2010 | Ausgabe 1

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02.12.2012 Aufrufe

Them a : Pflege auf ein wort – Zeit und Pflege 14 Ein Mensch ist unterwegs. Er hat keine Zeit. Dringende Geschäfte warten auf ihn. Jetzt nur noch durch dieses Tal aufsteigen, noch ein paar Wegkurven, dann erreicht er sein Ziel. Doch dann kommt es anders. Ein Zwischenfall. Er kommt zu Fall. Alle Pläne werden zunichte gemacht, alle Termine platzen. Jetzt hat er andere Sorgen. Hilft mir jemand? Nimmt sich jemand Zeit. Gibt es einen, der sich bewusst seinem Termindruck entzieht und seine Aufmerksamkeit mir schenkt? Immerhin, er ist schwer verletzt. Da müsste doch jeder ein Einsehen haben. Ein erster kommt des Wegs. Er ist unterwegs, er hat keine Zeit, dringende Geschäfte warten auf ihn. Jetzt nur noch durch dieses Tal aufsteigen, …. – da sieht er den Mitmenschen auf der Straße liegen. Soll ich mir Zeit nehmen? fragt er sich. Zeit ist Geld und außerdem kommt bestimmt jemand, der mehr Zeit hat. Er zieht weiter, seinem Ziel entgegen. Ein zweiter kommt. Zeit hat auch er keine. Termine rufen und so zieht auch er weiter. Es werden andere kommen, die haben Zeit und Sachkunde, so mag er gehofft haben. Es kommt ein dritter. Er hat keine Zeit. Dringende Geschäfte warten auf ihn. Jetzt nur noch dieses Tal aufsteigen … – da sieht er den Verletzten. Wie schön wäre es, wenn nun jemand käme, der gut im Pflegen von Kranken ist, jemand, der viel Zeit hat, denkt auch er. Doch es kommt niemand. Und da trifft er eine Entscheidung. Er nimmt sich Zeit. Das ist ökonomisch wenig sinnvoll und bringt auch andere Schwierigkeiten mit sich. Und doch lässt er sich darauf ein und gibt gerade dadurch ein exemplarisches Beispiel christlichen Helfens. Dabei ist er gar kein Christ. Noch nicht einmal Jude ist er. Jesus erzählt die Geschichte vom Helfen und Pflegen und stellt einen Ausländer aus Samarien in den Mittelpunkt. (Lukas 10, 25-37). Ohne fromme Hintergedanken tut der Samariter, was zu tun ist. Er tut das menschlich Selbstverständliche, das eben gerade nicht mehr selbstverständlich ist, wenn das menschliche Herz von Sachzwängen und Zeitdruck verschüttet wurde. Als er ihn sah, jammerte er ihn; und er ging zu ihm, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie ihm, hob ihn auf sein Tier und brachte ihn in eine Herberge und pflegte ihn. Es entspricht wohl kaum mehr den modernen Erkenntnissen der Krankenpflege, Öl und Wein auf die Wunden zu gießen. Doch daran, dass man sich Zeit nehmen muss für die Pflege, hat sich nichts geändert. Damit ist nicht nur ein individuelles Problem markiert, sondern eine politische Frage aufgeworfen: Wie viel Zeit gewähren wir den Pflegenden? Wer weiß, auf welche Geschäfte der Samariter verzichten musste, welche Termine er platzen ließ, wer seine möglichen eigenen Gewinne einstreichen konnte. Barmherzigkeit und Pflege kosten Zeit und Geld. Es war schon immer eine grundsätzliche Entscheidung, was mir und meiner Gesellschaft das wert ist. Grenzenlos ist die Nächstenliebe des Samariters aber auch nicht. Seine Menschenfreundlichkeit kennt durchaus Grenzen. Am nächsten Tag zog der Samariter zwei Silbergroschen heraus, gab sie dem Wirt und sprach: Pflege ihn; und wenn du mehr ausgibst, will ich dir‘s bezahlen, wenn ich wiederkomme. Man könnte sagen, er achtete auf seine Ressourcen. Nicht er allein rettet die Welt. Er tut das seine, andere sollen das ihre tun. Jetzt kann er seine Reise wieder fortsetzen, seinen eigenen Geschäften nachgehen im Vertrauen, dass die Pflege des Wirtes ebenso gut sein wird. Freilich fühlt er sich noch weiter verantwortlich, möchte sogar weiterhelfen, wenn das Geld nicht reichen sollte. Tun und Lassen kommen bei ihm in eine gute Balance. So ermuntert die Geschichte zu beidem, zum Zeitnehmen und Tun des Guten, und zum Lassen und Begrenzen der eigenen Opferbereitschaft. Gute Pflege bedarf der Zeit und Leidenschaft des einzelnen. Sie bleibt aber eine Verantwortung aller miteinander. Da sprach Jesus: So geh hin und tu desgleichen! Dr. Andreas Hinz Bei der Investitur v.l. Pfarrer Stephan Zilker, Oberin Pfarrerin Jenny Robbert, Pfarrer Dr. Andreas Hinz und die Zeugen Traude Blasenbrey (Waiblingen) und Pfarrer Martin Staib (Winnenden) Pfarrer Dr. andreas hinz vorgestellt Neuland betreten hat Dr. Andreas Hinz, als er am 1. September 2009 Geschäftsführender Pfarrer im Evangelischen Diakoniewerk wurde. „Ich erlebte eine positive, einladende Atmosphäre“, sagt er. Die Leitung der Ausbildung für Pflegediakone ist für ihn schon fast ein Heimspiel, denn er besitzt 10 Jahre Lehrerfahrung. Das Lernen und das Betreten von Neuland – es zieht sich wie ein roter Faden durch die Biografie von Dr. Andreas Hinz. Theologie hat er im damals noch geteilten Berlin studiert. Dabei lernte er eine andere Welt kennen, etwa im Praktikum bei der Bahnhofsmission im Drogenmilieu am Bahnhof Zoo und der jahrelangen Betreuung eines Schwerkranken bis zu dessen Tod. Hinz studierte sogar ein Semester in Ostberlin: „Richard Schröder war ein hervorragender Theologieprofessor“, und verbrachte den Herbst 1989 im Praktikum in Zwickau. Als Pfarrer blieb ihm sein Bildungshunger: Als nächstes wird die klinische Seelsorgeausbildung folgen. Er freut sich darauf: „Ich bin immer noch neugierig und lernfreudig.“ In seiner Feizeit, lockt ihn das Theater – nicht nur als Zuschauer, sondern auch als Laienschauspieler. Um seine Kraftreserven aufzutanken, gönnt er sich jedes Jahr eine Auszeit beim Wandern auf dem Jakobsweg in Deutschland. Der 47-Jährige wuchs in Bönnigheim im Landkreis Ludwigsburg auf. Nach dem Abitur 1983 studierte er evangelische Theologie in Berlin und Tübingen. Von 1992 bis 1994 war er Vikar in Metzingen, anschließend Pfarrer in Laupheim bei Ulm. Berufsbegleitend studierte er in dieser Zeit Erziehungs- und Sozialwissenschaften (M.A.) an der Fernuniversität Hagen. Von 1997 bis 2003 war er als Studienassistent an der Pädagogischen Hochschule in Schwäbisch Gmünd im Institut für Theologie und Religionspädagogik tätig. Er promovierte 2002 zum Dr. paed. Ab März 2004 war er Pfarrer in Waiblingen-Neustadt in Stellenteilung mit seiner Frau, die ebenfalls Pfarrerin ist. Ab 2005 war er zudem für die Pfarrstelle Birkmannsweiler-Höfen-Baach bei Winnenden zuständig. Das Ehepaar Hinz hat zwei Kinder im Alter von 14 und 17 Jahren und wohnt in Waiblingen-Neustadt. Dr. Hinz tritt die Nachfolge von Georg Ottmar an, der Dekan in Weinsberg wurde. 15

Them a : Pflege<br />

auf ein wort – Zeit und Pflege<br />

14<br />

Ein Mensch ist unterwegs.<br />

Er hat keine Zeit. Dringende<br />

Geschäfte warten auf ihn.<br />

Jetzt nur noch durch dieses<br />

Tal aufsteigen, noch ein paar<br />

Wegkurven, dann erreicht er<br />

sein Ziel. Doch dann kommt<br />

es anders. Ein Zwischenfall.<br />

Er kommt zu Fall. Alle Pläne<br />

werden zunichte gemacht,<br />

alle Termine platzen. Jetzt hat<br />

er andere Sorgen. Hilft mir<br />

jemand? Nimmt sich jemand<br />

Zeit. Gibt es einen, der sich<br />

bewusst seinem Termindruck<br />

entzieht und seine Aufmerksamkeit<br />

mir schenkt? Immerhin,<br />

er ist schwer verletzt. Da<br />

müsste doch jeder ein Einsehen<br />

haben.<br />

Ein erster kommt des Wegs.<br />

Er ist unterwegs, er hat keine<br />

Zeit, dringende Geschäfte<br />

warten auf ihn. Jetzt nur noch<br />

durch dieses Tal aufsteigen, ….<br />

– da sieht er den Mitmenschen<br />

auf der Straße liegen. Soll ich<br />

mir Zeit nehmen? fragt er sich.<br />

Zeit ist Geld und außerdem<br />

kommt bestimmt jemand, der<br />

mehr Zeit hat. Er zieht weiter,<br />

seinem Ziel entgegen.<br />

Ein zweiter kommt. Zeit hat<br />

auch er keine. Termine rufen<br />

und so zieht auch er weiter. Es<br />

werden andere kommen, die<br />

haben Zeit und Sachkunde, so<br />

mag er gehofft haben.<br />

Es kommt ein dritter. Er hat<br />

keine Zeit. Dringende Geschäfte<br />

warten auf ihn. Jetzt<br />

nur noch dieses Tal aufsteigen<br />

… – da sieht er den Verletzten.<br />

Wie schön wäre es, wenn<br />

nun jemand käme, der gut<br />

im Pflegen von Kranken ist,<br />

jemand, der viel Zeit hat,<br />

denkt auch er. Doch es kommt<br />

niemand. Und da trifft er eine<br />

Entscheidung. Er nimmt sich<br />

Zeit. Das ist ökonomisch wenig<br />

sinnvoll und bringt auch andere<br />

Schwierigkeiten mit sich.<br />

Und doch lässt er sich darauf<br />

ein und gibt gerade dadurch<br />

ein exemplarisches Beispiel<br />

christlichen Helfens. Dabei<br />

ist er gar kein Christ. Noch<br />

nicht einmal Jude ist er. Jesus<br />

erzählt die Geschichte vom<br />

Helfen und Pflegen und stellt<br />

einen Ausländer aus Samarien<br />

in den Mittelpunkt. (Lukas 10,<br />

25-37). Ohne fromme Hintergedanken<br />

tut der Samariter,<br />

was zu tun ist. Er tut das<br />

menschlich Selbstverständliche,<br />

das eben gerade nicht<br />

mehr selbstverständlich ist,<br />

wenn das menschliche Herz<br />

von Sachzwängen und Zeitdruck<br />

verschüttet wurde.<br />

Als er ihn sah, jammerte er<br />

ihn; und er ging zu ihm, goss<br />

Öl und Wein auf seine Wunden<br />

und verband sie ihm, hob ihn<br />

auf sein Tier und brachte ihn<br />

in eine Herberge und pflegte<br />

ihn. Es entspricht wohl kaum<br />

mehr den modernen Erkenntnissen<br />

der Krankenpflege, Öl<br />

und Wein auf die Wunden zu<br />

gießen. Doch daran, dass man<br />

sich Zeit nehmen muss für die<br />

Pflege, hat sich nichts geändert.<br />

Damit ist nicht nur ein individuelles<br />

Problem markiert,<br />

sondern eine politische Frage<br />

aufgeworfen: Wie viel Zeit gewähren<br />

wir den Pflegenden?<br />

Wer weiß, auf welche Geschäfte<br />

der Samariter verzichten<br />

musste, welche Termine<br />

er platzen ließ, wer seine<br />

möglichen eigenen Gewinne<br />

einstreichen konnte. Barmherzigkeit<br />

und Pflege kosten Zeit<br />

und Geld. Es war schon immer<br />

eine grundsätzliche Entscheidung,<br />

was mir und meiner<br />

Gesellschaft das wert ist.<br />

Grenzenlos ist die Nächstenliebe<br />

des Samariters aber<br />

auch nicht. Seine Menschenfreundlichkeit<br />

kennt durchaus<br />

Grenzen. Am nächsten Tag zog<br />

der Samariter zwei Silbergroschen<br />

heraus, gab sie dem<br />

Wirt und sprach: Pflege ihn;<br />

und wenn du mehr ausgibst,<br />

will ich dir‘s bezahlen, wenn<br />

ich wiederkomme. Man könnte<br />

sagen, er achtete auf seine<br />

Ressourcen. Nicht er allein<br />

rettet die Welt. Er tut das<br />

seine, andere sollen das ihre<br />

tun. Jetzt kann er seine Reise<br />

wieder fortsetzen, seinen eigenen<br />

Geschäften nachgehen<br />

im Vertrauen, dass die Pflege<br />

des Wirtes ebenso gut sein<br />

wird. Freilich fühlt er sich noch<br />

weiter verantwortlich, möchte<br />

sogar weiterhelfen, wenn das<br />

Geld nicht reichen sollte. Tun<br />

und Lassen kommen bei ihm<br />

in eine gute Balance.<br />

So ermuntert die Geschichte<br />

zu beidem, zum Zeitnehmen<br />

und Tun des Guten, und zum<br />

Lassen und Begrenzen der<br />

eigenen Opferbereitschaft.<br />

Gute Pflege bedarf der Zeit<br />

und Leidenschaft des einzelnen.<br />

Sie bleibt aber eine Verantwortung<br />

aller miteinander.<br />

Da sprach Jesus: So geh hin<br />

und tu desgleichen!<br />

Dr. Andreas Hinz<br />

Bei der Investitur v.l. Pfarrer Stephan Zilker, Oberin Pfarrerin Jenny Robbert,<br />

Pfarrer Dr. Andreas Hinz und die Zeugen Traude Blasenbrey (Waiblingen) und<br />

Pfarrer Martin Staib (Winnenden)<br />

Pfarrer Dr. andreas hinz vorgestellt<br />

Neuland betreten hat Dr.<br />

Andreas Hinz, als er am<br />

1. September 2009 Geschäftsführender<br />

Pfarrer<br />

im Evangelischen Diakoniewerk<br />

wurde. „Ich erlebte<br />

eine positive, einladende<br />

Atmosphäre“, sagt er. Die<br />

Leitung der Ausbildung für<br />

Pflegediakone ist für ihn<br />

schon fast ein Heimspiel,<br />

denn er besitzt 10 Jahre<br />

Lehrerfahrung.<br />

Das Lernen und das Betreten<br />

von Neuland – es zieht<br />

sich wie ein roter Faden<br />

durch die Biografie von Dr.<br />

Andreas Hinz.<br />

Theologie hat er im damals<br />

noch geteilten Berlin<br />

studiert. Dabei lernte er<br />

eine andere Welt kennen,<br />

etwa im Praktikum bei der<br />

Bahnhofsmission im Drogenmilieu<br />

am Bahnhof Zoo<br />

und der jahrelangen Betreuung<br />

eines Schwerkranken<br />

bis zu dessen Tod. Hinz<br />

studierte sogar ein Semester<br />

in Ostberlin: „Richard<br />

Schröder war ein hervorragender<br />

Theologieprofessor“,<br />

und verbrachte den Herbst<br />

1989 im Praktikum in Zwickau.<br />

Als Pfarrer blieb ihm<br />

sein Bildungshunger: Als<br />

nächstes wird die klinische<br />

Seelsorgeausbildung folgen.<br />

Er freut sich darauf: „Ich bin<br />

immer noch neugierig und<br />

lernfreudig.“<br />

In seiner Feizeit, lockt ihn<br />

das Theater – nicht nur als<br />

Zuschauer, sondern auch als<br />

Laienschauspieler. Um seine<br />

Kraftreserven aufzutanken,<br />

gönnt er sich jedes Jahr eine<br />

Auszeit beim Wandern auf dem<br />

Jakobsweg in Deutschland.<br />

Der 47-Jährige wuchs in Bönnigheim<br />

im Landkreis Ludwigsburg<br />

auf. Nach dem Abitur<br />

1983 studierte er evangelische<br />

Theologie in Berlin und Tübingen.<br />

Von 1992 bis 1994 war er<br />

Vikar in Metzingen, anschließend<br />

Pfarrer in Laupheim bei<br />

Ulm. Berufsbegleitend studierte<br />

er in dieser Zeit Erziehungs-<br />

und Sozialwissenschaften<br />

(M.A.) an der Fernuniversität<br />

Hagen. Von 1997 bis 2003 war<br />

er als Studienassistent an der<br />

Pädagogischen Hochschule in<br />

Schwäbisch Gmünd im Institut<br />

für Theologie und Religionspädagogik<br />

tätig. Er promovierte<br />

2002 zum Dr. paed. Ab März<br />

2004 war er Pfarrer in Waiblingen-Neustadt<br />

in Stellenteilung<br />

mit seiner Frau, die ebenfalls<br />

Pfarrerin ist. Ab 2005 war er<br />

zudem für die Pfarrstelle Birkmannsweiler-Höfen-Baach<br />

bei Winnenden zuständig. Das<br />

Ehepaar Hinz hat zwei Kinder<br />

im Alter von 14 und 17 Jahren<br />

und wohnt in Waiblingen-Neustadt.<br />

Dr. Hinz tritt die Nachfolge<br />

von Georg Ottmar an, der<br />

Dekan in Weinsberg wurde.<br />

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