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Die Zukunftsorientierung der deutschsprachigen Pflegewissenschaft ...

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Prof. Dr. Michael Bossle, MScNDipl. Pflegepädagoge (FH), KrankenpflegerTH DeggendorfUMIT Hall i. TirolDIE ZUKUNFTSORIENTIERUNG DER DEUTSCHENPFLEGEWISSENSCHAFT AN DER SCHNITTSTELLEVON ALTER(N) UND PFLEGE - EIN PLÄDOYER FÜR EINEIDENTITÄTSFÖRDERNDE PFLEGEWISSENSCHAFT


Übersicht1 [Fragestellung] 2 [Methodik] 3 [Ergebnisse]4 [Konsequenz)


Wer in <strong>der</strong> Zukunft lesen will,muss in <strong>der</strong> Vergangenheit blättern.André Malraux (1901-1976)


1 [Fragestellung]


FRAGESTELLUNG(EN) (1)Wie schlagen sich die prognostiziertenMegatrends des Gesundheitswesens <strong>der</strong> Jahre1996 bis 2001 in den Publikationen <strong>der</strong><strong>Pflegewissenschaft</strong> an <strong>der</strong> Schnittstelle vonAlter(n) und Pflege in den <strong>deutschsprachigen</strong>pflegewissenschaftlichen Journals <strong>der</strong> Jahre1999 bis 2008 nie<strong>der</strong>?


FRAGESTELLUNG(EN) (2)a) Welche Megatrends zur Zukunft des alten undpflegeabhängigen Menschen wurden von den Expertenausgewählter Gutachten <strong>der</strong> Jahre 1996 bis 2001prognostiziert?b) Wie viele Artikel wurden in den Jahren 1999 bis 2008 zumThema „Alter(n) und Pflege“ in ausgewähltenpflegewissenschaftlichen und gerontologischenZeitschriftenorganen veröffentlicht?c) Welche Schwerpunktthemen erschienen korrespondierendmit den identifizierten zukünftigen Megatrends in den Jahren1999 bis 2008? Welche thematischen Auslassungen gibt es?d) Welche Begründungen und Interpretationen lassen sichdaraus ableiten?


2 [Methodik]


METHODIK (1)Rahmen: Zukunftsvierklang nach Pillkahn (2007)I. Nachrichten und SignaleII. FrüherkennungsarchitekturIII. Dynamisches NetzwerkIV. Konsequenzen


METHODIK (2)Inhaltsanalysen und Gruppendiskussion mit ExpertenEinzelanalysen:I. Fünf Expertengutachten (1996-2001)II. Vier Zeitschriften (1999-2008)[„Nachrichten und Signale“ = Vorhersagen][„Früherkennungsarchitektur“ = Themen]Gruppendiskussion:III. Vier Experten aus interdisziplinärem Kontext[„Dynamisches Netzwerk“ = Statements /Empfehlungen]Tiefenanalyse:IV. Diskussion und Synthese [„Konsequenzen“]


METHODIK (3)Folgende Auswertungsverfahren kamen zum Einsatz1. Gutachtenanalyse: Qualitative Heuristik nach Kleiningund Witt (2000)2. Zeitschriftenanalyse: Quantitative „dimensionale“Inhaltsanalyse nach Lamnek (in Anlehnung an Berelson)(2005a)3. Frequenzanalyse: Qualitative und QuantitativeInhaltsanalyse nach Mayring (2001, 2008)4. Gruppendiskussion: Gruppendiskussion mit Expertennach Lamnek (2005b) und Bohnsack (2009)


Schritt/Bezeichnung(nach Pillkahn 2007)„Nachrichten und Signale“Intention Datenmaterial Methode(1) Themenanalyse von Prognosenund Zukunftsszenarien(„Megatrendanalyse“)Gutachten (GBE 1998, SVR 1996,1997, 2000, 2001, BMFSJ 1998,2001)Qualitative Heuristik (Kleiningund Witt 2000)(2) Zeitschriftenanalyse/SegmentanalyseWissenschaftliche Zeitschriftenaus <strong>Pflegewissenschaft</strong> undGerontologie: PFLEGE (HansHuber), <strong>Pflegewissenschaft</strong> (HPSMedia), Pflege und Gesellschaft(Juventa) und ZfGG (Steinkopff)Quantitative Inhaltsanalyse(Lamnek 2005a)„Früherkennungsarchitektur“(3) Abgleich <strong>der</strong> Zeitschriftenbeiträgemit den analysierten MegatrendsEingeschlosseneZeitschriftenbeiträge undErgebnisse <strong>der</strong>Megatrendanalyse.Qualitative Inhaltsanalyse mitvergleichen<strong>der</strong>Frequenzanalyse (Lamnek2005a, Mayring 2008)„Dynamisches Netzwerk“(4) Gruppendiskussion mit Experten Experten aus <strong>Pflegewissenschaft</strong>,Gerontologie,Wissenschaftsjournalismus undGesundheitsökonomie.InterprofessionelleGruppendiskussionmit Experten(Lamnek 2005b,Bohnsack 2009)„Konsequenzen“(5) Interpretation <strong>der</strong>Forschungsergebnisse undGenerierung eines Zukunftskatalogs.Ergebnisse aus Analysen (1)−(3)und aus <strong>der</strong> Gruppendiskussion.Tiefenanalyse in Anlehnung anGrundlagenliteratur undExpertenaussagen.


3 [Ergebnisse]


ERGEBNISSE [1]: DIE GUTACHTEN229 Befunde aus fünf Gutachten wurden vier Kategorienzugeordnet.Ökonomischer Wandel (n= 97)Epidemiologischer Wandel (n= 72)Sozialer Wandels (n= 42)Demografischer Wandel (n=18)Megatrends(n= 115)


ERGEBNISSE [2]: DIE ZEITSCHRIFTEN (I)Von 1999-2008 wurden in vier Zeitschriften insgesamt 1840Artikel veröffentlicht.Davon wurden 193 Artikel in die Studie eingeschlossen.Dreiviertel <strong>der</strong> publizierten Artikel wiesen Befunde und zukunftsorientierteAussagen mit epidemiologischen Hintergründen auf.Im Bereich <strong>der</strong> Ökonomie wurden zwischen 59% (PrInterNet), 61% (PFLEGE)und 68% (Pflege und Gesellschaft) <strong>der</strong> Befunde identifiziert.<strong>Die</strong> Befundlage im Sozialen Wandel schneidet zwischen 43%-50% in allenZeitschriften abDer demografische Sektor schneidet mit Befunden in nur jedem zehntenArtikel abgeschlagen ab


ERGEBNISSE [3]: FREQUENZANALYSE (I)<strong>Die</strong> Zunahme <strong>der</strong> älteren und hochaltrigen Bevölkerung dominiert diedemografische Perspektive <strong>der</strong> deutschen <strong>Pflegewissenschaft</strong> imUntersuchungszeitraum. Dagegen spielen zurück gehende Geburtenraten imRahmen des Gesamtbevölkerungsschwundes keine Rolle.Epidemiologisch wird beson<strong>der</strong>s die Zunahme <strong>der</strong> Pflegebedürftigkeit beiZunahme gerontopsychiatrischer und dementieller Verän<strong>der</strong>ungen angeführt,<strong>der</strong> medizinische Fortschritt samt technischer und therapeutischerFortentwicklungen und die Handhabbarkeit des Pflegebedarfs sind diejenigenHerausfor<strong>der</strong>ungen gewesen, die die <strong>Pflegewissenschaft</strong> überproportional inden Blick genommen hat.Der Gegenstand <strong>der</strong> primären Prävention, das heißt die Gesun<strong>der</strong>haltung desgesunden Menschen ist aus dem Themenfeld <strong>der</strong> deutschen<strong>Pflegewissenschaft</strong> an <strong>der</strong> Schnittstelle von Alter(n) und Pflegeausgeschlossen.


ERGEBNISSE [3]: FREQUENZANALYSE (II)Das Segment <strong>der</strong> ökonomischen Befunde zeigt deutlich, dass die deutsche<strong>Pflegewissenschaft</strong> argumentativ beson<strong>der</strong>s die Qualitätsdebatte in ihren Beiträgenaufgreift. Ergebnisorientierung, die Pflegequalität mit interner und externer Seitesowie das Thema <strong>der</strong> Qualitätssicherung erscheinen im Zeitraum <strong>der</strong> vergangenenDekade als die ökonomischen Herausfor<strong>der</strong>ungen schlechthin.Hintergründe <strong>der</strong> Kostenzunahme im deutschen Gesundheitssystem, dieverschiedenen Interessenslagen verbunden mit Fortschritt und Kosten geratennicht in den Blick. <strong>Die</strong> Aussparung des Megatrends Einbezug von Betroffenen inGremien zeigt, dass die <strong>Pflegewissenschaft</strong> ein spezifisches Qualitätsverständnis inihrer Argumentation nutzt. Voraussetzungen für eine partizipierende Haltunggegenüber Betroffenen o<strong>der</strong> Angehörigen erscheint darin nicht.<strong>Die</strong> Verän<strong>der</strong>ung des Pflegeberufs verbunden mit einer Professionalisierung und dieVerän<strong>der</strong>ungen in den Familien- und Netzwerkstrukturen dominieren d.Themenspektrum im Segment des sozialen Wandels.


ERGEBNISSE [4]: GRUPPENDISKUSSION (I)Deskriptiv-reduktive Auswertung : Spannungsfel<strong>der</strong>Identität versus Interdisziplinarität1.1 Theorie-Vakuum versus empirischem Datenproduktionszwang1.2 Strukturelle Professionalisierung versus „Habituelle De-Professionalisierung“1.3 Thematische Emanzipation versus inhaltlich-strukturellerAssimilation1.4 Pflegespezifische Fragestellungen versus methodologischeZwänge1.5 Wissenschaftliche Handlungsvollzüge <strong>der</strong> Wirklichkeit versusPublikationsmechanismen und Herausgeberphilosophien


ERGEBNISSE [4]: GRUPPENDISKUSSION (II)Interpretativ-reflektierende Auswertung1. Kontroversen und Bedeutungsgegensätze2. Bestätigende Argumentationslinien


4 [Konsequenz]


KONSEQUENZ: ZUKUNFTSKATALOG(Bossle 2012)Chancen (+)/ Risiken (-)/ Szenarien (!?)(+): Inter- und Transdisziplinarität(-): Disziplinarität(!?) : Bestehende Vorhaben weiter entwickelnbzw. Innovationen wagen


Szenario Ziel KonsequenzenAgenda für Grundlagentheoretische Forschung Höheres theoretisches Integrationsniveau Augenhöhe mit Disziplinen mit ähnlichem theoretischenIntegrationsniveau, erleichterte Voraussetzung für Intero<strong>der</strong>Transdisziplinarität, deutlichereGegenstandsakzentuierungKerncurriculum für pflegebezogene StudiengängeGezielte Publikationsmöglichkeiten für an<strong>der</strong>epotentielle „Kernmethoden“,Zeitschriftengründungen, Open Access MedienQuer liegende Problembereiche verstärkt inBezug auf Pflege erforschen:öffentlich als dringend und relevantbeurteilte,mit politischem Interesse imgesellschaftlich- öffentlichen Raumbesetzte Themen unddie disziplinäre Unzulänglichkeiten, gewisseProblemlagen genau zu definieren, deutlichmachen (vgl. Mittelstraß in Remmers 2011:23)Konsentierung wichtigerwissenschaftstheoretischer und theoretischerBestandteile für pflegewissenschaftliche LehreHistorische und Grundlagenforschung vonHerausgeber-Philosophie undZeitschriftenausrichtung unabhängig machen<strong>Die</strong> gesellschaftliche und politische Notwendigkeitvon Pflege nicht nur aus praktischer, son<strong>der</strong>n auchaus theoretischer Perspektive darstellenTheoretischer Hintergrund <strong>der</strong> Absolventen wirdnachvollziehbarer und homogenerGrundlagentheoretische o<strong>der</strong> historische Arbeitenwerden vermehrt publiziert und anerkannt,<strong>Pflegewissenschaft</strong> versteht sich nicht ausschließlich alsPraxiswissenschaft, die sich klinischen ThemenverschreibtGegenstandsbestimmung innerhalb <strong>der</strong><strong>Pflegewissenschaft</strong> wird geschärft und trägt zurLegitimierung und Konturierung pflegewissenschaftlicherBeiträge in inter- und transdisziplinärenForschungskooperationen beiUniversitäre Forschungsstrukturen reformieren,Sektion für Grundlagen- und Theoriearbeitinnerhalb <strong>der</strong> DG <strong>Pflegewissenschaft</strong> begründenAkademisierung <strong>der</strong> Erstausbildung fortsetzen,weiterbildende Studiengänge auf Masterniveauetablieren, universitäre Promotions- undHabilitationsmöglichkeiten ausbauen;berufsbildend generalistische AusrichtunganstrebenGenuine Theoriekerne aus <strong>der</strong> <strong>Pflegewissenschaft</strong>heraus entwickeln, <strong>Pflegewissenschaft</strong> alseigenständige Disziplin und Profession etablierenAkademische Nachwuchsarbeit und beruflicheReformierung gehen nebeneinan<strong>der</strong> weiter,Durchlässigkeit im Pflegebildungssystem wir<strong>der</strong>leichtertTheoretischer Nährboden <strong>der</strong> <strong>Pflegewissenschaft</strong>entsteht, Identität und Disziplinarität <strong>der</strong><strong>Pflegewissenschaft</strong> nimmt zu, Einfallstore fürInterdisziplinariät und Trans­disziplinarität sind gegeben,Forschungsinfrastruktur kann weiter expandierenPflegeakademiker agieren in <strong>der</strong> Praxis als Change Agentsund mil<strong>der</strong>n die Theorie-Praxis-Problematik vorerst ab.These: Je höher die Quote akademisierten Personals in<strong>der</strong> Praxis, desto besser die Chancen einerwissenschaftlichen Praxis.


WEITERER FORSCHUNGSBEDARF• Genealogische Analysen (S. 151f)Präventionsgedanke („Welches Verständnis von Prävention herrscht?“) undFortschrittsgedanke („Interessensvielfalt und Fortschrittsgedanke!“)in unterschiedlichen Expertenpublikationen und <strong>der</strong> <strong>Pflegewissenschaft</strong>• Demografieforschung (S. 155)Bezugnehmend auf den Bevölkerungsrückgang in regionalen Dimensionen• Pflege als Policyfeld (S. 155f)Gen<strong>der</strong>- und Lebenslagedebatten („Feminisierung des Alters“) aufgreifen,Sozialpolitische Statements abgeben• Ökonomische Trendwenden (S. 156)Ausprägungen im Denkstil <strong>der</strong> Praxis und <strong>der</strong> Wissenschaft• Alter und Behin<strong>der</strong>ung (S.161)Unter pflegewissenschaftlicher Perspektive, Pflegebedürftigkeitsfragestellungen


LITERATURBohnsack, Ralf (2009): Gruppendiskussion. In: Flick, Uwe; Kardoff, Ernst von; Steinke, Ines (Hg.): QualitativeForschung. Ein Handbuch. 7. Aufl. Hamburg: Rowohlt, S. 369−384.Bossle, Michael (2012): <strong>Die</strong> <strong>Zukunftsorientierung</strong> <strong>der</strong> deutschen <strong>Pflegewissenschaft</strong> an <strong>der</strong> Schnittstelle vonAlter(n) und Pflege. Hungen: HPS-Media.Kleining, Gerhard; Witt, Harald (2000): Qualitativ-heuristische Forschung als Entdeckungsmethodologie fürPsychologie und Sozialwissenschaften. <strong>Die</strong> Wie<strong>der</strong>entdeckung <strong>der</strong> Methode <strong>der</strong> Introspektion als Beispiel.In: Forum Qualitative Sozialforschung, Jg. 1, H. 1. Online verfügbar unter http://www.qualitativeresearch.net/index.php/fqs/article/view/1123/2493.Pillkahn, Ulf (2007): Trends und Szenarien als Werkzeuge zur Strategieentwicklung. 1. Aufl. Erlangen: Publicis.Lamnek, Siegfried (2005a): Qualitative Sozialforschung. 4. Aufl. Weinheim und Basel: Beltz.Lamnek, Siegfried (2005b): Gruppendiskussion. Theorie und Praxis. 2. Aufl. Weinheim und Basel: Beltz.Mayring, Philipp (2008): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim und Basel: Beltz.


michael.bossle@th-deg.deKONTAKT


Analyse 2 und 3 (Zeitschriften)Analyse 1 1 (Gutachten)Prof. Dr. Michael Bossle, MScN: <strong>Zukunftsorientierung</strong> <strong>der</strong> deutschen <strong>Pflegewissenschaft</strong> - Ergebnisübersicht aus den einzelnen AnalysenInsgesamt ist eine Verbesserung des gesundheitlichen Zustands <strong>der</strong> älteren Bevölkerung fest zu halten (BMFSFJ 2001: 87).Eine Beschreibung <strong>der</strong> Pflegebedarfe aus subjektiver Sicht <strong>der</strong> Pflegebedürftigen wird zunehmend wichtiger (BMFSFJ 2001: 86).Mo<strong>der</strong>nisierungsprozesse in <strong>der</strong> ambulanten Pflege müssen eingeleitet werden (BMFSFJ 2001: 105).Kenntnisse zum geriatrischen Assessment und zum beson<strong>der</strong>en Bedarf von Menschen mit psychischer und seelischer Behin<strong>der</strong>ung werdenwichtiger (BMFSFJ 2001: 96, 90).Snoezelen, Humorkonzepten o<strong>der</strong> tiergestützten Interventionen kommt eine immer größere Bedeutung zu (BMFSFJ 2001: 100).Eine Reform <strong>der</strong> Pflegeausbildung muss den genannten Herausfor<strong>der</strong>ungen Rechnung tragen (BMFSFJ 2001: 120)Pflege muss Einfluss auf Leistungsspektren, Leistungsprozessoptimierung und Produktinnovationen nehmen (SVR 1996: 7).Pflegeleistungen müssen aus dem stationären in den ambulanten (Nachsorge)-Bereich ausgelagert werden (SVR 1997: 32).Eine Erhebung verlässlicher Personal- und Beschäftigungszahlen ist geboten (SVR 1996: 40).<strong>Die</strong> Einführung von Informations- und Kommunikationsdiensten wird von zunehmen<strong>der</strong> Wichtigkeit sein (SVR 1997: 33).<strong>Die</strong> Entwicklung von Pflegeorganisationssystemen muss voran getrieben werden (SVR 1997: 32).<strong>Die</strong> Einführung von Pflegeklassifikationen und Pflegediagnosen zum Leistungsnachweis – im besten Fall EDV-gestützt - muss voran getriebenwerden (SVR 1997: 33).<strong>Die</strong> Entwicklung krankenpflegerischer Tätigkeitsprofile steht für die Altenpflege an (SVR 1997: 34).Eine kritische Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> Akademisierung des Berufsstandes wird begrüßt (SVR 1997: 34).<strong>Die</strong> deutsche <strong>Pflegewissenschaft</strong> beschäftigt sich nur eingeschränkt mit dem Fokus „Alter(n) und Pflege“. Rund je<strong>der</strong> zehnte Artikel im Zeitraum1999−2008 konnte in die Untersuchung eingeschlossen werdenIn den Zeitschriftenbeiträgen werden vor allen Dingen epidemiologische und ökonomische Prognosen genutzt. In <strong>der</strong> Summe <strong>der</strong> Artikel mitBefunden wiesen rund 40 % aller Befunde (in allen Zeitschriften) epidemiologische Prognosen aus und rund 30 % Befunde mit ökonomischenPrognosen.<strong>Die</strong> Zunahme <strong>der</strong> älteren und hochaltrigen Bevölkerung dominiert die demografische Perspektive; zurückgehende Geburtenraten im Rahmen desGesamtbevölkerungsschwundes spielen dagegen keine Rolle.Epidemiologisch wird überproportional die Zunahme <strong>der</strong> Pflegebedürftigkeit bei Zunahme gerontopsychiatrischer und dementieller Verän<strong>der</strong>ungenangeführt sowie <strong>der</strong> medizinische Fortschritt samt technischer und therapeutischer Fortentwicklungen und die Handhabbarkeit des Pflegebedarfs.Der Gegenstand <strong>der</strong> primären Prävention (Gesun<strong>der</strong>haltung des gesunden Menschen) taucht in <strong>der</strong> Analyse als rezipierte Vorhersage nicht auf.Im Segment Ökonomie wird argumentativ beson<strong>der</strong>s auf die Qualitätsdebatte eingegangen. Ergebnisorientierung, Pflegequalität mit interner undexterner Seite sowie <strong>der</strong> Qualitätssicherungsdiskurs werden in den Zeitschriftenbeiträgen als zentrale Herausfor<strong>der</strong>ungen aufgegriffen.Hintergründe <strong>der</strong> Kostenzunahme im deutschen Gesundheitssystem, verschiedene Interessenslagen, die mit Fortschritt und Kosten verbundensind, geraten nicht in den Blick. <strong>Die</strong> Aussparung des Megatrends „Einbezug von Betroffen in Gremien“ zeigt, dass die <strong>Pflegewissenschaft</strong> einspezifisches Qualitätsverständnis in ihrer Argumentation nutzt. Voraussetzungen für eine partizipierende Haltung gegenüber den Betroffenen o<strong>der</strong>Angehörigen scheinen nicht auf.<strong>Die</strong> Professionalisierung des Pflegeberufs und die Verän<strong>der</strong>ungen in den Familien- und Netzwerkstrukturen dominieren die Ergebnisse imSegment des sozialen Wandels. Gerontologische Perspektiven zu Wohnfragen wurden nicht angeführt. Ein fehlen<strong>der</strong> Blick aufGesundheitschancen in <strong>der</strong> Bevölkerung unterstreicht die Vakanz sozialpolitischer Argumentation in den analysierten Beiträgen.1 <strong>Die</strong>se Spalte stellt ausschließlich die Zusammenfassung wesentlicher pflegespezifischer Prognosen dar. <strong>Die</strong> Gesamtübersicht aller identifizierten Megatrends imGesundheitswesen für den alten Menschen <strong>der</strong> Jahre 1996-2001 findet sich in <strong>der</strong> Anlage C (Darstellung Megatrends) im Anhang <strong>der</strong> Gesamtarbeit.


Analyse 4 (Gruppendiskussion)Prof. Dr. Michael Bossle, MScN: <strong>Zukunftsorientierung</strong> <strong>der</strong> deutschen <strong>Pflegewissenschaft</strong> - Ergebnisübersicht aus den einzelnen Analysen<strong>Die</strong> <strong>Pflegewissenschaft</strong> ist Begründungs- und Legitimationszwängen als auch Handlungszwängen ausgesetzt. <strong>Die</strong>se drücken sich imSpannungsfeld „Identitätsbildung vs. Interdisziplinarität“ aus. Als wesentliche Voraussetzung für die drängende Interdisziplinarität wird die Klärung<strong>der</strong> eigenen Disziplinarität durch die Operationalisierung wissenschaftstheoretischer, theoretischer und methodologischer Bezüge genannt. Alswichtiger Beitrag im Rahmen <strong>der</strong> Theoriearbeit wird <strong>der</strong> Einbezug Leib- und körperorientierter Ansätze angesehen.Gesetzliche Verän<strong>der</strong>ungen (z.B. Einführung <strong>der</strong> Pflegeversicherung), Drittmittelgel<strong>der</strong>, bildungspolitische Maßnahmen (z.B. Bologna-Prozess)o<strong>der</strong> über Autoritäten im Diskurs geleistete Vorstellungen von Akademisierung und Professionalisierung (z.B. „Pflege braucht Eliten“-Programm<strong>der</strong> Robert Bosch Stiftung) führten die <strong>Pflegewissenschaft</strong> in ein praxisorientiertes Forschungsumfeld, das für die Bearbeitung des „Theorie-Vakuums“ nur eingeschränkt geeignet ist. <strong>Die</strong> <strong>Pflegewissenschaft</strong> sieht sich damit nach <strong>der</strong> Aufholjagd struktureller Professionalisierung einemNachholbedarf i.R. <strong>der</strong> Generierung einer grundständig akademischen Disziplin und dem Aufbau einer grundlagenorientiertenForschungsinfrastruktur auf universitärem Niveau mit Promotions- und Habilitationsmöglichkeiten ausgesetzt.Das Thema <strong>der</strong> Interdisziplinarität verursacht nicht nur Druck, son<strong>der</strong>n ist gleichzeitig auch Chance. Als quer gelegte Dimension könnte beson<strong>der</strong>s<strong>der</strong> alte Mensch einen legitimierten Hintergrund für die Pflege abbilden. <strong>Die</strong>ser erscheint in den Publikationen <strong>der</strong> pflegewissenschaftlichenZeitschriften allerdings als noch zu wenig differenziert (überwiegen<strong>der</strong> Blick auf Intervention/Demenz, weniger auf die tabuisierten Bereiche undPhänomene im Alter).Zum Emanzipationsprozess <strong>der</strong> <strong>Pflegewissenschaft</strong> gehören neben Abgrenzungsversuchen und Identitätsfindung genauso Partner- undBündnissuche. <strong>Die</strong> „Pubertätsphase“ auszuleben, erscheint als ein wichtiger physiologischer Prozess, auch in <strong>der</strong> Entwicklung einerWissenschaft. <strong>Die</strong> <strong>Pflegewissenschaft</strong> muss sich trotz aller Zwänge von außen eine physiologische Zeitspanne zugestehen, um als Disziplin„erwachsen“ zu werden. In ihrer noch jungen deutschen Geschichte kann sie durchaus Interessen o<strong>der</strong> Begehrlichkeiten bei an<strong>der</strong>en Disziplinenwecken. <strong>Die</strong>se gilt es gehaltvoll zu erkennen und zu reflektieren.Thematisch fällt <strong>der</strong> Ausschluss <strong>der</strong> primären Prävention in den Zeitschriftenartikeln auf. Als Ursache werden fehlende Expertise, ein spezifischnicht näher untersuchtes Verständnis von Pflege und Prävention sowie ein durch mentale Programme wie des „New Public Management“gesteuertes Verständnis angeführt.Formelle und informelle Publikationsstrukturen in <strong>der</strong> wissenschaftlichen Zeitschriftenlandschaft leisten einen nicht unerheblichen Beitragdahingehend, wie sich die Zusammensetzung publizierter Artikel darstellt. Einerseits erklären Qualitätssicherungsbemühungen wie das PeerReview den Paradigmenwechsel von „Diffusität zu Systematisierung“, an<strong>der</strong>erseits sind sogenannte „Herausgeberphilosophien“ und Bedenken<strong>der</strong> Reviewer 2 entscheidend. <strong>Die</strong> Einführung sogenannter „Peer-Reviews“ zeigt weiter, dass sich die deutsche <strong>Pflegewissenschaft</strong> aninternationale und Vorgaben etablierter Disziplinen formal angepasst hat. Ablehnungen von Beiträgen können damit kritisch gesehen sowohl mit„fehlen<strong>der</strong> thematischer Passung“ des jeweiligen Journals zusammenhängen, als auch mit <strong>der</strong> methodischen Expertise und Präferenz einzelnerReviewer.<strong>Die</strong> Themen „Status <strong>der</strong> deutschen <strong>Pflegewissenschaft</strong>“ und „Wissenschaftsdefinitorisches Monopol“ illustrieren die Professionalisierungsdebatte(„Strukturelle vs. habituelle Professionalisierung“) noch deutlicher und unterstreichen damit ihre Bedeutung. Mit dem „wissenschaftsdefinitorischenMonopol“ steht auch die Identitätsfrage <strong>der</strong> <strong>Pflegewissenschaft</strong> in enger Verbindung. Es drückt sich als suchende Bewegung einer Disziplin nachidentitätsstiftenden Merkmalen o<strong>der</strong> nach ihren Gegenstandsbereichen aus.2 Dickersin et al. (2007) sprechen dabei von sogenannten „Journalism concerns“, Bedenken, die im Diskurs über ein Manuskript im Review geäußert werden. Darunter sind solche,die Zweifel am Konzept o<strong>der</strong> Thema bzw. Gegenstand des Forschungsinteresses und <strong>der</strong> Wichtigkeit <strong>der</strong> Ergebnisse erkennen ließen. Darüber hinaus wird maximierendesstrategisches Interesse des Journals und Leserinteressen als Entscheidungshilfen für Reviewer zur Annahme bzw. Ablehnung eines Artikels benannt (vgl. Dickersin et al. 2007: 4).


Zukunftsszenarien und Entwicklungspotential <strong>der</strong> deutschen <strong>Pflegewissenschaft</strong>Prof. Dr. Michael Bossle, MScN<strong>Pflegewissenschaft</strong>ler (Univ.), Dipl. Pflegepädagoge (FH), KrankenpflegerTH DeggendorfUMIT Hall i. TirolSzenario Ziel KonsequenzenAgenda für Grundlagentheoretische Forschung Höheres theoretisches Integrationsniveau Augenhöhe mit Disziplinen mit ähnlichem theoretischenIntegrationsniveau, erleichterte Voraussetzung für Intero<strong>der</strong>Transdisziplinarität, deutlichereGegenstandsakzentuierungKerncurriculum für pflegebezogene StudiengängeGezielte Publikationsmöglichkeiten für an<strong>der</strong>epotentielle „Kernmethoden“,Zeitschriftengründungen, Open Access MedienQuer liegende Problembereiche verstärkt inBezug auf Pflege erforschen:öffentlich als dringend und relevant beurteilte,mit politischem Interesse im gesellschaftlichöffentlichenRaum besetzte Themen unddie disziplinäre Unzulänglichkeiten, gewisseProblemlagen genau zu definieren, deutlichmachen (vgl. Mittelstraß in Remmers 2011:23)Universitäre Forschungsstrukturen reformieren,Sektion für Grundlagen- und Theoriearbeitinnerhalb <strong>der</strong> DG <strong>Pflegewissenschaft</strong> begründenAkademisierung <strong>der</strong> Erstausbildung fortsetzen,weiterbildende Studiengänge auf Masterniveauetablieren, universitäre Promotions- undHabilitationsmöglichkeiten ausbauen;berufsbildend generalistische AusrichtunganstrebenKonsentierung wichtigerwissenschaftstheoretischer und theoretischerBestandteile für pflegewissenschaftliche LehreHistorische und Grundlagenforschung vonHerausgeber-Philosophie undZeitschriftenausrichtung unabhängig machen<strong>Die</strong> gesellschaftliche und politische Notwendigkeitvon Pflege nicht nur aus praktischer, son<strong>der</strong>nauch aus theoretischer Perspektive darstellenGenuine Theoriekerne aus <strong>der</strong><strong>Pflegewissenschaft</strong> heraus entwickeln,<strong>Pflegewissenschaft</strong> als eigenständige Disziplinund Profession etablierenAkademische Nachwuchsarbeit und beruflicheReformierung gehen nebeneinan<strong>der</strong> weiter,Durchlässigkeit im Pflegebildungssystem wir<strong>der</strong>leichtertTheoretischer Hintergrund <strong>der</strong> Absolventen wirdnachvollziehbarer und homogenerGrundlagentheoretische o<strong>der</strong> historische Arbeitenwerden vermehrt publiziert und anerkannt,<strong>Pflegewissenschaft</strong> versteht sich nicht ausschließlich alsPraxiswissenschaft, die sich klinischen ThemenverschreibtGegenstandsbestimmung innerhalb <strong>der</strong><strong>Pflegewissenschaft</strong> wird geschärft und trägt zurLegitimierung und Konturierung pflegewissenschaftlicherBeiträge in inter- und transdisziplinärenForschungskooperationen beiTheoretischer Nährboden <strong>der</strong> <strong>Pflegewissenschaft</strong>entsteht, Identität und Disziplinarität <strong>der</strong><strong>Pflegewissenschaft</strong> nimmt zu, Einfallstore fürInterdisziplinariät und Transdisziplinarität sind gegeben,Forschungsinfrastruktur kann weiter expandierenPflegeakademiker agieren in <strong>der</strong> Praxis als ChangeAgents und mil<strong>der</strong>n die Theorie-Praxis-Problematikvorerst ab. These: Je höher die Quote akademisiertenPersonals in <strong>der</strong> Praxis, desto besser die Chancen einerwissenschaftlichen Praxis.

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