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Kapitel 6: Der Einstieg in die PC-Branche und ... - Des Pudels Kern

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<strong>Kapitel</strong> 6 des Buches „<strong>Des</strong> <strong>Pudels</strong> <strong>Kern</strong>“ von Georg Zipfel. !Weitere Informationen f<strong>in</strong>den Sie auf: georgzipfel.de6. <strong>Der</strong> <strong>E<strong>in</strong>stieg</strong> <strong>in</strong> den <strong>PC</strong>-Markt <strong>und</strong> Aufstieg zum MillionärWeil ihr Traum von e<strong>in</strong>em längeren Kolumbien-Aufenthalt somit unversehensgeplatzt war, bezweifelte leider auch Sigrid <strong>die</strong> Richtigkeitme<strong>in</strong>es Verhaltens <strong>in</strong> Kolumbien. Und so begann es <strong>in</strong> unserer Beziehungschon bald nach me<strong>in</strong>er Rückkehr <strong>und</strong> Entlassung zu kriseln.Dies legte sich jedoch wieder, nachdem ich ihr <strong>in</strong> Rio de Janeiro imAnschluss an e<strong>in</strong>e Besichtigung der Werkstätten des berühmten JuweliersHorst Stern e<strong>in</strong>en sehr schönen R<strong>in</strong>g schenkte, <strong>und</strong> schienendgültig überw<strong>und</strong>en zu se<strong>in</strong>, nachdem ich im April 1985 e<strong>in</strong>enneuen Arbeitgeber gef<strong>und</strong>en hatte: <strong>die</strong> Firma Südrohrbau aus Ingolstadt.Weil deren Big Boss Hans H. Hardes der Me<strong>in</strong>ung war, dassder wenige Monate zuvor mit der Leitung der Niederlassung <strong>in</strong> SaudiArabien betraute Dr. Langer der falsche Mann für <strong>die</strong>sen Job wäre,sollte ich ihn nach Ablauf e<strong>in</strong>er Probezeit als General Manager derNiederlassung mit Sitz <strong>in</strong> Jeddah ersetzen.Die Belegschaft der Niederlassung bestand aus etwa 500 Arbeiternaus Thailand <strong>und</strong> Pakistan sowie etwa 15 Deutschen <strong>und</strong> zwei Engländern.Die meisten <strong>die</strong>ser Leute arbeiteten auf Baustellen der FirmenSiemens <strong>und</strong> Pirelli, <strong>die</strong> damals das erdverlegte Mittel- <strong>und</strong>Hochspannungsnetz zur Stromverteilung <strong>in</strong> den Regionen Jeddah,Med<strong>in</strong>a <strong>und</strong> Daharan ausbauten. Südrohbau fungierte als Subunternehmer<strong>und</strong> hatte <strong>die</strong> dabei anfallenden Erd-, Beton- <strong>und</strong> Asphaltierungsarbeitenausgeführt. Etwa 50 Mann waren im Rahmen e<strong>in</strong>esJahresvertrags mit der Elektrizitätsbehörde von Jeddah mit der Verlegungvon Hausanschlüssen beschäftigt. Weil schon seit längeremke<strong>in</strong> Pipel<strong>in</strong>eauftrag gewonnen werden konnte, gab es <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Bereichdamals nur noch Restarbeiten für e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Pipel<strong>in</strong>eprojektbei Riyadh zu erledigen.Dr. Langer war e<strong>in</strong> stu<strong>die</strong>rter Masch<strong>in</strong>enbauer im Alter von etwa 50Jahren <strong>und</strong> hatte zuvor ebenfalls für <strong>die</strong> Mannesmann AnlagenbauAG gearbeitet. Zwar hatte ich von se<strong>in</strong>en Stu<strong>die</strong>n über den Bau vonUnterwasserpipel<strong>in</strong>es gehört, kannte ihn allerd<strong>in</strong>gs nur vom Sehen.Damit geheim blieb, dass ich Herrn Dr. Langer nach me<strong>in</strong>er Probe-168


zeit ablösen sollte, wurde ich der Belegschaft <strong>in</strong> Ingolstadt als dessenkünftiger Assistent vorgestellt.Als erste Aufgabe wurde mir <strong>die</strong> Ausarbeitung e<strong>in</strong>es Angebots für e<strong>in</strong>kle<strong>in</strong>es Pipel<strong>in</strong>eprojekt <strong>in</strong> Libyen übertragen, das <strong>die</strong> Firma BBC mitSitz <strong>in</strong> Baden / Schweiz ausgeschrieben hatte. Die etwa 80 Kilometerlange Pipel<strong>in</strong>e mit e<strong>in</strong>em Durchmesser von 14 Zoll gehörte zu e<strong>in</strong>emGaskraftwerkprojekt, das se<strong>in</strong>erseits Bestandteil des Great Man-Made River war. Dieses gigantische Projekt <strong>die</strong>nte der Versorgungder Küstenregion Libyens mit Tr<strong>in</strong>kwasser für städtische <strong>und</strong> landwirtschaftlicheZwecke aus den schier unermesslich großen Tr<strong>in</strong>kwasservorkommenunter der libyschen Wüste.Nach E<strong>in</strong>schätzung von Geologen entsprach <strong>die</strong>ses Wasservorkommen<strong>in</strong> etwa der 200-fachen Wassermenge, <strong>die</strong> jährlich durch den Nilabfließt. Entdeckt <strong>und</strong> erstmals angezapft wurde <strong>die</strong>ser Bodenschatzvon Occidental Petroleum. Um deren Chancen im Wettbewerb ume<strong>in</strong>e der im Jahre 1966 vergebenen Öl-Konzessionen zu verbessern,hatte der eigentlich chancenlose Newcomer Dr. Hammer <strong>in</strong> se<strong>in</strong>emAngebot e<strong>in</strong>st <strong>die</strong> ergänzende Zusage gemacht, im Falle e<strong>in</strong>es nennenswertenÖlf<strong>und</strong>es bei Kufra, der 800 Kilometer im Landes<strong>in</strong>nerengelegenen Heimatoase von König Idris, nach Wasser zu bohren – <strong>in</strong>der Erwartung, <strong>die</strong> dortige Wasserknappheit beheben zu können.Folglich hatten <strong>die</strong> Oxy-Leute nach ihren sensationellen Ölf<strong>und</strong>en imJahre 1967 e<strong>in</strong>en Bohrturm quer durch <strong>die</strong> libysche Wüste nach Kufragezogen, wo es seit 25 Jahren nicht mehr geregnet hatte, <strong>und</strong>machten dort <strong>die</strong>sen noch weitaus sensationelleren F<strong>und</strong>. <strong>Der</strong> Strom,den <strong>die</strong>ses Gaskraftwerk e<strong>in</strong>mal erzeugen sollte, wurde für den Betriebder Wasserpumpen <strong>in</strong> mehreren Brunnenfeldern benötigt, <strong>die</strong>den Great Man-Made River e<strong>in</strong>mal mit Wasser aus <strong>die</strong>sen Vorkommenspeisen sollten.Da ohneh<strong>in</strong> alles für den Bau <strong>die</strong>ser Pipel<strong>in</strong>e importiert werdenmusste <strong>und</strong> <strong>die</strong> Trasse durch ebenes Gelände ohne Fels <strong>und</strong> Sandstreckenverlief, hatte sich e<strong>in</strong>e Trassenbesichtigung erübrigt, sodass ichmit unserem Angebot nach etwa drei Wochen <strong>und</strong> etwa fünf Tage vordem Abgabeterm<strong>in</strong> fertig war. Weil <strong>in</strong> Libyen damals relativ wenig169


Wettbewerb um Aufträge <strong>die</strong>ser Art herrschte, hatte ich entsprechendüppig kalkuliert, rechnete zusätzlich e<strong>in</strong>en Gew<strong>in</strong>n <strong>in</strong> Höhe von etwafünf Millionen US-Dollar e<strong>in</strong> <strong>und</strong> kam so auf e<strong>in</strong>en Endpreis vonetwa 36 Millionen US-Dollar.Wohl weil ich neu <strong>in</strong> der Firma war, hatte der selbstherrliche FirmenpatriarchHans H. Hardes e<strong>in</strong> Meet<strong>in</strong>g anberaumt, <strong>in</strong> dem ich me<strong>in</strong>eKalkulation im Beise<strong>in</strong> mehrerer Führungskräfte erläutern sollte.Ohne e<strong>in</strong>en Blick <strong>in</strong> <strong>die</strong> von mir mitgebrachten Unterlagen geworfenzu haben, fragte er mich zum Auftakt <strong>die</strong>ses nur etwa fünf M<strong>in</strong>utendauernden Meet<strong>in</strong>gs, wie hoch denn <strong>die</strong> von mir ermittelte Angebots-Endsumme wäre. Nachdem ich <strong>die</strong>se genannt hatte, schob er se<strong>in</strong> Exemplarder von mir zusammengestellten Kalkulationsunterlagen überden Tisch zu mir herüber <strong>und</strong> wies mich an, unseren Angebotspreiszu verdoppeln. Me<strong>in</strong> E<strong>in</strong>wand, dass ich bereits sehr üppig kalkulierthätte <strong>und</strong> wir durch <strong>die</strong> Verdoppelung unseres Preises Gefahr liefen,uns zu blamieren, wurde von Hardes <strong>und</strong> den übrigen Anwesendenfast schon als Majestätsbeleidigung aufgefasst <strong>und</strong> barsch zurückgewiesen.Also füllte ich das Angebots-Blankett weisungsgemäß aus. E<strong>in</strong> paarTage später stellte sich dann heraus, dass fünf von sechs Firmen denBau <strong>die</strong>ser Pipel<strong>in</strong>e zu Preisen zwischen 36 <strong>und</strong> 42 Millionen US-Dollar anboten <strong>und</strong> Südrohrbau mit 72 Millionen krass daneben lag.Zwar äußerte sich der zuständige Projektleiter von BBC, mit dem ichvor der Angebotsabgabe zur Abklärung diverser Punkte mehrfach telefonierthatte, ziemlich abfällig über me<strong>in</strong>e Kalkulationskünste, alsich das Submissionsergebnis erfragte. Aber immerh<strong>in</strong> wusste HansH. Hardes nun, dass me<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>wände gegen <strong>die</strong> Verdoppelung deskalkulierten Preises berechtigt waren.Danach wurde ich mit der Bauleitung e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Pipel<strong>in</strong>ebaustelle<strong>in</strong> Oberbayern beauftragt. Nachdem ich auch <strong>die</strong>se Prüfung bestandenhatte, wurde mir ab September 1985 <strong>die</strong> Leitung der Niederlassung<strong>in</strong> Saudi-Arabien mit Sitz im schönen Jeddah am Roten Meeranvertraut. Weil man auch Dr. Langer erzählt hatte, dass ich als se<strong>in</strong>Assistent engagiert worden wäre, machte ich <strong>in</strong> der Übergangsphase170


etwa 4 Wochen lang gute Miene zu <strong>die</strong>sem mir sehr widerwärtigenSpiel. Dann kam Hans H. Hardes nach Jeddah <strong>und</strong> eröffnete HerrnDr. Langer, dass se<strong>in</strong>e Dienste nicht länger benötigt würden.Da wir noch nicht verheiratet waren, konnte mich Sigrid aufgr<strong>und</strong>der E<strong>in</strong>reisebestimmungen leider nicht zu me<strong>in</strong>em Dienstantritt <strong>in</strong>Saudi-Arabien begleiten. Um <strong>die</strong>sen Bestimmungen gerecht zu werden,hatten wir jedoch beschlossen, umgehend nach me<strong>in</strong>er Scheidungzu heiraten, damit sie schnellstmöglich nachkommen konnte.Weil absehbar war, dass me<strong>in</strong>e Ehe noch vor Weihnachten 1985 geschiedenwürde <strong>und</strong> Südrohrbau <strong>in</strong> Jeddah über ke<strong>in</strong>e geeigneteWohnmöglichkeit verfügte, mietete ich folglich e<strong>in</strong>en Bungalow mitungefähr 130 Quadratmeter Wohnfläche <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sehr gepflegten<strong>und</strong> üppig bepflanzten Compo<strong>und</strong> mit <strong>in</strong>sgesamt 13 Bungalows an,der dem B<strong>in</strong>-Laden-Konzern gehörte. Neben zwei Tennisplätzen gabes <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Compo<strong>und</strong> e<strong>in</strong>en sehr großen Swimm<strong>in</strong>gpool <strong>und</strong> e<strong>in</strong>enGrillplatz für Partys mit bis zu 30 Gästen. Da das Haus unmöbliertwar, schaffte ich bis Anfang Dezember auch <strong>die</strong> Möbel an. Als icham 18. Dezember 1985 erwartungsfroh nach Deutschland flog, umden auf den 20. Dezember festgesetzten Scheidungsterm<strong>in</strong> wahrnehmen<strong>und</strong> <strong>die</strong> notwendigen Behördengänge für <strong>die</strong> Vermählung mitSigrid erledigen zu können, hatte ich noch nicht den ger<strong>in</strong>gstenHauch e<strong>in</strong>er Ahnung, dass alles ganz anders kommen könnte.Zu me<strong>in</strong>er bösen Überraschung machte Sigrid mir zunächst schwereVorwürfe, weil ich <strong>die</strong> Scheidungsvere<strong>in</strong>barung, <strong>die</strong> me<strong>in</strong> Anwalt mitder Gegenseite ausgehandelt hatte, akzeptierte. Diese Vere<strong>in</strong>barungsah e<strong>in</strong>en Zugew<strong>in</strong>nsausgleich für me<strong>in</strong>e Exgatt<strong>in</strong> <strong>in</strong> Höhe von etwa350 000 Mark <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e monatliche Unterhaltszahlung <strong>in</strong> Höhe von2 500 Mark vor (1 000 Mark für sie, je 750 Mark für <strong>die</strong> K<strong>in</strong>der) vor.Auch <strong>die</strong> Sigrid bekannte Tatsache, dass ich bei Südrohrbau ca.13 000 Mark netto im Monat ver<strong>die</strong>nte <strong>und</strong> me<strong>in</strong>e Exgatt<strong>in</strong> folglichstatt der vere<strong>in</strong>barten 1 000 Mark aufgr<strong>und</strong> der damals gültigenRechtslage e<strong>in</strong>en monatlichen Unterhalt <strong>in</strong> Höhe von ca. 4 500 Markpro Monat für sich hätte erstreiten können, änderte nichts an Sigrids171


Me<strong>in</strong>ung, dass es ganz schön blöd von mir gewesen wäre, <strong>die</strong>se Vere<strong>in</strong>barungzu akzeptieren.Dann eröffnete sie mir zu me<strong>in</strong>er noch böseren Überraschung, dasssie nun doch nicht nach Saudi-Arabien kommen könnte, weil sie esihrer alten Mutter angeblich nicht antun wollte, sie alle<strong>in</strong>e zu lassen,<strong>und</strong> dass es folglich mit der geplanten Heirat noch Zeit hatte. Diessagte sie mir erstmals am 23. Dezember. Am 24. Dezember g<strong>in</strong>g sievormittags um 9 Uhr zum Friseur – ohne <strong>die</strong> ger<strong>in</strong>gsten Vorkehrungenfür das bevorstehende Weihnachtsfest getroffen zu haben. Undals sie um 15 Uhr noch immer beim Friseur oder sonst wo war, riefich me<strong>in</strong>e Schwester Elisabeth <strong>in</strong> Messkirch an, schilderte ihr <strong>die</strong> Situation<strong>und</strong> bestellte auf den 27. Dezember e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Möbelwagen,um me<strong>in</strong>e Sachen nach Messkirch br<strong>in</strong>gen zu lassen. Anschließendrief ich im Crest-Hotel bei Düsseldorf an, buchte e<strong>in</strong> Zimmer<strong>und</strong> verabschiedete mich von Sigrids Mutter – <strong>die</strong> ziemlich sauerdarüber war, dass Sigrid angeblich wegen ihr nun doch nicht für e<strong>in</strong>oder zwei Jahre <strong>in</strong> Saudi-Arabien leben wollte.Kurz vor me<strong>in</strong>er Abfahrt kam Sigrid so um 16 Uhr endlich heim. Alsich sie über me<strong>in</strong>en bevorstehenden Auszug <strong>in</strong>formierte, quittierte sie<strong>die</strong>se Information mit e<strong>in</strong>em Schulterzucken <strong>und</strong> der schnippischenBemerkung: „Reisende soll man nicht aufhalten.“ Und so zog ich amHeiligen Abend durch <strong>die</strong> wenigen offenen Lokale <strong>in</strong> der DüsseldorferAltstadt <strong>und</strong> tröstete mich damit, dass es anderen Leuten offenk<strong>und</strong>ignoch deutlich schlechter g<strong>in</strong>g als mir. Nachdem der Möbelwagenam 27. Dezember beladen war, fuhr ich nach Messkirch, beglückteElisabeth mit den sehr schönen Weihnachtsgeschenken, <strong>die</strong>ich für Sigrid <strong>und</strong> deren Tochter Inke gekauft hatte, <strong>und</strong> flog <strong>in</strong> denersten Januartagen 1985 wieder nach Jeddah.Bei der Firma Südrohrbau g<strong>in</strong>g es bisweilen zu, wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em typischbayerischen Komödiantenstadel – nicht nur <strong>in</strong> Ingolstadt, sondernauch <strong>in</strong> Jeddah, wo der notorisch großspurige Hans H. Hardes denOberstrippenzieher, dessen Adlatus Dieter Hartung den Unterstrippenzieher<strong>und</strong> e<strong>in</strong> w<strong>in</strong>diger Angestellter aus Niederbayern deren V-Mann <strong>in</strong> Jeddah spielten.172


Ende April bekam ich großen Ärger mit Hardes <strong>und</strong> Hartung, weilich verh<strong>in</strong>dert hatte, dass Karl-He<strong>in</strong>z Schreiber, der umtriebigeFranz-Josef-Strauß-Kumpan, Waffenlobbyist <strong>und</strong> Großsponsor derCDU, über se<strong>in</strong>e Firma, <strong>die</strong> Bayerische Bitumen Chemie GmbH, <strong>in</strong>Komplizenschaft mit <strong>die</strong>sem w<strong>in</strong>digen Niederbayern über unserBüro e<strong>in</strong>en ebenso riskanten wie krim<strong>in</strong>ellen Erdöldeal <strong>in</strong> der Größenordnungvon 15 Millionen US-Dollar abwickeln konnte.Zugetragen wurde mir <strong>die</strong> Information über <strong>die</strong>sen Erdöldeal durchden Leiter unseres Sekretariats, e<strong>in</strong>es Pakistanis mit britischem Pass,der e<strong>in</strong> etwa zwei Meter langes vertrauliches Telex von Herrn Schreiberzu Händen <strong>die</strong>ses Angestellten gelesen hatte <strong>und</strong> mich vor denFolgen warnte, falls der Deal auffliegen sollte. Wegen der Brisanzder Begebenheit <strong>in</strong>formierte ich umgehend Hans H. Hardes. Als erdaraufh<strong>in</strong> Ende April von Ingolstadt nach Jeddah gedüst kam, ummich von der fristlosen Entlassung se<strong>in</strong>es Vertrauensmannes abzuhalten,hätte ich me<strong>in</strong>en Job zwar am liebsten schon damals geschmissen.Da aber me<strong>in</strong>e Ex-Frau kurz zuvor zugestimmt hatte,dass Volker <strong>und</strong> Alexander ihre Sommerferien bei mir <strong>in</strong> Jeddah verbr<strong>in</strong>gendürfen <strong>und</strong> ich <strong>die</strong> beiden nicht enttäuschen wollte, hielt ichdurch, bis <strong>die</strong> Ferien vorüber waren.Erleichtert wurde mir der Entschluss, me<strong>in</strong>en Job bei der Firma Südrohrbauaufzugeben, durch <strong>die</strong> hilfreichen Tipps, <strong>die</strong> mir der <strong>PC</strong>-FreakChris Thompson, e<strong>in</strong> englischer Elektro<strong>in</strong>genieur der Südrohrbau,beim Kauf me<strong>in</strong>es ersten <strong>PC</strong>s im Dezember 1985 <strong>und</strong> zum Umgangmit <strong>die</strong>ser Teufelskiste gegeben hatte – <strong>die</strong> mich so manche Nacht bisdrei Uhr morgens genervt hatte. Es war e<strong>in</strong> IBM-kompatibler 286erComputer, Made <strong>in</strong> Taiwan, mit 640 KB RAM, e<strong>in</strong>er Hercules-Grafik-Karte<strong>und</strong> e<strong>in</strong>er 20-Megabyte-Festplatte, der r<strong>und</strong> 6 000Mark gekostet hatte; der Nadeldrucker von Brother <strong>und</strong> der hoch auflösende12-Zoll-Amber-Monitor kosteten weitere 3 000 Mark. Nachetwa drei Monaten war ich jedoch von der Rechenpower <strong>die</strong>ses <strong>PC</strong>sso begeistert, dass ich mir sicher war, mir damit e<strong>in</strong>e neue Existenz<strong>in</strong> Deutschland aufbauen zu können.173


Damals war Lotus 1-2-3 das wohl beste Tabellenkalkulationsprogrammam Markt, <strong>und</strong> damit hatte ich nach Feierabend e<strong>in</strong>ige ziemlichgroße Angebote für <strong>die</strong> Firma kalkuliert. Als <strong>die</strong>se Spreadsheetstadellos funktionierten, befasste ich mich damit, e<strong>in</strong> entsprechendesdBase-Programm zu schreiben <strong>und</strong> hoffte <strong>die</strong>ses Programm <strong>in</strong> compilierterFassung verkaufen zu können. Dank <strong>die</strong>ser zwar noch ziemlichunklaren, aber durchaus realistischen Perspektive beschloss ichim Alter von 40 Jahren, mich beruflich komplett neu zu orientieren.Nach e<strong>in</strong>er fast viermonatigen totalen Funkstille zwischen der Geschäftsleitung<strong>in</strong> Ingolstadt <strong>und</strong> mir wegen der Erdöl-Sache schickteHans H. Hardes dann Mitte August endlich se<strong>in</strong>en Adlatus DieterHartung nach Jeddah, um mit mir über <strong>die</strong> Beendigung <strong>die</strong>ses unhaltbarenZustands zu sprechen. <strong>Der</strong> Gr<strong>und</strong> für das lange Stillhalten derIngolstädter Strippenzieher lag wohl dar<strong>in</strong>, dass sie nicht schuld se<strong>in</strong>wollten, falls <strong>in</strong> Mekka während der großen Hajj-Tage – zu denenzwei Millionen Pilger erwartet wurden – das Stromnetz zusammenbrechen<strong>und</strong> das Licht ausgehen sollte.Dieses Risiko resultierte aus dem Auftrag für den Bau e<strong>in</strong>er sechsKilometer langen 110-Kilovolt-Erdkabelstrecke vom Stadtrand vonMekka bis <strong>in</strong> <strong>die</strong> Innenstadt, den wir im Februar gewonnen hatten<strong>und</strong> der unbed<strong>in</strong>gt am 10. August soweit fertig gestellt se<strong>in</strong> musste,dass Strom fließen konnte. Weil alles Spitz auf Knopf geplant war,wäre im Falle me<strong>in</strong>er Absetzung als General Manager fraglos e<strong>in</strong>gravierender Term<strong>in</strong>verzug zu befürchten gewesen – zumal <strong>die</strong> term<strong>in</strong>gerechteFertigstellung <strong>die</strong>ses Auftrags entscheidend von me<strong>in</strong>emsehr guten E<strong>in</strong>vernehmen mit den zuständigen Leuten des Auftraggebers<strong>und</strong> der Stadtverwaltung von Mekka abh<strong>in</strong>g.Die <strong>in</strong>sgesamt r<strong>und</strong> 80 Kilometer 110-KV-Erdkabel, <strong>die</strong> r<strong>und</strong> 200Muffen <strong>und</strong> <strong>die</strong> benötigten Ingenieurleistungen für <strong>die</strong>ses Projekthatten wir von der Hitachi Cable Ltd. bezogen. Weil <strong>die</strong> Bauzeit mitfünf Monaten extrem knapp bemessen war <strong>und</strong> wir es – entgegen denErwartungen so reputierter Konkurrenten wie Siemens, BICC <strong>und</strong>Pirelli – geschafft hatten, das System am 9. August <strong>in</strong> Betrieb zu nehmen,traf am 12. August folgendes Telefax von Hitachi aus Japan e<strong>in</strong>:174


Telefax 02/6837238Suedrohrbau S.A. Ltd., JeddahAttn.: Mr. Georg Zipfel, General ManagerCopy to: Suedrohrbau GmbH & Co., IngolstadtMr. Hans H. Hardes, Manag<strong>in</strong>g DirectorMr. Dieter Hartung, DirectorRe.: SCECOW Project No: 4/3017/2/31for the Extension & Re<strong>in</strong>forcementof 110KV System, Makkah Area Hajj 1406Dear Mr. Zipfel,Here is to you and your excellent management of the captioned contractupon its successful commission<strong>in</strong>g on August 9, 1986, one dayahead of the scheduled contractual commission<strong>in</strong>g date.All of us concerned here at our company feel relieved at the news,s<strong>in</strong>ce your project was a real crash program defy<strong>in</strong>g comparisonanywhere <strong>in</strong> the world and we have been entrusted with a portion ofyour contract.The feel<strong>in</strong>g of satisfaction and achievement also overwhelms us andwe trust the confidence we have thus cultivated <strong>in</strong> each other willbear more fruits to the benefit of our two companies.Very friendly regardsN. Suzuki (Deputy General Manager Overseas Division)c.c Mr. Koishihara / Mr. Isaaka at DENPROEtwa Mitte Juni hatte ich e<strong>in</strong>en me<strong>in</strong>er leitenden Mitarbeiter überme<strong>in</strong>e Entscheidung, Südrohrbau Ende August zu verlassen, <strong>in</strong>s Vertrauengezogen <strong>und</strong> ihn fortan über alle relevanten Angelegenheitender Firma <strong>in</strong>formiert, damit er mich nach me<strong>in</strong>em Ausscheiden ersetzenkönnte. Als nun Dieter Hartung zwei Tage nach E<strong>in</strong>gang des Anerkennungsschreibensvon Hitachi <strong>in</strong> Jeddah e<strong>in</strong>traf, um mit mir überme<strong>in</strong>e Entlassung zu reden <strong>und</strong> sich wohl aufgr<strong>und</strong> des sehr positivenHitachi-Schreibens sehr schwer tat, den richtigen <strong>E<strong>in</strong>stieg</strong> <strong>in</strong> un-175


ser Gespräch zu f<strong>in</strong>den, erklärte ich ihm kurz <strong>und</strong> bündig, dass ichbereit wäre, sofort aufzuhören, sofern man mir me<strong>in</strong> Gehalt bis zumJahresende bezahlte, <strong>und</strong> dass der von mir <strong>in</strong>s Vertrauen gezogeneEngländer namens Kenneth Pr<strong>in</strong>gle <strong>in</strong> der Lage sei, sofort me<strong>in</strong>enPosten zu übernehmen.Weil Dieter Hartung wohl mit viel größeren Schwierigkeiten gerechnethatte <strong>und</strong> auch er Kenneth Pr<strong>in</strong>gle zutraute, <strong>die</strong> Niederlassungführen zu können, stimmte er <strong>die</strong>sem Vorschlag prompt zu. Und sokam es – trotz der fast viermonatigen absoluten Funkstille zwischenHans H. Hardes <strong>und</strong> mir – dennoch zu e<strong>in</strong>em fast e<strong>in</strong>vernehmlichenEnde me<strong>in</strong>es ebenso unerquicklichen wie kurzen <strong>und</strong> erfolgreichenGastspiels bei der Firma Südrohrbau.Am 24. August flog ich zusammen mit Volker <strong>und</strong> Alexander RichtungHeimat. E<strong>in</strong>er der Höhepunkte <strong>die</strong>ser fünfwöchigen Ferien bestandfür <strong>die</strong> beiden Buben dar<strong>in</strong>, dass sie etwa 20 Kilometer nördlichvon Jeddah mit me<strong>in</strong>em 230er Mercedes ganz alle<strong>in</strong>e <strong>und</strong> nachHerzenslust auf den Straßen e<strong>in</strong>er ziemlich großen Trabantenstadtherumfahren durften, <strong>in</strong> der zwar schon alle Straßen, aber noch ke<strong>in</strong>eHäuser gebaut waren. Selbstverständlich g<strong>in</strong>gen wir auch zumSchnorcheln an den besten Riffs im Roten Meer, <strong>die</strong> etwa 100 Kilometersüdlich von Jeddah lagen. Abends spielten wir regelmäßigetwa zwei St<strong>und</strong>en lang Tennis auf e<strong>in</strong>em der beiden Plätze <strong>in</strong>nerhalbunseres Compo<strong>und</strong>s.Als <strong>die</strong> beiden von ihrer Mutter am Flughafen von Zürich abgeholtwurden, würdigte <strong>die</strong>se mich weder e<strong>in</strong>es Blickes noch e<strong>in</strong>es Wortes– obwohl es <strong>in</strong> Anbetracht der Tatsache, dass ich ihrer Aufforderungzum Auszug aus unserer Wohnung prompt nachgekommen war, siee<strong>in</strong>en Zugew<strong>in</strong>nausgleich <strong>in</strong> Höhe von <strong>in</strong>sgesamt etwa 350 000 Markerhielt <strong>und</strong> ich e<strong>in</strong>en monatlichen Unterhalt <strong>in</strong> Höhe von <strong>in</strong>sgesamt2 500 Mark bezahlte, wahrlich ke<strong>in</strong>en vernünftigen Gr<strong>und</strong> gab, sichvor den K<strong>in</strong>dern mir gegenüber dermaßen fe<strong>in</strong>dselig zu verhalten.Nach der Verabschiedung mietete ich e<strong>in</strong>en Leihwagen, fuhr damit <strong>in</strong><strong>die</strong> Kenz<strong>in</strong>ger Nachbargeme<strong>in</strong>de Riegel, quartierte mich dort für e<strong>in</strong>igeTage im Hotel „Riegeler Hof“ e<strong>in</strong>, kaufte e<strong>in</strong>en gebrauchten Fiat176


Uno <strong>und</strong> suchte mir e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Wohnung <strong>in</strong> Freiburg. Dann nahmich an e<strong>in</strong>em Anfängerkurs für dBase-Programmierer teil, begann mitder Programmierung me<strong>in</strong>er Kalkulationssoftware mit <strong>in</strong>tegrierterBaugeräteliste für mittelständische Baufirmen, las regelmäßig <strong>die</strong>führenden deutschen <strong>und</strong> amerikanischen Computermagaz<strong>in</strong>e, frischtealte Bekanntschaften auf <strong>und</strong> genoss nebenher das Leben im herrlichenFreiburg.Weil es bei der Firma Südrohrbau bisweilen sogar noch <strong>in</strong>triganterzugegangen war als <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em typisch bayerischen Komödiantenstadel,hatte ich auf <strong>die</strong> Ausstellung e<strong>in</strong>es Zeugnisses verzichtet. DassWerner Schött se<strong>in</strong>e Entführung wohlbehalten überstanden <strong>und</strong> Mannesmannes geschafft hatte, <strong>die</strong> Kolumbien-Pipel<strong>in</strong>e term<strong>in</strong>gerechtfertigzustellen, erfuhr ich beiläufig <strong>in</strong> Saudi-Arabien. Von den frevelhaftenSchurkereien, <strong>die</strong> zur Ermöglichung <strong>die</strong>ses Erfolges trotz desanfänglichen Tohuwabohus <strong>in</strong>folge me<strong>in</strong>er fristlosen Entlassung begangenwurden, hatte ich nichts gehört. Außerdem kannte ich auch<strong>die</strong> reißerisch aufgemachte Propaganda-Reportage über den Bau <strong>die</strong>sermörderischen Pipel<strong>in</strong>e nicht, <strong>die</strong> vier Wochen vor me<strong>in</strong>er Rückkehrnach Deutschland im Stern veröffentlicht worden war. Und soplagten mich aufgr<strong>und</strong> <strong>die</strong>ser positiven Nachrichten damals sogar leiseZweifel an der Richtigkeit me<strong>in</strong>es se<strong>in</strong>erzeitigen Bemühens ume<strong>in</strong>en vertragskonformen Umgangs mit der Schutzgeldforderung derELN-Guerilla.Folglich betrachtete ich denn auch das ziemlich unrühmliche Endeme<strong>in</strong>er Berufskarriere als Bau<strong>in</strong>genieur zunächst als das Resultat bedauerlicherMissverständnisse <strong>und</strong> Fehle<strong>in</strong>schätzungen me<strong>in</strong>erseits.Von den ebenso eleganten wie dreisten Schandtaten der Krisenmanager<strong>und</strong> der Konzernleitung, <strong>die</strong> jene verheerende terroristische S<strong>in</strong>tflutauslösten, von der Kolumbien nach Fertigstellung <strong>die</strong>ser mörderischenPipel<strong>in</strong>e etwa 20 Jahre lang heimgesucht werden sollte, erfuhrich leider erst Mitte der 1990er Jahre Kenntnis, also nachdemich mich <strong>in</strong>folge des eklatanten Fehlverhaltens der Bayerischen Vere<strong>in</strong>sbankgegenüber me<strong>in</strong>er prächtig blühenden Firma veranlasst sah,177


me<strong>in</strong>en Werdegang zu rekapitulieren <strong>und</strong> mich auf <strong>die</strong> Suche nachdem w<strong>und</strong>en Punkt der deutschen Kultur zu begeben.E<strong>in</strong>ige Wochen nach me<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>zug <strong>in</strong> Freiburg bemerkte ich, dassich beim Auszug aus Sigrids Wohnung e<strong>in</strong>ige Dokumente vergessenhatte. Also rief ich sie an, erklärte ihr, wo <strong>die</strong>se Dokumente sich bef<strong>in</strong>den<strong>und</strong> bat darum, sie mir nach Freiburg zu schicken. Bei <strong>die</strong>serGelegenheit entschuldigte Sigrid sich mit größtem Bedauern für ihrzickiges Verhalten an Weihnachten 1985 <strong>und</strong> schrieb mir anschließende<strong>in</strong>en langen Brief, sodass es erneut zu e<strong>in</strong>er Romanze zwischenuns kam. Leider hatte sie ke<strong>in</strong>e Vorstellung vom enormenWachstumspotenzial des <strong>PC</strong>-Marktes <strong>und</strong> hegte zugleich unüberw<strong>in</strong>dbareZweifel an der kommerziellen Verwertbarkeit me<strong>in</strong>er Programmierkünste.Und so verlief <strong>die</strong>ser zweite Anlauf im Sande <strong>und</strong>beschränkte sich schließlich darauf, dass wir uns <strong>in</strong> den kommendenJahren nur noch an den Geburtstagen anriefen, um uns alles Gute zuwünschen. Allerd<strong>in</strong>gs sollte uns <strong>die</strong>ser Usus r<strong>und</strong> sieben Jahre späterabermals zusammen führen, weil me<strong>in</strong>em unternehmerischen Bemühenum den Aufbau e<strong>in</strong>er neuen Existenz im <strong>PC</strong>-Markt e<strong>in</strong> fast schonmärchenhafter Erfolg beschieden war.*Im Sommer 1987 zog ich von Freiburg nach Kirchheim, e<strong>in</strong>e Randgeme<strong>in</strong>deim Osten von München. Zu <strong>die</strong>sem Umzug kam es, weilRolf Zagon, der Bruder me<strong>in</strong>es guten Stu<strong>die</strong>nkollegen Udo Zagon,mir e<strong>in</strong>e 50-prozentige Partnerschaft an se<strong>in</strong>er neuen Firma angebotenhatte, <strong>die</strong> im Großraum München den schlüsselfertigen Bau e<strong>in</strong>igerDoppel- <strong>und</strong> Reihenhäuser <strong>in</strong> Auftrag hatte. Rolf war von BerufArchitekt <strong>und</strong> hatte während se<strong>in</strong>es Studiums e<strong>in</strong>ige Wochen <strong>in</strong> me<strong>in</strong>erFirma <strong>in</strong> Kenz<strong>in</strong>gen gearbeitet, sodass wir uns von früher herrecht gut kannten. Zwar hatte ich <strong>in</strong>zwischen viel Zeit <strong>in</strong> <strong>die</strong> Programmierungme<strong>in</strong>er Kalkulationssoftware <strong>in</strong>vestiert. Allerd<strong>in</strong>gs warich mir nicht ganz sicher, ob ich damit genügend Geld ver<strong>die</strong>nenkönnte, um me<strong>in</strong>e Unterhaltspflichten erfüllen <strong>und</strong> zugleich selbstgut davon leben zu können. In der Erwartung, mir durch <strong>die</strong>se Partnerschafte<strong>in</strong>e sicherere Existenzgr<strong>und</strong>lage als mit me<strong>in</strong>er Software178


aufbauen zu können, akzeptierte ich folglich Rolfs Angebot. Etwadrei Monate nach me<strong>in</strong>em Umzug realisierte ich schließlich, dassRolf <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Ehefrau privat zwar sehr nette <strong>und</strong> ehrliche Leute waren,sich <strong>in</strong> geschäftlichen D<strong>in</strong>gen jedoch sehr abenteuerlich verhielten,sodass mir das Risiko zu groß wurde. Also beschloss ich, wiederme<strong>in</strong>e eigenen Wege zu gehen, <strong>und</strong> befasste mich erneut mit me<strong>in</strong>erKalkulationssoftware.Als me<strong>in</strong> Programm h<strong>in</strong>reichend gut funktionierte, veröffentlichteich im Dezember 1987 me<strong>in</strong> erstes Inserat <strong>in</strong> der Zeitschrift ComputerPersönlich des Markt & Technik Verlags unter der Firmierung„Software Studio Georg Zipfel GmbH“. Das Wohnzimmer <strong>die</strong>nte alsGeschäftsraum, der Fiat Uno als Geschäftswagen, <strong>und</strong> mit dem <strong>PC</strong>,den ich mir zu Weihnachten 1985 <strong>in</strong> Jeddah gekauft hatte, erledigteich <strong>die</strong> Korrespondenz <strong>und</strong> <strong>die</strong> Programmierarbeiten. Es war also e<strong>in</strong>Start-up aus allerkle<strong>in</strong>sten Anfängen heraus, <strong>und</strong> alle neuen MünchnerBekannten, denen ich von me<strong>in</strong>er Geschäftsidee erzählte, äußertensich eher skeptisch als zuversichtlich. Weil ich mir nach wie vornicht sicher war, ob me<strong>in</strong>e eigene Kreation genügend Käufer f<strong>in</strong>denwürde, bot ich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Inserat noch e<strong>in</strong>ige gängige <strong>PC</strong>-Programmeaus den USA an – vor allem Software für Programmierer <strong>und</strong>Utility-Programme wie <strong>die</strong> damaligen Topseller <strong>PC</strong>-Tools von CentralPo<strong>in</strong>t <strong>und</strong> <strong>die</strong> Norton Advanced Utilities – <strong>die</strong> ich über <strong>die</strong> Mailorder-FirmenProgrammer’s Para<strong>die</strong>s <strong>und</strong> Fox-Software aus NewYork <strong>und</strong> Compu-Classics aus Los Angeles beziehen wollte. Zwarbelieferten <strong>die</strong>se Firmen auch Endk<strong>und</strong>en <strong>in</strong> Deutschland, aber nurgegen Vorkasse via Kreditkarte. Weil außerdem <strong>die</strong> Zollformalitätenrelativ aufwendig waren, machten nur wenige Freaks, Fachhändler<strong>und</strong> Systemhäuser von <strong>die</strong>ser sehr preisgünstigen E<strong>in</strong>kaufsmöglichkeitGebrauch.So kostete beispielsweise der große C-Compiler von Microsoft, derauf etwa 20 Disketten <strong>und</strong> mit 7 Kilo Handbüchern ausgeliefert wurde,<strong>in</strong> den USA nur knapp 300 US-Dollar, während man <strong>in</strong> Deutschlandetwa 1 300 Mark zuzüglich Mehrwertsteuer dafür bezahlenmusste. <strong>Der</strong> Wechselkurs lag damals bei etwa 1,50 Mark pro US-179


Dollar <strong>und</strong> <strong>die</strong> UPS-Fracht bei etwa 2,50 Dollar pro Kilo – bei Sendungenab 50 Kilo Gesamtgewicht. Die Handbücher <strong>und</strong> <strong>die</strong> Softwarean sich waren zwar zollfrei, für <strong>die</strong> Disketten mussten jedoch 4Prozent Zoll entrichtet werden, also etwa e<strong>in</strong>e Mark für alle 20 Disketten.Somit kostete mich der MS C-Compiler im E<strong>in</strong>kauf frei Hausalso weniger als 500 Mark. Statt <strong>die</strong> anderen deutschen Anbieter nurknapp zu unterbieten, „begnügte“ ich mich mit e<strong>in</strong>em Aufschlag von200 Mark <strong>und</strong> war damit konkurrenzlos billig – obwohl ich, nachAbzug me<strong>in</strong>er sonstigen Kosten, an jedem der etwa 400 im erstenJahr verkauften C-Compiler etwa 150 Mark ver<strong>die</strong>nte. Für <strong>die</strong> anderenProgramme, <strong>die</strong> ich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em ersten Inserat anbot, sah me<strong>in</strong>ePreiskalkulation ähnlich aus.Leider war <strong>die</strong> Nachfrage nach me<strong>in</strong>em Eigengewächs sehr enttäuschend<strong>und</strong> von den wenigen, <strong>die</strong> sich ernsthaft dafür <strong>in</strong>teressierten,war ke<strong>in</strong>er bereit, den verlangten Preis von 800 Mark zu bezahlen.Dafür war <strong>die</strong> Nachfrage nach der von mir importierten US-Softwareumso besser. Me<strong>in</strong> erster K<strong>und</strong>e war e<strong>in</strong> Herr Rudi Daniel aus Lorch<strong>in</strong> Hessen, der bei mir am 24. Dezember 1987 e<strong>in</strong>en Turbo-Pascal-Compilervon Borland bestellte, der <strong>in</strong> den USA für 60 Dollar zuhaben war <strong>und</strong> bei mir 240 Mark kostete, während alle anderen deutschenVersender knapp 300 Mark <strong>und</strong> Fachgeschäfte sogar knapp400 Mark dafür verlangten. Bis Ende Dezember g<strong>in</strong>gen Bestellungenfür US-Software im Wert von über 10 000 Mark e<strong>in</strong>. Etwa <strong>die</strong> Hälfteder K<strong>und</strong>en bestellte per Nachnahme. Herr Daniel gehörte zu jenenK<strong>und</strong>en, <strong>die</strong> per Vorausscheck bezahlten.Um prompt liefern zu können, hatte ich Anfang Dezember von allenProgrammen me<strong>in</strong>es Sortiments e<strong>in</strong>ige Pakete über e<strong>in</strong>en alten Bekanntenaus jungen Jahren bestellt. Bei <strong>die</strong>sem Bekannten handeltees sich um Roman Striebel, der mir e<strong>in</strong>st geraten hatte, mich bei derZübl<strong>in</strong> AG um e<strong>in</strong>e Praktikantenstelle zu bewerben. Roman hatteebenfalls an der Ingenieurschule <strong>in</strong> Konstanz stu<strong>die</strong>rt, arbeitete nachse<strong>in</strong>em Studium e<strong>in</strong>ige Jahre als Bauleiter <strong>und</strong> später als selbständigerBauunternehmer <strong>in</strong> Südafrika <strong>und</strong> war Mitte der 1980er nach Bo-180


ston gezogen, wo er <strong>in</strong> den Handel mit Bootsbeschlägen e<strong>in</strong>gestiegenwar.Im Herbst 1987 sahen wir uns nach knapp zwanzig Jahren zum erstenMal wieder. Wie das Leben so spielt, war ich damals seit kurzemmit se<strong>in</strong>er Schwester Annelie liiert, <strong>die</strong> bei der Firma Intel <strong>in</strong> Münchenarbeitete, <strong>und</strong> Roman unternahm gerade e<strong>in</strong>e Deutschlandreise,um se<strong>in</strong>e Eltern <strong>und</strong> Geschwister mal wieder zu sehen. Bei <strong>die</strong>serGelegenheit vere<strong>in</strong>barten wir, dass er <strong>die</strong> von mir benötigten Programmebei den jeweils günstigsten Softwareanbietern <strong>in</strong> den USAe<strong>in</strong>kaufen, e<strong>in</strong>e Kommission von fünf Prozent aufschlagen <strong>und</strong> <strong>die</strong>e<strong>in</strong>gekauften Programme e<strong>in</strong>mal pro Woche per UPS nach Münchenschickt.Als Anfang Januar 1988 noch immer nicht absehbar war, wann <strong>die</strong>erste Lieferung aus Boston e<strong>in</strong>treffen würde, flog ich am 8. Januarselbst nach New York <strong>und</strong> traf mich mit Roman. Weil er <strong>in</strong>zwischengerade mal zwei von etwa 30 Programmpaketen beschafft hatte, e<strong>in</strong>igtenuns darauf, dass ich <strong>in</strong> Zukunft direkt bei den US-Versenderne<strong>in</strong>kaufen würde. Dann g<strong>in</strong>g ich zur Firma Fox-Software auf derFifth Avenue, traf mich dort mit Frau Patricia Larocco, mit der ichvon München aus e<strong>in</strong>en Term<strong>in</strong> vere<strong>in</strong>bart hatte, holte <strong>die</strong> von mirbestellten Programme ab <strong>und</strong> kam am 11. Januar mit zwei großenKoffern voller Software zurück nach München, <strong>die</strong> jeweils über 50Kilo wogen. Die Zollabfertigung dauerte etwa vier St<strong>und</strong>en. Am 12.Januar konnte ich dann endlich <strong>die</strong> ersten K<strong>und</strong>en beliefern.Bis Ende Januar hatte ich für etwa 38 000 Mark Software verschickt– <strong>die</strong> mich im E<strong>in</strong>kauf etwa 25 000 Mark gekostet hatte. Da ich dere<strong>in</strong>zige Angestellte der Firma Georg Zipfel GmbH war, arbeitete <strong>die</strong>sefolglich schon im allerersten Monat mit Gew<strong>in</strong>n – <strong>und</strong> das trotzder unvorhergesehenen New-York-Reise. Im Februar kletterte derUmsatz auf 48 000 Mark <strong>und</strong> im März auf 63 000 Mark – <strong>und</strong> <strong>die</strong>salles mit e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Inserat <strong>in</strong> der alle zwei Wochen ersche<strong>in</strong>endenFachzeitschrift Computer Persönlich vom Markt & Technik Verlag,das etwa 600 Mark je Ausgabe kostete. Nachdem sich bis EndeJanuar noch immer ke<strong>in</strong> Käufer für <strong>die</strong> von mir entwickelte Baukal-181


kulationssoftware mit <strong>in</strong>tegrierter Baugeräteliste gef<strong>und</strong>en hatte,stellte ich <strong>die</strong>ses Projekt mit e<strong>in</strong>em lachenden <strong>und</strong> e<strong>in</strong>em we<strong>in</strong>endenAuge e<strong>in</strong> <strong>und</strong> konzentrierte mich fortan zunächst voll auf den Handelmit <strong>PC</strong>-Software aus den USA.Weil sich viele Anrufer nach Software aus dem deutschen Großhandelerk<strong>und</strong>igten, ließ ich mir im Februar 1988 von der Firma Computer2000 AG aus München das Antragsformular für Neuk<strong>und</strong>en schicken.In <strong>die</strong>sem Formular musste unter anderem angegeben werden,wie viel Fachpersonal <strong>die</strong> Firma beschäftigte <strong>und</strong> welche Qualifikation<strong>die</strong>ses Personal hatte. Zwar war ich <strong>in</strong>zwischen e<strong>in</strong> ziemlich guterdBase/Clipper-Programmierer, doch leider reichte <strong>die</strong>s nicht aus, um<strong>die</strong> Zulassungskriterien der Computer 2000 AG zu erfüllen, sodassder Antrag, als Händler gelistet zu werden, abgelehnt wurde. Die anderenetablierten Großhändler, darunter <strong>die</strong> Makrotron AG, <strong>die</strong> Re<strong>in</strong>Elektronik GmbH <strong>und</strong> <strong>die</strong> BSP Krug GmbH, lehnten <strong>die</strong> Belieferungab, weil sie den Versandhandel zum Schutz der vielen <strong>PC</strong>-Läden, <strong>die</strong>damals aufgemacht wurden, generell nicht be<strong>die</strong>nten. <strong>Der</strong> e<strong>in</strong>zigeGroßhändler, der bereit war mich zu beliefern, war <strong>die</strong> Access ComputerVertriebs GmbH. Sie war kurz zuvor gegründet worden, gehörtezum Markt & Technik-Imperium <strong>und</strong> sollte mir bis Ende 1988Software im Wert von etwa 300 000 Mark liefern.Im Juni erhielt ich e<strong>in</strong>e Abmahnung der Firma Microsoft DeutschlandGmbH, <strong>in</strong> der von mir unter Androhung e<strong>in</strong>er Strafe von 5 000Mark je verkauftem Programm verlangt wurde, den Import von Microsoft-Produktenaus den USA zu unterlassen. Da ich der Rechtsauffassungwar, dass ich nicht schlechter gestellt werden dürfte als<strong>die</strong> amerikanischen Software-Versender, <strong>die</strong> damit warben, <strong>in</strong> <strong>die</strong>ganze Welt – außer <strong>in</strong> <strong>die</strong> Ostblock-Staaten – zu liefern, weigerte ichmich, <strong>die</strong> verlangte Unterlassungserklärung abzugeben – <strong>und</strong> wurdedeswegen nie mehr behelligt. Dafür ließen sich <strong>die</strong> Market<strong>in</strong>gstrategenvon Microsoft e<strong>in</strong>e andere Geme<strong>in</strong>heit e<strong>in</strong>fallen: Sie drohten derLeiter<strong>in</strong> der Anzeigenabteilung von Computer Persönlich – derenNamen ich leider vergessen habe –, <strong>in</strong> ihrem Heft <strong>in</strong> Zukunft ke<strong>in</strong>eMicrosoft-Anzeigen mehr zu platzieren, falls sie weiterh<strong>in</strong> Anzeigen182


von Mailorder-Firmen veröffentlichen sollte, <strong>die</strong> im US-Großhandele<strong>in</strong>kauften. Leider fehlte es <strong>die</strong>ser Dame an der nötigen Courage,mich hiervon zu unterrichten, sodass es mir e<strong>in</strong>e ziemlich böse Überraschungwar, als ich Anfang September 1988 feststellen musste,dass me<strong>in</strong>e Anzeige fehlte. Glücklicherweise hatte ich mich im Augustdafür entscheiden, <strong>in</strong> zwei weiteren <strong>PC</strong>-Magaz<strong>in</strong>en zu <strong>in</strong>serieren,sodass me<strong>in</strong> Umsatz im September – trotz <strong>die</strong>ser bösen Überraschung– auf über 200 000 Mark anwuchs.Me<strong>in</strong>e Liaison mit Roman Striebels Schwester Annelie g<strong>in</strong>g im März1988 leider <strong>in</strong> <strong>die</strong> Brüche, sodass ich wieder solo war. Da ich mir imFebruar e<strong>in</strong>en braunen, 10 Wochen alten Briard-Welpen genehmigthatte, <strong>die</strong> Geschäfte gut liefen, <strong>und</strong> der kle<strong>in</strong>e Teddy mir nicht nursehr viel Freude sondern auch sehr viel Arbeit machte, war ich sosehr ausgelastet, dass mir nur wenig Zeit zum Hadern über dasScheitern <strong>die</strong>ser Beziehung blieb. Im Sommer kamen Volker <strong>und</strong>Alexander für vier Wochen <strong>in</strong> Ferien <strong>und</strong> halfen mir beim Päckchenmachen<strong>und</strong> Preislistenversand, spielten mit Teddy <strong>und</strong> g<strong>in</strong>gen öftersauch alle<strong>in</strong>e <strong>in</strong> <strong>die</strong> Stadt. Inzwischen waren sie 16 <strong>und</strong> 17 Jahre alt,sodass ich sie schon getrost alle<strong>in</strong>e losziehen lassen konnte.Kurz nachdem Annelie ausgezogen war, erhielt ich überraschend Besuchvon e<strong>in</strong>em Herrn Fath, dem Direktor der Zweigstelle Heimstettender Bayerischen Vere<strong>in</strong>sbank, der von me<strong>in</strong>er Geschäftsgründunggehört hatte <strong>und</strong> sich nach dem Gang der Geschäfte erk<strong>und</strong>igen wollte.Da ich ke<strong>in</strong>en Gr<strong>und</strong> zur Klage hatte, erbot er sich aufgr<strong>und</strong> desabsehbaren Wachstums, mir e<strong>in</strong>en Betriebsmittelkredit <strong>in</strong> Höhe von100 000 Mark e<strong>in</strong>zuräumen, falls ich bei der Bayerischen Vere<strong>in</strong>sbanke<strong>in</strong> Geschäftskonto eröffnen sollte <strong>und</strong> über h<strong>in</strong>reichende Sicherheitenverfügte. Bis dah<strong>in</strong> hatte ich me<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>käufe <strong>in</strong> den USAmit der Kreditkarte von American Express bezahlt <strong>und</strong> über me<strong>in</strong>Privatkonto bei der Deutschen Bank <strong>in</strong> Emmend<strong>in</strong>gen abgerechnet.Den übrigen Zahlungsverkehr hatte ich über <strong>die</strong> Raiffeisenbank <strong>in</strong>Kirchheim <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Girokonto bei der Post abgewickelt.Da mir <strong>die</strong>ses Angebot aufgr<strong>und</strong> des absehbaren Wachstums wie gerufenkam, stimmte ich der E<strong>in</strong>tragung e<strong>in</strong>er Gr<strong>und</strong>schuld auf me<strong>in</strong>183


Haus <strong>in</strong> Kenz<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en daneben liegenden Bauplatz <strong>in</strong> Höhevon 100 000 Mark zu. Außerdem übernahm ich <strong>die</strong> persönlicheBürgschaft für <strong>die</strong> Bankverb<strong>in</strong>dlichkeiten der Georg Zipfel GmbH <strong>in</strong>unbegrenzter Höhe, damit der Betriebsmittelkredit – dem Wachstumentsprechend – jederzeit problemlos erhöht werden konnte. Nachdemdas Konto Anfang April 1988 e<strong>in</strong>gerichtet war, fungierte <strong>die</strong> BayerischeVere<strong>in</strong>sbank fortan als Hausbank der GmbH.Im Sommer kündigte der Eigentümer des von mir gemieteten Reihenhausesüberraschend Eigenbedarf an, weil se<strong>in</strong>e Tochter heiratete.Auf der Suche nach e<strong>in</strong>em geeigneten Objekt fand ich schließlich <strong>in</strong>Germer<strong>in</strong>g bei München e<strong>in</strong>e große Doppelhaushälfte, <strong>die</strong> ich EndeOktober 1988 beziehen konnte. Abgewickelt hatte ich <strong>die</strong>sen Umzugzusammen mit me<strong>in</strong>em Schwager August Matheis, den ich im Septemberals Lehrl<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>gestellt hatte, weil <strong>in</strong>zwischen se<strong>in</strong> elterlichesSägewerk <strong>und</strong> Straßenbauunternehmen an neue Eigentümer abgegebenwerden mussten, um den Bankrott abzuwenden. Das e<strong>in</strong>zige,was August vom e<strong>in</strong>st sehr ansehnlichen Familienbesitz retten konnte,war e<strong>in</strong> mäßig bezahlter Job als Hilfsbauleiter, ohne jede Entscheidungsbefugnis.Da ich se<strong>in</strong>en drei K<strong>in</strong>dern Taufpate war <strong>und</strong>Elisabeth sich bei mir im Herbst 1986 drei Tage lang darüber ausgewe<strong>in</strong>thatte, dass sie mittlerweile e<strong>in</strong> bettelarmes Dase<strong>in</strong> fristenmüssten, hatte ich den beiden im Frühsommer 1988 vorgeschlagen,dass August zunächst für e<strong>in</strong>ige Monate bei mir mitarbeiten soll, umdann <strong>in</strong> Messkirch e<strong>in</strong>e eigene Mailorder-Firma für Software aufmachenzu können. So kam ich zum wohl zum teuersten Lehrl<strong>in</strong>gDeutschlands. Da damals e<strong>in</strong>e fünfköpfige Familie mit drei halbwüchsigenK<strong>in</strong>dern, <strong>die</strong> zur Miete wohnte, <strong>in</strong> etwa 5 000 Markbrauchte, um gut leben zu können, zahlte ich August folglich e<strong>in</strong> entsprechendesBruttogehalt. Daneben gewährte ich ihm kostenloseVollpension <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Haus. Als dann auch noch se<strong>in</strong> uralterRenault den Geist aufgab, stellte ich ihm e<strong>in</strong>en neuen VW Golf zurVerfügung, damit er über <strong>die</strong> Wochenenden <strong>in</strong>s 300 Kilometer entfernteMesskirch fahren konnte.184


Im Dezember 1988 belief sich der Monatsumsatz erstmals auf über300 000 Mark <strong>und</strong> unter dem Strich erzielte <strong>die</strong> Georg Zipfel GmbH<strong>in</strong> ihrem ersten Geschäftsjahr e<strong>in</strong>en Gesamtumsatz von 1,7 MillionenMark – bei e<strong>in</strong>em Gew<strong>in</strong>n von r<strong>und</strong> 200 000 Mark. Um den Firmenumzug<strong>und</strong> das rasante Wachstum f<strong>in</strong>anziell bewältigen zu können,hatte ich Herrn Hubert Raith, den stellvertretenden Zweigstellenleiterder Bayerischen Vere<strong>in</strong>sbank, um e<strong>in</strong>e Erhöhung der Kreditl<strong>in</strong>ie auf200 000 Mark gebeten. Da auch <strong>die</strong>ser vom Erfolg me<strong>in</strong>es Handelsmit Software hellauf begeistert war, wurde me<strong>in</strong>er Bitte dank me<strong>in</strong>erbereits h<strong>in</strong>terlegten persönlichen Bürgschaft umgehend entsprochen.Nachdem me<strong>in</strong> Schwager August fit genug war, um <strong>die</strong> Auftragsnahme<strong>und</strong> den Versand selbständig bewältigen zu können, gründetenwir im Februar <strong>die</strong> Matheis-Software GmbH, an der Elisabeth <strong>und</strong>August mit je 25 Prozent <strong>und</strong> ich mit 50 Prozent beteiligt waren. Fürihre Gesellschaftere<strong>in</strong>lagen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Geschäftsausstattung gab ich ihnen<strong>die</strong> notwendigen Darlehen, <strong>und</strong> me<strong>in</strong>e Firmensoftware stellte ichihnen auch zur Verfügung. Im März 1989 nahm <strong>die</strong> Firma Matheisdann ihren Geschäftsbetrieb auf. Dass ich ke<strong>in</strong>erlei Ambitionen hegte,mich durch <strong>die</strong>se GmbH-Gründung zu bereichern, versteht sichvon selbst.Da August <strong>in</strong> kommerziellen D<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong> Bl<strong>in</strong>dgänger war, baute ichdarauf, dass Elisabeth, <strong>die</strong> ja e<strong>in</strong>e kaufmännische Lehre absolvierthatte, <strong>die</strong>ses Manko ausgleichen würde. Im ersten Geschäftsjahr setzte<strong>die</strong> Matheis-GmbH etwa 1,8 Millionen <strong>und</strong> im zweiten bereitsüber 5 Millionen Mark um <strong>und</strong> erzielte auch e<strong>in</strong>en respektablen Gew<strong>in</strong>n.Die Software, <strong>die</strong> sie verkauften, bestellten sie der Bequemlichkeithalber ausschließlich bei mir, <strong>und</strong> ich belieferte sie zu me<strong>in</strong>enE<strong>in</strong>kaufspreisen, damit sie konkurrenzfähige Preise anbietenkonnten.Da zunächst alles danach aussah, dass <strong>die</strong> beiden sich redlich Mühegaben, enthielt ich mich, so gut es g<strong>in</strong>g, jeder E<strong>in</strong>mischung <strong>in</strong> <strong>die</strong>Angelegenheiten der Matheis-GmbH. Und so waren <strong>die</strong> beiden auchmächtig stolz auf ihren Erfolg. Leider sollte <strong>die</strong>ser Stolz jedochschon bald zu ebenso dreisten wie schmarotzerischen Verhaltenswei-185


sen führen. Als me<strong>in</strong>e offenen Forderungen im Sommer 1992schließlich auf über 700 000 Mark angewachsen waren <strong>und</strong> me<strong>in</strong>eMahnungen dennoch strikt ignoriert wurden, machte ich den beidenklar, dass ich sie nur noch gegen Vorkasse <strong>und</strong> mit drei Prozent Aufschlagauf me<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>kaufspreise beliefern würde – was mir promptden absurden Vorwurf e<strong>in</strong>brachte, raffgierig zu se<strong>in</strong>.Schon im Sommer 1988 hatte ich mit der Mailorder-Firma Dust<strong>in</strong>-Softwareaus Los Angeles e<strong>in</strong>e sehr stabile Geschäftsbeziehungaufgebaut, <strong>die</strong> uns zu amerikanischen Großhandelspreisen zuzügliche<strong>in</strong>er Kommission von nur 5 Prozent belieferte, weil sie dank me<strong>in</strong>esrelativ großen E<strong>in</strong>kaufsvolumens zu deutlich besseren Preise bei denUS-Distributoren e<strong>in</strong>kaufen konnte, als wenn sie nur für ihren eigenenBedarf e<strong>in</strong>gekauft hätte. So konnte ich beispielsweise den Topseller„<strong>PC</strong>-Tools de Luxe“ der Firma Central Po<strong>in</strong>t für nur 40 Dollarpro Stück e<strong>in</strong>kaufen <strong>und</strong> folglich bequem zum Preis von 114 Marke<strong>in</strong>schließlich Mehrwertsteuer verkaufen. Unsere Wettbewerbermussten durchschnittlich 10 Dollar mehr pro Stück bezahlen, wennsie <strong>in</strong> den USA e<strong>in</strong>kauften – <strong>und</strong> bei Computer 2000, <strong>die</strong> für Europa<strong>die</strong> exklusiven Distributionsrechte für <strong>PC</strong>-Tools besaß, sogar 178Mark pro Stück. Zwar musste ich per Vorkasse zahlen, jedoch immererst dann, wenn <strong>die</strong> Ware versandbereit verpackt war. Als Zahlungsnachweis<strong>die</strong>nte unsere Anweisung an <strong>die</strong> Bayerische Vere<strong>in</strong>sbank,den Rechnungsbetrag per SWIFT auf das Konto der Firma Dust<strong>in</strong>Software zu transferieren. Nachdem <strong>die</strong>se Anweisung per Fax nachLos Angeles übermittelt worden war, wurde <strong>die</strong> Sendung der FedExübergeben <strong>und</strong> traf am nächsten oder übernächsten Tag bei uns <strong>in</strong>München e<strong>in</strong>. So kam es, dass ich bis zum Herbst 1989 nicht nur e<strong>in</strong>igetausend <strong>PC</strong>-Tools zu e<strong>in</strong>em unschlagbaren Preis bei e<strong>in</strong>er relativguten Marge verkaufen, sondern auch viele neue K<strong>und</strong>en gew<strong>in</strong>nenkonnte, weil alle e<strong>in</strong>gehenden Bestellungen noch am Bestelltag versandtwurden.Im Frühjahr 1989 stellte ich bei Computer 2000 erneut e<strong>in</strong>en Antrag,um endlich als Händler gelistet zu werden – der jedoch abermals abgelehntwurde. Auch <strong>die</strong> anderen Distributoren weigerten sich, mit186


Ausnahme der Access Computer Vertriebs GmbH, nach wie vor, denVersandhandel zu beliefern. Aber allen Boykottmaßnahmen zumTrotz <strong>und</strong> obwohl <strong>die</strong> Bayerische Vere<strong>in</strong>sbank sich dermaßen schwertat, <strong>die</strong> bestehende Kreditl<strong>in</strong>ie von 200 000 DM den betrieblichen Erfordernissenentsprechend zu erhöhen, dass ich im Juni drauf <strong>und</strong>dran war, mir e<strong>in</strong>e neue Hausbank zu suchen, erzielte me<strong>in</strong>e Firmaim Jahr 1989 dennoch e<strong>in</strong>en Umsatz von knapp 7 Millionen Mark<strong>und</strong> e<strong>in</strong>en Gew<strong>in</strong>n von r<strong>und</strong> 400 000 Mark, vorwiegend durch denHandel mit US-Software.Da viele me<strong>in</strong>er <strong>PC</strong>-Tools-K<strong>und</strong>en ihre Registrierkarte an CentralPo<strong>in</strong>t <strong>in</strong> <strong>die</strong> USA schickten, erhielt ich von dort im Oktober e<strong>in</strong>ensehr fre<strong>und</strong>lichen Anruf der zuständigen Verkaufsleiter<strong>in</strong>, <strong>die</strong> sichzunächst äußerst blumig dafür bedankte, dass ich so viele <strong>PC</strong>-Toolsverkauft hatte. Dann wies sie mich etwas umständlich darauf h<strong>in</strong>,dass <strong>die</strong>s eigentlich verboten wäre, weil <strong>die</strong> für den amerikanischenMarkt bestimmte Version e<strong>in</strong> Verschlüsselungsmodul enthielte, dasnur <strong>in</strong> den USA verwendet werden dürfte, <strong>und</strong> dass ich <strong>die</strong> für deneuropäischen Markt vorgesehene Version doch bitte bei Computer2000 e<strong>in</strong>kaufen sollte. Als ich daraufh<strong>in</strong> <strong>die</strong> Dame von Central Po<strong>in</strong>t<strong>in</strong>formierte, dass Computer 2000 uns leider boykottierte, wollte siemir das zunächst nicht glauben, sicherte mir dann aber zu, sich umgehendmit Computer 2000 <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung zu setzen, um <strong>die</strong>sen Unfugabzustellen. Drei Tage später rief sie mich abermals an, um sichzu erk<strong>und</strong>igen, ob sich Computer 2000 <strong>in</strong>zwischen mit mir <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dunggesetzt habe. Nachdem ich das verne<strong>in</strong>te, geriet sie ziemlichaußer sich <strong>und</strong> versicherte mir, dass sie <strong>die</strong>sen „Bastards“ Dampfmachen würde. Am Tag darauf meldete sich e<strong>in</strong> Herr Erik Kurz beimir, um mit mir über <strong>die</strong> Aufnahme von Geschäftsbeziehungen mitder Computer 2000 AG zu sprechen.Me<strong>in</strong>e Firma blühte folglich nicht nur prächtig, sondern sorgte auchfür e<strong>in</strong>ige Aufregung im deutschen Softwarehandel. Im November1989 wurde erstmals e<strong>in</strong> Monatsumsatz von e<strong>in</strong>er Million Mark erzielt,<strong>und</strong> <strong>die</strong> Computer 2000 AG sollte schon bald unser Hauptlieferantwerden. Im Januar 1990 schloss ich mit ihr e<strong>in</strong>en Jahresvertrag187


für <strong>die</strong> Lieferung von Software im Wert von 8 Millionen Mark zu relativguten Konditionen ab.Bed<strong>in</strong>gt durch den Umzug der Firma von Kirchheim nach Germer<strong>in</strong>g,das an der westlichen Peripherie von München liegt, wurde beider dortigen Zweigstelle der Bayerischen Vere<strong>in</strong>sbank e<strong>in</strong> zusätzlichesGiro-Konto für <strong>die</strong> Abwicklung des täglichen Zahlungsverkehrse<strong>in</strong>gerichtet. Das Kreditkonto bei der Zweigstelle <strong>in</strong> Heimstetten, dasan der östlichen Peripherie von München liegt, blieb zwar bestehen,aber für me<strong>in</strong>e Kreditangelegenheiten war nunmehr <strong>die</strong> ZweigstelleGermer<strong>in</strong>g zuständig. Um e<strong>in</strong>e Anpassung der Kreditl<strong>in</strong>ie an <strong>die</strong> absehbareUmsatzsteigerung zu erwirken, schrieb ich am 22. Februar1989 folgenden Brief:Konto Nr. 44 511 070 Erhöhung unserer Kreditl<strong>in</strong>ieSehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren,<strong>die</strong> große Nachfrage nach der von uns angebotenen Software zw<strong>in</strong>gtuns, unsere Lagerbestände zu vergrößern. Obwohl wir uns über <strong>die</strong>seEntwicklung sehr freuen, bedeutet sie, dass wir zusätzliche Liquiditätbenötigen.Während der vergangenen Monate konnten wir bei e<strong>in</strong>em Lagerbestandvon ca. 200.000 DM e<strong>in</strong>en durchschnittlichen Umsatz von netto300.000 DM erzielen.Wegen des wachsenden Bekanntheitsgrads <strong>und</strong> des ohneh<strong>in</strong> starkenWachstums der <strong>Branche</strong>, erwarten wir <strong>in</strong> den nächsten Monaten e<strong>in</strong>eUmsatzsteigerung auf 500.000 DM pro Monat. Um unsere K<strong>und</strong>endennoch wie bisher prompt beliefern zu können <strong>und</strong> wegen der Erweiterungunseres Sortiments mit deutschen Softwareprodukten, wirdsich unser Lagerbestand folglich auf 400.000 bis 500.000 DM erhöhen.Erfreulicherweise erhalten wir auch immer mehr Bestellungen vonBehörden, Universitäten <strong>und</strong> Konzernunternehmen, <strong>die</strong> wir allerd<strong>in</strong>gsnicht auf Vorkasse oder per Nachnahme beliefern können. ImDurchschnitt bezahlen <strong>die</strong>se K<strong>und</strong>en ihre Rechnungen <strong>in</strong>nerhalb vonvier Wochen. Während unsere offenen Forderungen sich bisher auf188


100.000 DM bis 150.000 DM beliefen, dürften sich <strong>die</strong>se <strong>in</strong> dennächsten Monaten ungefähr verdoppeln.Leider bekommen wir von unseren Lieferanten ke<strong>in</strong>e Zahlungszielee<strong>in</strong>geräumt, sodass e<strong>in</strong>e F<strong>in</strong>anzierung über Lieferantenkredite nichtmöglich ist. Obwohl <strong>die</strong> Ertragslage sehr gut ist <strong>und</strong> wir mit den unszur Verfügung stehenden Mitteln sehr vorsichtig umgehen, benötigenwir folglich e<strong>in</strong>e zusätzliche Liquidität <strong>in</strong> Höhe von 300.000 DM.Wir bitten Sie zu prüfen, ob Ihr Haus uns <strong>die</strong> zusätzlich benötigtenMittel zur Verfügung stellen kann, das heißt, ob Sie den bestehendenKreditrahmen von jetzt 200.000 DM auf 500.000 DM erhöhen können.Als zusätzliche Sicherheiten können wir Ihnen unsere Warenbestände<strong>und</strong> unsere offenen Forderungen anbieten.Zu Ihrer Information fügen wir <strong>die</strong>sem Schreiben unsere betriebswirtschaftlicheAuswertung für das Jahr 1988 bei. Im Januar 1989betrug unser Umsatz ca. 300.000 DM, im Februar wird e<strong>in</strong> ähnlicherUmsatz erzielt werden.Wir würden uns über Ihre positive Entscheidung sehr freuen <strong>und</strong> sehenIhrer Antwort mit großem Interesse entgegen.Mit fre<strong>und</strong>lichen GrüßenGeorg Zipfel GmbHE<strong>in</strong>ige Tage nachdem ich <strong>die</strong>sen Brief abgeschickt hatte, meldetesich bei mir e<strong>in</strong> Herr Brosi von der Bayerischen Vere<strong>in</strong>sbank, um <strong>die</strong>Firma zu <strong>in</strong>spizieren <strong>und</strong> me<strong>in</strong>en Antrag zu besprechen. Herr Brosiwar e<strong>in</strong> geschniegelter Zeitgenosse im Alter von etwa 27 Jahren <strong>und</strong>nahm se<strong>in</strong>e Arbeit als Kreditsachbearbeiter sehr wichtig. Er ließ sich<strong>die</strong> Geschäftsabläufe <strong>und</strong> den Inhalt von diversen Software-Verpackungensowie ihren Nutzen sehr genau erklären <strong>und</strong> machte etwafünf DIN-A4-Seiten Notizen. Dann klärte er mich zum Abschlussse<strong>in</strong>er etwa zweistündigen Inspektion über <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>sätze des seriösenKreditwesens auf <strong>und</strong> gab mir schließlich zu verstehen, dass erwahrsche<strong>in</strong>lich allenfalls e<strong>in</strong>e Erhöhung me<strong>in</strong>er Kreditl<strong>in</strong>ie auf250 000 Mark <strong>in</strong> Betracht ziehen könnte – sofern se<strong>in</strong>e Auswertungunserer betriebswirtschaftlichen Zahlen <strong>und</strong> der Marktprognosen un-189


abhängiger Analysten ergäbe, dass <strong>in</strong> Zukunft mit e<strong>in</strong>er besseren Kapitalbildungals bisher zu rechnen wäre.Obwohl Herr Brosi vom Scheitel bis zur Unterkante se<strong>in</strong>er dickenSchuhabsätze höchstens 1,65 Meter maß, war er e<strong>in</strong>er der größtenWichtigtuer, mit denen ich bis dah<strong>in</strong> <strong>in</strong> München zu tun hatte. Nachetwa e<strong>in</strong>er Woche erhielt ich e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>ladung zu e<strong>in</strong>em Gespräch mitHerrn Brosi <strong>und</strong> mit Frau Hotz, der Leiter<strong>in</strong> der Filiale Neu-Germer<strong>in</strong>g.Auf <strong>die</strong>ses Gespräch habe ich mit folgendem Schreiben reagiert:Erhöhung unserer Kreditl<strong>in</strong>ieSehr geehrte Frau Hotz,Germer<strong>in</strong>g, 10. 03. 1989ich bedanke mich sehr für das Gespräch vom 09. 03. 1989 mit Ihnen<strong>und</strong> ihrem Herrn Brosi wegen der von mir per Schreiben vom 22. 02.1989 beantragten Erhöhung unseres Kreditrahmens.Wie ich Herrn Brosi verstanden habe, betrachtet <strong>die</strong> Bayerische Vere<strong>in</strong>sbankoffenk<strong>und</strong>ig weder unsere Forderungen an K<strong>und</strong>en noch<strong>die</strong> vorhandenen Warenbestände als nutzbare Sicherheiten. Insbesonderewar ich jedoch über <strong>die</strong> Aussage überrascht, dass <strong>die</strong> vonuns verkaufte Software nicht bankenverwertbar sei <strong>und</strong> somit alsnicht f<strong>in</strong>anzierbar erachtet werde. Außerdem gewann ich den E<strong>in</strong>druck,dass unsere Kapitalbildung als unzureichend betrachtet wird.Die Bereitschaft Herrn Brosis, dennoch e<strong>in</strong>e Erhöhung unserer Kreditl<strong>in</strong>ievon DM 200 000 auf DM 250 000 <strong>in</strong> Betracht zu ziehen, erachteich als wenig hilfreich, da ich noch im Laufe <strong>die</strong>ses Jahres aufgr<strong>und</strong>der hohen Dynamik des Marktes bedeutende Umsatzsteigerungen<strong>und</strong> damit e<strong>in</strong>en deutlich höheren F<strong>in</strong>anzierungsbedarf erwarte.Die von mir angesprochene „dynamische“ Kreditl<strong>in</strong>ie stelle ich mirwie folgt vor:190


Monat Umsatz/Monat Warenbestand Summe Faktor Höhe der Kreditl<strong>in</strong>ie------------------------------------------------------------------------------------------------1 300 000 DM + 200 000 DM = 500 000 DM 60 % = 300 000 DM2 400 000 DM + 250 000 DM = 650 000 DM 60 % = 390 000 DM3 500 000 DM + 300 000 DM = 800 000 DM 60 % = 480 000 DM4 600 000 DM + 400 000 DM = 1 000 000 DM 60 % = 600 000 DMIm H<strong>in</strong>blick auf <strong>die</strong> Tatsache, dass wir unseren Lagerbestand bisherca. e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb Mal pro Monat umsetzen konnten <strong>und</strong> dass wir bisherke<strong>in</strong>erlei Forderungsausfälle zu verzeichnen hatten, glaube ich, dasse<strong>in</strong> Beleihungsfaktor von 60 % vertretbar ist. Dank unserer elektronischenDatenverarbeitung können wir Ihnen <strong>die</strong> monatlichen Zahlen,e<strong>in</strong>schließlich des Rohertrags, ohne besonderen Aufwand jeweilsam Monatsanfang für den Vormonat zur Verfügung stellen.Wie ich hoffe, konnte ich Ihnen <strong>in</strong> unserem Gespräch deutlich machen,dass ich <strong>die</strong> Erhöhung der Kreditl<strong>in</strong>ie ausschließlich zur F<strong>in</strong>anzierungdes absehbaren Wachstums benötige. Da ich bereits imersten Geschäftsjahr e<strong>in</strong> sehr gutes Ergebnis erwirtschaftet habe,kann ich ke<strong>in</strong>en plausiblen Gr<strong>und</strong> erkennen, warum me<strong>in</strong>e Firma <strong>die</strong>sich bietenden Wachstumschancen nicht nutzen sollte.Von den vorhandenen Möglichkeiten zur F<strong>in</strong>anzierung <strong>die</strong>ses Wachstumssche<strong>in</strong>t mir e<strong>in</strong>e enge <strong>und</strong> vertrauensvolle Zusammenarbeit mitme<strong>in</strong>er Hausbank am vorteilhaftesten zu se<strong>in</strong>. Dies setzt jedoch voraus,dass <strong>die</strong> Bayerische Vere<strong>in</strong>sbank me<strong>in</strong>e Überzeugung teilt, dassder Markt für <strong>PC</strong>-Software <strong>in</strong> den kommenden Jahren sehr starkwachsen wird.Sehr geehrte Frau Hotz, ich würde es sehr begrüßen, wenn <strong>die</strong> BayerischeVere<strong>in</strong>sbank trotz der <strong>in</strong> unserem gestrigen Gespräch vorgetragenenBedenken bereit wäre, das sich abzeichnende Wachstumme<strong>in</strong>er Firma zu f<strong>in</strong>anzieren <strong>und</strong> sehe Ihrer Entscheidung folglichmit großem Interesse entgegen.Mit fre<strong>und</strong>lichen Grüßen,gez. Zipfel191


Als im Juni noch immer ke<strong>in</strong>e Entscheidung vorlag <strong>und</strong> auf me<strong>in</strong>ediversen Telefonanrufe nur h<strong>in</strong>haltend reagiert wurde, beschloss ich,mir e<strong>in</strong>e neue Hausbank zu suchen.Anfang Juli hatte ich e<strong>in</strong>ige D<strong>in</strong>ge auf der Filiale der BayerischenVere<strong>in</strong>sbank <strong>in</strong> Heimstetten zu erledigen <strong>und</strong> wurde von Herrn HubertRaith be<strong>die</strong>nt. Als <strong>die</strong>ser mich fragte, wie <strong>die</strong> Geschäfte nachme<strong>in</strong>em Umzug nach Germer<strong>in</strong>g so liefen, sagte ich ihm, dass siewesentlich besser laufen könnten, wenn <strong>die</strong> Bayerische Vere<strong>in</strong>sbankrespektive deren Zweigstelle <strong>in</strong> Neu-Germer<strong>in</strong>g <strong>die</strong> Kreditl<strong>in</strong>ie denbetrieblichen Erfordernissen angepasst hätte, <strong>und</strong> dass ich im Begriffwäre, mir e<strong>in</strong>e neue Hausbank zu suchen. In sichtlicher Verärgerungüber das Verhalten der zuständigen Leute der Zweigstelle Germer<strong>in</strong>gsicherte Herr Raith mir daraufh<strong>in</strong> zu, sich umgehend der Sache anzunehmen– <strong>und</strong> <strong>die</strong>s tat er mit durchschlagendem Erfolg: Am 8. Juli1989 wurde <strong>die</strong> Kreditl<strong>in</strong>ie auf 300 000 DM <strong>und</strong> am 30. August 1989auf 400 000 DM erhöht. Im Oktober 1989 konnte dank der nun h<strong>in</strong>reichendenLiquidität e<strong>in</strong> Monatsumsatz von über 500 000 DM erzieltwerden. Im November 1989 knackten wir erstmals <strong>die</strong> magischeE<strong>in</strong>e-Million-Mark-Grenze. Damit wurden selbst me<strong>in</strong>e kühnsten Erwartungenweit übertroffen.Aber auch <strong>die</strong> Bayerische Vere<strong>in</strong>sbank zeigte sich von <strong>die</strong>ser Entwicklungsehr positiv überrascht – zumal absehbar war, dass der <strong>PC</strong>-Markt <strong>in</strong> den kommenden Jahren weiterh<strong>in</strong> rasant wachsen würde.Damit wir mit <strong>die</strong>sem Wachstum Schritt halten können, hatte ich imDezember e<strong>in</strong>e weitere Erhöhung unseres Betriebsmittelkredits auf800 000 DM beantragt, <strong>die</strong> dank me<strong>in</strong>er persönlichen Bürgschaftauch prompt e<strong>in</strong>geräumt wurde. Als zusätzliche Sicherheit <strong>die</strong>ntenunsere Debitoren <strong>und</strong> unsere Warenvorräte.Weil wir <strong>in</strong> den Monaten November <strong>und</strong> Dezember <strong>die</strong> Kapazitätsgrenzeder Geschäftsräume im Untergeschoss der von mir bewohntenDoppelhaushälfte erreicht hatten <strong>und</strong> für das kommende Jahr e<strong>in</strong>eUmsatzsteigerung auf über 15 Millionen Mark absehbar war, mieteteich im nahe gelegenen Gräfelf<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>e Büroe<strong>in</strong>heit mit 500 QuadratmeterNutzfläche <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en dazu gehörigen Lagerraum mit e<strong>in</strong>er Flä-192


che von 300 Quadratmeter an <strong>und</strong> bezog das neue Firmendomizilüber <strong>die</strong> Karnevalstage. Ab Aschermittwoch 1990 hatte ich somiterstmals Geschäftsräume, <strong>die</strong> sich sehen lassen konnten. Als wir umzogen,bestand <strong>die</strong> Belegschaft me<strong>in</strong>er Firma aus me<strong>in</strong>er Nichte Liliana<strong>und</strong> me<strong>in</strong>em Neffen Victor aus Australien, aus Nouni Mannoussakis,der 26-jährigen Tochter e<strong>in</strong>er angesehenen Familie ausNauplia <strong>in</strong> Griechenland, <strong>die</strong> ich auf Bitte me<strong>in</strong>es Steuerberaters alsPraktikant<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Buchhaltung beschäftigte, aus Herrn Aloys Smykowsky,e<strong>in</strong>em deutschstämmigen Polen, der ab Anfang Januar 1989für den Versand <strong>und</strong> den Warene<strong>in</strong>gang zuständig war, aus me<strong>in</strong>erdamaligen Fre<strong>und</strong><strong>in</strong> Cor<strong>in</strong>na (e<strong>in</strong>er ehemaligen Modeboutique-Inhaber<strong>in</strong>,<strong>die</strong> ich Anfang Juni 1989 im Café Extrablatt <strong>in</strong> München kennengelernt hatte <strong>und</strong> ab Herbst 1989 <strong>in</strong> der Buchhaltung mitarbeitete),den Herren Thomas Huber <strong>und</strong> Andreas Weckwert, <strong>die</strong> als e<strong>in</strong>zigeschon <strong>Branche</strong>nerfahrung hatten, als sie ab Dezember 1989 fürmich tätig wurden – <strong>und</strong> nicht zuletzt aus dem <strong>in</strong>zwischen zweijährigenTeddy, der zu e<strong>in</strong>em traumhaft schönen Briard-Rüden herangewachsenwar <strong>und</strong> <strong>in</strong> den Büchern zwar als Wachh<strong>und</strong> geführt wurde,aber hauptsächlich als Maskottchen <strong>und</strong> Clown der Firma fungierte.Teddy <strong>und</strong> me<strong>in</strong>e drei Patenk<strong>in</strong>der Andrea, Sab<strong>in</strong>e <strong>und</strong> Michael193


Die wichtigste Neue<strong>in</strong>stellung war Frau Andrea Leuchter, <strong>die</strong> zuvorbei e<strong>in</strong>em Steuerberater gearbeitet hatte, ab dem 1. April 1990 <strong>die</strong>Leitung unserer Buchhaltung übernahm <strong>und</strong> <strong>in</strong> den ersten Monatenihrer Tätigkeit den Befähigungsnachweis für <strong>die</strong> Lehrl<strong>in</strong>gsausbildungerwarb, weil Liliana <strong>und</strong> Victor e<strong>in</strong>e kaufmännische Lehre absolvierenmussten, damit sie e<strong>in</strong> Ausbildungsvisum erhalten <strong>und</strong> legal mitarbeitenkonnten. Bis zum Jahresende war <strong>die</strong> Belegschaft auf 15Mitarbeiter<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Mitarbeiter angewachsen. Im Geschäftsjahr1990 erzielte ich mit <strong>die</strong>sem multikulturellen Team e<strong>in</strong>en Umsatzvon über 22 Millionen Mark bei e<strong>in</strong>en Gew<strong>in</strong>n von über e<strong>in</strong>er MillionMark – weil alle mit Freude für den Erfolg der Firma arbeiteten<strong>und</strong> sehr gut dabei ver<strong>die</strong>nten. Somit hatte sich <strong>die</strong> Georg ZipfelGmbH unter den etwa 20 Firmen, <strong>die</strong> im damals noch sehr jungenMailorder-Markt für <strong>PC</strong>-Software aktiv waren, zum mit Abstandwachstumsstärksten <strong>und</strong> sicherlich auch wertvollsten Unternehmender <strong>Branche</strong> entwickelt – <strong>und</strong> <strong>die</strong>s ohne jedes Werbe-Tamtam.Bis Ende 1989 bestand me<strong>in</strong>e Werbung aus e<strong>in</strong>er schlichten e<strong>in</strong>spaltigenPreisliste, <strong>die</strong> <strong>in</strong> drei Computermagaz<strong>in</strong>en veröffentlicht wurde.Ab Frühjahr 1990 ließ ich e<strong>in</strong>e ganzseitige Preisliste veröffentlichen.Da wir im Gegensatz zu den meisten Wettbewerbern stets prompt liefernkonnten, profitierten wir sicherlich auch von der M<strong>und</strong>-zu-M<strong>und</strong>-Propaganda unserer K<strong>und</strong>en.Neben der E<strong>in</strong>satzfreude me<strong>in</strong>er Mitarbeiter war vor allem <strong>die</strong> Effizienz<strong>und</strong> Stabilität der von mir entwickelten Software für <strong>die</strong> Auftragsannahme,den Versand, <strong>die</strong> Lagerhaltung, den E<strong>in</strong>kauf, <strong>die</strong>Buchhaltung, den Schriftverkehr <strong>und</strong> <strong>die</strong> Statistik von entscheidenderBedeutung dafür, dass wir uns den Ruf als wohl zuverlässigster SoftwareversenderDeutschlands erwerben konnten. Dank der prof<strong>und</strong>enKenntnisse <strong>in</strong> der Programmiersprache dBase <strong>und</strong> im Umgang mitdem damals sehr populären dBase-Compiler Clipper, <strong>die</strong> ich mir imRahmen me<strong>in</strong>er Arbeit an der Kalkulationssoftware für das Bauwesenangeeignet hatte, <strong>und</strong> der Tatsache, dass ich <strong>in</strong> den ersten Monatenme<strong>in</strong>es Softwarehandels alle anfallenden Arbeiten selbst erledigthatte <strong>und</strong> somit auch mit allen Aufgaben bis <strong>in</strong>s Detail vertraut war,194


konnte ich nebenher e<strong>in</strong>e für damalige Verhältnisse optimale Firmensoftwarefür e<strong>in</strong>en Arbeitsplatz programmieren. Danach machte ich<strong>die</strong>ses Programm netzwerkfähig. <strong>Der</strong> E<strong>in</strong>fachheit halber <strong>in</strong>stallierteich zunächst e<strong>in</strong> Peer-to-Peer-Netzwerk von Lantastic. Als <strong>die</strong>ses imSommer 1990 mit zehn Arbeitsplätzen zu langsam wurde, ließ iche<strong>in</strong> Novell-3.11-Netzwerk für 100 Arbeitsplätze <strong>in</strong>stallieren <strong>und</strong> verfügtefortan über das wohl effizienteste EDV-System im deutschenMailorder-Markt. Zunächst entwickelte ich <strong>die</strong>ses System selbst permanentweiter. Später stellte ich e<strong>in</strong>en Clipper-Programmierer <strong>und</strong>e<strong>in</strong>en Novell-Experten zur Programmpflege <strong>und</strong> Systembetreuunge<strong>in</strong>. <strong>Der</strong> Vorteil me<strong>in</strong>es Programms bestand vor allem <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er maßgeschneidertenZweckmäßigkeit <strong>und</strong> extrem leichten Be<strong>die</strong>nbarkeit.In der Regel konnte e<strong>in</strong> neuer Mitarbeiter schon nach e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>stündigenE<strong>in</strong>weisung produktiv damit umgehen.Dank der enormen Leistungsfähigkeit <strong>die</strong>ses maßgeschneiderten Systems<strong>und</strong> der sehr rationellen Abwicklung aller geschäftlichen Vorgängebesaß me<strong>in</strong>e Firma somit e<strong>in</strong>en entscheidenden Wettbewerbsvorteil.Während me<strong>in</strong>e Konkurrenten pro Mitarbeiter allenfallse<strong>in</strong>en Jahresumsatz von etwa 500 000 Mark erreichten, schafften wirknapp 2 Millionen Mark pro Mitarbeiter. Weil ich somit <strong>in</strong> der Lagewar, zum Teil deutlich höhere Gehälter als branchenüblich zu bezahlen,herrschte folglich nicht nur e<strong>in</strong> sehr produktives, sondern auchsehr angenehmes Betriebskklima.Den Auftrag zur Lieferung <strong>und</strong> Installation der Hard- <strong>und</strong> Softwarefür unser neues Novell-Netzwerk hatte ich an <strong>die</strong> Firma Onl<strong>in</strong>e 2000GmbH vergeben, <strong>die</strong> dem damals zweitgrößten EDV-DistributorFrankreichs, der Firma ISE Cegos, gehörte <strong>und</strong> im selben Gewerbekomplexihr Domizil hatte, <strong>in</strong> dem sich <strong>die</strong> Geschäftsräume me<strong>in</strong>erFirma befanden. Damals verschickten wir täglich zwischen 100 <strong>und</strong>250 Sendungen <strong>und</strong> machten zwischen 100 000 <strong>und</strong> 200 000 MarkUmsatz pro Tag.Nachdem das neue Netzwerk tadellos funktionierte, saß ich mitHerrn Franz Wimmer, dem Geschäftsführer der Onl<strong>in</strong>e 2000 GmbH,auf e<strong>in</strong>e Tasse Kaffee <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Büro <strong>und</strong> plauderte mit ihm über195


den Gang der D<strong>in</strong>ge im <strong>PC</strong>-Hard- <strong>und</strong> Softwaremarkt. Herr Wimmerhatte natürlich mitbekommen, dass bei uns „<strong>die</strong> Post“ abg<strong>in</strong>g. Und sofragte er mich, ob ich eigentlich wüsste, wie viel me<strong>in</strong>e Firma wertsei. Weil ich mir darüber bis dah<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e großen Gedanken gemachthatte, fragte ich zurück, was er denn schätzte. Daraufh<strong>in</strong> nannte ermir e<strong>in</strong>en Preis von 15 Millionen Mark. Weil mir das doch sehr hochvorkam, bot ich ihm spontan e<strong>in</strong>e Provision <strong>in</strong> Höhe von e<strong>in</strong>er MillionMark an, falls er mir e<strong>in</strong>en Käufer vermitteln sollte, der <strong>die</strong>senPreis bezahlte. Daraufh<strong>in</strong> <strong>in</strong>formierte er e<strong>in</strong>en Herrn Ian Houdent,den Präsidenten der Firma ISE Cegos, dass ich bereit wäre, me<strong>in</strong>eFirma zu <strong>die</strong>sem Preis zu verkaufen. Und der bek<strong>und</strong>ete prompt se<strong>in</strong>ernsthaftes Interesse <strong>und</strong> kam schon e<strong>in</strong>e Woche später von Parisnach München, um me<strong>in</strong>e Firma zu besichtigten. Obwohl ich gewissnie e<strong>in</strong> von Ehrgeiz, Raffgier oder Erfolgshunger getriebener Workaholicwar, sondern lediglich stets danach strebte, auf ehrliche Weisegenug Geld zu ver<strong>die</strong>nen, um me<strong>in</strong>en Unterhaltspflichten nachkommen<strong>und</strong> selbst e<strong>in</strong> gutes Leben führen zu können, war ich also unversehenszu e<strong>in</strong>em veritablen Millionär avenciert.Zwar wusste ich, dass mir mit dem Aufbaume<strong>in</strong>er Firma e<strong>in</strong>e unternehmerischeGlanzleistung gelungen war. <strong>Der</strong>en Wert<strong>in</strong> Geld zu schätzen, lag jedoch außerhalbme<strong>in</strong>er Kompetenz. Also beschloss ich,Herrn Hubert Raith von der BayerischenVere<strong>in</strong>sbank zu fragen, was ich tun soll.Dieser riet mir ohne jedes Zögern, <strong>die</strong>Firma auf ke<strong>in</strong>en Fall zu verkaufen, weilihr Wert <strong>in</strong>zwischen m<strong>in</strong>destens 16 MillionenMark betragen <strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong> desGeorg Zipfel 1991rasanten Wachstums des <strong>PC</strong>-Markts noch deutlich an Wert zunehmenwürde. Wahrsche<strong>in</strong>lich hatte <strong>die</strong> Bank also <strong>die</strong> Entwicklung me<strong>in</strong>erFirma sehr aufmerksam verfolgt <strong>und</strong> vor kurzem e<strong>in</strong>e Bewertungvorgenommen. Und weil mir me<strong>in</strong> Leben als erfolgreicher Softwarehändlersehr gut gefiel, beschloss ich folglich, <strong>die</strong> Gespräche mit der196


Firma ISE Cegos im Sande verlaufen zu lassen, nachdem versuchtwurde, den Preis herunterzuhandeln.Wenige Tage vor <strong>die</strong>sem Gespräch mit Herrn Raith hatte ich Postvon der Bayerischen Vere<strong>in</strong>sbank bekommen, <strong>in</strong> der mir mitgeteiltwurde, dass <strong>die</strong> Filiale Heimstetten <strong>in</strong> Zukunft von e<strong>in</strong>em Herrn Lanz<strong>in</strong>gergeleitet würde. Bis dah<strong>in</strong> hatte Raith seit etwa e<strong>in</strong>em Jahr alsderen kommissarischer Leiter <strong>und</strong> als me<strong>in</strong> Ansprechpartner <strong>in</strong> allenBankangelegenheiten fungiert. Weil ich mich w<strong>und</strong>erte, warum manHerrn Raith nicht zum offiziellen Leiter der Filiale ernannt hatte,sprach ich <strong>die</strong>se Personalie zum Abschluss <strong>die</strong>se Gespräches kurz an,woraufh<strong>in</strong> er auf mich e<strong>in</strong>en sehr geknickten E<strong>in</strong>druck machte <strong>und</strong>prompt se<strong>in</strong>e herbe Enttäuschung darüber zum Ausdruck brachte,übergangen worden zu se<strong>in</strong>. Und so bot ich ihm spontan an, dass erkaufmännischer Geschäftsführer me<strong>in</strong>er GmbH werden könnte, fallser den Arbeitgeber wechseln wollte. Aufgr<strong>und</strong> des rasanten Wachstumsschien mir damals ohneh<strong>in</strong> <strong>die</strong> Zeit reif dafür zu se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>en F<strong>in</strong>anzfachmannals kaufmännischen Geschäftsführer e<strong>in</strong>zustellen.Und weil ich mich von Herrn Raith <strong>in</strong> den vergangenen Monatensehr kompetent <strong>und</strong> effizient betreut <strong>und</strong> beraten fühlte, konnte ichmir gut vorstellen, dass er der richtige Mann für <strong>die</strong>sen Posten wäre.Zwar nahm er me<strong>in</strong> Angebot lediglich dankend zur Kenntnis, aberdennoch fühlte er sich offensichtlich wieder etwas wohler, nachdemich ihm <strong>die</strong>sen Posten angeboten hatte.Im Frühjahr 1990 hatte ich zum ersten Mal nach fünf Jahren wiederme<strong>in</strong>e Moto Guzzi Le Man III angemeldet <strong>und</strong> machte damit h<strong>in</strong> <strong>und</strong>wieder e<strong>in</strong>e Spritztour durch das herrliche Oberbayern. Aufgr<strong>und</strong> derexzellenten Ertragslage gönnte ich mir im Mai 1990 e<strong>in</strong>en schönenMercedes 300 CE von AMG <strong>und</strong> im Sommer den neuen Spider 2.0von Alfa Romeo, den ich me<strong>in</strong>er Lebensgefährt<strong>in</strong> Cor<strong>in</strong>na zur Verfügungstellte. Im Herbst ergaben sich dann Probleme <strong>in</strong> unserer Beziehung,weil Cor<strong>in</strong>na unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>e Bankvollmacht für <strong>die</strong> Geschäftskontenhaben wollte. Für den Fall me<strong>in</strong>er Abwesenheit war damalsme<strong>in</strong>e Nichte Liliana zeichnungsberechtigt. Da folglich ke<strong>in</strong>e Notwendigkeitbestand, auch noch Cor<strong>in</strong>na zu bevollmächtigen, lehnte197


ich <strong>die</strong>sen Wunsch ab. Als sie sich deswegen beleidigt fühlte <strong>und</strong>ziemlich garstig wurde, beendete ich das Beschäftigungsverhältnis<strong>und</strong> unsere Beziehung. Den Alfa Romeo überließ ich fortan Liliana.Als es zu <strong>die</strong>ser Trennung kam, zeichnete es sich bereits ab, dass unserUmsatz für das Jahr 1990 weit über 20 Millionen Mark <strong>und</strong> dertatsächliche Gew<strong>in</strong>n deutlich über e<strong>in</strong>er Million Mark liegen würde.Aufgr<strong>und</strong> der leidigen Tatsache, dass der Fiskus r<strong>und</strong> zwei Dritteldes erwirtschafteten Gew<strong>in</strong>ns abschöpfte, begab ich mich im Herbst1990 auf <strong>die</strong> Suche nach e<strong>in</strong>er geeigneten Immobilie <strong>und</strong> kaufte imJanuar 1991 für <strong>die</strong> Firma e<strong>in</strong> Wohnhaus mit e<strong>in</strong>er Wohn- <strong>und</strong> Nutzflächevon <strong>in</strong>sgesamt knapp 400 Quadratmeter auf e<strong>in</strong>em 1 500 Quadratmetergroßen Gr<strong>und</strong>stück am Ostufer des Starnberger Sees, dasich zu e<strong>in</strong>er ortsüblichen Miete an mich persönlich vermietete. Weilder Mietvertrag für <strong>die</strong> von mir bewohnte Doppelhaushälfte <strong>in</strong> Germer<strong>in</strong>gim Herbst 1991 auslief, war ich ohneh<strong>in</strong> auf der Suche nache<strong>in</strong>em geeigneten Domizil. Außerdem konnte ich auf <strong>die</strong>se Weise mitden ersparten Steuern das Haus f<strong>in</strong>anzieren <strong>und</strong> zugleich Firmenvermögenbilden.Nachdem somit <strong>die</strong> Voraussetzungen für <strong>die</strong> Gründung e<strong>in</strong>er neuenFamilie gegeben waren, ließ ich unmittelbar nach me<strong>in</strong>em Umzug anden Starnberger See Mitte April 1991 e<strong>in</strong>e Heiratsannonce veröffentlichen,von der sich über 100 heiratswillige Damen angesprochenfühlten. Nach dem dritten Date entschied ich mich Ende April fürme<strong>in</strong>e künftige Gatt<strong>in</strong>: Gaby war 13 Jahre jünger als ich <strong>und</strong> entstammtee<strong>in</strong>em zwar e<strong>in</strong>fachen aber sehr respektablen Elternhaus beiBonn. Im Januar 1991 war sie von Bonn nach München umgezogen<strong>und</strong> arbeitete bei der Firma Siemens <strong>in</strong> der Konzernzentrale am WittelsbacherPlatz. Zuvor war sie bei e<strong>in</strong>er B<strong>und</strong>esbehörde beschäftigt.*Dass ich aufgr<strong>und</strong> <strong>die</strong>ses formidablen Gangs der D<strong>in</strong>ge wahrlich ke<strong>in</strong>enGr<strong>und</strong> hatte, wegen des unrühmlichen Endes me<strong>in</strong>es Berufslebensals Bau<strong>in</strong>genieur zu hadern, versteht sich von selbst. Aber dennochhegte ich e<strong>in</strong>en ziemlichen Groll auf Mannesmann, weil ich imMai 1989 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er zehnseitigen Stern-Reportage über den Bau der198


Kolumbien-Pipel<strong>in</strong>e zwischen den Zeilen lesen musste, nicht fähiggewesen zu se<strong>in</strong>, <strong>die</strong> Ausführung <strong>die</strong>ses Projekts zu leiten <strong>und</strong> dassme<strong>in</strong> ehemaliger Kollege Hajo Hesmert sich angeblich als weltmeisterlicherPipel<strong>in</strong>ebauer erwiesen habe. Und noch gewaltiger hattemich <strong>die</strong> ungeheuerliche Dreistigkeit gewurmt, <strong>in</strong> der man denStern-Redakteuren <strong>und</strong> somit der breiten deutschen Öffentlichkeitden Bären aufgeb<strong>und</strong>en hatte, dass <strong>die</strong> term<strong>in</strong>gerechte Fertigstellung<strong>die</strong>ses Auftrags vor allem der Entscheidung der Konzernleitung zurEntsendung des Direktors Dieter Lehmann <strong>und</strong> der prompten Durchführungvon vertrauensbildenden Maßnahmen <strong>in</strong> Kooperation mitdem Bischof von Arauca zur Verbesserung der Lebensbed<strong>in</strong>gungender örtlichen Bevölkerung <strong>und</strong> zur Gewährleistung der Sicherheit dese<strong>in</strong>gesetzten Personals zu verdanken gewesen sei.Veröffentlicht wurde <strong>die</strong>se Reportage bereits im Juli 1986. Entdeckthatte ich <strong>die</strong>sen mittlerweile drei Jahre alten Stern durch schieren Zufall<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em hohen Stapel aus Geo-Heften im Wartezimmer me<strong>in</strong>esZahnarztes <strong>in</strong> München, weil auf dem Titelblatt e<strong>in</strong> Hubschrauberabgebildet war, der mit e<strong>in</strong>em Rohr am Lasthaken über e<strong>in</strong>er Pipel<strong>in</strong>e-Baustelle<strong>in</strong> steilem Gelände schwebte. <strong>Der</strong> Titel war <strong>in</strong> fetten,blutroten Lettern gedruckt <strong>und</strong> lautete Die mörderische Pipel<strong>in</strong>e.Weil mir schon beim ersten Überfliegen des Textes gröbste Unstimmigkeitenaufgefallen waren, trennte ich <strong>die</strong> zehn Seiten heraus, umsie nach der Zahnbehandlung <strong>in</strong> aller Ruhe lesen zu können.Abgesehen von e<strong>in</strong>igen Informationen, <strong>die</strong> Mike McGovan mir etwazehn Wochen nach unserer fristlosen Entlassung am 26. Oktober1984 über den damaligen Gang der D<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> Kolumbien hatte zukommenlassen, hatte ich bis dah<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>erlei E<strong>in</strong>zelheiten über denBau <strong>die</strong>ser Pipel<strong>in</strong>e erfahren. E<strong>in</strong>e <strong>die</strong>ser Informationen besagte, dasskurz nach unserer Entlassung der von mir verfügte Baustopp wiederaufgehoben wurde <strong>und</strong> dass es kurz nach der Wiederaufnahme derArbeiten bei unserem Camp bei San Bernardo zu Kämpfen zwischendem Militär <strong>und</strong> der ELN gekommen war. Weil es bei <strong>die</strong>sen KämpfenTote gegeben haben soll <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Hubschrauber <strong>und</strong> mehrere Bau-199


masch<strong>in</strong>en zerstört wurden, hätte man dann <strong>die</strong> Arbeiten wieder e<strong>in</strong>stellenmüssen.E<strong>in</strong>e andere Information betraf Herrn Manuel Monasterio Gómez,e<strong>in</strong>en Oberst der spanischen Streitkräfte, den <strong>die</strong> Konzernleitung alsVerb<strong>in</strong>dungsoffizier zum kolumbianischen Militär angeheuert hatte,um <strong>die</strong> Bekämpfung der ELN zu koord<strong>in</strong>ieren. Dieser war am 26.Dezember 1984 <strong>in</strong> flagranti verhaftet worden, als er den GeneralRafael Obdulio Forero Moreno mit etwas Schmiergeld zur Entsendungzusätzlicher Truppen <strong>in</strong> <strong>die</strong> Pipel<strong>in</strong>e-Region motivieren wollte.Obwohl <strong>die</strong> spanischen <strong>und</strong> kolumbianischen Me<strong>die</strong>n ausführlichüber <strong>die</strong>se Verhaftung berichtet hatten, ließen <strong>die</strong> deutschen Me<strong>die</strong>n– wohl wegen der am 17. Oktober 1984 verhängten Nachrichtensperre– ke<strong>in</strong> Sterbenswörtchen über <strong>die</strong>sen misslungenen Bestechungsversuchverlauten.Weil <strong>die</strong>se Stern-Reportage me<strong>in</strong>es Erachtens offenk<strong>und</strong>ig vor allemdarauf abzielte, <strong>die</strong> zu befürchtende Kritik an <strong>die</strong>sem perfiden Gastspielder Mannesmann Anlagenbau AG <strong>in</strong> Kolumbien im Keim zu ersticken,w<strong>und</strong>erte es mich natürlich nicht, dass <strong>die</strong>se Begebenheitenebenso wenig erwähnt wurden, wie <strong>die</strong> den Stern-Redakteuren sicherlichebenfalls bekannten Tatsachen, dass im B<strong>und</strong>eskanzleramtbereits am 17. Oktober 1984 e<strong>in</strong> Krisenstab gebildet <strong>und</strong> ausgerechnetder berühmt-berüchtigte Undercover-Fuzzy Werner Mauss alsAdlatus der Krisenmanager engagiert worden war.Nachdem ich mir <strong>die</strong>se Reportage <strong>in</strong> aller Ruhe zu Gemüt geführthatte, sprach ich mit me<strong>in</strong>em Steuerberater, Herrn Jürgen Post – dermir <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> der Gründungsphase me<strong>in</strong>er Firma <strong>und</strong> währendder ersten beiden Jahre me<strong>in</strong>er Existenz als Softwareversender e<strong>in</strong>sehr wertvoller Ratgeber <strong>und</strong> Dienstleister war – über e<strong>in</strong>ige derdicksten Bären, <strong>die</strong> der deutschen Öffentlichkeit mit <strong>die</strong>sem Machwerkaus Dichtung <strong>und</strong> Wahrheit zur Glorifizierung des Gastspielsder Mannesmann Anlagenbau AG <strong>in</strong> Kolumbien <strong>und</strong> des Verhaltensder Konzernleitung aufgeb<strong>und</strong>en wurden. Herr Post riet mir daraufh<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gend, alles auf sich beruhen zu lassen, um nicht <strong>in</strong> TeufelsKüche zu geraten. Und da ich im Mai 1989 <strong>in</strong> der Tat Besseres zu tun200


hatte, als der Welt zu beweisen, was faul an <strong>die</strong>ser mittlerweile fastdrei Jahre alten Stern-Reportage war, <strong>und</strong> mich den damit verb<strong>und</strong>enenRisiken auszusetzen. Folglich beherzigte ich den Rat <strong>und</strong> heftete<strong>die</strong>se zehn Seiten <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Kolumbien-Ordner ab, der neben me<strong>in</strong>endetaillierten Aufzeichnungen aus den kritischen Tagen me<strong>in</strong>esKolumbienaufenthalts zwischen dem 16. <strong>und</strong> 24. Oktober 1984 auchmehrere Zeitungsartikel <strong>und</strong> jene Sicherheitskopien enthielt, <strong>die</strong> icham 16. Oktober 1984 vorsichtshalber von den Briefen der ELN <strong>und</strong>Herrn Schötts gemacht hatte.Als ich <strong>die</strong>ses propagandistische Machwerk zu Gesicht bekam, hatteich noch ke<strong>in</strong>e Ahnung, dass <strong>in</strong> Deutschland <strong>und</strong> Kolumbien das Gerücht<strong>in</strong> Umlauf gebracht worden war, ich hätte Geld unterschlagen<strong>und</strong> wäre korrupt gewesen. Zu <strong>die</strong>ser Verleumdung sah man sichwohl veranlasst, weil man e<strong>in</strong>e plausible Erklärung für me<strong>in</strong>e urplötzlicheAblösung <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en Sündenbock für das große Tohuwabohubrauchte, das sich danach auf der Baustelle e<strong>in</strong>stellte. Gehört habeich von <strong>die</strong>ser perfiden Verleumdung erstmals Anfang Mai 1991 ane<strong>in</strong>em sonnigen Sonntagnachmittag, also kurz nachdem ich me<strong>in</strong>neues Domizil am herrlichen Ostufer des Starnberger Sees bezogenhatte.201


Damals hatte mich e<strong>in</strong> ehemaliger Berufskollege besucht, der als Angestelltere<strong>in</strong>er Consult<strong>in</strong>g-Firma für Projektmanagement den Baufortschrittam RWTS-Projekt <strong>in</strong> Saudi-Arabien dokumentiert <strong>und</strong> ander Ausarbeitung me<strong>in</strong>es Project-Execution-Plans für <strong>die</strong> Kolumbienpipel<strong>in</strong>emitgewirkt hatte. Wegen des schönen Wetters saßen wirauf der großzügigen Terrasse vor dem Wohnzimmer <strong>und</strong> genossen<strong>die</strong> angenehme Wärme der strahlenden Maisonne <strong>und</strong> den fantastischenAusblick über den Starnberger See, auf dem es vor Segelbootennur so wimmelte.Das letzte Mal hatten wir uns im Sommer 1988 bei ihm getroffen,also etwa e<strong>in</strong> halbes Jahr, nachdem ich mit me<strong>in</strong>em Softwarehandelbegonnen hatte <strong>und</strong> gerade mal 100 000 Mark Umsatz im Monatmachte. Eigentlich wollte me<strong>in</strong> Gast geme<strong>in</strong>sam mit se<strong>in</strong>er Fraukommen. Da bei ihnen angeblich der Haussegen etwas schief h<strong>in</strong>g,hatte er es jedoch vorgezogen, alle<strong>in</strong>e zu kommen. So konnten wiralso ziemlich offen über alles reden.Wahrsche<strong>in</strong>lich konnte sich me<strong>in</strong> Exkollege, der etwa 20 Kilometernördlich von München wohnte, nicht vorstellen, dass es beim Aufbau202


me<strong>in</strong>er Firma <strong>und</strong> beim Kauf <strong>die</strong>ses schönen Hauses <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er der bestenLagen Oberbayerns mit rechten D<strong>in</strong>gen zugegangen war. Dennnach etwa e<strong>in</strong>er halben St<strong>und</strong>e – ich hatte gerade <strong>die</strong> zweite FlascheWeißbier aus der Küche geholt – sagte er, sichtlich bee<strong>in</strong>druckt davon,wie herrlich weit ich es <strong>in</strong> den vergangenen drei Jahren gebrachthatte: „Da hat sich ihr D<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Kolumbien ja doch noch gelohnt.“ Daich nicht verstand, was er damit sagen wollte, fragte ich ihn, wie dasgeme<strong>in</strong>t wäre. Weil er offenk<strong>und</strong>ig glaubte, dass ich etwas zu verbergenhätte, sagte er mir daraufh<strong>in</strong> mit e<strong>in</strong>em komplizenhaften Augenzw<strong>in</strong>kern,dass er gehört hatte, dass ich von Mannesmann entlassenworden wäre, weil ich <strong>in</strong> Kolumbien Geld unterschlagen hätte <strong>und</strong>korrupt gewesen wäre!Selbstverständlich stockte mir fast der Atem, als ich das hörte – zumaler bei me<strong>in</strong>em Besuch vor drei Jahren ke<strong>in</strong> Sterbenswörtchenüber <strong>die</strong>se <strong>in</strong>fame Verleumdung hatte verlauten lassen. Und als ermir dann auch noch erzählte, dass Werner Schött (das Entführungsopfer)sehr sauer auf mich gewesen wäre, weil me<strong>in</strong> angeblichesFehlverhalten ihn <strong>in</strong> akute Lebensgefahr gebracht hätte, bedauerteich zutiefst, dass ich <strong>die</strong>sen etwa gleichaltrigen ehemaligen Kollegen– der mich ansche<strong>in</strong>end als abgefeimten Opportunisten e<strong>in</strong>schätzte –e<strong>in</strong>geladen hatte.Offenk<strong>und</strong>ig gehörte me<strong>in</strong> Ex-Kollege also zu jenen Leuten, <strong>die</strong> davonüberzeugt waren, dass man nur durch krumme Geschäfte zuWohlstand kommen könnte. Um herauszuf<strong>in</strong>den, wer ihm <strong>die</strong>ses übleGerücht zugetragen hatte, verbarg ich me<strong>in</strong>e große Verärgerung über<strong>die</strong>se Unterstellung jedoch so gut es g<strong>in</strong>g, erzählte ihm, wie es zume<strong>in</strong>er fristlosen Entlassung gekommen war, <strong>und</strong> fragte ihn aus. Soerfuhr ich, dass es Hajo Hesmert war, von dem er <strong>die</strong>se „Information“hatte, <strong>und</strong> dass Dieter Lehmann – den ich als Erf<strong>in</strong>der <strong>die</strong>ser perfidenNotlüge verdächtigte – an e<strong>in</strong>em sehr schweren Krebsleiden erkranktwäre, an dem er wohl bald sterben würde. Nach etwa 30 weiterenM<strong>in</strong>uten war <strong>die</strong> zweite Flasche Weißbier leer. Weil ich ke<strong>in</strong> Interessean e<strong>in</strong>er Fortsetzung <strong>die</strong>ses Gesprächs <strong>und</strong> an weiteren Begegnungenmit <strong>die</strong>sem mir ehedem sehr sympathischen Exkollegen203


verspürte, verzichtete ich darauf, mit ihm über <strong>die</strong> angedachte Kooperationzur Vermarktung von Projektmanagement-Software zusprechen <strong>und</strong> komplimentierte ihn umgehend aus dem Haus.Als mir <strong>die</strong>se dreiste, mittlerweile fast sieben Jahre alte Verleumdungzu Ohren kam, herrschte <strong>in</strong> Deutschland noch große Euphorie über<strong>die</strong> Wiedervere<strong>in</strong>igung. Für me<strong>in</strong>e Firma hatte es sich bereits abgezeichnet,dass der Umsatz 1991 <strong>in</strong> der Größenordnung von 50 MillionenMark liegen würde. Da ich außerdem frisch verliebt war, hatteich somit als Mensch <strong>und</strong> Unternehmer schlicht <strong>und</strong> e<strong>in</strong>fach weitausBesseres zu tun, als aufgr<strong>und</strong> <strong>die</strong>ser Information e<strong>in</strong>e Strafanzeigegegen Unbekannt zu stellen <strong>und</strong> beließ es folglich dabei, mich beizwei ehemaligen Mitarbeitern zu erk<strong>und</strong>igen, ob auch ihnen <strong>die</strong>sesrufmörderische Gerücht zu Ohren gekommen sei – was mir beide bestätigten.<strong>Der</strong> e<strong>in</strong>e war Bob Yant aus Denver, Colorado, der andereJohann Schieble aus me<strong>in</strong>er Heimatstadt Kenz<strong>in</strong>gen. Johann hatte fürmich fast vier Jahre lang als Baggerfahrer gearbeitet, als ich nochme<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Baufirma hatte.Johann Schieble <strong>in</strong> KolumbienWeil Mannesmann mehrere Vorarbeiterfür den Erdbau brauchte <strong>und</strong>Johann sich bei mir als sehr zuverlässigerMitarbeiter erwiesen hatte,heuerte ich ihn se<strong>in</strong>erzeit für denBau <strong>die</strong>ser Pipel<strong>in</strong>e an. Und wie zuerwarten war, sollte er sich auch <strong>in</strong>Kolumbien bestens bewähren. Johannwar e<strong>in</strong>ige Monate jünger alsich <strong>und</strong> entstammte e<strong>in</strong>er Romanzezwischen se<strong>in</strong>er Mutter <strong>und</strong> e<strong>in</strong>emfranzösischen Besatzungssoldaten,der aus Marokko stammte. Als se<strong>in</strong>enoch ledige Mutter schwanger gewordenwar, wurde se<strong>in</strong> Vater nachNordafrika versetzt <strong>und</strong> soll im algerischenBefreiungskrieg gefallen204


se<strong>in</strong>. Anfang der 50er Jahre heiratete Johanns Mutter e<strong>in</strong>en Bauernsohnaus dem Schwarzwald <strong>und</strong> bekam fünf weitere K<strong>in</strong>der. Se<strong>in</strong> Elternhausim „Oberen Zirkel“ lag etwa 200 Meter von unserer Wohnung<strong>in</strong> der Brotstraße entfernt.Weil Johann als K<strong>in</strong>d <strong>und</strong> Jugendlicher <strong>in</strong>sbesondere von se<strong>in</strong>emStiefvater ungerecht behandelt <strong>und</strong> von anderen K<strong>in</strong>dern wegen se<strong>in</strong>erdunkleren Hautfarbe gemobbt wurde, reagierte er selbst als Erwachsenernoch ziemlich aggressiv, wenn er sich beleidigt oder nichtangemessen respektiert fühlte. Um <strong>die</strong>sen schwierigen Verhältnissenso schnell wie möglich zu entkommen, entschied er sich nach demAbschluss der achtjährigen Volksschule für e<strong>in</strong>e Lehre als B<strong>in</strong>nenschifferauf dem Rhe<strong>in</strong>. Dann lernte er se<strong>in</strong>e spätere Frau Irene kennen,gab se<strong>in</strong>en Job als B<strong>in</strong>nenschiffer auf, arbeitete als Maler <strong>und</strong>wohnte wieder <strong>in</strong> Kenz<strong>in</strong>gen. Als ich im Frühjahr 1973 e<strong>in</strong>en Baggerladergekauft hatte <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en geschickten Baggerfahrer suchte,hatte ich Johann angeboten, für mich zu arbeiten. So kam es, dass erse<strong>in</strong>en Job als Maler aufgegeben <strong>und</strong> fortan für me<strong>in</strong>e Firma gearbeitethatte, bis ich sie liqui<strong>die</strong>rte.Da wir schon von K<strong>in</strong>dertagen an gelernt hatten, uns gegenseitig zurespektieren, kannten wir uns also bestens. Und so hatte sich JohannSchieble nach se<strong>in</strong>er Ankunft <strong>in</strong> Kolumbien – nichts Böses ahnend –bei Hajo Hesmert über me<strong>in</strong>en Verbleib erk<strong>und</strong>igt – <strong>und</strong> war aufgr<strong>und</strong>der guten Me<strong>in</strong>ung, <strong>die</strong> er von mir hatte, natürlich völlig perplex,als Hesmert ihm erzählte, dass ich fristlos entlassen worden sei,weil ich Geld unterschlagen hätte. Bob Yant war entsprechend vonDieter Lehmann belogen worden.*Dank me<strong>in</strong>es phänomenalen Erfolgs als Softwarehändler hatte manmich <strong>in</strong> jenen Tagen als e<strong>in</strong>zigen Vertreter der deutschen Mailorder-Szeneim <strong>PC</strong>-Markt zu e<strong>in</strong>em dreitägigen Symposium für Direktmarket<strong>in</strong>g<strong>in</strong> Santa Fé, New Mexico e<strong>in</strong>geladen, das Mitte Juni stattfand<strong>und</strong> vom Verlag Ziff Davis veranstaltet wurde. Um das Angenehmemit dem Nützlichen zu verb<strong>in</strong>den, lud ich me<strong>in</strong>e künftigeGatt<strong>in</strong> e<strong>in</strong>, mich zu <strong>die</strong>sem Symposium <strong>und</strong> auf e<strong>in</strong>er Tour durch den205


Westen der USA zu begleiten. Die ersten vier Tage verbrachten wir<strong>in</strong> Los Angeles, wo uns me<strong>in</strong> Lieferant für US-Software se<strong>in</strong> CantileverHausauf den Klippen am berühmten Ocean Drive <strong>in</strong> Malibu zurVerfügung stellte. Danach flogen wir nach Santa Fé. Nachdem dasdreitägige Symposium zu Ende war, unternahmen wir zunächst perJeep e<strong>in</strong>en Ausflug <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Indianerreservat <strong>und</strong> flogen dann weiternach Las Vegas. Dort logierten wir vier Tage lang im Hotel Mirage<strong>und</strong> erlebten unter anderem e<strong>in</strong> mitreißendes Konzert von JohnnyCash, Willi Nelson <strong>und</strong> Kris Kristoffersen. Eigentlich hätte ich auchgerne e<strong>in</strong>en Helikopterflug zum Hoover-Staudamm <strong>und</strong> <strong>in</strong> den GrandCanyon gemacht. Doch leider befürchtete Gaby, ich könnte verunglücken,sodass ich mich dazu überreden ließ, auf <strong>die</strong>ses sicherlichsehr reizvolle Erlebnis zu verzichten. Anschließend verbrachten wirvier Tage <strong>in</strong> San Francisco <strong>und</strong> gondelten dann im größten Straßenkreuzer,den der Concierge des Ritz-Carlton-Hotels beschaffen konnte,auf dem berühmten Highway Number One entlang der streckenweiseatemberaubenden Pazifikküste zurück nach Los Angeles.206


Unsere Hochzeit feierten wir am 22. September <strong>in</strong> der kle<strong>in</strong>en Kirche,<strong>die</strong> über Starnberg thront, <strong>und</strong> im Schlosshotel Berg am StarnbergerSee. Die anschließend geplante Hochzeitsreise nach Südfrankreichmussten wir leider stornieren, weil Gaby wegen ernsterSchwangerschaftsprobleme, <strong>die</strong> bereits im August e<strong>in</strong>setzten, schonkurz nach der Hochzeit abermals <strong>in</strong>s Krankenhaus musste. Nachdemsie <strong>die</strong> Münchner Mai-Kl<strong>in</strong>ik Ende November unter der Auflage derstrikten Unterlassung jeglicher Tätigkeit wieder verlassen durfte <strong>und</strong>weil ich tagsüber <strong>in</strong> der Firma se<strong>in</strong> musste, nahmen wir das Angebotihrer Eltern, <strong>die</strong> restlichen Schwangerschaftswochen bei ihnen <strong>in</strong>Bonn zu verbr<strong>in</strong>gen, natürlich sehr gerne an.Kurz vor Weihnachten musste Gaby dann leider abermals <strong>in</strong>s Krankenhaus,<strong>und</strong> am 15. Januar 1992 wurde schließlich <strong>in</strong> der 26.Schwangerschaftswoche e<strong>in</strong> Kaiserschnitt durchgeführt, um das akutgefährdete Leben des K<strong>in</strong>des zu retten – das <strong>in</strong> der Bonner Universitätskl<strong>in</strong>ikauf dem Venusberg mit 704 Gramm das Licht der Welt erblickte<strong>und</strong> nur dank der Kunst der Ärzte überlebte. Selbstverständlichbrachten <strong>die</strong>se problematische Schwangerschaft <strong>und</strong> <strong>die</strong> monatelangegroße Ungewissheit, ob Gaby <strong>und</strong> der kle<strong>in</strong>e Max alles unbeschadetüberstehen würden, auch für mich sehr viel Stress <strong>und</strong> Sorgenmit sich.<strong>Der</strong> tatsächlich erzielte Jahresumsatz me<strong>in</strong>er Firma im Jahr 1991 beliefsich auf 48 Millionen Mark (zuzüglich Mehrwertsteuer) bei e<strong>in</strong>emGew<strong>in</strong>n vor Steuern <strong>in</strong> Höhe von deutlich über zwei MillionenMark. Nach den teilweise sehr herben Rückschlägen, <strong>die</strong> ich im Verlaufme<strong>in</strong>es Werdeganges h<strong>in</strong>zunehmen hatte, <strong>in</strong>terpretierte ich <strong>die</strong>sen– mit Ausnahme der Schwangerschaftsprobleme <strong>und</strong> der Sorgenum den kle<strong>in</strong>en Max – wahrlich märchenhaften Gang der D<strong>in</strong>ge alsschlagenden Beweis für <strong>die</strong> Richtigkeit me<strong>in</strong>er Entscheidung zur Liqui<strong>die</strong>rungme<strong>in</strong>er Baufirma <strong>und</strong> me<strong>in</strong>es Verhaltens als Angestellterder Mannesmann Anlagenbau AG.*Natürlich war mir bewusst, dass me<strong>in</strong> Erfolg weniger auf me<strong>in</strong>e unternehmerischenTalente, sondern vielmehr auf den glücklichen Zu-207


fall zurückzuführen war, dass ich zum optimalen Zeitpunkt <strong>in</strong> dennoch sehr jungen <strong>und</strong> somit auch sehr lukrativen Markt für <strong>PC</strong>-Softwaree<strong>in</strong>steigen konnte. Und weil <strong>die</strong>sem <strong>E<strong>in</strong>stieg</strong> e<strong>in</strong> auf Außenstehendeziemlich anrüchig wirkendes Ende me<strong>in</strong>er Existenz als Bau<strong>in</strong>genieur<strong>und</strong> e<strong>in</strong> sehr widerliches Scheidungsverfahren vorausgegangenwaren, betrachtete ich <strong>die</strong>sen Erfolg fast schon als e<strong>in</strong> Geschenkdes Himmels. Vor <strong>die</strong>sem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> war es mir folglich e<strong>in</strong>e gerneakzeptierte Pflicht, nicht nur me<strong>in</strong>er Schwester Elisabeth zu helfen,sondern auch me<strong>in</strong>er frisch geschiedenen Schwester Ilse, <strong>die</strong> mit ihrenvier K<strong>in</strong>dern <strong>in</strong> Australien lebte <strong>und</strong> <strong>in</strong> Not geraten war.Ilses Ehemann hatte sich schon bald nach der Auswanderung im Jahre1967 zum Kunstmaler berufen gefühlt, konnte mit den Verkäufense<strong>in</strong>er Bilder <strong>und</strong> se<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>künften als freischaffender Autoelektrikeraber weder sich selbst geschweige denn se<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der ernähren,sodass Ilse stets als Krankenschwester arbeiten musste, um sich, ihrenEhemann <strong>und</strong> <strong>die</strong> K<strong>in</strong>der durchzubr<strong>in</strong>gen. In der Erwartung, dasses leichter wäre, als Künstler <strong>in</strong> Deutschland Erfolg zu haben, beschlossensie deshalb im Herbst 1976, ihre Zelte <strong>in</strong> Australien abzubrechen<strong>und</strong> sich wieder <strong>in</strong> Deutschland niederzulassen.Leider war mit dem Transferdes Verkaufserlöses für ihrHaus angeblich etwas schiefgelaufen, sodass sie nach ihrerRückkehr im Januar 1977 wohlgestrandet wären, wenn me<strong>in</strong>eSchwiegereltern <strong>und</strong> ich ihnentrotz des damaligen Schlamasselswegen der Liqui<strong>die</strong>rungme<strong>in</strong>er Baufirma nicht geholfenhätten, zunächst provisorischunterzukommen <strong>und</strong> sichDie Coppa-Family <strong>in</strong> Kenz<strong>in</strong>gen zu etablieren.nach ihrer Rückkehr aus Australien Weil sie nach e<strong>in</strong>igen Wochenangeblich noch immer auf den Transfer des Verkaufserlöses für ihr208


Haus warteten <strong>und</strong> das mitgebrachte Bargeld zur Neige g<strong>in</strong>g, kaufteich Roberto schließlich 4 Bilder für je 1 000 Mark ab, um ihm <strong>und</strong>Ilse <strong>die</strong> Schmach zu ersparen, mich oder andere Leute anbetteln zumüssen. Nachdem dann auch hier der erhoffte künstlerische Erfolgausblieb <strong>und</strong> <strong>die</strong> Familie nur dank des E<strong>in</strong>kommens aus Ilses Tätigkeitals Krankenschwester mehr schlecht als recht über <strong>die</strong> R<strong>und</strong>enkam, wanderten sie Mitte 1982 abermals nach Australien aus.Als <strong>die</strong>se Ehe 1988 geschieden wurde, wohnte Ilse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bescheidenenFarmhaus <strong>in</strong> der Nähe des Prov<strong>in</strong>zstädtchens Colac, etwa 150Kilometer westlich von Melbourne. Lorenzo, der älteste Sohn, besuchte<strong>in</strong>zwischen e<strong>in</strong> College, stu<strong>die</strong>rte „Electronics“ <strong>und</strong> jobbte nebenherals Verkäufer <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Electronics Shop, um se<strong>in</strong>en Lebensunterhaltzu ver<strong>die</strong>nen. Die 21-jährige Liliana arbeitete als Gehilf<strong>in</strong>bei e<strong>in</strong>em Immobilienmakler <strong>in</strong> Melbourne, der 18-jährige Victorhatte e<strong>in</strong>en Job als Regalbeschicker <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Supermarkt <strong>in</strong> Colac<strong>und</strong> der Nachzügler Francis war gerade mal sechs Jahre alt.1988 – von l<strong>in</strong>ks: Lorenzo, Ilse, Victor – vorn Francis209


E<strong>in</strong>es Tages klagte Ilse mir telefonisch ihr Leid <strong>und</strong> fragte mich, obich helfen könnte, weil andernfalls zu befürchten wäre, dass ihr SohnLorenzo se<strong>in</strong> Studium aus f<strong>in</strong>anziellen Gründen abbrechen würde.Also lud ich ihn e<strong>in</strong>, <strong>in</strong> den dreimonatigen Semesterferien bei mir zuarbeiten, <strong>und</strong> entlohnte ihn hoch genug, damit er problemlos zuendestu<strong>die</strong>ren konnte.Wenig später <strong>in</strong>formierte sie mich telefonisch über ihre Sorgen wegenLiliana, <strong>die</strong> <strong>in</strong> Melbourne angeblich auf <strong>die</strong> schiefe Bahn zu geratendrohte, <strong>und</strong> fragte mich, ob auch sie bei mir arbeiten könnte.Normalerweise war <strong>die</strong>s aufgr<strong>und</strong> gesetzlicher Regularien zwar nichterlaubt. In der Annahme, dass sich e<strong>in</strong>e Lösung f<strong>in</strong>den würde,schickte ich Liliana jedoch ebenfalls umgehend e<strong>in</strong> Ticket. Bereitskurz nach ihrer Ankunft <strong>in</strong> München wurde ich dann von Ilse gefragt,ob auch Victor bei mir arbeiten könnte. Da ich auch <strong>die</strong>ser Bitteprompt entsprach, war ich dank me<strong>in</strong>es Erfolges <strong>und</strong> me<strong>in</strong>er familiärenHilfsbereitschaft somit unversehens <strong>in</strong> <strong>die</strong> Rollen des nützlichenBruders <strong>und</strong> reichen Onkels <strong>in</strong> Good Old Germany geraten. Weil Ilse<strong>und</strong> ihre K<strong>in</strong>der sehr knapp bei Kasse waren, kam ich selbstverständlichauch für <strong>die</strong> Flugkosten auf, <strong>die</strong> sich auf etwa 2 500 Mark jeRückflugticket beliefen.Wohl weil Lorenzo <strong>in</strong> Australien ke<strong>in</strong>e passende Stelle f<strong>in</strong>den konnte<strong>und</strong> <strong>die</strong> Erlöse aus dem Verkauf e<strong>in</strong>er von ihm gebastelten Dummy-Diebstahlsicherung für Autos nicht ausreichten, um davon leben zukönnen, rief er mich nach Abschluss se<strong>in</strong>es Studiums an <strong>und</strong> batmich, wieder kommen zu dürfen – <strong>und</strong> leider sagte ich abermals ja,obwohl es mir viel lieber gewesen wäre, wenn er <strong>in</strong> Australien e<strong>in</strong>Auskommen gef<strong>und</strong>en hätte, um nötigenfalls se<strong>in</strong>er mit dem kle<strong>in</strong>enFrancis alle<strong>in</strong>lebenden Mutter mit Rat <strong>und</strong> Tat beistehen zu können.Wie sich später herausstellen sollte, hätte ich ihm damals besser abgesagt.Denn fraglos wäre mir <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Fall nicht nur ziemlich heiklerjuristischer Ärger erspart geblieben, sondern auch schmerzlicherfamiliärer Verdruss <strong>und</strong> Häme der übelsten Sorte. Aber nachher istman bekanntlich immer klüger ...210


Schon bald nachdem Lorenzo wieder bei mir arbeitete, schloss ersich e<strong>in</strong>er evangelikalen Sekte an, besuchte regelmäßig deren Bibelst<strong>und</strong>en<strong>und</strong> Gottes<strong>die</strong>nste im Osten von München <strong>und</strong> lernte so se<strong>in</strong>espätere Ehefrau kennen. Als er mich Ende November 1991 darumbat, ihm e<strong>in</strong> halbes Jahr Urlaub zu gewähren, um geme<strong>in</strong>sam mit se<strong>in</strong>erFre<strong>und</strong><strong>in</strong> ihre Glaubensbrüder <strong>in</strong> den USA besuchen zu können,redete ich ihm <strong>die</strong>sen Urlaub <strong>in</strong> wohlwollender Absicht aus. Weil ichder Me<strong>in</strong>ung war, dass es weitaus besser wäre, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>malig günstigenBed<strong>in</strong>gungen im <strong>PC</strong>-Markt zu nutzen, bot ich ihm e<strong>in</strong> Darlehen<strong>in</strong> Höhe von 100 000 Mark mit e<strong>in</strong>er Laufzeit von e<strong>in</strong>em Jahr <strong>und</strong><strong>die</strong> kostenlose Überlassung des ziemlich wertvollen Clipper-Programm-Codesme<strong>in</strong>er Firmensoftware an, falls er bereit se<strong>in</strong> sollte,wieder zurück nach Australien zu gehen <strong>und</strong> dort zusammen mit se<strong>in</strong>erMutter e<strong>in</strong>e Mailorder-Firma zu gründen, anstatt se<strong>in</strong>e Zeit <strong>und</strong>Ersparnisse <strong>in</strong> den USA zu vergeuden.Diesem Angebot lag zum e<strong>in</strong>en me<strong>in</strong>e leise Hoffnung zugr<strong>und</strong>e, Lorenzosreligiösen Eifer etwas dämpfen zu können. Denn fraglos wären<strong>die</strong> Ersparnisse, <strong>die</strong> er dank der sehr üppigen Entlohnung für se<strong>in</strong>eTätigkeit <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Firma bilden konnte, durch <strong>die</strong> USA-Reiseweitgehend aufgebraucht worden. Zum andern hegte ich damals aberauch <strong>die</strong> berechtigte Befürchtung, dass <strong>die</strong> alle<strong>in</strong>lebende Ilse denWunsch äußern könnte, abermals von Australien nach Deutschlandumzusiedeln.Weil Liliana schon e<strong>in</strong> Jahr nach ihrer Ankunft e<strong>in</strong>en deutschen Krim<strong>in</strong>albeamtengeheiratet hatte <strong>und</strong> nicht beabsichtigte, nach Australienzurückzukehren, zeichnete es sich damals ab, dass me<strong>in</strong>e Schwestersich nicht scheuen würde, mir vorzuschlagen, ebenfalls <strong>in</strong> me<strong>in</strong>erFirma zu arbeiten. Und weil abzusehen war, dass sie <strong>und</strong> ihre K<strong>in</strong>dermir e<strong>in</strong>e Absage verübeln würden, wollte ich mit <strong>die</strong>sem Angebotalso auch e<strong>in</strong>er allzu hemmungslosen <strong>und</strong> permanenten Inanspruchnahmeme<strong>in</strong>er familiären Hilfsbereitschaft durch <strong>die</strong> Coppa-Familyzuvorkommen – zumal Lorenzo es offenk<strong>und</strong>ig als e<strong>in</strong>e Selbstverständlichkeiterachtet hatte, auch nach se<strong>in</strong>er sechsmonatigen USA-Reise wieder bei mir arbeiten zu können.211


Wie erhofft, akzeptierte Lorenzo me<strong>in</strong> Angebot auf der Stelle, flogumgehend nach Australien <strong>und</strong> gründete noch im Dezember 1991 geme<strong>in</strong>sammit Ilse <strong>in</strong> Melbourne <strong>die</strong> Firma City-Software. Dank dere<strong>in</strong>malig günstigen Marktbed<strong>in</strong>gungen <strong>und</strong> me<strong>in</strong>er Startup-Hilfe entwickeltesich <strong>die</strong>se sehr schnell zur führenden Mailorder-Firma der<strong>PC</strong>-<strong>Branche</strong> <strong>in</strong> Australien, sodass es mir e<strong>in</strong>e echte Freude war, <strong>die</strong>senebenso eleganten wie konstruktiven Ausstieg aus me<strong>in</strong>en Rollendes nützlichen Bruders <strong>und</strong> reichen Onkels gef<strong>und</strong>en zu haben.Als me<strong>in</strong>e Firma etwa e<strong>in</strong> Jahr nach der Gewährung <strong>die</strong>ses Darlehens<strong>in</strong>folge der heimtückischen Machenschaften der Bayerischen Vere<strong>in</strong>sbank<strong>in</strong> akute Konkursgefahr geraten war, sollte sich der stetssehr fromm <strong>und</strong> vertrauenswürdig auftretende Lorenzo zu me<strong>in</strong>er bösenÜberraschung trotz me<strong>in</strong>er wiederholten Mahnungen weigern,das Darlehen zum vere<strong>in</strong>barten Term<strong>in</strong> zu tilgen. Zwar hatte ich mirals Sicherheit für das Darlehen se<strong>in</strong>en Geschäftsanteil an der noch zugründenden Firma abtreten lassen. Weil ich damals jedoch wegen desmir noch völlig unerklärlichen Verhaltens der Bayerischen Vere<strong>in</strong>sbankweitaus Dr<strong>in</strong>glicheres zu tun hatte, als <strong>in</strong> Australien e<strong>in</strong> zeitraubendesInkassoverfahren gegen Lorenzo e<strong>in</strong>zuleiten, <strong>und</strong> somit Gefahrlief, im Konkursfall wegen Veruntreuung von Firmengeld belangtzu werden, beschloss ich der Ordnung halber, dessen Laufzeitum e<strong>in</strong> Jahr zu verlängern, als es Ilse nach me<strong>in</strong>en wiederholten Anrufendoch noch gelungen war, ihren Sohn Mitte Januar 1993 zum<strong>in</strong>destzur Zahlung der bereits seit dem 6. Dezember 1992 überfälligenZ<strong>in</strong>sen für <strong>die</strong>ses Darlehen zu veranlassen.Im Sommer 1994 erhielt ich schließlich e<strong>in</strong>en flehentlichen Hilferufvon Ilse, weil der sonst so fromme Lorenzo im Begriff war, sie ausder prächtig florierenden Firma h<strong>in</strong>aus zu mobben – <strong>und</strong> wie erbetenflog ich umgehend nach Melbourne, um ihr zu helfen. Anstatt <strong>die</strong>Gelegenheit zu nutzen, ihm den Laufpass zu geben <strong>und</strong> <strong>die</strong> Firma,wie zunächst beabsichtigt, geme<strong>in</strong>sam mit ihrem Sohn Victor weiterzuführen,knickte sie jedoch wenige Tage nach me<strong>in</strong>er Ankunft <strong>in</strong>Melbourne aus mir unbekannten Gründen e<strong>in</strong>, verzichtete darauf, <strong>die</strong>bereits e<strong>in</strong>geleiteten Maßnahmen zum Ausschluss Lorenzos aus der212


Gesellschaft durchzuziehen, <strong>und</strong> beschloss, nun ihrerseits freiwilligaus der Gesellschaft auszuscheiden. Aufgr<strong>und</strong> der Tatsache, dass dasDarlehen noch immer nicht getilgt war <strong>und</strong> da es nach Me<strong>in</strong>ung vonIlses Rechtsanwalt problemlos möglich gewesen wäre, Lorenzos Geschäftsanteilee<strong>in</strong>zuziehen <strong>und</strong> auf Victor zu übertragen, wurmte esmich natürlich sehr, für <strong>die</strong> Katz’ um <strong>die</strong> halbe Welt gereist zu se<strong>in</strong>.Weil ich mich zu jener Zeit vor dem Landgericht München gegenden spitzf<strong>in</strong>digen Vorwurf verteidigen musste, mich nicht mit demgebotenen Nachdruck um e<strong>in</strong>e sofortige Tilgung <strong>die</strong>ses Darlehensbemüht zu haben, bedauerte ich es im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> selbstverständlichzutiefst, <strong>die</strong>se Startup-Hilfe gewährt zu haben – zumal sich zwischenMutter <strong>und</strong> Sohn schon bald wieder e<strong>in</strong> herzliches E<strong>in</strong>vernehmene<strong>in</strong>stellen sollte, Lorenzo fortan den genialen Firmengründer mimte<strong>und</strong> sich damit brüstete, zunächst me<strong>in</strong>er Firma auf <strong>die</strong> Sprünge geholfen<strong>und</strong> danach se<strong>in</strong>e Firma aus eigenem Antrieb <strong>und</strong> mit eigenenErsparnissen gegründet zu haben. Später bezichtigte mich <strong>die</strong>ser Angebersogar, ich hätte damals versucht, mir se<strong>in</strong>e Geschäftsanteile anzueignen.Aber das ist e<strong>in</strong>e andere Geschichte…*Gewährt hatte ich <strong>die</strong>ses Gründungsdarlehen etwa vier Wochennachdem mir me<strong>in</strong> kaufmännischer Geschäftsführer Hubert RaithAnfang November 1991 mitgeteilt hatte, dass <strong>die</strong> Bayerische Vere<strong>in</strong>sbankse<strong>in</strong>em Antrag auf Erhöhung unseres Betriebsmittelkreditsaufgr<strong>und</strong> unserer Sortimentserweiterung um Hardware von vier aufsieben Millionen Mark entsprochen hatte. Obwohl mir <strong>die</strong>se Erhöhungeigentlich sehr willkommen war, quittierte ich <strong>die</strong>se Mitteilungdennoch mit e<strong>in</strong>er scharfen Rüge weil er <strong>die</strong>sen Antrag nicht mit mirbesprochen hatte <strong>und</strong> ich als Bürge privat für den Kredit me<strong>in</strong>erGmbH haftete. Zur Begründung se<strong>in</strong>es mir zunächst unerklärlichenVerhaltens entschuldigte sich Raith damit, dass er mich mit <strong>die</strong>serFormalie nicht belasten wollte, weil ich wegen der Hochzeit <strong>und</strong> derSchwangerschaftsprobleme me<strong>in</strong>er Frau ja ohneh<strong>in</strong> sehr stark beanspruchtgewesen wäre.213


Übernommen hatte Hubert Raith <strong>die</strong> Funktion des kaufmännischenGeschäftsführers me<strong>in</strong>er GmbH am 1. April 1991. Zu se<strong>in</strong>em Wechselvon der Bayerischen Vere<strong>in</strong>sbank zu me<strong>in</strong>er Firma war es gekommen,nachdem er mich im Dezember 1990 gefragt hatte, ob me<strong>in</strong>Angebot vom Sommer noch stehe, <strong>und</strong> ich <strong>die</strong>s bejaht hatte, nachdemme<strong>in</strong> <strong>die</strong>sbezügliches Gespräch mit Herrn Walter Kaufmann imJanuar 1991 positiv verlaufen war. Letzterer fungierte damals nochals Leiter des Filialbezirks München-Nord <strong>und</strong> wurde schon baldnach <strong>die</strong>sem Gespräch zum Direktor der Hauptgeschäftsstelle derBank am Promenadeplatz <strong>in</strong> München befördert. Selbstverständlichhatte ich gehofft, dass Hubert Raith mich <strong>in</strong>nerhalb weniger Wochenspürbar entlasten würde. Doch leider vermittelte er mir durch e<strong>in</strong> bisweilensehr sonderbares Verhalten gegenüber unseren Mitarbeitern,K<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Lieferanten den E<strong>in</strong>druck, den falschen Mann mit <strong>die</strong>serwichtigen Funktion betraut zu haben, sodass ich nach <strong>und</strong> nach e<strong>in</strong>noch größeres Arbeitspensum zu bewältigen hatte als zuvor.Zwar hatte Kaufmann wegen Personalknappheit <strong>die</strong> EntscheidungHerrn Raiths, <strong>die</strong> Bank zu verlassen, angeblich sehr bedauert. Allerd<strong>in</strong>gsbefürwortete er dennoch ausdrücklich me<strong>in</strong>e Entscheidung,ihm <strong>die</strong> Funktion des kaufmännischen Geschäftsführers me<strong>in</strong>er Firmaanzuvertrauen, weil hierdurch <strong>die</strong> Vertrauensbasis unserer Geschäftsbeziehungerheblich gestärkt <strong>und</strong> somit künftige Anpassungender Kreditl<strong>in</strong>ie an <strong>die</strong> rasante betriebliche Entwicklung <strong>und</strong> <strong>die</strong> Realisierungder sich abzeichnenden Möglichkeit e<strong>in</strong>er Umwandlung derGmbH <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Aktiengesellschaft wesentlich erleichtert würden.Folglich gab es also ke<strong>in</strong>en vernünftigen Gr<strong>und</strong>, wegen <strong>die</strong>ser h<strong>in</strong>terme<strong>in</strong>em Rücken zwischen der Bank <strong>und</strong> Herrn Raith ausgehandeltenErhöhung der Kreditl<strong>in</strong>ie misstrauisch zu werden. Und so <strong>in</strong>terpretierteich <strong>die</strong> Entscheidung der Bank zur Erhöhung unserer Kreditl<strong>in</strong>ieauf sieben Millionen Mark denn auch als e<strong>in</strong> sicheres Indiz fürderen hohes Vertrauen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e positive Marktentwicklung, <strong>in</strong> <strong>die</strong> Bonitätme<strong>in</strong>er Firma <strong>und</strong> <strong>in</strong> me<strong>in</strong>e persönliche Integrität – zumal ichbis dah<strong>in</strong>, trotz hoher Aufwendungen für 1. das Haus am StarnbergerSee, 2. me<strong>in</strong>e Hochzeit, 3. <strong>die</strong> E<strong>in</strong>richtung von 20 zusätzlichen Ar-214


eitsplätzen, 4. <strong>die</strong> Ausstattung e<strong>in</strong>es Ladengeschäftes am Maximiliansplatz<strong>in</strong> München, 5. <strong>die</strong> Erweiterung unseres Sortiments umHardware <strong>und</strong> Zubehör <strong>und</strong> 6. <strong>die</strong> F<strong>in</strong>anzierung von monatlichenUmsätzen von teilweise über fünf Millionen Mark, maximal etwavier Millionen Mark Kredit <strong>in</strong> Anspruch genommen <strong>und</strong> sämtlicheLieferantenrechnungen <strong>in</strong>nerhalb der Skontofrist beglichen hatte.Wenige Wochen vor <strong>die</strong>ser h<strong>in</strong>ter me<strong>in</strong>em Rücken arrangierten Erhöhungunserer Kreditl<strong>in</strong>ie hatte mich der Geschäftsführer des größtenWettbewerbers der Computer 2000 AG besucht <strong>und</strong> das Interesse bek<strong>und</strong>et,me<strong>in</strong>e Firma zu e<strong>in</strong>em Preis <strong>in</strong> der Größenordnung des zehnfachenJahresgew<strong>in</strong>ns vor Steuern zu kaufen. Nachdem ich mich zumVerkauf bereit erklärt hatte, fand im Oktober 1991 e<strong>in</strong>e Betriebsbesichtigungstatt, an der selbstverständlich auch Herr Raith, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>erFunktion als kaufmännischer Geschäftsführer me<strong>in</strong>er Firma teilnahm.Nach der Betriebsbesichtigung <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>sichtnahme <strong>in</strong>unsere von Herrn Raith erstellte Halbjahresbilanz, <strong>die</strong> etwa 1,6 MillionenMark Gew<strong>in</strong>n vor Steuern auswies, vere<strong>in</strong>barten wir, dass <strong>die</strong>Übernahme <strong>in</strong> den ersten Monaten des Jahres 1992 stattf<strong>in</strong>den sollte.Dass <strong>die</strong> Bayerische Vere<strong>in</strong>sbank mit <strong>die</strong>ser üppigen Erhöhung unsererKreditl<strong>in</strong>ie höchstwahrsche<strong>in</strong>lich lediglich verh<strong>in</strong>dern wollte,dass ich <strong>die</strong> Firma an <strong>die</strong>sen sehr kapitalstarken Wettbewerber derComputer 2000 AG verkaufe, konnte ich mir damals noch nicht vorstellen.Bei <strong>die</strong>sem Wettbewerber handelte es sich um e<strong>in</strong>e Tochterfirmader Raab Karcher AG, <strong>die</strong> ihrerseits zum EnergiekonzernVEBA gehörte.Da ich im Oktober wegen e<strong>in</strong>iger anderer mir ziemlich schizophrenvorkommender Verhaltensweisen Anlass hatte, Herrn Raith scharf zurügen, hatte ich bereits damals ernsthaft erwogen, e<strong>in</strong>en neuen kaufmännischenGeschäftsführer zu suchen. Aber wegen dessen sonderbarenVerhaltens <strong>die</strong> Seriosität der Bayerischen Vere<strong>in</strong>sbank zu bezweifeln,wäre mir aufgr<strong>und</strong> ihrer Stellung als führendes Kredit<strong>in</strong>stitutim Freistaat Bayern <strong>und</strong> der Tatsache, dass <strong>die</strong>ser zu den Hauptaktionärengehörte, im Traum nicht e<strong>in</strong>gefallen. Und folglich traf ichauch schon bald nach <strong>die</strong>ser Krediterhöhung <strong>die</strong> notwendigen Vor-215


kehrungen, um das für 1992 absehbare Umsatzwachstum auf 80 bis100 Millionen Mark bewältigen zu können.Wegen der rasant zunehmenden Popularität des Personal Computerswar der <strong>PC</strong>-Markt damals dermaßen stark gewachsen, dass sogareher 100 als 80 Millionen Mark Umsatz – bei e<strong>in</strong>em Gew<strong>in</strong>n vonüber 3 Millionen Mark – zu erwarten waren. Also mietete ich 700Quadratmeter zusätzliche Bürofläche <strong>und</strong> 300 Quadratmeter Lagerflächean, <strong>die</strong> durch den Auszug von zwei Firmen aus unserem Gewerbekomplexim Januar 1992 freigeworden waren, <strong>und</strong> stellte etwa20 neue Mitarbeiter e<strong>in</strong>. Damit sich <strong>die</strong> anfallenden Kosten <strong>in</strong>nerhalbe<strong>in</strong>es Jahres amortisieren können, hatte ich natürlich auch <strong>die</strong> notwendigenWerbemaßnahmen e<strong>in</strong>geleitet, um gegenüber me<strong>in</strong>enHauptkonkurrenten nicht <strong>in</strong>s H<strong>in</strong>tertreffen zu geraten <strong>und</strong> somit sicherzustellen,dass sich <strong>die</strong>ses <strong>in</strong> etwa marktkonforme Wachstumauch tatsächlich e<strong>in</strong>stellen wird – weil andernfalls e<strong>in</strong> Abstieg <strong>in</strong> <strong>die</strong>Liga jener Firmen zu befürchten war, <strong>die</strong> mangels h<strong>in</strong>reichender Umsätzemehr schlecht als recht über <strong>die</strong> R<strong>und</strong>en kamen.Im Januar 1992 standen Verhandlungen für e<strong>in</strong>en neuen Händlervertragmit der Computer 2000 AG an. Da wir im abgelaufenen Geschäftsjahrfür über 12 Millionen Mark Waren bei Computer 2000e<strong>in</strong>gekauft hatten, zählten wir <strong>in</strong>zwischen zu deren wichtigsten K<strong>und</strong>en.Wegen unseres starken Wachstums hatten <strong>die</strong> anderen Großhändlernach <strong>und</strong> nach ihre Boykottierung des Versandhandels aufgegeben<strong>und</strong> versuchten nun, mit zum Teil erheblich besseren Konditionenebenfalls mit uns <strong>in</strong>s Geschäft zu kommen. Dennoch erklärteich mich gegenüber unserem K<strong>und</strong>enbetreuer Herrn Kurz dazu bereit,im neuen Jahr bei Computer 2000 Waren im Wert von m<strong>in</strong>destens15 Millionen Mark unter Beibehaltung der bisherigen Konditionene<strong>in</strong>zukaufen. E<strong>in</strong>ige Tage nach <strong>die</strong>sem Gespräch <strong>in</strong>formiertemich Herr Kurz, dass me<strong>in</strong>e Firma aufgr<strong>und</strong> e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>nerbetrieblichenUmstrukturierung e<strong>in</strong>er neuen Vertriebsabteilung zugeordnet wurde,<strong>die</strong> von e<strong>in</strong>em Herrn Frank Fischer geleitet werde, <strong>und</strong> dass <strong>die</strong>sermir <strong>in</strong> Kürze e<strong>in</strong>en neuen Händlervertrag anbieten werde.216


Mitte Februar konfrontierte mich Herr Fischer dann mit e<strong>in</strong>em Händlervertrag,der e<strong>in</strong>e jährliche Abnahmeverpflichtung von Waren imWert von 25 Millionen Mark vorsah, bei ansonsten unverändertenKonditionen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>em Vertragserfüllungsbonus von 3,5 Prozent,zahlbar nach Ablauf des Vertrags. Da <strong>die</strong> Computer 2000 AG alsPlatzhirsch der deutschen Distributorenszene fungierte <strong>und</strong> ich mitRaab Karcher vere<strong>in</strong>bart hatte, <strong>die</strong> Geschäfte wie bisher fortzuführen,war ich zwar bereit, <strong>die</strong>se relativ ungünstigen Konditionen zuakzeptieren. Allerd<strong>in</strong>gs wollte ich mich nur zur Abnahme von Warenim Wert von 15 Millionen Mark verpflichten lassen. Als Herr Fischersich weigerte, sich auf me<strong>in</strong>en Vorschlag e<strong>in</strong>zulassen, vermutete ich,dass er sich aufgr<strong>und</strong> se<strong>in</strong>er erst kurz zuvor erfolgten Beförderungals besonders tüchtiger Manager profilieren wollte <strong>und</strong> dabei überdas Ziel h<strong>in</strong>aus schoss. Folglich bat ich ihn, <strong>die</strong> Sache mit se<strong>in</strong>enVorgesetzten zu besprechen <strong>und</strong> sich dann wieder mit mir <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dungzu setzen.Am 4. März 1992 legte Herr Fischer mir se<strong>in</strong> neues Angebot vor. Daes sich Mitte Februar abgezeichnet hatte, dass <strong>die</strong> Übernahme me<strong>in</strong>erFirma durch <strong>die</strong> Raab Karcher AG wegen e<strong>in</strong>er Veränderung <strong>in</strong> derEigentümerstruktur des Tochterunterunternehmens, <strong>in</strong> das me<strong>in</strong>e Firmae<strong>in</strong>gegliedert werden sollte, wahrsche<strong>in</strong>lich erst im April erfolgenkann, war mir <strong>die</strong> Aufrechterhaltung e<strong>in</strong>es guten E<strong>in</strong>vernehmens mitder Computer 2000 AG wichtig. Folglich hatte ich mich <strong>in</strong>zwischendazu entschlossen, notfalls sogar e<strong>in</strong>en Vertrag über 18 MillionenMark zu akzeptieren. Zu me<strong>in</strong>er großen Verw<strong>und</strong>erung beharrte HerrFischer jedoch eisern auf e<strong>in</strong>em Vertrag über 25 Millionen Mark. ZurBegründung <strong>die</strong>ser Beharrlichkeit verwies er auf <strong>die</strong> Tatsache, dasswir etwa 5 000 EDV-Berater <strong>und</strong> kle<strong>in</strong>e Systemhäuser <strong>in</strong> unsererK<strong>und</strong>schaft hätten, <strong>die</strong> wir aufgr<strong>und</strong> unserer sehr effizienten Auftragsabwicklungzwar deutlich kostengünstiger be<strong>die</strong>nen könnten, als<strong>die</strong>s der Computer 2000 AG selbst möglich wäre, dass man aber dennochangemessen an dem sich hieraus ergebenden Wachstumspotenzialpartizipieren wolle. Über wen er Kenntnis von unserer K<strong>und</strong>enstrukturerlangt hatte, wollte er mir natürlich nicht sagen. Wie sich217


später herausstellen sollte, gelangte <strong>die</strong>se Information höchstwahrsche<strong>in</strong>lichüber Herrn Raith an <strong>die</strong> Bank <strong>und</strong> wurde von <strong>die</strong>ser an <strong>die</strong>Computer 2000 AG weitergeleitet.Zwischenzeitlich hatte me<strong>in</strong> Assistent Erik Hoeschen Gespräche mitmehreren Wettbewerbern der Computer 2000 AG geführt – <strong>die</strong> natürlichalle brennend daran <strong>in</strong>teressiert waren, mit uns <strong>in</strong>s Geschäft zukommen. Also beschloss ich, mich nicht durch Herrn Fischers H<strong>in</strong>weiseauf <strong>die</strong> Kooperationsmöglichkeiten der Computer 2000 AGmit me<strong>in</strong>en Wettbewerbern erpressen zu lassen, <strong>und</strong> lehnte es ab, denmir angebotenen Händlervertrag zu akzeptieren, sodass es abrupt zue<strong>in</strong>er dreimonatigen Unterbrechung unserer bis dah<strong>in</strong> exzellentenGeschäftsbeziehung kam. Da <strong>die</strong> Beschreibung des weiteren Verlaufs<strong>die</strong>ser Beziehung zu sehr <strong>in</strong>s Detail führen würde, muss ich hier auf<strong>die</strong> Schilderung e<strong>in</strong>iger höchst dubioser Verhaltensweisen verzichten,<strong>die</strong> sich <strong>die</strong> Computer 2000 AG erlaubte, nachdem es Mitte Mai <strong>in</strong>folgee<strong>in</strong>er Initiative von Erik Hoeschen <strong>und</strong> mir zu e<strong>in</strong>er Wiederaufnahmeunserer Geschäftsbeziehungen gekommen war. Zu <strong>die</strong>ser Initiativehatte ich mich entschlossen, weil Raab Karcher mich imApril <strong>in</strong>formiert hatte, dass <strong>die</strong> geplante Übernahme wohl erst imJuni stattf<strong>in</strong>den könne.Zu me<strong>in</strong>er totalen Überraschung befand sich am Freitag, den 15. Mai1992 – just zum Start e<strong>in</strong>er großen Werbekampagne aus Anlass derHerausgabe unseres Katalogs <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Auflage von 200 000 Exemplaren– im Korb voller Bestellungen, Anfragen, Rechnungen <strong>und</strong>Briefe, <strong>die</strong> täglich per Post bei uns e<strong>in</strong>g<strong>in</strong>gen, e<strong>in</strong> Schreiben derBank, <strong>in</strong> dem mir lapidar mitgeteilt wurde, dass man <strong>die</strong> Geschäftsbeziehungmit der Georg Zipfel GmbH per 31. Juli 1992 beendenwolle <strong>und</strong> dass man bis dah<strong>in</strong> – also genau <strong>in</strong> dem Zeitraum, <strong>in</strong> demwegen der e<strong>in</strong>geleiteten Maßnahmen der Kreditbedarf am höchstenwar – e<strong>in</strong>e sukzessive <strong>und</strong> vollständige Rückführung des <strong>in</strong> Anspruchgenommenen Kredits erwartete. Da <strong>die</strong> Bayerische Vere<strong>in</strong>sbank imRuf stand, e<strong>in</strong> seriös geführtes Kredit<strong>in</strong>stitut zu se<strong>in</strong>, war es mir natürliche<strong>in</strong> Rätsel, was sie zu <strong>die</strong>ser rufmörderischen Kündigung bewogenhaben könnte – zumal sie noch Mitte April <strong>die</strong> Mietaus-218


fall-Bürgschaft für <strong>die</strong> zusätzlich angemieteten Büro- <strong>und</strong> Lagerräumeübernommen hatte <strong>und</strong> wusste, dass bereits 20 zusätzliche Arbeitsplätzee<strong>in</strong>gerichtet <strong>und</strong> besetzt worden waren, um das für 1992zu erwartende Umsatzwachstum auf 80 bis 100 Millionen Mark bewältigenzu können.<strong>Des</strong> Rätsels Lösung schien zunächst Hubert Raith zu heißen. Wieschon erwähnt, hatte <strong>die</strong>ser mir bereits im Oktober 1991 aufgr<strong>und</strong>von zum Teil fast schon schizophren anmutenden Verhaltensweisenden E<strong>in</strong>druck vermittelt, total überfordert zu se<strong>in</strong>. Als sich im Januar1992 auch noch herausstellte, dass er nur mit größtem Widerwillenmit Frau Renate Schäffer kooperierte, <strong>die</strong> ich im Januar mit der Leitungunseres Sekretariats betraut hatte, war das Maß zwar voll. Dajedoch nicht auszuschließen war, dass er mich im Falle e<strong>in</strong>er Entlassungwegen Fehlverhaltens zur Befriedigung möglicher Rachegelüstedesavouieren könnte, hatte ich es für klüger gehalten, ihm Ende Januar1992 <strong>in</strong> der gebotenen Behutsamkeit zu empfehlen, er mögesich bis spätestens Ende des Jahres e<strong>in</strong>en neuen Arbeitgeber suchen,weil er ansche<strong>in</strong>end sehr große Schwierigkeiten damit habe, mit derrasanten Entwicklung im <strong>PC</strong>-Markt zurechtzukommen, <strong>und</strong> dass ichmich folglich nach e<strong>in</strong>em kaufmännischen Geschäftsführer mit h<strong>in</strong>reichender<strong>Branche</strong>nerfahrung umsehen müsse.Als mich Raith schon wenige Tage nach <strong>die</strong>ser Empfehlung <strong>in</strong>formierte,wieder auf se<strong>in</strong>en alten Posten bei der Bayerischen Vere<strong>in</strong>sbankzurückkehren zu können, w<strong>und</strong>erte ich mich zwar, warum michniemand von der Bank gefragt hatte, was vorgefallen war. Allerd<strong>in</strong>gsmachte ich mir deswegen ke<strong>in</strong>e weiteren Gedanken. Folglich vere<strong>in</strong>bartenwir, dass er noch an der Erstellung unserer Bilanz mitwirken<strong>und</strong> erst per 30. April ausscheiden würde, damit ke<strong>in</strong>e Zweifel an derenRichtigkeit aufkommen können. So kam es, dass Raith wegense<strong>in</strong>es Resturlaubs Mitte April se<strong>in</strong> e<strong>in</strong>jähriges Gastspiel <strong>in</strong> me<strong>in</strong>erFirma beendete <strong>und</strong> ab dem 1. Mai wieder bei der Bayerischen Vere<strong>in</strong>sbankarbeitete.Am 19. Februar 1992 hatte ich e<strong>in</strong>es der turnusgemäß alle zwei Monatestattf<strong>in</strong>denden Gespräche über den Gang der D<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er219


Firma mit Herrn Kaufmann. In <strong>die</strong>sem Gespräch führte ich zur Begründungder Entscheidung, mich von Herrn Raith zu trennen, <strong>die</strong>selbenGründe wie gegenüber ihm selbst an <strong>und</strong> verzichtete auch daraufzu erwähnen, dass ich mehrfach berechtigten Anlass hatte, ihnscharf zu rügen. Da Kaufmann sich angeblich gut vorstellen konnte,dass Raith <strong>in</strong> der Tat große Schwierigkeiten damit hatte, sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>emfür ihn völlig neuen Umfeld zurechtzuf<strong>in</strong>den, zeigte er dennauch prompt volles Verständnis für me<strong>in</strong>e Entscheidung <strong>und</strong> begrüßtees ausdrücklich, mich dafür entschieden zu haben, ihn durch e<strong>in</strong>enkaufmännischen Geschäftsführer mit <strong>Branche</strong>nerfahrung zu ersetzen.Weil me<strong>in</strong> Geschäftsplan für 1992 e<strong>in</strong>en Umsatz <strong>in</strong> der Größenordnungvon 80 bis 100 Millionen Mark vorsah, wies Kaufmann mich <strong>in</strong><strong>die</strong>sem Gespräch zwar explizit darauf h<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong>e weitere Erhöhungder Kreditl<strong>in</strong>ie selbst für den Fall, dass wir <strong>die</strong>se Zahlen übertreffensollten, wohl nicht mehr möglich wäre <strong>und</strong> dass ich <strong>die</strong>s <strong>in</strong>me<strong>in</strong>en unternehmerischen Entscheidungen <strong>und</strong> Gesprächen mit derRaab Karcher AG entsprechend berücksichtigen soll. Allerd<strong>in</strong>gs gabes nicht den ger<strong>in</strong>gsten Anlass, <strong>die</strong>sen H<strong>in</strong>weis als e<strong>in</strong> Indiz für Misstrauenzu <strong>in</strong>terpretieren, sondern vielmehr als e<strong>in</strong>en Beweis der Seriositätder Kreditpolitik der Bayerischen Vere<strong>in</strong>sbank.Selbstverständlich hatte ich Herrn Kaufmanns positive Reaktion aufme<strong>in</strong>e Entscheidung, mich von Herrn Raith zu trennen, mit Erleichterungregistriert. Somit gab es also absolut ke<strong>in</strong>en Gr<strong>und</strong>, mir wegender Stabilität der Geschäftsbeziehung Gedanken zu machen. Und solag es denn auch auf der Hand anzunehmen, dass <strong>die</strong>se Kündigungder Geschäftsbeziehung aus verleumderischen Argumenten resultierte,<strong>die</strong> Hubert Raith nach der Wiederaufnahme se<strong>in</strong>er Tätigkeit für<strong>die</strong> Bayerische Vere<strong>in</strong>sbank entweder zur <strong>in</strong>ternen Begründung se<strong>in</strong>esfraglos unrühmlichen Scheiterns als kaufmännischer Geschäftsführerme<strong>in</strong>er Firma aufgeboten hatte, oder dass er zur Befriedigungvon Rachegelüsten aus Bosheit gegen mich <strong>in</strong>trigiert hatte.Weil ich an <strong>die</strong>sem Freitag e<strong>in</strong>en Term<strong>in</strong> außer Haus hatte, erfuhr ichvon <strong>die</strong>ser überfallartigen Kündigung erst gegen 15 Uhr. Da derBrief weder an mich persönlich adressiert noch als vertraulich ge-220


kennzeichnet war, wurde er von Frau Schäffer, der Leiter<strong>in</strong> unseresSekretariats, rout<strong>in</strong>emäßig geöffnet <strong>und</strong> gelesen. Wäre er entsprechendgekennzeichnet gewesen, hätte sie ihn, wie <strong>in</strong> solchen Fällenüblich, selbstverständlich ungeöffnet <strong>in</strong> me<strong>in</strong>e Postmappe gelegt.Wohl schockiert vom Inhalt <strong>die</strong>ses Schreibens, hatte sich Frau Schäfferan Frau Leuchter, me<strong>in</strong>e Chefbuchhalter<strong>in</strong>, gewandt, um sich mitihr zu beraten, wie mir <strong>die</strong>se Hiobsbotschaft möglichst schonungsvollvermittelt werden kann. So kam es, dass ich nach me<strong>in</strong>er Rückkehrzuerst <strong>die</strong> beiden Damen davon überzeugen musste, dass <strong>die</strong>seKündigung höchstwahrsche<strong>in</strong>lich aus verleumderischen Argumentenresultierte, <strong>die</strong> Hubert Raith nach der Wiederaufnahme se<strong>in</strong>er Tätigkeitfür <strong>die</strong> Bayerische Vere<strong>in</strong>sbank zur Begründung se<strong>in</strong>es unrühmlichenScheiterns als kaufmännischer Geschäftsführer me<strong>in</strong>er Firmaaufgeboten hatte, <strong>und</strong> sie bat, strengste Diskretion zu wahren.In der Überzeugung, dass <strong>die</strong> Bank verleumderischen ArgumentenHerrn Raiths aufgesessen war, rief ich umgehend bei Herrn Kaufmannan, um mich bei ihm über <strong>die</strong> grobe Fahrlässigkeit zu beschweren,<strong>in</strong> der <strong>die</strong> Bank allem Ansche<strong>in</strong> nach <strong>die</strong>sen VerleumdungenGlauben geschenkt hatte. Dieser hatte me<strong>in</strong>en Anruf bereits erwartet<strong>und</strong> <strong>in</strong>formierte mich <strong>in</strong> frostigem Ton, dass er bereits für den kommendenMontag um 14 Uhr e<strong>in</strong> Meet<strong>in</strong>g zur Besprechung der Angelegenheitanberaumt hatte. Da ich bis dah<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>en Verdacht gehegthatte, dass Hubert Raith wahrsche<strong>in</strong>lich bereits seit Herbst 1991 alsMaulwurf der Bank fungierte, sagte ich selbstverständlich me<strong>in</strong>Kommen zu <strong>und</strong> bereitete mich entsprechend vor.Von Raab Karcher war ich an <strong>die</strong>sem schwarzen Freitag <strong>in</strong>formiertworden, dass ihre Marktanalysten <strong>die</strong> Befürchtung geäußert hätten,dass <strong>die</strong> Übernahme me<strong>in</strong>er Firma e<strong>in</strong>en Teil ihrer eigenen K<strong>und</strong>schaftveranlassen könnte, <strong>in</strong> Zukunft bei anderen Distributoren e<strong>in</strong>zukaufen,sodass es wohl nicht zu den erhofften Synergieeffektenkommen würde. Anstatt me<strong>in</strong>e Firma zu kaufen, zöge man deshalbe<strong>in</strong>e deutliche Intensivierung unserer Geschäftsbeziehung vor <strong>und</strong>wäre zu <strong>die</strong>sem Zweck bereit, uns <strong>in</strong> Zukunft höhere Rabatte auf ihre221


Listenpreise, e<strong>in</strong> Zahlungsziel von 60 Tagen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en Warenkreditüber 2,5 Millionen Mark e<strong>in</strong>zuräumen.Zwar wäre mir e<strong>in</strong>e Übernahme fraglos lieber gewesen. Da ich <strong>in</strong><strong>die</strong>sem Fall jedoch verpflichtet gewesen wäre, für zunächst weiterefünf Jahre als Geschäftsführer zu fungieren, konnte ich mit <strong>die</strong>serEntscheidung sehr gut leben – zumal ich zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt nochnicht den ger<strong>in</strong>gsten Zweifel an der Seriosität der Bayerischen Vere<strong>in</strong>sbank<strong>und</strong> der Stabilität unserer Geschäftsbeziehung hegte <strong>und</strong>außerdem strikt darauf geachtet hatte, dass <strong>die</strong> bestehende Kreditl<strong>in</strong>ieausreichen wird, um e<strong>in</strong>en Jahresumsatz <strong>in</strong> der Größenordnung von80 bis 100 Millionen Mark f<strong>in</strong>anzieren zu können.An dem von Kaufmann anberaumten Meet<strong>in</strong>g nahmen er selbst, se<strong>in</strong>eSekretär<strong>in</strong> Frau Riemhofer, e<strong>in</strong> Herr Meier von der zentralen Kreditabteilung<strong>und</strong> ich teil. Nachdem wir Platz genommen hatten,schob ich Kaufmann e<strong>in</strong>en Brief, me<strong>in</strong>en Lagebericht <strong>und</strong> <strong>die</strong> nochdruckfrische Bilanz für das Jahr 1991 zu <strong>und</strong> machte den Vorschlag,dass wir zunächst <strong>die</strong>se durchgehen sollten, bevor wir auf <strong>die</strong> Kündigungzu sprechen kämen. Bis zu dem Zeitpunkt g<strong>in</strong>g ich davon aus,dass <strong>die</strong> Kündigung aus dem grob fahrlässigen Vertrauen der Bank <strong>in</strong><strong>die</strong> Glaubwürdigkeit der verleumderischen Argumenten Herrn Raithszur Begründung se<strong>in</strong>es Scheiterns als kaufmännischer Geschäftsführerme<strong>in</strong>er Firma resultierte. So war ich zunächst sehr zuversichtlich,<strong>die</strong> Bank zu e<strong>in</strong>er umgehenden Zurücknahme der Kündigung bewegenzu können.Sichtlich überrascht über me<strong>in</strong>e Gelassenheit, schob Kaufmann <strong>die</strong>Bilanz jedoch spontan zu mir zurück <strong>und</strong> sagte barsch: „Ihre Bilanz<strong>in</strong>teressiert mich nicht mehr. Ich habe heute e<strong>in</strong>e Anweisung vonoben umsetzen!“ Total perplex über <strong>die</strong>se Reaktion konterte ich nichtm<strong>in</strong>der barsch: „Wenn dem so ist, dann habe ich hier nichts mehr zubesprechen. Dann gehe ich morgen zum Amtsgericht <strong>und</strong> meldeKonkurs an!“ Und weil ich es ernst me<strong>in</strong>te, begann ich, me<strong>in</strong>e Unterlagenwieder e<strong>in</strong>zupacken. Wohl aufgr<strong>und</strong> me<strong>in</strong>er klaren Entschlossenheit,das Meet<strong>in</strong>g platzen zu lassen, räusperte Kaufmann sich nunkurz, wurde schlagartig konzilianter <strong>und</strong> las zunächst me<strong>in</strong>en Brief.222


In <strong>die</strong>sem Brief hatte ich aufgr<strong>und</strong> der absehbaren Unmöglichkeit,der Forderung der Bank auf e<strong>in</strong>e sukzessive Rückführung des <strong>in</strong> Anspruchgenommenen Kredits bis zum 31. Juli 1992 entsprechen zukönnen, vorgeschlagen, <strong>die</strong> Bank möge <strong>die</strong> Geschäftsverb<strong>in</strong>dung <strong>und</strong><strong>die</strong> Höhe der Kreditl<strong>in</strong>ie bis zum Jahresende bestehen lassen, um eszu ermöglichen, dass sich <strong>die</strong> Kosten für den Katalog, <strong>die</strong> Werbekampagne<strong>und</strong> <strong>die</strong> Erweiterung unserer Kapazität amortisieren können,<strong>und</strong> genügend Zeit zu haben, mir e<strong>in</strong>e neue Hausbank zu suchen.Nachdem Kaufmann <strong>die</strong>sen Brief <strong>und</strong> den Lagebericht gelesenhatte, berief er sich zwar erneut auf <strong>die</strong> „Anweisung von oben“, erklärtesich nun aber bereit, mir im Rahmen se<strong>in</strong>er Vollmachten entgegenzukommen.Anschließend wurden <strong>die</strong> Bilanz <strong>und</strong> der Quartalsbericht1/92 e<strong>in</strong>er Analyse unterzogen.Da wir bis zu <strong>die</strong>sem Tag sämtliche Lieferantenrechnungen <strong>in</strong>nerhalbder 14-tägigen Skontofrist beglichen hatten, ergab sich bei e<strong>in</strong>er Inanspruchnahmee<strong>in</strong>es Zahlungsziels von 60 Tagen e<strong>in</strong>e erhebliche F<strong>in</strong>anzierungsreserve– sofern <strong>die</strong> Hermes Kreditversicherung AG bereitse<strong>in</strong> sollte, unsere Verb<strong>in</strong>dlichkeiten bei den Lieferanten <strong>in</strong> entsprechenderHöhe zu versichern. Bei e<strong>in</strong>em angenommenen monatlichenE<strong>in</strong>kaufsvolumen von 5 Millionen Mark ergab sich auf <strong>die</strong>seWeise e<strong>in</strong>e hypothetische F<strong>in</strong>anzierungsreserve von r<strong>und</strong> 7,5 MillionenMark. Basierend auf <strong>die</strong>ser Reserve baldowerten me<strong>in</strong>e drei Gesprächspartnernun e<strong>in</strong> Bündel an Maßnahmen aus, das e<strong>in</strong>erseitsweitgehend <strong>die</strong> „Anweisung von oben“ berücksichtigte, <strong>und</strong> andererseits<strong>die</strong> Amortisierung der Kosten für den Katalog, <strong>die</strong> Werbung <strong>und</strong><strong>die</strong> Kapazitätserweiterung zu ermöglichen schien. Und weil <strong>die</strong>Bayerische Vere<strong>in</strong>sbank 10 Prozent des Aktienkapitals der HermesKreditversicherung AG hielt, zeigte Kaufmann sich sogar sehr zuversichtlich,den zuständigen Abteilungsleiter zur Übernahme <strong>die</strong>ser Risikenbewegen zu können. So um 17 Uhr hatten me<strong>in</strong>e drei Kontrahentendas neue F<strong>in</strong>anzierungsmodell schließlich soweit ausbaldowert<strong>und</strong> gecheckt, sodass das Meet<strong>in</strong>g beendet werden konnte.Da nicht auszuschließen war, dass ich im Fall e<strong>in</strong>er Ablehnung desvon <strong>die</strong>sen Experten ausbaldowerten F<strong>in</strong>anzierungsmodells der fahr-223


lässigen Verursachung des Untergangs me<strong>in</strong>er Firma bezichtigt werde,hatte ich mich im Vertrauen <strong>in</strong> <strong>die</strong> Seriosität der Bank notgedrungendazu bereit erklärt, nach besten Kräften an dessen Umsetzungmitzuwirken. Weil <strong>in</strong>zwischen Feierabend war, sollten <strong>die</strong> beschlossenenVerfügungen erst am nächsten Tag zu Papier gebracht <strong>und</strong> mirper Brief übermittelt werden. Um <strong>in</strong> Anbetracht der m<strong>in</strong>destens 200Briefe, <strong>die</strong> täglich per Post bei uns e<strong>in</strong>gegangen s<strong>in</strong>d, zu gewährleisten,dass <strong>die</strong>ses heikle Schriftstück nicht aus Versehen <strong>in</strong> falscheHände gerät, bat ich abschließend darum, es an me<strong>in</strong>e Privatadressezu schicken.Wie zu befürchten war, kursierten <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> der Lieferantenszene<strong>und</strong> bei me<strong>in</strong>en Wettbewerbern prompt sehr üble Gerüchte wegendes überfallartigen Kurswechsels <strong>in</strong> der Geschäftspolitik derBayerischen Vere<strong>in</strong>sbank gegenüber me<strong>in</strong>er Firma, sodass es sich bereitsnach wenigen Wochen abzeichnete, dass sich das ausbaldowerteF<strong>in</strong>anzierungsmodell nicht <strong>in</strong>nerhalb der mir e<strong>in</strong>geräumten Fristenrealisieren lässt. Insbesondere <strong>die</strong> Auflage, mir e<strong>in</strong>e neue Hausbankzu suchen, <strong>die</strong> bereit ist, bis zur Armortisierung der Investitionen <strong>in</strong>den Katalog, <strong>in</strong> <strong>die</strong> Kapazitätserweiterung <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> Werbung e<strong>in</strong>eh<strong>in</strong>reichende Kreditl<strong>in</strong>e bereitzustellen, erwies sich trotz des starkenUmsatzwachstums <strong>in</strong>folge der Herausgabe des Katalogs als unerfüllbar.Denn selbstverständlich erregte <strong>die</strong>ser abrupte Kurswechsel beianderen Banken erhebliche Zweifel bezüglich der „Ges<strong>und</strong>heit“ me<strong>in</strong>erFirma. Außerdem war es aufgr<strong>und</strong> des starken Umsatzwachstumsunmöglich, der Forderung Kaufmanns auf e<strong>in</strong>e sukzessive Reduzierungdes Kreditbedarfs von 7 auf 3 Millionen Mark bis Ende Juli1992 zu entsprechen. Folglich bat ich <strong>die</strong> Bank erneut, es bis zumJahresende bei der ursprünglichen Höhe unserer Kreditl<strong>in</strong>ie zu belassen,damit sich <strong>die</strong> Investitionen amortisieren können.Dass dem ebenso w<strong>in</strong>kelzüglerischen wie rufmörderischen <strong>und</strong> ru<strong>in</strong>ösenVerhalten, dem ich <strong>und</strong> me<strong>in</strong>e Firma seitens der BayerischenVere<strong>in</strong>sbank <strong>und</strong> der Computer 2000 AG fortan ausgesetzt waren, offenk<strong>und</strong>igvor allem dem Zweck <strong>die</strong>nte, <strong>die</strong> Schuld der Bank amRu<strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Firma juristisch bestreitbar machen <strong>und</strong> mich als zwie-224


lichtigen Unternehmer diffamieren zu können, lag zunächst natürlichnoch ebenso weit außerhalb me<strong>in</strong>es Vorstellungsvermögens, wie <strong>die</strong>Vermutung, dass bereits <strong>die</strong> Erhöhung der Kreditl<strong>in</strong>ie im November1991 <strong>und</strong> das mir bisweilen schizophren vorkommende VerhaltenHerrn Raiths höchst wahrsche<strong>in</strong>lich auf <strong>die</strong> Verh<strong>in</strong>derung der Übernahmeme<strong>in</strong>er Firma durch <strong>die</strong> Raab Karcher AG abzielten. DieserVerdacht konkretisierte sich jedoch erst, nachdem <strong>die</strong> Bankjuristensich im Spätsommer 1994 zum Schutz des guten Rufes der Bank <strong>und</strong>zur Bestreitung der Rechtmäßigkeit me<strong>in</strong>er Forderung auf Schadensersatzgenötigt sahen, e<strong>in</strong>en gerichtlich nur schwer widerlegbarenWust aus krassen Sachverhaltsentstellungen <strong>und</strong> dreisten Schutzbehauptungenaufzubieten.Weil <strong>die</strong> Erklärung der e<strong>in</strong>zelnen W<strong>in</strong>kelzüge <strong>und</strong> Täuschungsmanöverder Bank <strong>und</strong> der Computer 2000 AG zur Elim<strong>in</strong>ierung me<strong>in</strong>erFirma aus dem Marktgeschehen, des Verhaltens anderer Marktteilnehmer<strong>und</strong> me<strong>in</strong>er Bemühungen, den Anweisungen der Bank gerechtzu werden, zu sehr <strong>in</strong> Details führen <strong>und</strong> m<strong>in</strong>destens 100 Seiten<strong>in</strong> Anspruch nehmen würde, verzichte ich hier auf <strong>die</strong> Schilderungvon zum Teil schier unglaublichen Begebenheiten, <strong>die</strong> sich <strong>in</strong> derZeit zwischen Juni 1992 <strong>und</strong> Mai 1993 abgespielt haben.Wie schon gesagt, hatte sich der Bankdirektor Walter Kaufmann imMeet<strong>in</strong>g am 18. Mai 1992 zur Rechtfertigung se<strong>in</strong>er Verfügungenausdrücklich <strong>und</strong> mehrfach darauf berufen, auf Anweisung von„oben“ zu handeln. Demnach wurde <strong>die</strong> Zerstörung me<strong>in</strong>er Firmavermutlich auf Anweisung von Dr. Arno Puhlmann durchgeführt, dere<strong>in</strong>erseits Mitglied des Vorstands der Bayerischen Vere<strong>in</strong>sbank war<strong>und</strong> andererseits als Chef des Aufsichtsrats der Computer 2000 AGfungierte. Außerdem war Dr. Puhlmann der leibhaftige Patenonkelvon Herrn Jochen Tschunke, dem Gründer <strong>und</strong> Chef des Vorstandsder Computer 2000 AG.Tschunke war wohl sauer auf mich, weil ich mich im März 1991 geweigerthatte, ihm <strong>und</strong> e<strong>in</strong>em se<strong>in</strong>er Vorstandskollegen über e<strong>in</strong>enTreuhänder jeweils 17 Prozent der Geschäftsanteile me<strong>in</strong>er GmbHfür e<strong>in</strong>en symbolischen Kaufpreis von jeweils 250 000 Mark <strong>und</strong> ei-225


nige halbseidene Versprechen zu überlassen. Ziel der mir zunächstsehr willkommenen Beteiligungsabsicht <strong>die</strong>ser beiden Interessentenwar angeblich e<strong>in</strong>e nachhaltige Intensivierung unserer Geschäftsbeziehungmit der Computer 2000 AG, um das enorme Wachstumspotenzialme<strong>in</strong>er Firma optimal zur Entfaltung zu br<strong>in</strong>gen. Als sichdann im Verlauf der Verhandlungen herausstellte, dass vor allem <strong>die</strong>umgehende Umwandlung me<strong>in</strong>er GmbH <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e AG angestrebt wird,um durch den Verkauf von Aktien den großen Reibach machen zukönnen, wurde mir <strong>die</strong> Sache zu w<strong>in</strong>dig, sodass ich den beiden Beteiligungsexpertene<strong>in</strong>e Absage erteilte.Etwa 13 Monate nachdem ich <strong>die</strong>se Absage erteilt <strong>und</strong> just zum Zeitpunkt,da <strong>die</strong> Bank mir <strong>die</strong> Geschäftsverb<strong>in</strong>dung gekündigt hatte,stieg <strong>die</strong> damals sehr bekannte <strong>PC</strong>-Ladenkette ESCOM mit großemWerbe-Tamtam auch <strong>in</strong> den Versandhandel e<strong>in</strong>. Als <strong>die</strong> ESCOM AG1996 Bankrott machte, wurde schließlich beiläufig publik, dass nebendem Großversandhaus Quelle auch <strong>die</strong> Bayerische Vere<strong>in</strong>sbank<strong>und</strong> Jochen Tschunke zu deren Hauptaktionären gehörten. Folglichzielte <strong>die</strong> ru<strong>in</strong>öse Geschäftspolitik der Bayerischen Vere<strong>in</strong>sbank gegenüberme<strong>in</strong>er überaus konkurrenzfähigen Firma also höchstwahrsche<strong>in</strong>lichauf deren Elim<strong>in</strong>ierung aus dem marktwirtschaftlichenWettbewerb zugunsten der ESCOM-Aktionäre ab.Selbstverständlich kommen auch andere Motive für das eklatanteFehlverhalten der Bank <strong>in</strong> Frage. Kursierende Gerüchte <strong>und</strong> Unterstellungen,wonach der Bankrott me<strong>in</strong>er Firma aus der angeblich unzureichendenAusstattung me<strong>in</strong>er GmbH mit Eigenkapital, unrentablenWerbe- <strong>und</strong> Market<strong>in</strong>gmaßnahmen oder me<strong>in</strong>en verme<strong>in</strong>tlichüberzogenen unternehmerischen Ambitionen resultierte, waren jedenfallsvöllig falsch <strong>und</strong> beruhten entweder auf dreisten Schutzbehauptungender Bank, spekulativen Vermutungen, irrelevanten Nebensächlichkeitenoder auf den unabwendbaren Folgen des rechts<strong>und</strong>regelwidrigen Verhaltens der Bayerischen Vere<strong>in</strong>sbank gegenüberme<strong>in</strong>er ehedem prächtig blühenden Firma.226

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