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Tableau Musical 3 - Merseburger Verlag

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Durfte eine Frau des fin de siècle einen Glücksanspruch erheben?<br />

Und wenn sie es tat: Wie gelang es ihr, ihn nach außen<br />

hin zu vertreten? In der Musik fand Mélanie Hélène Bonis das<br />

geeignete Medium, ihrem Verlangen nach einem befreiten, unbeschwerten<br />

Leben Ausdruck zu verleihen. So schreibt die<br />

Komponistin in ihren „Souvenirs et réflexions“: „Die Musik, diese<br />

göttliche Sprache, drückt alle Schönheit, alle Wahrheit, alle Sehnsucht<br />

aus. Das Ziel unserer Wünsche nimmt Gestalt an.“<br />

1858 in Paris geboren, wuchs Mélanie Bonis in einer Atmosphäre<br />

christlicher Frömmigkeit auf. Ein Klavier bildete die Hauptattraktion<br />

des kindlichen Vergnügens. Bis zu ihrem zwölften Lebensjahr<br />

spielte das Mädchen, was es an Melodien in der Kirche und<br />

auf der Straße aufnahm. Schließlich erhielt sie Klavierunterricht<br />

und bekam die elterliche Erlaubnis, am Conservatoire Supérieur<br />

zu studieren. Unter der Ägide von Ernest Guiraud und César<br />

Franck erwarb die junge Frau 1879 einen zweiten Preis in Klavierbegleitung,<br />

dem 1880 ein<br />

erster Preis in Harmonielehre<br />

folgte. Guiraud wollte<br />

seine Schülerin für die Teilnahme<br />

am Prix de Rome vorschlagen.<br />

Dies wurde allerdings<br />

durch ihr vorzeitiges<br />

Ausscheiden aus dem Konservatorium<br />

vereitelt. 1883<br />

wurde sie mit dem 22 Jahre<br />

älteren Geschäftsmann<br />

Albert Domange verheiratet,<br />

der Witwer und Vater<br />

von fünf Söhnen war. Sie<br />

gebar drei Kinder und beschränkte<br />

ihre musikalische<br />

Produktion auf die Komposition<br />

einiger Lieder und<br />

Klavierstücke.<br />

6<br />

Mel<br />

„Es war wie ein<br />

Ringen nach Luft<br />

zur Glückseligkeit“<br />

Bonis 1858–1937<br />

zum 70. Todestag 2007<br />

Um 1890 traf sie ihre Jugendliebe Amédée Hettich wieder, der<br />

als Musikkritiker und Gesangslehrer arbeitete und ihr ermöglichte,<br />

sich wieder mit der Welt der Musik zu beschäftigen. 1891<br />

erhielt sie den ersten Preis für ihr Salonstück „Les Gitanos“,<br />

1892 publizierte Leduc ihr „Noël pastorale“ unter dem Namen<br />

Mel Bonis, der ihr Geschlecht nicht verrät. Es folgte eine Vielzahl<br />

von Klavierwerken, darunter der Zyklus „Femmes de Légende“.<br />

Ähnlich ihrer angelsächsischen Zeitgenossin Ethel Smith muss<br />

Bonis um ihre schwierige Lage als „femme compositeur“ gewusst<br />

haben. 1899, das Jahr der Geburt ihres unehelichen Kindes,<br />

das lange versteckt lebte, markiert einen Wendepunkt in<br />

ihrer kompositorischen Kreativität: Ihre tiefen moralischen<br />

Qualen fanden ein Ventil in der Komposition von sinnlicher<br />

und leidenschaftlicher Musik. Ihre Stellung als wohlhabende<br />

Pariser Bourgeoise erlaubte ihr, sich professionell der Komposition<br />

zu widmen.<br />

Es entstand ein umfangreiches Werk im Bereich der Kammer-,<br />

Chor- und Orchestermusik. Bonis´ zahlreiche Klavierwerke – neben<br />

vielen Orchester- und kammermusikalischen Werken – erscheinen<br />

seit 2003 auf die Initiative des kürzlich verstorbenen Eberhard<br />

Meyer hin beim Furore <strong>Verlag</strong> Kassel in einer siebenbändigen<br />

Gesamtausgabe. Soeben wurde auch das zweite von Bonis’ Klavierquartetten,<br />

das Quartett D-Dur op. 124, bei Furore veröffentlicht.<br />

Der Komponist J. E. Bonnal schrieb seiner Kollegin dazu:<br />

„Es ist eine sehr kurzweilige Musik, sehr gut gearbeitet und<br />

erdacht.“ Auf einzigartige Weise dokumentiert der dritte Satz<br />

mit seiner langen Violinphrase Bonis´ Vorstellung der Musik als<br />

„den ewigen Kampf der Sehnsucht um das Glück.“ Astrid Mader<br />

Weitere Informationen zu der Komponistin unter www.mel-bonis.com sowie<br />

Florence Launay (2001): Mel Bonis: „Die Musik, die ich liebe – quälend und<br />

köstlich zugleich...“, in: Annäherung XII an sieben Komponistinnen, Furore<br />

<strong>Verlag</strong>, Kassel, fue 8030 e 16,90

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