Download - Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt

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12.07.2015 Aufrufe

HintergrundReligion prägt Arbeit menschlichVon der Bedeutung der UnterbrechungStichtag 1. Mai 2011: Die Öffnung desdeutschen Arbeitsmarktes für Osteuropabeginnt mit einem Sonntag !Arbeitnehmer/-innen aus acht mittelundosteuropäischen Staaten wird dievolle Freizügigkeit in der Union gewährt.Ein guter Tag für Europa ?Es gibt berechtigte Ängste, dass dieLöhne in Deutsch land unter Druck kommen.Denn das Gefälle der Löhne istenorm. Seit Jahren engagieren sich Gewerkschaften, politische Gruppierun genund andere zivile Gruppen (wie z. B. derKDA) für einen Mindestlohn, um Gefahrendes Lohn- und Sozialdumpings zu minimieren.Das politische Engagement fürdiesen Mindeststandard ist ausgesprochenwichtig für ein soziales Europa.Aber es ist nur das eine Standbein.Dass die Öffnung mit einem Sonntag beginnt– und dann noch mit dem 1. Mai,dem Tag der Arbeit – lässt mich darübernachdenken, wie wichtig nicht nur Lohn-,sondern auch Zeitmindeststandards sind.Ich gehe der Frage nach, welchen Beitragverschiedene Religionen dazu leisten,dass nicht alle Zeiten Arbeitszeiten sind.Noch prägt die christliche Religion dieZeitstrukturen der Arbeitswelt – zumindesthier in Deutschland und in vielen Teilender EU.Das politische und kirchliche Engagementfür den arbeitsfreien Sonntag istgerade jetzt wichtig – in einer Zeit, in deralles liberalisiert werden soll – auch dieArbeitszeiten.„Anything goes“ – das ist ein Satzdes Neoliberalismus, aber nicht ein Satzder Bibel ! Es geht nicht alles und immerzu jeder Zeit, es ist nicht immer allesmöglich, sondern jedes hat seine Zeit.Zum Glück ist nicht alle Zeit Arbeitszeit –die Bibel gibt ganz deutliche Zeitstruk turenvor: Der 7. Tag ist der Tag der Ruhe.Am 7. Tage ruhte Gott von seiner Arbeit.Von der Arbeit zu ruhen – und zwar gemeinsam,um Zeit füreinander zu haben …Wie wichtig diese gemeinsamen Zeitoasenin unserer beschleunigten Gesell-schaft sind, wird in den anderen Beiträgendieser KDA-Broschüre nachdrücklich beschrieben.Übrigens ist diese ZeitoaseSonntag auch ein notwendiger Schutzgegen eine eigene Ausbeutung. „Ich mussmir ganz mühsam wieder den Sonntagzurücker obern“, erzählt mir eine Abteilungsleiterin eines großen Unternehmens,„ich habe gedacht, dass ich immer leistungsfähigerwerde, wenn ich alle mir verfügbarenZeiten ausschöpfe. Aber jetztbin ich selbst so erschöpft – und wenn ichmir den Sonntag nicht bewahren kann, andem ich keine Mails beantworte, dann binich bald total ausgebrannt und fertig.“Auf einer Tagung der EvangelischenAkademie Bad Boll „Religion prägt Arbeit.Prägt Arbeit Religion ?“ äußerten sichVertreter/-innen verschiedener Religionenauch zu der Frage nach der Bedeutungvon Unterbrechung für eine menschenwürdigeArbeit. Aus dem danach erschienenenTagungsband hier einige Auszüge:Sehr eindrücklich hat Barbara Traub, Vorstandssprecherinder Israelitischen Re li -gions gemeinschaft Württemberg daraufhingewiesen, dass wir eine „Verpflich tunghaben, allem Lebendigen, was uns auf derWelt anvertraut ist, also unseren Mitmenschen,Pflanzen und Tieren, dieses Anrecht,am siebenten Tag zu ruhen, zuermöglichen. Der Rhythmus von Her vorbringen,Schaf fen, Arbeiten und Ruhen istein göttliches Gebot, das wir Men schenzu erfüllen haben“. (vgl. Esther Kuhn-Luz,Hrsg.: Reli gion prägt Arbeit, S. 33, editionakademie 25)Sie beschreibt, dass es neben einemgesellschaftspolitischen Diskurs auch ganzkonkrete Auswirkungen auf die Arbeitssituationgibt. Viele orthodoxe Juden undJüdinnen „ziehen es daher vor, Berufe zuwählen, in denen sie selbstständig ihreArbeitszeit gestalten können, um dieSabbat- und Feiertagsruhe einhalten zukönnen.“ (ebenda, S. 42)Ein ganz anderer Beitrag kommt aus demBuddhismus. Johannes Litsch, Mitbe gründerdes AK „Buddhismus und Öko nomie“,beschreibt den Zusammenhang von Ar beit22 Tag der Arbeit 2011Armen unter deinem Volk davon essen; und was übrig bleibt, mag das Wild auf dem Felde fressen. 2.

Hintergrundund Achtsamkeit, dem umfassendenSchutz und Erhalt des Lebens. „Der Buddhaordnet die Arbeit bzw. den Lebensunterhaltnicht einer abgetrennten, verselbstständigten, alles dominierenden, nur ihreneigenen Gesetzen gehorchen den Ökonomie,sondern der Ethik zu. Arbeiten isteine ethische, eine moralische Tätig keit.Ihr Zweck ist nicht die rücksichtsloseAusbeutung (…), nicht die effektive Nutzungund Verwertung der Ware Arbeitskraft(…), nicht die massenhafte Herstellungvon beliebigen Konsumwaren (…),nicht die spekulative Vermehrung, Akkumulationund Aneignung all dessen alsGewinn, Rendite und Kapital. Das budd his -tische Verständnis von Arbeit ist Lebens -bewahrung, Lebensschutz, Lebens fürsorge: also allseitige Acht sam keit undtätiges Mitgefühl.“ (ebenda, S. 81)Der Buddhismus kennt keinen gemeinsamenRuhetag, aber sehr wohl die Notwendigkeitgemeinsamer Unterbrechungen,denn nur so ist Achtsamkeit möglich.„Auf mich selbst achtend, achte ich aufden anderen, auf den anderen achtend,achte ich auf mich selbst.“ (SatipatthanaSamyutta, Nr. 19; zit nach ebenda, S. 82)Daraus entwickelt sich eine kritische Einstellunggegenüber einer globalisiertenÖkonomie des Geldes, die nicht mehrnach Verantwortung, sondern nur nochnach Rendite fragt – und immer mehrMenschen zu „Arbeitskraftunterneh mer/-innen“ macht – zu kreativen, flexiblen,eigenverantwortlichen und dadurch aberauch zu schutzlosen Selbstvermarkterndes eigenen „Humankapitals“.Um das zu verhindern, so Paul Schobel,jahrzehntelang katholischer Betriebs seelsorgerin Böblingen/Stuttgart, müsse sichdie Kirche einmischen mit einer „Theo logieder Erwerbsarbeit“, die sich dem Menschenbild des Sabbats verdankt. „DieSab bat ruhe ist eine kollektive Ruhe, in derauch alle gleich werden und sich die sozia -len Unterschiede aufheben. Der Sabbatbirgt in sich revolutionäres Poten zial.“(ebenda, S. 46) Er klärt den Blick auf dierealen Unterschiede: Die einen em pfindenihre Arbeit immer mehr als Qual, weil eskeine Grenzen mehr gibt, die anderenohne Er werbsarbeit erleben ganz massivGren zen, weil sie nicht mehr dazugehören.Dieser doppelten „Sinnkrise der Arbeit“steht die Befreiungsgeschichte des Exo dusgegenüber: Aus unmäßiger Arbeit und unwürdigerBehandlung befreit Gott zu einemAufbruch in ein gelobtes Land. NichtReichtum für alle, sondern eine Orien tierungan den wirklichen Bedürf nissenlernen sie auf ihrem Wüstenweg.Dazu gehört dann auch der Respektder Religionen im unternehmerischenHan deln, so wie es Dr. Roland Pelikan,Wirtschafts- und Sozialpfarrer in Bayern,beschrieben hat. (ebenda, S. 138 ff.) Inden globalisierten Unternehmen arbeitenMen schen mit sehr unterschiedlicher religiöserund kultureller Prägung miteinander– da wird die gemeinsame Arbeit zueinem Lernfeld, andere Perspektiven kennenund respektieren zu lernen. „Diversity-Mana ge ment“ bedeutet dann, die Andersartigkeit der Anderen wahrzunehmen undsich davon auch irritieren und verändernzu lassen; einen globalen Blick zu bekommenauf die Fragen nach Sinn und Würdedes Lebens – auch in der Arbeit; und wasdie verschiedenen religiösen Feste – vonWeihnachten über Chanukka, Ramadanoder Yul – dazu beitragen.Fazit: Religion prägt Arbeit menschlich,weil sie den Menschen als soziales undverantwortungsvolles Wesen versteht.Aus dieser Haltung heraus entsteht einVerstän d nis von Arbeit, das von gemeinsamenUnterbrechungen gekennzeichnetist, um sich Zeit zu nehmen für die Fragenach Würde und Sinn des Lebens – unddazu gehört die Arbeit. In früheren Zusam -men hängen hieß das „ora et labora“ …Esther Kuhn-LuzWirtschafts- und SozialpfarrerinKirchlicher Dienst in der Prälatur StuttgartStudienleiterin an der Evangelischen Akademie Bad BollTag der Arbeit 2011Mose 23,10–11 +++ Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligst. 2. Mose 20,8 +++ Sechs Jahre23

H<strong>in</strong>tergrundund Achtsamkeit, dem umfassendenSchutz und Erhalt des Lebens. „Der Buddhaordnet die Arbeit bzw. den Lebensunterhaltnicht e<strong>in</strong>er abgetrennten, verselbstständigten, alles dom<strong>in</strong>ierenden, nur ihreneigenen Gesetzen gehorchen den Ökonomie,son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Ethik zu. Arbeiten iste<strong>in</strong>e ethische, e<strong>in</strong>e moralische Tätig keit.Ihr Zweck ist nicht die rücksichtsloseAusbeutung (…), nicht die effektive Nutzungund Verwertung <strong>der</strong> Ware Arbeitskraft(…), nicht die massenhafte Herstellungvon beliebigen Konsumwaren (…),nicht die spekulative Vermehrung, Akkumulationund Aneignung all dessen alsGew<strong>in</strong>n, Rendite und Kapital. Das budd his -tische Verständnis von Arbeit ist Lebens -bewahrung, Lebensschutz, Lebens fürsorge: also allseitige Acht sam keit undtätiges Mitgefühl.“ (ebenda, S. 81)Der Buddhismus kennt ke<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>samenRuhetag, aber sehr wohl die Notwendigkeitgeme<strong>in</strong>samer Unterbrechungen,denn nur so ist Achtsamkeit möglich.„Auf mich selbst achtend, achte ich aufden an<strong>der</strong>en, auf den an<strong>der</strong>en achtend,achte ich auf mich selbst.“ (SatipatthanaSamyutta, Nr. 19; zit nach ebenda, S. 82)Daraus entwickelt sich e<strong>in</strong>e kritische E<strong>in</strong>stellunggegenüber e<strong>in</strong>er globalisiertenÖkonomie des Geldes, die nicht mehrnach Verantwortung, son<strong>der</strong>n nur nochnach Rendite fragt – und immer mehrMenschen zu „Arbeitskraftunterneh mer/-<strong>in</strong>nen“ macht – zu kreativen, flexiblen,eigenverantwortlichen und dadurch aberauch zu schutzlosen Selbstvermarkterndes eigenen „Humankapitals“.Um das zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, so Paul Schobel,jahrzehntelang katholischer Betriebs seelsorger<strong>in</strong> Böbl<strong>in</strong>gen/Stuttgart, müsse sichdie Kirche e<strong>in</strong>mischen mit e<strong>in</strong>er „Theo logie<strong>der</strong> Erwerbsarbeit“, die sich dem Menschenbild des Sabbats verdankt. „DieSab bat ruhe ist e<strong>in</strong>e kollektive Ruhe, <strong>in</strong> <strong>der</strong>auch alle gleich werden und sich die sozia -len Unterschiede aufheben. Der Sabbatbirgt <strong>in</strong> sich revolutionäres Poten zial.“(ebenda, S. 46) Er klärt den Blick auf dierealen Unterschiede: Die e<strong>in</strong>en em pf<strong>in</strong>denihre Arbeit immer mehr als Qual, weil eske<strong>in</strong>e Grenzen mehr gibt, die an<strong>der</strong>enohne Er werbsarbeit erleben ganz massivGren zen, weil sie nicht mehr dazugehören.Dieser doppelten „S<strong>in</strong>nkrise <strong>der</strong> Arbeit“steht die Befreiungsgeschichte des Exo dusgegenüber: Aus unmäßiger Arbeit und unwürdigerBehandlung befreit Gott zu e<strong>in</strong>emAufbruch <strong>in</strong> e<strong>in</strong> gelobtes Land. NichtReichtum für alle, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e Orien tierungan den wirklichen Bedürf nissenlernen sie auf ihrem Wüstenweg.Dazu gehört dann auch <strong>der</strong> Respekt<strong>der</strong> Religionen im unternehmerischenHan deln, so wie es Dr. Roland Pelikan,Wirtschafts- und Sozialpfarrer <strong>in</strong> Bayern,beschrieben hat. (ebenda, S. 138 ff.) Inden globalisierten Unternehmen arbeitenMen schen mit sehr unterschiedlicher religiöserund kultureller Prägung mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>– da wird die geme<strong>in</strong>same Arbeit zue<strong>in</strong>em Lernfeld, an<strong>der</strong>e Perspektiven kennenund respektieren zu lernen. „Diversity-Mana ge ment“ bedeutet dann, die An<strong>der</strong>sartigkeit <strong>der</strong> An<strong>der</strong>en wahrzunehmen undsich davon auch irritieren und verän<strong>der</strong>nzu lassen; e<strong>in</strong>en globalen Blick zu bekommenauf die Fragen nach S<strong>in</strong>n und Würdedes Lebens – auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit; und wasdie verschiedenen religiösen Feste – vonWeihnachten über Chanukka, Ramadano<strong>der</strong> Yul – dazu beitragen.Fazit: Religion prägt Arbeit menschlich,weil sie den Menschen als soziales undverantwortungsvolles Wesen versteht.Aus dieser Haltung heraus entsteht e<strong>in</strong>Verstän d nis von Arbeit, das von geme<strong>in</strong>samenUnterbrechungen gekennzeichnetist, um sich Zeit zu nehmen für die Fragenach Würde und S<strong>in</strong>n des Lebens – unddazu gehört die Arbeit. In früheren Zusam -men hängen hieß das „ora et labora“ …Esther Kuhn-LuzWirtschafts- und Sozialpfarrer<strong>in</strong><strong>Kirchlicher</strong> <strong>Dienst</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Prälatur StuttgartStudienleiter<strong>in</strong> an <strong>der</strong> Evangelischen Akademie Bad BollTag <strong>der</strong> Arbeit 2011Mose 23,10–11 +++ Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligst. 2. Mose 20,8 +++ Sechs Jahre23

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