Download - Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt

abgewälzt wird: Bei Karstadt z. B. werdenmomentan nur noch über Zeitarbeit billigeKräfte gewonnen. Selbst Auszubildendewerden nur noch mit viel Druck seitensdes Betriebsrates übernommen. DieZeitarbeitskräfte sind nicht nur billiger,sondern auch flexibler einsetzbar, weil sienicht dem tariflich festgelegten Arbeitszeitsystemunterliegen. Der Zwang, Kostenzu reduzieren, verschärft die Tendenzzu prekärer Beschäftigung. So habenviele Zeitarbeitskräfte einen Vertrag von15 Wochenstunden, werden aber je nachBedarf mal mehr, mal weniger eingesetzt.Sie müssen spätestens vier Tage vor Beginnder Schicht informiert werden. In derPraxis werden sie aber oft erst am Tagvorher angerufen. Im Übrigen hat der Betriebsratbei der Ein stellung von Zeitarbeitskräftenkein Mit bestimmungsrecht –kollektive Mit spra che rechte werden soausgehebelt. Aus Unter nehmenssicht istdiese Praxis mehr als fragwürdig, denndie Bedienungs- und Beratungsqualitätleiden und die Kundenorientierung istinfrage gestellt.Egbers: Ist Arbeit am Sonntag Pflicht ?Stenzel: Nein, Sonntagsarbeit basiert aufFreiwilligkeit. Es gibt dafür 100 ProzentZuschlag, wobei ungefähr die Hälfte denFreizeitausgleich nimmt, während sich dieandere Hälfte das Geld auszahlen lässt.Aber es wird nonverbal Druck ausgeübt,weil es nicht immer einfach ist, die erforderlicheAnzahl an Kräften zu finden. Sobekommen die einzelnen Abteilungen fastjeden Morgen die angestrebten und dietatsächlichen Planumsätze. Das erhöhtden Druck enorm, Arbeitszeiten zu akzeptieren,die eigentlich nicht gewünschtsind. Wenn man berücksichtigt, dass imEinzelhandel ca. 70 Prozent Frauen arbeitenund davon etliche alleinerziehend sind,so bringt das eine besondere Bri sanz mitsich. Die Vereinbarkeit von Familie undBeruf ist eine permanente Problematik.Egbers: Sind neue Arbeitsplätze geschaffenworden ?Stenzel: Nein. Die Umsätze sind nicht gestiegen,weil die Konsumenten, wie schongesagt, nicht mehr Geld in der Taschehaben. Und das Arbeitsvolumen ist auchnicht gestiegen. Die Zahl der Vollzeitbeschäftigtenhat kontinuierlich abgenom-men, dafür sind insbesondere Minijobshinzugekommen. (siehe Grafik)Egbers: Du hast zusammen mit einemKollegen Klage gegen die Sonntags öffnungenbeim Bundesverfassungsgerichteingereicht. Mit welchem Ergebnis ?Stenzel: Die Klage wurde abgewiesen mitder Begründung, dass die eigene Betroffenheitnicht genügend nachgewiesenwerden konnte, weil wir freiwillig amSonntag gearbeitet hätten. Nun werdenBeschäftigte gesucht, die die Voraussetzungenerfüllen, und dann eine Klageeinreichen. In diesem Zusammenhangsind die Klagen der Kirchen zusammenmit ver.di gegen die Sonntagsöffnungenin Berlin und den neuen Bundesländernzu begrüßen.Egbers: Vereinbarkeit von Familie undBeruf – wie hast Du das persönlich erlebt ?Stenzel: Ich arbeite seit einigen JahrenTeilzeit, um mehr Zeit für meine Tochter zuhaben und weil meine Frau nach ihremStudium ein attraktives Jobangebot hatte.Ich habe diese Zeit sehr positiv erlebt,weil ich meine Tochter viel intensiver habeaufwachsen sehen, als das sonst möglichgewesen wäre. Das würde ich um nichtsin der Welt missen wollen. Ich würde esjederzeit wieder so machen, weil ich dadurchan Lebensqualität gewonnen habe.Es war klasse, morgens im Kindergartendie Purzel da zu sehen. Manchmal habeich auch ausgeholfen, wenn Personalausfiel. Das hat Spaß gemacht. Abendswar ich richtig geschafft, fix und fertig.Da bekommt man einen anderen Blick fürdie Leistung der Mitarbeiter/-innen inKitas.Egbers: Betriebsratsvorsitzender inTeilzeit – wie geht das ?Stenzel: Man hält sich für unentbehrlich.Ich habe aber festgestellt: Das ist allesQuatsch. Man muss sich anders organisieren,Absprachen mit Kolleg/-innentreffen, man kriegt das hin. Entscheidendist die Frage, was man will.Das Interview führte:Gerda EgbersReferentin für Wirtschaft, Arbeit, SozialesHaus kirchlicher DiensteEvangelisch-lutherische Landeskirche HannoversTag der Arbeit 201127alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde. Prediger Salomo 3,1 +++ Sechs Tage sollst du