmbH und Inhaber des Verlag für Kultur und Wissenschaft.Er hat eine Professur für Systematische Theologie (Dogmatik, Ethik, Apologetik)und für Missions- und Religionswissenschaft am Whitefield TheologicalSeminary (USA) inne, sowie weitere Lehr<strong>auf</strong>träge an in- und ausländischenHochschulen wie <strong>der</strong> Freien Theologischen Akademie in Gießen und <strong>der</strong> Akademiefür christliche Führungskräfte (Wirtschaftsethik). Er ist Geschäftsführerdes Arbeitskreises für Religionsfreiheit <strong>der</strong> Deutschen und <strong>der</strong> ÖsterreichischenEvangelischen Allianz und Mitglied <strong>der</strong> Kommission für Religionsfreiheit<strong>der</strong> Weltweiten Evangelischen Allianz und Verfasser und Herausgeber von 74Büchern, darunter eine sechsbändige „Ethik“. Er ist mit <strong>der</strong> IslamwissenschaftlerinDr. Christine Schirrmacher verheiratet und Vater eines Sohnes (12) undeiner Tochter (9).Theologische Akzente 19

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