Thema: Grundschule - BOA: Baden-Württembergisches Online-Archiv
Thema: Grundschule - BOA: Baden-Württembergisches Online-Archiv
Thema: Grundschule - BOA: Baden-Württembergisches Online-Archiv
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Bildung in <strong>Baden</strong>-Württemberg<br />
SchulMagazin<br />
Herbst | Winter 1999 – 2000 ISSN 1438-8766<br />
E 4969<br />
Goethe<br />
in der<br />
Hauptschule<br />
<strong>Thema</strong>: <strong>Grundschule</strong><br />
1<br />
Moderne<br />
Leistungsbeurteilung<br />
Kelten im<br />
Internet<br />
Jugendstudie<br />
’99
2<br />
Editorial<br />
Bildungspolitik aktuell<br />
Schulpanorama<br />
<strong>Thema</strong> <strong>Grundschule</strong><br />
Schule und Arbeitswelt<br />
Jugend<br />
LSBR<br />
Infobörse<br />
Neue Lernkultur<br />
Interview mit der LEB-Vorsitzenden Elke Picker<br />
Erfahrungen mit dem achtjährigen<br />
gymnasialen Bildungsgang<br />
Der Bildungsforscher Helmut Fend zur<br />
Reform der Gymnasiallehrerbildung<br />
Forschungsprojekt zu neuen Formen der<br />
Leistungsbeurteilung<br />
Schüler aus <strong>Baden</strong>-Württemberg siegen beim<br />
Internationalen Turnier junger Physiker<br />
Hauptschulpreis 1999: Auszeichnung für<br />
Karlsruher Pestalozzi-Schule<br />
Katharina: ein behindertes Kind in der Hauptschule<br />
Goethe in der Hauptschule<br />
Das »Heuneburgprojekt«: Kelten im Internet<br />
Kuschelecke oder Ende der Kindheit?<br />
Frühes Fremdsprachenlernen<br />
Die familienfreundliche <strong>Grundschule</strong>:<br />
Beispiele – Perspektiven<br />
Pro und Contra: Männer in die <strong>Grundschule</strong>!<br />
Begabtenförderung<br />
Computer<br />
Service<br />
Empfehlungen des Sachverständigenrats<br />
»Berufliche Bildung«<br />
In Schwäbisch Hall erfunden: der Jugendberufshelfer<br />
»Förderband« Mannheim:<br />
Hilfe für benachteiligte Jugendliche<br />
WVR-Börse ’99: Schaufenster einer<br />
modernen Realschule<br />
Regionale Jugendinitiativen: Vernetzung<br />
von Schule, Jugendarbeit und Wirtschaft<br />
Jugendstudie ’99: Sachsen und<br />
<strong>Baden</strong>-Württemberg im Vergleich<br />
Öffentlichkeitsarbeit des Kultusministeriums<br />
neu konzipiert<br />
Der Landesschülerbeirat informiert<br />
Unterrichts- und Informationsmaterialien,<br />
Veranstaltungshinweise<br />
3<br />
4<br />
6<br />
8<br />
10<br />
12<br />
14<br />
16<br />
18<br />
22<br />
25<br />
28<br />
32<br />
35<br />
36<br />
38<br />
40<br />
41<br />
44<br />
46<br />
48<br />
52<br />
54<br />
56<br />
58<br />
61<br />
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
Ministerium für Kultus, Jugend und<br />
Sport <strong>Baden</strong>-Württemberg<br />
Redaktion:<br />
Dr. Rudolf Kroboth (verantw.)<br />
Dr. Georg Eickhoff (Konzeption)<br />
Brigitte Kieser (Bildredaktion,<br />
Werbung)<br />
Dr. Carsten Rabe (Schulmagazin online)<br />
Sonderseite (58/59):<br />
Landesschülerbeirat <strong>Baden</strong>-<br />
Württemberg, René Borchert,<br />
B 5–6, 68159 Mannheim<br />
Sonderseite (60):<br />
Diözese Rottenburg-Stuttgart,<br />
Jahnstr. 30, 40597 Stuttgart<br />
Fotos:<br />
Alfred Assmann, Deizisau; Michael<br />
Clever, Ebersbach/Fils; DB AG, DZB Ulm;<br />
Gerold Diez, Teningen/Nimburg;<br />
Andrea Fabry, Ettlingen; Förderband<br />
e.V., Mannheim; Walter Gaus, Horb;<br />
Christa Glück, Schwäbisch Hall; Wolfdieter<br />
Grötzinger, Königsbach-Stein;<br />
<strong>Grundschule</strong> Stuttgart-Obertürkheim;<br />
Mark Hindley, Gerlingen; Sabine Hopert,<br />
Hundersingen; Heinz Jansen, Weilimdorf;<br />
Brigitte Kieser, Stuttgart; Landesbildstelle<br />
Württemberg, Stuttgart;<br />
Neuberg-<strong>Grundschule</strong> Neckarsulm;<br />
Frank Ossenbrink, Bonn; Pestalozzi-<br />
Schule Karlsruhe-Durlach; <strong>Württembergisches</strong><br />
Landesmuseum Stuttgart<br />
Gestaltung:<br />
Ilona Hirth, Karlsruhe<br />
Illustrationen:<br />
Susanne Saenger, Karlsruhe<br />
Orlando, Hamburg<br />
Erscheinungsweise:<br />
»Bildung in <strong>Baden</strong>-Württemberg.<br />
Schulmagazin« erscheint halbjährlich<br />
und wird kostenlos über die Schulen an<br />
die Lehrerinnen und Lehrer und Elternvertreterinnen<br />
und Elternvertreter verteilt.<br />
Interessierte Eltern und Schülerinnen<br />
und Schüler können die Zeitschrift<br />
kostenlos – auch in Klassensätzen – bei<br />
der Redaktion anfordern. Nachdruck<br />
mit Quellenangabe gestattet (2 Belegexemplare).<br />
Für unverlangt eingesandte<br />
Manuskripte wird keine Haftung<br />
übernommen.<br />
Anschrift der Redaktion:<br />
Ministerium für Kultus, Jugend und<br />
Sport <strong>Baden</strong>-Württemberg (Öffentlichkeitsarbeit),<br />
Postfach 103442,<br />
70029 Stuttgart, Tel.: 07 11 /279-28 35<br />
bzw. -26 11<br />
Die Zeitschrift wird entsprechend aktueller<br />
ökologischer Richtlinien hinsichtlich<br />
Papier, Druckfarbe, Digitaldruck-<br />
PrePress (filmlose Formherstellung)<br />
und Verpackung hergestellt.
Editorial<br />
<strong>Online</strong>-Version des<br />
Schulmagazins<br />
Das Schulmagazin hat eine eigene<br />
Homepage: www.kultusministerium.<br />
baden-wuerttemberg.de/schulmagazin.<br />
Dort halten wir für Sie zusätzliche Informationen<br />
zu den Beiträgen in diesem<br />
Heft und weitere Meldungen bereit.<br />
Multimedia-PC an allen<br />
öffentlichen Schulen in<br />
<strong>Baden</strong>-Württemberg<br />
Noch vor den Sommerferien haben<br />
4.019 von 4.135 öffentlichen Schulen<br />
einen multimediafähigen Computer erhalten.<br />
Mehr als 97% aller öffentlichen<br />
Schulen in <strong>Baden</strong>-Württemberg sind<br />
nun mit mindestens einem Multimedia-PC<br />
versorgt.<br />
Damit ist die Basis nicht nur für einen<br />
pädagogisch sinnvollen Einsatz der<br />
Neuen Medien an den einzelnen Schulen<br />
gelegt, sondern auch für ein effizientes<br />
Netzwerk, das den schnellen Austausch<br />
von Informationen ermöglicht.<br />
Ein Beispiel für solche Anwendungen<br />
finden Sie auf S. 22/23 in diesem Heft.<br />
Liebe Leserinnen<br />
und Leser,<br />
Sie haben die erste Nummer des neuen Schulmagazins<br />
in Händen. Wir wollen damit Kommunikation<br />
und Dialog in den Schulen sowie zwischen Schule<br />
und Gesellschaft anregen und unterstützen. Nicht nur<br />
die an der Schulgemeinschaft unmittelbar Beteiligten<br />
– Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrkräfte –,<br />
sondern eine breitere Öffentlichkeit spürt mehr und<br />
mehr die vitale Zukunftsbedeutung der Schule. Die<br />
Qualität von Bildung – diese Überzeugung setzt sich<br />
durch – ist ein Schlüssel für individuelle Lebenschancen<br />
und für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft.<br />
Die Gesellschaft von morgen wird in wesentlichen<br />
Zügen eine »lernende Gesellschaft« sein. Das Lernen wird nicht nur in durchorganisierten<br />
Lehrgängen und eigens dafür eingerichteten Institutionen stattfinden. Vielmehr<br />
wird die Bedeutung des so genannten »informellen Lernens« wachsen.<br />
Es war eigentlich schon immer so: In vielen lebenspraktischen Situationen wird<br />
Wissen und Können erworben und weitergegeben – Wissen, das so in keinem Lehrplan<br />
stehen kann. Aber genauso richtig und dauerhaft gültig bleibt: Nachhaltige Lernprozesse<br />
und lebenslange Lernfähigkeit müssen systematisch grundgelegt werden. Und<br />
das heißt, dass die Schule nicht an Bedeutung verlieren, sondern noch wichtiger werden<br />
wird als bisher. Gute Schule wird in der lernenden Gesellschaft erst recht unverzichtbar<br />
sein, weil sie die Grundlagen legt, weil sie ein guter Ort ist, das Lernen zu lernen, und<br />
weil sie eine gemeinsame Kultur erschließt, durch die Dialog und Verständigung in einer<br />
pluralen Gesellschaft möglich werden.<br />
Immer wieder wird aufgelistet, was Schule alles leisten soll. Selten wird gefragt, was<br />
die öffentliche Schule braucht, damit sie das leisten kann, was die Gesellschaft zu Recht<br />
von ihr erwartet. Die alltägliche Arbeit in der Schule hat größere Aufmerksamkeit verdient.<br />
Denn eine wesentliche Vorbedingung für Schulqualität ist Kommunikation im<br />
Inneren und Akzeptanz im Umfeld. Zu beidem soll auch das neue Schulmagazin beitragen.<br />
Für die Schule werben, das heißt zu werben für den hohen Stellenwert, den das<br />
Lernen als grundlegende menschliche Tätigkeit in der Gesellschaft von morgen haben<br />
muss.<br />
Die Schulen in <strong>Baden</strong>-Württemberg brauchen sich nicht zu verstecken. Deshalb<br />
wird das Schulmagazin auch eine Bühne sein, auf der gute und exemplarische Leistungen<br />
einzelner Schulen sichtbar werden. Aber auch Reflexion und Diskussion werden<br />
hier ihren Platz haben. Nicht zuletzt wird Schulqualität, wie sie für unser Land charakteristisch<br />
ist, hier auch nach außen transportiert werden. Das Schulmagazin ist eine<br />
Zeitschrift nicht nur für die Schule selbst. Wer sich in Wirtschaft, Gesellschaft und<br />
Politik für die Arbeit der Schulen in <strong>Baden</strong>-Württemberg interessiert, findet hier verlässliche<br />
Information und Material für Diskussion und Dialog.<br />
Das Schulmagazin ist eingebettet in ein Ensemble neuer Publikationen des Kultusministeriums.<br />
Mehr Informationen zur Gesamtkonzeption finden Sie auf Seite 56 in<br />
diesem Heft.<br />
Ich wünsche dem Schulmagazin hohe Akzeptanz in den Schulen und darüber hinaus.<br />
Sie als Leserinnen und Leser lade ich ein, der Redaktion und mir als Herausgeberin<br />
Ihre Eindrücke und Einwände zu den hier verhandelten Themen mitzuteilen.<br />
Für das neue Schuljahr wünsche ich Ihnen allen viel Erfolg!<br />
Dr. Annette Schavan<br />
Ministerin für Kultus, Jugend und Sport<br />
»Die Gesellschaft von<br />
morgen wird eine<br />
›lernende Gesellschaft‹<br />
sein«<br />
3
4<br />
Bildungspolitik aktuell<br />
»Eltern sind keine egoistische Klientel,<br />
sondern Sachwalter für die Zukunft«<br />
Die Vorsitzende des Landeselternbeirats<br />
(LEB) im Gespräch mit dem<br />
Schulmagazin<br />
Schulmagazin: Frau Picker, als Juristin,<br />
Richterin und Mutter von 4 Kindern sind<br />
Sie seit mehr als 20 Jahren in der Elternarbeit<br />
aktiv, seit 1996 auch im Landeselternbeirat.<br />
Wie würden Sie vor diesem<br />
Erfahrungshorizont die Rolle und Funktion<br />
des LEB beschreiben?<br />
Frau Picker: Am präzisesten sind Rolle<br />
und Funktion des LEB sicherlich in § 60<br />
Schulgesetz beschrieben. In meiner Zusammenfassung<br />
des Gesetzestextes bedeutet<br />
das: Berater des Ministeriums und Interessenwalter<br />
der Eltern zu sein. Diese Rolle<br />
des LEB hat sich im Lauf seines Bestehens,<br />
und solange ich seine Tätigkeit überschaue,<br />
ganz sicher erweitert. Der LEB<br />
wird in der Öffentlichkeit als ein Gremium<br />
wahrgenommen, das zu bildungsund<br />
familienpolitischen Fragen, auch<br />
wenn Eltern von Schulkindern etwa<br />
finanziell stärker belastet werden sollen,<br />
Stellung nimmt und Forderungen stellt.<br />
Dazu tragen natürlich die Medien bei.<br />
Den Kontakt zu den Medien aber muss der<br />
LEB pflegen, denn anders kann er seine<br />
Lobbyarbeit für Eltern und gute Schulen –<br />
in einer Gesellschaft von immer mehr<br />
Singles und Kinderlosen – nicht leisten.<br />
Worin sehen Sie Ihre Aufgabe als nunmehr<br />
»oberste Elternvertreterin« in <strong>Baden</strong>-<br />
Württemberg?<br />
Frau Picker: Vor allem darin, das gesamtgesellschaftliche<br />
Bewusstsein für den<br />
Wert von Erziehung, Bildung und Ausbildung<br />
zu wecken, zu erhalten und zu<br />
stärken. Gleichzeitig klarzumachen, dass<br />
Eltern keine egoistische Klientel sind, sondern<br />
Sachwalter für die Zukunft.<br />
Alles steht in unserem Staat auf tönernen<br />
Füßen, wenn wir nicht eine umfassend<br />
ausgebildete Jugend haben, die bereit<br />
und in der Lage ist, die Verantwortung für<br />
ihr eigenes Leben und unser Gemeinwesen<br />
einmal zu übernehmen.<br />
Noch stärker möchte ich um die Lehrerschaft<br />
werben, damit sie an der »Schulfront«<br />
nicht müde wird. Und dabei kommt<br />
mir hoffentlich meine Gleichaltrigkeit mit<br />
vielen zugute – schließlich bin ich auch<br />
schon 55 Jahre alt.<br />
Was sind Ihre Hauptanliegen?<br />
Frau Picker: Es ist ein ganzer Katalog,<br />
bei dem ich froh wäre, wenn Schulen über<br />
ihre ganz konkrete Tagesarbeit das eine<br />
oder andere in ihrem Schulprogramm verwirklichen<br />
würden:<br />
> Das stärkere Einbeziehen von Erziehungsfragen<br />
in den Dialog zwischen<br />
Lehrern und Eltern, wobei diese aber ruhig<br />
frühzeitig ihren größer werdenden<br />
Kindern Platz machen sollten. Das ändert<br />
natürlich nichts an den weiterhin bestehenden<br />
kollektiven und individuellen<br />
Rechten der Eltern in der Schule.<br />
> Der häufigere »Blick über den Tellerrand«<br />
hinaus in jeder Schule bis hin zu<br />
weltweiten sozialen Ungleichheiten und<br />
Problemen.<br />
Selbst wenn man das gegliederte Schulsystem<br />
per saldo als das praktikabelste, die<br />
unterschiedlichen Begabungen am zielgenauesten<br />
fördernde ansieht, erscheint es<br />
mir doch problematisch, dass Jugendliche<br />
unterschiedlicher sozialer Herkunft, unterschiedlicher<br />
kognitiver Begabung sich in<br />
der Schulzeit sehr wenig begegnen. Dieser<br />
ganze Komplex, der ein Teil »sozialen<br />
Lernens« ist, der liegt mir besonders am<br />
Herzen. Das ist bei mir als Sonderschulvertreterin<br />
ja auch nahe liegend.<br />
Welche neuen Akzente in der Arbeit<br />
des LEB wollen Sie setzen?<br />
Frau Picker: Es erscheint mir vermessen,<br />
dass ich allein die Akzente setze. Das<br />
ist immer eine Wechselwirkung zwischen<br />
Gremium und Vorsitzender. Außerdem<br />
hatte ich einen Vorgänger, der eigentlich<br />
keine Wünsche offen gelassen hat.<br />
Elke Picker<br />
> geb. am 26.4.1944 in Albrechts/<br />
Kreis Suhl (Thüringen),<br />
aufgewachsen in Krefeld, seit 1968<br />
verheiratet mit dem Zivilrechtler<br />
Prof. Dr. Eduard Picker, 4 Kinder<br />
> 1963 Abitur, anschließend<br />
Jurastudium in Bonn und Berlin<br />
> 1968 1. Staatsexamen<br />
> 1972 2. Juristisches Staatsexamen<br />
und bis 1979 Richterin am<br />
Landgericht Bonn<br />
> 1987 Umzug von Regensburg nach<br />
Tübingen, auch wegen besserer<br />
Fördermöglichkeiten für den<br />
behinderten Sohn Benedikt<br />
> 1991 – 1996: Vorsitzende des<br />
Elternbeirats am Uhland-<br />
Gymnasium Tübingen<br />
> seit 1990 Elternvertreterin in der<br />
Kirnbachschule (Sonderschule für<br />
Geistigbehinderte), Mitglied der<br />
Schulkonferenz und 2. Vorsitzende<br />
des Fördervereins<br />
> 1994 – 1996: Vorsitzende des<br />
Gesamtelternbeirats Tübingen<br />
> 1996 – 1999: LEB-Vertreterin für<br />
die Sonderschulen im Oberschulamtsbezirk<br />
Tübingen<br />
> 12. Mai 1999: Wahl zur Vorsitzenden<br />
des 12. Landeselternbeirats<br />
Wichtig ist mir natürlich, dass sich zwischen<br />
LEB und Ministerium ein so konstruktives<br />
Miteinander ergibt, wie ich das<br />
in meinem Arbeitsbereich, den Sonderschulen,<br />
erlebt habe. Das wünsche ich mir<br />
bis hin zur Amtsspitze.<br />
Mir persönlich ist besonders wichtig,<br />
dass das Gremium, soweit es möglich ist,<br />
sich seine Meinungen im größeren Zusammenhang<br />
bildet.<br />
> Beispiel: 8-jähriges Gymnasium im<br />
grundsätzlichen Kontext, ob unsere jungen<br />
Menschen wirklich am Ende ihrer<br />
Ausbildung zu alt sind, an welchen Stellen<br />
aber gegebenenfalls gekürzt werden sollte.
Beispiel: Islam-Unterricht für muslimische<br />
Kinder. Eine Stellungnahme auch<br />
eines Elterngremiums ist wohl nur im<br />
großen Kontext der grundgesetzlichen<br />
und grundsätzlichen Wertungen des christlichen<br />
Religionsunterrichts möglich.<br />
Wie sollte aus Ihrer Sicht eine zeitgemäße<br />
Erziehungspartnerschaft Schule<br />
– Elternhaus aussehen?<br />
Frau Picker: Offenheit, Transparenz,<br />
Toleranz, Konflikt- und Kompromissfähigkeit<br />
– eigentlich der ganze Katalog<br />
von Eigenschaften oder Verhaltensweisen,<br />
die auch zwei Menschen brauchen, wenn<br />
sie ein gemeinsames Ziel erreichen wollen,<br />
ist für Erziehungspartnerschaft nötig.<br />
Dieses Ziel muss immer heißen: die beste<br />
Schule für jeden Schüler, für jede Schülerin.<br />
Schule und Elternhaus haben gleiche,<br />
sie haben aber auch unterschiedliche<br />
Aufgaben und Verantwortlichkeiten, und<br />
die sollte der andere Erziehungspartner respektieren.<br />
Können Sie uns ein praktisches Beispiel<br />
nennen?<br />
Frau Picker: Etwa die Dauer des Disko-<br />
Besuchs, das gründliche Zähneputzen sind<br />
Sache der Eltern. Die wieder einmal nicht<br />
gekonnten Vokabeln, die schlampig gemachten<br />
Hausaufgaben Sache des Lehrers<br />
und seiner pädagogischen Reaktion. Da<br />
wiederum würde ich den Lehrern einen<br />
breiten Ermessensspielraum zubilligen.<br />
Erziehungspartnerschaft entfaltet sich in<br />
diesen getrennten Bereichen durch wechselseitige<br />
Information – auf der einen<br />
Seite des Schulleiters, des Klassenlehrers,<br />
des Fachlehrers, auf der anderen der gewählten<br />
Elternvertreter und, häufig auch<br />
in Absprache mit ihnen, den Eltern.<br />
Wie kann dieser Dialog organisiert<br />
werden?<br />
Frau Picker: Themenbezogene Elternabende<br />
zu grundsätzlichen Erziehungsfragen<br />
sind ein Weg. Themen können sein<br />
die Einflüsse, die das Leben von Kindern<br />
und Jugendlichen bestimmen und gefährden<br />
– Verkehr, Medien, Werbung, Suchtmittel,<br />
um nur einiges zu nennen. Das ist<br />
wesentlich für die gemeinsame Verantwortung<br />
von Schule und Elternhaus. Verhaltenskataloge,<br />
die die Klassenpflegschaft<br />
ausarbeitet, oder aber ein pädagogischer<br />
Arbeitskreis von Eltern und Pädagogen<br />
oder auch die Schulkonferenz scheinen<br />
mir bei dem pluralen Meinungsspektrum<br />
unserer Gesellschaft in Erziehungsfragen<br />
immer wichtiger.<br />
Und schließlich empfehle ich immer<br />
wieder die zweckfreie Begegnung: die gemeinsame<br />
Wanderung, das gemeinsame<br />
Grillen, um sich kennen zu lernen und zueinander<br />
Vertrauen zu entwickeln.<br />
Das gezielte Einzelgespräch über den<br />
Schüler als ganzen Menschen, bei dem<br />
Schulnoten nur eine untergeordnete Rolle<br />
spielen sollten, erscheint mir natürlich als<br />
wichtigste Aufgabe in jeder Schule, nicht<br />
nur bei Sonderschülern.<br />
Viele Eltern engagieren sich sehr stark<br />
für die Belange unserer Schulen. Was<br />
kann getan werden, um noch mehr Eltern<br />
für ein mitverantwortliches Handeln zu<br />
gewinnen?<br />
Frau Picker: Jede Schule, jeder Schulleiter<br />
und jeder Lehrer, auch jeder Elternvertreter,<br />
alle sollten hier strategisch denken.<br />
Die Eltern müssen in die Schule<br />
»gelockt« werden, d.h. das bekannte Instrumentarium<br />
von Werbung sollte genutzt<br />
und gezielt eingesetzt werden. Eltern<br />
sollten von der <strong>Thema</strong>tik und von ihrem<br />
Interessenhorizont her erreicht werden.<br />
Elternabende in Verbindung mit einer<br />
Vorführung der Schülerinnen und Schüler<br />
und einem von diesen angebotenen Imbiss,<br />
das Auflösen der starren Stuhlreihen<br />
in eine Vielzahl von kleinen Sitzgruppen,<br />
zwischen denen die Lehrpersonen wechseln,<br />
bieten sicher bessere Chancen für das<br />
Kennenlernen der Elternschaft etwa einer<br />
städtischen Hauptschule und für das<br />
Wecken von Interesse für die Belange der<br />
Schule. Besondere Kompetenzen von Eltern<br />
können erkannt und eingesetzt werden.<br />
Oft sind Eltern zurückhaltend, Mitverantwortung<br />
zu übernehmen, weil sie<br />
nicht wissen, wie viel Arbeit da auf sie<br />
zukommt.<br />
Frau Picker: Das stimmt, besonders bei<br />
den weiterführenden Schulen. Deshalb ist<br />
es wichtig, alle neuen Eltern zu informieren,<br />
Interesse an der jeweiligen Schule zu<br />
wecken und dadurch möglichst viele<br />
Eltern in das Schulleben einzubeziehen.<br />
Den allumfassend tätigen Elternvertreter<br />
wird es in Zukunft kaum noch geben –<br />
Schule und Elternverteter, übrigens auch<br />
Schülervertreter, müssen viele zeitlich und<br />
inhaltlich begrenzte Teilaufgaben delegieren.<br />
Je kleiner der Beitrag jedes Einzelnen<br />
bemessen wird, umso besser für das Gemeinschaftsgefühl<br />
und auch für die Kontinuität<br />
des Engagements und damit umso<br />
fruchtbarer für die Schule!<br />
Wie würden Sie die Grenze des elterlichen<br />
Mitspracherechts definieren?<br />
Frau Picker: Wie ich schon gesagt habe<br />
– in dem pädagogischen Spielraum und<br />
der pädagogischen Verantwortung der<br />
Lehrerinnen und Lehrer. Das heißt natürlich<br />
nicht, dass Eltern hier schweigen<br />
müssten. Aber Eltern haben beim Missbrauch<br />
der pädagogischen Freiheit des<br />
Lehrers als Adressaten nur dessen Dienstherrn,<br />
wenn Anregungen und Bitten<br />
nichts nützen. Ein Beispiel: Projektarbeit<br />
mag aus der Sicht mancher Eltern wünschenswert<br />
sein, dem Lehrer, der eine andere<br />
Lehrmethode aus objektiven und subjektiven<br />
Gründen vorzieht, sollten Eltern<br />
nichts vorzuschreiben suchen.<br />
Eine Frage zum Schluss: Worin sehen<br />
Sie zentrale Aufgaben einer zukunftsorientierten<br />
Schule?<br />
Frau Picker: Schule im Übergang zum<br />
nächsten Jahrhundert muss noch stärker<br />
sein: ein Lernort, der Kinder fordert und<br />
fördert, der immer mehr Kindern aber<br />
auch ein Ort der Orientierung und Geborgenheit<br />
sein muss. Wichtig ist die Ausweitung<br />
von Ganztagesangeboten, die<br />
Einbeziehung von Erziehungshilfe für<br />
Eltern – nicht nur im engeren Sinn von<br />
Schulsozialarbeit. Ganz grundsätzlich: Für<br />
mich sind Bildung und Erziehung die<br />
Megathemen unserer Zeit!<br />
Interview: Rudolf Kroboth<br />
Kontakt: Geschäftsstelle des LEB,<br />
Junoweg 13, 70565 Stuttgart,<br />
Tel.: 07 11/74 10 94; Fax: 07 11/74 10 96<br />
E-Mail: leb.bw@t-online.de<br />
Die Adressen der LEB-Mitglieder finden Sie unter:<br />
www.kultusministerium.baden-wuerttemberg.de/schulmagazin<br />
Die Mitglieder des 12. Landeselternbeirats<br />
5
6<br />
Bildungspolitik aktuell<br />
Wir hatten es anfangs nicht leicht,<br />
bei den »Normalzüglern« als ganz<br />
normale Mitschüler dazustehen.<br />
… Doch innerhalb von acht Jahren<br />
haben wir es geschafft, unsere Mit-<br />
schüler davon zu überzeugen, dass<br />
wir ganz normale Jugendliche sind,<br />
die genau wie andere auch auf<br />
Partys gehen oder irgendwelche<br />
Dummheiten machen und nicht<br />
etwa den ganzen Tag vor den<br />
Schulbüchern sitzen und Vokabeln<br />
wiederholen.<br />
Ute Kusch, Abiturientin Tulla-Gymnasium Rastatt<br />
Der Gesetzentwurf zum achtjährigen gymnasialen<br />
Bildungsgang wird nach der Sommerpause im<br />
Landtag beraten werden. Wesentliche Elemente<br />
sind:<br />
> Acht- und neunjähriger Bildungsgang<br />
bestehen als gleichberechtigte Bildungsangebote<br />
nebeneinander.<br />
> Die Entscheidung über den Bildungsgang<br />
liegt bei den Eltern.<br />
> Übergänge zwischen G8 und G9 sind möglich.<br />
> Bildungs- und Lehrpläne sowie die Abiturprüfung<br />
sind in beiden Zügen identisch.<br />
Acht Jahre<br />
Die ersten Abiturientinnen und Abiturienten des achtjährigen<br />
Bildungsganges haben ihre Abschlussprüfung absolviert. Zugleich ist<br />
ein Gesetzentwurf im Kabinett verabschiedet worden, der den achtjährigen<br />
gymnasialen Bildungsgang neben dem neunjährigen im<br />
Schulgesetz des Landes verankern soll. Und schließlich liegt ein neuer<br />
Zwischenbericht der wissenschaftlichen Begleituntersuchung vor.<br />
Grund genug, ein vorläufiges Resümee zu ziehen.<br />
Montagmorgen, kurz vor Unterrichtsbeginn<br />
im Wirtemberg-Gymnasium in<br />
Stuttgart-Untertürkheim. Den Schülerinnen<br />
und Schülern der Klasse 5c ist nicht<br />
anzusehen, dass sie besonders fleißig oder<br />
gar strebsam wären. Sie würden so etwas<br />
für eine Unterstellung halten und sich<br />
heftig dagegen wehren. Da wird getobt<br />
und gerauft, gelernt oder auch mal abgeschrieben<br />
wie in anderen Klassen auch.<br />
Die 5c ist eine Klasse mit achtjährigem<br />
Bildungsgang. G8 ist normaler Alltag.<br />
Die Unterschiede zwischen den beiden<br />
Bildungsgängen sind in der 5. Klasse gering<br />
- auch ein Wechsel zwischen G8 und<br />
G9 ist leicht möglich. Die Eingangsstufe<br />
dient als Orientierungsphase für Schülerinnen<br />
und Schüler, aber auch für Eltern<br />
und Lehrkräfte. Deshalb ist die Zusammenarbeit<br />
aller Beteiligten in dieser Phase<br />
von großer Bedeutung.<br />
In Klasse 6 wird’s ernst: Die zweite<br />
Fremdsprache beginnt ein Jahr früher als<br />
im neunjährigen Bildungsgang, auch andere<br />
Fächer starten schneller. Denn der<br />
Stoff der Jahrgangsstufe 6 wird bei G8 auf<br />
die Klassen 5 bis10 verteilt – das bedeutet<br />
pro Woche zwei Zusatzstunden. Dieses<br />
Konzept hat einen Vorteil: Da nach dem<br />
gleichen Plan wie beim neunjährigen Bildungsgang<br />
unterrichtet wird, kann bei<br />
drohender Nichtversetzung im achtjährigen<br />
auf die nächsthöhere Klasse im neunjährigen<br />
Bildungsgang gewechselt werden.<br />
Wem also das Tempo in G8 zu hoch ist,<br />
wechselt ohne Zeitverlust in den neunjährigen<br />
Bildungsgang.<br />
Nach der 10. Klasse besuchen die<br />
Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit<br />
Elftklässlern des neunjährigen Zuges die<br />
Oberstufe. Dieser Begegnung mit den<br />
»Größeren« sehen die Schülerinnen und<br />
Schüler manchmal mit ein wenig Skepsis<br />
entgegen, empfinden sie aber fast immer<br />
nach einiger Zeit als Bereicherung.<br />
Die wissenschafltiche Begleituntersuchung<br />
bestätigt die positiven Erfahrungen<br />
mit G8. Professor Dr. Kurt Heller<br />
vom Institut für Pädagogische Psychologie<br />
und Empirische Pädagogik an der Universität<br />
München untersucht in einer Langzeitstudie<br />
verschiedene G8-Jahrgänge im<br />
ganzen Land. Fazit: Überforderung ist<br />
kein <strong>Thema</strong>. Die Schülerinnen und Schüler<br />
sind hochmotiviert und bewältigen<br />
den Lernstoff ohne große Mühen. Prüfungsangst<br />
ist vergleichsweise gering ausgeprägt.
Vorwürfe, dass durch die Verkürzung<br />
der Schulzeit Stoff auf der Strecke bleibe,<br />
werden durch die Prüfungsergebnisse widerlegt.<br />
Die beiden letzten Schuljahre besuchen<br />
die G8ler zusammen mit den<br />
G9ern, schreiben dieselbe Abiturprüfung.<br />
Die Untersuchungen der ersten G8-Abiturergebnisse<br />
in diesem Jahr zeigen, dass<br />
die Schülerinnen und Schüler aus G8 sogar<br />
besser abschneiden als die Absolventen<br />
von G9.<br />
Die Leistungsanforderungen empfinden<br />
die Schülerinnen und Schüler aus beiden<br />
Bildungsgängen als nicht zu hoch, für<br />
G9 weist die Studie von Professor Heller<br />
sogar geringfügig höhere Werte aus – eine<br />
bemerkenswerte Feststellung. Schülerinnen<br />
und Schüler aus G9 haben beispielsweise<br />
eher das Gefühl, viele Hausaufgaben<br />
zu bekommen oder am Wochenende<br />
Schulstoff nacharbeiten zu müssen. Auch<br />
fürchten sie mehr als die Schülerinnen<br />
und Schüler aus G8, bei Krankheit den<br />
Anschluss zu verlieren.<br />
Lehrkräfte bestätigen, dass Schülerinnen<br />
und Schüler in G8 lernwillig sind und<br />
über Überforderung nicht klagen. Im<br />
Gegenteil, die Kinder wachsen mit den<br />
Herausforderungen, ihre Selbstsicherheit<br />
steigt.<br />
In den außerschulischen Aktivitäten<br />
stehen die G8-Schüler den G9-Schülern<br />
deshalb nicht nach; die erhöhten, aber subjektiv<br />
nicht wahrgenommenen Leistungsanforderungen<br />
führen nicht zu einem<br />
Rückgang außerschulischen Engagements.<br />
Auch die Eltern sind mit G8 zufrieden,<br />
allerdings werden größere Klassen gewünscht.<br />
Zu erklären ist das mit der Son-<br />
derstellung, die G8 lange Zeit hatte, und<br />
den naturgemäß kleinen Klassen der Erprobungsphase.<br />
Mit der Einführung als Regelangebot<br />
werden die G8-Klassen wachsen.<br />
Einig sind sich Eltern aus beiden<br />
Bildungsgängen in der Forderung nach<br />
verstärktem Einsatz neuer didaktischer<br />
und pädagogischer Methoden – eine Frage,<br />
die nicht G8-spezifisch ist, bei der aber<br />
gerade G8 besondere Chancen bietet.<br />
Neue Lehrmethoden sind in einer besonders<br />
motivierten Lernumgebung erfolgreicher.<br />
Die positiven Erfahrungen mit G8 legten<br />
den nächsten Schritt nahe: G8 wird<br />
zum Regelangebot. Schon in der Versuchsphase<br />
nahm die Zahl der teilnehmenden<br />
Schulen stetig zu. Waren es im<br />
Schuljahr 1997/98 16 öffentliche und<br />
zwei private Schulen, so konnten im<br />
Schuljahr 1998/99 schon 35 gezählt werden.<br />
Zum Schuljahr 1999/2000 wird an<br />
44 Standorten ein achtjähriger gymnasialer<br />
Zug geführt werden. Erstmals werden<br />
ein öffentliches und ein privates Gymnasium<br />
zwei G8-Züge parallel führen.<br />
Wenn im Herbst dieses Jahres nach<br />
acht Jahren Erprobungsphase der G8-<br />
Bildungsgang im Schulgesetz verankert<br />
wird, ist die Grundlage zur flächendeckenden<br />
Einführung eines weiteren Bildungsangebotes<br />
in der differenzierten badenwürttembergischen<br />
Schullandschaft gelegt.<br />
Künftig soll es jeder Schülerin und<br />
jedem Schüler möglich sein, in zumutbarer<br />
Entfernung vom Wohnort ein G8-<br />
Angebot wahrzunehmen.<br />
Carsten Rabe<br />
Gymnasien mit achtjährigem<br />
Bildungsgang<br />
Oberschulamt Stuttgart:<br />
Theodor-Heuss-Gymnasium Aalen<br />
Max-Born-Gymnasium Backnang<br />
Peutinger-Gymnasium Ellwangen<br />
Theodor-Heuss-Gymnasium Esslingen<br />
Hellenstein-Gymnasium Heidenheim/Brenz<br />
Robert-Mayer-Gymnasium Heilbronn<br />
Goethe-Gymnasium Ludwigsburg<br />
Albert-Schweitzer-Gymnasium Neckarsulm<br />
Hans-Baldung-Gymnasium Schwäbisch Gmünd<br />
Erasmus-Widmann-Gymnasium<br />
im Schulzentrum West, Schwäbisch Hall<br />
Stiftsgymnasium Sindelfingen<br />
Königin-Katharina-Stift (Gymnasium) Stuttgart<br />
Friedrich-Eugens-Gymnasium Stuttgart<br />
Karls-Gymnasium Stuttgart<br />
Privates Gymnasium Merzschule Stuttgart<br />
Wirtemberg-Gymnasium Stuttgart<br />
Ferdinand-Porsche-Gymnasium Stuttgart<br />
Leibniz-Gymnasium Stuttgart<br />
Wilhelms-Gymnasium Stuttgart<br />
Friedrich-Abel-Gymnasium Vaihingen/Enz<br />
Oberschulamt Karlsruhe:<br />
Richard-Wagner-Gymnasium <strong>Baden</strong>-<strong>Baden</strong><br />
Hohenstaufen-Gymnasium Eberbach<br />
Kurfürst-Friedrich-Gymnasium Heidelberg<br />
Bunsen-Gymnasium Heidelberg<br />
Privates Gymnasium St. Raphael Heidelberg<br />
Karl-Friedrich-Gymnasium Mannheim<br />
Ganztagesgymnasium Osterburken<br />
Hebel-Gymnasium Pforzheim<br />
Tulla-Gymnasium Rastatt<br />
Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium Weinheim<br />
Oberschulamt Freiburg:<br />
Goethe-Gymnasium Freiburg<br />
Deutsch-Französisches Gymnasium Freiburg<br />
Marie-Curie-Gymnasium Kirchzarten<br />
Clara-Schumann-Gymnasium Lahr<br />
Hebel-Gymnasium Lörrach<br />
Oken-Gymnasium Offenburg<br />
Leibniz-Gymnasium Rottweil<br />
Kolleg St. Blasien<br />
Gymnasium am Romäusring<br />
Villingen-Schwenningen<br />
Hochrhein-Gymnasium Waldshut-Tiengen<br />
Oberschulamt Tübingen:<br />
Droste-Hülshoff-Gymnasium (ABG) Meersburg<br />
Friedrich-List-Gymnasium Reutlingen<br />
Wildermuth-Gymnasium Tübingen<br />
Gymnasium Ulm-Wiblingen<br />
7
8<br />
Bildungspolitik aktuell<br />
Neue Koalitionen<br />
zwischen Theorie und Praxis<br />
Die Reform der Gymnasiallehrerbildung<br />
in <strong>Baden</strong>-Württemberg<br />
aus der Sicht eines Bildungsforschers<br />
Schulmagazin: Künftig werden baden-württembergische<br />
Lehramtsstudierende im höheren Dienst nach dem Grundstudium<br />
in einem Praxissemester Erfahrungen der schulischen<br />
Wirklichkeit sammeln. Welche Rolle spielen solche Praxiserfahrungen<br />
Ihrer Meinung nach in der ersten Phase der Lehrerbildung?<br />
Fend: Grundsätzlich gilt, dass man praktische Handlungskompetenz<br />
nicht erwirbt, wenn man über eine Tätigkeit nur etwas<br />
liest oder zuschaut. Aus dem Studium eines Leitfadens, wie<br />
man Tennis spielen sollte, und vom Zuschauen bei Turnieren<br />
entsteht noch kein guter Tennisspieler. Gleichermaßen gilt aber,<br />
dass ohne Tennistheorie und ohne das scharfe Beobachtungsauge<br />
des Trainers sich Fehler verfestigen und keine gute Tenniskompetenz<br />
entsteht. Mit diesem Beispiel ist mir wichtig zu zeigen,<br />
dass die Forschung zum Aufbau komplexer Handlungskompetenzen<br />
längst über das häufig beobachtbare Ausspielen von<br />
Theorie und Praxis hinaus ist.<br />
Entscheidend ist die kluge Integration beider Bereiche. Dies<br />
bedeutet, dass die strikte Trennung, erst die Theorie und dann<br />
nur noch die Praxis, ungünstig ist.<br />
Wie umfangreich sollten Praktika sein – zeitlich, inhaltlich?<br />
Fend: Die Frage des Umfangs lässt sich nicht definitiv beantworten<br />
in dem Sinne: Vier Wochen sind unnütz und ein Jahr wäre<br />
zu lang. Entscheidend ist eine Gesamtkonzeption, die einen<br />
Aufbau in der Ausbildung erkennen lässt. Dazu zählt in einer ersten<br />
Phase die Möglichkeit, in praktischen Erfahrungen herauszufinden,<br />
ob man für den Lehrerberuf geeignet ist. Viel Unglück<br />
könnte verhindert werden, wenn Studenten frühzeitig erkennen<br />
könnten, dass ihnen der Lehrerberuf nicht liegt oder aber Freude<br />
macht. In einer zweiten Übungsphase muss es darum gehen, das<br />
Idealmuster guten Unterrichtens kennen zu lernen, um in einer<br />
dritten Phase zu üben, hohe Qualitätsstandards auch unter<br />
Alltagsansprüchen zu realisieren. Die »Neustruktur der Lehrerbildung«<br />
lässt eine solche begrüßenswerte Systematik erkennen.<br />
Eine andere Ebene berühren die praktischen Fragen der Umsetzung:<br />
der Dauer, der notwendigen Ressourcen, der Organisation.<br />
Viele Fragen wären hier zu stellen, die von den betroffenen<br />
Instanzen sicher auch vorgebracht werden. Wie können<br />
Schulen in Zeiten der Überlasten noch mit den Zusatzanforderungen<br />
der Praktikantenbetreuung fertig werden? Wie soll man<br />
Helmut Fend, geboren 1940 in Hohenems/<br />
Vorarlberg, ist seit 1987 Professor für Pädagogik<br />
an der Universität Zürich. Seit über dreißig<br />
Jahren widmet er sich insbesondere der pädagogischen<br />
Psychologie. Heute gilt er als einer<br />
der bedeutendsten Spezialisten für das <strong>Thema</strong><br />
»Schulqualität« im gesamten deutschen<br />
Sprachraum.<br />
an den Universitäten, an denen die Pädagogik ressourcenmäßig<br />
ein Jammerdasein fristet, hochwertige Forschung mit der nötigen<br />
Praktikumsvor- und -nachbereitung verbinden?<br />
Dazu müssen die besten Kenner der realen Situation Stellung<br />
nehmen. Sie werden sicher vorbringen, dass das Praktikum von<br />
Studenten organisierbar und finanzierbar sein muss. Vor allem<br />
stellt sich auch die Frage, wie Studenten, die sich im Studium<br />
stark wissenschaftlich orientieren (sicher nicht die schlechtesten),<br />
später auch noch in den Lehrerberuf einsteigen können, ohne ins<br />
fünfte Semester zurückkehren zu müssen.<br />
Ich habe immer betont, dass ein ganzes Praxissemester zwar<br />
sinnvoll ist, aber auch in Modulen von zweimal acht Wochen mit<br />
Nutzen – etwa durch den Vergleich von zwei Schulen – absolviert<br />
werden könnte. Auch der Quereinstieg nach Abschluss eines<br />
Studiums sollte mit bestimmten Auflagen möglich sein. In renommierten<br />
amerikanischen Privatschulen werden bevorzugt<br />
Lehrer eingestellt, die einen ungewöhnlichen Lebensweg haben:<br />
lange im Ausland waren, sich in schulfremden Gebieten ausgezeichnet<br />
haben, Kinder oder Jugendliche lange außerschulisch<br />
betreut haben usw.
Mit dem Modell Praxissemester<br />
und der geplanten berufsbegleitenden<br />
Fortbildung<br />
in der Berufseingangsphase Schule betreut werden«<br />
werden Schnittstellen geschaffen,<br />
an denen die Lehrer bildenden Institutionen: Hochschule,<br />
Seminar und Schule unmittelbar miteinander in Kontakt kommen<br />
können. Welche Vorteile sehen Sie darin für die einzelnen<br />
Institutionen, wo haben Sie Bedenken gegen eine institutionelle<br />
Zusammenarbeit?<br />
Fend: Die »Neustruktur« schafft erstmals einen organisatorischen<br />
Rahmen, um die beteiligten Instanzen zu einem Austausch<br />
und zu einem »Zusammenhandeln« zu bringen. Dieser hat bisher<br />
gefehlt, und dass er zustande kommt ist sehr begrüßenswert. Er<br />
wird aber auch zur Folge haben, dass die Rollen neu definiert<br />
werden. Im Kern halte ich eine Arbeitsteilung für richtig: Schule<br />
ist der Ort einer vorbildlichen Praxis, die Hochschule der Ort<br />
einer vorbildlichen Theorie und die Studienseminare sind die<br />
Experten der Verbindung beider Bereiche. Letzteren die organisatorische<br />
Federführung zu überantworten ist deshalb konsequent.<br />
Aus dieser Arbeitsteilung ergeben sich aber auch die<br />
Probleme. Sie sind einfach zu benennen: Eine gute Ausbildung<br />
ist beeinträchtigt, wenn Praktikanten mit einer »schlechten<br />
Praxis« in Kontakt kommen und an der Universität eine<br />
»schlechte Theorie« erfahren. Wie kann man beides verhindern?<br />
Meines Erachtens muss sehr sorgfältig überlegt werden, von<br />
wem Praktikanten in der Schule betreut werden. Es sollten die besten<br />
Lehrer sein, die dafür sowohl ausgebildet werden als auch berufliche<br />
Incentives erfahren. Wenn über die Einsparung eines<br />
halben Jahres bezahlter Referendarausbildung finanzielle<br />
Ressourcen frei werden sollten, müsste vor allem hier (neben dem<br />
Ausbau der Ressourcen an den<br />
Universitäten) investiert werden.<br />
Eine bessere Ausbildung ist nicht<br />
kostenneutral oder gar billiger<br />
zu haben als bisher.<br />
Ein Großteil der Zusammenarbeit<br />
wird auf die betreuenden<br />
Lehrer an den Schulen zukommen.<br />
Ihre Auswahl und die vor-<br />
»Sehr sorgfältig muss<br />
überlegt werden, von<br />
wem Praktikanten in der<br />
»Die ›bohrenden Fragen‹<br />
der aus der Praxis zurückkehrenden<br />
Studenten<br />
könnten an den Universitäten<br />
sehr hilfreich sein«<br />
gesehenen Incentives für ihr Engagement sind deshalb Kernstück<br />
für das praktische Gelingen der Reform. Wer schreibt die Praktikumsbeurteilungen?<br />
Wer gibt die Rückmeldungen über Unterrichtstätigkeiten?<br />
Wer hilft bei der Vorbereitung? All dies hätten<br />
die Mentoren zu leisten, die zu honorieren wären.<br />
Ist es denkbar, dass die Hochschulen die Schulen auch als<br />
Gegenstand der Forschung wieder in den Blick nehmen? Welchen<br />
Stellenwert hat die Lehrerbildung nach Ihrer Meinung an<br />
den Hochschulen?<br />
Fend: Die Verzahnung von Praxis und Theorie wäre sicher<br />
auch für die Hochschule ein neuer Impuls, für den größten<br />
öffentlichen Verantwortungsbereich des Landes auch die nötige<br />
Forschung zu sichern. Die universitären erziehungswissenschaftlichen<br />
Ressourcen reichen kaum aus, um den internationalen Forschungsstand<br />
auch nur mitzuverfolgen, geschweige ihn mitzugestalten.<br />
Die Anbindung an die Praxis und die »bohrenden<br />
Fragen« der aus der Praxis zurückkehrenden Studenten könnten<br />
hier sehr hilfreich sein. Der universitäre Teil der Ausbildung<br />
bleibt jedoch nur dann gut, wenn er seine eigene Stärke mitpflegt:<br />
die bestmögliche Forschung im Rahmen der internationalen<br />
Wissenschaftsgemeinschaft zu betreiben.<br />
Mit der neuen Lehrerausbildungsstruktur wird auch künftig<br />
ein interdisziplinäres »ethisch-philosophisches Grundlagenstudium«<br />
abgeleistet, welches den Blick auf Fragen zur Ethik<br />
der Fächer wie des Lehrerberufs richten möchte. Welche Chancen<br />
sehen Sie darin für die Lehrerbildung?<br />
Fend: In Bezug auf die Ethik des Lehrerberufs sind ethischphilosophische<br />
Fragen sehr relevant. Jedes pädagogische Geschehen<br />
ist normativ mitbestimmt. Deshalb ist eine Schulung in den<br />
historischen und systematischen<br />
Grundlagen von Zielen<br />
und Normen der Pädagogik<br />
und deren Bedeutung für pädagogisches<br />
Handeln ein wesentlicher<br />
Teil der Ausbildung.<br />
Traditionellerweise ist dies aber<br />
integraler Bestandteil einer gutenerziehungswissenschaftli-<br />
»Die Reform wird dazu<br />
führen, dass sich Lehrerkollegien<br />
stärker als<br />
pädagogische Handlungseinheiten<br />
verstehen«<br />
chen Ausbildung. Meiner Ansicht nach sollte dies auch weiterhin<br />
so gehandhabt werden und nicht in philosophische Fachbereiche<br />
delegiert werden, die in der Regel ganz andere systematische<br />
Erkenntnisinteressen haben.<br />
Gerade Lehrerinnen und Lehrer sollten ihren Schülern selbst<br />
Vorbilder für »lebenslanges Lernen« sein. Welche Konsequenzen<br />
leiten Sie für die Lehrerfortbildung und -weiterbildung daraus<br />
ab?<br />
Fend: Eine auffallende Stärke des neuen Konzeptes der Lehrerausbildung<br />
für die Gymnasien liegt darin, dass auch die<br />
Begleitung während der ersten Berufsphase systematisch mitgedacht<br />
wird und so insgesamt von reflexiv begleiteter Aus- und<br />
Fortbildung ausgegangen wird. Dies erhöht die Chancen, dass<br />
sich professionelle Haltungen auch unter den Bedingungen der<br />
Alltagspraxis bewähren können. Die Einführung in reflektierte<br />
Praxis wird meiner Einschätzung nach dazu führen, dass sich<br />
Lehrerkollegien stärker als pädagogische Handlungseinheiten<br />
verstehen und gemeinsam ihre Lernprozesse organisieren. Die<br />
Erziehungswissenschaft wird als externe Ressource dabei sicher in<br />
starkem Maße nachgefragt werden.<br />
So könnte die jetzige Reform der Lehrerbildung in einer historischen<br />
Phase, in der ein Großteil der Lehrerschaft ausgetauscht<br />
werden wird, auf vielfache Weise produktiv werden. Ob<br />
dies der Fall ist, wird von den Ressourcen, den Konkretisierungsformen<br />
und auch den inhaltlichen Konzepten von Ausbildung<br />
und Lehrerkultur abhängen. Interview: Severin Stief<br />
Eine Langfassung des Interviews, weitere<br />
Informationen über Helmut Fend und zur Reform<br />
der Gymnasiallehrerbildung finden Sie unter<br />
www.kultusministerium.baden-wuerttemberg.de/<br />
schulmagazin<br />
9
10<br />
Bildungspolitik aktuell<br />
Moderner Unterricht braucht<br />
moderne Leistungsbeurteilung<br />
Ein Projekt der Forschungsstelle für<br />
Schulpädagogik der Universität Tübingen<br />
In der Schulpädagogik<br />
wenig beachtet<br />
1 | Ingenkamp, K. (Hrsg.):<br />
Die Fragwürdigkeit der Zensurengebung.<br />
Weinheim und Basel.<br />
9. Auflage 1995<br />
2 | Vgl. z. B. die Serie »Leistung<br />
ermitteln und bewerten« in der<br />
Zeitschrift »Pädagogik«,<br />
insbesondere den Beitrag von<br />
Lütgert, W.: Leistungsrückmeldung,<br />
in Heft 3/1999,<br />
S. 46 – 50<br />
3 | Vgl. z. B. Klippert, H.: Team-<br />
entwicklung im Klassenraum.<br />
Weinheim 1998, S. 16. Klippert<br />
beschreibt allerdings einen eng<br />
auf den Erwerb von<br />
Schlüsselqualifikationen ausgerichteten<br />
Lernbegriff.<br />
Nicht mehr, sondern<br />
anders prüfen<br />
Neue Formen der Leistungsbeurteilung überprüfen nicht nur fachlich-inhaltliches, also »stoffliches«<br />
Wissen, sondern auch spezifische Kompetenzen eines erweiterten Lernbegriffs. Dazu zählt<br />
zum Beispiel die Beurteilung von Methodenkompetenz, Kommunikationskompetenz und Präsentationskompetenz;<br />
dazu zählt auch die Beurteilung von offenen Unterrichtsformen wie Projektunterricht,<br />
Freiarbeit oder Wochenplanung.<br />
In der schulpädagogischen Diskussion sind Beurteilungsformen an Sekundarstufen nach obiger<br />
Definition lange Zeit nicht beachtet worden. Die <strong>Thema</strong>tik »Leistungsbeurteilung« schien ein weitgehend<br />
abgeklärtes Feld zu sein. Hierfür seien einige Gründe genannt:<br />
> Mit einer veränderten Beurteilung setzen sich fast ausschließlich Alternativschulen im Kontext<br />
von »Schule ohne Noten« auseinander. An staatlichen Sekundarschulen vollzog sich nur<br />
zögernd eine Veränderung, vornehmlich in Richtung verbaler Beurteilungen, die jedoch die<br />
Beurteilungspraxis lediglich ergänzen und für die schulische Laufbahn von Schülern und<br />
Schülerinnen weitgehend folgenlos bleiben sollten.<br />
> Die zum Teil heftige Kritik an der Zensurengebung, die vor allem von Ingenkamp 1 deutlich<br />
formuliert wurde, hatte keine praktischen Auswirkungen auf die schulische Beurteilungspraxis.<br />
Diese setzte sich unverändert fort.<br />
> Im Kontext von offenem Unterricht war es bis in die neunziger Jahre hinein geradezu tabuisiert,<br />
Leistungsbeurteilung zu thematisieren: Eine offene Unterrichtspraxis wollte schulintern ein<br />
deutliches Gegengewicht zum traditionellen Unterricht und dessen Leistungsdruck bilden. Dies<br />
hatte erziehungswissenschaftlich eine deutliche Trennung zur Folge: Wer sich zu offenem Unterricht<br />
äußerte, hatte kein Interesse an der Leistungsbeurteilung. Wer sich zur Leistungsbeurteilung<br />
äußerte, bezog diese auf den traditionellen Unterricht.<br />
In jüngster Zeit ist eine deutliche Änderung festzustellen 2: Es werden vielfältigere Unterrichtsmethoden<br />
praktiziert; vor allem zählen unterschiedliche Formen des offenen Unterrichts zunehmend<br />
zum Unterrichtsalltag – auch an den baden-württembergischen Sekundarschulen.<br />
Allerdings vollzieht sich diese Entwicklung schleppend. Zudem tauchen erhebliche Differenzen innerhalb<br />
des Kollegiums einer Schule und zwischen verschiedenen Schulen auf.<br />
Während sich also die Unterrichtskultur verändert, weist die Leistungsbeurteilung einen engen<br />
und zurückgebliebenen Charakter auf: die traditionelle Leistungsbeurteilung vermag über die oben<br />
genannten spezifischen Kompetenzen keine Auskunft zu geben. Mit ihr vermögen Lehrkräfte einzig<br />
das fachlich-inhaltliche Wissen zu überprüfen. Es wird methodisch vielfältig unterrichtet, jedoch<br />
einseitig beurteilt.<br />
Neue Formen der Leistungsbeurteilung sind vor allem für diejenigen Lehrkräfte interessant, deren<br />
Unterricht auf den Erwerb vielfältiger Kompetenzen im Sinne eines erweiterten Lernbegriffs 3 ausgelegt<br />
ist. Damit können sowohl der Unterricht als auch die dabei vermittelten Kompetenzen aufgewertet<br />
werden. Die Zielsetzung innerhalb der schulischen Praxis und in der Lehrerbildung liegt<br />
also darin, die Unterrichtsvielfalt um eine Beurteilungsvielfalt zu ergänzen: Zu einer methodischen<br />
Vielfalt des Unterrichts gehört ein ebenso vielfältiges Beurteilungsrepertoire.<br />
Die Entscheidung, welche Unterrichtsmethodik und welche Beurteilungsform sie einsetzen,<br />
liegt bei den Lehrerinnen und Lehrern. Sie haben die Möglichkeit zu bestimmen, ob sie Kompetenzen,<br />
die etwa innerhalb der Freiarbeit erworben werden, mit einem angemessenen Instrumentarium<br />
überprüfen wollen. Eine damit zusammenhängende weitergehende Zielsetzung besteht im Übrigen<br />
darin, im Kontext von Schulentwicklung eine Profilbildung anzustreben, die ein unterrichtliches<br />
Profil definiert, zu welchem auch angemessene Beurteilungsmöglichkeiten gehören.<br />
Bevor neue Formen der Leistungsbeurteilung realisiert werden, sind einige Prämissen notwendig:<br />
Die Anwendung neuer Formen der Leistungsbeurteilung soll nicht zu noch mehr Überprüfungsmomenten<br />
im Unterrichtsalltag führen. Ebenso wenig wollen wir damit eine wichtige Zielsetzung<br />
offener Unterrichtsformen, die Lernbereitschaft ohne Beurteilungsdruck, gefährden. Vielmehr<br />
sollen damit engagierte Lehrerinnen und Lehrer ein erweitertes Beurteilungsrepertoire erhalten,<br />
welches sie nach ihrer Verantwortung und je nach Bedarf der Lerngruppe anwenden können.
Hans-Ulrich Grunder Thorsten Bohl Karin Elert<br />
Die Anwendung neuer Formen der Leistungsbeurteilung setzt eine entsprechende Unterrichtsgestaltung<br />
voraus. Erst wenn die Schülerinnen und Schüler auf die später überprüften Kompetenzen<br />
vorbereitet worden sind und ausreichend Gelegenheit hatten, sie einzuüben, kann es zur Beurteilung<br />
kommen. Dies bedingt eine differenzierte Unterrichtsgestaltung, da alle Schülerinnen und<br />
Schüler Gelegenheit erhalten müssen, alle geforderten Beurteilungskriterien zu erfüllen.<br />
Hinzu kommt ein hohes Maß an Transparenz: Schüler und Schülerinnen sollten über das Verfahren<br />
der Beurteilung genau informiert sein und an der Diskussion und Erstellung der Beurteilungskriterien<br />
teilnehmen können.<br />
Die Einführung neuer Formen der Leistungsbeurteilung bedeutet nicht, dass Klassenarbeiten<br />
abgeschafft werden. Allerdings kann es sich als sinnvoll erweisen, im Laufe des Schuljahres eine oder<br />
zwei Klassenarbeiten durch eine neue Beurteilungsform zu ersetzen. (Die entsprechenden rechtlichen<br />
Veränderungen für Realschule und Gymnasium werden derzeit vorbereitet.) Nur so erhalten<br />
diese Beurteilungsformen und damit auch die angestrebten Kompetenzen einen wirklich ernsthaften<br />
Charakter. Dies kann sich für die Lehrkräfte wie für die Schüler und Schülerinnen als entlastend<br />
erweisen.<br />
Neue Formen der Leistungsbeurteilung erfüllen in hohem Maße eine pädagogische Funktion.<br />
Sie enthalten die Chance einer differenzierten Rückmeldung für Lehrer und Schüler gleichermaßen.<br />
Bezüglich ihrer inneren Struktur sind diese Beurteilungsformen in der Regel komplex:<br />
Oftmals werden verschiedene Kompetenzen überprüft. Hinzu kommt die Möglichkeit einer<br />
zumindest punktuellen Prozessbeurteilung. Alle neuen (und traditionellen) Formen der Leistungsbeurteilung<br />
können im Übrigen mit einer Selbstbeurteilung gekoppelt werden: Schülerinnen und<br />
Schüler lernen dabei, sich selbst und ihre Mitschülerinnen und Mitschüler einzuschätzen.<br />
Unterschiede zwischen Selbst- und Fremdbeurteilung sind dabei keinesfalls hinderlich, sondern<br />
dürften eine gute Gesprächsgrundlage für eine Schärfung der je eigenen Wahrnehmung bieten.<br />
Ein für alle Schularten der Sekundarstufe noch nicht endgültig gelöstes Entwicklungsfeld stellt<br />
die Frage dar, wie neue Formen der Leistungsbeurteilung Prüfungen, Noten oder Zeugnisse bestimmen<br />
werden. Je stärker sie die Schullaufbahn und damit spätere Berufschancen beeinflussen<br />
werden, desto eher werden die dabei erworbenen Kompetenzen in der schulinternen und schulexternen<br />
Öffentlichkeit ernst genommen. Andererseits wird hiermit der Selektionscharakter der<br />
Beurteilung gestärkt, was wiederum der Maxime einer schülerorientierten und differenzierten<br />
Beurteilung im Sinn einer pädagogischen Rückmeldung widersprechen kann.<br />
Prof. Dr. Hans-Ulrich Grunder<br />
Dipl. Päd. Thorsten Bohl<br />
Karin Elert<br />
Das Kultusministerium hat die Autoren dieses Beitrags mit dem Forschungsprojekt »Neue Formen der<br />
Leistungsbeurteilung in den Sekundarstufen I und II« beauftragt. Am Projekt sind die folgenden Schulen<br />
aus der Region Tübingen beteiligt: Eduard-Spranger Hauptschule Reutlingen,Wilhelm-Hauff-Realschule<br />
Pfullingen, Eugen-Bolz-Gymnasium Rottenburg und das Berufliche Schulzentrum Reutlingen<br />
(Ernährungswissenschaftliches Gymnasium, Technisches Gymnasium).<br />
Informationen gibt Thorsten Bohl, Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Tübingen,<br />
Forschungsstelle für Schulpädagogik, Münzgasse 22-30, 72070 Tübingen,<br />
E-Mail: thorsten.bohl@uni-tuebingen.de<br />
Eine erweiterte Fassung des Textes sowie weitere Informationen zum <strong>Thema</strong> finden<br />
Sie unter: www.kultusministerium.baden-wuerttemberg.de/schulmagazin<br />
Klassenarbeiten werden<br />
nicht abgeschafft<br />
Wie sehen Zeugnisse<br />
künftig aus?<br />
11
12<br />
Schulpanorama<br />
Singing Glass: Basic vibration-mode<br />
12. Internationales Turnier junger Physiker in Wien<br />
Franziska, Jan und Thorsten<br />
holen Gold für <strong>Baden</strong>-Württemberg<br />
Beim Finale des 12. Internationalen Turniers junger<br />
Physiker (IYPT), das vom 24. bis zum 29. Mai 1999 in<br />
Wien stattfand, ging der Sieg an das deutsche<br />
Schülerteam. Die Wissenschaftler-Jury war prominent<br />
besetzt, die Konkurrenz unter 19 Mannschaften aus 17<br />
Nationen hart. Franziska Hausmann vom Hans-Thoma-<br />
Gymnasium Lörrach, Jan Theofel vom Gymnasium<br />
Unterrieden in Sindelfingen und Thorsten Zitterell vom<br />
Kreisgymnasium Riedlingen bildeten zusammen mit<br />
zwei Schülern aus Göttingen und Frankfurt/Oder das<br />
deutsche Team. »Nationaltrainer« waren die beiden<br />
baden-württembergischen Gymnasiallehrer<br />
Rudolf Lehn (Störck-Gymnasium Saulgau) und<br />
Bernd Kretschmer (Hans-Thoma-Gymnasium Lörrach).<br />
Der Erfolg beim Turnier junger Physiker<br />
steht und fällt mit der Präsentation<br />
in englischer Sprache. Dabei ist jedes Teammitglied<br />
gefordert: Experimente müssen<br />
in wenigen Minuten zum Laufen gebracht<br />
und einer aufmerksamen Jury sowie dem<br />
kritischen Opponenten möglichst eindrucksvoll<br />
vorgeführt werden. Außerdem<br />
müssen Computersimulationen zu theoretischen<br />
Modellen oder Videosequenzen<br />
zu umfangreichen Messungen eingespielt<br />
werden.<br />
Das deutsche Team erreichte nach einem<br />
schlechten Start durch eine von Wettkampf<br />
zu Wettkampf gesteigerte Mannschaftsleistung<br />
das Finale. Mit ihrem<br />
mitreißenden Report zum »Singing Glass«<br />
sicherte Franziska Hausmann dem deutschen<br />
Team im Finale schließlich den ersten<br />
Platz beim »12th International Young<br />
Physicists’ Tournament«.<br />
Im Gespräch mit dem Schulmagazin<br />
erläutern die drei baden-württembergischen<br />
»Physik-Weltmeister« und die betreuenden<br />
Lehrer den Verlauf und die<br />
Zielsetzungen des Turniers.<br />
Schulmagazin: Franziska, gegen welche<br />
Mannschaften musstet ihr im Verlauf<br />
des Turniers in Wien antreten?<br />
Franziska Hausmann: Es waren insgesamt<br />
19 Mannschaften, und ich beginne<br />
mal von hinten, vom Finale her: Da sind<br />
wir gegen Georgien und die erste österreichische<br />
Mannschaft angetreten. Kurz<br />
davor im Halbfinale gegen die Slowakei<br />
und gegen Polen und im Verlauf der Ausscheidungsrunden<br />
gegen ganz verschiedene<br />
Mannschaften: die erste russische<br />
Mannschaft aus Moskau, das zweite Team<br />
von Österreich, gegen USA, Ungarn und<br />
Australien.<br />
Thorsten, kannst du uns mal den Ablauf<br />
des Turniers etwas näher erläutern.<br />
Wie ging der Wettkampf vonstatten?<br />
Thorsten Zitterell: Das Verfahren ist<br />
recht kompliziert. Am Anfang gibt es erst<br />
einmal drei Ausscheidungswettkämpfe der<br />
19 Mannschaften. Die besten neun kommen<br />
dann weiter ins Halbfinale. Diese<br />
werden in drei Gruppen aufgeteilt. Die<br />
Gruppensieger bestreiten schließlich das<br />
Finale. In jeder Runde übernimmt eine<br />
Mannschaft die Funktion des Reporters,<br />
die zweite die des Opponenten, des<br />
Gegners, während die dritte Mannschaft<br />
die Rolle des Reviewers übernimmt. Der<br />
Reporter wird vom Opponenten zur<br />
Präsentation seiner Lösung zu einem der<br />
17 Probleme aufgefordert. Der Reporter<br />
hat fünf Minuten Vorbereitungszeit und<br />
Singing Glass: Vertical section<br />
dann zwölf Minuten für den Vortrag.<br />
Danach findet eine Diskussion statt zwischen<br />
Opponent und Reporter. Schließlich<br />
muss der Reviewer sein Urteil über<br />
die Leistung von Reporter und Opponent<br />
abgeben. Und dann kommt es zum Rollentausch:<br />
Jede Mannschaft muss in der<br />
Finalrunde abwechselnd einmal alle drei<br />
Funktionen innegehabt haben. Der<br />
Report und die anschließende Diskussionen<br />
werden auf Englisch durchgeführt.<br />
Herr Lehn, könnten Sie uns mal eines<br />
der typischen Probleme schildern, das die<br />
Mannschaften in Wien zu lösen hatten?<br />
Rudolf Lehn: Zum Beispiel hat im Finale<br />
Franziska das »Singende Glas« vorgestellt,<br />
eine Erscheinung, die ja eigentlich<br />
jeder kennt: Wenn man auf dem Rand eines<br />
Glases mit dem angefeuchteten Finger<br />
entlang fährt, entsteht ein schöner singender<br />
Ton. Das sollte man jetzt experimentell<br />
untersuchen, eine Theorie dazu entwickeln,<br />
dann die Theorie mit den Experimenten<br />
vergleichen, um schließlich zu sehen,<br />
wie weit Theorie und Experiment<br />
miteinander übereinstimmen. Diese Übereinstimmung<br />
zu zeigen ist Franziska und<br />
der Mannschaft in hervorragender Weise<br />
gelungen.<br />
Herr Kretschmer, was ist eigentlich<br />
das Besondere beim internationalen Turnier<br />
junger Physiker? Wie unterscheidet<br />
es sich von anderen Wettbewerben im<br />
Rahmen der Begabtenförderung?<br />
Bernd Kretschmer: Während bei den<br />
sehr viel bekannteren Wettbewerben wie<br />
den Physik- und Mathematik-Olympiaden<br />
oder auch beim Bundeswettbewerb<br />
Mathematik einzelne Schüler vorgedachte
Soeben zum Sieger des 12. IYPT gekürt. V.l.n.r.: Karsten Schnitter (Carl-Friedrich-Gauß-Gymnasium<br />
Frankfurt /Oder), Falk von Dinklage (Felix-Klein-Gymnasium Göttingen), Franziska Hausmann,<br />
Jan Theofel, Thorsten Zitterell<br />
Aufgaben lösen müssen, treten bei diesem<br />
Turnier die Schüler im Team auf und versuchen<br />
verschiedene Forschungsaufträge<br />
zu bewältigen. Die Kontrahenten sind also<br />
nicht Einzelne, sondern ganze Teams. Erst<br />
so wird es möglich, diese umfangreichen<br />
Probleme zu lösen. Natürlich ist auch der<br />
Aufgabentyp ein völlig anderer. Die Aufgaben<br />
bei den Bundeswettbewerben sind<br />
den Experten bekannt, während beim<br />
Turnier junger Physiker offene Aufgabenstellungen<br />
vorliegen, bei denen selbst der<br />
Aufgabensteller häufig nicht weiß, wie das<br />
Resultat aussieht. Es ist auch nicht immer<br />
bekannt, ob es überhaupt eine abgeschlossene<br />
Lösung gibt.<br />
Wie geht das? Haben Sie ein Beispiel?<br />
Bernd Kretschmer: Nehmen wir das<br />
»Singende Glas«, das Herr Lehn erwähnt<br />
hat. Es ist nicht klar, wie weit man gehen<br />
soll: Muss zum Beispiel die genaue Form<br />
des Glases berücksichtigt werden? Schrittweise<br />
versuchen die Schülerinnen und<br />
Schüler, das Problem zu entwickeln und<br />
dabei verschiedene Größen wie den Radius<br />
des Glases oder die Höhe der Flüssigkeit<br />
in das theoretische Modell mit einzubeziehen<br />
und mit den Experimenten zu<br />
vergleichen. In den nicht selten hitzigen<br />
Diskussionen zwischen Reporter und Opponent<br />
ist es interessant zu beobachten,<br />
welche Aspekte zum Beispiel der Opponent<br />
gerne noch gesehen hätte, die der Reporter<br />
als weniger bedeutend erachtet hat.<br />
Das Turnier vermittelt – über das<br />
Fachwissenschaftliche hinaus – Qualifi-<br />
kationen, die für das spätere Studium<br />
und den Beruf von großer Bedeutung<br />
sind. Franziska, du wirst im nächsten Jahr<br />
Abitur machen und dann auch mit einem<br />
naturwissenschaftlichen Studium<br />
beginnen. Was sind für dich wichtige<br />
Erfahrungen, die du aus dem Turnier mitnimmst?<br />
Franziska Hausmann: Ja ich denke,<br />
dass ich schon einiges mitnehme. Allein<br />
schon deshalb, weil man in der Schule immer<br />
schon fertige Aufgaben vorgesetzt bekommt.<br />
Es geht eigentlich immer darum,<br />
etwas nachzuvollziehen, was andere Leute<br />
einem vorgeben. Gerade beim Turnier<br />
junger Physiker lernt man, Lösungsideen<br />
zu entdecken und selbstständig zu bearbeiten.<br />
Also nicht nur vorgegebene Dinge<br />
zu konsumieren, wie man so schön sagt,<br />
sondern selber etwas zu entwickeln und<br />
dadurch zu lernen. Mir persönlich geht es<br />
zumindest immer so, dass mein Interesse<br />
dann immer stärker ist, als wenn man mir<br />
nur etwas vorsetzt. Ich setze mich lieber<br />
hin und schaue, womit hängt ein Problem<br />
zusammen, wovon könnte es abhängen,<br />
was lässt sich da noch untersuchen? Spannend<br />
finde ich auch die Verbindung zu<br />
anderen Themen, zu solchen des täglichen<br />
Lebens wie auch zu anderen naturwissenschaftlichen<br />
Fragestellungen und Bereichen.<br />
All dies wird bei diesem Turnier viel<br />
stärker betont als im Schulalltag. Das ist<br />
sicherlich für das spätere Studium hilfreich.<br />
Rudolf Lehn, Walter Kinkelin, Rudolf Kroboth<br />
Die Diskussion zwischen Reporter, Opponent und Reviewer zum Problem »Singing<br />
Glass« wurde von Franziska, Jan und Thorsten im Rahmen des Interviews spontan<br />
– und natürlich in der Turniersprache Englisch – nachgespielt. Nachzulesen ist diese<br />
Diskussion – ebenso eine Langfassung des Interviews einschließlich weiterer<br />
Informationen – im Internet unter<br />
www.kultusministerium.baden-wuerttemberg.de/schulmagazin<br />
International<br />
Young Physicist’s<br />
Tournament<br />
> Geschichte des IYPT:<br />
Der Turniergedanke wurde vor 20<br />
Jahren von Professoren der Moscow<br />
State University entwickelt. 1988 fand<br />
zum ersten Mal ein »Internationales<br />
Turnier junger Physiker« statt. 1998<br />
war <strong>Baden</strong>-Württemberg Gastgeber<br />
des 11. IYPT in Donaueschingen. Das<br />
13. IYPT wird im Jahr 2000 in Budapest<br />
stattfinden.<br />
> Auswahlverfahren:<br />
Grundsätzlich können alle Schülerinnen<br />
und Schüler an der Vorbereitung<br />
und den Auswahlverfahren zum IYPT<br />
teilnehmen. Die Turnier-Probleme werden<br />
etwa ab Oktober im Internet<br />
(www.mathematik.uni-ulm.de/phbf/<br />
iypt/iypt.html) veröffentlicht.<br />
Schülerinnen und Schüler, die brauchbare<br />
Lösungsideen einsenden, werden<br />
zu den Auswahlverfahren eingeladen.<br />
> Aufgabenstellungen beim 12. IYPT<br />
in Wien (Auswahl):<br />
Neben dem bereits genannten Problem<br />
»Singing Glass« ging es u. a. um<br />
folgende Aufgabenstellungen:<br />
Air Dryer During 4 minutes collect as<br />
much water as possible from the air in<br />
the room. The mass of the equipment<br />
must not exceed 1 kg. The water should<br />
be collected in a glass test tube,<br />
provided by the jury.<br />
Billard Before a snooker game starts,<br />
15 balls form an equilateral triangle on<br />
the table. Under what conditions will<br />
the impact of the white ball (16th ball)<br />
produce the largest disorder of the<br />
balls?<br />
Wheat Waves The wind blowing<br />
through a wheat field creates waves.<br />
Describe the mechanism of wave<br />
formation and discuss the parameters<br />
which determine the wavelength.<br />
Sound from Water When you heat<br />
water in a kettle you hear a sound<br />
from the kettle before the water starts<br />
to boil. Investigate and explain this<br />
phenomenon.<br />
13
14<br />
Schulpanorama<br />
Hauptschulpreis<br />
1999 Die Pestalozzi-Schule<br />
in Karlsruhe-Durlach<br />
wurde vom Bundespräsidenten ausgezeichnet<br />
Schöner als die 2000 DM Preisgeld war<br />
der Besuch der Durlacher Delegation bei<br />
Roman Herzog im Schloss Bellevue. Und<br />
wichtiger als der 5. Platz beim »Hauptschulpreis<br />
1999« ist die alltägliche pädagogische<br />
Leistung, die den Schülerinnen und<br />
Schülern der Pestalozzi-Schule im Rahmen<br />
des prämierten Projektes zugute kommt.<br />
Rektor Gerald Rieger stöhnt. »Wir<br />
kämpfen immer noch gegen den alten<br />
Ruf.« Da musste er gerade telefonisch einen<br />
Vater beruhigen, der seinen Jüngsten<br />
partout in einer anderen Schule anmelden<br />
wollte. Der Mann kommt jetzt zumindest<br />
einmal vorbei, um sich die Schule anzuschauen.<br />
Auch die Elternbeiratsvorsitzende<br />
Claudia Walter wollte damals ihren David<br />
eigentlich auf eine andere Schule schicken.<br />
Allerdings eher, um den Jungen mit seinen<br />
Freunden zusammenzulassen. Eine Informationsveranstaltung<br />
im Kindergarten<br />
hat die junge Mutter überzeugt: »Die<br />
Lehrerinnen und Lehrer sind total engagiert.«<br />
Zum nächsten Schuljahr wird auch<br />
Davids kleine Schwester eingeschult. Klar,<br />
dass auch Hanna auf die »Pesta« kommt.<br />
»Es geht hier nämlich um jedes einzelne<br />
Kind«, hat Claudia Walter festgestellt.<br />
»Und nicht allein um ein Klassenziel.«<br />
Rektor Gerald Rieger<br />
— | Trendwende<br />
Ein Viertel mit hohem Ausländeranteil,<br />
mit vielen von Arbeitslosigkeit betroffenen<br />
Familien. Als Gerald Rieger vor zehn<br />
Jahren als Rektor an die Pestalozzi-Schule<br />
kam, hatte die Welle der Gewalt auch diese<br />
Schule erreicht. Der Ruf war schlecht.<br />
Es häuften sich Anträge von Eltern, die ihre<br />
Kinder auf andere Schulen schicken<br />
wollten. Heute hat sich dieser Trend gedreht.<br />
Auch Beatrix Köhrer hat ihren Sohn<br />
Lukas ganz bewusst auf die Pestalozzi-<br />
Schule geschickt. Abgesehen vom pädagogischen<br />
Konzept, von dem sie begeistert<br />
ist: »Ich arbeite Teilzeit und da brauche ich<br />
eine Schule, in der ich das organisiert bekomme«,<br />
erklärt sie. Und ist froh, dass es<br />
eine sehr gute Kernzeitenbetreuung für<br />
ihren Jüngsten gibt.<br />
— | Schule ist Treffpunkt<br />
Kernzeitenbetreuung vormittags, ein<br />
Schülercafé, jeden Nachmittag Freizeitangebote<br />
und Arbeitsgemeinschaften: Schule<br />
ist mehr als nur Unterricht. Die 15-jährige<br />
Astrid schwärmt beispielsweise von dem<br />
Selbstverteidigungskurs für Mädchen, der<br />
nachmittags angeboten wird. Willi, 17<br />
Jahre alt, kommt regelmäßig zur Sport-<br />
AG. »Die Schule ist für uns auch nachmittags<br />
Treffpunkt«, sagt er. Viele Lehrerinnen<br />
und Lehrer engagieren sich nachmittags,<br />
eingebunden sind aber auch Vereine<br />
und das Jugendhaus.<br />
— | Schule braucht Partner<br />
1993 hatte Gerald Rieger erstmals zu<br />
einer Stadtteilkonferenz eingeladen und<br />
um Partner für die Kinder und Jugendlichen<br />
geworben. Im sozialen Bereich sind<br />
Rektor und Kollegium schon vorher aktiv<br />
geworden. »Es wurde uns damals bewusst,<br />
dass wir die Probleme alleine nicht bewältigen<br />
können«, erklärt Lehrerin Doris<br />
Sobiesiak. Die Schule hat sich Unterstüt-<br />
Am 12. März 1999 haben die Bundesvereinigung<br />
der Deutschen Arbeitgeberverbände<br />
(BDA) und das Kultusministerium<br />
eine gemeinsame Erklärung zur<br />
Hauptschulbildung verabschiedet.<br />
Darin empfiehlt die BDA allen Bundesländern,<br />
der Hauptschule den Stellenwert<br />
wie in <strong>Baden</strong>-Württemberg zu geben<br />
und vergleichbare Maßnahmen<br />
zur qualitativen Weiterentwicklung der<br />
Hauptschule einzuleiten.<br />
Die gemeinsame Erklärung kann angefordert<br />
werden beim Kultusministerium,<br />
Ref. IV/2, Postfach 10 34 42,<br />
70029 Stuttgart, im Internet unter<br />
www.kultusministerium.badenwuerttemberg.de/schulmagazin
zung von außen gesucht. Kontakte wurden<br />
geknüpft, zunächst zum Jugendhaus<br />
im Stadtteil und zum Sozialen Dienst, der<br />
übrigens heute regelmäßige Sprechstunden<br />
in der Schule hält. Die direkte Nähe<br />
von Hilfseinrichtungen tut gut, beide Seiten<br />
profitieren im Interesse der Schülerinnen<br />
und Schüler davon. »Der Soziale<br />
Dienst erfährt früher und sicherer von<br />
Problemen«, sagt Doris Sobiesiak. »Und<br />
wir können gemeinsam agieren. Und etwa<br />
eine Hausaufgabenbetreuung, den Besuch<br />
einer sozialtherapeutischen Tagesgruppe,<br />
eines sozialen Trainingskurses oder der<br />
Präventivgruppe – alles übrigens im vertrauten<br />
Schulmilieu – organisieren.«<br />
— | Basisarbeit in der <strong>Grundschule</strong><br />
Dass gerade in der Hauptschule die<br />
Probleme weniger fühlbar sind und nicht<br />
mehr so eskalieren, führt Doris Sobiesiak<br />
auf diese »Basisarbeit« in der <strong>Grundschule</strong><br />
zurück. In der die Lehrer allerdings vieles<br />
ausgleichen müssen: »Immer mehr Schüler<br />
sind unfähig, andere einzubeziehen,<br />
sich in einer Gemeinschaft einzufügen«,<br />
hat die Pädagogin festgestellt. Es wird –<br />
immer in Zusammenarbeit mit den Eltern<br />
– versucht, diese Defizite auszugleichen:<br />
in Kooperation mit der Förderschule und<br />
der Schule für Erziehungshilfe, mit der<br />
Erziehungsberatungsstelle, die regelmäßig<br />
Sprechstunden in der Schule hält, aber<br />
auch in speziellen Klassen für Kinder mit<br />
erhöhtem Erziehungsbedarf (E-Klasse). Für<br />
einen ihrer Schüler hat Heidi Pelizaeus beispielsweise<br />
über den Sozialen Dienst nachmittags<br />
den Besuch einer therapeutischen<br />
Tagesgruppe organisiert. Wenn ein ande-<br />
res Kind in der E-Klasse nicht zum täglichen<br />
gemeinsamen Frühstück beitragen<br />
kann, weil es von zu Hause nichts mitbekommt,<br />
ist es selbstverständlich, dass<br />
die Mitschüler teilen.<br />
— | Schule ist Sicherheit<br />
Mit dem Vermitteln sozialer Kompetenzen<br />
bereits in der <strong>Grundschule</strong> weniger<br />
Probleme in der Hauptschule? »Klar, Prügeleien<br />
gibt es ab und zu«, sagt Astrid.<br />
Und Julia erzählt, dass sie von einer Mitschülerin<br />
massiv beschimpft und bedroht<br />
wurde. Das Mädchen informierte die<br />
Klassenlehrerin. Und Emel, die Schulsprecherin.<br />
Zumindest eine Entschuldigung<br />
hat sie daraufhin erhalten. »Wir können<br />
die Situationen in den Familien nicht in<br />
Ordnung bringen«, sagt Gerald Rieger zu<br />
den in der Schule auftauchenden Problemen.<br />
»Aber wir können zumindest dafür<br />
sorgen, dass die Kinder ohne Angst und<br />
mit Freude in die Schule gehen.« In besagtem<br />
Fall hat er mit Wissen der Eltern den<br />
Sozialen Dienst informiert, weil er die familiären<br />
Schwierigkeiten der aggressiven<br />
Schülerin kennt. Konflikte und Probleme<br />
werden in der Pestalozzi-Schule sofort angesprochen,<br />
es wird versucht, sie zu lösen.<br />
»Die Schule ist für die Kinder ein Stück<br />
Sicherheit«, hat Rieger festgestellt. »Sie<br />
wissen, dass sie mit ihren Schwierigkeiten<br />
zu uns kommen können, und das entlastet<br />
sie. Sie müssen nichts vertuschen«, sagt<br />
Doris Sobiesiak. »Die Lehrer sind total<br />
gut hier«, drückt es Viktoria aus. Sie ist<br />
dieses Schuljahr erst auf die »Pesta« gewechselt.<br />
»Die Lehrer erklären viel, und<br />
man kann sich ihnen auch anvertrauen.«<br />
Was sie zudem positiv findet: »Hier gehen<br />
28 Nationen auf die Schule, und das geht<br />
gut.«<br />
An der »Pesta« sei egal, woher jemand<br />
stamme. »Er wird als Persönlichkeit gesehen<br />
und ernst genommen.« Diese Wertschätzung<br />
der Schüler – sie ist Gerald<br />
Rieger gerade in der Hauptschule sehr<br />
wichtig. Im Projekt »Guter Start in der<br />
Hauptschule« soll den Hauptschülern ganz<br />
bewusst gezeigt werden, dass Lehrer und<br />
Kooperationspartner für sie da sind, sich<br />
auch in der Freizeit um sie kümmern.<br />
»Wer in die Hauptschule kommt, hat oft<br />
das Gefühl, versagt, die Erwartungen der<br />
Eltern enttäuscht zu haben«, so der<br />
Rektor. Egal, ob Grund- oder Hauptschule:<br />
die Schüler sollen sie mit Freude<br />
besuchen. »Man lernt nur, wenn die pädagogische<br />
Liebe da ist zwischen Schüler<br />
und Lehrer«, sagt Rieger.<br />
— | Kooperation zahlt sich aus<br />
Mit ihrem Engagement und ihrem<br />
Angebot, mit der vielfältigen und vielschichtigen<br />
Kooperation, aber auch mit<br />
einem Vierteldeputat für Sozialarbeit und<br />
Sozialstunden ist die Pestalozzi-Schule inzwischen<br />
eine Modellschule. Rieger weiß<br />
jedoch, dass der Kampf um die besten<br />
Chancen für seine Schüler weitergeht. Im<br />
Herbst wird die neue Ganztagesgrundschule<br />
mit 22 Kindern in der ersten Klasse<br />
beginnen.<br />
Simone Gramalla, Journalistin, Karlsruhe<br />
Der bundesweit ausgeschriebene<br />
»Hauptschulpreis« wurde 1999 erstmals<br />
verliehen. Träger des Wettbewerbs<br />
ist die Initiative Hauptschule<br />
e.V., die von der Bundesvereinigung<br />
der Deutschen Arbeitgeberverbände,<br />
vom Deutschen Elternverein und vom<br />
Deutschen Lehrerverband zur Förderung<br />
innovativer Hauptschulkonzepte<br />
gegründet wurde. Die gemeinnützige<br />
Hertie-Stiftung fördert den<br />
»Hauptschulpreis«.<br />
Neben der Vielfalt des Schulprofils<br />
bewertete die Jury Leistungen wie<br />
etwa die Begegnung mit der Arbeitswelt,<br />
aber auch die Integration ausländischer<br />
Schüler oder Kooperation<br />
in der Jugendarbeit. Ein besonderes<br />
Kriterium: »die solide Alltagsarbeit in<br />
ungünstigem Umfeld«.<br />
15
16<br />
Schulpanorama<br />
Katharina<br />
»Mucopolysaccaridose«, eine Stoffwechselanomalie, sie<br />
verändert den Knochenbau, schwächt die Muskulatur, führt<br />
zu Hör- und Sehbehinderungen, grobmotorischen Störungen,<br />
eingeschränktem Tastsinn und so genanntem Zwergwuchs.<br />
Katharina ist zwölf Jahre alt und 90 Zentimeter groß. Sie hat<br />
»Mucopolysaccaridose«. Momentan ist die Sehbehinderung<br />
für sie die stärkste Einschränkung.<br />
»Katharina hat zwei Geschwister und lebt in einem sehr liebevollen<br />
Familienumfeld. Ihre Behinderung wird positiv angenommen<br />
und der Umgang damit ist sehr offen. Die ganze Familie<br />
wird von Verwandten und Freunden unterstützt«, das weiß Ute<br />
Hölscher, Sonderschullehrerin an der Beratungsstelle der Schule<br />
für Sehbehinderte in Waldkirch. Frau Hölscher kennt Katharina<br />
seit 1993. Ihre begleitende Beratung hat mitgeholfen, dass es mit<br />
dem Besuch der Hauptschule an ihrem Heimatort inzwischen<br />
gut klappt.<br />
Wie Katharina werden in <strong>Baden</strong>-Württemberg ca. 13.000<br />
Kinder und ihre Eltern sonderpädagogisch unterstützt und beraten.<br />
»Allein 600 Schülerinnen und Schüler mit einer Sehbehinderung<br />
gehen in eine allgemeine Schule. 400 sehbehinderte<br />
Kinder besuchen eine Sonderschule. Insgesamt sind es rund<br />
50.000 Schülerinnen und Schüler, die in Sonderschulen unterrichtet<br />
werden.« Sönke Asmussen, Fachreferent für Sonderpädagogik<br />
im Kultusministerium, kann die Statistik auswendig. »Aber<br />
Zahlen sagen nicht sehr viel. Jedes Kind ist anders. Die einen<br />
brauchen Sonderpädagogik in konzentrierter Form, bei den anderen<br />
ist die allgemeine Schule ein sehr guter Weg. Wir sorgen<br />
Miteinander und füreinander –<br />
nicht nur beim Klassenausflug<br />
für beide Förderwege und beide Förderwege sind denkbar. Welcher<br />
für das jeweilige Kind der Beste ist, kann nur im Einzelfall<br />
entschieden werden.«<br />
Für Katharina hat sich die Hauptschule am Wohnort als gute<br />
Wahl erwiesen. Dort besuchte sie auch den Regelkindergarten<br />
und die <strong>Grundschule</strong>.<br />
Im vierten Schuljahr musste gründlich abgewogen werden, ob<br />
Katharina in einer speziellen Schule für Sehbehinderte nicht besser<br />
gefördert werden könnte. Katharina versuchte es mit einer<br />
Probewoche in der Spezialschule und merkte schnell, dass sie den<br />
Anforderungen mit den täglichen Fahrzeiten nicht gewachsen<br />
war. Ihre Mutter wollte ihr das nicht zumuten: »Morgens um<br />
6.20 Uhr losfahren und nachmittags um 17 Uhr zurückkommen,<br />
das war für unsere Tochter eine zu lange Zeit.«<br />
Daher entschied sich die Familie für den Besuch der Hauptschule<br />
am Ort. Zum ersten Mal in Katharinas Integrationsgeschichte<br />
erlebte die Familie einen Einbruch: Sie erhielt eine<br />
Absage. Zu stark waren die Bedenken an der Schule, Katharinas<br />
Förderbedarf nicht entsprechen zu können.<br />
An dieser Stelle schaltete die Sonderschullehrerin die Arbeitsstelle<br />
Kooperation des Staatlichen Schulamtes Freiburg ein. Einzelgespräche<br />
mit den Eltern, der Schulleitung und den betroffenen<br />
Lehrern und Lehrerinnen führten weiter. Ängste und Zweifel<br />
wurden abgebaut. Gerold Diez, der als Lehrer damals neu an die<br />
Schule kam, hatte bereits positive Erfahrungen mit der Integration<br />
eines Kindes im Rollstuhl gesammelt. Er traute sich zu,<br />
Katharina in seine Klasse aufzunehmen.<br />
Im zweiten Anlauf also entschieden sich Katharina und alle<br />
Beteiligten für einen Versuch in der Hauptschule. Eventuell auftretende<br />
Schwierigkeiten sollten beobachtet und gemeinsam von<br />
der Beratungsstelle, weiteren Ansprechpartnern und den Eltern<br />
begleitet werden. Die Sonderschullehrerin stand bei Problemen<br />
als Ansprechpartnerin für Eltern und Lehrer zur Verfügung und<br />
Katharinas Lehrern wurden Fortbildungen ermöglicht.<br />
Um einen zielgleichen Unterricht zu gewährleisten, können<br />
generell auch außerschulische Hilfen in Anspruch genommen<br />
werden: Die Eltern beantragten zusätzliche »Eingliederungshilfe«<br />
nach dem Bundessozialhilfegesetz. Aus diesen Mitteln wurde ein
Zivildienstleistender finanziert, der Katharina bei der Bewältigung<br />
des Schulalltags praktisch unterstützt. Sehr hilfreich ist<br />
auch der Vorleseservice, der Schulbuchtexte und Bücher für die<br />
Freizeit professionell auf Hörkassetten spricht.<br />
Katharina wechselte mit einer Sehschärfe von zwanzig Prozent<br />
und eingeschränktem Kontrast- und Farbensehen in die Hauptschule.<br />
Ihre Sehkraft sank während der letzten beiden Jahre auf<br />
ein Prozent ab, was bedeutet, dass sie zurzeit nur noch »Orientierungssehen«<br />
hat. Daher benötigte sie etwa einen festen, 1,20<br />
Meter von der Tafel entfernten, auf ihre Größe angepassten Sitzplatz,<br />
eine eigene Beleuchtungseinrichtung am Tisch und eine<br />
gut ausgeleuchtete Tafel mit vergrößertem Tafelaufschrieb. »Wir<br />
haben medizinische und soziale Hintergründe im Vorfeld mit<br />
den Lehrkräften abgeklärt«, erläutert Ute Hölscher. »Methodischdidaktische<br />
Hinweise für den Unterricht wurden im Kollegium<br />
besprochen, wie etwa die Zeitzugaben, die Katharina beim Erfassen<br />
von Texten und bei der Orientierung auf dem Arbeitsblatt<br />
benötigt, oder kontrastreiches und vergrößertes Arbeitsmaterial,<br />
Verbalisieren des Tafelanschriebes, auch der Wechsel zwischen<br />
hohen und geringen Sehangeboten, um ihre Konzentrationsfähigkeit<br />
und Aufmerksamkeit zu erhalten. Ganz wichtig ist uns<br />
die Offenheit zwischen Katharina und ihren Mitschülern. Jederzeit<br />
soll ein Gespräch unter den Kindern über auftauchende Probleme<br />
zugelassen und so das Annehmen der Behinderung unterstützt<br />
werden.«<br />
Eine Unterrichtseinheit über Sehbehinderung lehrte Mitschülerinnen<br />
und Mitschüler, unterschiedliche Auswirkungen<br />
verschiedener Sehbehinderungen einzuschätzen. Die Sonderschullehrerin<br />
brachte »Simulationsbrillen« mit. So konnten alle<br />
erfahren, was es heißt, mit reduziertem Sehen zu leben und zu<br />
lernen. Alle durften verschiedene Hilfsmittel ausprobieren, damit<br />
sie als vertraute Medien in das Klassengeschehen mit einbezogen<br />
werden konnten. »Die anderen Kinder konnten sich ein bisschen<br />
in Katharina hineinversetzen.«<br />
»Dabei sein allein ist noch keine Integration«, meint Sönke<br />
Asmussen. Er weiß, wie sehr die Behinderung eines Mitschülers<br />
für die ganze Klasse – manchmal für die ganze Schule – zum<br />
<strong>Thema</strong> wird.<br />
Die Leiter des Erfolgs – auch<br />
Klettern ist möglich, wenn sich<br />
helfende Hände ausstrecken.<br />
»… alle sind sehr nett zu mir und<br />
ich möchte in keine andere Schule<br />
gehen«<br />
In Katharinas Klasse entwickelten sich Sensibilität und<br />
Hilfsbereitschaft. Mit ihren 90 Zentimetern Körpergröße wurde<br />
Katharina zum Bezugspunkt für manche innere und äußere<br />
Veränderung in ihrer Schule.<br />
Insbesondere in den ersten Unterrichtswochen gab es häufig<br />
Rückfragen der Kolleginnen und Kollegen an die Sonderschullehrerin.<br />
Das Interesse für sonderpädagogische Fragen wuchs von<br />
ganz allein. Da passierte schulinterne Fortbildung ohne großes<br />
Aufheben. Katharina hat das Kollegium in Bewegung gebracht.<br />
Die Skepsis ist nicht einfach verflogen, sie wurde aufgearbeitet.<br />
Wie gut, dass Katharina eine so starke Ausstrahlung hat. Bei manchen<br />
wurde aus Angst zuerst Interesse und dann Bewunderung.<br />
»In ihren Leistungen braucht sich Katharina nicht hinter den<br />
anderen zu verstecken«, meint ihr Lehrer. Vor kurzem war<br />
Katharina krank. »Wir hatten ein richtiges Vakuum in der<br />
Klasse«, berichtet Herr Diez. »Die Kinder haben sich große Sorgen<br />
gemacht, wie es mit Katharina weitergeht. Wir haben ihr geschrieben<br />
und sie im Krankenhaus besucht.«<br />
»Ich würde mich jederzeit wieder für unseren gemeinsamen<br />
Weg mit Katharina entscheiden«, lautet das Fazit des Klassenlehrers.<br />
Die Umstellung auf neue Unterrichtswege ist sicher nicht<br />
einfach. Aber die sozialen Aspekte, das, was auch die Mitschüler<br />
und Mitschülerinnen davon haben, wiegen das alles wieder auf.«<br />
»Wenn wir meine Tochter morgens zur Schule bringen, kommen<br />
die Kinder aus ihrer Klasse schon angelaufen, um ihr die<br />
Tasche zu tragen«, erzählt die Mutter. »Ich gehe gerne zur<br />
Schule«, ergänzt Katharina. »Mein Problem ist eben, dass ich<br />
nicht gut sehen kann. Blindenschrift kann ich nicht lernen, weil<br />
das mit meinen Fingern nicht geht. Am meisten Spaß machen<br />
mir Deutsch und Englisch. Die Kinder in der Klasse sind alle<br />
sehr nett zu mir und ich möchte in keine andere Schule gehen.«<br />
Johanna Lembens-Schiel unter Mitarbeit<br />
von Ute Hölscher und Gerold Diez<br />
Kontakt: Beratungsstelle für blinde und sehbehinderte Kinder und<br />
Jugendliche Waldkirch, Wisserswandstraße 50, 79183 Waldkirch,<br />
E-Mail: sehen@aol.com<br />
17
18<br />
Schulpanorama<br />
Kennst du das Land?<br />
wo die Citronen blühn,<br />
im dunklen Laub die<br />
Gold-Orangen glühn ...<br />
Chor-AG, Flöten-AG, Kunst-AG, Orff-AG, Theater-AG –<br />
das alles gibt es an der Hauptschule Karlsbad.<br />
»Wir wollen das auch öffentlich machen« – sagten<br />
sich die Kolleginnen und Kollegen. Ein Rahmenthema<br />
für eine große Präsentation war schnell gefunden:<br />
im Goethe-Jahr? – ein Goethe-Abend! Lehrerin Silvia<br />
Vondano brachte gute Erfahrungen mit Goethe-<br />
Aktivitäten aus einer Realschule mit. Sie wurde zur<br />
Initiatorin und Koordinatorin des Projektes in Karlsbad.<br />
Nach viel, viel Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern<br />
stand es dann so im Programm:<br />
Goethe einmal anders<br />
Goethe steht im Mittelpunkt eines kulturellen<br />
Abends, den die Hauptschule Karlsbad<br />
anlässlich des 250. Geburtstages des<br />
großen Dichters veranstaltet.<br />
Schülerinnen und Schüler aller Klassenstufen<br />
wirken dabei mit und stellen Goethe<br />
in ganz unterschiedlichem Lichte dar.<br />
Lassen Sie sich überraschen!<br />
»Unser Musik- und Festsaal war an dem<br />
Abend proppenvoll«, erzählt Rektor Volker<br />
Frey. »Das waren bestimmt 300 Leute.<br />
Auch in ihrer Freizeit haben Schüler und<br />
Lehrer unheimlich viel in den Abend investiert.«<br />
Silvia Vondano hat den Verlauf des<br />
Abends für das Schulmagazin beschrieben:<br />
»Durch das Programm führte ein<br />
Schüler als Moderator, der die einzelnen<br />
Programmpunkte geschickt miteinander<br />
verband. Auch Goethe selbst war anwesend<br />
und verfolgte bei einer Flasche Rotwein<br />
»vom Himmel« aus interessiert die<br />
Veranstaltung (Goethe: »Karl, komm her,<br />
das musst du auch sehen. Hier gibt es ein<br />
Fest zu meinem Geburtstag«.)<br />
Der erste Teil des Goethe-Abends zeigte<br />
Darbietungen rund um Goethes Ballade<br />
»Der Zauberlehrling«. Zehn Zauberlehrlinge,<br />
vier Besen und ein Hexenmeister<br />
spielten die Ballade fast klassisch. Immer<br />
wiederkehrende Textpassagen, wie z.B. die<br />
Zauberformeln, das geschäftige Treiben<br />
der Besen, das bedrohliche Anwachsen der<br />
Wassermenge sowie das majestätische Auf-<br />
Goethe in der Hauptschule<br />
treten des Hexenmeisters, wurden durch<br />
Orffsches Instrumentarium entsprechend<br />
herausgehoben.<br />
Dass ein ausgelernter Zauberlehrling<br />
sein Handwerk beherrscht, zeigten Schüler<br />
der 5. Klasse mit gekonnt dargebotenen<br />
Zaubertricks. Eine zweite Theatergruppe<br />
spielte anschließend eine moderne<br />
Fassung des Zauberlehrlings: die Azubis,<br />
die Auszubildenden. In vier von den<br />
Schülern selbst erarbeiteten Szenen, die jeweils<br />
in einer Kunstmaler-Werkstatt, einer<br />
Arztpraxis und einem Frisörsalon spielten,<br />
wurde gezeigt, was passiert, wenn der<br />
»Hexenmeister« – hier der Chef – sich<br />
»einmal wegbegibt«. Bei der vierten Szene<br />
– in der Computerfirma – ging es genau<br />
andersherum: Ein im Umgang mit dem<br />
Computer hilfloser Chef war hier auf die<br />
hervorragenden Kenntnisse seines Azubis<br />
angewiesen!<br />
Einen musikalischen Beitrag präsentierten<br />
die beiden siebten Klassen. Der Zauberlehrling-Musikmix<br />
war eine Parodie<br />
auf Goethes Zauberlehrling, bei der die<br />
Schüler sieben Strophen zu den verschie-
densten Musikstücken sprachen, sangen,<br />
tanzten, darstellten. Techno-Sound, die<br />
Arie der »Königin der Nacht«, den Popsong<br />
»Bailando«, Beethovens »Für Elise«,<br />
ein Jodellied von NDD (Neuer Deutscher<br />
Dancefloor), »Sabre Danse« von Khachaturian,<br />
die Nationalhymne – so vielfältig wie<br />
die Musikrichtungen, so originell waren<br />
auch die Jugendlichen in ihren Darbietungen<br />
und ihren Kostümen: schwarze<br />
»Trauerklöße«, Grazien in langen »Opern«-<br />
Abendkleidern, Russen in Stiefeln und Fellmützen,<br />
eine Gruppe im »Jodel-Outfit«.<br />
Der zweite Teil des Abends begann mit<br />
dem »Hexeneinmaleins« aus dem »Faust«.<br />
Der Chor stellte zwei musikalische Varianten<br />
des Textes vor, eine klassische und eine<br />
Rap-Version.<br />
»Goethe und die Frauen« oder »Goethe<br />
war auch nur ein Mann« war Ausgangspunkt<br />
und gleichzeitig Rahmen für eine<br />
sehr intensive Beschäftigung mit Goethe<br />
im 9. Schuljahr. Mit Hilfe von vorbereitetem<br />
Bildmaterial, Briefen, Textauszügen,<br />
Zeitungsberichten und gezielten Fragen<br />
untersuchten die Schülerinnen und Schüler<br />
in Kleingruppen je eine Beziehung zu<br />
einer Frau. Beginnend mit Käthchen<br />
Schönkopf, in die sich der 16-jährige<br />
Goethe verliebte, über Friederike Brion,<br />
Charlotte Buff, Lili Schönemann, Faustina<br />
Antonini, Charlotte von Stein, Marianne<br />
von Willemer bis hin zur 18-jährigen<br />
Ulrike von Levetzow, der Goethe im Alter<br />
von 74 Jahren noch einen Heiratsantrag<br />
machte.<br />
So vermittelte beispielsweise die Beziehung<br />
zu Friederike Brion ein Bild von<br />
Goethes Straßburger Studienzeit und förderte<br />
das Verständnis der damals entstandenen<br />
Liebesgedichte: Willkommen und<br />
Abschied und Heidenröslein. 3<br />
Dahin! Dahin<br />
Möcht’ ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn!<br />
Der Hexen-Rap<br />
Du musst verstehn!<br />
Aus Eins mach Zehn,<br />
Und Zwei lass gehn,<br />
Und drei mach gleich,<br />
So bist du reich.<br />
Verlier die Vier!<br />
Aus Fünf und Sechs,<br />
So sagt die Hex,<br />
Mach Sieben und Acht,<br />
So ist’s vollbracht:<br />
Und Neun ist Eins,<br />
Und Zehn ist keins.<br />
Das ist das Hexen-Einmaleins!<br />
… Und nun komm, du alter Besen!<br />
Nimm die schlechten Lumpenhüllen;<br />
Bist schon lange Knecht gewesen;<br />
Nun erfülle meinen Willen!<br />
Auf zwei Beinen stehe,<br />
Oben sei ein Kopf,<br />
Eile nun und gehe<br />
Mit dem Wassertopf!<br />
Walle! walle<br />
Manche Strecke,<br />
Dass, zum Zwecke,<br />
Wasser fließe,<br />
Und mit reichem, vollem Schwalle<br />
Zu dem Bade sich ergieße.<br />
…<br />
Ach da kommt der Meister!<br />
Herr, die Not ist groß!<br />
Die ich rief, die Geister,<br />
Werd ich nun nicht los.<br />
»In die Ecke,<br />
Besen! Besen!<br />
Seids gewesen.<br />
Denn als Geister<br />
Ruft euch nur, zu seinem Zwecke,<br />
Erst hervor der alte Meister.«<br />
19
20<br />
Schulpanorama<br />
Wandrers Nachtlied<br />
- bayrisch -<br />
Üba olle Gipfen iss staad.<br />
In olle Wipfen waht<br />
nur a Lüftal, so weich -<br />
Koa Vogal rührt si im Woid.<br />
Wart nur, boid<br />
bist aar a Leich.<br />
»Das hochberühmte, scheinbar simple und verständliche<br />
Gedicht gibt Rätsel auf. Probleme über<br />
Probleme...« Walter Jens über Wandrers Nachtlied<br />
Um die attraktive Faustina Antonini<br />
kennen zu lernen, mussten die Schülerinnen<br />
und Schüler mit Goethe nach Italien<br />
reisen. »Kennst du das Land? wo die<br />
Citronen blühn...« Die Dauer und Umstände<br />
einer Reise im 18. Jahrhundert, die<br />
Stationen der Reise, Goethes Liebe zu<br />
Rom gehörten ebenfalls zur Beschäftigung<br />
mit Faustina.<br />
Das alles und manches mehr wurde in<br />
einem Theaterstück verarbeitet: Vier<br />
Schülerinnen ließen das Leben Goethes<br />
unter dem Gesichtspunkt seiner Affären<br />
Revue passieren. – Goethe, der die Darbietung<br />
verfolgt, gibt dazu Kommentare<br />
aus seiner Erinnerung und möchte »die<br />
reizenden jungen Damen am Ende der<br />
Vorstellung gleich kennen lernen«.<br />
Eingehend befasste sich die Klasse 8<br />
mit dem Gedicht »Wandrers Nachtlied«,<br />
mit den Hintergründen seiner Entstehung,<br />
den Wandlungen, die diese Zeilen<br />
durch die zahlreichen Übersetzungen erfahren<br />
haben, aber auch mit den absichtlichen<br />
Umdichtungen, Parodien, die aus<br />
ihm hervorgegangen sind. Nach der Darbietung<br />
einer bayrischen Version entstand<br />
in der Klasse die Idee, das Gedicht in alle<br />
Sprachen zu übersetzen, die von Schülern<br />
an der Schule gesprochen werden. So wurde<br />
»Wandrers Nachtlied« ins Polnische,<br />
Albanische, Russische, Türkische, Bosnische,<br />
Italienische, Französische und Englische<br />
übertragen.<br />
Die japanische Übersetzung war eine<br />
Gemeinschaftsproduktion der Klasse. Bekannte<br />
japanische Wörter oder Silben<br />
wurden so zusammengesetzt, dass bei entsprechender<br />
Intonation eine »sehr japanisch<br />
anmutende Übersetzung« des Goethe-<br />
Gedichts entstand. Entsprechende Kleidung<br />
und Kopfbedeckungen sowie die<br />
Flagge des jeweiligen Landes vervollständigten<br />
die Darbietung: Ein Gedicht geht<br />
um die Welt.<br />
Insgesamt waren ca. 150 Schülerinnen<br />
und Schüler am Projekt beteiligt. Die<br />
Klassen 8 und 9 gestalteten Stellwände:<br />
Informationen in Wort und Bild zu<br />
Goethes Familie, Goethe in Weimar, Kleidermode<br />
zur Goethe-Zeit, Goethe und<br />
die Frauen, Goethe-Zeitleiste, Goethe zum<br />
Schmunzeln, Goethe in den Medien,<br />
Goethes Briefwechsel, Goethe-Quiz. Mehr<br />
als die Hälfte aller Schülerinnen und<br />
Schüler unserer Hauptschule nahm am<br />
Goethe-Quiz teil, bei dem es attraktive<br />
Preise zu gewinnen gab.<br />
Die klassen- und jahrgangsübergreifende<br />
Arbeit führte zu einer verstärkten<br />
Kommunikation und Kooperation sowohl<br />
der Schüler als auch der Lehrer, was letztlich<br />
die Atmosphäre des Schulalltags belebte<br />
und ein positives und offenes Klima<br />
schuf. Der Wunsch, eine gute Aufführung<br />
auf die Beine zu stellen, verband Schüler<br />
und Lehrer und setzte ein ungeahntes<br />
Potenzial frei, so dass letztlich – trotz aller<br />
Aufregungen und Strapazen – ein Konsens<br />
darüber entstand, dass ein solches Projekt<br />
– nach einer wohlverdienten Pause – erneut<br />
angegangen werden sollte.<br />
»Der Goethe-Abend wirkt über den<br />
Tag hinaus«, sagt Rektor Frey. »Die Eltern<br />
merken, was eine Hauptschule bieten<br />
kann. Wir hatten noch nie so einen starken<br />
Übergang aus der <strong>Grundschule</strong> zu<br />
uns wie dieses Jahr. Die Eltern ziehen jetzt<br />
auch besser mit, wenn es Versetzungen von<br />
der Realschule zu uns gibt. Die sehen halt,<br />
dass wir mit ihren Kindern was Gutes anfangen.«<br />
7
Goethe en miniature<br />
Beim 9. Landeswettbewerb »Deutsche Sprache und Literatur <strong>Baden</strong>-Württemberg« gab<br />
es anlässlich des Goethe-Jahres auch eine Goethe-Aufgabe. Das <strong>Thema</strong> Nummer 4 (von<br />
insgesamt 6) lautete: »Goethe en miniature: Begründen Sie sechs Motivvorschläge für<br />
einen Briefmarkensatz zum Goethejahr 1999«. Schülerinnen und Schüler der Oberstufe<br />
an den Gymnasien des Landes waren zur Teilnahme eingeladen. Der Preisträger Kai Martin<br />
Wiegandt vom Humboldt-Gymnasium in Ulm schlug unter anderem vor, eine Briefmarke<br />
als Hologramm zu gestalten. Dafür lieferte er folgende Begründung:<br />
Goethe im Hologramm:<br />
Januskopf /»Tot und lebendig«<br />
»Sieht man es aus etwas weiterer Entfernung,<br />
so erkennt man kaum mehr als<br />
ein paar schillernde Schlieren; erst aus der<br />
Nähe betrachtet zeichnen sich Linien und<br />
Konturen ab. Dreht man das Hologramm<br />
nun, so ergeben sich plötzlich ganz andere<br />
Formen. Es ist also möglich, zwei Figuren<br />
in einem Bild erscheinen zu lassen, wobei<br />
der Reiz darin liegt, dass stets eine von ihnen<br />
unsichtbar bleibt.<br />
Von links betrachtet zeigt die Marke einen<br />
Gipsabdruck von Goethes altem und<br />
etwas eingefallenen Gesicht. Eine Totenmaske:<br />
Starr, kalt und fahl gibt sie den<br />
Zustand des Toten wieder. Der Anblick<br />
hat nichts Schauerliches. Vielmehr liegt in<br />
ihm eine sanfte Ruhe, die Züge erzählen<br />
von einem erfüllten Leben. Wandert der<br />
Blick des Betrachters aber nach rechts,<br />
sieht ihm ein überaus vitaler Goethe entgegen.<br />
Goethe als Stürmer und Dränger,<br />
wie er, den Blick nach oben gerichtet, in<br />
die Ferne ruft. Seine Augen sind weit aufgerissen,<br />
und das Haar ist zerzaust, doch<br />
sieht man sofort, dass ihm nicht ein<br />
Schrecken, sondern eine frohe Überraschung<br />
in den jungen Gliedern steckt.<br />
Begründung<br />
Wenn im Jahre 1999 Goethes 250.<br />
Geburtstag gefeiert wird und man um die<br />
relative Lebenserwartung des Menschen<br />
weiß, dann ist klar, dass da ein Toter gefeiert<br />
wird. Der einzige Grund jedoch, einen<br />
Toten zu feiern, ist, dass es sich um einen<br />
äußerst lebendigen Toten handelt. Wäre<br />
dieser Goethe für unser heutiges Leben in<br />
all seinen Ausprägungen völlig belanglos,<br />
nun, man hätte ihn in seiner Gruft ruhen<br />
lassen, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.<br />
Dem ist aber nicht so. Goethe ist lebendig.<br />
Warum?<br />
Goethes Werke, allen voran »Faust«,<br />
werden in aller Welt gelesen. Sie gelten als<br />
Weltliteratur, sind teilweise Bestandteil<br />
schulischer Bildung und bereiten zahllosen<br />
Menschen auf dieser Erde Freude und<br />
so manches Glücksgefühl. Dies ist mit<br />
Abstand der wichtigste Punkt.<br />
›Goethe war gut‹, urteilt der ausgewiesene<br />
Literaturexperte Rudi Carell aus intimer<br />
Kenntnis des Gesamtwerks. Und präzisiert:<br />
›Mann, der konnte reimen!‹ –<br />
Mag sein. Viel wichtiger: Goethe geht gut.<br />
Die Verlage haben Goethe längst als Zugpferd<br />
für eine gewaltige Buchindustrie<br />
entdeckt. Da kommt ein 250. Geburtstag<br />
freilich gelegen...«<br />
Weitere Informationen zu<br />
diesem Wettbewerb des Kultusminsteriums<br />
unter:<br />
www.lbs.bw.schule.de/<br />
gymnasium<br />
Goethe en route<br />
Insgesamt 31.000 km legte Goethe<br />
bei seinen 40 großen Reisen zurück:<br />
dreimal ging es zum Beispiel in die<br />
Schweiz, zweimal nach Italien und<br />
sechzehnmal nach Böhmen. Die Tagesleistung<br />
einer Pferdekutsche betrug<br />
damals – bei 7 bis 12 km/h – maximal<br />
75 bis 100 km. – Auch solche Details<br />
über das Reisen zu Goethes Lebzeiten<br />
sind nachzulesen in »Unterwegs zu<br />
Goethe«, einem »literarischen Reiseführer«,<br />
den die Schülerinnen und<br />
Schüler des Grundkurses Deutsch am<br />
Rotteck-Gymnasium Freiburg als<br />
Beitrag zum Goethe-Jahr erarbeitet haben.<br />
Mit vielen nützlichen Tipps (z.B.<br />
Hinweise auf Jugendherbergen) und<br />
zahlreichen zeitgenössischen Abbildungen<br />
bietet der Reiseführer nicht<br />
nur eine gute Informationsgrundlage<br />
zur Vorbereitung von Klassen- und<br />
Studienfahrten, sondern auch eine<br />
verlässliche Einführung in Leben und<br />
Werk. Wer mit diesem Führer »Unterwegs<br />
zu Goethe« ist, kann an wichtigen<br />
Stationen informativen Halt machen:<br />
in seiner Vaterstadt Frankfurt am<br />
Main mit dem dortigen Geburtshaus,<br />
in Leipzig, wo Johann Wolfgang 1765<br />
das Jurastudium aufnahm, in Straßburg<br />
oder in Sesenheim, wo er sich in<br />
die Pfarrerstochter Frederike Brion<br />
verliebte. Natürlich gibt es auch eine<br />
ausführliche Routenbeschreibung<br />
durch Goethes (und Schillers) Weimar,<br />
außerdem eine Abhandlung über die<br />
erste Schweizreise von 1775 und eine<br />
kulturgeschichtliche Betrachtung zu<br />
Goethes Italien- und Romreise 1786.<br />
»Unterwegs zu Goethe« gibt es im<br />
Internet unter www.rg.fr.bw.schule.de<br />
21
22<br />
Schulpanorama<br />
Kelten im Internet<br />
Zu einem besonderen Unternehmen haben sich drei deutsche und<br />
eine französische Schule zusammengetan: Das »Heuneburgprojekt«<br />
realisierte eine ganze Reihe zukunftsorientierter Unterrichtsmethoden,<br />
darunter die praktische Arbeit vor Ort, die<br />
fächerübergreifende, projektorientierte Zusammenarbeit<br />
von Schulen, Museen und Wissenschaft im<br />
In- und Ausland, die Integration von Behinderten<br />
und nicht zuletzt die konsequente Nutzung des<br />
Internet für Kommunikation, Recherche und<br />
Präsentation.<br />
Auf der Heuneburg, einem Geländesporn über<br />
dem linken Donauufer, konnten umfangreiche<br />
Siedlungs- und Befestigungsspuren vom Ende der<br />
Jungsteinzeit (3. – 2. Jahrtausend v. Chr.) bis ins<br />
Hochmittelalter (11. – 12. Jahrhundert n. Chr.) nachgewiesen<br />
werden. Der Schwerpunkt der Besiedlung<br />
lag im 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. Während<br />
dieser Zeit bestand auf der Heuneburg eine befestigte<br />
Siedlung mit Bauten und Fundstücken,<br />
die außergewöhnlich und zum Teil sogar einzigartig<br />
sind. Eine nach südländischem Muster errichtete<br />
Befestigungsmauer aus luftgetrockneten<br />
Lehmziegeln, aber auch der Güteraustausch über<br />
weite Strecken – unter anderem mit den Mittelmeerländern<br />
– bezeugen die überregionale Bedeutung<br />
dieses Zentrums, das nicht nur die Burgsiedlung<br />
mit 3,3 Hektar Fläche umfasste, sondern<br />
auch noch eine unbefestigte Außensiedlung von<br />
etwa 20 Hektar. Die Heuneburg bietet einen beispielhaft<br />
vollständigen Überblick über die Entwicklung<br />
einer vorgeschichtlichen Siedlung. Im<br />
engeren Umkreis der Heuneburg sind außerdem<br />
zahlreiche Hügelgräber erhalten und teilweise<br />
ausgegraben. Die monumentale Erscheinung<br />
mancher Grabhügel, verbunden mit geradezu luxuriösen<br />
Grabausstattungen lassen auf eine herausragende<br />
und sozial differenzierte Bevölkerung<br />
schließen. Nach einem katastrophalen Brand,<br />
dem die frühkeltische Heuneburg zum Opfer gefallen<br />
ist, liegen die nächsten Bauspuren erst wieder<br />
aus nachchristlichen Perioden vor. Seit dem<br />
Beginn des Mittelalters wurde die Heuneburg<br />
noch dreimal mit jeweils eigenständigen Befestigungen<br />
umgeben. Verteidigungsmaßnahmen gegen<br />
die Ungarneinfälle (9./10. Jahrhundert) führten<br />
zur heutigen Erscheinungsform.<br />
http://www.dhm.de/museen/heuneburg/<br />
Mittelpunkt des Geschehens war die Heuneburg, ein keltischer Fürstensitz<br />
bei Hundersingen. Keltische Lebensformen erarbeiteten und erlebten die<br />
Schülerinnen und Schüler des Graf-Zeppelin-Gymnasiums Friedrichshafen<br />
(GZG), des Martin-Gerbert-Gymnasiums Horb (MGG) und der Tannenhagschule<br />
für Geistigbehinderte Friedrichshafen-Fischbach (THS) in enger<br />
Zusammenarbeit mit dem Freilichtmuseum Heuneburg. Das Lycée Châtillonsur-Seine<br />
(LCS) steuerte umfangreiche Informationen über das keltische<br />
Fürstengrab auf dem Mont Lassois nordwestlich von Châtillon-sur-Seine<br />
bei. Ziel war von Anfang an, ein Kapitel der Geschichte hautnah zu erleben,<br />
durch eigene Recherchen Einzelthemen zu erschließen, wissenschaftlich zu<br />
untermauern und in verschiedenen Medien zu präsentieren. Die Projekttage<br />
fanden vom 17. bis 21. Mai 1999 statt.<br />
Neben archäologischer Arbeit vor Ort widmeten sich die einzelnen<br />
Arbeitsgruppen unterschiedlichen Themen aus der keltischen Lebenswelt,<br />
etwa der keltischen Religion oder den Reisen eines Heunefürsten, bauten<br />
einen keltischen Rennofen zur Metallverarbeitung und studierten dessen<br />
chemische Prozesse. Wissenschaftliche Vorgehensweisen lernten die Schülerinnen<br />
und Schüler unter anderem mittels der C14-Methode und der Dendrochronologie<br />
kennen, die anhand der Muster der Jahresringe im Holz<br />
Altersbestimmungen vornehmen kann.<br />
Einer der Höhepunkte der Veranstaltung war das gemeinsame Zeltlager<br />
von THS und MGG auf der Heuneburg. Die Schülerinnen und Schüler der<br />
Tannenhagschule für Geistigbehinderte bauten mit Hilfe eines Archäologen<br />
einen Lehmbackofen. Wie die alten Kelten trugen sie den Lehm zusammen,<br />
bereiteten ihn auf und formten den Ofen. Ganz klar, dass am Ende die praktische<br />
Erprobung stand: selbst gebackene Brötchen waren die Belohnung für<br />
die Arbeit. Doch es gab noch mehr Aufgaben: Für die Befestigung der<br />
Schindeln des Wehrgangs auf der neu errichteten Lehmziegelmauer stellten<br />
die Schülerinnen und Schüler der THS Holznägel her. Und unter fachkundiger<br />
Leitung lernte man Bogenschießen. Für jede Arbeitsgruppe standen<br />
neben der begleitenden Lehrkraft ein oder zwei Fachberater zur Verfügung,
unter anderem vom Institut für Klassische Archäologie Tübingen, vom<br />
Landesdenkmalamt Tübingen, von der Universität Lyon, der Fachhochschule<br />
Aalen, dem Museum in Châtillon-sur-Seine und natürlich vom<br />
Heuneburgmuseum. War der direkte Kontakt nicht möglich, kommunizierte<br />
man via E-Mail oder Chat. Dafür hielt das Rathaus Hundersingen sechs<br />
PCs bereit, die auch ausgiebig für Recherchen im Internet genutzt wurden.<br />
Neben der praktischen Arbeit ist die Dokumentation wichtiger Teil eines<br />
jeden Projektes. Zwei Mediengruppen filmten und fotografierten, den<br />
Lokalzeitungen wurden mehrere Berichte geliefert. Hätte nicht plötzlich das<br />
Bodenseehochwasser die Nachrichten beherrscht und einige Artikel der<br />
Schülerinnen und Schüler kurzfristig wieder aus den Zeitungen verdrängt -<br />
dem Heuneburgprojekt wäre mit Sicherheit ein größeres Medienecho beschieden<br />
gewesen.<br />
Allerdings schufen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre eigenen<br />
Dokumentationen: im Internet. Die einzelnen Arbeitsgruppen stellen sich<br />
dort in Bild, Text und Ton vor. Zahlreiche Interviews mit Experten sind so<br />
am PC abzurufen. Dank zahlreicher Verweise lassen sich außerdem einzelne<br />
Fragestellungen über den Rahmen des Projekts hinaus verfolgen. Ein weiterer<br />
Klick – und man befindet sich im virtuellen Freilichtmuseum Heuneburg<br />
und bekommt einen Gesamtüberblick über die Heuneburg, wie ihn sonst<br />
nur größere Museumsführer bieten.<br />
Bei einem solch vielfältigen Projekt erstaunt es wenig, wenn nun auch<br />
schon eine Unterrichtseinheit Heuneburg für die <strong>Grundschule</strong> und Sekundarstufe<br />
I im Internet angeboten wird. Lehrkräfte können sich bei Lehrer online,<br />
einem Angebot von Schulen ans Netz e.V., mit entsprechenden Materialien<br />
versorgen.<br />
Die Ergebnisse, da sind sich die Organisatoren einig, sind denkbar positiv.<br />
Neben erfolgreicher Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Schularten<br />
und mehreren Institutionen können die Schülerinnen und Schüler eine<br />
ganze Reihe von Dokumentationen und einen sicheren Umgang mit dem<br />
Medium Computer vorweisen – und ganz nebenbei ergab sich, wie spannend<br />
Geschichte sein kann.<br />
Carsten Rabe<br />
Weitere Informationen finden Sie unter<br />
www.kultusministerium.baden-wuerttemberg.de/schulmagazin<br />
Das Heuneburgprojekt präsentiert sich unter<br />
www.gzg.fn.bw.schule.de/heunebg<br />
»Am Anfang war ich etwas skeptisch, ob<br />
die Kinder überhaupt für so weit entfernte<br />
Zeiten zu begeistern sind. Aber die Möglichkeit,<br />
Dinge praktisch auszuprobieren oder<br />
am Bau mitzuarbeiten, hat sie doch<br />
begeistert. Ich hoffe, dass sich dieses Konzept<br />
in Zukunft auch auf weitere Unterrichtsfächer<br />
ausdehnen lässt.«<br />
Sabine Hopert, Archäologin und Leiterin des<br />
Freilichtmuseums Heuneburg<br />
Unterrichtseinheit<br />
Heuneburg<br />
Die Unterrichtseinheit »Keltischer Fürstensitz<br />
Heuneburg /Keltenfürst von Hochdorf« arbeitet<br />
konsequent mit der Möglichkeit, über Internet<br />
Kontakt aufzunehmen zu Museumsfachleuten<br />
und Archäologen und setzt dabei auf die Aktualität<br />
des Internet, eine Aktualität, die im Buch so<br />
nicht gegeben ist. Die Schülerinnen und Schüler<br />
werden auf Probleme hingeführt, zu deren Beantwortung<br />
sie kompetente Hilfe von Museumsfachleuten<br />
und Archäologen brauchen. Insofern<br />
eignet sich die Unterrichtseinheit auch als kleine<br />
Einführung in die Archäologie. Bewusst wird viel<br />
mit Bildern gearbeitet, um auch jüngere Schüler<br />
im Rahmen des Sach- und Heimatkundeunterrichts<br />
zu beteiligen und die Anschaulichkeit zu<br />
erhöhen. Der Wahlbereich ist optional, erlaubt<br />
aber in besonderem Maße, das Kulturgefälle zwischen<br />
Mittelmeerraum und dem Raum nördlich<br />
der Alpen zu verdeutlichen und zu problematisieren.<br />
Insofern kann die Einheit zur Herausarbeitung<br />
eines größeren Zusammenhangs auch nach<br />
der Behandlung der Griechen (und nach einem<br />
Seitenblick auf die Etrusker?) vergleichend eingesetzt<br />
werden.<br />
Bei Lehrer online (http://lo.san-ev.de) zu finden<br />
unter: Unterricht/Unterrichtspraxis/Gesellschaft/<br />
Geschichte/Heuneburg<br />
23
Von »A«<br />
wie »aufregend« ...<br />
DUDEN<br />
Das Grundschulwörterbuch<br />
Für Kinder ab der 2. Klasse<br />
Richtiges Schreiben ist nicht leicht. Da hilft es, wenn<br />
man weiß, wo man nachschlagen kann.11500 Begriffe,<br />
die Kinder heute gebrauchen. Mit einer Vielzahl witziger<br />
Illustrationen, die oft zum Lachen und Um-die-Ecke-<br />
Denken einladen.<br />
• 224 Seiten. Kartoniert.<br />
• 18,90 DM; 138,– öS; 18.– sFr.<br />
• ISBN 3-411-06061-1<br />
Richtig schreiben<br />
will gelernt sein.<br />
... bis »Z«<br />
wie »Zeppelin«<br />
Duden. Auf ihn können Sie sich verlassen.
<strong>Thema</strong><br />
28 | Frühes Fremdsprachenlernen<br />
32 | Die familienfreundliche<br />
<strong>Grundschule</strong>:<br />
Beispiele –<br />
Perspektiven<br />
35 | Pro und Contra:<br />
Männer in die<br />
<strong>Grundschule</strong>!<br />
36 | Begabtenförderung<br />
38 | Computer<br />
40 | Service<br />
Früher mussten ungezogene<br />
Schüler in der Ecke<br />
stehen. Heutzutage wird<br />
gekuschelt – heißt es.<br />
Wie sieht die <strong>Grundschule</strong><br />
wirklich aus? Dürfen<br />
Kinder Kinder sein oder<br />
ist die Schultüte die<br />
letzte Kindheitsfreude?<br />
<strong>Grundschule</strong><br />
<strong>Grundschule</strong> heute:<br />
Kuschelecke oder<br />
Ende der Kindheit?<br />
»Geben Sie Ihrer Schule eine Note«,<br />
lautete ein Punkt der bundesweiten repräsentativen<br />
Lehrerbefragung des Bundesbildungsministeriums<br />
(1997). 59% der<br />
befragten Lehrerinnen und Lehrer weiterführender<br />
Schulen gaben ihrer Schule die<br />
Note »eins« oder »zwei«. Bei den Lehrkräften<br />
an <strong>Grundschule</strong>n waren es sogar noch<br />
mehr, nämlich 74%, die ihrer Schule ein<br />
»gut« oder »sehr gut« ausstellten. In der<br />
<strong>Grundschule</strong> ist der Umgang mit Noten<br />
eben ein anderer, mag man einwenden.<br />
Aber weitere Fragen zu Einzelthemen im<br />
Rahmen der Untersuchung belegen: Die<br />
Grundschul-Profis sehen ihre Schule und<br />
deren Output für die Schülerinnen und<br />
Schüler durchweg positiver als die Lehrenden<br />
an Schulen der Sekundarstufe. Und:<br />
79% der Lehrerinnen und Lehrer an weiterführenden<br />
Schulen würden diesen Beruf<br />
wieder ergreifen, wenn sie noch einmal<br />
zu entscheiden hätten, im Bereich der<br />
<strong>Grundschule</strong> sind es 85%.<br />
Die Welt der <strong>Grundschule</strong> scheint also<br />
noch ziemlich in Ordnung zu sein, jeden-<br />
Daniela Hauser (7 Jahre) aus Weil im Schönbuch<br />
falls aus Sicht derer, die sie von Berufs wegen<br />
verantworten. Wie passt das zusammen<br />
mit den vielen Befürchtungen von<br />
Eltern? Was Eltern bewegt, schlägt sich<br />
ebenfalls in harten Zahlen nieder: vor allem<br />
in hohen Zurückstellungsquoten bei<br />
der Einschulung. Viele Eltern wollen ihren<br />
Kindern die Schule noch für ein Jahr ersparen,<br />
fast so, als ginge es darum, das<br />
Ende ungetrübter Kindheit noch ein Jahr<br />
hinauszuschieben.<br />
Zwanzig Jahre hindurch wurde jedes<br />
zehnte schulpflichtige Kind nicht eingeschult.<br />
In <strong>Baden</strong>-Württemberg ist es gelungen,<br />
die Quote der zurückgestellten<br />
Erstklässler von 10,4% im Schuljahr<br />
1993/94 auf 6,2% im Schuljahr 1998/99<br />
zu senken. Die Zahl der vorzeitigen Einschulungen<br />
ist von damals 1,4% auf jetzt<br />
6,1% angestiegen. Damit ist das Verhältnis<br />
von vorzeitigen und verzögerten Einschulungen<br />
fast exakt ausgewogen.<br />
Hier kündigt sich ein Stimmungsumschwung<br />
an, der – wenn es nach den Planerinnen<br />
und Planern der zukünftigen<br />
25
26<br />
<strong>Thema</strong> <strong>Grundschule</strong><br />
<strong>Grundschule</strong> geht – in den nächsten Jahren<br />
fortgesetzt werden soll. Denn es kommt<br />
ihnen nicht allein auf die verschiedenen<br />
Quoten bei der Einschulung an, die jetzt<br />
sehr gut aussehen. Es geht darum, wie<br />
<strong>Grundschule</strong> wahrgenommen wird – vor<br />
allem von den Eltern – und was sie für die<br />
Kinder leistet, wie gut es ihr also gelingt,<br />
auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen.<br />
Die Einschulungsquote ist dafür nur ein<br />
abstrakter Gradmesser, aber sie sagt etwas<br />
darüber aus, wie Eltern die Schule sehen.<br />
Ein wichtiger Faktor für den Stimmungsumschwung<br />
ist der breit angelegte<br />
Schulversuch »Schulanfang auf neuen Wegen«.<br />
– »Keine Insellösungen und keine<br />
Luxus-Ausstattungen«, das war ein wichtiges<br />
Motto für diesen Feldversuch, an dem<br />
derzeit gut 300 der insgesamt etwa 2.500<br />
<strong>Grundschule</strong>n in <strong>Baden</strong>-Württemberg teilnehmen.<br />
Im Jahr 2001 sollen es 500 sein.<br />
Die Größenordnungen und die auf lange<br />
Sicht geplante Mittelausstattung zeigen<br />
an, dass es kein Alibi-Versuch ist, sondern<br />
der Einstieg in einen grundlegenden und<br />
nachhaltigen Wandel der <strong>Grundschule</strong>:<br />
Veränderungen beim Schulanfang sind erst<br />
der Anfang für eine pädagogische Neuorientierung<br />
der <strong>Grundschule</strong>.<br />
Wer <strong>Grundschule</strong>n in den Dörfern<br />
und Städten unter die Lupe nimmt, der<br />
beobachtet so etwas wie den Pippi-Langstrumpf-Effekt:<br />
zumeist historische Gebäude,<br />
etwas einschüchternd, auch wenn<br />
die Türen nicht knarren wie in der »Villa<br />
Kunterbunt«. Altmodisch wirkt das Schulhaus<br />
von außen. Wer sich dann aber hineintraut,<br />
der erlebt die permanent-revolutionäre<br />
Art einer Pippi Langstrumpf, wie<br />
Astrid Lindgren sie erfunden hat. Dass<br />
Pippi mit den Schuhen auf dem Kopfkissen<br />
und dem Kopf unter der Decke<br />
schläft, ist noch das Geringste. Mit dem<br />
Streifzug durch die Abenteuerwelt ihrer<br />
Kinderheldin hat die schwedische Autorin<br />
auch ein Stück Frauenliteratur geschrieben:<br />
Was passiert, wenn ein Mädchen das<br />
tut, was es selber will? Für die <strong>Grundschule</strong><br />
und in Richtung Erwachsene gefragt:<br />
Was passiert, wenn ein berufliches<br />
Umfeld so nachhaltig von Frauen geprägt<br />
wird wie diese Schulart? – Aber nicht nur<br />
weibliche Phantasie hat die <strong>Grundschule</strong><br />
in den letzten Jahren verändert, sondern<br />
vor allem ein neues Verständnis pädagogischer<br />
Professionalität.<br />
Frauen prägen die <strong>Grundschule</strong>, aber<br />
es ist keine Überraschung: Die Schulleitung<br />
ist auch hier meistens in den Händen von<br />
Männern. Einer davon ist Heinz Jansen,<br />
seit 25 Jahren Lehrer, seit 17 Jahren Schulleiter<br />
an der Wolfbuschschule in Weilimdorf.<br />
Wenn er von seiner Schule spricht,<br />
die zweifellos als Vorzeigeschule gilt, dann<br />
scheint er auf kritische Einwände immer<br />
schon gefasst zu sein, er reagiert mit einem<br />
gewinnenden Lächeln und hat prompt ein<br />
gut formuliertes Argument parat, so als sei<br />
er diese Art des »Hinterfragens« schon<br />
lange gewöhnt. Er weiß seine Schule zu<br />
»verkaufen«. Das hat sicher zu den Erfolgen<br />
beigetragen, die sein Kollegium vorzeigen<br />
kann. Darauf legt er immer großen<br />
Wert, und man nimmt es ihm auch ab:<br />
»Das ist ja nicht mein Verdienst. Auf das<br />
Kollegium kommt es an. Das Zusammenspiel<br />
klappt eben.«<br />
Was das Kollegium der Wolfbuschschule<br />
auf die Beine gestellt hat, ist eine<br />
<strong>Grundschule</strong> mit besonderem Profil im<br />
Bereich Gesundheit und Bewegung.<br />
»Mein Sohn hat noch kein Sitzfleisch«,<br />
heißt ein Satz, der gelegentlich fällt, wenn<br />
Mütter ihr Unbehagen vor der Einschulung<br />
ansprechen. An dieser Stelle hat die<br />
Wolfbuschschule angesetzt: <strong>Grundschule</strong><br />
heißt nicht Stillsitzen. Lernen in den ersten<br />
Schuljahren heißt, Körper und Geist<br />
in Bewegung zu bringen, die Bewegungs-<br />
und Spielfreude von Kindern aufzugreifen<br />
und für die mentale Entwicklung zu nutzen.<br />
Eine bewegungsfreundliche Schule ist<br />
auch eine Schule, die bei den Eltern gut<br />
ankommt. Das ist die Schulentwicklungsgeschichte,<br />
die Heinz Jansen zu erzählen hat.<br />
»Kinder haben nicht mehr die Bewegungsräume<br />
wie früher. Sie werden bemuttert<br />
und ihre Körpererfahrung wird<br />
dabei eingeschränkt. Zum Beispiel werden<br />
immer mehr Kinder im Auto zur Schule<br />
gebracht. Da sitzen sie dann angeschnallt<br />
hinten drin«, sagt Jansen. »Wir könnten<br />
das hier ganz gut als drive-in organisieren,<br />
wo die Kinder in die Schule reingereicht<br />
werden, so lange Autoschlangen bilden<br />
sich inzwischen am Eingang zum Schulgelände.<br />
Oder wir haben Mütter, die ihrem<br />
Sohn den Ranzen am liebsten bis an die<br />
Schultür tragen würden.«<br />
Seit 1992 arbeitet das Kollegium der<br />
Wolfbuschschule an dem Projekt, körperliche<br />
Bewegung und ganzheitliches Lernen<br />
im Schulalltag fest zu verankern. Im<br />
Unterricht selbst, dann auch im Klassenraum<br />
bei Bewegungspausen und schließlich<br />
für Schülerinnen und Schüler mehrerer<br />
Klassen gemeinsam in der ganze Schule<br />
und auf dem Pausenhof, das sind die Zusammenhänge,<br />
für die jeweils eigene Bewegungskonzepte<br />
entwickelt worden sind.<br />
Stundenentwürfe entstanden, bei denen<br />
fachbezogene Bewegungselemente in den<br />
Deutsch-, Mathematik- sowie den Heimatund<br />
Sachunterricht eingebunden wurden:<br />
zum Beispiel darstellendes Spiel oder Messen<br />
mit selbstgewählten Maßeinheiten wie<br />
Schritt, Handspanne, Fuß, Sprung, schließlich<br />
Hör-, Tast-, Riech- und Sehspiele, um<br />
nur einiges zu nennen.<br />
Zu den kurzen Bewegungspausen im<br />
Klassenraum gehört immer wieder Musik
und die Hinführung zu bewussterer Körpererfahrung<br />
durch Atemübungen.<br />
Bei den klassenübergreifenden Angeboten,<br />
die in den rhythmisierten Vormittag<br />
der ganzen Schule eingepasst sind, wird<br />
jongliert, getanzt und nach Musik gemalt.<br />
Für die »Aktive Pause« wurden so genannte<br />
Spielsäcke angefertigt und mit allen<br />
möglichen, gar nicht so ungewöhnlichen<br />
Sachen gefüllt, deren Aufzählung<br />
schon anzeigt, zu welchen Bewegungen sie<br />
einladen: Schaumstoffbälle, Luftballons,<br />
Speckbretter, Ziehtaue, Murmeln, Jongliermaterialien,<br />
Sprungseile, Schwungseile,<br />
Kreisel, Markierungskegel, Rhythmikinstrumente,<br />
Reifen, Keulen, Bänder,<br />
Papprollen, Handpuppen.<br />
Es geht aber nicht nur um<br />
Bewegung und Gesundheit als<br />
zusätzliche Ziele der <strong>Grundschule</strong>.<br />
Körperliche Erfahrung<br />
eröffnet innerhalb des Unterrichts<br />
neue Lernwege, die zu<br />
den klassischen Lernzielen der<br />
<strong>Grundschule</strong> hinführen. Geistige<br />
Fähigkeiten sind nicht nur<br />
bei Kindern an physische Zustände<br />
und Prozesse gebunden.<br />
Verstehen und Ausdruck von<br />
Lerninhalten werden durch<br />
spielerische und sportliche<br />
Handlungsabläufe unterstützt.<br />
Dass eine positive Körpererfahrung zugleich<br />
den mentalen und sozialen Horizont<br />
erweitert, konnten auch die Wolfbusch-Eltern<br />
am eigenen Leib erleben.<br />
Die Rückenschule für Eltern in der Schule<br />
der Kinder war ein Beitrag zur Gesundheit<br />
der Familien und gelungene Verständigungsarbeit<br />
für das Projekt der bewegten<br />
Schule.<br />
Auch beim »Schulanfang auf neuen<br />
Wegen« geht die Wolfbuschschule in<br />
schnellen Schritten mit. »Anfangs wurde<br />
ich als Totengräber der Grundschulförderklasse<br />
angegriffen«, berichtet Heinz Jansen.<br />
Jetzt sind wesentliche Elemente der Grund-<br />
schulförderklasse in die Eingangsstufe integriert.<br />
Die Erzieherinnen bringen ihre<br />
Kompetenz in die Arbeit mit jedem Kind<br />
und in das kollegiale Gespräch über die<br />
Lernbiographie jedes Kindes ein. »Statt<br />
vierzig zurückgestellter Kinder haben wir<br />
jetzt noch drei, und im Kollegium ist die<br />
Zusammenarbeit gewachsen.«<br />
Und was hält Heinz Jansen von der<br />
Einrichtung Kuschelecke? »Ach, sie muss<br />
halt hygienisch sein. Sie gehört dazu, zum<br />
Lernambiente und zum Wohlbefinden.<br />
Kuschelecken sind notwendig zur Gliederung<br />
der Lernräume. Aber was damit<br />
manche Leute verbinden, geht an dem<br />
vorbei, was wir hier tun. Das ist eine Diskussion<br />
von vor zwanzig Jahren.« Ganz<br />
»Statt vierzig<br />
zurückgestellter<br />
Kinder haben wir<br />
jetzt noch drei,<br />
und im Kollegium<br />
ist die Zusammenarbeit<br />
gewachsen«<br />
Heinz Jansen<br />
nebenbei: Die Wolfbuschschule ist eine<br />
der wenigen <strong>Grundschule</strong>n in Deutschland<br />
mit einer bilingualen Klasse. Hier<br />
wird in Deutsch und in Italienisch unterrichtet.<br />
Das bilinguale Angebot ist eingebettet<br />
in ein europäisches Gesamtprofil<br />
der Schule. Dazu gehören Partnerschaften<br />
und gemeinsame Projekte – inklusive<br />
Schüleraustausch – mit Schulen aus Frankreich,<br />
Großbritannien, Italien, Dänemark<br />
und Norwegen. Das sind die Aktionen,<br />
für die Schulleiter Jansen jetzt Feuer und<br />
Flamme ist, dabei zieht es ihn schon weiter.<br />
Unser Gespräch findet statt, während<br />
er gerade seinen Schreibtisch in der Schule<br />
»<strong>Grundschule</strong> heißt nicht<br />
Stillsitzen. Lernen in<br />
den ersten Schuljahren<br />
heißt, Körper und Geist in<br />
Bewegung zu bringen«<br />
räumt, weil er jetzt – mit bald fünfzig<br />
Lebensjahren und gut fünfundzwanzig<br />
Jahren Berufserfahrung – ins Oberschulamt<br />
wechselt. »Jetzt bricht hier sicher alles<br />
zusammen und Sie werden ein Kultusbürokrat.«<br />
Die Bemerkung gleitet an ihm<br />
ab. »Sie haben Vorstellungen! Das ist etwas,<br />
das die Kolleginnen und Kollegen<br />
aufgebaut haben. Die bleiben doch hier<br />
und arbeiten weiter. Und im Oberschulamt<br />
sind auch Leute, die aus der Schule<br />
kommen. Vielleicht kann ich da was einbringen,<br />
neue Unterrichtsformen voranbringen.<br />
Personalentwicklung wird ein<br />
<strong>Thema</strong>. Eins ist ganz wichtig, und ich<br />
hoffe, dass ich das nie vergesse: Die Schulverwaltung<br />
soll die Schulleiter nicht zumüllen,<br />
sondern entlasten. Es<br />
gibt Leute, die werden mich<br />
dran erinnern.«<br />
Die Schultür. Heinz Jansen erinnert<br />
sich an den obligatorischen<br />
Fototermin vor den großen<br />
Ferien: »Der Pressefotograf<br />
wollte das typische Foto, wo<br />
die Kinder wie befreit und begeistert<br />
aus der Schultür in die<br />
Ferien stürmen. Er lag eine<br />
Zeit auf der Lauer. Es kam aber<br />
niemand raus, also kam er rein.<br />
Die Kinder hatten keine große<br />
Lust zu gehen und waren ganz<br />
froh, noch ein paar Minuten bleiben zu<br />
können. Wir haben das Foto dann hinbekommen:<br />
eben gestellt. Sie sind hinausgerannt,<br />
wie er sich das so vorstellte. Ein<br />
schönes Bild.«<br />
Georg Eickhoff<br />
Weitere Informationen zu »Schulanfang auf<br />
neuen Wegen« finden Sie unter www.<br />
kultusministerium.baden-wuerttemberg.de/<br />
schule/gs/schulanfang; zur Bewegungserziehung<br />
unter www.kultusministerium.<br />
baden-wuerttemberg. de/sport<br />
27
28<br />
<strong>Thema</strong> <strong>Grundschule</strong><br />
Schulmagazin: Herr Professor Bleyhl, Sie haben einmal geschrieben,<br />
die menschliche Sprache sei »in ihrer Vielschichtigkeit,<br />
Variabilität und Mischung von Systematik und Willkürlichkeit<br />
die komplexeste Erfindung des Menschen«. Wie kann es<br />
dann eigentlich sein, dass schon Kinder so blendend damit zurechtkommen?<br />
Bleyhl: Die Schwierigkeit der Sprache ist zu meistern. Mehrsprachige<br />
Kinder verkraften sogar die unterschiedliche Struktur<br />
verschiedener Sprachen. Das Geheimnis des Spracherwerbs ist so<br />
einfach wie kompliziert: Wir haben nämlich das komplexeste Gebilde<br />
der Erde in unserem Kopf, unser Gehirn.<br />
Aber von alleine geht nichts. Kinder lernen auch die eigene<br />
Sprache in kleinen Schritten.<br />
Bleyhl: Sie haben Recht. Nur geschieht dies nicht auf einem<br />
geraden Weg. Äußere Umstände können aber die Reihenfolge<br />
der Stationen beim Erlernen der Muttersprache nicht verändern.<br />
Der erste Schritt ist die Stabilisierung des gehörten Lautsystems.<br />
Innerhalb der ersten sechs Lebensmonate lernt der Säugling,<br />
Laute wieder zu erkennen.<br />
Nach der Senkung des Kehlkopfes folgt im zweiten Schritt die<br />
Herausbildung der motorischen Fähigkeit zur Lautäußerung,<br />
zunächst nur als Lallen. Immer im situativen Kontext baut das<br />
Kind dann drittens einen Grundwortschatz auf. Wenn dann eine<br />
kritische Masse an Wörtern zusammengekommen ist, fängt es<br />
an, syntaktische Strukturen, also einfache Sätze zu bilden.<br />
Es heißt, ab einer bestimmten Phase wächst dann nur noch<br />
der Wortschatz.<br />
Bleyhl: Das kann man im Prinzip so sagen, aber natürlich<br />
lernt man bei der Lautung, bei der Abwandlung von Wörtern –<br />
Fremdsprache<br />
Dr. Werner Bleyhl, Professor für englische Sprache und Literatur an der Pädagogischen<br />
Hochschule Ludwigsburg, hat sich als Fremdsprachendidaktiker mit Spracherwerb und<br />
Fremdsprachenlernen, aber auch mit den Ergebnissen der in diesem Bereich relevanten<br />
Gehirnforschung befasst. Das Schulmagazin befragte ihn zum kindlichen Spracherwerb<br />
und zum Fremdsprachenunterricht in der <strong>Grundschule</strong>.<br />
sprich: der Morphologie – und beim Satzbau noch dazu. Richtig<br />
ist auch: Die Grundlagen dafür werden äußerst früh in so genannten<br />
»sensiblen Phasen« gelegt.<br />
Kinder können in ihrer Sprache sehr früh Antworten auf<br />
komplizierte Fragen geben, die sie selbst so nicht stellen könnten.<br />
Ist das ein Indiz für das Wie des Sprachenlernens?<br />
Bleyhl: Wir verstehen eigentlich immer mehr, als wir selber sagen<br />
können. Das gilt für Kinder verstärkt. Dahinter steckt der<br />
entscheidende Trick der Evolution, dass nämlich das Sprach-<br />
Verstehen dem Sprach-Produzieren immer weit vorausgeht. Der<br />
relativ kleine Mond der Sprachproduktion ist stets von einem<br />
weit, weit größeren Hof des Sprachverstehens umgeben.<br />
Kann man diese Erkenntnisse auf das Fremdsprachenlernen<br />
übertragen?<br />
Bleyhl: Man kann dies insoweit, als die Erwerbs- und Verarbeitungsprinzipien<br />
der Muttersprache im Gehirn auch für die<br />
Zweitsprache und die Fremdsprachen gelten. Hörverstehen als<br />
Erstes ist unabdingbar. Sinnhaftigkeit der erlebten Sprache, nicht<br />
Bewusstmachung der Sprachform ist entscheidend.<br />
Was sind aus Sicht der Gehirnforschung die Faktoren für erfolgreiches<br />
Fremdsprachenlernen?<br />
Bleyhl: Die Voraussetzungen für erfolgreiches Fremdsprachenlernen<br />
sind optimales Alter, optimaler Input und optimale<br />
Orientierung am Lernenden. Beim Lernen werden Nervenverbindungen<br />
aufgebaut. Durch Gebrauch werden sie stabilisiert<br />
und bei Nichtgebrauch abgebaut. Was »sensible Phase« bedeutet,<br />
zeigt sich etwa darin, dass zum Beispiel die lautliche Prägung, die<br />
wir bis zur Pubertät erhalten haben, uns im Allgemeinen unser<br />
Leben über begleiten wird.
in der <strong>Grundschule</strong><br />
Der Vokabeltest bleibt tabu!<br />
Was verstehen Sie unter optimalem Input?<br />
Bleyhl: Gerade weil beim Fremdsprachenlernen nicht die<br />
Reichhaltigkeit der Spracherfahrung wie beim Muttersprachenerwerb<br />
gegeben ist, kommt es hier auf die Qualität an. Die Personen,<br />
die das Kind umgeben, stellen das Vorbild für die Sprache<br />
dar, die es sprechen wird. Die Qualität der Sprache des Lehrers,<br />
der Lehrerin bestimmt die Qualität der Sprache beim Kind.<br />
Und die optimale Orientierung am Lernenden?<br />
Bleyhl: Sie ist im natürlichen Spracherwerb in der Familie<br />
selbstverständlich. Das Kind vermag den Code der Sprache am<br />
leichtesten zu knacken, wenn Mutter und Kind sich einig sind,<br />
etwa durch Blickkontakt, wenn beide zum Beispiel demselben<br />
Gegenstand ihre Aufmerksamkeit zuwenden und wenn dann dieser<br />
Gegenstand sprachlich benannt wird.<br />
Das heißt aber doch, dass es dann in der Schulklasse schwierig<br />
wird, weil die Situation unübersichtlicher ist.<br />
Bleyhl: Mit diesem Problem fertig zu werden, ist die Aufgabe<br />
von Didaktik und Methodik, die Aufgabe von gutem Unterricht.<br />
Eine Fremdsprache in der <strong>Grundschule</strong> zu lehren, heißt auch anerkennen,<br />
dass jedes Kind sein eigenes Tempo hat, genau wie<br />
beim Lernen des Lesens und Schreibens. Der Versuchung, mittels<br />
des Lehrens von Grammatik hier nachhelfen zu wollen, muss widerstanden<br />
werden. Vermeintliche Hilfe würde sonst zur Behinderung<br />
des Lernens. Fremdsprachenlehren an der <strong>Grundschule</strong><br />
darf vor allem kein auf die <strong>Grundschule</strong> heruntertransformierter<br />
traditioneller Fremdsprachenunterricht sein.<br />
Was wären also die Merkmale für guten Fremdsprachenunterricht<br />
in der <strong>Grundschule</strong>?<br />
Bleyhl: Wir müssen sehr genau beachten, was ich eben als die<br />
evolutionsbedingte Verzögerung zwischen Verstehen und Sprechen<br />
beschrieben habe. Die Kinder brauchen Zeit zu verstehen,<br />
sonst sperren sie sich dem Selber-Sprechen. Es gibt da eine notwendige<br />
Inkubationszeit. Zeit lassen heißt aber auch früh anfangen.<br />
Ganz wichtig ist: Schreiben als Mittel der Leistungsmessung<br />
ist und bleibt tabu! Der Vokabeltest traditioneller Art hat in der<br />
<strong>Grundschule</strong> keinen Platz. Das würde allen Erkenntnissen über<br />
die Biologie des Lernens widersprechen.<br />
Können Sie die Botschaft der Spracherwerbsforschung für<br />
die <strong>Grundschule</strong> in einem Satz zusammenfassen?<br />
Bleyhl: Lassen Sie es mich in drei Sätzen versuchen. Der Unterricht<br />
muss dem Kind hinreichend Gelegenheit geben, in sich<br />
ein Repertoire an Sprachmodellen aufzubauen. Der Unterricht<br />
muss es in Situationen führen, in denen Sprache funktional gebraucht<br />
wird, um Inhalte zu vermitteln, wir nennen das Themenorientierung.<br />
Und der Unterricht muss das Kind Erfahrungen<br />
mit möglichst viel Sprache machen lassen, also Zeit lassen,<br />
das Sprachsystem in sich aufzubauen und in der Praxis zu erproben.<br />
Das Stichwort heißt hier Handlungsorientierung. Aber vielleicht<br />
erlauben Sie mir noch eine Bemerkung: Die Kinder werden<br />
sich – vor allem in der Anfangsphase und wie beim Muttersprachenerwerb<br />
– unterschiedlich schnell und unterschiedlich sichtbar<br />
entwickeln, doch mit diesem Problem wird keine Lehrergruppe<br />
so gut fertig wie die der Grundschullehrerinnen und -lehrer,<br />
die dasselbe Problem beim Lehren des Lesens und Schreibens<br />
ebenfalls zu lösen wissen.<br />
Interview: Georg Eickhoff<br />
Veröffentlichungen (Auswahl) von Prof.<br />
Dr. Bleyhl zum <strong>Thema</strong> Fremdsprachenlernen<br />
> Werner Bleyhl, Knackpunkte des Fremdsprachenunterrichts.<br />
Zehn intuitive Annahmen. In: Praxis des neusprachlichen<br />
Unterrichts, 45. Jg., H. 2 (1998), S. 126 – 138<br />
> ders., Selbstorganisation des Lernens – Phasen des Lehrens.<br />
In: Johannes-Peter Timm (Hg.), Englisch lernen und lehren.<br />
Didaktik des Englischunterrichts, Berlin (Cornelsen Verlag)<br />
1998, S. 60 – 69<br />
> ders., Fremdsprachenlernen als dynamischer und nichtlinearer<br />
Prozess. Weshalb die Bilanz des traditionellen<br />
Unterrichts und auch der Fremdsprachenforschung ›nicht<br />
schmeichelhaft‹ sein kann. In: Fremdsprachen Lehren und<br />
Lernen, Bd. 26 (1997), S. 219 – 238<br />
29
30<br />
<strong>Thema</strong> <strong>Grundschule</strong><br />
Worauf es ankommt …<br />
Heribert Rück war bis zu seiner<br />
Emeritierung im Jahr 1997<br />
Professor für Romanistik an<br />
der Universität Koblenz-<br />
Landau. Er begleitete den Modellversuch<br />
»Fremdsprachen in<br />
der <strong>Grundschule</strong>« des Landes<br />
Rheinland-Pfalz. Aus dem Vergleich<br />
der Konzeptionen zum<br />
frühen Fremdsprachenlernen in Deutschland und Europa<br />
hat er folgende Gemeinsamkeiten herausgefiltert:<br />
> Der Umgang mit Fremdsprachen soll nicht einer<br />
Elite vorbehalten bleiben, sondern zum Angebot für<br />
alle Kinder werden.<br />
> Der Fremdsprachenunterricht in der <strong>Grundschule</strong><br />
soll von Leistungsdruck durch Klassenarbeiten und<br />
abfragbare Hausaufgaben frei gehalten werden.<br />
> Es geht nicht nur um Sprache, sondern auch um<br />
Öffnung gegenüber anderen Kulturen.<br />
> Spielerische Elemente sollen motivieren. Sie sind der<br />
psychischen und allgemeinen sprachlichen<br />
Entwicklung der Kinder angemessen.<br />
> Musische Elemente sollen in das Sprachenlernen<br />
einbezogen werden.<br />
Professor Rück weist besonders auf die Fragen hin,<br />
die sich mit dem Übergang zur weiterführenden<br />
Schule stellen: »Allgemein gilt, dass die Lernerfahrungen<br />
der Kinder aus der <strong>Grundschule</strong> – gleich welcher<br />
Art – im Unterricht der weiterführenden Schulen<br />
ernst genommen werden müssen, weil sonst Demotivation<br />
die Folge wäre. So wäre es verhängnisvoll,<br />
wenn die Kenntnis von Liedern, Gedichten, Bräuchen<br />
der anderen Kultur, die Verfügung über Redemittel<br />
etwa der Kontaktpflege oder des Gefühlsausdrucks<br />
oder auch die Vertrautheit mit Rollenspielen<br />
ignoriert würden. Dies bedeutet auch, dass von Seiten<br />
der Sekundarstufenlehrer keine falschen Erwartungen,<br />
etwa den Schriftbereich oder explizite Grammatikkenntnisse<br />
betreffend, an Kinder mit Fremdsprachenerfahrungen<br />
aus der <strong>Grundschule</strong> gerichtet werden<br />
dürfen. Hier tut Aufklärung und ein intensiverer<br />
Kontakt zwischen der <strong>Grundschule</strong> und den weiterführenden<br />
Schularten not.«<br />
Weitere Hinweise zur wissenschaftlichen Arbeit von<br />
Prof. Dr. Heribert Rück finden Sie unter<br />
www.kultusministerium.baden-wuerttemberg.de/<br />
schulmagazin<br />
»Der Schlüssel zur Qualitätssicherung in der Bildungspolitik<br />
liegt in den <strong>Grundschule</strong>n. Darum werden wir<br />
an den <strong>Grundschule</strong>n ab dem Schuljahr 2001/2002<br />
mit dem flächendeckenden Ausbau des Fremdsprachenunterrichts<br />
ab der ersten Klasse beginnen.«<br />
Ministerpräsident Erwin Teufel in seiner Regierungserklärung<br />
vom 9. Dezember 1998<br />
Fünf Eckpunkte für die Planung<br />
des Kultusministeriums:<br />
1. Für den Fremdsprachenunterricht wird die bestehende<br />
Stundentafel der <strong>Grundschule</strong> erweitert.<br />
2. Alle Kinder, die nach dem Grundschullehrplan<br />
unterrichtet werden, erhalten Fremdsprachenunterricht.<br />
3. Die Grundlage für den grundschulspezifischen<br />
Unterricht in der Fremdsprache bildet ein Lehrplan.<br />
4. Handlungsorientierung und Themenorientierung<br />
stehen im Mittelpunkt der methodischen Konzeption.<br />
5. Der Fremdsprachenunterricht in den weiterführenden<br />
Schulen baut auf den in der <strong>Grundschule</strong><br />
erworbenen Fremdsprachenkenntnissen auf.<br />
Aktuelle Informationen zum Planungsstand finden<br />
Sie unter www.kultusministerium.badenwuerttemberg.de/schulmagazin
Frühe Fremdsprache und Lehrerbildung<br />
— | Neue Prüfungsordnung<br />
Die Fremdsprachenkompetenz ist in einem zusammenwachsenden<br />
Europa von immer größerer Bedeutung. Deshalb ist in<br />
der Grund- und Hauptschullehrerprüfungsordnung (GHPO I)<br />
vom 31. Juli 1998 die Möglichkeit geschaffen worden, auch im<br />
Stufenschwerpunkt <strong>Grundschule</strong> eine Fremdsprache zu studieren.<br />
Das frühe Fremdsprachenlernen unter Berücksichtigung entwicklungspsychologischer<br />
Aspekte und grundschulgemäßer Lernund<br />
Arbeitsformen ist unter anderem Inhalt der fachdidaktischen<br />
Studien der Fächer Englisch oder Französisch. Weiter erwerben<br />
die Studierenden die Fähigkeit, den frühen Fremdsprachenunterricht<br />
in den Anfangsunterricht zu integrieren und die Lerninhalte<br />
der <strong>Grundschule</strong> in der Fremdsprache zu unterrichten.<br />
— | Europalehrerin/Europalehrer<br />
In einem bundesweit einmaligen neuen Studiengang kann ab<br />
dem Wintersemester 1999/2000 an den Pädagogischen Hochschulen<br />
Karlsruhe und Freiburg ein Lehramtsstudium mit Europaprofil<br />
begonnen werden. In acht Semestern werden Lehrkräfte<br />
für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen oder an Realschulen<br />
dazu ausgebildet, auf bilingualer Grundlage mindestens<br />
eines der Sachfächer (z.B. Geographie oder Geschichte) in Englisch<br />
oder Französisch unterrichten zu können. Weiter sollen<br />
auch die mit der jeweiligen Sprache verknüpften kulturellen und<br />
landeskundlichen Aspekte vermittelt werden.<br />
— | Fortbildung<br />
Der Fremdsprachenunterricht soll von Klassenlehrerinnen<br />
und -lehrern oder von Fachlehrerinnen und -lehrern erteilt werden.<br />
Daraus ergibt sich ein erhöhter Fortbildungsbedarf. Deshalb<br />
sind derzeit Fortbildungsmodule in Vorbereitung, die einerseits<br />
didaktisch-methodische Impulse und Hilfen geben und andererseits<br />
zur Erweiterung der eigenen Sprachfähigkeit der Lehrerinnen<br />
und Lehrer beitragen sollen. Die Angebote werden flexibel<br />
und bedarfsorientiert ausgestaltet.<br />
Bleiben die Schwachen nicht<br />
auf der Strecke, wenn die<br />
Fremdsprache in die <strong>Grundschule</strong><br />
kommt?<br />
Diese häufig gestellte Frage zeigt, wie sensibel<br />
die Öffentlichkeit auf Neuerungen in der <strong>Grundschule</strong><br />
reagiert und dass zuweilen auch Ängste damit<br />
verbunden sind.<br />
Aus der Sprachlernforschung und aus der Praxis<br />
mit lernschwachen Schülerinnen und Schülern<br />
wissen wir, dass es entscheidend auf den »sprachlichen<br />
Input« ankommt, auf die Anschaulichkeit<br />
und auf die Häufigkeit der angebotenen Spracheinheiten.<br />
Ein Kind, das schwer lernt, benötigt einen besonders<br />
intensiv dargebotenen sprachlichen Input.<br />
Das heißt, das sprachliche Angebot muss sehr häufig<br />
wiederholt und mit deutlicher Mimik, Gestik<br />
und anschaulichen Medien erläutert werden. Es<br />
dauert etwas länger, bis die Klangmuster und die<br />
Bedeutungen gefestigt sind; ansonsten verläuft der<br />
Lernprozess gleich. Im Staatlichen Schulamt Heilbronn<br />
wird – nebenbei bemerkt – mit Schülerinnen<br />
und Schülern einer Förderschule für Geistigbehinderte<br />
erfolgreich ein Englischkurs durchgeführt.<br />
Eine andere, immer wieder geäußerte Befürchtung<br />
betrifft die ausländischen Kinder. Sie könnten<br />
überfordert sein, heißt es, auch dass sie in erster<br />
Linie Deutsch lernen sollten. Erfahrungen mit ausländischen<br />
Kindern im Hinblick auf Fremdsprachenlernen<br />
wurden in mehreren europäischen<br />
Ländern mit dem gleichen Ergebnis gemacht: Sie<br />
haben wider Erwarten in der Regel keine Probleme<br />
mit dem Lernen ihrer dritten Sprache. Dafür<br />
gibt es zwei Gründe:<br />
1. Jeder, der neben seiner Muttersprache eine<br />
Zweitsprache erlernt oder erlernt hat, erwirbt<br />
gleichzeitig eine so genannte Sprachlernkompetenz.<br />
Diese ergibt sich aus dem Wechselspiel der<br />
Sprachfähigkeit in der Muttersprache und den<br />
Erfahrungen mit der Zweitsprache und erleichtert<br />
so das Erlernen einer dritten Sprache. Das Beherrschen<br />
einer ersten Fremdsprache hilft beim Erwerb<br />
der nächsten.<br />
So gesehen haben die ausländischen Kinder sogar<br />
einen gewissen Vorteil.<br />
2. In allen Fächern der Stundentafel erfolgt der<br />
Unterricht auf Deutsch. Dies ist ein Nachteil für<br />
die ausländischen Schülerinnen und Schüler.<br />
Bei der Grundschulfremdsprache beginnen alle<br />
Kinder gemeinsam bei Null und starten von der<br />
gleichen Basis aus. Dies motiviert ausländische<br />
Kinder sehr, lässt sie erstaunliche Leistungen vollbringen,<br />
fördert ihr Selbstvertrauen und wirkt so<br />
positiv auf das gesamte schulische Lernen.<br />
Detlef Böhme, Referent für Grund- und<br />
Hauptschulen im Kultusministerium<br />
31
32<br />
<strong>Thema</strong> <strong>Grundschule</strong><br />
Die familienfreundliche<br />
<strong>Grundschule</strong> kommt<br />
<strong>Baden</strong>-Württemberg hat seit Beginn der 90er-Jahre die<br />
Betreuungsangebote – Kernzeitenbetreuung und Hort an der<br />
Schule – konsequent ausgeweitet: 35% der <strong>Grundschule</strong>n des<br />
Landes bieten auf dieser Basis Betreuungszeiten neben dem<br />
Unterricht an. Die Nachfrage steigt, weil sich die Struktur der<br />
Familien nachhaltig ändert.<br />
Die Landesregierung entwickelt derzeit – in enger<br />
Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden<br />
– ein Konzept zur allgemeinen Einführung der<br />
familienfreundlichen <strong>Grundschule</strong>, mit dessen Umsetzung<br />
noch im Laufe des Schuljahres 1999/2000<br />
begonnen wird.<br />
— | Eckpunkte:<br />
> Entwicklung und Realisierung im Konsens mit<br />
den kommunalen Spitzenverbänden, insbesondere<br />
auch im Blick auf eine faire und finanzpolitisch<br />
solide Lastenverteilung zwischen Land und kommunalen<br />
Schulträgern.<br />
> Klare Trennung von Unterricht und Betreuung:<br />
Mehr Betreuung darf nicht auf Kosten des Unterrichts<br />
gehen.<br />
> Konzentration der Unterrichsstunden auf den<br />
Vormittag durch schulorganisatorische Optimierung<br />
des Stundenplans.<br />
> Kein Einheitsmodell, sondern flexible und differenzierte<br />
Orientierung am Bedarf vor Ort, um den<br />
unterschiedlichen Erfordernissen, Gegebenheiten<br />
und Erfahrungen Rechnung tragen zu können.<br />
> Bedarfsorientierung bedeutet auch die Wahlmöglichkeit<br />
der Eltern, ob ihre Kinder außerhalb der<br />
Unterrichtszeit in der Schule sein sollen oder<br />
nicht.<br />
Vorgesehen ist, dass die Schulen im Laufe des<br />
neuen Schuljahres den Auftrag bekom-<br />
men, entsprechend diesen Eckpunkten<br />
eine schuleigene Organisationsform<br />
zu entwickeln, die der jeweiligen<br />
Situation gerecht wird.<br />
»Kernzeit« in Regie<br />
der Mütter<br />
»In Riederich lernt man sich erst kennen,<br />
wenn man Kinder hat«, meint die Erzieherin<br />
und vierfache Mutter Christine Kaufmann-Schmid, die seit 1997<br />
als Kernzeitenbetreuerin arbeitet. Riederich ist eine kleine<br />
Gemeinde am Fuße der Schwäbischen Alb mit rund 4300 Einwohnern<br />
und einer Grund- und Hauptschule, der Gutenbergschule.<br />
»Milch kann man hier nicht kaufen, aber einen Schafhof<br />
haben wir. Wir sind eben ein typisches Pendler-Dorf«, so<br />
Christine Kaufmann-Schmid. Als in einer Elternbeiratssitzung<br />
die Idee geboren wurde, eine Kernzeitenbetreuung in Riederich<br />
auf die Beine zu stellen, waren Bürgermeister und Schulleiter erstaunt.<br />
So was brauchen wir doch nicht in unserem Dorf! In der<br />
Tat ist es so, dass viele Großeltern gerne ihre Enkelkinder nach<br />
der Schule versorgen und auch sonst gerne einspringen, wenn<br />
Kinder betreut werden sollen.<br />
Die Frauen haben ihre Idee verwirklicht: Elf Kinder werden<br />
vor und nach dem Unterricht im Vereinsheim betreut, direkt neben<br />
der Schule. »Wir sind nah dran, doch nicht direkt in der<br />
Schule. Dort gibt es Raumprobleme. Außerdem arbeitet die Frau<br />
des Hausmeisters, Frau Kopschitsch, auch in der Kernzeitenbetreuung<br />
mit. Das ist ein Glücksfall für uns. Sie übernimmt bei<br />
uns den Oma-Part, sie hat zwei erwachsene Kinder und ein<br />
Enkelkind.«<br />
Die Trägerschaft der Kernzeitenbetreuung teilen sich der<br />
Förderverein der Schule und die Gemeinde. Die Gemeinde stellt<br />
den Raum kostenlos zur Verfügung. Einen Raum, der immer picobello<br />
aufgeräumt werden muss, da auch die Vereine ihn nutzen.<br />
»Das hat seine Vorteile. Die Kinder wissen genau, dass sie ihr<br />
Spielzeug nicht herumliegen lassen dürfen. Und morgens ist der<br />
Raum ganz schnell in ein gemütliches ›Kinderzimmer‹ verwandelt«.
Die Dritte im Bunde der Kernzeitenbetreuerinnen ist Angelika<br />
Bender. Geschätzt als Übungsleiterin im Mutter-Kind-Turnen,<br />
bringt sie auch ihre Erfahrungen als zweifache Mutter ein.<br />
»Wir sind ein echtes Team und reagieren flexibel auf Wünsche.«<br />
Zwischen 6 und 7 Uhr morgens kann man die Betreuerinnen<br />
anrufen, wenn irgendeine Änderung ansteht. Auch untereinander<br />
helfen sie sich aus. »Wenn die eine mal ihren Dienst<br />
nicht wahrnehmen kann, springt die andere ein.« Die drei<br />
Frauen bekommen so Berufstätigkeit und Familienarbeit ganz<br />
gut unter einen Hut. Bezahlt werden sie auf 630 DM-Basis. Sie<br />
rechnen stundenweise ab. Für Eltern gibt es eine Tagesstaffelung.<br />
Auch hier wird bedarfsgerecht und flexibel reagiert. Eltern können<br />
die Betreuung die ganze Woche über buchen oder auch nur einen,<br />
zwei, drei oder vier Tage. Fünf Tage kosten im Monat 80 DM.<br />
Die Kinder haben allerdings drei Bezugspersonen. Stört das<br />
die Eltern nicht? – »Nein, Probleme mit der Akzeptanz des<br />
Angebots hat es nicht gegeben«, meint Christine Kaufmann-<br />
Schmid und sie weiß auch warum: »Wir sind alle im Dorf bekannt.<br />
Die Kinder kommen gerne zu uns und die Eltern sind<br />
dankbar. Ich war früher Elternbeiratsvorsitzende und bin jetzt<br />
Betreuerin. Die Mütter-Initiative tragen viele mit. Das ist in<br />
Riederich so gewachsen.«<br />
»Schalenzeit!«<br />
Eigentlich müsste es nicht »Kernzeit«, sondern »Schalenzeit«<br />
heißen. Denn gemeint ist damit die Betreuung der Grundschulkinder<br />
vor und nach dem Unterricht, zumeist ab<br />
7.30 Uhr und vom »letzten Klingeln« bis 13.00 Uhr. Wie eine<br />
Schale liegt also dieses Angebot um den Kern der <strong>Grundschule</strong>,<br />
denn der Kern ist guter Unterricht. Trotzdem ist der<br />
Begriff zum Renner geworden und auch das, was er meint.<br />
»Kernzeit«-Betreuung wurde in <strong>Baden</strong>-Württemberg seit<br />
dem Schuljahr 1990/91 auf Antrag eingerichtet. Vier Jahre<br />
später verfügten schon 20% der <strong>Grundschule</strong>n im Land über<br />
dieses Angebot. Im Schuljahr 1998/99 gab es 1.127 Kernzeitgruppen<br />
mit 21.000 Schülerinnen und Schülern. Ein Drittel<br />
aller <strong>Grundschule</strong>n hatte damit Anteil am Landeszuschuss<br />
von insgesamt 6 Millionen DM. Die Schulträger investieren<br />
ihrerseits.<br />
Außerdem gibt es Ganztagsbetreuung im Rahmen des »Hort<br />
an der Schule« für insgesamt 230 Gruppen. Der Landeszuschuss<br />
betrug hier 1998/99 4,16 Millionen DM.<br />
33
34<br />
<strong>Thema</strong> <strong>Grundschule</strong><br />
Betreuung am Nachmittag<br />
Vom Lernen zum Spielen und zurück<br />
— | Der Spiel- und Lernclub an der <strong>Grundschule</strong><br />
Stuttgart-Obertürkheim<br />
Zwei Uhr nachmittags: Obwohl der Spiel- und<br />
Lernclub schon vor einer halben Stunde seine Pforten<br />
geöffnet hat, ist der große Gruppenraum im Dachgeschoss<br />
der Schule noch verwaist. Aus den zwei kleineren<br />
Räumen der ehemaligen Lehrerwohnung klingen<br />
gedämpfte Stimmen. Hülya, Kevin, Fatma und<br />
die anderen sitzen eifrig über ihre Hefte gebeugt und<br />
machen Hausaufgaben. Heute sind 16 der insgesamt<br />
24 angemeldeten Kinder in den Club gekommen.<br />
Die Teilnahme jedes einzelnen Kindes kann bei der<br />
Anmeldung auf individuelle Bedürfnisse abgestimmt<br />
werden, so dass Zeit bleibt für muttersprachlichen<br />
Unterricht, Fußballtraining und andere Tätigkeiten<br />
am Nachmittag. Damit über bloßes »Verwahren« hinaus<br />
kontinuierliche pädagogische Arbeit gelingen<br />
kann, müssen die Kinder allerdings für mindestens<br />
zwei Tage in der Woche verbindlich angemeldet werden.<br />
Der Spiel- und Lernclub ist täglich von 13.30<br />
Uhr bis 16.30 Uhr geöffnet und viele Familien nehmen<br />
das komplette Angebot gerne wahr.<br />
Richard und Marcel aus der vierten Klasse sitzen heute an einem<br />
Hausaufsatz. Richards kleiner Bruder aus der ersten Klasse<br />
malt Buchstaben, Drittklässlerinnen fragen sich gegenseitig im<br />
Flüsterton Einmaleinsreihen ab und Hülya aus der zweiten<br />
Klasse versucht, das Teilen mit Rest zu verstehen. Hier ist die<br />
Erzieherin gefordert. In jedem Arbeitsraum sitzt eine Betreuerin<br />
mit den arbeitenden Kindern zusammen. Ihre Aufgabe ist es, die<br />
Kinder bei auftretenden Schwierigkeiten zu unterstützen,<br />
Arbeitsanweisungen noch einmal zu erklären, Lösungswege aufzuzeigen<br />
oder – wie heute für Hülya – das Teilen mit Rest noch<br />
einmal mit selbst hergestelltem Anschauungsmaterial begreifbar<br />
zu machen.<br />
Die Betreuerinnen des Spiel- und Lernclubs sind keine<br />
Lehrerinnen, auch wenn Hülya und die anderen sie als solche begreifen.<br />
Organisatorisch ist der Club unabhängig von der<br />
<strong>Grundschule</strong> Obertürkheim, inhaltlich ist er jedoch durch ein<br />
hohes Maß von Vernetzung ein wichtiger Bestandteil des<br />
Schullebens. 47% der Kinder an der <strong>Grundschule</strong> Obertürkheim<br />
sind ausländischer Herkunft. Deshalb hat der internationale<br />
Kulturverein Obertürkheim »InterTürkheim e.V.« schon 1990<br />
die Einrichtung des Lernclubs angeregt. Die Trägerschaft übernahm<br />
die Deutsche Pfadfinderschaft St. Georg. Es gibt Fördermittel<br />
des Jugendamtes Stuttgart und des Landes <strong>Baden</strong>-Württemberg.<br />
Der Spiel- und Lernclub hat es sich zur Aufgabe gemacht,<br />
Kindern aus ausländischen und Aussiedler-Familien, die zum Teil<br />
erhebliche sprachliche Defizite haben, Sprach-, Lern- und Hausaufgabenhilfe<br />
zu gewähren. Dies ist besonders wichtig, da die<br />
Eltern wegen ihrer eigenen sprachlichen Probleme die Kinder<br />
nicht oder nur zum Teil unterstützen können. Inzwischen wird<br />
das Angebot auch verstärkt von deutschen Kindern genutzt, die<br />
etwa ein Drittel der »Kundschaft« ausmachen.<br />
Mit den Bausteinen »Kernzeitenbetreuung« und »Spiel- und<br />
Lernclub« ist es gelungen, an der Schule eine Ganztagesbetreuung<br />
anzubieten. Wenn die Kernzeit um 13.30 Uhr endet, wechseln<br />
immerhin 13 Kinder in den sich unmittelbar anschließenden<br />
Spiel- und Lernclub über. Zwei der Erzieherinnen, die im<br />
Spiel- und Lernclub tätig sind, leiten auch die beiden an der<br />
Schule eingerichteten Kernzeitengruppen. Dadurch wird eine<br />
sehr gute Zusammenarbeit zwischen den Erzieherinnen und den<br />
Lehrerinnen gewährleistet. Geleitet und verwaltet wird der Spielund<br />
Lernclub ehrenamtlich von einer Lehrerin der Schule, die<br />
ihren Kolleginnen ebenfalls als direkte Ansprechpartnerin zur<br />
Verfügung steht.<br />
Die Kinder bleiben auch am Nachmittag noch gern im<br />
Schulhaus. Das sieht man ihnen besonders an, wenn sie gegen<br />
15.30 Uhr nach getaner Arbeit im großen Gruppenraum zum<br />
zweiten Schwerpunkt, dem Spielen, eintreffen. In regelmäßigen<br />
Teambesprechungen planen die Betreuerinnen ein vielseitiges,<br />
projektorientiertes Freizeitprogramm, das die Kinder ganzheitlich<br />
fördert. Werken, Malen oder Puppenspiel werden konsequent<br />
einbezogen. Unternehmungen außer Haus, vor allem freitags,<br />
wenn es wenig Hausaufgaben gibt, erweitern den Erfahrungshorizont<br />
der Kinder.<br />
Lernen ist Lernen, Spiel ist Spiel, aber wie gut lernt es sich im<br />
Spiel und wie gut tut es den Kindern, immer wieder einmal mit<br />
der Lehrerin zu spielen! Hülya versteht jetzt langsam das Teilen<br />
mit Rest, beim »Uno«-Spielen gewinnt sie schon lange ganz<br />
locker. 7
Männer in die <strong>Grundschule</strong>!<br />
ProVerhaltensweise<br />
oder Werthaltung besser<br />
Helga Willers,<br />
geb. 1943, 3 erwachsene<br />
Kinder (35, 25,<br />
23), zwei Enkeltöchter (7 und 4), seit 1998<br />
Leiterin des Staatlichen Schulamts Nürtingen,<br />
davor Referentin für Grund- und<br />
Hauptschulen am Oberschulamt Stuttgart,<br />
bis 1996 Konrektorin und Rektorin im<br />
GHS-Bereich<br />
Männer kommen nicht vor. Frauenübermacht<br />
bei der Erziehung: Das ist Realität!<br />
Kinder gehen die ersten zehn Jahre<br />
durch Frauenhände. Mütter ziehen die<br />
Kinder auf, und Großmütter springen,<br />
wenn Not »an der Frau« ist, bei der Betreuung<br />
ein. Erzieherinnen im Kindergarten<br />
sind weitere Erziehungsfrauen, die<br />
Kinder begleiten, und dann folgen die<br />
Lehrerinnen in der <strong>Grundschule</strong>.<br />
Sind sich Männer eigentlich bewusst,<br />
was sie da aus der Hand geben? In dieser<br />
prägenden Kindheitsphase vergeben sie<br />
den Einfluss, den sie auf Kinder haben<br />
können.<br />
Zur Entwicklung aller Kinder gehört,<br />
dass sie durch lebendige Vorbilder lernen,<br />
was Erwachsensein bedeutet. Was ist<br />
männlich? Oder vielmehr: Wo lernen<br />
Kinder männliche Lebensentwürfe kennen?<br />
Mädchen brauchen eine Orientierung<br />
am Gegenpol, Jungen brauchen eine<br />
männliche Identifikationsfigur zur Rollenfindung.<br />
Es ist schon grotesk: Im viktorianischen<br />
Zeitalter schienen Frauen zu dumm<br />
dazu zu sein; da hat man die Erziehung<br />
den Männern überlassen. Und heutzutage<br />
ist Erziehung zur Frauensache geworden.<br />
Jede Lehrkraft, ob weiblich oder männlich,<br />
wird beim Erziehen und Unterrichten<br />
die eigene Persönlichkeit einbringen.<br />
Trotzdem geht es um unterschiedliche<br />
Verhaltensweisen von Frauen und Männern.<br />
Es geht aber nicht darum, ob eine<br />
oder schlechter ist. Es geht um die Verschiedenartigkeit.<br />
Es geht darum, dass ein<br />
männlicher und weiblicher, ein väterlicher<br />
und ein mütterlicher Erziehungsstil sich<br />
ergänzen und gegenseitig bereichern.<br />
Zugegeben: Männer sind wirklich unpraktisch,<br />
wenn es um ein Pflaster auf’s<br />
Knie geht. Trotzdem sind alle hingerissen,<br />
wenn ein Mann in der <strong>Grundschule</strong> unterrichtet.<br />
Männliche Talente liegen<br />
brach: Es fehlt an männlichen Vorbildern!<br />
Eine kindgerechte Schule ist für mich<br />
eine mädchen- und jungengerechte Schule,<br />
die Kinder weibliche und männliche<br />
Erziehungsstile erleben lässt.<br />
<strong>Grundschule</strong> als Beruf<br />
39.313 Lehrkräfte, Frauenanteil 69%,<br />
890 Neueinstellungen<br />
> Lehrerinnen und Lehrer an Grund- und Hauptschulen<br />
üben ihren Beruf im Rahmen des so<br />
genannten »Verbundlehramtes« aus. Sie haben<br />
also die Lehrbefähigung für beide Schularten.<br />
> In <strong>Baden</strong>-Württemberg gibt es 2.666 öffentliche<br />
Grund- und Hauptschulen mit 685.754<br />
Schülerinnen und Schülern sowie 39.313 Lehrerinnen<br />
und Lehrern (Stand 21. Mai 1999).<br />
> Der Frauenanteil im Berufsfeld Grund- und<br />
Hauptschule liegt in <strong>Baden</strong>-Württemberg bei<br />
69%. Ebenfalls 69% der 27.239 weiblichen,<br />
aber nur 13% der 12.074 männlichen Lehrkräfte<br />
sind teilzeitbeschäftigt.<br />
> 1997/98 waren von den insgesamt 2.661 Schulleiterstellen<br />
im Bereich GHS 633 (= 23,8%) von<br />
Frauen besetzt.<br />
> Das Lehramtsstudium umfasst hier in der<br />
Regel sieben Semester inklusive der 1. Staatsprüfung.<br />
Zum Abschluss gehören noch drei<br />
Schulhalbjahre Praxiserfahrung.<br />
> Im Schuljahr 1999/2000 werden in <strong>Baden</strong>-<br />
Württemberg voraussichtlich insgesamt 890<br />
neue Lehrerinnen und Lehrer für die Grundund<br />
Hauptschulen eingestellt.<br />
Contra<br />
Ursula Stock,<br />
geb. 1955, 3 Kinder<br />
(19,14,11), Elternvertreterin<br />
an einem Gymnasium, begann<br />
1978 als Grund- und Hauptschullehrerin,<br />
seit 1997 Pädagogische Beraterin »<strong>Grundschule</strong>«<br />
und seit 1993 Lehrbeauftragte am<br />
Seminar für schulpraktische Ausbildung<br />
(GHS) Schwäbisch Gmünd für den musisch-ästhetischen<br />
Gegenstandsbereich<br />
Männer bagatellisieren den Kinderschmerz.<br />
Frauen nehmen Kinder einfach<br />
in den Arm. Schon das prädestiniert Frauen,<br />
Grundschulkinder zu unterrichten. Sie<br />
spüren besser, was Kinder in diesem Alter<br />
brauchen.<br />
Ist das wirklich so?<br />
Lehrerin an der <strong>Grundschule</strong> wird<br />
man, weil man Kinder mag. Grund- und<br />
Hauptschullehrer wird man, weil man an<br />
einer bestimmten Sache interessiert ist, an<br />
einem bestimmten Fach. »<strong>Grundschule</strong> ist<br />
Kinderkram«, kursiert unter Männern. Da<br />
greifen die ganz alten Rollenmuster, die es<br />
Männern schwer machen, sich für den<br />
Stufenschwerpunkt <strong>Grundschule</strong> zu entscheiden.<br />
Ja, meiner Erfahrung nach müssen<br />
sie sich gelegentlich beinahe verteidigen,<br />
wenn sie sich bewusst für die Grund-<br />
schule entscheiden. Sie können dann<br />
leichter bestehen, wenn sie eine Schulleiterfunktion<br />
anstreben, weil damit ihr<br />
Ansehen wächst. Rektoren an der <strong>Grundschule</strong><br />
– das geht. Das wird gesellschaftlich<br />
akzeptiert und nicht hinterfragt. Hinterfragt<br />
wird auch nicht, warum es so wenige<br />
Lehrerinnen in Schulleitungsfunktion<br />
gibt. Hinterfragt wird aber, warum es<br />
so viele Lehrerinnen in der <strong>Grundschule</strong><br />
gibt.<br />
Kann man es nicht einfach so sehen:<br />
Frauen haben sich den Platz in der <strong>Grundschule</strong><br />
erobert und die <strong>Grundschule</strong> zu einer<br />
Schulart gemacht, die pädagogische<br />
Innovationsführerin geworden ist. Bei den<br />
Führungspositionen müssen sie noch aufholen.<br />
Da müssen sich Frauen noch mehr<br />
trauen, und Männer müssen es ihnen zutrauen.<br />
Und: Frauen brauchen weibliche<br />
Vorbilder, die ihnen Mut machen.<br />
Um Männlichem zu begegnen, sollten<br />
Grundschulkinder allerdings nicht nur<br />
den Pfarrer oder den Rektor erleben. Im<br />
Übrigen bevorzugen Kinder nicht weibliche<br />
oder männliche Lehrkräfte, sondern<br />
sie spüren sehr genau, was eine gute<br />
Lehrerin oder einen guten Lehrer ausmacht.<br />
35
36<br />
<strong>Thema</strong> <strong>Grundschule</strong><br />
»Ich habe ehrgeizige Eltern,<br />
das stimmt, aber wissen<br />
Sie, das ist nicht alles...« Julia, 6 Jahre<br />
Beobachtungsgenauigkeit, starke Begriffsleistungen, hohe Lerngeschwindigkeit,<br />
Erkennen von Strukturen, besondere Gedächtnisleistung,<br />
schneller Spracherwerb, intensive Beschäftigung mit<br />
Symbolen, Konzentrationsvermögen, Ausdauer bei selbstgestellten<br />
Aufgaben, Eigenwilligkeit, Sensibilität, Abneigung gegen<br />
physische Auseinandersetzung – das sind die Eigenschaften, die<br />
Aiga Stapf – Psychologin an der Universität Tübingen – bei begabten<br />
Kindern im Grundschulalter vorfindet. Wenn das alles in<br />
einer kleinen Persönlichkeit zusammenkommt, dann sollten auch<br />
Lehrerinnen und Lehrer ins Grübeln<br />
kommen.<br />
Hoch begabte Kinder provozieren<br />
eine uralte Grundfrage des<br />
gesamten Schulwesens mit neuer<br />
Schärfe: Wie viel Gemeinsamkeit<br />
und wie viel Differenzierung ist<br />
nötig? Wann wird die Einfügung<br />
in eine Lerngruppe zum Hemmschuh<br />
für Einzelne? Wie viel Verschiedenheit<br />
braucht eine Gruppe<br />
von Kindern, um ein lernfreundliches<br />
Klima zu entwickeln?<br />
Elemente der Begabtenförderung<br />
in der <strong>Grundschule</strong> werden<br />
immer wieder von besonderen<br />
Initiativen für Hochbegabte außerhalb<br />
des regulären Unterrichts<br />
entwickelt. Die eigentliche Herausforderung<br />
besteht aber darin,<br />
sie im Alltag möglichst vieler<br />
<strong>Grundschule</strong>n – im »ganz normalen<br />
Unterricht« – zu verankern.<br />
Um auf diesem Weg voranzukommen,<br />
setzt das Kultusministerium<br />
in <strong>Baden</strong>-Württemberg<br />
auf die Kompetenz des Beratungsnetzes<br />
der Staatlichen Schulämter<br />
und Schulpsychologischen Beratungsstellen.<br />
Begabtenförderung in der <strong>Grundschule</strong><br />
Als er dies aufgeschrieben hat, war Mathias 10 Jahre alt und besuchte die<br />
vierte Klasse der Anne-Frank-Schule in Freiburg.<br />
»Begabte Kinder werden in der <strong>Grundschule</strong> oft nur herangezogen,<br />
um anderen zu helfen«, sagt Christa Engemann, Leiterin<br />
des Grund- und Hauptschulschulreferates im Kultusministerium.<br />
»Oft wird übersehen, dass diese Kinder selbst auch<br />
›Futter‹ brauchen und ohne Förderung verarmen, ja teilweise<br />
Anzeichen von Verhaltensstörungen zeigen. – Ich frage mich,<br />
warum wird die Förderung intellektuell Hochbegabter nicht genauso<br />
selbstverständlich gesehen wie die der musisch oder sportlich<br />
besonders begabten Kinder?«<br />
Eine Reihe struktureller Regelungen<br />
ermöglichen einen individuellen<br />
Bildungsverlauf für<br />
diese Kinder ab der Einschulung.<br />
In <strong>Baden</strong>-Württemberg<br />
gibt es folgende Optionen:<br />
> vorzeitige Einschulung;<br />
> Einschulung in die Klasse 2;<br />
> ein- oder zweimaliges Überspringen<br />
einer Klasse;<br />
> Überspringen einer Klasse<br />
mitten im Schuljahr;<br />
> Übergang aus der Klasse 3<br />
ans Gymnasium.<br />
»Die günstigen rechtlichen Rahmenbedingungen<br />
müssen nun<br />
auch tatsächlich genutzt werden«,<br />
meint Christa Engemann.<br />
»Entscheidend kommt es aber<br />
auf die Unterrichtspraxis an: auf<br />
differenzierende Methoden.<br />
Hier spielt die Freiarbeit eine<br />
große Rolle. Im Rahmen individueller<br />
Aufgabenstellungen kann<br />
man den fixen Schülerinnen und<br />
Schülern das ›Futter‹ geben, das<br />
sie brauchen. Die Schulbibliothek<br />
kann für Begabte eine Oase<br />
sein – und dann gibt es natürlich<br />
noch die tausend Möglichkeiten<br />
des Computers …«
Außerunterrichtliche Förderung an und mit der Schule<br />
»Denk-AG« in Neckarsulm<br />
Die Köpfe rauchen! Auch noch in der sechsten Stunde sind sie<br />
hoch konzentriert: sieben Jungen und Mädchen aus der vierten<br />
Klasse. Das ist die »Denk-AG« der Neubergschule in Neckarsulm.<br />
— | Brauchen hoch begabte Kinder eine zusätzliche<br />
Förderung?<br />
Damit Begabung nicht zum Problem wird, ist sowohl kognitive<br />
Herausforderung als auch soziale Integration für hoch begabte<br />
Kinder von Bedeutung. Die Förderung kann im Rahmen des<br />
Klassenverbands erfolgen, z.B. durch qualitative Anreicherung<br />
von Lerninhalten (Freiarbeit, Erarbeitung von Referaten) oder<br />
durch »extraschwere« Hausaufgaben. Doch nicht immer reicht<br />
dies aus.<br />
— | Wer macht mit?<br />
Kein Kind trägt das Schild »hoch begabt« um den Hals. Und<br />
doch wird schon früh deutlich: Manche Kinder sind besonders<br />
kreativ und phantasievoll, sie haben Interesse an komplexen Aufgaben<br />
und lösen gern knifflige Probleme. Aber emotional und im<br />
sozialen Verhalten reagieren die Kandidatinnen und Kandidaten<br />
für die »Denk-AG« wie alle Kinder ihres Alters. Aus vier Parallelklassen<br />
der Neubergschule kommen Kinder in der Arbeitsgemeinschaft<br />
zusammen.<br />
— | Was macht die Denk-AG?<br />
Lern- und Strategiespiele mag dieser Kreis besonders, aber<br />
auch mathematische Aufgaben – etwa geometrische Gesetzmäßigkeiten<br />
erkennen oder: Was bedeutet Unendlichkeit?<br />
Sprachphilosophische Betrachtungen machen nachdenklich: Was<br />
ist eigentlich Gegenwart? Ist nicht das, was wir gerade denken,<br />
sagen und tun, im gleichen Moment bereits Vergangenheit?<br />
Leben wir also – statt in der Gegenwart – immer nur zwischen<br />
Vergangenheit und Zukunft? Nicht zuletzt skurrile Paradoxien<br />
faszinieren: Warum ist Achill langsamer als die Schildkröte?<br />
— | Die Ziele der Denk-AG<br />
Entsprechend ihren kognitiven Fähigkeiten sollen begabte<br />
Kinder gefördert und gefordert werden. Vor allem aber sollen sie<br />
spüren, dass sie keine Außenseiter sind, sondern voll anerkannt<br />
werden.<br />
Kontakt: Rektor Hans Peter Brugger,<br />
Neuberg-<strong>Grundschule</strong> Neckarsulm,<br />
Berliner Straße 11, 74192 Neckarsulm<br />
Ein regionales Nachmittagsangebot<br />
Die Kinder- und Jugendakademie<br />
Stuttgart …<br />
…bietet freiwillige Arbeitsgemeinschaften als zusätzliche Fördermöglichkeit<br />
für besonders begabte Kinder der <strong>Grundschule</strong><br />
und der Sekundarstufe I.<br />
Alle Veranstaltungen finden nachmittags statt, vorerst hauptsächlich<br />
an außerschulischen Lernorten (z.B. Museen) im Bereich<br />
Stuttgart. Die Teilnahme an den Kursen ist kostenlos.<br />
Bei einem ersten »Schnupperangebot« wurde auf Zugangsbeschränkungen<br />
verzichtet. Eltern sollten die Teilnahme an den<br />
Kursen mit ihren Kindern sowie den Lehrerinnen und Lehrern<br />
besprechen, um Enttäuschungen – etwa durch Überforderung –<br />
zu vermeiden.<br />
— | Das erste Kursangebot<br />
> Zauber der Technik<br />
> Chemie-Experimente für Kinder der <strong>Grundschule</strong><br />
> Kreatives Schreiben (Kunstwerke als Anreiz zum freien<br />
Schreiben)<br />
> Mathe – mal anders<br />
> Herstellen eines Geschichtenbuchs mit dem Computer<br />
> Mikroskopieren: Früchte, Samen, Blätter, Fossilien.<br />
Erste Erfahrungen zeigen, dass die mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />
und technischen Themen ein besonders großes<br />
Interesse finden.<br />
Ab dem Schuljahr 1999/2000 werden die Arbeitsgemeinschaften<br />
für Schülerinnen und Schüler der weiterführenden<br />
Schulen auch für Grundschulkinder geöffnet. Zusätzliche Arbeitsgemeinschaften<br />
an zentral gelegenen <strong>Grundschule</strong>n werden<br />
angeboten.<br />
Wo Kinder ihre erste Lernfreude durch Unterforderung verloren<br />
haben, gibt die Kinder- und Jugendakademie Stuttgart einen<br />
neuen Schub.<br />
Kontakt: Erika Krause, Konrektorin an der<br />
Mühlbachhof-<strong>Grundschule</strong> in Stuttgart,<br />
Parlerstr. 100, 70192 Stuttgart<br />
37
38<br />
<strong>Thema</strong> <strong>Grundschule</strong><br />
»Frau Schavan, gehört der Computer<br />
in die <strong>Grundschule</strong>?«<br />
»Ja, an ganz bestimmte Stellen.«<br />
Wo wird eigentlich der PC in der<br />
<strong>Grundschule</strong> aufgestellt? – Das ist keine<br />
bloß praktische, sondern eine pädagogische<br />
Frage.<br />
Der Grundschul-PC gehört nicht in<br />
einen gesonderten Fachraum. Er soll und<br />
kann in die »Lernlandschaft« des Klassenraumes<br />
als fester Bestandteil eines umfassenden<br />
Unterrichtskonzeptes eingebaut werden.<br />
Lehrer oder Lehrerin werden sich selbst<br />
bei der besten Lernsoftware nie auf die<br />
Rolle eines bloßen »Moderators« zurückziehen<br />
können. Aber ein Vorteil liegt auf<br />
der Hand: Während sich die eine Schülergruppe<br />
einmal 10 Minuten konzentriert<br />
mit den Lernschritten des Programms beschäftigt,<br />
kann die Lehrerin oder der Lehrer<br />
einer anderen Gruppe größere Aufmerksamkeit<br />
schenken. Der Computer<br />
schafft Freiraum für pädagogische Vielfalt<br />
in der Klasse.<br />
Nicht das Erlernen des Umgangs mit<br />
der Technik ist das Ziel des Computereinsatzes<br />
in der <strong>Grundschule</strong>. Es geht darum,<br />
die Vorteile guter Lernsoftware für<br />
die klassischen Lernziele der <strong>Grundschule</strong><br />
zu nutzen. Der Umgang mit dem Computer<br />
ist nicht das Lernziel, sondern der<br />
Lernweg zur Beherrschung von Lesen,<br />
Schreiben, Rechnen, zur Entfaltung von<br />
Kreativität und manchem anderen mehr.<br />
Die Kinder sitzen nicht einsam vor<br />
dem Bildschirm. In der Regel sind sie zu<br />
dritt und werden von der Lehrerin oder<br />
dem Lehrer unterstützt. Wenn die erste<br />
Einführung gelungen ist, sollen sich die<br />
Kinder gegenseitig helfen. Selbstständigkeit<br />
und Sozialkompetenz können so gestärkt<br />
werden.<br />
Das Arbeiten am Computer motiviert,<br />
es fesselt gelegentlich sogar und verschafft<br />
auch manchem unkonzentrierten Kind<br />
die gute Erfahrung, eine Sache gründlich<br />
und ausdauernd zu einem sichtbaren Erfolg<br />
gebracht zu haben.<br />
Viele Lernprogramme sind auf individuelle<br />
Schwierigkeitsstufen einstellbar und<br />
geben unmittelbare Erfolgsbestätigung. So<br />
kann gerade bei schwächeren Schülerinnen<br />
und Schülern die Lernfreude gefördert<br />
werden.<br />
Ein Kapitel des Computereinsatzes in<br />
der <strong>Grundschule</strong> wird oft ganz vergessen:<br />
Für viele behinderte Kinder wird der<br />
Computer zur Prothese, die ihnen neue<br />
Horizonte des Handelns und des Lernens<br />
eröffnet.<br />
Hier eine kleine Auswahl von Grundschul-Aktivitäten<br />
mit dem PC, zusammengestellt<br />
von Hildegard Rimkus und<br />
Rita Reuß, die an der Silcherschule in<br />
Fellbach pädagogische Pionierarbeit mit<br />
dem PC geleistet haben:<br />
— | Individuelle Lernwege<br />
Hauptsächlich im Heimat- und Sachunterricht,<br />
aber auch in den musischen<br />
Fächern finden Schülerinnen und Schüler<br />
mit Hilfe von Datenbanken wie z. B. »Winnie«,<br />
»Meine erste Reise um die Welt«<br />
oder »Encarta« ihre persönlichen Lernwege<br />
und setzen eigene Interessenschwerpunkte.<br />
— | Gezielte Übung<br />
Sowohl im Mathematik- als auch im<br />
Deutschunterricht motivieren Trainingsprogramme<br />
wie »IXI-Olympiade«, »Abakus«,<br />
»Blitzrechnen« oder »Rosenkränzer«<br />
und »Uniwort« zum Üben von Grundfertigkeiten.<br />
Von besonderem Vorteil sind<br />
die sofortige Fehlerrückmeldung und direkte<br />
Leistungsmessung.
— | Konstruieren und Gestalten<br />
Für die Geometrie bieten die Programme<br />
»BAUWAS« und »Igel« vielfältige<br />
kreative Konstruktions-, Gestaltungs- und<br />
Übungsmöglichkeiten.<br />
— | Kreatives Schreiben und<br />
Gestalten<br />
Täglich gibt es Anlässe, eigene Texte zu<br />
erstellen und zu gestalten. Dafür hat sich<br />
das »Junior Schreibstudio« mit seiner Clipart-<br />
und Rahmensammlung hervorragend<br />
bewährt. Mit der digitalen Kamera aufgenommene<br />
oder gescannte Bilder können<br />
bearbeitet und in Texte eingebunden werden.<br />
— | Fehlerdiagnose<br />
Diagnostikprogramme für Deutsch<br />
und Mathematik enthalten gestufte Diktate<br />
und Tests, die von Schülerinnen und<br />
Schülern der verschiedenen Klassenstufen<br />
bearbeitet und vom Computer ausgewertet<br />
werden. Die daraus resultierenden Fehleranalysen<br />
sind die Grundlage für gezielte<br />
Fördermaßnahmen und individuelle Förderpläne.<br />
— | Förderung von Schülerinnen und<br />
Schülern mit Schwierigkeiten im<br />
Lesen und/oder Rechtschreiben<br />
Kinder mit Lese-Rechtschreib-Schwäche<br />
arbeiten nach individuell erstellten Förderplänen<br />
mit dem PC. Bewährt haben<br />
sich hierfür die Programme »CESAR«<br />
»Lesen 1.0«, »GUT 1« und »Universelles<br />
Worttraining GUT 2«.<br />
— | Interaktives Arbeiten und Lernen<br />
Programme, bei denen Lernen und<br />
Üben in Sinn- und Sachzusammenhängen<br />
stattfindet, sind bei den Kindern sehr beliebt.<br />
Interaktives Eingreifen in Rahmen-<br />
handlungen wie beim Programm »Meisterdetektive<br />
jagen Lork« machen das<br />
Lernen spannend. »Fit in Mathe. Geometrie«<br />
führt individuell durch das<br />
<strong>Thema</strong> Flächen und Körper.<br />
— | Denk- und Logikschulung<br />
Für leistungsstarke Kinder werden Programme<br />
angeboten, die über die Schulung<br />
von Konzentration und Wahrnehmung<br />
hinaus viel Stoff zum Knobeln geben. Die<br />
Logik-, Lern- und Strategiespiele »Zahlix<br />
im Knobelland«, »Stadt-Ralley« und »Prof.<br />
Tims verrückte Werkstatt« fordern viele<br />
Schülerinnen und Schüler heraus.<br />
— | Kreatives Malen<br />
Mit »Paint« lassen sich Kunstwerke aus<br />
geometrischen Figuren mit verschiedenen<br />
Linienformen kombinieren und einfärben.<br />
Auf diese Weise entstehen neue<br />
»Miros« oder »Kandinskys« – mit dem<br />
Vorteil, dass sie immer wieder verändert<br />
werden können.<br />
— | Literaturhinweise<br />
Das Landesinstitut für Erziehung und<br />
Unterricht, Wiederholdstr. 13, 70174 Stuttgart,<br />
hat folgende Beiträge veröffentlicht:<br />
> Software-Beratung in der <strong>Grundschule</strong>,<br />
SW 13, November 1997<br />
> Software-Beratung in der <strong>Grundschule</strong>,<br />
SW 14, November 1998<br />
Unter der Zugangsadresse www.leu.bw.schule.de/allg/schaufenster01,<br />
Stichwort: Kurzinformationen, liegen Programmgutachten in Kurzform vor.<br />
Neue Publikationen werden unter www.leu.bw.schule.de/allg (Menüpunkt<br />
Publikationen) angekündigt.<br />
39
40<br />
<strong>Thema</strong> <strong>Grundschule</strong><br />
Begabungen fördern –<br />
Hoch begabte Kinder in der<br />
<strong>Grundschule</strong><br />
In dieser Broschüre sind die Vorträge und<br />
Ergebnisse des gleichnamigen Symposions dokumentiert,<br />
das am 12. Mai 1998 vom Kultusministerium<br />
in Zusammenarbeit mit der Deutschen<br />
Gesellschaft für das hoch begabte Kind (Landesverband<br />
<strong>Baden</strong>-Württemberg) veranstaltet<br />
wurde: Das bildungspolitische Grundsatzreferat<br />
von Kultusministerin Dr. Schavan »Die <strong>Grundschule</strong><br />
setzt Maßstäbe« und die Referate namhafter<br />
Experten, die den aktuellen Forschungsstand zur<br />
Erkennung und Förderung hoch begabter<br />
Kinder aus lerntheoretischer, entwicklungspsychologischer<br />
und lernbiologischer Perspektive beleuchten,<br />
sind hier ebenso nachzulesen wie die<br />
Diskussions- und Arbeitsergebnisse der sieben<br />
Workshops. Ein ausführlicher Serviceteil mit<br />
Ansprechpartnern und Beratungsangeboten für<br />
Eltern und Schulen rundet die Dokumentation<br />
ab.<br />
Video zum Schulversuch:<br />
»Schultüten zweimal<br />
im Jahr – Schulanfang<br />
auf neuen<br />
Wegen«<br />
Der Name ist zum Markenzeichen<br />
für baden-württembergische<br />
Bildungspolitik geworden: »Schulanfang<br />
auf neuen Wegen«. Was dahinter<br />
steckt, zeigt eine Videoproduktion des Südwestrundfunks,<br />
die in SWR 3 gesendet wurde.<br />
»Schulanfang auf neuen Wegen« ist aufgrund der hohen Zahl<br />
der beteiligten Schulen das größte Innovationsfeld in <strong>Baden</strong>-<br />
Württembergs <strong>Grundschule</strong>n. Im Zentrum des breit angelegten<br />
Schulversuches steht die Weiterentwicklung organisatorischer und<br />
didaktisch-methodischer Konzepte in der <strong>Grundschule</strong>. Den flexiblen<br />
Einschulungstermin – zweimal im Jahr, im Februar und im<br />
September – bieten zahlreiche <strong>Grundschule</strong>n des Landes an. Die<br />
Kinder, die im Februar eingeschult werden, kommen in eine bereits<br />
bestehende Klasse hinein. Dadurch ergibt sich eine jahrgangsgemischte<br />
Eingangsstufe aus Klasse 1 und 2, in der die Mädchen<br />
und Jungen zwischen einem und drei Jahren verweilen können.<br />
Sitzen bleiben gibt es nicht mehr – ein psychologisch wichtiger<br />
Aspekt für die Kleinen.<br />
Lese- und Rechtschreibprobleme<br />
in der <strong>Grundschule</strong><br />
Unterschiedliche Ursachen in kombinierter<br />
Form führen zum Erscheinungsbild einer Leseund/oder<br />
Rechtschreibschwäche. Die Broschüre<br />
zeigt verschiedene Diagnose- und Förderansätze<br />
auf und gibt Hilfen für den Unterricht.<br />
Schwierigkeiten<br />
im Mathematikunterricht<br />
in der<br />
<strong>Grundschule</strong><br />
Besondere Schwierigkeiten beim Erlernen des<br />
Rechnens sind erst seit Beginn der achtziger Jahre<br />
ein <strong>Thema</strong> für Wissenschaft und Schulpraxis geworden.<br />
Das Heft will Lehrerinnen und Lehrern<br />
sowie Eltern für die Probleme der Kinder mit<br />
Schwierigkeiten in Mathematik sensibilisieren und<br />
mögliche Hilfen aufzeigen.<br />
Bezugsadresse: Landesinstitut für Erziehung und<br />
Unterricht, Wiederholdstr. 13, 70174 Stuttgart. Die<br />
Broschüre »Lese- und Rechtschreibprobleme in der<br />
<strong>Grundschule</strong>« kostet DM 10,–. Empfohlen wird eine<br />
schulweise Sammelbestellung. Bei Rechnungsbeträgen<br />
unter DM 30,– wird zusätzlich eine Verpackungs-<br />
und Versandkostenpauschale in Höhe<br />
von DM 5,– erhoben. Die Dokumentation zur Begabtenförderung<br />
sowie die Broschüre »Schwierigkeiten<br />
im Mathematikunterricht in der <strong>Grundschule</strong>«<br />
gibt es – unter Beilage eines mit DM 3,–<br />
frankierten Rückumschlags (DIN A4) – kostenlos.<br />
Am <strong>Thema</strong> <strong>Grundschule</strong><br />
haben<br />
mitgearbeitet:<br />
Susanne Schmidt, Heidemarie Scheel<br />
(<strong>Grundschule</strong> Obertürkheim); Erika<br />
Krause (Mühlbachhof-<strong>Grundschule</strong><br />
Stuttgart), Hildegard Rimkus, Rita<br />
Reuß (Silcherschule Fellbach);<br />
Christine Kaufmann-Schmid,<br />
Riederich; Heinz Jansen<br />
(Wolfbuschschule Weilimdorf);<br />
Helga Willers (Staatliches Schulamt<br />
Nürtingen); Ursula Stock (Seminar<br />
für schulpraktische Ausbildung<br />
[GHS] Schwäbisch Gmünd); Hans<br />
Peter Brugger (Neuberg-<strong>Grundschule</strong><br />
Neckarsulm); Christa<br />
Engemann, Maria Anna Franz,<br />
Wolfgang Riefler, Wolfgang Schiele,<br />
Detlef Böhme, Georg Eickhoff<br />
(Kultusministerium)<br />
Das eigene Lerntempo bestimmen<br />
Der 30-minütige Film zeigt unter anderem am Beispiel der<br />
<strong>Grundschule</strong> Wolfartsweier, Stadtkreis Karlsruhe, wie individuelle<br />
Lernformen in einem offenen Unterricht auf die Kinder wirken:<br />
die Schülerinnen und Schüler bekommen so bereits ganz am Anfang<br />
ihrer »Schulkarriere« vermittelt, wie sie selbstständig arbeiten<br />
können – und das in ihrem eigenen Lerntempo.<br />
Bemerkenswert ist auch das »Helfersystem«, das sich zwischen<br />
den älteren Schulanfängern und den »Frischlingen« entwickelt.<br />
Der Film zeigt außerdem die neuen Zuschnitte der Grundschulförderklassen:<br />
Eine starke Verzahnung mit der 1. Klasse<br />
bringt Vorteile. Die Kinder können ganz nach ihren individuellen<br />
Fähigkeiten und zeitlich gleitend von der Grundschulförderklasse<br />
in die 1. Klasse wechseln.<br />
Wie kommen die Beteiligten mit der veränderten <strong>Grundschule</strong><br />
zurecht? Was bringt der offene Unterricht und die verstärkte<br />
Sozialerziehung des neuen Schulmodells? Wie geht es nach dem<br />
Modellversuch weiter? Antworten auf diese Fragen gibt’s im O-<br />
Ton von betroffenen Kindern, Eltern, Lehrkräften und von Kultusministerin<br />
Dr. Annette Schavan.<br />
Das Video »Schultüten zweimal im Jahr – Schulanfang auf neuen<br />
Wegen« kann in <strong>Baden</strong>-Württemberg bei der Landesbildstelle<br />
Württemberg, Rotenbergstr. 111, 70190 Stuttgart, in den anderen<br />
Bundesländern bei den Landesbildstellen unter der Mediennummer<br />
4283698 zum Preis von DM 16,– erworben werden.
Schule und Arbeitswelt<br />
Allen Jugendlichen berufliche<br />
Perspektiven eröffnen!<br />
»Die Krise hat die Jugend erreicht«,<br />
so lautet das Fazit der jüngsten<br />
Shell-Jugendstudie.<br />
So viele Sorgen um ihre eigene<br />
Zukunft wie derzeit haben sich<br />
Jugendliche schon lange nicht<br />
mehr gemacht. Am meisten<br />
bedrückt sie dabei die Sorge um<br />
einen sicheren Ausbildungs- und<br />
Arbeitsplatz. Während sich jugendliche<br />
Zukunftsängste vor zehn,<br />
fünfzehn Jahren noch hauptsächlich<br />
am <strong>Thema</strong> Umweltzerstörung<br />
festmachten, sind es heute vor<br />
allem die Probleme der Arbeitswelt,<br />
die für junge Menschen – über alle<br />
Ausfächerungen verschiedener<br />
Jugendkulturen hinweg – eine<br />
»prägende Generationserfahrung«<br />
darstellen.<br />
Empfehlungen des Sachverständigenrats<br />
»Berufliche Bildung«<br />
Dabei gehört die Berufsausbildung seit Jahren zu den dynamischsten<br />
und innovativsten Bereichen. Die beruflichen Qualifizierungsmöglichkeiten<br />
und Chancen in Deutschland sind im<br />
Vergleich zu anderen europäischen Ländern gut. Fast zwei Drittel<br />
der Jugendlichen eines Jahrgangs durchlaufen das berufliche<br />
Schulwesen. Die Berufsschule, Partner des Betriebs in der dualen<br />
Berufsausbildung, besuchen in <strong>Baden</strong>-Württemberg derzeit ca.<br />
190.000 Schülerinnen und Schüler in ungefähr 250 Ausbildungsberufen.<br />
Besonders beliebt sind die Berufe Kraftfahrzeugmechaniker/in,<br />
Bürokaufmann/frau, Kaufmann/frau im Einzelhandel,<br />
Industriekaufmann/frau und Arzthelfer/in. Daneben gibt<br />
es viele Vollzeitschulen, in denen z.B. ein mittlerer Bildungsabschluss<br />
oder die Fachhochschulreife erlangt werden können.<br />
<strong>Baden</strong>-Württemberg verfügt insgesamt über ein gut ausgebautes<br />
Netz beruflicher Vollzeitschulen. Mit einem Anteil von ca. 39%<br />
steht es bundesweit an der Spitze.<br />
Neue Berufe wie im rasch wachsenden Bereich der Informations-<br />
und Kommunikationstechnik, z.B. IT-Systemelektroniker/in<br />
und Fachinformatiker/in, stehen für ein aktuelles Angebot<br />
an zukunftsträchtigen Berufen.<br />
Kontinuierliche Lehrerfortbildung und moderne Ausstattungen<br />
der beruflichen Schulen zählen dabei zu den Grundvoraussetzungen.<br />
— | Aktionsprogramm »Berufliche Bildung«<br />
Die Landesregierung hat bereits 1995 mit dem Aktionsprogramm<br />
»Berufliche Bildung« auf die angespannte Ausbildungssituation<br />
reagiert. Weitere wichtige konzeptionelle Anregungen<br />
zu dieser Problematik erbrachte das 1997 durchgeführte Symposium<br />
»Bildung und Arbeitswelt«.<br />
Um darüber hinaus, orientiert an den Erfordernissen des wirtschaftlichen<br />
wie technischen Modernisierungsprozesses, weitere<br />
Impulse und Ideen für eine zukunftsgerechte berufliche Bildung<br />
zu entwickeln, hat Kultusministerin Schavan im September 1997<br />
Mitglieder des<br />
Sachverständigenrates<br />
Cornelia Batt-Behrendt<br />
<strong>Baden</strong>-Württembergischer<br />
Handwerkstag Stuttgart<br />
Sigrid Birk<br />
Matthias-Erzberger-Schule<br />
Biberach<br />
Rainer Dahlem<br />
Gewerkschaft Erziehung und<br />
Wissenschaft<br />
Rolf Dörflinger<br />
Sprecher der Berufsschullehrerverbände<br />
<strong>Baden</strong>-<br />
Württemberg<br />
Dr. Martin Frädrich<br />
<strong>Baden</strong>-Württembergischer<br />
Industrie- und<br />
Handelskammertag<br />
Hartmut Römpp<br />
Staatsministerium<br />
Jürgen Göttler<br />
J. M. Voith GmbH<br />
Hans Lambacher<br />
DGB Landesverband<br />
Dieter Laux<br />
Werner-von-Siemens-Schule<br />
Mannheim<br />
Wolfgang Gerlach<br />
Landesarbeitsamt<br />
Elke Martin-Ehret<br />
Wirtschaftsprüfung/Steuerberatung<br />
Emmendingen<br />
Dr. Reinhold Mayerle<br />
Wirtschaftsministerium<br />
Claus Munkwitz<br />
Handwerkskammer Region<br />
Stuttgart<br />
Ernst Mutscheller<br />
Landesvereinigung <strong>Baden</strong>-<br />
Württembergischer<br />
Arbeitgeberverbände e. V.<br />
Ingeborge Schöffel-Tschinke<br />
Landesschulbeirat<br />
Klaus Sommer<br />
Förderband e. V. Mannheim<br />
Siegfried Specker<br />
Kaufmännische Schulen<br />
Tuttlingen<br />
Jochen Strasser<br />
Firma Jochen Strasser<br />
Tübingen<br />
Rosemarie Stürmlinger<br />
Oberschulamt Freiburg<br />
41
42<br />
Schule und Arbeitswelt<br />
einen Sachverständigenrat »Berufliche Bildung« eingesetzt. Mitglieder<br />
dieses Gremiums waren: Fachleute aus Arbeitgeberverbänden,<br />
Kammern, Betrieben und Gewerkschaften, Vertreter<br />
des Landesarbeitsamtes, der Schulverwaltung und des Wirtschaftsministeriums<br />
sowie Schulpraktiker und Mitarbeiter der sozialen<br />
und berufsweltorientierten Jugendarbeit.<br />
»Lernortkooperation«, »Praktisch begabte Schülerinnen und<br />
Schüler«, »Weiterentwicklung des Lernkonzepts der Hauptschule«,<br />
»Schwache Schülerinnen und Schüler«, »Handlungsspielraum<br />
der Schule«, »Anrechnungsfähige Bildungsgänge« –<br />
lauteten die Themen, mit denen sich der Sachverständigenrat in<br />
sechs Arbeitsgruppen auseinander gesetzt hat. Die Formulierungen<br />
zeigen schon, wo die Experten der beruflichen Bildung besonderen<br />
Handlungsbedarf sehen.<br />
— | Empfehlungen des Sachverständigenrats<br />
Die Ergebnisse der sechs Arbeitsgruppen sind in den<br />
Empfehlungen des Sachverständigenrats vom 12. Mai 1999 zusammengestellt.<br />
1. Das duale System hat Priorität<br />
Mit dem dualen System der Berufsausbildung verbindet sich<br />
aus Sicht der Experten ein wichtiger Standortvorteil, vor allem<br />
auch deshalb, weil es Jugendlichen gute Berufschancen eröffnet.<br />
Zur Weiterentwicklung müsse in erster Linie die Leistungsfähigkeit<br />
der Berufsschule als Hauptstütze des beruflichen Schulwesens<br />
gestärkt werden, z.B. durch moderne Lehr- und Lernmittel,<br />
Werkstätten auf neuestem Stand und eine permanente Lehrerfortbildung.<br />
2. Die Ausbildungszeiten sind zu lang<br />
Aktuelle Statistiken belegen, dass sich nur noch ca. 30% der<br />
Realschülerinnen und -schüler eines Jahrgangs für den direkten<br />
Einstieg in eine berufliche Ausbildung im dualen System entscheiden.<br />
Immer mehr Jugendliche drängen nicht zuletzt wegen<br />
der angespannten Situation auf dem Lehrstellenmarkt in vollzeit-<br />
Die Leitfragen des Sachverständigenrates:<br />
1. Wie qualifizieren wir die zunehmende Zahl von Absolventen aus den allgemein bildenden<br />
Schulen, die (noch) keine Ausbildung im dualen System aufnehmen?<br />
2. Welche Qualifizierungschancen können wir den jungen Menschen mit Defiziten, den eher<br />
praktisch Begabten anbieten, damit sie nicht auf der Strecke bleiben?<br />
3. Welche Maßnahmen sind notwendig, um die rasanten technischen und wirtschaftlichen<br />
Entwicklungen in den Arbeitsprozessen der Betriebe im beruflichen Bildungssystem<br />
angemessen zu berücksichtigen?<br />
schulische Bildungsgänge, um danach doch noch eine Berufsausbildung<br />
im dualen System zu machen. Dadurch werden die<br />
Ausbildungszeiten verlängert und wertvolle Ressourcen gebunden.<br />
Deshalb sollten die vollzeitschulischen Bildungsgänge vermehrt<br />
duale Elemente (z.B. im Rahmen von Übungsfirmen oder<br />
Betriebspraktika) enthalten, und so erworbene Bildungsabschlüsse<br />
sollten zumindest teilweise auf die anschließende<br />
Berufsausbildung angerechnet werden.<br />
Am Schulversuch »Kaufmännisches Berufskolleg mit Übungsfirma«<br />
beteiligen sich im Schuljahr 1999/2000 sechs Schulen.<br />
Eine Übungsfirma, wie z.B. die Firma »Uncover« an der Robert-<br />
Gerwig-Schule in Singen, die in Zusammenarbeit mit der Firma<br />
Schiesser Damen- und Herrenunterbekleidung vertreibt, ist ein<br />
fiktives Handelsunternehmen, das aber wie ein real existierendes<br />
agiert. Hier können die Schüler theoretisch erworbene Kenntnisse<br />
in der Praxissimulation anwenden und Arbeitshandeln unter<br />
realitätsnahen Bedingungen üben.<br />
3. Praktisch Begabte einbeziehen<br />
Für Jugendliche mit vorwiegend praktischer Begabung stellen<br />
die theoretischen Anforderungen in einigen Ausbildungsberufen<br />
eine große Hürde dar. Der Sachverständigenrat empfiehlt deshalb,<br />
das bereits bestehende Angebot besonderer Ausbildungsgänge<br />
(zum Beispiel zum Teilezurichter) für praktisch begabte<br />
Jugendliche noch konsequenter zu nutzen und durch die Modifizierung<br />
dieser Bildungsgänge weiter zu verbessern.<br />
4. Ausbildungsreife ist Aufgabe aller allgemein<br />
bildenden Schulen<br />
Häufig haben Schüler der allgemein bildenden Schulen von<br />
dem, was auf sie in der Arbeitswelt zukommt, nur eine unzureichende<br />
Vorstellung. Beim Übergang von der Schule in die<br />
Berufswelt besteht die Gefahr, dass sie zu Beginn mit den vorgegebenen<br />
Rahmenbedingungen – Arbeitszeit, Vorgesetzte, Leistungsanforderungen<br />
– überfordert sind. Um dem »Praxisschock«<br />
vorzubeugen, sollte konsequenter die Möglichkeit eröffnet wer
den, in Betrieben die moderne Arbeits- und Berufswelt kennen<br />
zu lernen (Betriebspraktika, Berufsorientierung). Eine Schlüsselfunktion<br />
hat hier künftig die verstärkte Beteiligung von Fachleuten<br />
aus dem Bereich der beruflichen Bildung an der Erstellung<br />
von Lehrplänen der allgemein bildenden Schulen.<br />
5. Schulsozialarbeit verstärken<br />
An vielen Schulen wird die pädagogische Arbeit durch soziale<br />
Probleme belastet. Um den betroffenen Jugendlichen gezielte<br />
Hilfen und Beratungsmöglichkeiten anzubieten, empfiehlt der<br />
Sachverständigenrat den weiteren Ausbau der Schulsozialarbeit.<br />
Für leistungsschwächere, nicht selten aus sozial belasteten<br />
Familien kommende Jugendliche stellt insbesondere der Übergang<br />
von der Schule in die Arbeitswelt ein gravierendes Problem<br />
dar. Im Blick darauf hat <strong>Baden</strong>-Württemberg das Projekt<br />
Jugendberufshelfer entwickelt (siehe auch Seite 44 /45).<br />
6. Bildung als Standortfaktor<br />
Der Sachverständigenrat teilt die Auffassung der Landesregierung,<br />
dass Bildung ein bedeutsamer Standortfaktor ist. Um<br />
auf den Weltmärkten auch zukünftig konkurrenzfähig zu sein,<br />
muss gezielt in den Bildungssektor investiert werden. Darüber<br />
hinaus sollte sich die Institution Schule verstärkt unternehmerisch<br />
orientieren und sich als »Dienstleister für Bildung« profilieren.<br />
Dieses neue Selbstverständnis von Schule erfordert – so der<br />
Sachverständigenrat – neben schulorganisatorischen Änderungen<br />
insbesondere eine Erweiterung des Handlungs- und Entscheidungsspielraums<br />
der einzelnen Schule, zum Beispiel bei der Lehrereinstellung<br />
oder auch bei der Beförderung von Lehrerinnen<br />
und Lehrern. Veronika Gulde, Jochen Würstle<br />
Der vollständige Text der Empfehlungen kann im Internet<br />
unter www.kultusministerium.baden-wuerttemberg.de/<br />
schulmagazin nachgelesen werden.<br />
Die neue Ausgabe<br />
der Informationsbroschüre»Berufliche<br />
Bildung in<br />
<strong>Baden</strong>-Württemberg«<br />
kann bei der<br />
Öffentlichkeitsarbeit<br />
des Kultusministeriums<br />
(Postfach 10 34 42,<br />
70029 Stuttgart)<br />
kostenlos angefordert<br />
werden.<br />
Ingeborge Schöffel-Tschinke,<br />
die Vorsitzende des Landesschulbeirats,<br />
über ihre Arbeit<br />
im Sachverständigenrat:<br />
Das berufliche Schulwesen ist ein besonders<br />
innovativer Sektor unseres Bildungssystems. Die<br />
Auswirkungen von Fusionen, modernen Techniken,<br />
Globalisierung und Rationalisierung erfordern<br />
eine ständige Anpassung der beruflichen<br />
Bildung. Als Vorsitzende des Landesschulbeirats<br />
ist mir die Leistungsfähigkeit einerseits und die<br />
Herausforderung an die berufliche Bildung andererseits<br />
bestens bekannt. Daher war es für mich<br />
eine spannende Aufgabe, im Sachverständigenrat<br />
»Berufliche Bildung« mitzuarbeiten und zugleich<br />
für die Arbeitsgruppe »Weiterentwicklung<br />
des Lernkonzepts der Hauptschule« verantwortlich<br />
zu sein.<br />
Es ist mir ein großes Anliegen zu verdeutlichen,<br />
dass Fragen der beruflichen Bildung bzw. der<br />
Berufswahl früh gestellt werden. Allgemein bildende<br />
Schulen und berufliche Schulen müssen<br />
hier künftig zusammenarbeiten. Die Sicherung<br />
der beruflichen Zukunft ist für die Mehrzahl unserer<br />
Jugendlichen die alles entscheidende Frage.<br />
Zur Verbesserung der Vorbereitung junger Menschen<br />
– insbesonders in der Hauptschule – haben<br />
wir im Sachverständigenrat die in der Arbeitsgruppe<br />
erarbeiteten Vorschläge aufgenommen.<br />
Dem Kultusministerium haben wir Vorschläge<br />
zur Kooperation und Verzahnung zwischen Hauptschule<br />
und beruflichen Schulen, Vorschläge zur<br />
Verbesserung der Lern- und Rahmenbedingungen<br />
in der Hauptschule, die insbesondere die innere<br />
Schulreform betreffen, unterbreitet.<br />
Als Kennerinnen und Kenner der beruflichen Bildung<br />
haben wir konkrete Handlungsempfehlungen<br />
zur Weiterentwicklung des beruflichen<br />
Schulwesens in <strong>Baden</strong>-Württemberg entwickelt<br />
und einstimmig verabschiedet.<br />
Als Resümee bleibt: Wir, die Mitglieder des Sachverständigenrats,<br />
haben mit unseren Empfehlungen<br />
versucht, einen Beitrag zur Sicherung der Zukunftschancen<br />
der jungen Generation in <strong>Baden</strong>-<br />
Württemberg zu leisten.<br />
Das <strong>Thema</strong> Bildung und Erziehung muss ganz<br />
oben auf der politischen Prioritätenliste angesiedelt<br />
sein. Investitionen in diesem Bereich sind<br />
Voraussetzung dafür, dass Deutschland im harten<br />
Konkurrenzkampf auf dem Weltmarkt bestehen<br />
kann.<br />
43
44<br />
Schule und Arbeitswelt<br />
In Schwäbisch Hall wurde der<br />
Jugendberufshelfer<br />
erfunden<br />
Jugendberufshelfer Frank Spellenberg<br />
»Ich möchte Floristin werden, aber noch habe ich keine<br />
Lehrstelle«, sagt Nicole. Sie kommt von der Förderschule und ist<br />
im Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) an der Hauswirtschaftlichen<br />
Berufsschule in Schwäbisch Hall. Mit ihrer fröhlichen, hilfsbereiten<br />
Art ist sie bei ihren Mitschülerinnen und Mitschülern sehr<br />
beliebt. Auch Jenny aus Nigeria gehört zu dieser Klasse. Seit April<br />
ist sie dabei. Als Waise und ohne deutsche Sprachkenntnisse kam<br />
sie ins Hohenlohische. Jetzt macht sie den Hauptschulabschluss<br />
nach. »Zuhause habe ich niemand, mit dem ich deutsch sprechen<br />
kann. In der vorigen Klasse habe ich wenig verstanden.« Für<br />
Jenny wie auch für die anderen Schülerinnen und Schüler ist der<br />
»Jugendberufshelfer« Frank Spellenberg vor allem ein Lebensberater.<br />
In jeder BVJ-Klasse hat er wöchentlich eine Verfügungsstunde.<br />
Auf dem Lehrplan steht Lebenstraining.<br />
Im Mittelpunkt der »Lebensordner«. – Nein, das ist nicht<br />
Frank Spellenberg, sondern die Mappe, in der alle wichtigen Dokumente<br />
jeder Schülerin und jedes einzelnen Schülers gesammelt<br />
sind. Dazu gehören Zeugnisse, Bewerbungen und der Lebenslauf.<br />
»Dass diese Erziehung zur Ordnung notwendig ist, wurde<br />
mir an der Gewerbeschule bewusst. Die Schüler sollten ihre<br />
Abschlusszeugnisse in die Stunde mitbringen. Einer brachte das<br />
Original, säuberlich auf Streichholzschachtelgröße gefaltet, in der<br />
Hosentasche mit«, erzählt Spellenberg.<br />
Die Mädchen in der Klasse haben ihre Unterlagen sorgfältig<br />
eingeheftet: viele Bewerbungen und viele Absagen. Oft können<br />
die beruflichen Vorstellungen, die die Jugendlichen haben, wegen<br />
der ungenügenden Leistungen nicht realisiert werden. »Ich spreche<br />
mit ihnen und versuche Lösungen zu finden, die von den<br />
jungen Menschen akzeptiert und auch verwirklicht werden können«,<br />
so Spellenberg.<br />
Der Diplomsozialpädagoge ist seit 1995 an zwei Schulen<br />
tätig. Durch den engen Kontakt zur Berufsberatung des Arbeitsamtes<br />
Schwäbisch Hall, die das Haller Jugendhilfemodell mit<br />
entwickelt hat, findet er Betriebe, die bereit sind, BVJ-Schüler für<br />
ein mehrwöchiges Praktikum aufzunehmen. Damit ist eine erste<br />
Tür in das Arbeitsleben geöffnet, doch ohne intensive Betreuung<br />
geht es nicht.<br />
Der Lebensordner<br />
— | Wenig Hilfe durch die Eltern<br />
»Jetzt wissen wir, wie wichtig ein gutes Zeugnis ist«, sagt<br />
Manfred. Er will Koch werden und hat eine Lehrstelle in<br />
Aussicht. Spellenberg weiß, wie beschwerlich der Weg bis zu diesem<br />
Punkt für viele ist. »Was können sie dafür? Von den 120<br />
Schülerinnen und Schülern der acht Klassen dieses BVJ haben<br />
nur 45 Jugendliche Deutsch als Muttersprache. Viele Eltern können<br />
ihren Kindern nicht helfen. Die Zugehörigkeit zu anderen<br />
Kulturkreisen ist ein weiteres Problem.«<br />
Disziplin und Durchhaltevermögen lassen sich nicht herbeikommandieren.<br />
»Ich gehe deshalb auch zu den Schülern nach<br />
Hause, aber bei allen kann ich mir das nicht leisten. Ich kann immer<br />
nur Feuerwehr spielen«, sagt der Sozialpädagoge. Heinz<br />
Marsch, Leiter der Gewerblichen Berufsschule, ergänzt: »Viele<br />
Erwachsene lassen spüren, dass die Jugend ungewollt und eine<br />
Last ist. Da werden wir Erwachsene doch unglaubwürdig.« An<br />
seiner Schule mit 1400 Schülern ist seit der Arbeit des Jugendberufshelfers<br />
die Aggressivität insbesondere auch zwischen den<br />
verschiedenen Nationalitäten zurückgegangen. Durch die<br />
Jugendhilfekette, in die im Landkreis Schwäbisch Hall viele<br />
Organisationen, darunter auch die Polizei, eingebunden sind und<br />
die sich regelmäßig treffen, können viele Probleme schon im<br />
Vorfeld geklärt werden. Das Haller Modell hat Schule gemacht,<br />
hier hat sich die Landesregierung »abgeguckt«, was sie inzwischen<br />
zum landesweiten Programm »Jugendberufshelfer« gemacht hat.<br />
Michael (Mitte) informiert sich zusammen mit Frank Spellenberg (links) über die<br />
Ausbildung zum Holzfachwerker
Auch Marliese Hanschke, Fachleiterin an der Hauswirtschaftlichen<br />
Berufsschule Schwäbisch Hall, berichtet von positiven<br />
Erfahrungen: »Wir können viel schneller und flexibler reagieren.«<br />
Besonders positiv sieht sie die Kooperation mit den Förderschulen.<br />
»Dadurch, dass in unseren BVJ-Klassen Lehrer von der<br />
Förderschule unterrichten, ist für die Kinder der Übergang<br />
fließender und wir erhalten mehr biographischen Hintergrund<br />
zu den Schülern«, berichtet Hanschke.<br />
— | Pädagogen mit viel Engagement<br />
Alle BVJ-Lehrer verpflichten sich zum Unterricht freiwillig<br />
und absolvieren dafür noch eine zusätzliche Ausbildung, betont<br />
Marsch. Dreh- und Angelpunkt dieses Modells ist aber der<br />
Jugendberufshelfer. »Für die Schüler bleibe ich auch nach ihrer<br />
Schulzeit eine Vertrauensperson und Ansprechpartner«, meint<br />
Frank Spellenberg. »Ich kann sie doch nicht wegschicken und sagen,<br />
ich bin nicht mehr zuständig. Aber das wird für mich ein<br />
riesiges Zeitproblem.« Feuerwehreinsätze des Jugendberufshelfers<br />
gibt es auch später noch. Sie reichen von der Lebensberatung bei<br />
häuslichen Schwierigkeiten bis zum Gespräch mit der Polizei.<br />
»Junge Menschen mit Lern- und Leistungsbenachteiligung<br />
fallen in unserer Ellbogengesellschaft ohne Unterstützung durch<br />
die Maschen«, ist die Meinung des Leiters der Berufsberatung<br />
beim Arbeitsamt Schwäbisch Hall, Elmar Zeller. Er hat, zusammen<br />
mit Heinz Marsch, dieses Konzept einer Hilfekette für benachteiligte<br />
Jugendliche aufgebaut. Die Kreistage von Schwäbisch<br />
Hall und vom Hohenlohekreis haben dem Modell 1995<br />
zugestimmt, das damit flächendeckend den Arbeitsamtsbezirk<br />
Schwäbisch Hall umfasst. In beiden Kreisen sind heute vier<br />
Jugendberufshelfer tätig. Vor 1995 haben bis zu 20 Prozent der<br />
BVJ-Schüler die Schule abgebrochen, in diesem Schuljahr war es<br />
nur noch einer.<br />
— | Bei der Ausbildung auch Rückschläge<br />
Die Betriebe sehen die BVJ-Schüler ganz gerne als Praktikanten.<br />
»Wir können sie auf diese Weise besser kennen lernen,<br />
als dies bei einer kurzen Vorstellung möglich ist«, sagt Metallbaumeister<br />
Bernhard Peter. Er hat seit 1997 Praktikanten aus<br />
dem BVJ im Betrieb und engagiert sich besonders für deutsche<br />
Aussiedler. »Andreas machte auf mich einen guten Eindruck und<br />
hat sich auch im Praktikum bewährt. Deshalb wollte ich ihn zum<br />
Metallbauer ausbilden.« Gewissenhaft und pünktlich, so kannte<br />
man Andreas im Betrieb, bis er gegen Ende des ersten Lehrjahres<br />
ein Auto kaufte. »Ich habe ihm sehr davon abgeraten, weil er sein<br />
Schulleiter Heinz Marsch<br />
Nach dem Beschluss der Landesregierung<br />
können bis zum Schuljahr<br />
2001/02 landesweit bis zu 60 Projekte<br />
»Jugendberufshelfer« mit<br />
Landesmitteln gefördert werden.<br />
An den Kosten beteiligen sich das<br />
Land und die Arbeitsverwaltung mit<br />
je einem Drittel. Das restliche Drittel<br />
muss von den Stadt- bzw. Landkreisen<br />
als Projektträger oder von<br />
anderer Seite aufgebracht werden.<br />
Geld zusammenhalten sollte«, erzählt der Meister. Andreas verlor<br />
die Lust an der Ausbildung und kam nach dem Urlaub nicht<br />
mehr zurück. »Ich hatte vorher mit den Eltern gesprochen. Der<br />
Vater empfahl Prügel. Dass dies in Deutschland nicht möglich<br />
ist, fand bei ihm wenig Verständnis.«<br />
Ein weiterer Lehrling ließ sich anstecken und brach die Lehre ab.<br />
»Wenn man ein kleiner Betrieb ist und unter Termindruck Aufträge<br />
erfüllen muss, kostet eine Ausbildung mit solchen Höhen<br />
und Tiefen schon manches Mal Nerven«, berichtet Schmiedemeister<br />
Rüdiger Kübler. Viel Geduld und häufiges Wiederholen<br />
des Gesagten sei notwendig. Bei ihm hat Jürgen ein Praktikum<br />
absolviert. »Wenn er sich dahinter klemmt, bilde ich ihn zum<br />
Schlosserfachwerker aus«, sagt der Meister. Von Jürgen ist bei unserem<br />
Besuch zu hören, eigentlich wäre er ja viel lieber Dreher<br />
geworden. »Aber ich denke, ich werde hier jetzt gebraucht«, sagt<br />
er voller Hoffnung auf einen Ausbildungsvertrag. Es gibt hohe<br />
Qualitätsansprüche im Betrieb. »Wir können uns keine Fehler<br />
leisten«, sagt Kübler.<br />
— | Mädchen sind benachteiligt<br />
Mädchen haben es auf dem Arbeitsmarkt besonders schwer,<br />
wenn der Schulabschluss nicht so gut ist. Hannelore Wüst,<br />
Ausbilderin der Unternehmenszentrale Kaufland, ist BVJ-Schülerinnen<br />
gegenüber positiv eingestellt. »Wir haben gute Erfahrungen<br />
gemacht. Die Anstellung einer jungen Türkin mit Kopftuch<br />
war nicht einfach, wir fürchteten Kundenreaktionen. Aber sie ist<br />
eine sehr gute Auszubildende.« Deshalb bekommt Melek jetzt ihre<br />
Ausbildungschance als Kauffrau im Einzelhandel.<br />
Christa Glück, Journalistin, Schwäbisch Hall<br />
Inzwischen interessieren sich mehr und mehr Träger vor Ort für das<br />
Programm »Jugendberufshelfer«. Weitere Informationen gibt es<br />
bei Dr. Veronika Gulde, Kultusministerium <strong>Baden</strong>-Württemberg,<br />
Referat »Bildung und Arbeitswelt«, Postfach 10 34 42, 70029 Stuttgart.<br />
45
46<br />
Schule und Arbeitswelt<br />
In der »Schwänzerklasse« zum<br />
Hauptschulabschluss<br />
Das »Förderband«<br />
Mannheim<br />
Seit 1979 unterstützt der Verein Förderband in<br />
Mannheim Jugendliche, die keine geborenen<br />
Olympiasieger sind, auf dem Weg in den<br />
Beruf. Persönlichkeitsentwicklung und soziale<br />
Integration stehen im Mittelpunkt.<br />
In enger Zusammenarbeit mit der Katholischen<br />
Kirche – insbesondere dem Bund der Deutschen<br />
Katholischen Jugend (BDKJ) – wurde ein Netzwerk<br />
geknüpft: Förderband kooperiert mit Schulen und<br />
Betrieben, der Schulverwaltung und den Kammern,<br />
dem Arbeitsamt, der Stadt und der Jugendhilfe.<br />
Einen Schwerpunkt bildet die Schulsozialarbeit im<br />
Berufsvorbereitungsjahr (BVJ). Über die klassische<br />
Sozialarbeit an der Schule selbst hinaus wird dabei<br />
längerfristige Unterstützung für am Arbeitsmarkt<br />
Benachteiligte geleistet.<br />
Die Zahl der Jugendlichen im BVJ hat in Mannheim<br />
in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen:<br />
eine große Herausforderung für Schulen, Lehrer<br />
und Mitarbeiter des Förderbands. Zudem ist die<br />
Gruppe der Schülerinnen und Schüler im Berufsvorbereitungsjahr<br />
sehr heterogen. Denn dazu zählen Hauptschüler,<br />
die keinen Ausbildungsplatz gefunden haben,<br />
Jugendliche ohne Schulabschluss und Förderschüler<br />
sowie Jugendliche, die erst seit kurzem in Deutschland<br />
sind und fast kein Wort Deutsch sprechen.<br />
Schulen und Förderband stellen sich der gesellschaftlichen<br />
Aufgabe, die sich durch den Ausbildungsplatzmangel<br />
für schwächere Jugendliche ergibt<br />
und im BVJ besonders dringlich zu Tage tritt.<br />
Neben traditionellen Aktivitäten, die es seit 1986<br />
gibt – Aktionswochen, Zukunftswerkstatt, Berufsorientierung,<br />
Vermittlung in Ausbildung, Konfliktberatung<br />
–, wurde das Angebot personen- und problemorientiert<br />
erweitert.<br />
— | Die »Schwänzerklasse«<br />
Da ist zum Beispiel Marc, der wegen familiärer Probleme die Hauptschule<br />
in der siebten und achten Klasse nur noch sporadisch besuchte. Weil<br />
er die sechste Klasse bereits wiederholt hatte, verließ er nach der achten die<br />
Schule und kam ins Berufsvorbereitungsjahr. Der regelmäßige Schulbesuch<br />
wurde auch jetzt nicht zu Marcs Lieblingsgewohnheit. Deshalb wurde er in<br />
die so genannte »Schwänzerklasse« aufgenommen.<br />
Das Konzept der »Schwänzerklasse« wurde vom Förderband gemeinsam<br />
mit der Justus-von-Liebig Schule (Mannheim) entwickelt. Intensive persönliche<br />
Unterstützung soll eine berufliche Perspektive eröffnen.<br />
Marc wurde zu Beginn des Schuljahres fast regelmäßig von Stefan<br />
Ronellenfitsch, einem Mitarbeiter des Förderbands, angerufen, geweckt, gelegentlich<br />
auch abgeholt, damit er pünktlich zum Unterrichtsbeginn anwesend<br />
war. Ergänzend zum Unterricht war Marc zweimal in der Woche nachmittags<br />
in der Fahrradwerkstatt beim Förderband aktiv.<br />
Während dieser Zeit erlebten er und seine Mitschüler, dass ihre Anwesenheit<br />
und ihr Verhalten den Lehrern und den Förderband-Mitarbeitern nicht<br />
gleichgültig waren. Die Fehlzeiten gingen zurück. Durch die intensive<br />
Betreuung, geduldiges Erklären und erste schulische Erfolge machte das<br />
Lernen wieder Spaß. Theoretische Sachverhalte wurden so lange erläutert<br />
und wiederholt, bis der Groschen gefallen war. Auf diese Weise bestanden<br />
Marc und der Großteil der ehemaligen »Schwänzerklasse« die dem Hauptschulabschluss<br />
gleichgestellte Prüfung.
Übrigens: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
des Vereins Förderband beraten das Kultusministerium<br />
in Fachgremien. Sie waren auch<br />
im Rahmen der im Frühjahr 1999 abgeschlossenen<br />
Jugendenquête des Landtags gefragte<br />
Gesprächspartner. Ein kostenloses Exemplar<br />
des Abschlussberichts der Enquêtekommission<br />
»Jugend – Arbeit – Zukunft« kann – gedruckt<br />
oder auf CD-ROM – bezogen werden beim:<br />
Landtag von <strong>Baden</strong>-Württemberg,<br />
Referat I/2 (Frau Breitwieser),<br />
Konrad-Adenauer-Str. 3, 70173 Stuttgart.<br />
Die Suche nach einem Ausbildungsplatz gestaltete sich allerdings schwieriger.<br />
Es gelang in einem Jahr nicht, neben dem Kampf um regelmäßigen<br />
Schulbesuch eine stabile berufliche Perspektive zu entwickeln und diese umzusetzen.<br />
Deshalb besuchte Marc eine weitere »berufsvorbereitende Maßnahme«.<br />
— | Das Dauerpraktikum<br />
Für Hauptschüler, die aufgrund der Ausbildungsplatzsituation keine<br />
Lehrstelle bekommen haben, wurden Dauerpraktikumsplätze eingerichtet:<br />
Die Jugendlichen verbringen einmal pro Woche einen Praktikumstag in<br />
einem Betrieb. Sven gehört zu dieser Gruppe:<br />
»Sven, wir sind fast am Ende des Schuljahres – wie hat dir die Schule<br />
bisher gefallen?«<br />
»Gut.«<br />
»Was war das Wichtigste, das du in diesem Jahr gelernt oder erlebt hast?«<br />
»Das Wichtigste waren die Freunde, die Kameraden.«<br />
»Was meinst du, wie unterscheidet sich diese Schule von deinen vorherigen<br />
Schulen?«<br />
»Das liegt an den Lehrern – die sind freundlicher und erklären mehr. Bei<br />
der alten Schule, da war das anders. Da hat man Pech gehabt, wenn man<br />
nicht mitgekommen ist. Außerdem haben wir Dauerpraktikum gemacht<br />
dieses Jahr.«<br />
»Was oder wer hat dir hier geholfen?«<br />
Im Bike Room werden Fahrräder wieder<br />
auf Vordermann gebracht<br />
»Herr Laske (der Lehrer) und Förderband. Herr Laske hat<br />
öfter im Betrieb angerufen, und Förderband war mit dabei beim<br />
Vorstellungsgespräch.«<br />
»Was hättest du dir anders gewünscht?«<br />
»Ich hätte mir nur Sport als Unterrichtsfach gewünscht. Und<br />
viele andere Fächer hätte man weglassen können. Das hat mir<br />
keinen Spaß gemacht.«<br />
»Weißt du schon, wie es für dich nach dem BVJ weitergeht?«<br />
»Ja, ich kann in meinem Praktikumsbetrieb die Ausbildung<br />
zum Elektroinstallateur anfangen.«<br />
Sven hat Glück gehabt. Längst nicht für alle, die mit dem<br />
Förderband weit vorankommen, gibt es einen Ausbildungsplatz.<br />
Die beste soziale Arbeit stößt irgendwann an die Grenze des<br />
Lehrstellenmarktes. Die Männer und Frauen vom Förderband<br />
verstehen ihre Arbeit deshalb auch als Appell an die Verantwortlichen<br />
in der Wirtschaft, den Jugendlichen eine Chance zu<br />
geben. Klaus Sommer, Veronika Gulde<br />
Kontakt: Klaus Sommer, Förderband e.V., B 4, 1, 68159 Mannheim<br />
Tel.: 06 21 /16 66 10; Fax: 06 21 /1 66 61 30<br />
47
48<br />
Schule und Arbeitswelt<br />
»Wirtschaften, Verwalten und Recht« macht Spaß:<br />
So Real ist Schule –<br />
WVR-Börse ’99<br />
Staatssekretär Köberle: »WVR zeigt beispielhaft<br />
die aktuelle Entwicklung von Realschule.«<br />
Schon die Eröffnung der Börse war<br />
hörbar anders: statt langatmiger Reden<br />
tönte Big-Band-Sound durch die Halle<br />
und das fanden auch die »VIPs« gut. Kultusstaatssekretär<br />
Rudolf Köberle, die Vorsitzende<br />
des Landesschulbeirats Ingeborge<br />
Schöffel-Tschinke und Rolf Knoblauch,<br />
der Leiter des DienstleistungsZentrums<br />
Bildung der Deutschen Bahn AG, wurden<br />
von sechs Schülerinnen interviewt. »Gab<br />
es in Ihrer Schulzeit so was Ähnliches wie<br />
Projektunterricht? Wir lernen da nämlich<br />
wirklich nützliche Dinge: Welche Ziele<br />
setze ich mir und wie erreiche ich sie? Wie<br />
gehe ich mit Geld wirtschaftlich um? Was<br />
ist wichtig beim Kundengespräch?«<br />
Diese und andere Fragen klären die<br />
Schülerinnen und Schüler im »ToP WVR«<br />
(Themenorientiertes Projekt »Wirtschaft,<br />
Verwalten und Recht«). Sie knüpfen Kontakte<br />
mit Partnern aus Gesellschaft und<br />
Wirtschaft. Nach dem Prinzip »ran an das<br />
echte Leben« erfahren die Jugendlichen,<br />
wie Teamarbeit funktioniert, wie man seine<br />
Arbeit selbstständig organisiert oder was<br />
Moderation heißt. Besonders wichtig: die<br />
Schülerinnen und Schüler finden die Ergebnisse<br />
in Lernorten außerhalb der Schule.<br />
»Nicht für die Schule, sondern für das<br />
Leben«, das ist bei WVR Programm. Oder<br />
wie es Staatssekretär Rudolf Körberle formulierte:<br />
»…die Schülerinnen und Schüler<br />
konsumieren hier nicht Schule, sondern<br />
sie schaffen Reales.« Das zeigt auch<br />
die große Bandbreite der Projekte:<br />
Mehr als 1.600 Besucherinnen und Besucher zählte die Projektbörse<br />
»Wirtschaften, Verwalten und Recht« am 12. Juni in Stuttgart. Rund neun<br />
Monate engagierter Arbeit und die großzügige Unterstützung zahlreicher<br />
Sponsoren waren nötig, um die »WVR-Börse ’99« zu realisieren. An diesem<br />
Tag hatten die ca. 300 Realschülerinnen und -schüler die Chance, ihre im<br />
vergangenen Schuljahr entwickelten Projekte vorzustellen. Von der<br />
Ouvertüre bis zum Finale war klar: die Hauptrollen spielten die<br />
Schülerinnen und Schüler.<br />
> Rat & Tat AG<br />
> Obdachlosenzeitung<br />
> Altenheime in unserer Umgebung<br />
> Solarventilator – Produktion und<br />
Vermarktung<br />
> Schulhofneubau und -gestaltung<br />
> Revue durch das 20. Jahrhundert<br />
> Second-Hand-Shop<br />
> Kinder und Jugendliche als Verbraucher<br />
> Wettkampf auf einer Holzrennbahn<br />
(Slot-Car)<br />
> Produktion (mit CNC) und Vermarktung<br />
von Osterschmuck<br />
> Vandalismus und seine finanziellen<br />
Auswirkungen<br />
> Schulmöbelfirma »Tabula«<br />
> Job-Börse<br />
> Medienkoffer Indien<br />
> Auf dem Weg zur Juniorfirma<br />
> AktionsCafé<br />
> My-own-website.de<br />
> Der Einfluss der schweizerischen<br />
Kundschaft auf die Wirtschaft der Stadt<br />
Waldshut-Tiengen<br />
> Stadtplan für Gehbehinderte<br />
> Info- und Werbefilm »Die Realschule<br />
auf dem Heuberg«<br />
> Wir gründen eine Firma des bürgerlichen<br />
Rechts<br />
> Softees<br />
> Auf dem Weg zur eigenen Zeitung<br />
> Eine-Welt-Laden<br />
> Jugendkriminalität<br />
> Betriebserkundung bei der<br />
»Heidelberger Druckmaschinen AG«<br />
> Was geht uns Afrika an?<br />
> Betriebserkundung »Trigema«<br />
(Arbeitsweise, Kooperationen)<br />
> »Jugend hilft« – Dienstleistung für<br />
ältere Mitbürger<br />
> SOFA – Schüler organisieren fast alles<br />
> Wir erstellen unser eigenes Sprachrohr –<br />
Schülerzeitung<br />
Die zugehörigen Schulen und detaillierte<br />
Projektbeschreibungen sind in den<br />
»Erprobungsleitlinien« (siehe Infokasten)<br />
zu finden.<br />
In diesem und im nächsten Schuljahr<br />
sollen alle 427 Realschulen in <strong>Baden</strong>-<br />
Württemberg mit mindestens einer Klasse<br />
probeweise an WVR teilnehmen. Anschließend<br />
soll das Projekt in die Regelphase<br />
übergehen. »Damit ist in zwei bis<br />
drei Jahren sichergestellt«, so Rudolf<br />
Köberle, »dass jede Realschülerin und jeder<br />
Realschüler während ihrer Schulzeit an<br />
einem WVR-Projekt teilgenommen hat.«<br />
— | Innovative Ausbildungskonzepte<br />
Das Interesse der Wirtschaft an den<br />
neuen Wegen der Realschulen ist groß. So<br />
präsentierten Auszubildende von Alcatel<br />
SEL, Bizerba, Bosch, Breuninger, Deutsche<br />
Bahn AG, Festo, Porsche, Siemens<br />
und Trumpf ihre eigenen innovativen<br />
Ausbildungskonzepte bei der WVR-Börse.
— | So sieht es Rolf Knoblauch<br />
von der DB AG:<br />
Die wenige Tage vor der Veranstaltung<br />
erschienene Broschüre »… SO REAL IST<br />
SCHULE« mit den Projektbeschreibungen hat<br />
mich verblüfft und neugierig gemacht. Die<br />
Veranstaltung selbst hat mich begeistert.<br />
Die von den Schülern und Schülerinnen<br />
präsentierten Projekte sind hervorragende Beispiele<br />
für handlungs- und projektorientierten<br />
Unterricht. Als Führungskraft in einem Großkonzern<br />
ist mir bewusst, wie viel Geduld, Energie<br />
und Einsatz notwendig sind, um so weitreichende<br />
Änderungen zu erzielen.<br />
Den Projektverantwortlichen gebührt für<br />
ihre Pragmatik und Zielstrebigkeit, den Lehrkräften<br />
für ihre Innovationsbereitschaft hoher<br />
Respekt. Die Zukunftschancen der Realschüler<br />
werden nachhaltig verbessert. Das projektorientierte<br />
Lernen verbessert nach meinen Erfahrungen<br />
insbesondere soziale Fähigkeiten und ist<br />
so ein entscheidender Beitrag zu einer menschlichen<br />
Zukunft. Der Erfolg dieses Modells wird<br />
Ansporn sein, es auf andere Schulformen auszuweiten<br />
und in den anderen, hoffentlich allen<br />
Bundesländern zu übernehmen.<br />
Als Leiter des DienstleistungsZentrums Bildung<br />
der DB AG bin ich für über 16.000<br />
Auszubildende verantwortlich. Es freut mich,<br />
dass unser Unternehmen mit Ideen, Anregungen,<br />
Lehrerfortbildung und Beispielen aus unseren<br />
Juniorfirmen das Modell befruchten und<br />
unterstützen konnte. Die Ausbildungsfähigkeit<br />
der Schüler wird nochmals verbessert. Wenn<br />
dieses Modell einer breiten Öffentlichkeit vertraut<br />
wird, steigt auch die Ausbildungsbereitschaft<br />
vieler Unternehmen und Betriebe.<br />
Um dieses Ziel noch schneller zu erreichen,<br />
starten wir jetzt ein Mailing, das die WVR-<br />
Broschüre »… SO REAL IST SCHULE« bundesweit<br />
bei rund 6.000 Firmen, Verbänden<br />
und Bildungsinstitutionen bekannt macht. Wir<br />
werben: »Die Bahn kommt!« – nun heißt es:<br />
»Die Realschüler kommen!«<br />
Auszubildende führen<br />
Bahnhöfe in eigener Regie<br />
Juniorfirmen der Deutschen Bahn AG<br />
»Learning by doing« – das ist das Motto der neuen Azubi-Generation bei der<br />
Deutschen Bahn AG. Verantwortung übernehmen, unternehmerisch denken<br />
und im Team arbeiten. Eigenverantwortlich planen, danach handeln und die<br />
Konsequenzen tragen. – Diese und weitere wichtige Schlüsselqualifikationen<br />
erwerben die Auszubildenden der Deutschen Bahn AG in den so genannten<br />
»Juniorfirmen«. In <strong>Baden</strong>-Württemberg werden sieben Bahnhöfe mit normalem<br />
Fahrgastverkehr als Juniorfirmen betrieben. Bundesweit sind es über 40.<br />
Wer glaubt, dass man oder frau bei der Bahn »nur« Lokführer,<br />
Lokführerin, Schaffner oder Schaffnerin werden kann, liegt gründlich daneben.<br />
Es gibt insgesamt 15 Ausbildungsgänge und zusätzlich Spezialberufe.<br />
Die DB AG ist der größte Ausbildungsbetrieb in Deutschland. Über 15.600<br />
Jugendliche sind dort derzeit in Ausbildung und jedes Jahr starten 4.500<br />
neue Azubis. In den Juniorfirmen der DB, die es seit 1996 gibt, werden vor<br />
allem Kaufmänner und Kauffrauen für Verkehrsservice oder Eisenbahnservice<br />
ausgebildet.<br />
Juniorfirma heißt: Hier haben Auszubildende das Sagen.<br />
— | Wie funktioniert das Ganze?<br />
Die »eigene« Firma der Jugendlichen ist in der Regel ein alter Bahnhof<br />
eines kleineren Ortes, der ohne dieses Ausbildungsprogramm geschlossen<br />
worden wäre. Pro Firma durchlaufen 60 Jugendliche die dreijährige Ausbildung,<br />
in jedem Lehrjahr ist also ein Team von 20 Azubis für einen Bahnhof<br />
verantwortlich. Vier Azubis erledigen dort täglich die Aufgaben, die in<br />
einem »echten« Unternehmen anfallen: Geschäftsführung, Pressearbeit,<br />
Einkauf, Marketing und Verkauf, Kundenservice und Controlling. So muss<br />
jeder und jede alle Tätigkeiten in der Servicekette – vom direkten Kundenkontakt<br />
bis zu den Jobs »hinter den Kulissen« – selbst kennen lernen.<br />
Begleitet werden die Jugendlichen dabei von einem Ausbilder – aber der ist<br />
»nur« Beobachter und Coach, wenn’s mal Probleme gibt.<br />
— | Kundennähe aufbauen und erfahren<br />
»Wie komme ich am besten von Bad Schussenried nach Elmshorn?«<br />
»Wieso ist bei Ihnen dauernd belegt?« »Ich brauche eine Fahrkarte nach<br />
Rom, aber bitte über Hintertupfingen.« Ob am Fahrkartenschalter oder am<br />
Telefon – die Auszubildenden müssen auf alle Kundenfragen vorbereitet<br />
sein und auch unangenehme Situationen meistern. Dann heißt es, schnell und<br />
serviceorientiert Lösungen finden, und das möglichst freundlich.<br />
Bereits nach drei Jahren ist klar: Das Konzept ist erfolgreich. Nicht nur<br />
bahnintern ist die Resonanz positiv. Auch die Kunden sind sehr zufrieden<br />
mit dem, was die jungen »Chefs und Chefinnen« so alles auf die Beine stellen.<br />
Last but not least: Den Jugendlichen macht diese Form der Ausbildung<br />
natürlich auch großen Spaß.<br />
Weitere Infos und die Broschüre »Vertrauen macht stark – die Juniorfirmen<br />
der Deutschen Bahn AG« gibt es beim DienstleistungsZentrum Bildung,<br />
Lernzentrum Ulm, Neue Straße 3, 89077 Ulm,<br />
Tel. 0731/102-1576, Fax 0731/102-1599.<br />
Brigitte Kieser<br />
49
50<br />
Schule und Arbeitswelt<br />
Meinungen<br />
zu WVR<br />
Mit Kunden umgehen,<br />
mit Partnern zusammenarbeiten<br />
»Bei diesem Projekt lernt man auch, wie<br />
man mit Partnern zusammenarbeitet und<br />
mit Kunden umgeht. Das Projekt stärkt<br />
unser Selbstbewusstsein. Du lernst bei WVR<br />
auch, wie man Tabellenkalkulation, Formbriefe,<br />
Einladungen, Berichte usw. erstellt.«<br />
Stefanie Jauering, Schülerin einer 8. Klasse<br />
Infos und Kontakte:<br />
Wirtschaften, Verwalten und Recht<br />
> Oberschulamtsbezirk Stuttgart:<br />
Rainer Schmitz<br />
Realschule Neckartenzlingen<br />
Auwiesen 4, 72654 Neckartenzlingen<br />
(Tel.: 07127-932980)<br />
E-Mail: rschmitz@nuertingen.netsurf.de<br />
> Oberschulamtsbezirk Karlsruhe:<br />
Marianne Jäger<br />
Anne-Frank-Realschule<br />
Middelkerker Str. 1- 5, 76275 Ettlingen<br />
(Tel.: 07243-101355)<br />
> Oberschulamtsbezirk Freiburg:<br />
Bernhard Jäger<br />
Hermann-Hesse-Realschule<br />
Jahnstr. 5, 78532 Tuttlingen<br />
(Tel.: 07461-94910)<br />
E-Mail: jaeger.s.b.tut@t-online.de<br />
> Oberschulamtsbezirk Tübingen:<br />
Brunhilde Eichler<br />
Schönbein-Realschule<br />
Neugreuth-Str. 20, 72555 Metzingen<br />
(Tel.: 07123-20470)<br />
Zusammenarbeit begeistert auch<br />
Auszubildende<br />
»Das Projekt war nicht nur für die Schülerinnen<br />
und Schüler eine spannende und neue<br />
Angelegenheit. Auch für die Auszubildenden,<br />
die als Experten in die Arbeit einbezogen<br />
waren, gab das Erlebnis ›Schule live und<br />
real‹ wichtige Lerneffekte.<br />
Bei Kontakten zu Wirtschaftsunternehmen<br />
drängt sich natürlich zuerst der Verdacht<br />
auf, dass es hier nur um eine werbliche Maßnahme<br />
geht. Die Zusammenarbeit mit der<br />
Projektschule war jedoch viel umfassender.<br />
Nach anfänglicher Distanz waren sowohl<br />
die Schülerinnen und Schüler als auch die<br />
Auszubildenden von der Zusammenarbeit<br />
begeistert.«<br />
Joachim Wurster, Ausbildungsleiter<br />
> im Internet:<br />
http://Ibs.bw.schule.de/realschule<br />
> die Broschüre: »...SO REAL IST SCHULE«/<br />
Beispiele gelungener WVR-Projekte gibt<br />
es beim Kultusministerium <strong>Baden</strong>-<br />
Württemberg, Realschulreferat, Schlossplatz<br />
4, 70173 Stuttgart<br />
> die Unterrichtshandreichung:<br />
»Wirtschaften, Verwalten und Recht in<br />
der Realschule« / Erprobungsleitlinien RS<br />
22, 3. Auflage, gibt es beim Landesinstitut<br />
für Erziehung und Unterricht LEU,<br />
Wiederholdstr. 13, 70174 Stuttgart,<br />
Fax: 0711/1849-565<br />
> das Video: Themenorientiertes<br />
Projekt »Wirtschaften, Verwalten und<br />
Recht« in der Realschule, VHS-Vorführkopie,<br />
15 Minuten, gibt es kostenlos<br />
beim »Schulservice« der Sparkassen in<br />
<strong>Baden</strong>-Württemberg<br />
Gelernt, nicht aufzugeben<br />
»In diesem WVR-Projekt habe ich gelernt,<br />
mich in eine Sache ›reinzubeißen‹ und nicht<br />
aufzugeben.«<br />
Markus Follner, Schüler einer 8. Klasse<br />
Als einziges Mädchen<br />
»Ich fand es gut, als einziges Mädchen in<br />
einer Abteilung zu arbeiten und mich durchzusetzen.«<br />
Anita Seifried, Schülerin einer 8. Klasse<br />
Sinnvolles tun<br />
»Oft lernt man in der Schule manches,<br />
was man später kaum noch braucht. Diese<br />
Projekte aber sind etwas Sinnvolles, weil sie<br />
Theorie und Praxis, Schule und Außenwelt in<br />
besonderer Weise verbinden.«<br />
Norbert Beck, Bürgermeister<br />
Vom Schülerinteresse ausgehen<br />
»Vor allem zu Beginn des Projektes war die<br />
Motivation der Schülerinnen und Schüler<br />
sehr groß. Durch die Einteilung der Klasse<br />
in ›Abteilungen‹ fühlten sie sich für ihren Bereich<br />
verantwortlich und forderten von den<br />
anderen, dass auch sie ihre Aufgaben erledigen.<br />
Das Gemeinschaftsgefühl von Klasse und<br />
Lehrer wurde stark gefördert. Ein gemeinsames<br />
Ziel sorgte dafür, dass sich die Schülerinnen<br />
und Schüler damit identifizierten.<br />
Vor allem die Tatsache, etwas Reales zu tun,<br />
ist für Jugendliche sehr motivierend. Mit<br />
›richtigen‹ Firmen zusammenzuarbeiten,<br />
›richtige‹ Aufträge zu erteilen, mit ›richtigem‹<br />
Geld umzugehen ist im Kunstraum<br />
Schule sehr ungewohnt, jedoch sehr lernförderlich.«<br />
Günter Burkhardt, Realschullehrer<br />
Bessere Chancen<br />
»Durch solche Projekte haben unsere Kinder<br />
sicher bessere Chancen, einen Ausbildungsplatz<br />
zu bekommen. Sie treten sehr viel<br />
sicherer und selbstbewusster auf.«<br />
Stefan Knibbe, Vater
Ein Bahnangebot:<br />
umweltfreundliche Klassenfahrten<br />
Klassenfahrten und Studienreisen<br />
werden zunehmend umweltbewusst<br />
geplant. Die DB Reise &Touristik AG<br />
ist dabei der Partner, um Lehrerinnen<br />
und Lehrer sowie Schülerinnen und<br />
Schüler sicher und zuverlässig an das<br />
Ziel ihrer Reise zu bringen. Mit der<br />
Fahrt in modernen Zügen (ICE, IC, IR)<br />
wird Schülerinnen und Schülern ein<br />
Einblick in die Entwicklung des zeitgemäßen<br />
und umweltbewussten<br />
Reisens gewährt.<br />
Zu Beginn des neuen Schuljahres<br />
erscheint ein spezieller Katalog „Bahn-<br />
Tours – Schulfahrten und Jugendgruppenreisen<br />
2000“ (Mehrtagesprogramme),<br />
in dem die DB Reise &Touristik AG den<br />
Schulen mehr als 50 Reiseziele in ganz<br />
Deutschland (Städte wie z. B. München,<br />
Berlin, Dresden und Hamburg; Inselregionen<br />
wie etwa Sylt, Borkum, Norderney<br />
und Rügen) und im benachbarten<br />
Ausland (z. B. Prag, Paris, Rom, London<br />
und Amsterdam) anbietet.<br />
Die DB Reise &Touristik AG garantiert für<br />
diese Zielorte ihren Pauschal-Reisepreis<br />
für die gesamte Gültigkeitsdauer dieses<br />
DB-Schulfahrten- u. Jugendgruppenprogrammes,<br />
das neben der Bahnfahrt<br />
noch viele weitere Leistungen wie<br />
Buchung von Unterkünften, Verpflegungsleistungen<br />
bis hin zur Organisation von<br />
Ausflugsfahrten am Reiseziel beinhaltet.<br />
Die Programmvorschläge ersparen den<br />
Lehrerinnen und Lehrern viel Zeit und<br />
Mühe bei der Vorbereitung von Klassenfahrten,<br />
lassen ihnen jedoch genügend<br />
Freiraum für die individuelle Gestaltung<br />
des Aufenthaltes.<br />
Für interessierte Schulen aus <strong>Baden</strong>-<br />
Württemberg stehen alle DB-Verkaufsstellen<br />
oder direkt unsere Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter der DB-Schulfahrtenstelle<br />
in Karlsruhe (Tel.: 0721-938-<br />
5386/87, Fax: 0721-938-2800) gerne<br />
zur Verfügung. Unsere Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter sind bemüht, den Wünschen<br />
der Klasse gerecht zu werden<br />
und die Schulfahrt attraktiv und pädagogisch<br />
sinnvoll zu organisieren. Stetig<br />
steigende Teilnehmerzahlen beweisen,<br />
dass wir mit diesem Angebot auf der<br />
richtigen Schiene fahren.
52<br />
Jugend<br />
Regionale Jugendinitiativen<br />
Schule, Jugendarbeit und<br />
Vernetzung bringt Zukunftschancen<br />
Alle tun alles für die Jugend, aber jeder für sich. – Kräfte bündeln,<br />
Netzwerke knüpfen, Jugendliche besser verstehen, das ist die Strategie,<br />
die sich in <strong>Baden</strong>-Württemberg mit dem Modell »Regionale<br />
Jugendinitiative« verbindet. Inzwischen gibt es über zehn Modellregionen,<br />
in denen ein gemeinsames Ziel verfolgt wird: Schule,<br />
Jugendarbeit und Wirtschaft an einen Tisch bringen, um an dem<br />
<strong>Thema</strong> zu arbeiten, was Jugendliche heute am meisten bewegt:<br />
Zukunftschancen in Ausbildung und Beruf.<br />
Vor mehr als zwei Jahren hat es in Ellwangen<br />
ganz klein angefangen. Die Jugendlichen<br />
hatten zunächst alle Hände<br />
voll zu tun, den Beamten aus dem Kultusministerium<br />
einen Crash-Kurs zu erteilen,<br />
<strong>Thema</strong>: Was Jugendliche wirklich bewegt!<br />
Kultusministerin Schavan war dabei und<br />
stellte sich den Fragen der Jugendlichen.<br />
Nächste Station: Region Oberschwaben.<br />
Wieder war es die Begegnung mit den<br />
Jugendlichen vor Ort, die einen Lernprozess<br />
in Gang gebracht hat. Nicht nur bei<br />
Schule und Schulverwaltung sprang ein<br />
Funke über. Auch einige Kommunen, vor<br />
allem der Landkreis und nicht wenige Betriebe<br />
der Region haben ihren Beitrag zur<br />
Jugendinitiative geleistet. Die Modellregion<br />
Oberschwaben ist zum Modell künftiger<br />
Modelle geworden. Keine Region gleicht<br />
der anderen, aber die Kette regionaler<br />
Jugendinitiativen ist ein kontinuierlicher<br />
Lernprozess, bei dem das Kultusministerium<br />
– mit Jugend- und Schulspezialisten<br />
– als Katalysator, als Vernetzungsknoten<br />
und als Umschlagplatz für gute Projektideen<br />
dient. Die Jugendlichen in den<br />
Modellregionen passen schon auf, dass der<br />
Lernprozess nicht abreißt.<br />
In der Modellregion Schwarzwald-Baar<br />
wurde die Idee des »Jugendfonds« geboren.<br />
Der Fonds hat einen finanziellen und<br />
einen ideellen Aspekt: Geld für benach-<br />
teiligte Jugendliche einsammeln, aber vor<br />
allem, im Rahmen der Fonds-Verwaltung,<br />
Verantwortungsträger in der Region dauerhaft<br />
für die Probleme von Jugendlichen<br />
zu sensibilisieren.<br />
Die Modellregion Breisgau-Hochschwarzwald<br />
setzt besonders auf ihre »Jugendagentur«,<br />
die im Rahmen der regionalen<br />
Jugendinitiative entstanden ist. Hier<br />
wird klassische Netzwerk-Arbeit für Jugendliche<br />
geleistet: die Benachteiligten<br />
immer besonders im Blick. Hilfen für den<br />
Einstieg in den Beruf stehen auch hier im<br />
Mittelpunkt. Die Handlungsfelder heißen:<br />
Information, Beratung, individuelle Begleitung,<br />
Fortbildung, Kooperation und
Wirtschaft<br />
Innovation. Das Landratsamt ist eine treibende<br />
Kraft. Im Projektdesign heißt es:<br />
»Letztlich ist es das Ziel der Jugendagentur,<br />
jungen Menschen, an denen bisherige<br />
Informations-, Ausbildungs- und Arbeitsmarktangebote<br />
vorübergehen, ein Angebot<br />
bereitzustellen, das ihnen berufliche<br />
Perspektiven und damit eine berufliche<br />
Zukunft sichern kann.« Als Anschubfinanzierung<br />
hat das Kultusministerium<br />
hier wie in den anderen Regionen 80.000<br />
DM eingebracht.<br />
Die Modellregion Ludwigsburg stellt<br />
die Neuen Medien in den Mittelpunkt der<br />
Vernetzung. Bei den Projekten »Internet<br />
im Schülercafé« und »Mobile Computerwerkstatt«<br />
geht es nicht um Computer<br />
und Internet als Selbstzweck, sie sind<br />
längst zum Werkzeug für eine zukunftsorientierte<br />
sozialpädagogische Arbeit geworden.<br />
Digitale Vernetzung ist nur ein<br />
Vehikel, menschliche Kontakte zu knüpfen<br />
und Informationen auszutauschen, die<br />
konkret weiterhelfen. Wiederum geht es<br />
um Berufsorientierung und um Hilfen,<br />
sich für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren.<br />
Bei allen Jugendinitiativen ist der wichtigste<br />
Leitsatz: Die Jugendlichen müssen<br />
von Anfang an eingebunden sein und selber<br />
aktiv werden. Es geht nicht darum,<br />
Geldmittel in die Regionen zu pumpen,<br />
um Jugendliche irgendwie zu versorgen<br />
und in Maßnahmen zu stecken, die nur eine<br />
Warteschleife, aber keine Zukunftsperspektive<br />
bedeuten. Die Jugendinitiativen<br />
stellen eine wichtige Antwort der<br />
Landesregierung auf die Ergebnisse der<br />
Jugendenquête im Landtag dar. Der regionale<br />
Ansatz wurde gewählt, um die unmittelbare<br />
Beteiligung von Jugendlichen<br />
zu ermöglichen. In Mannheim und Karlsruhe,<br />
in Hohenlohe, im Zollernalbkreis,<br />
in den Regionen Neckar-Odenwald und<br />
Rhein-Neckar/Badische Bergstraße sind<br />
weitere Jugendinitiativen in Gang gesetzt.<br />
Eine Modellregion profitiert von der<br />
anderen: Über den Umschlagplatz Kultusministerium<br />
werden gute und weniger<br />
gute Erfahrungen weitergegeben. Das Jugendreferat<br />
im Ministerium dient zunehmend<br />
als Beratungsagentur für die Engagierten<br />
vor Ort. Inzwischen ist ein umfangreiches<br />
Materialpaket entstanden. Besonders<br />
die Dokumentation der einzelnen<br />
mit Jugendlichen durchgeführten Projekte<br />
ist hilfreich, weil dort nicht hohe Theorie,<br />
Der Ertrag der Jugendinitiativen wird im Kultusministerium<br />
dokumentiert. So entstand ein Projektkatalog, der jetzt<br />
laufend aktualisiert wird. Die Projekte sind nach<br />
»Handlungsfeldern« unter den folgenden Überschriften<br />
zusammengefasst:<br />
> Ausbildung und Beruf<br />
> Kooperation Jugendarbeit und Schule<br />
> Nutzung Neuer Medien<br />
> Integration von jugendlichen Ausländern und Aussiedlern<br />
> Beteiligung, Partizipation und Ehrenamt<br />
> Durchführung einer Dialogveranstaltung<br />
> Jugendagentur<br />
> Jugendfonds<br />
Sämtliche Materialien sind erhältlich beim Ministerium für<br />
Kultus, Jugend und Sport, Jugendreferat, Postfach 103442,<br />
70029 Stuttgart, Tel. 07 11/279-26 45, Fax 07 11/279-27 95.<br />
Das Wichtigste gibt es im Internet unter<br />
www.kultusministerium.baden-wuerttemberg.de/<br />
schulmagazin<br />
sondern das praktische Beispiel praxisorientiert<br />
aufbereitet ist.<br />
»Die Jugendinitiativen haben sich als<br />
eine Art Sensibilisierungsprogramm herausgestellt.<br />
Sensibilisiert für die Probleme<br />
der Jugendlichen wurden vor allem die<br />
Landräte. Die haben sich unwahrscheinlich<br />
engagiert«, sagt Dr. Eckart Woischnik<br />
vom Jugendreferat im Ministerium. »Wir<br />
selber haben bis heute auch viele neue<br />
Ideen von den Praktikern der Jugendarbeit<br />
vor Ort und von den Jugendlichen selbst<br />
aufnehmen können«, fügt er hinzu. »Die<br />
regionalen Jugendinitiativen sehe ich heute<br />
als einen Handlungsrahmen, in dem<br />
das Ministerium selbst nur eine initiierende<br />
und gelegentlich moderierende Rolle<br />
spielt. Ein wenig Geld haben wir auch<br />
mobilisiert. Die regionalen Initiativen machen<br />
in der Öffentlichkeit sichtbar, wie<br />
viel gute Arbeit da vor Ort geleistet wird.<br />
Das hilft sehr, wenn es darum geht, bei<br />
Schule, Wirtschaft und Politik Verständnis<br />
zu wecken für die Lebenslagen von<br />
Jugendlichen. Die beste Jugendpolitik machen<br />
die Jugendlichen selbst.« 7<br />
53
54<br />
Jugend<br />
10 Jahre nach dem Fall der Mauer<br />
Jugendstudie ’99<br />
Sachsen und <strong>Baden</strong>-Württemberg im Vergleich<br />
Der Impuls kam aus Sachsen: Seit 1993 führt das<br />
Dresdener Kultusministerium im Zwei-Jahres-<br />
Rhythmus eine repräsentative Jugendumfrage durch.<br />
Zum zehnten Jahrestag der Wende hat sich <strong>Baden</strong>-<br />
Württemberg eingeklinkt. Es geht um die Lebensperspektiven<br />
der 15- bis 27-Jährigen in Ost und West.<br />
Erstmals liegt zu diesem <strong>Thema</strong> eine direkte<br />
Vergleichsstudie zwischen einem alten und einem<br />
neuen Bundesland vor.<br />
Das Leipziger Institut für Marktforschung hat aufbauend<br />
auf seine Erfahrungen in Sachsen auch die<br />
Befragung in <strong>Baden</strong>-Württemberg entworfen und<br />
durchgeführt. Zum zehnten Jahrestag der Wende<br />
werden Kultusministerin Dr. Annette Schavan und<br />
Kultusminister Matthias Rössler die Studie der Öffentlichkeit<br />
vorstellen. Das Schulmagazin veröffentlicht<br />
einige wichtige Ergebnisse vorab.<br />
»Welche Nachricht willst du zuerst – die gute oder<br />
die schlechte?«<br />
»Die schlechte.«<br />
»In Sachsen machen viel weniger Jugendliche in<br />
Sportvereinen mit: 25 Prozent gegenüber 39 Prozent<br />
in <strong>Baden</strong>-Württemberg. Die Infrastruktur ist einfach<br />
noch nicht da.«<br />
»Und die gute Nachricht?«<br />
»Der Drogenhandel hat auch eine schwache<br />
Infrastruktur: Im Vergleich zu 64 Prozent in <strong>Baden</strong>-<br />
Württemberg haben in Sachsen viel weniger Jugendliche<br />
schon einmal Haschisch angeboten bekommen,<br />
nämlich ›nur‹ 35 Prozent.«<br />
Sächsische Jugendliche verbringen mehr Zeit mit<br />
ihren Familien als ihre Altersgenossen im Südwesten.<br />
Liegt das auch an einem Mangel an Angeboten oder<br />
spricht das für mehr Familiensinn?<br />
Ein Ergebnis über Kreuz: In <strong>Baden</strong>-Württemberg<br />
sind 74 Prozent der Jugendlichen Mitglied einer<br />
Religionsgemeinschaft und 26 Prozent sind konfessionslos.<br />
In Sachsen ist es ziemlich genau umgekehrt<br />
(27 bzw. 73 Prozent).<br />
Vor zehn Jahren glaubten viele, die Jugend in<br />
Ostdeutschland werde nach der Wende zum Opfer<br />
von Orientierungslosigkeit. Das ist nicht eingetreten.<br />
In der Wertorientierung und Lebenshaltung der<br />
Jugendlichen in Sachsen und <strong>Baden</strong>-Württemberg er-
geben sich wenig Unterschiede. Was ist wichtig für<br />
dein eigenes Leben? Nach Fleiß, Disziplin, Ehrgeiz,<br />
Optimismus, Humor, Hilfsbereitschaft, Durchsetzungsvermögen,<br />
Bescheidenheit, Ehrlichkeit, Rücksichtnahme<br />
und Pflichtbewusstsein wurde gefragt. In<br />
Ost und West siegt der Humor mit Abstand, dicht<br />
gefolgt von Ehrlichkeit, Optimismus und Hilfsbereitschaft.<br />
Aber die Ossis halten mehr von »Pflicht« als<br />
die Wessis.<br />
Auch in ihren Sorgen gleichen sich Jugendliche in<br />
Ost und West: Nichts beunruhigt sie mehr als ihre<br />
Zukunft in Ausbildung und Beruf. Das ist vielleicht<br />
ein Ausdruck von Realismus, wie er nicht jede Generation<br />
ausgezeichnet hat. Die Politik weiß jetzt jedenfalls,<br />
was Jugendlichen auf den Nägeln brennt: Qualität<br />
in Schule und Hochschule, Chancen in der beruflichen<br />
Bildung, Ausbildungsplätze – das sind die<br />
wichtigsten Stichwörter für erfolgreiche Jugendpolitik<br />
im vereinten Deutschland. 7<br />
Was ist der Sinn des Lebens?<br />
Darauf antworten junge Menschen in der Altersgruppe<br />
von 15 bis 27 (Angaben in %)<br />
<strong>Baden</strong>-<br />
Sachsen Württemberg<br />
Dass ich glücklich bin,<br />
viel Freude habe 83 81<br />
Im Leben etwas erreichen,<br />
es zu etwas bringen 79 68<br />
Das Leben geniessen 75 78<br />
Die Welt kennen lernen,<br />
etwas von der Welt sehen 69 64<br />
Meine Persönlichkeit<br />
entwickeln und entfalten 61 58<br />
Im Leben etwas leisten 57 44<br />
Nach eigener Überzeugung<br />
leben, dass ich vor mir<br />
selbst bestehen kann 55 55<br />
Dass ich es zu Wohlstand und<br />
materieller Sicherheit bringe 50 43<br />
Dass meine Familie versorgt ist 50 44<br />
Dass ich von Mitmenschen<br />
geachtet werde, Ansehen habe 48 44<br />
Dass es meine Kinder gut haben 44 40<br />
Ein großes Wissen erwerben 44 40<br />
Ohne größeren Stress<br />
durchs Leben kommen 42 45<br />
Dass andere mich mögen,<br />
dass ich bei anderen beliebt bin 36 36<br />
Mit allen Kräften mich für<br />
bestimmte Ideen einsetzen 33 29<br />
Ganz für andere da sein,<br />
anderen helfen 31 28<br />
Mithelfen, eine bessere<br />
Gesellschaft zu schaffen 27 30<br />
Das tun, was Gott<br />
von mir erwartet 11 8<br />
Sehe keinen Sinn im Leben 1 2<br />
Quelle: Jugendumfrage 1999 für das Sächsische Staatsministerium für Kultus;<br />
Jugendumfrage 1999 für das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport <strong>Baden</strong>-<br />
Württemberg; Copyright by IM Leipzig 1999<br />
Weitere Ergebnisse und Bewertungen unter:<br />
www.kultusministerium.baden-wuerttemberg.de/<br />
schulmagazin<br />
55
56<br />
in eigener Sache<br />
»kurz & knapp<br />
Vier neue Publikationen des Kultusministeriums<br />
Auch der Briefträger geht zur Schule: Jeden Morgen<br />
liefert er einen ganzen Stapel von Informationsmaterialien<br />
dort ab. Überall im Land werden die<br />
Schulen täglich mit den verschiedensten Publikationen<br />
zahlreicher Anbieter eingedeckt. Das bleibt nicht<br />
ohne Auswirkungen auf die Kommunikation des<br />
Kultusministeriums mit den Schulen: Es wird nämlich<br />
immer schwerer, wichtige Infos an den Mann und<br />
an die Frau zu bringen. Die Publikationen des Ministeriums<br />
sollen Lotsen im Info-Dschungel sein, sie sollen<br />
verlässliche Information bieten und das Interesse<br />
an der aktiven Mitgestaltung der Schule wecken.<br />
Zum Schuljahr 1999/2000 stellt das Kultusministerium<br />
seine Öffentlichkeitsarbeit auf eine neue<br />
Grundlage. Die bisherigen Zeitschriften Schulintern<br />
und Elternjournal werden verabschiedet. An deren<br />
Stelle treten vier neue Publikationen, die eng aufeinander<br />
abgestimmt sind: das Schulmagazin, der Infodienst<br />
Schule, der Infodienst Schulleitung und ein<br />
stark erweitertes Angebot im Internet.<br />
1<br />
Das Schulmagazin als<br />
neues Flaggschiff<br />
Sie haben die erste Nummer des Schulmagazins<br />
in Händen. Es ist das Flaggschiff<br />
der neuen Öffentlichkeitsarbeit des Kultusministeriums.<br />
Hier sollen wichtige Themen behandelt<br />
werden, die über die Tagesaktualität hinausgehen.<br />
Denn vorgesehen sind nur zwei Nummern im Jahr:<br />
jeweils zum Beginn des Schulhalbjahres. Bei dieser<br />
Erscheinungsweise bietet sich die Einbeziehung des<br />
Heftes in Elternabende an. In jeder Ausgabe wird ein<br />
Schwerpunktthema in mehreren Beiträgen beleuchtet.<br />
Die Artikel sind knapp gehalten. Zusatzinformationen<br />
und Hintergründe gibt es im Internet. Begleitend<br />
zu jeder einzelnen Nummer wird ein neues<br />
<strong>Online</strong>-Magazin gestaltet. Im Unterschied zu den bisherigen<br />
Publikationen ist die Zielgruppe etwas weiter<br />
gefasst: Wir wollen bildungspolitisch Interessierte<br />
über die Schule hinaus ansprechen und bei ihnen<br />
Werbung machen für die guten Leistungen der Schulen<br />
in <strong>Baden</strong>-Württemberg.<br />
plus Internet«<br />
»Die Publikationen des<br />
Kultusministeriums sollen Lotsen<br />
im Info-Dschungel sein, sie sollen<br />
verlässliche Information bieten und<br />
das Interesse an der aktiven<br />
Mitgestaltung der Schule wecken«<br />
2<br />
1<br />
3<br />
InfodienstSchulleitung<br />
InfodienstSchule<br />
Bildung in <strong>Baden</strong>-Württemberg<br />
SchulMagazin<br />
Herbst | Winter 1999 – 2000<br />
Goethe<br />
in der<br />
Hauptschule<br />
00<br />
1<br />
zahlreichen<br />
forderungen<br />
und Konvielfältigen<br />
Bezie-<br />
Gruppen.<br />
Anforderungen.<br />
der von verin<br />
dem statt<br />
ISSN: 1234567890<br />
dem Maße,<br />
und Schüler<br />
Schulleitung ist<br />
Schulleiter<br />
Aufgabe<br />
Schrit-<br />
Akademie<br />
burg ist dieder<br />
eigenen<br />
Schüler vom<br />
auch die<br />
Infodienst<br />
pädagogischen und<br />
wir den Info-<br />
1<br />
Moderne<br />
Leistungsbeurteilung<br />
Kelten im<br />
Internet<br />
Jugendstudie<br />
’99<br />
<strong>Thema</strong>: <strong>Grundschule</strong><br />
wird auf eine<br />
weisen zum<br />
Internet abzuund<br />
bieten<br />
Informa-<br />
Post umgevereinfacht<br />
Möglich-<br />
Sie des-<br />
1<br />
Juli 1999<br />
NeustrukturierungLehrerbildung<br />
Recht:<br />
Nutzung des<br />
Internet<br />
Lehrbeauftragtenprogramm<br />
G8<br />
Job-Sharing<br />
Info-Börse
4<br />
2Infodienst Schule: »was Kleines für<br />
Zwischendurch«<br />
Die Themen aus dem Schulmagazin werden<br />
im Infodienst Schule aktualisiert, fortgesetzt<br />
und vertieft. Sparsamkeit bei Umfang<br />
und Gestaltung werden diesen Infodienst zu einem<br />
flexiblen Service-Angebot machen. Ein Infodienst hat<br />
viele praktische Vorteile gegenüber einer Zeitschrift.<br />
Wer nämlich eine richtige Zeitschrift »voll bekommen«<br />
will, der kann nicht immer ganz aktuell sein.<br />
Bei Bedarf kann es deshalb in Zukunft auch einmal<br />
einen Infodienst Schule geben, der nur wenige Seiten<br />
hat, dafür aber die Themen behandelt, die gerade Vielen<br />
auf den Nägeln brennen. Auch hier wird es das<br />
Zusammenspiel von kurzem Artikel und ausführlicher<br />
Information im Internet geben. Wer will, kann<br />
den Infodienst Schule auch per E-Mail beziehen. Auf<br />
»bunte Bilder« werden wir hier verzichten, denn unsere<br />
Grafikerinnen und Grafiker dürfen sich ja schon<br />
im Schulmagazin austoben. Besonderen Wert wollen<br />
wir auf die bisher schon sehr beliebte Rubrik<br />
»Infobörse« legen, die praktische Hinweise in<br />
Kurzform enthält. Der aktuelle Bedarf entscheidet,<br />
wie oft dieser Infodienst erscheint.<br />
3<br />
Infodienst Schulleitung:<br />
Handwerkszeug für Führungskräfte<br />
Schulleiterinnen und Schuleiter sind Motoren<br />
der inneren Schulentwicklung und<br />
Multiplikatoren der Innovation im Bildungswesen.<br />
Deshalb sind sie die Adressatinnen und Adressaten<br />
eines ganz neuen und bundesweit einmaligen<br />
Produktes der Öffentlichkeitsarbeit. Der Infodienst<br />
Schulleitung soll so bald wie möglich vollständig<br />
elektronisch versandt werden. So wird eine tagesaktuelle<br />
Information möglich. Sehr oft werden Schulleiterinnen<br />
und Schulleiter gefragt, ob diese oder jene<br />
Information zum Schulwesen stimme und was davon<br />
»Die gedruckten und die elektronischen<br />
Publikationen werden<br />
durchgehend verzahnt sein«<br />
zu halten sei. Der Infodienst Schulleitung soll für diese<br />
Fälle schnelle und verlässliche Information bieten.<br />
Er wird abgerundet durch Infos zur Praxis der Schulverwaltung<br />
und natürlich ergänzt durch ein spezielles<br />
<strong>Online</strong>-Magazin. Wie oft der Infodienst Schulleitung<br />
erscheint, wird die Praxis entscheiden. Wenn der Versand<br />
per E-Mail geschieht, kann es auch einmal einen<br />
äußerst kurzen Infodienst geben.<br />
4<br />
Alle Wege führen ins Internet<br />
Die Neukonzeption der KM-Medien<br />
setzt stark auf das Internet. Bildungspolitisch<br />
Interessierte sind heute in der<br />
Regel »am Netz«. Deshalb können Hintergrundinformationen<br />
und detaillierte Darstellungen<br />
online vorgehalten werden. So kann man Bleiwüsten<br />
im Schulmagazin und Infodienst Schule vermeiden.<br />
In der Regel werden die gedruckten Publikationen<br />
ausdrücklich auf die Angebote im world wide web<br />
verweisen. Mit dem Internet allein wird sich trotz der<br />
stürmischen Entwicklung dieses Mediums in absehbarer<br />
Zeit keine erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit<br />
bestreiten lassen. Die gedruckten und die elektronischen<br />
Publikationen werden also durchgehend verzahnt<br />
sein. Sowohl das Schulmagazin als auch die beiden<br />
Infodienste werden durch eigene <strong>Online</strong>-Angebote<br />
erweitert und unterstützt. Schauen Sie schon<br />
einmal vorbei unter www.kultusministerium.badenwuerttemberg.de<br />
Und das alles für’s selbe Geld<br />
Die Aufgabenstellung, die wir mit dieser Gesamtkonzeption<br />
gelöst haben, lautete: Wie können unsere<br />
Publikationen mit demselben Geld schneller, praktischer<br />
und optisch schöner werden? – Ob wir alle unsere<br />
Ziele erreicht haben, das müssen letztlich die Leserinnen<br />
und Leser entscheiden. Aber eins können wir<br />
schon sagen: Mehr Geld haben wir nicht ausgegeben.<br />
Georg Eickhoff<br />
Interessierte Eltern,<br />
Schülerinnen und Schüler<br />
können »Bildung in<br />
<strong>Baden</strong>-Württemberg.<br />
Schulmagazin« kostenlos<br />
– auch in Klassensätzen –<br />
bestellen beim<br />
Kultusministerium<br />
<strong>Baden</strong>-Württemberg,<br />
Öffentlichkeitsarbeit,<br />
Postfach 103442,<br />
70029 Stuttgart,<br />
Tel. 0711/279-2835 + 2611,<br />
Fax 0711/279-2838,<br />
per E-Mail:monika.boos@<br />
km.kultusvw.bwl.de<br />
57
58<br />
Landesschülerbeirat<br />
Landesschülerkongress<br />
<strong>Baden</strong>-Württemberg<br />
1999<br />
Der 2. Landesschülerkongress<br />
findet am 17.<br />
und 18. Dezember im<br />
Mannheimer Kongresszentrum Rosengarten statt. Dazu<br />
lädt der Landesschülerbeirat die SMV’en aller badenwürttembergischen<br />
Schulen ein. Wie schon beim ersten<br />
Landesschülerkongress in Leinfelden-Echterdingen<br />
vor zwei Jahren soll auch dieses Mal der landesweite,<br />
schulartübergreifende Meinungsaustausch im<br />
Mittelpunkt stehen. Natürlich gibt es – neben einem<br />
attraktiven Unterhaltungsprogramm – wieder interessante<br />
Workshops, in denen schüler- und jugendrelevante<br />
Themen aufgearbeitet werden sollen, viele Präsentationen<br />
von SMV-Projekten – und außerdem die<br />
Möglichkeit, mit Bildungspolitikern zu diskutieren.<br />
> Wann?<br />
Am 17. und 18. Dezember 1999<br />
Beginn Freitag 10.00 Uhr<br />
Ende Samstag 16.00 Uhr<br />
> Wo?<br />
Im Kongresszentrum Rosengarten mitten in<br />
Mannheim, 3 Min. vom Hauptbahnhof<br />
> Was kann ich tun?<br />
• Als Teilnehmer in den Workshops mitmachen,<br />
fragen, reden, zuhören, diskutieren;<br />
• einen Workshop mitgestalten oder leiten, z.B.<br />
als Sportmentor/in oder als Streitschlichter/in;<br />
• ein SMV-Projekt vorstellen, z. B. Schulradio,<br />
Stadt-SMV, SMV im Internet, SMV AG;<br />
• neue Leute kennen lernen.<br />
> Wo gibt es Infos?<br />
• Beim Pressesprecher des LSBR: René Borchert,<br />
B5/6, 68159 Mannheim, Tel.: 06 21/156 45 08<br />
• im Internet: www.lsbr.schule-bw.de<br />
• via E-Mail: Post@lsbr.schule-bw.de<br />
• im »Heißen Draht«, dem Info-Blatt des LSBR<br />
(Ausgabe September 1999)<br />
• in den SMV-Zeitungen der Oberschulämter<br />
(SMV INFO, SMV Mobil, SMV Aktuell)<br />
> Wie melde ich mich an?<br />
Jede SMV erhält im Oktober ein Einladungsschreiben<br />
mit Programm, Workshopliste und<br />
einer Anmeldekarte. Jede SMV kann bis zu zwei<br />
Teilnehmer schicken.<br />
> Neugierig?<br />
Dann unbedingt anmelden!!!<br />
Der Landesschülerbeirat stellt<br />
Entwurf zur Neustrukturierung<br />
der gymnasialen Oberstufe vor<br />
Mit einem eigenen Entwurf zur Neustrukturierung der gymnasialen<br />
Oberstufe hat der Landesschülerbeirat <strong>Baden</strong>-Württemberg auf die geplante<br />
Oberstufenreform des Kultusministeriums reagiert.<br />
Der Entwurf »Erweitertes Kurssystem«, der im Ausschuss Gymnasium<br />
konzipiert wurde, sieht vor, dass die Fächer Deutsch, Mathematik und die<br />
erste Fremdsprache für alle Schülerinnen und Schüler verbindlich mit mindestens<br />
vier Wochenstunden unterrichtet werden. Sie sollen allerdings – im<br />
Gegensatz zum Entwurf des Kultusministeriums – weiterhin die Möglichkeit<br />
haben, zwei Fächer ihrer Wahl mit fünf Wochenstunden als Leistungskurse<br />
zu wählen. Zusätzlich können die Schülerinnen und Schüler<br />
durch die Anhebung der Wochenstundenzahl in den Fächern Deutsch,<br />
Mathematik und der ersten Fremdsprache ihre Leistungskurse aus einer sehr<br />
viel breiteren Palette von Fächern zusammenstellen. Dabei ist jede Kombination<br />
zweier Fächer aus dem Pflichtbereich denkbar.<br />
Diese Erweiterung hat den Effekt, dass alle Schülerinnen und Schüler<br />
verstärkt in den Hauptfächern unterrichtet werden und zusätzlich ihren<br />
Interessenschwerpunkt noch individueller einsetzen können als bisher.<br />
Ein Höchstmaß an vertiefter Bildung in den Hauptfächern ist durch die<br />
Wahl von Leistungskursen weiterhin für alle möglich, die dieses wünschen.
Der Ausschuss Gymnasium<br />
verabschiedet das Konzept<br />
des LSBR zur Oberstufenreform<br />
Parallel wird für Schüler, die ihren Schwerpunkt in einem anderen Bereich<br />
setzen möchten, das Niveau in den Hauptfächern angehoben.<br />
Mit dem Erweiterten Kurssystem möchte der Landesschülerbeirat eine<br />
Stärkung sowohl der Haupt- als auch der Nebenfächer herbeiführen. Durch<br />
die Möglichkeit zur individuellen Schwerpunktsetzung soll gewährleistet<br />
werden, dass Unterricht stärker als bisher die persönlichen Interessen der<br />
Schüler widerspiegelt und somit attraktiver wird. Das Erweiterte Kurssystem<br />
hebt für alle Schülerinnen und Schüler das schulische Niveau an, ohne deren<br />
Wahlfreiheit einzuschränken. Einsparung ist also nicht vorgesehen und bei<br />
diesem Modell auch nicht möglich.<br />
Die Kultusministerin hat stets betont, dass es ihr beim Modell des Kultusministeriums<br />
zur Neustrukturierung der Oberstufe nicht um Einsparung<br />
ginge, sondern vielmehr um eine verstärkte Allgemeinbildung der Schülerinnen<br />
und Schüler. Nun hat sie Gelegenheit, dies unter Beweis zu stellen,<br />
indem sie die Schülerinteressen berücksichtigt.<br />
Auf einem Schülerkongress am 12. Mai 1999, bei dem die Schülersprecherinnen<br />
und Schülersprecher aller Gymnasien des Oberschulamtsbezirks<br />
Stuttgart anwesend waren, wurden beide Modelle, das Modell des<br />
Kultusministeriums und das des Landesschülerbeirats, vorgestellt. In voneinander<br />
unabhängigen Arbeitsgruppen wurden die Modelle unter die Lupe<br />
genommen, verglichen und ihre Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen.<br />
Einstimmiges Urteil: Das Modell des LSBR sei besser, weil damit eine<br />
individuellere Schwerpunktsetzung ermöglicht werde.<br />
René Borchert, Pressesprecher des LSBR<br />
V. l. n. r.: Adriane Babel, Vorsitzende;<br />
René Borchert, Pressesprecher;<br />
Andreas Ostheimer, 1. stv. Vorsitzender<br />
Neu bearbeitet und thematisch<br />
erweitert: Leitfaden<br />
für die SMV-Arbeit<br />
Der Leitfaden für die SMV-Arbeit, zum ersten Mal vor über<br />
zehn Jahren erschienen, liegt nun in einer völlig neu bearbeiteten<br />
und thematisch erweiterten Auflage vor. Damals<br />
wie heute ist es das vorrangige Anliegen des Leitfadens, neu<br />
gewählte Schülervertreterinnen und Schülervertreter in die<br />
SMV-Arbeit einzuführen und sie mit den Aufgaben und<br />
Zielsetzungen der Schülermitverantwortung vertraut zu<br />
machen.<br />
Noch mehr als bisher stehen inhaltliche, methodische und<br />
organisatorische Fragen zur Praxis der SMV-Arbeit im Vordergrund:<br />
Was können Schülerinnen und Schüler zur Bereicherung<br />
des Schullebens beitragen? Wie und wo können sie<br />
Mitverantwortung übernehmen? Wie lässt sich dies im<br />
Schulalltag organisieren?<br />
Neu aufgenommen wurden die Themen Wahlen, Schülerparlament,<br />
Teamarbeit und Rollenspiel, Schülermentoren,<br />
Streitschlichtung, selbstständiges Klären von Rechtsfragen,<br />
Arbeit in und mit Gremien sowie Gestaltung von SMV-<br />
Seminaren. Ebenfalls neu sind Tipps zur Zusammenarbeit<br />
der einzelnen SMV’en auf lokaler, regionaler – und im Rahmen<br />
des LSBR – auf Landesebene. Und schließlich bildet die<br />
Kooperation mit der außerschulischen, verbandlichen wie<br />
offenen Jugendarbeit einen weiteren wichtigen Schwerpunkt.<br />
Der Leitfaden kostet 20,– DM und kann beim Oberschulamt<br />
Tübingen, SMV-Beauftragter Reinhold Bronner, Keplerstr. 2,<br />
72074 Tübingen, bezogen werden.<br />
Ziffernoten unverzichtbar!<br />
Der Landesschülerbeirat spricht sich für die Beibehaltung<br />
der Ziffernote aus. Nur sie gewährleistet internationale<br />
Vergleichbarkeit und ermöglicht Transparenz. Gleichzeitig<br />
fordert der Landesschülerbeirat neue Methoden der<br />
Leistungsfeststellung, die auch der Bewertung sozialer<br />
Kompetenz wie Teamarbeit Rechnung tragen.<br />
59
Infobörse<br />
Unterrichtsprojekte zum<br />
<strong>Thema</strong> Jüdisches Leben<br />
in <strong>Baden</strong>-Württemberg<br />
Die alte Stuttgarter Synagoge, 1852<br />
bis 1861 im maurischen Stil erbaut<br />
und in der Reichspogromnacht am<br />
9. November 1938 zerstört<br />
Der jüngere deutsche Durchschnittsbürger – »woher sollte er wissen,<br />
was Judentum ist? Und wenn er aus der Schule etwas über<br />
das Judentum behalten hat, dann war und ist es der Holocaust.<br />
Mehr nicht! Über 1.600 Jahre jüdischer Geschichte in Deutschland<br />
hat er nichts erfahren. Über Holocaust in ausreichendem Maße.«<br />
So Ignatz Bubis, der vor wenigen Wochen verstorbene Präsident<br />
des Zentralrats der Juden in Deutschland. Das kürzlich als Nr. 2/<br />
1999 erschienene Heft von »POLITIK UND UNTERRICHT« mit dem<br />
Titel »Jüdisches Leben in <strong>Baden</strong>-Württemberg. Möglichkeiten zur<br />
Begegnung« will dazu beitragen, den von Bubis beklagten Mangel<br />
zu lindern. Es weist der fächerübergreifenden Behandlung dieses<br />
<strong>Thema</strong>s neue Wege und zielt darauf ab, Schülerinnen und<br />
Schüler – über den Abgrund der Shoa hinweg – zu einer von<br />
Berührungsängsten und Vorurteilen freien Begegnung mit<br />
Menschen jüdischen Glaubens zu befähigen, mit jüdischen<br />
Gleichaltrigen, die in Deutschland leben, und jungen Israelis der<br />
dritten Generation, die zu uns kommen. Neben vielen aufschlussreichen<br />
Text- und Bildmaterialien zur Geschichte und Kultur des<br />
Judentums im deutschen Südwesten skizziert das Heft konkrete<br />
Unterrichtsprojekte, unter anderem zur Planung eines Synagogenbesuchs,<br />
zur historischen Spurensuche am Heimatort oder zur<br />
Durchführung einer deutsch-israelischen Schülerbegegnung.<br />
Bestelladresse:<br />
Landeszentrale für politische Bildung, Redaktion »Politik und<br />
Unterricht«, Stafflenbergstr. 38, 70184 Stuttgart<br />
P.S.: Die neuesten Hefte von PuU können jetzt auch online gelesen<br />
und bestellt werden unter www.lpb.bwue.de/publikat.htm<br />
PC- und Internet-<br />
Führerschein für<br />
die Jugendarbeit<br />
Zeitgemäße Jugendarbeit – undenkbar ohne<br />
solide Kenntnisse und Fertigkeiten im Umgang<br />
mit den Neuen Medien. Um junge Leute, die in<br />
Jugendverbänden, Jugendgruppen, in Initiativen<br />
der offenen Jugendarbeit oder in der Redaktion<br />
von Schülerzeitungen und in der Azubi-Vertretung<br />
Verantwortung ausüben, zu kleinen Multimedia-Profis<br />
aus- und fortbilden zu können, hat<br />
das Kultusministerium an der Landesakademie für<br />
Jugendbildung in Weil der Stadt jüngst ein Medienkompetenzzentrum<br />
eingerichtet. Ausgestattet<br />
mit modernster Hard- und Software bietet das<br />
Medienzentrum maßgeschneiderte Kurse zu einer<br />
Vielzahl von Anwendungsbereichen an: Alles was<br />
mit PC, Text- und Bildverarbeitung, Internet,<br />
Homepage-Gestaltung, Web-Publishing, elektronischem<br />
Mailing, <strong>Online</strong>-Konferenzen oder auch<br />
der Herstellung internationaler Jugendkontakte<br />
via Net zu tun hat, steht auf dem Programm.<br />
Nähere Informationen gibt es beim Landesmedienzentrum<br />
an der Landesakademie für Jugendbildung,<br />
Malerbuckel 8 – 10, 71263 Weil der Stadt;<br />
Tel.: 0 70 33/5 26 90; Fax: 0 70 33/52 69-100;<br />
E-Mail: L-Akademie-Jugendbildung@t-online.de<br />
Schule und<br />
deutsche Einheit<br />
Robert Bosch Stiftung fördert Schulpartnerschaften<br />
zwischen Ost und West<br />
Seit dem Fall der Mauer bildet das <strong>Thema</strong><br />
»Schule und deutsche Einheit« einen Schwerpunkt<br />
in den Fördermaßnahmen der Robert<br />
Bosch Stiftung. Dazu hat die Stiftung eine<br />
Handreichung mit dem Titel »Schule und<br />
deutsche Einheit. Programme und Projekte des<br />
gemeinsamen Lernens und Handelns zwischen<br />
Ost und West« herausgegeben. Darin<br />
sind zahlreiche Beispiele gelungener und<br />
nachahmenswerter Praxis dokumentiert – mit<br />
dem Ziel, noch mehr Schulen in West- wie<br />
Ostdeutschland für gemeinschaftliche Aktivitäten<br />
und Begegnungsprojekte zu gewinnen.<br />
Bezugsadresse: Robert Bosch Stiftung GmbH,<br />
Heidehofstr. 31, 70184 Stuttgart;<br />
Internet: www.Bosch-Stiftung.de<br />
Info-Börse<br />
61
Info-Börse<br />
62<br />
Infobörse<br />
Konfliktmoderation durch<br />
Schüler – ein Videofilm<br />
»SCHLICHTEN statt STREITEN« heißt<br />
ein Videofilm, den das Audiovisuelle<br />
Zentrum der Pädagogischen Hochschule<br />
Heidelberg an der Lessing-Realschule<br />
Freiburg im Rahmen des Programms<br />
»Unterricht 2000« gedreht hat. Das<br />
Video eignet sich insbesondere zur Ausbildung<br />
von Schülerinnen und Schülern<br />
zu Streitschlichtern. Es kann aber auch<br />
bei Elternabenden, schulischen Veranstaltungen<br />
zum <strong>Thema</strong> Gewaltprävention/Soziales<br />
Lernen oder auch an Pädagogischen<br />
Tagen sinnvoll zum Einsatz<br />
kommen.<br />
Der Film (Länge ca. 25 Minuten) kann bei der<br />
Landesbildstelle <strong>Baden</strong> (Rastatter Str. 25,<br />
76199 Karlsruhe; Fax: 07 21/88 08 68) oder bei<br />
den Stadt- und Kreisbildstellen ausgeliehen<br />
oder zum Preis von DM 29,– käuflich<br />
erworben werden.<br />
Datenbank für Jugendarbeit und<br />
Jugendhilfe auf CD-Rom<br />
Die Datenbank mit dem<br />
Titel »Die Projektbörse«<br />
richtet sich in erster Linie<br />
an all diejenigen, die in<br />
<strong>Baden</strong>-Württemberg in<br />
der Jugendarbeit und Jugendhilfe<br />
praktisch tätig<br />
sind. Per Mausklick kann<br />
man sich, regional differenziert,<br />
über mehr als 50<br />
»Branchen« der außerschulischen<br />
Erziehungs- und Bildungsarbeit<br />
im Lande informieren, über Angebote, Aktionen<br />
und Projekte. Neben Projektsteckbriefen und einer<br />
Vielzahl von Informationen, die aus der Sicht der Praxis<br />
wichtig sind, lassen sich Ansprechpartner und Kontaktadressen<br />
rasch recherchieren. Die »Projektbörse« ist allerdings<br />
weit mehr als eine bloße Datensammlung. Darüber<br />
hinaus will sie den Dialog zwischen allen<br />
Beteiligten fördern und auf der Basis von Eigeninitiative<br />
zum Aufbau eines landesweiten Netzwerkes in der<br />
Jugendarbeit und Jugendhilfe beitragen. Alle, die sich an<br />
der Projektbörse beteiligen, erhalten die CD-ROM zum<br />
Selbstkostenpreis von DM 10,– (sonst DM 48,–) beim:<br />
Projektbüro »Projektbörse« der Jugendstiftung <strong>Baden</strong>-<br />
Württemberg, Postfach 1162, 74370 Sersheim;<br />
Fax: 0 70 42/83 17 - 40; E-Mail: Justi-BW@t-online.de<br />
Sehen, was Sache ist,<br />
wissen, was läuft<br />
Perspektiven, Chancen, Möglichkeiten<br />
Die Zukunftschancen für die junge Generation<br />
zu verbessern, ist eines der Hauptanliegen<br />
der Landesregierung von <strong>Baden</strong>-Württemberg.<br />
Mit der Zukunftswerkstatt will das Land,<br />
zusammen mit über 100 Partnern aus den<br />
Bereichen Bildung, Wirtschaft und Industrie,<br />
den Jugendlichen unseres Landes Chancen<br />
aufzeigen, Vorbilder präsentieren und Mut<br />
machen.<br />
Die Zukunftswerkstatt ist Kommunikationsforum<br />
und Top-Infobörse in einem.<br />
Der große Erfolg der Aktion im Vorjahr<br />
belegt dies: Über 25.000 Besucher bei den<br />
Veranstaltungen und über 160.000 Zugriffe<br />
in vier Wochen auf die Internet-Seiten sprechen<br />
für sich.<br />
Junge Leute bis Mitte zwanzig treffen<br />
sich in Medien- und Gründerzentren, innovativen<br />
Unternehmen und Hochschulen.<br />
Neben interessanten Begegnungen und<br />
wichtigen Informationen wird jede Menge<br />
FUN & ACTION geboten. Darüber hinaus<br />
werden tolle Preise verlost.<br />
Die Zukunftswerkstatt macht Station in:<br />
> Heilbronn, Innovationsfabrik (16.10.99)<br />
> Aalen, Wirtschaftszentrum WiZ (16.10.99)<br />
> Villingen-Schwenningen,<br />
Berufsakademie (16.10.99)<br />
> Lörrach, Wirtschaftsförderung<br />
Dreiländereck (16.10.99)<br />
> Reutlingen, Fachhochschule (20.11.99)<br />
> Offenburg, Burda Holding (20.11.99)<br />
Die Zukunftswerkstatt im Internet:<br />
www.starke-zukunft.de<br />
Die Homepage der Zukunftswerkstatt<br />
bietet einen kompletten Über- und tieferen<br />
Einblick: über alle Veranstaltungen, neue<br />
multimediale Berufe, Meinungen, Tipps zur<br />
Selbstständigkeit und Beispiele, wie es andere<br />
geschafft haben – mit interessanten Links<br />
zu Unternehmen, Institutionen und Hochschulen<br />
aus dem Land.<br />
Auf den Seiten werden auch attraktive<br />
Preise verlost.<br />
DASDING, das SWR3 Jugendprogramm<br />
berichtet laufend rund ums <strong>Thema</strong>. Surfen,<br />
sehen und staunen.<br />
2000 200<br />
200<br />
22 20<br />
2000 2000 2000 2000 20
Lebendige Mathematik –<br />
mehr als nur Zahlen!<br />
Posteraktion und Kalenderwettbewerb<br />
zum »World Mathematical Year 2000«<br />
Die International Mathematical Union hat – unter der<br />
Schirmherrschaft der UNESCO – das kommende Jahr zum<br />
»World Mathematical Year 2000« erklärt. Die deutsche<br />
Organisationsgruppe, die sich unter dem Dach der Gesellschaft<br />
für Didaktik der Mathematik gebildet hat, hat sich<br />
vor diesem Hintergrund zum Ziel gesetzt, durch eine Posteraktion<br />
und einen Kalenderwettbewerb im Schuljahr 1999/<br />
2000 zur Popularisierung und Akzeptanzverbesserung der<br />
Mathematik in den Schulen beizutragen. Insbesondere auch<br />
im Blick auf die im internationalen Vergleich nur mittelmäßigen<br />
Mathematikleistungen deutscher Schülerinnen und<br />
Schüler, die die Vergleichsuntersuchung »Third International<br />
Mathematics and Science Study« (TIMSS) zutage gefördert<br />
hat, sollen mit dieser Aktion auch diejenigen Schülerinnen<br />
und Schüler erreicht werden, die bisher keinen oder nur geringen<br />
Zugang zum Fach Mathematik gefunden haben.<br />
Nähere Informationen, auch über den aktuellen Stand der<br />
Aktivitäten, beim Koordinator der deutschen Gruppe »World<br />
Mathematical Year 2000«, Prof. Dr. Hans-Joachim Sander,<br />
Pädagogische Hochschule, Oberbettringer Str. 200, 73525<br />
Schwäbisch Gmünd (E-Mail: Achim.Sander@PH-Gmuend.de)<br />
oder im Internet unter www.uni-giessen.de/gdm/wmy2000/<br />
00<br />
0 2000 2000<br />
000<br />
2000 2000 2000 2000 2000 2000 2000<br />
000<br />
2000 2000 2000 2000 2000 2000<br />
000<br />
00 2000 2000 2000 2000 2000 2000 2000 2000 2000 2000 2000 2000 2000<br />
Leitfaden zur<br />
Elternbeiratsarbeit<br />
neu aufgelegt<br />
Nicht nur »Neulingen« in der Elternbeiratsarbeit hilft das<br />
bewährte »Handbuch für ElternvertreterInnen«, das vom<br />
Landesverband der Evangelischen Eltern und Erzieher in<br />
Württemberg e.V. herausgegeben wird. Jüngst ist die 7. überarbeitete<br />
Auflage erschienen. Neben grundlegenden Informationen<br />
über die rechtlichen Rahmenbedingungen der Elternmitverantwortung<br />
enthält das Handbuch viele Tipps<br />
und Anregungen zur Durchführung und Gestaltung eines<br />
Elternabends. Außerdem werden problematische Situationen<br />
anhand von Fallbeispielen dargestellt und erörtert.<br />
Das Buch kann zum Preis von DM 16,– bestellt werden beim<br />
Landesverband Evangelischer Eltern und Erzieher in Württemberg<br />
e.V., Unterlimpurger Straße 5, 74523 Schwäbisch Hall<br />
(Tel.: 07 91/71950; Fax: 07 91/717 74) oder bei der<br />
Evangelischen Akademie Bad Boll, 73087 Bad Boll,<br />
Tel.: 071 64/79-0, Fax: 07164/79-440<br />
Landesausstellung zu<br />
Vorderösterreich<br />
auf Station in Freiburg<br />
Die Landesausstellung »Vorderösterreich – nur die Schwanzfeder<br />
des Kaiseradlers?«, die dieses Frühjahr bereits in Rottenburg am<br />
Neckar zu sehen war, kommt nun auch nach Freiburg im Breisgau.<br />
In der »heimlichen Hauptstadt« des ehemaligen Vorderösterreich<br />
wird sie vom 1. Dezember 1999 bis zum 27. Februar 2000 im<br />
Augustinermuseum gezeigt.<br />
Vorderösterreich, der einstige Besitz der Habsburger im deutschen<br />
Südwesten, umfasste zeitweise große Teile des heutigen <strong>Baden</strong>-<br />
Württemberg und des Elsass, von Bayrisch-Schwaben, der Nordschweiz<br />
sowie von Vorarlberg. Es war ein Konglomerat zahlreicher<br />
kleiner und kleinster Territorien, in dem lediglich der Breisgau mit<br />
Freiburg als Mittelpunkt ein größeres zusammenhängendes<br />
Herrschaftsgebiet bildete.<br />
Zum Ausstellungsprogramm gehören, wie<br />
schon in Rottenburg, spezielle Schülerführungen<br />
für verschiedene Klassenstufen.<br />
Nähere Informationen erhalten Sie unter<br />
der Telefon-Nr.: 07 11/279-34 00 oder im<br />
Internet unter www.vorderoesterreich.de<br />
Aus dem Kirchenschatz des Freiburger<br />
Münsters: Votivampel der Erzherzogin<br />
Marie Antoinette aus dem Jahr 1770<br />
Fernseherziehung in der Familie<br />
Trotz des »Siegeszugs« von Computer und Internet ist das Fernsehen in<br />
den Familien immer noch das am häufigsten benutzte Medium. Das Fernsehen<br />
von heute ist mit dem vor 20 Jahren nicht mehr vergleichbar. Unter<br />
anderem gibt es inzwischen eine Vielzahl von TV-Angeboten, die sich ausdrücklich<br />
an Kinder wenden. Wie kann angesichts dieser Entwicklung eine<br />
sinnvolle Fernseherziehung in der Familie aussehen? Worauf sollten Eltern<br />
achten? Antworten darauf finden Eltern – wie Lehrerinnen und Lehrer –<br />
in dem achtseitigen Kompaktwissen »Kind und Fernsehen«, dem neuen<br />
Infoblatt der Aktion Jugendschutz (ajs) zu einer zeitgemäßen Fernseherziehung.<br />
Erhältlich ist es gegen Einsendung eines frankierten Rückumschlags<br />
und 1,– DM in Briefmarken bei der Aktion Jugendschutz (ajs),<br />
Landesarbeitsstelle <strong>Baden</strong>-Württemberg, Stafflenbergstr. 44,<br />
70184 Stuttgart.<br />
»Marktwirtschaft und Persönlichkeit«<br />
Unter diesem Titel haben das Institut für Religionspädagogik Freiburg,<br />
das dortige Staatliche Seminar für Schulpädagogik (Berufliche<br />
Schulen), die Gesellschaft zur Förderung des Nord-Süd-Dialogs (NSD)<br />
Bonn und das Freiburger Walter-Eucken-Gymnasium fächerübergreifende<br />
Unterrichtsmaterialien zur Werteerziehung erarbeitet. Im<br />
Vordergrund steht die Frage nach dem Verhältnis von Wirtschaft und<br />
Ethik, nach dem »Prinzip Verantwortung« im wirtschaftlichen<br />
Handeln, insbesondere auch im Hinblick auf das <strong>Thema</strong> Dritte Welt.<br />
Das 48-seitige Heft kann zum Preis von DM 7,– angefordert<br />
werden beim Institut für Religionspädagogik Freiburg,<br />
Habsburger Str. 107, 79104 Freiburg; Fax: 07 61 /368 20 18.<br />
63
Gute Noten sind<br />
kein Zufall<br />
Garantie:<br />
Alle Lernhilfen von Klett LernTraining<br />
● enthalten den kompletten Lernstoff,<br />
•● sind auf die Lehrpläne abgestimmt und<br />
•● passen zu allen gängigen Lehrwerken.<br />
Senden Sie mir bitte kostenlose Informationen<br />
über Ihr Lernhilfenangebot – „Klett Lernhits ‘99“<br />
per Internet: www.klett-verlag.de/klett-lerntraining<br />
per Post: bitte Coupon ausschneiden und an Ernst Klett Verlag,<br />
z. Hd. Herrn Voit, Postfach 106016, 70049 Stuttgart schicken.<br />
Vorname, Name<br />
Straße, Nr<br />
PLZ<br />
Ort<br />
Training<br />
•● zur gezielten Verbesserung<br />
der Noten<br />
•● zum Aufarbeiten von Lerndefiziten<br />
Jeder Band enthält ein Lösungsheft<br />
zur Lernkontrolle.<br />
Training Diktat<br />
5.-10. Schuljahr<br />
100 Testdiktate<br />
ISBN 3-12-922049-6 . . .DM 16,90<br />
Training<br />
Englische Grammatik<br />
9./10. Schuljahr<br />
ISBN 3-12-929285-3 . . .DM 22,90<br />
Training Mathematik<br />
Textaufgaben<br />
5./6. Schuljahr<br />
ISBN 3-12-929299-3 . . .DM 19,90 PC-Kombi-Training<br />
Die Kombination aus Lernbuch und<br />
Übungssoftware.<br />
•● Lernbuch mit: Regeln,<br />
Beispielen und Übersichten<br />
•● CD-ROM mit: Übungen und<br />
Korrektur, kompletten<br />
Lösungswegen und<br />
Sprachausgabe<br />
✃*03552<br />
Kostenlose<br />
<strong>Online</strong>-Beratung<br />
bei Schulproblemen<br />
www.klett-verlag.de/<br />
klett-lerntraining<br />
PC-Kombi-Training<br />
Rechtschreibung, 5./6. Schuljahr<br />
ISBN 3-12-929741-3 . . . .DM 49,–<br />
PC-Kombi-Training<br />
Englisch, 8. Schuljahr<br />
ISBN 3-12-929743-X . . . .DM 49,–<br />
Alle Lernhilfen von Klett LernTraining<br />
finden Sie im Gesamtverzeichnis<br />
„Klett Lernhits ‘99“<br />
Jetzt anfordern!<br />
Einfach bessere Noten