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Thema: Grundschule - BOA: Baden-Württembergisches Online-Archiv

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Bildung in <strong>Baden</strong>-Württemberg<br />

SchulMagazin<br />

Herbst | Winter 1999 – 2000 ISSN 1438-8766<br />

E 4969<br />

Goethe<br />

in der<br />

Hauptschule<br />

<strong>Thema</strong>: <strong>Grundschule</strong><br />

1<br />

Moderne<br />

Leistungsbeurteilung<br />

Kelten im<br />

Internet<br />

Jugendstudie<br />

’99


2<br />

Editorial<br />

Bildungspolitik aktuell<br />

Schulpanorama<br />

<strong>Thema</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Schule und Arbeitswelt<br />

Jugend<br />

LSBR<br />

Infobörse<br />

Neue Lernkultur<br />

Interview mit der LEB-Vorsitzenden Elke Picker<br />

Erfahrungen mit dem achtjährigen<br />

gymnasialen Bildungsgang<br />

Der Bildungsforscher Helmut Fend zur<br />

Reform der Gymnasiallehrerbildung<br />

Forschungsprojekt zu neuen Formen der<br />

Leistungsbeurteilung<br />

Schüler aus <strong>Baden</strong>-Württemberg siegen beim<br />

Internationalen Turnier junger Physiker<br />

Hauptschulpreis 1999: Auszeichnung für<br />

Karlsruher Pestalozzi-Schule<br />

Katharina: ein behindertes Kind in der Hauptschule<br />

Goethe in der Hauptschule<br />

Das »Heuneburgprojekt«: Kelten im Internet<br />

Kuschelecke oder Ende der Kindheit?<br />

Frühes Fremdsprachenlernen<br />

Die familienfreundliche <strong>Grundschule</strong>:<br />

Beispiele – Perspektiven<br />

Pro und Contra: Männer in die <strong>Grundschule</strong>!<br />

Begabtenförderung<br />

Computer<br />

Service<br />

Empfehlungen des Sachverständigenrats<br />

»Berufliche Bildung«<br />

In Schwäbisch Hall erfunden: der Jugendberufshelfer<br />

»Förderband« Mannheim:<br />

Hilfe für benachteiligte Jugendliche<br />

WVR-Börse ’99: Schaufenster einer<br />

modernen Realschule<br />

Regionale Jugendinitiativen: Vernetzung<br />

von Schule, Jugendarbeit und Wirtschaft<br />

Jugendstudie ’99: Sachsen und<br />

<strong>Baden</strong>-Württemberg im Vergleich<br />

Öffentlichkeitsarbeit des Kultusministeriums<br />

neu konzipiert<br />

Der Landesschülerbeirat informiert<br />

Unterrichts- und Informationsmaterialien,<br />

Veranstaltungshinweise<br />

3<br />

4<br />

6<br />

8<br />

10<br />

12<br />

14<br />

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35<br />

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44<br />

46<br />

48<br />

52<br />

54<br />

56<br />

58<br />

61<br />

Impressum<br />

Herausgeber:<br />

Ministerium für Kultus, Jugend und<br />

Sport <strong>Baden</strong>-Württemberg<br />

Redaktion:<br />

Dr. Rudolf Kroboth (verantw.)<br />

Dr. Georg Eickhoff (Konzeption)<br />

Brigitte Kieser (Bildredaktion,<br />

Werbung)<br />

Dr. Carsten Rabe (Schulmagazin online)<br />

Sonderseite (58/59):<br />

Landesschülerbeirat <strong>Baden</strong>-<br />

Württemberg, René Borchert,<br />

B 5–6, 68159 Mannheim<br />

Sonderseite (60):<br />

Diözese Rottenburg-Stuttgart,<br />

Jahnstr. 30, 40597 Stuttgart<br />

Fotos:<br />

Alfred Assmann, Deizisau; Michael<br />

Clever, Ebersbach/Fils; DB AG, DZB Ulm;<br />

Gerold Diez, Teningen/Nimburg;<br />

Andrea Fabry, Ettlingen; Förderband<br />

e.V., Mannheim; Walter Gaus, Horb;<br />

Christa Glück, Schwäbisch Hall; Wolfdieter<br />

Grötzinger, Königsbach-Stein;<br />

<strong>Grundschule</strong> Stuttgart-Obertürkheim;<br />

Mark Hindley, Gerlingen; Sabine Hopert,<br />

Hundersingen; Heinz Jansen, Weilimdorf;<br />

Brigitte Kieser, Stuttgart; Landesbildstelle<br />

Württemberg, Stuttgart;<br />

Neuberg-<strong>Grundschule</strong> Neckarsulm;<br />

Frank Ossenbrink, Bonn; Pestalozzi-<br />

Schule Karlsruhe-Durlach; <strong>Württembergisches</strong><br />

Landesmuseum Stuttgart<br />

Gestaltung:<br />

Ilona Hirth, Karlsruhe<br />

Illustrationen:<br />

Susanne Saenger, Karlsruhe<br />

Orlando, Hamburg<br />

Erscheinungsweise:<br />

»Bildung in <strong>Baden</strong>-Württemberg.<br />

Schulmagazin« erscheint halbjährlich<br />

und wird kostenlos über die Schulen an<br />

die Lehrerinnen und Lehrer und Elternvertreterinnen<br />

und Elternvertreter verteilt.<br />

Interessierte Eltern und Schülerinnen<br />

und Schüler können die Zeitschrift<br />

kostenlos – auch in Klassensätzen – bei<br />

der Redaktion anfordern. Nachdruck<br />

mit Quellenangabe gestattet (2 Belegexemplare).<br />

Für unverlangt eingesandte<br />

Manuskripte wird keine Haftung<br />

übernommen.<br />

Anschrift der Redaktion:<br />

Ministerium für Kultus, Jugend und<br />

Sport <strong>Baden</strong>-Württemberg (Öffentlichkeitsarbeit),<br />

Postfach 103442,<br />

70029 Stuttgart, Tel.: 07 11 /279-28 35<br />

bzw. -26 11<br />

Die Zeitschrift wird entsprechend aktueller<br />

ökologischer Richtlinien hinsichtlich<br />

Papier, Druckfarbe, Digitaldruck-<br />

PrePress (filmlose Formherstellung)<br />

und Verpackung hergestellt.


Editorial<br />

<strong>Online</strong>-Version des<br />

Schulmagazins<br />

Das Schulmagazin hat eine eigene<br />

Homepage: www.kultusministerium.<br />

baden-wuerttemberg.de/schulmagazin.<br />

Dort halten wir für Sie zusätzliche Informationen<br />

zu den Beiträgen in diesem<br />

Heft und weitere Meldungen bereit.<br />

Multimedia-PC an allen<br />

öffentlichen Schulen in<br />

<strong>Baden</strong>-Württemberg<br />

Noch vor den Sommerferien haben<br />

4.019 von 4.135 öffentlichen Schulen<br />

einen multimediafähigen Computer erhalten.<br />

Mehr als 97% aller öffentlichen<br />

Schulen in <strong>Baden</strong>-Württemberg sind<br />

nun mit mindestens einem Multimedia-PC<br />

versorgt.<br />

Damit ist die Basis nicht nur für einen<br />

pädagogisch sinnvollen Einsatz der<br />

Neuen Medien an den einzelnen Schulen<br />

gelegt, sondern auch für ein effizientes<br />

Netzwerk, das den schnellen Austausch<br />

von Informationen ermöglicht.<br />

Ein Beispiel für solche Anwendungen<br />

finden Sie auf S. 22/23 in diesem Heft.<br />

Liebe Leserinnen<br />

und Leser,<br />

Sie haben die erste Nummer des neuen Schulmagazins<br />

in Händen. Wir wollen damit Kommunikation<br />

und Dialog in den Schulen sowie zwischen Schule<br />

und Gesellschaft anregen und unterstützen. Nicht nur<br />

die an der Schulgemeinschaft unmittelbar Beteiligten<br />

– Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrkräfte –,<br />

sondern eine breitere Öffentlichkeit spürt mehr und<br />

mehr die vitale Zukunftsbedeutung der Schule. Die<br />

Qualität von Bildung – diese Überzeugung setzt sich<br />

durch – ist ein Schlüssel für individuelle Lebenschancen<br />

und für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft.<br />

Die Gesellschaft von morgen wird in wesentlichen<br />

Zügen eine »lernende Gesellschaft« sein. Das Lernen wird nicht nur in durchorganisierten<br />

Lehrgängen und eigens dafür eingerichteten Institutionen stattfinden. Vielmehr<br />

wird die Bedeutung des so genannten »informellen Lernens« wachsen.<br />

Es war eigentlich schon immer so: In vielen lebenspraktischen Situationen wird<br />

Wissen und Können erworben und weitergegeben – Wissen, das so in keinem Lehrplan<br />

stehen kann. Aber genauso richtig und dauerhaft gültig bleibt: Nachhaltige Lernprozesse<br />

und lebenslange Lernfähigkeit müssen systematisch grundgelegt werden. Und<br />

das heißt, dass die Schule nicht an Bedeutung verlieren, sondern noch wichtiger werden<br />

wird als bisher. Gute Schule wird in der lernenden Gesellschaft erst recht unverzichtbar<br />

sein, weil sie die Grundlagen legt, weil sie ein guter Ort ist, das Lernen zu lernen, und<br />

weil sie eine gemeinsame Kultur erschließt, durch die Dialog und Verständigung in einer<br />

pluralen Gesellschaft möglich werden.<br />

Immer wieder wird aufgelistet, was Schule alles leisten soll. Selten wird gefragt, was<br />

die öffentliche Schule braucht, damit sie das leisten kann, was die Gesellschaft zu Recht<br />

von ihr erwartet. Die alltägliche Arbeit in der Schule hat größere Aufmerksamkeit verdient.<br />

Denn eine wesentliche Vorbedingung für Schulqualität ist Kommunikation im<br />

Inneren und Akzeptanz im Umfeld. Zu beidem soll auch das neue Schulmagazin beitragen.<br />

Für die Schule werben, das heißt zu werben für den hohen Stellenwert, den das<br />

Lernen als grundlegende menschliche Tätigkeit in der Gesellschaft von morgen haben<br />

muss.<br />

Die Schulen in <strong>Baden</strong>-Württemberg brauchen sich nicht zu verstecken. Deshalb<br />

wird das Schulmagazin auch eine Bühne sein, auf der gute und exemplarische Leistungen<br />

einzelner Schulen sichtbar werden. Aber auch Reflexion und Diskussion werden<br />

hier ihren Platz haben. Nicht zuletzt wird Schulqualität, wie sie für unser Land charakteristisch<br />

ist, hier auch nach außen transportiert werden. Das Schulmagazin ist eine<br />

Zeitschrift nicht nur für die Schule selbst. Wer sich in Wirtschaft, Gesellschaft und<br />

Politik für die Arbeit der Schulen in <strong>Baden</strong>-Württemberg interessiert, findet hier verlässliche<br />

Information und Material für Diskussion und Dialog.<br />

Das Schulmagazin ist eingebettet in ein Ensemble neuer Publikationen des Kultusministeriums.<br />

Mehr Informationen zur Gesamtkonzeption finden Sie auf Seite 56 in<br />

diesem Heft.<br />

Ich wünsche dem Schulmagazin hohe Akzeptanz in den Schulen und darüber hinaus.<br />

Sie als Leserinnen und Leser lade ich ein, der Redaktion und mir als Herausgeberin<br />

Ihre Eindrücke und Einwände zu den hier verhandelten Themen mitzuteilen.<br />

Für das neue Schuljahr wünsche ich Ihnen allen viel Erfolg!<br />

Dr. Annette Schavan<br />

Ministerin für Kultus, Jugend und Sport<br />

»Die Gesellschaft von<br />

morgen wird eine<br />

›lernende Gesellschaft‹<br />

sein«<br />

3


4<br />

Bildungspolitik aktuell<br />

»Eltern sind keine egoistische Klientel,<br />

sondern Sachwalter für die Zukunft«<br />

Die Vorsitzende des Landeselternbeirats<br />

(LEB) im Gespräch mit dem<br />

Schulmagazin<br />

Schulmagazin: Frau Picker, als Juristin,<br />

Richterin und Mutter von 4 Kindern sind<br />

Sie seit mehr als 20 Jahren in der Elternarbeit<br />

aktiv, seit 1996 auch im Landeselternbeirat.<br />

Wie würden Sie vor diesem<br />

Erfahrungshorizont die Rolle und Funktion<br />

des LEB beschreiben?<br />

Frau Picker: Am präzisesten sind Rolle<br />

und Funktion des LEB sicherlich in § 60<br />

Schulgesetz beschrieben. In meiner Zusammenfassung<br />

des Gesetzestextes bedeutet<br />

das: Berater des Ministeriums und Interessenwalter<br />

der Eltern zu sein. Diese Rolle<br />

des LEB hat sich im Lauf seines Bestehens,<br />

und solange ich seine Tätigkeit überschaue,<br />

ganz sicher erweitert. Der LEB<br />

wird in der Öffentlichkeit als ein Gremium<br />

wahrgenommen, das zu bildungsund<br />

familienpolitischen Fragen, auch<br />

wenn Eltern von Schulkindern etwa<br />

finanziell stärker belastet werden sollen,<br />

Stellung nimmt und Forderungen stellt.<br />

Dazu tragen natürlich die Medien bei.<br />

Den Kontakt zu den Medien aber muss der<br />

LEB pflegen, denn anders kann er seine<br />

Lobbyarbeit für Eltern und gute Schulen –<br />

in einer Gesellschaft von immer mehr<br />

Singles und Kinderlosen – nicht leisten.<br />

Worin sehen Sie Ihre Aufgabe als nunmehr<br />

»oberste Elternvertreterin« in <strong>Baden</strong>-<br />

Württemberg?<br />

Frau Picker: Vor allem darin, das gesamtgesellschaftliche<br />

Bewusstsein für den<br />

Wert von Erziehung, Bildung und Ausbildung<br />

zu wecken, zu erhalten und zu<br />

stärken. Gleichzeitig klarzumachen, dass<br />

Eltern keine egoistische Klientel sind, sondern<br />

Sachwalter für die Zukunft.<br />

Alles steht in unserem Staat auf tönernen<br />

Füßen, wenn wir nicht eine umfassend<br />

ausgebildete Jugend haben, die bereit<br />

und in der Lage ist, die Verantwortung für<br />

ihr eigenes Leben und unser Gemeinwesen<br />

einmal zu übernehmen.<br />

Noch stärker möchte ich um die Lehrerschaft<br />

werben, damit sie an der »Schulfront«<br />

nicht müde wird. Und dabei kommt<br />

mir hoffentlich meine Gleichaltrigkeit mit<br />

vielen zugute – schließlich bin ich auch<br />

schon 55 Jahre alt.<br />

Was sind Ihre Hauptanliegen?<br />

Frau Picker: Es ist ein ganzer Katalog,<br />

bei dem ich froh wäre, wenn Schulen über<br />

ihre ganz konkrete Tagesarbeit das eine<br />

oder andere in ihrem Schulprogramm verwirklichen<br />

würden:<br />

> Das stärkere Einbeziehen von Erziehungsfragen<br />

in den Dialog zwischen<br />

Lehrern und Eltern, wobei diese aber ruhig<br />

frühzeitig ihren größer werdenden<br />

Kindern Platz machen sollten. Das ändert<br />

natürlich nichts an den weiterhin bestehenden<br />

kollektiven und individuellen<br />

Rechten der Eltern in der Schule.<br />

> Der häufigere »Blick über den Tellerrand«<br />

hinaus in jeder Schule bis hin zu<br />

weltweiten sozialen Ungleichheiten und<br />

Problemen.<br />

Selbst wenn man das gegliederte Schulsystem<br />

per saldo als das praktikabelste, die<br />

unterschiedlichen Begabungen am zielgenauesten<br />

fördernde ansieht, erscheint es<br />

mir doch problematisch, dass Jugendliche<br />

unterschiedlicher sozialer Herkunft, unterschiedlicher<br />

kognitiver Begabung sich in<br />

der Schulzeit sehr wenig begegnen. Dieser<br />

ganze Komplex, der ein Teil »sozialen<br />

Lernens« ist, der liegt mir besonders am<br />

Herzen. Das ist bei mir als Sonderschulvertreterin<br />

ja auch nahe liegend.<br />

Welche neuen Akzente in der Arbeit<br />

des LEB wollen Sie setzen?<br />

Frau Picker: Es erscheint mir vermessen,<br />

dass ich allein die Akzente setze. Das<br />

ist immer eine Wechselwirkung zwischen<br />

Gremium und Vorsitzender. Außerdem<br />

hatte ich einen Vorgänger, der eigentlich<br />

keine Wünsche offen gelassen hat.<br />

Elke Picker<br />

> geb. am 26.4.1944 in Albrechts/<br />

Kreis Suhl (Thüringen),<br />

aufgewachsen in Krefeld, seit 1968<br />

verheiratet mit dem Zivilrechtler<br />

Prof. Dr. Eduard Picker, 4 Kinder<br />

> 1963 Abitur, anschließend<br />

Jurastudium in Bonn und Berlin<br />

> 1968 1. Staatsexamen<br />

> 1972 2. Juristisches Staatsexamen<br />

und bis 1979 Richterin am<br />

Landgericht Bonn<br />

> 1987 Umzug von Regensburg nach<br />

Tübingen, auch wegen besserer<br />

Fördermöglichkeiten für den<br />

behinderten Sohn Benedikt<br />

> 1991 – 1996: Vorsitzende des<br />

Elternbeirats am Uhland-<br />

Gymnasium Tübingen<br />

> seit 1990 Elternvertreterin in der<br />

Kirnbachschule (Sonderschule für<br />

Geistigbehinderte), Mitglied der<br />

Schulkonferenz und 2. Vorsitzende<br />

des Fördervereins<br />

> 1994 – 1996: Vorsitzende des<br />

Gesamtelternbeirats Tübingen<br />

> 1996 – 1999: LEB-Vertreterin für<br />

die Sonderschulen im Oberschulamtsbezirk<br />

Tübingen<br />

> 12. Mai 1999: Wahl zur Vorsitzenden<br />

des 12. Landeselternbeirats<br />

Wichtig ist mir natürlich, dass sich zwischen<br />

LEB und Ministerium ein so konstruktives<br />

Miteinander ergibt, wie ich das<br />

in meinem Arbeitsbereich, den Sonderschulen,<br />

erlebt habe. Das wünsche ich mir<br />

bis hin zur Amtsspitze.<br />

Mir persönlich ist besonders wichtig,<br />

dass das Gremium, soweit es möglich ist,<br />

sich seine Meinungen im größeren Zusammenhang<br />

bildet.<br />

> Beispiel: 8-jähriges Gymnasium im<br />

grundsätzlichen Kontext, ob unsere jungen<br />

Menschen wirklich am Ende ihrer<br />

Ausbildung zu alt sind, an welchen Stellen<br />

aber gegebenenfalls gekürzt werden sollte.


Beispiel: Islam-Unterricht für muslimische<br />

Kinder. Eine Stellungnahme auch<br />

eines Elterngremiums ist wohl nur im<br />

großen Kontext der grundgesetzlichen<br />

und grundsätzlichen Wertungen des christlichen<br />

Religionsunterrichts möglich.<br />

Wie sollte aus Ihrer Sicht eine zeitgemäße<br />

Erziehungspartnerschaft Schule<br />

– Elternhaus aussehen?<br />

Frau Picker: Offenheit, Transparenz,<br />

Toleranz, Konflikt- und Kompromissfähigkeit<br />

– eigentlich der ganze Katalog<br />

von Eigenschaften oder Verhaltensweisen,<br />

die auch zwei Menschen brauchen, wenn<br />

sie ein gemeinsames Ziel erreichen wollen,<br />

ist für Erziehungspartnerschaft nötig.<br />

Dieses Ziel muss immer heißen: die beste<br />

Schule für jeden Schüler, für jede Schülerin.<br />

Schule und Elternhaus haben gleiche,<br />

sie haben aber auch unterschiedliche<br />

Aufgaben und Verantwortlichkeiten, und<br />

die sollte der andere Erziehungspartner respektieren.<br />

Können Sie uns ein praktisches Beispiel<br />

nennen?<br />

Frau Picker: Etwa die Dauer des Disko-<br />

Besuchs, das gründliche Zähneputzen sind<br />

Sache der Eltern. Die wieder einmal nicht<br />

gekonnten Vokabeln, die schlampig gemachten<br />

Hausaufgaben Sache des Lehrers<br />

und seiner pädagogischen Reaktion. Da<br />

wiederum würde ich den Lehrern einen<br />

breiten Ermessensspielraum zubilligen.<br />

Erziehungspartnerschaft entfaltet sich in<br />

diesen getrennten Bereichen durch wechselseitige<br />

Information – auf der einen<br />

Seite des Schulleiters, des Klassenlehrers,<br />

des Fachlehrers, auf der anderen der gewählten<br />

Elternvertreter und, häufig auch<br />

in Absprache mit ihnen, den Eltern.<br />

Wie kann dieser Dialog organisiert<br />

werden?<br />

Frau Picker: Themenbezogene Elternabende<br />

zu grundsätzlichen Erziehungsfragen<br />

sind ein Weg. Themen können sein<br />

die Einflüsse, die das Leben von Kindern<br />

und Jugendlichen bestimmen und gefährden<br />

– Verkehr, Medien, Werbung, Suchtmittel,<br />

um nur einiges zu nennen. Das ist<br />

wesentlich für die gemeinsame Verantwortung<br />

von Schule und Elternhaus. Verhaltenskataloge,<br />

die die Klassenpflegschaft<br />

ausarbeitet, oder aber ein pädagogischer<br />

Arbeitskreis von Eltern und Pädagogen<br />

oder auch die Schulkonferenz scheinen<br />

mir bei dem pluralen Meinungsspektrum<br />

unserer Gesellschaft in Erziehungsfragen<br />

immer wichtiger.<br />

Und schließlich empfehle ich immer<br />

wieder die zweckfreie Begegnung: die gemeinsame<br />

Wanderung, das gemeinsame<br />

Grillen, um sich kennen zu lernen und zueinander<br />

Vertrauen zu entwickeln.<br />

Das gezielte Einzelgespräch über den<br />

Schüler als ganzen Menschen, bei dem<br />

Schulnoten nur eine untergeordnete Rolle<br />

spielen sollten, erscheint mir natürlich als<br />

wichtigste Aufgabe in jeder Schule, nicht<br />

nur bei Sonderschülern.<br />

Viele Eltern engagieren sich sehr stark<br />

für die Belange unserer Schulen. Was<br />

kann getan werden, um noch mehr Eltern<br />

für ein mitverantwortliches Handeln zu<br />

gewinnen?<br />

Frau Picker: Jede Schule, jeder Schulleiter<br />

und jeder Lehrer, auch jeder Elternvertreter,<br />

alle sollten hier strategisch denken.<br />

Die Eltern müssen in die Schule<br />

»gelockt« werden, d.h. das bekannte Instrumentarium<br />

von Werbung sollte genutzt<br />

und gezielt eingesetzt werden. Eltern<br />

sollten von der <strong>Thema</strong>tik und von ihrem<br />

Interessenhorizont her erreicht werden.<br />

Elternabende in Verbindung mit einer<br />

Vorführung der Schülerinnen und Schüler<br />

und einem von diesen angebotenen Imbiss,<br />

das Auflösen der starren Stuhlreihen<br />

in eine Vielzahl von kleinen Sitzgruppen,<br />

zwischen denen die Lehrpersonen wechseln,<br />

bieten sicher bessere Chancen für das<br />

Kennenlernen der Elternschaft etwa einer<br />

städtischen Hauptschule und für das<br />

Wecken von Interesse für die Belange der<br />

Schule. Besondere Kompetenzen von Eltern<br />

können erkannt und eingesetzt werden.<br />

Oft sind Eltern zurückhaltend, Mitverantwortung<br />

zu übernehmen, weil sie<br />

nicht wissen, wie viel Arbeit da auf sie<br />

zukommt.<br />

Frau Picker: Das stimmt, besonders bei<br />

den weiterführenden Schulen. Deshalb ist<br />

es wichtig, alle neuen Eltern zu informieren,<br />

Interesse an der jeweiligen Schule zu<br />

wecken und dadurch möglichst viele<br />

Eltern in das Schulleben einzubeziehen.<br />

Den allumfassend tätigen Elternvertreter<br />

wird es in Zukunft kaum noch geben –<br />

Schule und Elternverteter, übrigens auch<br />

Schülervertreter, müssen viele zeitlich und<br />

inhaltlich begrenzte Teilaufgaben delegieren.<br />

Je kleiner der Beitrag jedes Einzelnen<br />

bemessen wird, umso besser für das Gemeinschaftsgefühl<br />

und auch für die Kontinuität<br />

des Engagements und damit umso<br />

fruchtbarer für die Schule!<br />

Wie würden Sie die Grenze des elterlichen<br />

Mitspracherechts definieren?<br />

Frau Picker: Wie ich schon gesagt habe<br />

– in dem pädagogischen Spielraum und<br />

der pädagogischen Verantwortung der<br />

Lehrerinnen und Lehrer. Das heißt natürlich<br />

nicht, dass Eltern hier schweigen<br />

müssten. Aber Eltern haben beim Missbrauch<br />

der pädagogischen Freiheit des<br />

Lehrers als Adressaten nur dessen Dienstherrn,<br />

wenn Anregungen und Bitten<br />

nichts nützen. Ein Beispiel: Projektarbeit<br />

mag aus der Sicht mancher Eltern wünschenswert<br />

sein, dem Lehrer, der eine andere<br />

Lehrmethode aus objektiven und subjektiven<br />

Gründen vorzieht, sollten Eltern<br />

nichts vorzuschreiben suchen.<br />

Eine Frage zum Schluss: Worin sehen<br />

Sie zentrale Aufgaben einer zukunftsorientierten<br />

Schule?<br />

Frau Picker: Schule im Übergang zum<br />

nächsten Jahrhundert muss noch stärker<br />

sein: ein Lernort, der Kinder fordert und<br />

fördert, der immer mehr Kindern aber<br />

auch ein Ort der Orientierung und Geborgenheit<br />

sein muss. Wichtig ist die Ausweitung<br />

von Ganztagesangeboten, die<br />

Einbeziehung von Erziehungshilfe für<br />

Eltern – nicht nur im engeren Sinn von<br />

Schulsozialarbeit. Ganz grundsätzlich: Für<br />

mich sind Bildung und Erziehung die<br />

Megathemen unserer Zeit!<br />

Interview: Rudolf Kroboth<br />

Kontakt: Geschäftsstelle des LEB,<br />

Junoweg 13, 70565 Stuttgart,<br />

Tel.: 07 11/74 10 94; Fax: 07 11/74 10 96<br />

E-Mail: leb.bw@t-online.de<br />

Die Adressen der LEB-Mitglieder finden Sie unter:<br />

www.kultusministerium.baden-wuerttemberg.de/schulmagazin<br />

Die Mitglieder des 12. Landeselternbeirats<br />

5


6<br />

Bildungspolitik aktuell<br />

Wir hatten es anfangs nicht leicht,<br />

bei den »Normalzüglern« als ganz<br />

normale Mitschüler dazustehen.<br />

… Doch innerhalb von acht Jahren<br />

haben wir es geschafft, unsere Mit-<br />

schüler davon zu überzeugen, dass<br />

wir ganz normale Jugendliche sind,<br />

die genau wie andere auch auf<br />

Partys gehen oder irgendwelche<br />

Dummheiten machen und nicht<br />

etwa den ganzen Tag vor den<br />

Schulbüchern sitzen und Vokabeln<br />

wiederholen.<br />

Ute Kusch, Abiturientin Tulla-Gymnasium Rastatt<br />

Der Gesetzentwurf zum achtjährigen gymnasialen<br />

Bildungsgang wird nach der Sommerpause im<br />

Landtag beraten werden. Wesentliche Elemente<br />

sind:<br />

> Acht- und neunjähriger Bildungsgang<br />

bestehen als gleichberechtigte Bildungsangebote<br />

nebeneinander.<br />

> Die Entscheidung über den Bildungsgang<br />

liegt bei den Eltern.<br />

> Übergänge zwischen G8 und G9 sind möglich.<br />

> Bildungs- und Lehrpläne sowie die Abiturprüfung<br />

sind in beiden Zügen identisch.<br />

Acht Jahre<br />

Die ersten Abiturientinnen und Abiturienten des achtjährigen<br />

Bildungsganges haben ihre Abschlussprüfung absolviert. Zugleich ist<br />

ein Gesetzentwurf im Kabinett verabschiedet worden, der den achtjährigen<br />

gymnasialen Bildungsgang neben dem neunjährigen im<br />

Schulgesetz des Landes verankern soll. Und schließlich liegt ein neuer<br />

Zwischenbericht der wissenschaftlichen Begleituntersuchung vor.<br />

Grund genug, ein vorläufiges Resümee zu ziehen.<br />

Montagmorgen, kurz vor Unterrichtsbeginn<br />

im Wirtemberg-Gymnasium in<br />

Stuttgart-Untertürkheim. Den Schülerinnen<br />

und Schülern der Klasse 5c ist nicht<br />

anzusehen, dass sie besonders fleißig oder<br />

gar strebsam wären. Sie würden so etwas<br />

für eine Unterstellung halten und sich<br />

heftig dagegen wehren. Da wird getobt<br />

und gerauft, gelernt oder auch mal abgeschrieben<br />

wie in anderen Klassen auch.<br />

Die 5c ist eine Klasse mit achtjährigem<br />

Bildungsgang. G8 ist normaler Alltag.<br />

Die Unterschiede zwischen den beiden<br />

Bildungsgängen sind in der 5. Klasse gering<br />

- auch ein Wechsel zwischen G8 und<br />

G9 ist leicht möglich. Die Eingangsstufe<br />

dient als Orientierungsphase für Schülerinnen<br />

und Schüler, aber auch für Eltern<br />

und Lehrkräfte. Deshalb ist die Zusammenarbeit<br />

aller Beteiligten in dieser Phase<br />

von großer Bedeutung.<br />

In Klasse 6 wird’s ernst: Die zweite<br />

Fremdsprache beginnt ein Jahr früher als<br />

im neunjährigen Bildungsgang, auch andere<br />

Fächer starten schneller. Denn der<br />

Stoff der Jahrgangsstufe 6 wird bei G8 auf<br />

die Klassen 5 bis10 verteilt – das bedeutet<br />

pro Woche zwei Zusatzstunden. Dieses<br />

Konzept hat einen Vorteil: Da nach dem<br />

gleichen Plan wie beim neunjährigen Bildungsgang<br />

unterrichtet wird, kann bei<br />

drohender Nichtversetzung im achtjährigen<br />

auf die nächsthöhere Klasse im neunjährigen<br />

Bildungsgang gewechselt werden.<br />

Wem also das Tempo in G8 zu hoch ist,<br />

wechselt ohne Zeitverlust in den neunjährigen<br />

Bildungsgang.<br />

Nach der 10. Klasse besuchen die<br />

Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit<br />

Elftklässlern des neunjährigen Zuges die<br />

Oberstufe. Dieser Begegnung mit den<br />

»Größeren« sehen die Schülerinnen und<br />

Schüler manchmal mit ein wenig Skepsis<br />

entgegen, empfinden sie aber fast immer<br />

nach einiger Zeit als Bereicherung.<br />

Die wissenschafltiche Begleituntersuchung<br />

bestätigt die positiven Erfahrungen<br />

mit G8. Professor Dr. Kurt Heller<br />

vom Institut für Pädagogische Psychologie<br />

und Empirische Pädagogik an der Universität<br />

München untersucht in einer Langzeitstudie<br />

verschiedene G8-Jahrgänge im<br />

ganzen Land. Fazit: Überforderung ist<br />

kein <strong>Thema</strong>. Die Schülerinnen und Schüler<br />

sind hochmotiviert und bewältigen<br />

den Lernstoff ohne große Mühen. Prüfungsangst<br />

ist vergleichsweise gering ausgeprägt.


Vorwürfe, dass durch die Verkürzung<br />

der Schulzeit Stoff auf der Strecke bleibe,<br />

werden durch die Prüfungsergebnisse widerlegt.<br />

Die beiden letzten Schuljahre besuchen<br />

die G8ler zusammen mit den<br />

G9ern, schreiben dieselbe Abiturprüfung.<br />

Die Untersuchungen der ersten G8-Abiturergebnisse<br />

in diesem Jahr zeigen, dass<br />

die Schülerinnen und Schüler aus G8 sogar<br />

besser abschneiden als die Absolventen<br />

von G9.<br />

Die Leistungsanforderungen empfinden<br />

die Schülerinnen und Schüler aus beiden<br />

Bildungsgängen als nicht zu hoch, für<br />

G9 weist die Studie von Professor Heller<br />

sogar geringfügig höhere Werte aus – eine<br />

bemerkenswerte Feststellung. Schülerinnen<br />

und Schüler aus G9 haben beispielsweise<br />

eher das Gefühl, viele Hausaufgaben<br />

zu bekommen oder am Wochenende<br />

Schulstoff nacharbeiten zu müssen. Auch<br />

fürchten sie mehr als die Schülerinnen<br />

und Schüler aus G8, bei Krankheit den<br />

Anschluss zu verlieren.<br />

Lehrkräfte bestätigen, dass Schülerinnen<br />

und Schüler in G8 lernwillig sind und<br />

über Überforderung nicht klagen. Im<br />

Gegenteil, die Kinder wachsen mit den<br />

Herausforderungen, ihre Selbstsicherheit<br />

steigt.<br />

In den außerschulischen Aktivitäten<br />

stehen die G8-Schüler den G9-Schülern<br />

deshalb nicht nach; die erhöhten, aber subjektiv<br />

nicht wahrgenommenen Leistungsanforderungen<br />

führen nicht zu einem<br />

Rückgang außerschulischen Engagements.<br />

Auch die Eltern sind mit G8 zufrieden,<br />

allerdings werden größere Klassen gewünscht.<br />

Zu erklären ist das mit der Son-<br />

derstellung, die G8 lange Zeit hatte, und<br />

den naturgemäß kleinen Klassen der Erprobungsphase.<br />

Mit der Einführung als Regelangebot<br />

werden die G8-Klassen wachsen.<br />

Einig sind sich Eltern aus beiden<br />

Bildungsgängen in der Forderung nach<br />

verstärktem Einsatz neuer didaktischer<br />

und pädagogischer Methoden – eine Frage,<br />

die nicht G8-spezifisch ist, bei der aber<br />

gerade G8 besondere Chancen bietet.<br />

Neue Lehrmethoden sind in einer besonders<br />

motivierten Lernumgebung erfolgreicher.<br />

Die positiven Erfahrungen mit G8 legten<br />

den nächsten Schritt nahe: G8 wird<br />

zum Regelangebot. Schon in der Versuchsphase<br />

nahm die Zahl der teilnehmenden<br />

Schulen stetig zu. Waren es im<br />

Schuljahr 1997/98 16 öffentliche und<br />

zwei private Schulen, so konnten im<br />

Schuljahr 1998/99 schon 35 gezählt werden.<br />

Zum Schuljahr 1999/2000 wird an<br />

44 Standorten ein achtjähriger gymnasialer<br />

Zug geführt werden. Erstmals werden<br />

ein öffentliches und ein privates Gymnasium<br />

zwei G8-Züge parallel führen.<br />

Wenn im Herbst dieses Jahres nach<br />

acht Jahren Erprobungsphase der G8-<br />

Bildungsgang im Schulgesetz verankert<br />

wird, ist die Grundlage zur flächendeckenden<br />

Einführung eines weiteren Bildungsangebotes<br />

in der differenzierten badenwürttembergischen<br />

Schullandschaft gelegt.<br />

Künftig soll es jeder Schülerin und<br />

jedem Schüler möglich sein, in zumutbarer<br />

Entfernung vom Wohnort ein G8-<br />

Angebot wahrzunehmen.<br />

Carsten Rabe<br />

Gymnasien mit achtjährigem<br />

Bildungsgang<br />

Oberschulamt Stuttgart:<br />

Theodor-Heuss-Gymnasium Aalen<br />

Max-Born-Gymnasium Backnang<br />

Peutinger-Gymnasium Ellwangen<br />

Theodor-Heuss-Gymnasium Esslingen<br />

Hellenstein-Gymnasium Heidenheim/Brenz<br />

Robert-Mayer-Gymnasium Heilbronn<br />

Goethe-Gymnasium Ludwigsburg<br />

Albert-Schweitzer-Gymnasium Neckarsulm<br />

Hans-Baldung-Gymnasium Schwäbisch Gmünd<br />

Erasmus-Widmann-Gymnasium<br />

im Schulzentrum West, Schwäbisch Hall<br />

Stiftsgymnasium Sindelfingen<br />

Königin-Katharina-Stift (Gymnasium) Stuttgart<br />

Friedrich-Eugens-Gymnasium Stuttgart<br />

Karls-Gymnasium Stuttgart<br />

Privates Gymnasium Merzschule Stuttgart<br />

Wirtemberg-Gymnasium Stuttgart<br />

Ferdinand-Porsche-Gymnasium Stuttgart<br />

Leibniz-Gymnasium Stuttgart<br />

Wilhelms-Gymnasium Stuttgart<br />

Friedrich-Abel-Gymnasium Vaihingen/Enz<br />

Oberschulamt Karlsruhe:<br />

Richard-Wagner-Gymnasium <strong>Baden</strong>-<strong>Baden</strong><br />

Hohenstaufen-Gymnasium Eberbach<br />

Kurfürst-Friedrich-Gymnasium Heidelberg<br />

Bunsen-Gymnasium Heidelberg<br />

Privates Gymnasium St. Raphael Heidelberg<br />

Karl-Friedrich-Gymnasium Mannheim<br />

Ganztagesgymnasium Osterburken<br />

Hebel-Gymnasium Pforzheim<br />

Tulla-Gymnasium Rastatt<br />

Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium Weinheim<br />

Oberschulamt Freiburg:<br />

Goethe-Gymnasium Freiburg<br />

Deutsch-Französisches Gymnasium Freiburg<br />

Marie-Curie-Gymnasium Kirchzarten<br />

Clara-Schumann-Gymnasium Lahr<br />

Hebel-Gymnasium Lörrach<br />

Oken-Gymnasium Offenburg<br />

Leibniz-Gymnasium Rottweil<br />

Kolleg St. Blasien<br />

Gymnasium am Romäusring<br />

Villingen-Schwenningen<br />

Hochrhein-Gymnasium Waldshut-Tiengen<br />

Oberschulamt Tübingen:<br />

Droste-Hülshoff-Gymnasium (ABG) Meersburg<br />

Friedrich-List-Gymnasium Reutlingen<br />

Wildermuth-Gymnasium Tübingen<br />

Gymnasium Ulm-Wiblingen<br />

7


8<br />

Bildungspolitik aktuell<br />

Neue Koalitionen<br />

zwischen Theorie und Praxis<br />

Die Reform der Gymnasiallehrerbildung<br />

in <strong>Baden</strong>-Württemberg<br />

aus der Sicht eines Bildungsforschers<br />

Schulmagazin: Künftig werden baden-württembergische<br />

Lehramtsstudierende im höheren Dienst nach dem Grundstudium<br />

in einem Praxissemester Erfahrungen der schulischen<br />

Wirklichkeit sammeln. Welche Rolle spielen solche Praxiserfahrungen<br />

Ihrer Meinung nach in der ersten Phase der Lehrerbildung?<br />

Fend: Grundsätzlich gilt, dass man praktische Handlungskompetenz<br />

nicht erwirbt, wenn man über eine Tätigkeit nur etwas<br />

liest oder zuschaut. Aus dem Studium eines Leitfadens, wie<br />

man Tennis spielen sollte, und vom Zuschauen bei Turnieren<br />

entsteht noch kein guter Tennisspieler. Gleichermaßen gilt aber,<br />

dass ohne Tennistheorie und ohne das scharfe Beobachtungsauge<br />

des Trainers sich Fehler verfestigen und keine gute Tenniskompetenz<br />

entsteht. Mit diesem Beispiel ist mir wichtig zu zeigen,<br />

dass die Forschung zum Aufbau komplexer Handlungskompetenzen<br />

längst über das häufig beobachtbare Ausspielen von<br />

Theorie und Praxis hinaus ist.<br />

Entscheidend ist die kluge Integration beider Bereiche. Dies<br />

bedeutet, dass die strikte Trennung, erst die Theorie und dann<br />

nur noch die Praxis, ungünstig ist.<br />

Wie umfangreich sollten Praktika sein – zeitlich, inhaltlich?<br />

Fend: Die Frage des Umfangs lässt sich nicht definitiv beantworten<br />

in dem Sinne: Vier Wochen sind unnütz und ein Jahr wäre<br />

zu lang. Entscheidend ist eine Gesamtkonzeption, die einen<br />

Aufbau in der Ausbildung erkennen lässt. Dazu zählt in einer ersten<br />

Phase die Möglichkeit, in praktischen Erfahrungen herauszufinden,<br />

ob man für den Lehrerberuf geeignet ist. Viel Unglück<br />

könnte verhindert werden, wenn Studenten frühzeitig erkennen<br />

könnten, dass ihnen der Lehrerberuf nicht liegt oder aber Freude<br />

macht. In einer zweiten Übungsphase muss es darum gehen, das<br />

Idealmuster guten Unterrichtens kennen zu lernen, um in einer<br />

dritten Phase zu üben, hohe Qualitätsstandards auch unter<br />

Alltagsansprüchen zu realisieren. Die »Neustruktur der Lehrerbildung«<br />

lässt eine solche begrüßenswerte Systematik erkennen.<br />

Eine andere Ebene berühren die praktischen Fragen der Umsetzung:<br />

der Dauer, der notwendigen Ressourcen, der Organisation.<br />

Viele Fragen wären hier zu stellen, die von den betroffenen<br />

Instanzen sicher auch vorgebracht werden. Wie können<br />

Schulen in Zeiten der Überlasten noch mit den Zusatzanforderungen<br />

der Praktikantenbetreuung fertig werden? Wie soll man<br />

Helmut Fend, geboren 1940 in Hohenems/<br />

Vorarlberg, ist seit 1987 Professor für Pädagogik<br />

an der Universität Zürich. Seit über dreißig<br />

Jahren widmet er sich insbesondere der pädagogischen<br />

Psychologie. Heute gilt er als einer<br />

der bedeutendsten Spezialisten für das <strong>Thema</strong><br />

»Schulqualität« im gesamten deutschen<br />

Sprachraum.<br />

an den Universitäten, an denen die Pädagogik ressourcenmäßig<br />

ein Jammerdasein fristet, hochwertige Forschung mit der nötigen<br />

Praktikumsvor- und -nachbereitung verbinden?<br />

Dazu müssen die besten Kenner der realen Situation Stellung<br />

nehmen. Sie werden sicher vorbringen, dass das Praktikum von<br />

Studenten organisierbar und finanzierbar sein muss. Vor allem<br />

stellt sich auch die Frage, wie Studenten, die sich im Studium<br />

stark wissenschaftlich orientieren (sicher nicht die schlechtesten),<br />

später auch noch in den Lehrerberuf einsteigen können, ohne ins<br />

fünfte Semester zurückkehren zu müssen.<br />

Ich habe immer betont, dass ein ganzes Praxissemester zwar<br />

sinnvoll ist, aber auch in Modulen von zweimal acht Wochen mit<br />

Nutzen – etwa durch den Vergleich von zwei Schulen – absolviert<br />

werden könnte. Auch der Quereinstieg nach Abschluss eines<br />

Studiums sollte mit bestimmten Auflagen möglich sein. In renommierten<br />

amerikanischen Privatschulen werden bevorzugt<br />

Lehrer eingestellt, die einen ungewöhnlichen Lebensweg haben:<br />

lange im Ausland waren, sich in schulfremden Gebieten ausgezeichnet<br />

haben, Kinder oder Jugendliche lange außerschulisch<br />

betreut haben usw.


Mit dem Modell Praxissemester<br />

und der geplanten berufsbegleitenden<br />

Fortbildung<br />

in der Berufseingangsphase Schule betreut werden«<br />

werden Schnittstellen geschaffen,<br />

an denen die Lehrer bildenden Institutionen: Hochschule,<br />

Seminar und Schule unmittelbar miteinander in Kontakt kommen<br />

können. Welche Vorteile sehen Sie darin für die einzelnen<br />

Institutionen, wo haben Sie Bedenken gegen eine institutionelle<br />

Zusammenarbeit?<br />

Fend: Die »Neustruktur« schafft erstmals einen organisatorischen<br />

Rahmen, um die beteiligten Instanzen zu einem Austausch<br />

und zu einem »Zusammenhandeln« zu bringen. Dieser hat bisher<br />

gefehlt, und dass er zustande kommt ist sehr begrüßenswert. Er<br />

wird aber auch zur Folge haben, dass die Rollen neu definiert<br />

werden. Im Kern halte ich eine Arbeitsteilung für richtig: Schule<br />

ist der Ort einer vorbildlichen Praxis, die Hochschule der Ort<br />

einer vorbildlichen Theorie und die Studienseminare sind die<br />

Experten der Verbindung beider Bereiche. Letzteren die organisatorische<br />

Federführung zu überantworten ist deshalb konsequent.<br />

Aus dieser Arbeitsteilung ergeben sich aber auch die<br />

Probleme. Sie sind einfach zu benennen: Eine gute Ausbildung<br />

ist beeinträchtigt, wenn Praktikanten mit einer »schlechten<br />

Praxis« in Kontakt kommen und an der Universität eine<br />

»schlechte Theorie« erfahren. Wie kann man beides verhindern?<br />

Meines Erachtens muss sehr sorgfältig überlegt werden, von<br />

wem Praktikanten in der Schule betreut werden. Es sollten die besten<br />

Lehrer sein, die dafür sowohl ausgebildet werden als auch berufliche<br />

Incentives erfahren. Wenn über die Einsparung eines<br />

halben Jahres bezahlter Referendarausbildung finanzielle<br />

Ressourcen frei werden sollten, müsste vor allem hier (neben dem<br />

Ausbau der Ressourcen an den<br />

Universitäten) investiert werden.<br />

Eine bessere Ausbildung ist nicht<br />

kostenneutral oder gar billiger<br />

zu haben als bisher.<br />

Ein Großteil der Zusammenarbeit<br />

wird auf die betreuenden<br />

Lehrer an den Schulen zukommen.<br />

Ihre Auswahl und die vor-<br />

»Sehr sorgfältig muss<br />

überlegt werden, von<br />

wem Praktikanten in der<br />

»Die ›bohrenden Fragen‹<br />

der aus der Praxis zurückkehrenden<br />

Studenten<br />

könnten an den Universitäten<br />

sehr hilfreich sein«<br />

gesehenen Incentives für ihr Engagement sind deshalb Kernstück<br />

für das praktische Gelingen der Reform. Wer schreibt die Praktikumsbeurteilungen?<br />

Wer gibt die Rückmeldungen über Unterrichtstätigkeiten?<br />

Wer hilft bei der Vorbereitung? All dies hätten<br />

die Mentoren zu leisten, die zu honorieren wären.<br />

Ist es denkbar, dass die Hochschulen die Schulen auch als<br />

Gegenstand der Forschung wieder in den Blick nehmen? Welchen<br />

Stellenwert hat die Lehrerbildung nach Ihrer Meinung an<br />

den Hochschulen?<br />

Fend: Die Verzahnung von Praxis und Theorie wäre sicher<br />

auch für die Hochschule ein neuer Impuls, für den größten<br />

öffentlichen Verantwortungsbereich des Landes auch die nötige<br />

Forschung zu sichern. Die universitären erziehungswissenschaftlichen<br />

Ressourcen reichen kaum aus, um den internationalen Forschungsstand<br />

auch nur mitzuverfolgen, geschweige ihn mitzugestalten.<br />

Die Anbindung an die Praxis und die »bohrenden<br />

Fragen« der aus der Praxis zurückkehrenden Studenten könnten<br />

hier sehr hilfreich sein. Der universitäre Teil der Ausbildung<br />

bleibt jedoch nur dann gut, wenn er seine eigene Stärke mitpflegt:<br />

die bestmögliche Forschung im Rahmen der internationalen<br />

Wissenschaftsgemeinschaft zu betreiben.<br />

Mit der neuen Lehrerausbildungsstruktur wird auch künftig<br />

ein interdisziplinäres »ethisch-philosophisches Grundlagenstudium«<br />

abgeleistet, welches den Blick auf Fragen zur Ethik<br />

der Fächer wie des Lehrerberufs richten möchte. Welche Chancen<br />

sehen Sie darin für die Lehrerbildung?<br />

Fend: In Bezug auf die Ethik des Lehrerberufs sind ethischphilosophische<br />

Fragen sehr relevant. Jedes pädagogische Geschehen<br />

ist normativ mitbestimmt. Deshalb ist eine Schulung in den<br />

historischen und systematischen<br />

Grundlagen von Zielen<br />

und Normen der Pädagogik<br />

und deren Bedeutung für pädagogisches<br />

Handeln ein wesentlicher<br />

Teil der Ausbildung.<br />

Traditionellerweise ist dies aber<br />

integraler Bestandteil einer gutenerziehungswissenschaftli-<br />

»Die Reform wird dazu<br />

führen, dass sich Lehrerkollegien<br />

stärker als<br />

pädagogische Handlungseinheiten<br />

verstehen«<br />

chen Ausbildung. Meiner Ansicht nach sollte dies auch weiterhin<br />

so gehandhabt werden und nicht in philosophische Fachbereiche<br />

delegiert werden, die in der Regel ganz andere systematische<br />

Erkenntnisinteressen haben.<br />

Gerade Lehrerinnen und Lehrer sollten ihren Schülern selbst<br />

Vorbilder für »lebenslanges Lernen« sein. Welche Konsequenzen<br />

leiten Sie für die Lehrerfortbildung und -weiterbildung daraus<br />

ab?<br />

Fend: Eine auffallende Stärke des neuen Konzeptes der Lehrerausbildung<br />

für die Gymnasien liegt darin, dass auch die<br />

Begleitung während der ersten Berufsphase systematisch mitgedacht<br />

wird und so insgesamt von reflexiv begleiteter Aus- und<br />

Fortbildung ausgegangen wird. Dies erhöht die Chancen, dass<br />

sich professionelle Haltungen auch unter den Bedingungen der<br />

Alltagspraxis bewähren können. Die Einführung in reflektierte<br />

Praxis wird meiner Einschätzung nach dazu führen, dass sich<br />

Lehrerkollegien stärker als pädagogische Handlungseinheiten<br />

verstehen und gemeinsam ihre Lernprozesse organisieren. Die<br />

Erziehungswissenschaft wird als externe Ressource dabei sicher in<br />

starkem Maße nachgefragt werden.<br />

So könnte die jetzige Reform der Lehrerbildung in einer historischen<br />

Phase, in der ein Großteil der Lehrerschaft ausgetauscht<br />

werden wird, auf vielfache Weise produktiv werden. Ob<br />

dies der Fall ist, wird von den Ressourcen, den Konkretisierungsformen<br />

und auch den inhaltlichen Konzepten von Ausbildung<br />

und Lehrerkultur abhängen. Interview: Severin Stief<br />

Eine Langfassung des Interviews, weitere<br />

Informationen über Helmut Fend und zur Reform<br />

der Gymnasiallehrerbildung finden Sie unter<br />

www.kultusministerium.baden-wuerttemberg.de/<br />

schulmagazin<br />

9


10<br />

Bildungspolitik aktuell<br />

Moderner Unterricht braucht<br />

moderne Leistungsbeurteilung<br />

Ein Projekt der Forschungsstelle für<br />

Schulpädagogik der Universität Tübingen<br />

In der Schulpädagogik<br />

wenig beachtet<br />

1 | Ingenkamp, K. (Hrsg.):<br />

Die Fragwürdigkeit der Zensurengebung.<br />

Weinheim und Basel.<br />

9. Auflage 1995<br />

2 | Vgl. z. B. die Serie »Leistung<br />

ermitteln und bewerten« in der<br />

Zeitschrift »Pädagogik«,<br />

insbesondere den Beitrag von<br />

Lütgert, W.: Leistungsrückmeldung,<br />

in Heft 3/1999,<br />

S. 46 – 50<br />

3 | Vgl. z. B. Klippert, H.: Team-<br />

entwicklung im Klassenraum.<br />

Weinheim 1998, S. 16. Klippert<br />

beschreibt allerdings einen eng<br />

auf den Erwerb von<br />

Schlüsselqualifikationen ausgerichteten<br />

Lernbegriff.<br />

Nicht mehr, sondern<br />

anders prüfen<br />

Neue Formen der Leistungsbeurteilung überprüfen nicht nur fachlich-inhaltliches, also »stoffliches«<br />

Wissen, sondern auch spezifische Kompetenzen eines erweiterten Lernbegriffs. Dazu zählt<br />

zum Beispiel die Beurteilung von Methodenkompetenz, Kommunikationskompetenz und Präsentationskompetenz;<br />

dazu zählt auch die Beurteilung von offenen Unterrichtsformen wie Projektunterricht,<br />

Freiarbeit oder Wochenplanung.<br />

In der schulpädagogischen Diskussion sind Beurteilungsformen an Sekundarstufen nach obiger<br />

Definition lange Zeit nicht beachtet worden. Die <strong>Thema</strong>tik »Leistungsbeurteilung« schien ein weitgehend<br />

abgeklärtes Feld zu sein. Hierfür seien einige Gründe genannt:<br />

> Mit einer veränderten Beurteilung setzen sich fast ausschließlich Alternativschulen im Kontext<br />

von »Schule ohne Noten« auseinander. An staatlichen Sekundarschulen vollzog sich nur<br />

zögernd eine Veränderung, vornehmlich in Richtung verbaler Beurteilungen, die jedoch die<br />

Beurteilungspraxis lediglich ergänzen und für die schulische Laufbahn von Schülern und<br />

Schülerinnen weitgehend folgenlos bleiben sollten.<br />

> Die zum Teil heftige Kritik an der Zensurengebung, die vor allem von Ingenkamp 1 deutlich<br />

formuliert wurde, hatte keine praktischen Auswirkungen auf die schulische Beurteilungspraxis.<br />

Diese setzte sich unverändert fort.<br />

> Im Kontext von offenem Unterricht war es bis in die neunziger Jahre hinein geradezu tabuisiert,<br />

Leistungsbeurteilung zu thematisieren: Eine offene Unterrichtspraxis wollte schulintern ein<br />

deutliches Gegengewicht zum traditionellen Unterricht und dessen Leistungsdruck bilden. Dies<br />

hatte erziehungswissenschaftlich eine deutliche Trennung zur Folge: Wer sich zu offenem Unterricht<br />

äußerte, hatte kein Interesse an der Leistungsbeurteilung. Wer sich zur Leistungsbeurteilung<br />

äußerte, bezog diese auf den traditionellen Unterricht.<br />

In jüngster Zeit ist eine deutliche Änderung festzustellen 2: Es werden vielfältigere Unterrichtsmethoden<br />

praktiziert; vor allem zählen unterschiedliche Formen des offenen Unterrichts zunehmend<br />

zum Unterrichtsalltag – auch an den baden-württembergischen Sekundarschulen.<br />

Allerdings vollzieht sich diese Entwicklung schleppend. Zudem tauchen erhebliche Differenzen innerhalb<br />

des Kollegiums einer Schule und zwischen verschiedenen Schulen auf.<br />

Während sich also die Unterrichtskultur verändert, weist die Leistungsbeurteilung einen engen<br />

und zurückgebliebenen Charakter auf: die traditionelle Leistungsbeurteilung vermag über die oben<br />

genannten spezifischen Kompetenzen keine Auskunft zu geben. Mit ihr vermögen Lehrkräfte einzig<br />

das fachlich-inhaltliche Wissen zu überprüfen. Es wird methodisch vielfältig unterrichtet, jedoch<br />

einseitig beurteilt.<br />

Neue Formen der Leistungsbeurteilung sind vor allem für diejenigen Lehrkräfte interessant, deren<br />

Unterricht auf den Erwerb vielfältiger Kompetenzen im Sinne eines erweiterten Lernbegriffs 3 ausgelegt<br />

ist. Damit können sowohl der Unterricht als auch die dabei vermittelten Kompetenzen aufgewertet<br />

werden. Die Zielsetzung innerhalb der schulischen Praxis und in der Lehrerbildung liegt<br />

also darin, die Unterrichtsvielfalt um eine Beurteilungsvielfalt zu ergänzen: Zu einer methodischen<br />

Vielfalt des Unterrichts gehört ein ebenso vielfältiges Beurteilungsrepertoire.<br />

Die Entscheidung, welche Unterrichtsmethodik und welche Beurteilungsform sie einsetzen,<br />

liegt bei den Lehrerinnen und Lehrern. Sie haben die Möglichkeit zu bestimmen, ob sie Kompetenzen,<br />

die etwa innerhalb der Freiarbeit erworben werden, mit einem angemessenen Instrumentarium<br />

überprüfen wollen. Eine damit zusammenhängende weitergehende Zielsetzung besteht im Übrigen<br />

darin, im Kontext von Schulentwicklung eine Profilbildung anzustreben, die ein unterrichtliches<br />

Profil definiert, zu welchem auch angemessene Beurteilungsmöglichkeiten gehören.<br />

Bevor neue Formen der Leistungsbeurteilung realisiert werden, sind einige Prämissen notwendig:<br />

Die Anwendung neuer Formen der Leistungsbeurteilung soll nicht zu noch mehr Überprüfungsmomenten<br />

im Unterrichtsalltag führen. Ebenso wenig wollen wir damit eine wichtige Zielsetzung<br />

offener Unterrichtsformen, die Lernbereitschaft ohne Beurteilungsdruck, gefährden. Vielmehr<br />

sollen damit engagierte Lehrerinnen und Lehrer ein erweitertes Beurteilungsrepertoire erhalten,<br />

welches sie nach ihrer Verantwortung und je nach Bedarf der Lerngruppe anwenden können.


Hans-Ulrich Grunder Thorsten Bohl Karin Elert<br />

Die Anwendung neuer Formen der Leistungsbeurteilung setzt eine entsprechende Unterrichtsgestaltung<br />

voraus. Erst wenn die Schülerinnen und Schüler auf die später überprüften Kompetenzen<br />

vorbereitet worden sind und ausreichend Gelegenheit hatten, sie einzuüben, kann es zur Beurteilung<br />

kommen. Dies bedingt eine differenzierte Unterrichtsgestaltung, da alle Schülerinnen und<br />

Schüler Gelegenheit erhalten müssen, alle geforderten Beurteilungskriterien zu erfüllen.<br />

Hinzu kommt ein hohes Maß an Transparenz: Schüler und Schülerinnen sollten über das Verfahren<br />

der Beurteilung genau informiert sein und an der Diskussion und Erstellung der Beurteilungskriterien<br />

teilnehmen können.<br />

Die Einführung neuer Formen der Leistungsbeurteilung bedeutet nicht, dass Klassenarbeiten<br />

abgeschafft werden. Allerdings kann es sich als sinnvoll erweisen, im Laufe des Schuljahres eine oder<br />

zwei Klassenarbeiten durch eine neue Beurteilungsform zu ersetzen. (Die entsprechenden rechtlichen<br />

Veränderungen für Realschule und Gymnasium werden derzeit vorbereitet.) Nur so erhalten<br />

diese Beurteilungsformen und damit auch die angestrebten Kompetenzen einen wirklich ernsthaften<br />

Charakter. Dies kann sich für die Lehrkräfte wie für die Schüler und Schülerinnen als entlastend<br />

erweisen.<br />

Neue Formen der Leistungsbeurteilung erfüllen in hohem Maße eine pädagogische Funktion.<br />

Sie enthalten die Chance einer differenzierten Rückmeldung für Lehrer und Schüler gleichermaßen.<br />

Bezüglich ihrer inneren Struktur sind diese Beurteilungsformen in der Regel komplex:<br />

Oftmals werden verschiedene Kompetenzen überprüft. Hinzu kommt die Möglichkeit einer<br />

zumindest punktuellen Prozessbeurteilung. Alle neuen (und traditionellen) Formen der Leistungsbeurteilung<br />

können im Übrigen mit einer Selbstbeurteilung gekoppelt werden: Schülerinnen und<br />

Schüler lernen dabei, sich selbst und ihre Mitschülerinnen und Mitschüler einzuschätzen.<br />

Unterschiede zwischen Selbst- und Fremdbeurteilung sind dabei keinesfalls hinderlich, sondern<br />

dürften eine gute Gesprächsgrundlage für eine Schärfung der je eigenen Wahrnehmung bieten.<br />

Ein für alle Schularten der Sekundarstufe noch nicht endgültig gelöstes Entwicklungsfeld stellt<br />

die Frage dar, wie neue Formen der Leistungsbeurteilung Prüfungen, Noten oder Zeugnisse bestimmen<br />

werden. Je stärker sie die Schullaufbahn und damit spätere Berufschancen beeinflussen<br />

werden, desto eher werden die dabei erworbenen Kompetenzen in der schulinternen und schulexternen<br />

Öffentlichkeit ernst genommen. Andererseits wird hiermit der Selektionscharakter der<br />

Beurteilung gestärkt, was wiederum der Maxime einer schülerorientierten und differenzierten<br />

Beurteilung im Sinn einer pädagogischen Rückmeldung widersprechen kann.<br />

Prof. Dr. Hans-Ulrich Grunder<br />

Dipl. Päd. Thorsten Bohl<br />

Karin Elert<br />

Das Kultusministerium hat die Autoren dieses Beitrags mit dem Forschungsprojekt »Neue Formen der<br />

Leistungsbeurteilung in den Sekundarstufen I und II« beauftragt. Am Projekt sind die folgenden Schulen<br />

aus der Region Tübingen beteiligt: Eduard-Spranger Hauptschule Reutlingen,Wilhelm-Hauff-Realschule<br />

Pfullingen, Eugen-Bolz-Gymnasium Rottenburg und das Berufliche Schulzentrum Reutlingen<br />

(Ernährungswissenschaftliches Gymnasium, Technisches Gymnasium).<br />

Informationen gibt Thorsten Bohl, Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Tübingen,<br />

Forschungsstelle für Schulpädagogik, Münzgasse 22-30, 72070 Tübingen,<br />

E-Mail: thorsten.bohl@uni-tuebingen.de<br />

Eine erweiterte Fassung des Textes sowie weitere Informationen zum <strong>Thema</strong> finden<br />

Sie unter: www.kultusministerium.baden-wuerttemberg.de/schulmagazin<br />

Klassenarbeiten werden<br />

nicht abgeschafft<br />

Wie sehen Zeugnisse<br />

künftig aus?<br />

11


12<br />

Schulpanorama<br />

Singing Glass: Basic vibration-mode<br />

12. Internationales Turnier junger Physiker in Wien<br />

Franziska, Jan und Thorsten<br />

holen Gold für <strong>Baden</strong>-Württemberg<br />

Beim Finale des 12. Internationalen Turniers junger<br />

Physiker (IYPT), das vom 24. bis zum 29. Mai 1999 in<br />

Wien stattfand, ging der Sieg an das deutsche<br />

Schülerteam. Die Wissenschaftler-Jury war prominent<br />

besetzt, die Konkurrenz unter 19 Mannschaften aus 17<br />

Nationen hart. Franziska Hausmann vom Hans-Thoma-<br />

Gymnasium Lörrach, Jan Theofel vom Gymnasium<br />

Unterrieden in Sindelfingen und Thorsten Zitterell vom<br />

Kreisgymnasium Riedlingen bildeten zusammen mit<br />

zwei Schülern aus Göttingen und Frankfurt/Oder das<br />

deutsche Team. »Nationaltrainer« waren die beiden<br />

baden-württembergischen Gymnasiallehrer<br />

Rudolf Lehn (Störck-Gymnasium Saulgau) und<br />

Bernd Kretschmer (Hans-Thoma-Gymnasium Lörrach).<br />

Der Erfolg beim Turnier junger Physiker<br />

steht und fällt mit der Präsentation<br />

in englischer Sprache. Dabei ist jedes Teammitglied<br />

gefordert: Experimente müssen<br />

in wenigen Minuten zum Laufen gebracht<br />

und einer aufmerksamen Jury sowie dem<br />

kritischen Opponenten möglichst eindrucksvoll<br />

vorgeführt werden. Außerdem<br />

müssen Computersimulationen zu theoretischen<br />

Modellen oder Videosequenzen<br />

zu umfangreichen Messungen eingespielt<br />

werden.<br />

Das deutsche Team erreichte nach einem<br />

schlechten Start durch eine von Wettkampf<br />

zu Wettkampf gesteigerte Mannschaftsleistung<br />

das Finale. Mit ihrem<br />

mitreißenden Report zum »Singing Glass«<br />

sicherte Franziska Hausmann dem deutschen<br />

Team im Finale schließlich den ersten<br />

Platz beim »12th International Young<br />

Physicists’ Tournament«.<br />

Im Gespräch mit dem Schulmagazin<br />

erläutern die drei baden-württembergischen<br />

»Physik-Weltmeister« und die betreuenden<br />

Lehrer den Verlauf und die<br />

Zielsetzungen des Turniers.<br />

Schulmagazin: Franziska, gegen welche<br />

Mannschaften musstet ihr im Verlauf<br />

des Turniers in Wien antreten?<br />

Franziska Hausmann: Es waren insgesamt<br />

19 Mannschaften, und ich beginne<br />

mal von hinten, vom Finale her: Da sind<br />

wir gegen Georgien und die erste österreichische<br />

Mannschaft angetreten. Kurz<br />

davor im Halbfinale gegen die Slowakei<br />

und gegen Polen und im Verlauf der Ausscheidungsrunden<br />

gegen ganz verschiedene<br />

Mannschaften: die erste russische<br />

Mannschaft aus Moskau, das zweite Team<br />

von Österreich, gegen USA, Ungarn und<br />

Australien.<br />

Thorsten, kannst du uns mal den Ablauf<br />

des Turniers etwas näher erläutern.<br />

Wie ging der Wettkampf vonstatten?<br />

Thorsten Zitterell: Das Verfahren ist<br />

recht kompliziert. Am Anfang gibt es erst<br />

einmal drei Ausscheidungswettkämpfe der<br />

19 Mannschaften. Die besten neun kommen<br />

dann weiter ins Halbfinale. Diese<br />

werden in drei Gruppen aufgeteilt. Die<br />

Gruppensieger bestreiten schließlich das<br />

Finale. In jeder Runde übernimmt eine<br />

Mannschaft die Funktion des Reporters,<br />

die zweite die des Opponenten, des<br />

Gegners, während die dritte Mannschaft<br />

die Rolle des Reviewers übernimmt. Der<br />

Reporter wird vom Opponenten zur<br />

Präsentation seiner Lösung zu einem der<br />

17 Probleme aufgefordert. Der Reporter<br />

hat fünf Minuten Vorbereitungszeit und<br />

Singing Glass: Vertical section<br />

dann zwölf Minuten für den Vortrag.<br />

Danach findet eine Diskussion statt zwischen<br />

Opponent und Reporter. Schließlich<br />

muss der Reviewer sein Urteil über<br />

die Leistung von Reporter und Opponent<br />

abgeben. Und dann kommt es zum Rollentausch:<br />

Jede Mannschaft muss in der<br />

Finalrunde abwechselnd einmal alle drei<br />

Funktionen innegehabt haben. Der<br />

Report und die anschließende Diskussionen<br />

werden auf Englisch durchgeführt.<br />

Herr Lehn, könnten Sie uns mal eines<br />

der typischen Probleme schildern, das die<br />

Mannschaften in Wien zu lösen hatten?<br />

Rudolf Lehn: Zum Beispiel hat im Finale<br />

Franziska das »Singende Glas« vorgestellt,<br />

eine Erscheinung, die ja eigentlich<br />

jeder kennt: Wenn man auf dem Rand eines<br />

Glases mit dem angefeuchteten Finger<br />

entlang fährt, entsteht ein schöner singender<br />

Ton. Das sollte man jetzt experimentell<br />

untersuchen, eine Theorie dazu entwickeln,<br />

dann die Theorie mit den Experimenten<br />

vergleichen, um schließlich zu sehen,<br />

wie weit Theorie und Experiment<br />

miteinander übereinstimmen. Diese Übereinstimmung<br />

zu zeigen ist Franziska und<br />

der Mannschaft in hervorragender Weise<br />

gelungen.<br />

Herr Kretschmer, was ist eigentlich<br />

das Besondere beim internationalen Turnier<br />

junger Physiker? Wie unterscheidet<br />

es sich von anderen Wettbewerben im<br />

Rahmen der Begabtenförderung?<br />

Bernd Kretschmer: Während bei den<br />

sehr viel bekannteren Wettbewerben wie<br />

den Physik- und Mathematik-Olympiaden<br />

oder auch beim Bundeswettbewerb<br />

Mathematik einzelne Schüler vorgedachte


Soeben zum Sieger des 12. IYPT gekürt. V.l.n.r.: Karsten Schnitter (Carl-Friedrich-Gauß-Gymnasium<br />

Frankfurt /Oder), Falk von Dinklage (Felix-Klein-Gymnasium Göttingen), Franziska Hausmann,<br />

Jan Theofel, Thorsten Zitterell<br />

Aufgaben lösen müssen, treten bei diesem<br />

Turnier die Schüler im Team auf und versuchen<br />

verschiedene Forschungsaufträge<br />

zu bewältigen. Die Kontrahenten sind also<br />

nicht Einzelne, sondern ganze Teams. Erst<br />

so wird es möglich, diese umfangreichen<br />

Probleme zu lösen. Natürlich ist auch der<br />

Aufgabentyp ein völlig anderer. Die Aufgaben<br />

bei den Bundeswettbewerben sind<br />

den Experten bekannt, während beim<br />

Turnier junger Physiker offene Aufgabenstellungen<br />

vorliegen, bei denen selbst der<br />

Aufgabensteller häufig nicht weiß, wie das<br />

Resultat aussieht. Es ist auch nicht immer<br />

bekannt, ob es überhaupt eine abgeschlossene<br />

Lösung gibt.<br />

Wie geht das? Haben Sie ein Beispiel?<br />

Bernd Kretschmer: Nehmen wir das<br />

»Singende Glas«, das Herr Lehn erwähnt<br />

hat. Es ist nicht klar, wie weit man gehen<br />

soll: Muss zum Beispiel die genaue Form<br />

des Glases berücksichtigt werden? Schrittweise<br />

versuchen die Schülerinnen und<br />

Schüler, das Problem zu entwickeln und<br />

dabei verschiedene Größen wie den Radius<br />

des Glases oder die Höhe der Flüssigkeit<br />

in das theoretische Modell mit einzubeziehen<br />

und mit den Experimenten zu<br />

vergleichen. In den nicht selten hitzigen<br />

Diskussionen zwischen Reporter und Opponent<br />

ist es interessant zu beobachten,<br />

welche Aspekte zum Beispiel der Opponent<br />

gerne noch gesehen hätte, die der Reporter<br />

als weniger bedeutend erachtet hat.<br />

Das Turnier vermittelt – über das<br />

Fachwissenschaftliche hinaus – Qualifi-<br />

kationen, die für das spätere Studium<br />

und den Beruf von großer Bedeutung<br />

sind. Franziska, du wirst im nächsten Jahr<br />

Abitur machen und dann auch mit einem<br />

naturwissenschaftlichen Studium<br />

beginnen. Was sind für dich wichtige<br />

Erfahrungen, die du aus dem Turnier mitnimmst?<br />

Franziska Hausmann: Ja ich denke,<br />

dass ich schon einiges mitnehme. Allein<br />

schon deshalb, weil man in der Schule immer<br />

schon fertige Aufgaben vorgesetzt bekommt.<br />

Es geht eigentlich immer darum,<br />

etwas nachzuvollziehen, was andere Leute<br />

einem vorgeben. Gerade beim Turnier<br />

junger Physiker lernt man, Lösungsideen<br />

zu entdecken und selbstständig zu bearbeiten.<br />

Also nicht nur vorgegebene Dinge<br />

zu konsumieren, wie man so schön sagt,<br />

sondern selber etwas zu entwickeln und<br />

dadurch zu lernen. Mir persönlich geht es<br />

zumindest immer so, dass mein Interesse<br />

dann immer stärker ist, als wenn man mir<br />

nur etwas vorsetzt. Ich setze mich lieber<br />

hin und schaue, womit hängt ein Problem<br />

zusammen, wovon könnte es abhängen,<br />

was lässt sich da noch untersuchen? Spannend<br />

finde ich auch die Verbindung zu<br />

anderen Themen, zu solchen des täglichen<br />

Lebens wie auch zu anderen naturwissenschaftlichen<br />

Fragestellungen und Bereichen.<br />

All dies wird bei diesem Turnier viel<br />

stärker betont als im Schulalltag. Das ist<br />

sicherlich für das spätere Studium hilfreich.<br />

Rudolf Lehn, Walter Kinkelin, Rudolf Kroboth<br />

Die Diskussion zwischen Reporter, Opponent und Reviewer zum Problem »Singing<br />

Glass« wurde von Franziska, Jan und Thorsten im Rahmen des Interviews spontan<br />

– und natürlich in der Turniersprache Englisch – nachgespielt. Nachzulesen ist diese<br />

Diskussion – ebenso eine Langfassung des Interviews einschließlich weiterer<br />

Informationen – im Internet unter<br />

www.kultusministerium.baden-wuerttemberg.de/schulmagazin<br />

International<br />

Young Physicist’s<br />

Tournament<br />

> Geschichte des IYPT:<br />

Der Turniergedanke wurde vor 20<br />

Jahren von Professoren der Moscow<br />

State University entwickelt. 1988 fand<br />

zum ersten Mal ein »Internationales<br />

Turnier junger Physiker« statt. 1998<br />

war <strong>Baden</strong>-Württemberg Gastgeber<br />

des 11. IYPT in Donaueschingen. Das<br />

13. IYPT wird im Jahr 2000 in Budapest<br />

stattfinden.<br />

> Auswahlverfahren:<br />

Grundsätzlich können alle Schülerinnen<br />

und Schüler an der Vorbereitung<br />

und den Auswahlverfahren zum IYPT<br />

teilnehmen. Die Turnier-Probleme werden<br />

etwa ab Oktober im Internet<br />

(www.mathematik.uni-ulm.de/phbf/<br />

iypt/iypt.html) veröffentlicht.<br />

Schülerinnen und Schüler, die brauchbare<br />

Lösungsideen einsenden, werden<br />

zu den Auswahlverfahren eingeladen.<br />

> Aufgabenstellungen beim 12. IYPT<br />

in Wien (Auswahl):<br />

Neben dem bereits genannten Problem<br />

»Singing Glass« ging es u. a. um<br />

folgende Aufgabenstellungen:<br />

Air Dryer During 4 minutes collect as<br />

much water as possible from the air in<br />

the room. The mass of the equipment<br />

must not exceed 1 kg. The water should<br />

be collected in a glass test tube,<br />

provided by the jury.<br />

Billard Before a snooker game starts,<br />

15 balls form an equilateral triangle on<br />

the table. Under what conditions will<br />

the impact of the white ball (16th ball)<br />

produce the largest disorder of the<br />

balls?<br />

Wheat Waves The wind blowing<br />

through a wheat field creates waves.<br />

Describe the mechanism of wave<br />

formation and discuss the parameters<br />

which determine the wavelength.<br />

Sound from Water When you heat<br />

water in a kettle you hear a sound<br />

from the kettle before the water starts<br />

to boil. Investigate and explain this<br />

phenomenon.<br />

13


14<br />

Schulpanorama<br />

Hauptschulpreis<br />

1999 Die Pestalozzi-Schule<br />

in Karlsruhe-Durlach<br />

wurde vom Bundespräsidenten ausgezeichnet<br />

Schöner als die 2000 DM Preisgeld war<br />

der Besuch der Durlacher Delegation bei<br />

Roman Herzog im Schloss Bellevue. Und<br />

wichtiger als der 5. Platz beim »Hauptschulpreis<br />

1999« ist die alltägliche pädagogische<br />

Leistung, die den Schülerinnen und<br />

Schülern der Pestalozzi-Schule im Rahmen<br />

des prämierten Projektes zugute kommt.<br />

Rektor Gerald Rieger stöhnt. »Wir<br />

kämpfen immer noch gegen den alten<br />

Ruf.« Da musste er gerade telefonisch einen<br />

Vater beruhigen, der seinen Jüngsten<br />

partout in einer anderen Schule anmelden<br />

wollte. Der Mann kommt jetzt zumindest<br />

einmal vorbei, um sich die Schule anzuschauen.<br />

Auch die Elternbeiratsvorsitzende<br />

Claudia Walter wollte damals ihren David<br />

eigentlich auf eine andere Schule schicken.<br />

Allerdings eher, um den Jungen mit seinen<br />

Freunden zusammenzulassen. Eine Informationsveranstaltung<br />

im Kindergarten<br />

hat die junge Mutter überzeugt: »Die<br />

Lehrerinnen und Lehrer sind total engagiert.«<br />

Zum nächsten Schuljahr wird auch<br />

Davids kleine Schwester eingeschult. Klar,<br />

dass auch Hanna auf die »Pesta« kommt.<br />

»Es geht hier nämlich um jedes einzelne<br />

Kind«, hat Claudia Walter festgestellt.<br />

»Und nicht allein um ein Klassenziel.«<br />

Rektor Gerald Rieger<br />

— | Trendwende<br />

Ein Viertel mit hohem Ausländeranteil,<br />

mit vielen von Arbeitslosigkeit betroffenen<br />

Familien. Als Gerald Rieger vor zehn<br />

Jahren als Rektor an die Pestalozzi-Schule<br />

kam, hatte die Welle der Gewalt auch diese<br />

Schule erreicht. Der Ruf war schlecht.<br />

Es häuften sich Anträge von Eltern, die ihre<br />

Kinder auf andere Schulen schicken<br />

wollten. Heute hat sich dieser Trend gedreht.<br />

Auch Beatrix Köhrer hat ihren Sohn<br />

Lukas ganz bewusst auf die Pestalozzi-<br />

Schule geschickt. Abgesehen vom pädagogischen<br />

Konzept, von dem sie begeistert<br />

ist: »Ich arbeite Teilzeit und da brauche ich<br />

eine Schule, in der ich das organisiert bekomme«,<br />

erklärt sie. Und ist froh, dass es<br />

eine sehr gute Kernzeitenbetreuung für<br />

ihren Jüngsten gibt.<br />

— | Schule ist Treffpunkt<br />

Kernzeitenbetreuung vormittags, ein<br />

Schülercafé, jeden Nachmittag Freizeitangebote<br />

und Arbeitsgemeinschaften: Schule<br />

ist mehr als nur Unterricht. Die 15-jährige<br />

Astrid schwärmt beispielsweise von dem<br />

Selbstverteidigungskurs für Mädchen, der<br />

nachmittags angeboten wird. Willi, 17<br />

Jahre alt, kommt regelmäßig zur Sport-<br />

AG. »Die Schule ist für uns auch nachmittags<br />

Treffpunkt«, sagt er. Viele Lehrerinnen<br />

und Lehrer engagieren sich nachmittags,<br />

eingebunden sind aber auch Vereine<br />

und das Jugendhaus.<br />

— | Schule braucht Partner<br />

1993 hatte Gerald Rieger erstmals zu<br />

einer Stadtteilkonferenz eingeladen und<br />

um Partner für die Kinder und Jugendlichen<br />

geworben. Im sozialen Bereich sind<br />

Rektor und Kollegium schon vorher aktiv<br />

geworden. »Es wurde uns damals bewusst,<br />

dass wir die Probleme alleine nicht bewältigen<br />

können«, erklärt Lehrerin Doris<br />

Sobiesiak. Die Schule hat sich Unterstüt-<br />

Am 12. März 1999 haben die Bundesvereinigung<br />

der Deutschen Arbeitgeberverbände<br />

(BDA) und das Kultusministerium<br />

eine gemeinsame Erklärung zur<br />

Hauptschulbildung verabschiedet.<br />

Darin empfiehlt die BDA allen Bundesländern,<br />

der Hauptschule den Stellenwert<br />

wie in <strong>Baden</strong>-Württemberg zu geben<br />

und vergleichbare Maßnahmen<br />

zur qualitativen Weiterentwicklung der<br />

Hauptschule einzuleiten.<br />

Die gemeinsame Erklärung kann angefordert<br />

werden beim Kultusministerium,<br />

Ref. IV/2, Postfach 10 34 42,<br />

70029 Stuttgart, im Internet unter<br />

www.kultusministerium.badenwuerttemberg.de/schulmagazin


zung von außen gesucht. Kontakte wurden<br />

geknüpft, zunächst zum Jugendhaus<br />

im Stadtteil und zum Sozialen Dienst, der<br />

übrigens heute regelmäßige Sprechstunden<br />

in der Schule hält. Die direkte Nähe<br />

von Hilfseinrichtungen tut gut, beide Seiten<br />

profitieren im Interesse der Schülerinnen<br />

und Schüler davon. »Der Soziale<br />

Dienst erfährt früher und sicherer von<br />

Problemen«, sagt Doris Sobiesiak. »Und<br />

wir können gemeinsam agieren. Und etwa<br />

eine Hausaufgabenbetreuung, den Besuch<br />

einer sozialtherapeutischen Tagesgruppe,<br />

eines sozialen Trainingskurses oder der<br />

Präventivgruppe – alles übrigens im vertrauten<br />

Schulmilieu – organisieren.«<br />

— | Basisarbeit in der <strong>Grundschule</strong><br />

Dass gerade in der Hauptschule die<br />

Probleme weniger fühlbar sind und nicht<br />

mehr so eskalieren, führt Doris Sobiesiak<br />

auf diese »Basisarbeit« in der <strong>Grundschule</strong><br />

zurück. In der die Lehrer allerdings vieles<br />

ausgleichen müssen: »Immer mehr Schüler<br />

sind unfähig, andere einzubeziehen,<br />

sich in einer Gemeinschaft einzufügen«,<br />

hat die Pädagogin festgestellt. Es wird –<br />

immer in Zusammenarbeit mit den Eltern<br />

– versucht, diese Defizite auszugleichen:<br />

in Kooperation mit der Förderschule und<br />

der Schule für Erziehungshilfe, mit der<br />

Erziehungsberatungsstelle, die regelmäßig<br />

Sprechstunden in der Schule hält, aber<br />

auch in speziellen Klassen für Kinder mit<br />

erhöhtem Erziehungsbedarf (E-Klasse). Für<br />

einen ihrer Schüler hat Heidi Pelizaeus beispielsweise<br />

über den Sozialen Dienst nachmittags<br />

den Besuch einer therapeutischen<br />

Tagesgruppe organisiert. Wenn ein ande-<br />

res Kind in der E-Klasse nicht zum täglichen<br />

gemeinsamen Frühstück beitragen<br />

kann, weil es von zu Hause nichts mitbekommt,<br />

ist es selbstverständlich, dass<br />

die Mitschüler teilen.<br />

— | Schule ist Sicherheit<br />

Mit dem Vermitteln sozialer Kompetenzen<br />

bereits in der <strong>Grundschule</strong> weniger<br />

Probleme in der Hauptschule? »Klar, Prügeleien<br />

gibt es ab und zu«, sagt Astrid.<br />

Und Julia erzählt, dass sie von einer Mitschülerin<br />

massiv beschimpft und bedroht<br />

wurde. Das Mädchen informierte die<br />

Klassenlehrerin. Und Emel, die Schulsprecherin.<br />

Zumindest eine Entschuldigung<br />

hat sie daraufhin erhalten. »Wir können<br />

die Situationen in den Familien nicht in<br />

Ordnung bringen«, sagt Gerald Rieger zu<br />

den in der Schule auftauchenden Problemen.<br />

»Aber wir können zumindest dafür<br />

sorgen, dass die Kinder ohne Angst und<br />

mit Freude in die Schule gehen.« In besagtem<br />

Fall hat er mit Wissen der Eltern den<br />

Sozialen Dienst informiert, weil er die familiären<br />

Schwierigkeiten der aggressiven<br />

Schülerin kennt. Konflikte und Probleme<br />

werden in der Pestalozzi-Schule sofort angesprochen,<br />

es wird versucht, sie zu lösen.<br />

»Die Schule ist für die Kinder ein Stück<br />

Sicherheit«, hat Rieger festgestellt. »Sie<br />

wissen, dass sie mit ihren Schwierigkeiten<br />

zu uns kommen können, und das entlastet<br />

sie. Sie müssen nichts vertuschen«, sagt<br />

Doris Sobiesiak. »Die Lehrer sind total<br />

gut hier«, drückt es Viktoria aus. Sie ist<br />

dieses Schuljahr erst auf die »Pesta« gewechselt.<br />

»Die Lehrer erklären viel, und<br />

man kann sich ihnen auch anvertrauen.«<br />

Was sie zudem positiv findet: »Hier gehen<br />

28 Nationen auf die Schule, und das geht<br />

gut.«<br />

An der »Pesta« sei egal, woher jemand<br />

stamme. »Er wird als Persönlichkeit gesehen<br />

und ernst genommen.« Diese Wertschätzung<br />

der Schüler – sie ist Gerald<br />

Rieger gerade in der Hauptschule sehr<br />

wichtig. Im Projekt »Guter Start in der<br />

Hauptschule« soll den Hauptschülern ganz<br />

bewusst gezeigt werden, dass Lehrer und<br />

Kooperationspartner für sie da sind, sich<br />

auch in der Freizeit um sie kümmern.<br />

»Wer in die Hauptschule kommt, hat oft<br />

das Gefühl, versagt, die Erwartungen der<br />

Eltern enttäuscht zu haben«, so der<br />

Rektor. Egal, ob Grund- oder Hauptschule:<br />

die Schüler sollen sie mit Freude<br />

besuchen. »Man lernt nur, wenn die pädagogische<br />

Liebe da ist zwischen Schüler<br />

und Lehrer«, sagt Rieger.<br />

— | Kooperation zahlt sich aus<br />

Mit ihrem Engagement und ihrem<br />

Angebot, mit der vielfältigen und vielschichtigen<br />

Kooperation, aber auch mit<br />

einem Vierteldeputat für Sozialarbeit und<br />

Sozialstunden ist die Pestalozzi-Schule inzwischen<br />

eine Modellschule. Rieger weiß<br />

jedoch, dass der Kampf um die besten<br />

Chancen für seine Schüler weitergeht. Im<br />

Herbst wird die neue Ganztagesgrundschule<br />

mit 22 Kindern in der ersten Klasse<br />

beginnen.<br />

Simone Gramalla, Journalistin, Karlsruhe<br />

Der bundesweit ausgeschriebene<br />

»Hauptschulpreis« wurde 1999 erstmals<br />

verliehen. Träger des Wettbewerbs<br />

ist die Initiative Hauptschule<br />

e.V., die von der Bundesvereinigung<br />

der Deutschen Arbeitgeberverbände,<br />

vom Deutschen Elternverein und vom<br />

Deutschen Lehrerverband zur Förderung<br />

innovativer Hauptschulkonzepte<br />

gegründet wurde. Die gemeinnützige<br />

Hertie-Stiftung fördert den<br />

»Hauptschulpreis«.<br />

Neben der Vielfalt des Schulprofils<br />

bewertete die Jury Leistungen wie<br />

etwa die Begegnung mit der Arbeitswelt,<br />

aber auch die Integration ausländischer<br />

Schüler oder Kooperation<br />

in der Jugendarbeit. Ein besonderes<br />

Kriterium: »die solide Alltagsarbeit in<br />

ungünstigem Umfeld«.<br />

15


16<br />

Schulpanorama<br />

Katharina<br />

»Mucopolysaccaridose«, eine Stoffwechselanomalie, sie<br />

verändert den Knochenbau, schwächt die Muskulatur, führt<br />

zu Hör- und Sehbehinderungen, grobmotorischen Störungen,<br />

eingeschränktem Tastsinn und so genanntem Zwergwuchs.<br />

Katharina ist zwölf Jahre alt und 90 Zentimeter groß. Sie hat<br />

»Mucopolysaccaridose«. Momentan ist die Sehbehinderung<br />

für sie die stärkste Einschränkung.<br />

»Katharina hat zwei Geschwister und lebt in einem sehr liebevollen<br />

Familienumfeld. Ihre Behinderung wird positiv angenommen<br />

und der Umgang damit ist sehr offen. Die ganze Familie<br />

wird von Verwandten und Freunden unterstützt«, das weiß Ute<br />

Hölscher, Sonderschullehrerin an der Beratungsstelle der Schule<br />

für Sehbehinderte in Waldkirch. Frau Hölscher kennt Katharina<br />

seit 1993. Ihre begleitende Beratung hat mitgeholfen, dass es mit<br />

dem Besuch der Hauptschule an ihrem Heimatort inzwischen<br />

gut klappt.<br />

Wie Katharina werden in <strong>Baden</strong>-Württemberg ca. 13.000<br />

Kinder und ihre Eltern sonderpädagogisch unterstützt und beraten.<br />

»Allein 600 Schülerinnen und Schüler mit einer Sehbehinderung<br />

gehen in eine allgemeine Schule. 400 sehbehinderte<br />

Kinder besuchen eine Sonderschule. Insgesamt sind es rund<br />

50.000 Schülerinnen und Schüler, die in Sonderschulen unterrichtet<br />

werden.« Sönke Asmussen, Fachreferent für Sonderpädagogik<br />

im Kultusministerium, kann die Statistik auswendig. »Aber<br />

Zahlen sagen nicht sehr viel. Jedes Kind ist anders. Die einen<br />

brauchen Sonderpädagogik in konzentrierter Form, bei den anderen<br />

ist die allgemeine Schule ein sehr guter Weg. Wir sorgen<br />

Miteinander und füreinander –<br />

nicht nur beim Klassenausflug<br />

für beide Förderwege und beide Förderwege sind denkbar. Welcher<br />

für das jeweilige Kind der Beste ist, kann nur im Einzelfall<br />

entschieden werden.«<br />

Für Katharina hat sich die Hauptschule am Wohnort als gute<br />

Wahl erwiesen. Dort besuchte sie auch den Regelkindergarten<br />

und die <strong>Grundschule</strong>.<br />

Im vierten Schuljahr musste gründlich abgewogen werden, ob<br />

Katharina in einer speziellen Schule für Sehbehinderte nicht besser<br />

gefördert werden könnte. Katharina versuchte es mit einer<br />

Probewoche in der Spezialschule und merkte schnell, dass sie den<br />

Anforderungen mit den täglichen Fahrzeiten nicht gewachsen<br />

war. Ihre Mutter wollte ihr das nicht zumuten: »Morgens um<br />

6.20 Uhr losfahren und nachmittags um 17 Uhr zurückkommen,<br />

das war für unsere Tochter eine zu lange Zeit.«<br />

Daher entschied sich die Familie für den Besuch der Hauptschule<br />

am Ort. Zum ersten Mal in Katharinas Integrationsgeschichte<br />

erlebte die Familie einen Einbruch: Sie erhielt eine<br />

Absage. Zu stark waren die Bedenken an der Schule, Katharinas<br />

Förderbedarf nicht entsprechen zu können.<br />

An dieser Stelle schaltete die Sonderschullehrerin die Arbeitsstelle<br />

Kooperation des Staatlichen Schulamtes Freiburg ein. Einzelgespräche<br />

mit den Eltern, der Schulleitung und den betroffenen<br />

Lehrern und Lehrerinnen führten weiter. Ängste und Zweifel<br />

wurden abgebaut. Gerold Diez, der als Lehrer damals neu an die<br />

Schule kam, hatte bereits positive Erfahrungen mit der Integration<br />

eines Kindes im Rollstuhl gesammelt. Er traute sich zu,<br />

Katharina in seine Klasse aufzunehmen.<br />

Im zweiten Anlauf also entschieden sich Katharina und alle<br />

Beteiligten für einen Versuch in der Hauptschule. Eventuell auftretende<br />

Schwierigkeiten sollten beobachtet und gemeinsam von<br />

der Beratungsstelle, weiteren Ansprechpartnern und den Eltern<br />

begleitet werden. Die Sonderschullehrerin stand bei Problemen<br />

als Ansprechpartnerin für Eltern und Lehrer zur Verfügung und<br />

Katharinas Lehrern wurden Fortbildungen ermöglicht.<br />

Um einen zielgleichen Unterricht zu gewährleisten, können<br />

generell auch außerschulische Hilfen in Anspruch genommen<br />

werden: Die Eltern beantragten zusätzliche »Eingliederungshilfe«<br />

nach dem Bundessozialhilfegesetz. Aus diesen Mitteln wurde ein


Zivildienstleistender finanziert, der Katharina bei der Bewältigung<br />

des Schulalltags praktisch unterstützt. Sehr hilfreich ist<br />

auch der Vorleseservice, der Schulbuchtexte und Bücher für die<br />

Freizeit professionell auf Hörkassetten spricht.<br />

Katharina wechselte mit einer Sehschärfe von zwanzig Prozent<br />

und eingeschränktem Kontrast- und Farbensehen in die Hauptschule.<br />

Ihre Sehkraft sank während der letzten beiden Jahre auf<br />

ein Prozent ab, was bedeutet, dass sie zurzeit nur noch »Orientierungssehen«<br />

hat. Daher benötigte sie etwa einen festen, 1,20<br />

Meter von der Tafel entfernten, auf ihre Größe angepassten Sitzplatz,<br />

eine eigene Beleuchtungseinrichtung am Tisch und eine<br />

gut ausgeleuchtete Tafel mit vergrößertem Tafelaufschrieb. »Wir<br />

haben medizinische und soziale Hintergründe im Vorfeld mit<br />

den Lehrkräften abgeklärt«, erläutert Ute Hölscher. »Methodischdidaktische<br />

Hinweise für den Unterricht wurden im Kollegium<br />

besprochen, wie etwa die Zeitzugaben, die Katharina beim Erfassen<br />

von Texten und bei der Orientierung auf dem Arbeitsblatt<br />

benötigt, oder kontrastreiches und vergrößertes Arbeitsmaterial,<br />

Verbalisieren des Tafelanschriebes, auch der Wechsel zwischen<br />

hohen und geringen Sehangeboten, um ihre Konzentrationsfähigkeit<br />

und Aufmerksamkeit zu erhalten. Ganz wichtig ist uns<br />

die Offenheit zwischen Katharina und ihren Mitschülern. Jederzeit<br />

soll ein Gespräch unter den Kindern über auftauchende Probleme<br />

zugelassen und so das Annehmen der Behinderung unterstützt<br />

werden.«<br />

Eine Unterrichtseinheit über Sehbehinderung lehrte Mitschülerinnen<br />

und Mitschüler, unterschiedliche Auswirkungen<br />

verschiedener Sehbehinderungen einzuschätzen. Die Sonderschullehrerin<br />

brachte »Simulationsbrillen« mit. So konnten alle<br />

erfahren, was es heißt, mit reduziertem Sehen zu leben und zu<br />

lernen. Alle durften verschiedene Hilfsmittel ausprobieren, damit<br />

sie als vertraute Medien in das Klassengeschehen mit einbezogen<br />

werden konnten. »Die anderen Kinder konnten sich ein bisschen<br />

in Katharina hineinversetzen.«<br />

»Dabei sein allein ist noch keine Integration«, meint Sönke<br />

Asmussen. Er weiß, wie sehr die Behinderung eines Mitschülers<br />

für die ganze Klasse – manchmal für die ganze Schule – zum<br />

<strong>Thema</strong> wird.<br />

Die Leiter des Erfolgs – auch<br />

Klettern ist möglich, wenn sich<br />

helfende Hände ausstrecken.<br />

»… alle sind sehr nett zu mir und<br />

ich möchte in keine andere Schule<br />

gehen«<br />

In Katharinas Klasse entwickelten sich Sensibilität und<br />

Hilfsbereitschaft. Mit ihren 90 Zentimetern Körpergröße wurde<br />

Katharina zum Bezugspunkt für manche innere und äußere<br />

Veränderung in ihrer Schule.<br />

Insbesondere in den ersten Unterrichtswochen gab es häufig<br />

Rückfragen der Kolleginnen und Kollegen an die Sonderschullehrerin.<br />

Das Interesse für sonderpädagogische Fragen wuchs von<br />

ganz allein. Da passierte schulinterne Fortbildung ohne großes<br />

Aufheben. Katharina hat das Kollegium in Bewegung gebracht.<br />

Die Skepsis ist nicht einfach verflogen, sie wurde aufgearbeitet.<br />

Wie gut, dass Katharina eine so starke Ausstrahlung hat. Bei manchen<br />

wurde aus Angst zuerst Interesse und dann Bewunderung.<br />

»In ihren Leistungen braucht sich Katharina nicht hinter den<br />

anderen zu verstecken«, meint ihr Lehrer. Vor kurzem war<br />

Katharina krank. »Wir hatten ein richtiges Vakuum in der<br />

Klasse«, berichtet Herr Diez. »Die Kinder haben sich große Sorgen<br />

gemacht, wie es mit Katharina weitergeht. Wir haben ihr geschrieben<br />

und sie im Krankenhaus besucht.«<br />

»Ich würde mich jederzeit wieder für unseren gemeinsamen<br />

Weg mit Katharina entscheiden«, lautet das Fazit des Klassenlehrers.<br />

Die Umstellung auf neue Unterrichtswege ist sicher nicht<br />

einfach. Aber die sozialen Aspekte, das, was auch die Mitschüler<br />

und Mitschülerinnen davon haben, wiegen das alles wieder auf.«<br />

»Wenn wir meine Tochter morgens zur Schule bringen, kommen<br />

die Kinder aus ihrer Klasse schon angelaufen, um ihr die<br />

Tasche zu tragen«, erzählt die Mutter. »Ich gehe gerne zur<br />

Schule«, ergänzt Katharina. »Mein Problem ist eben, dass ich<br />

nicht gut sehen kann. Blindenschrift kann ich nicht lernen, weil<br />

das mit meinen Fingern nicht geht. Am meisten Spaß machen<br />

mir Deutsch und Englisch. Die Kinder in der Klasse sind alle<br />

sehr nett zu mir und ich möchte in keine andere Schule gehen.«<br />

Johanna Lembens-Schiel unter Mitarbeit<br />

von Ute Hölscher und Gerold Diez<br />

Kontakt: Beratungsstelle für blinde und sehbehinderte Kinder und<br />

Jugendliche Waldkirch, Wisserswandstraße 50, 79183 Waldkirch,<br />

E-Mail: sehen@aol.com<br />

17


18<br />

Schulpanorama<br />

Kennst du das Land?<br />

wo die Citronen blühn,<br />

im dunklen Laub die<br />

Gold-Orangen glühn ...<br />

Chor-AG, Flöten-AG, Kunst-AG, Orff-AG, Theater-AG –<br />

das alles gibt es an der Hauptschule Karlsbad.<br />

»Wir wollen das auch öffentlich machen« – sagten<br />

sich die Kolleginnen und Kollegen. Ein Rahmenthema<br />

für eine große Präsentation war schnell gefunden:<br />

im Goethe-Jahr? – ein Goethe-Abend! Lehrerin Silvia<br />

Vondano brachte gute Erfahrungen mit Goethe-<br />

Aktivitäten aus einer Realschule mit. Sie wurde zur<br />

Initiatorin und Koordinatorin des Projektes in Karlsbad.<br />

Nach viel, viel Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern<br />

stand es dann so im Programm:<br />

Goethe einmal anders<br />

Goethe steht im Mittelpunkt eines kulturellen<br />

Abends, den die Hauptschule Karlsbad<br />

anlässlich des 250. Geburtstages des<br />

großen Dichters veranstaltet.<br />

Schülerinnen und Schüler aller Klassenstufen<br />

wirken dabei mit und stellen Goethe<br />

in ganz unterschiedlichem Lichte dar.<br />

Lassen Sie sich überraschen!<br />

»Unser Musik- und Festsaal war an dem<br />

Abend proppenvoll«, erzählt Rektor Volker<br />

Frey. »Das waren bestimmt 300 Leute.<br />

Auch in ihrer Freizeit haben Schüler und<br />

Lehrer unheimlich viel in den Abend investiert.«<br />

Silvia Vondano hat den Verlauf des<br />

Abends für das Schulmagazin beschrieben:<br />

»Durch das Programm führte ein<br />

Schüler als Moderator, der die einzelnen<br />

Programmpunkte geschickt miteinander<br />

verband. Auch Goethe selbst war anwesend<br />

und verfolgte bei einer Flasche Rotwein<br />

»vom Himmel« aus interessiert die<br />

Veranstaltung (Goethe: »Karl, komm her,<br />

das musst du auch sehen. Hier gibt es ein<br />

Fest zu meinem Geburtstag«.)<br />

Der erste Teil des Goethe-Abends zeigte<br />

Darbietungen rund um Goethes Ballade<br />

»Der Zauberlehrling«. Zehn Zauberlehrlinge,<br />

vier Besen und ein Hexenmeister<br />

spielten die Ballade fast klassisch. Immer<br />

wiederkehrende Textpassagen, wie z.B. die<br />

Zauberformeln, das geschäftige Treiben<br />

der Besen, das bedrohliche Anwachsen der<br />

Wassermenge sowie das majestätische Auf-<br />

Goethe in der Hauptschule<br />

treten des Hexenmeisters, wurden durch<br />

Orffsches Instrumentarium entsprechend<br />

herausgehoben.<br />

Dass ein ausgelernter Zauberlehrling<br />

sein Handwerk beherrscht, zeigten Schüler<br />

der 5. Klasse mit gekonnt dargebotenen<br />

Zaubertricks. Eine zweite Theatergruppe<br />

spielte anschließend eine moderne<br />

Fassung des Zauberlehrlings: die Azubis,<br />

die Auszubildenden. In vier von den<br />

Schülern selbst erarbeiteten Szenen, die jeweils<br />

in einer Kunstmaler-Werkstatt, einer<br />

Arztpraxis und einem Frisörsalon spielten,<br />

wurde gezeigt, was passiert, wenn der<br />

»Hexenmeister« – hier der Chef – sich<br />

»einmal wegbegibt«. Bei der vierten Szene<br />

– in der Computerfirma – ging es genau<br />

andersherum: Ein im Umgang mit dem<br />

Computer hilfloser Chef war hier auf die<br />

hervorragenden Kenntnisse seines Azubis<br />

angewiesen!<br />

Einen musikalischen Beitrag präsentierten<br />

die beiden siebten Klassen. Der Zauberlehrling-Musikmix<br />

war eine Parodie<br />

auf Goethes Zauberlehrling, bei der die<br />

Schüler sieben Strophen zu den verschie-


densten Musikstücken sprachen, sangen,<br />

tanzten, darstellten. Techno-Sound, die<br />

Arie der »Königin der Nacht«, den Popsong<br />

»Bailando«, Beethovens »Für Elise«,<br />

ein Jodellied von NDD (Neuer Deutscher<br />

Dancefloor), »Sabre Danse« von Khachaturian,<br />

die Nationalhymne – so vielfältig wie<br />

die Musikrichtungen, so originell waren<br />

auch die Jugendlichen in ihren Darbietungen<br />

und ihren Kostümen: schwarze<br />

»Trauerklöße«, Grazien in langen »Opern«-<br />

Abendkleidern, Russen in Stiefeln und Fellmützen,<br />

eine Gruppe im »Jodel-Outfit«.<br />

Der zweite Teil des Abends begann mit<br />

dem »Hexeneinmaleins« aus dem »Faust«.<br />

Der Chor stellte zwei musikalische Varianten<br />

des Textes vor, eine klassische und eine<br />

Rap-Version.<br />

»Goethe und die Frauen« oder »Goethe<br />

war auch nur ein Mann« war Ausgangspunkt<br />

und gleichzeitig Rahmen für eine<br />

sehr intensive Beschäftigung mit Goethe<br />

im 9. Schuljahr. Mit Hilfe von vorbereitetem<br />

Bildmaterial, Briefen, Textauszügen,<br />

Zeitungsberichten und gezielten Fragen<br />

untersuchten die Schülerinnen und Schüler<br />

in Kleingruppen je eine Beziehung zu<br />

einer Frau. Beginnend mit Käthchen<br />

Schönkopf, in die sich der 16-jährige<br />

Goethe verliebte, über Friederike Brion,<br />

Charlotte Buff, Lili Schönemann, Faustina<br />

Antonini, Charlotte von Stein, Marianne<br />

von Willemer bis hin zur 18-jährigen<br />

Ulrike von Levetzow, der Goethe im Alter<br />

von 74 Jahren noch einen Heiratsantrag<br />

machte.<br />

So vermittelte beispielsweise die Beziehung<br />

zu Friederike Brion ein Bild von<br />

Goethes Straßburger Studienzeit und förderte<br />

das Verständnis der damals entstandenen<br />

Liebesgedichte: Willkommen und<br />

Abschied und Heidenröslein. 3<br />

Dahin! Dahin<br />

Möcht’ ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn!<br />

Der Hexen-Rap<br />

Du musst verstehn!<br />

Aus Eins mach Zehn,<br />

Und Zwei lass gehn,<br />

Und drei mach gleich,<br />

So bist du reich.<br />

Verlier die Vier!<br />

Aus Fünf und Sechs,<br />

So sagt die Hex,<br />

Mach Sieben und Acht,<br />

So ist’s vollbracht:<br />

Und Neun ist Eins,<br />

Und Zehn ist keins.<br />

Das ist das Hexen-Einmaleins!<br />

… Und nun komm, du alter Besen!<br />

Nimm die schlechten Lumpenhüllen;<br />

Bist schon lange Knecht gewesen;<br />

Nun erfülle meinen Willen!<br />

Auf zwei Beinen stehe,<br />

Oben sei ein Kopf,<br />

Eile nun und gehe<br />

Mit dem Wassertopf!<br />

Walle! walle<br />

Manche Strecke,<br />

Dass, zum Zwecke,<br />

Wasser fließe,<br />

Und mit reichem, vollem Schwalle<br />

Zu dem Bade sich ergieße.<br />

…<br />

Ach da kommt der Meister!<br />

Herr, die Not ist groß!<br />

Die ich rief, die Geister,<br />

Werd ich nun nicht los.<br />

»In die Ecke,<br />

Besen! Besen!<br />

Seids gewesen.<br />

Denn als Geister<br />

Ruft euch nur, zu seinem Zwecke,<br />

Erst hervor der alte Meister.«<br />

19


20<br />

Schulpanorama<br />

Wandrers Nachtlied<br />

- bayrisch -<br />

Üba olle Gipfen iss staad.<br />

In olle Wipfen waht<br />

nur a Lüftal, so weich -<br />

Koa Vogal rührt si im Woid.<br />

Wart nur, boid<br />

bist aar a Leich.<br />

»Das hochberühmte, scheinbar simple und verständliche<br />

Gedicht gibt Rätsel auf. Probleme über<br />

Probleme...« Walter Jens über Wandrers Nachtlied<br />

Um die attraktive Faustina Antonini<br />

kennen zu lernen, mussten die Schülerinnen<br />

und Schüler mit Goethe nach Italien<br />

reisen. »Kennst du das Land? wo die<br />

Citronen blühn...« Die Dauer und Umstände<br />

einer Reise im 18. Jahrhundert, die<br />

Stationen der Reise, Goethes Liebe zu<br />

Rom gehörten ebenfalls zur Beschäftigung<br />

mit Faustina.<br />

Das alles und manches mehr wurde in<br />

einem Theaterstück verarbeitet: Vier<br />

Schülerinnen ließen das Leben Goethes<br />

unter dem Gesichtspunkt seiner Affären<br />

Revue passieren. – Goethe, der die Darbietung<br />

verfolgt, gibt dazu Kommentare<br />

aus seiner Erinnerung und möchte »die<br />

reizenden jungen Damen am Ende der<br />

Vorstellung gleich kennen lernen«.<br />

Eingehend befasste sich die Klasse 8<br />

mit dem Gedicht »Wandrers Nachtlied«,<br />

mit den Hintergründen seiner Entstehung,<br />

den Wandlungen, die diese Zeilen<br />

durch die zahlreichen Übersetzungen erfahren<br />

haben, aber auch mit den absichtlichen<br />

Umdichtungen, Parodien, die aus<br />

ihm hervorgegangen sind. Nach der Darbietung<br />

einer bayrischen Version entstand<br />

in der Klasse die Idee, das Gedicht in alle<br />

Sprachen zu übersetzen, die von Schülern<br />

an der Schule gesprochen werden. So wurde<br />

»Wandrers Nachtlied« ins Polnische,<br />

Albanische, Russische, Türkische, Bosnische,<br />

Italienische, Französische und Englische<br />

übertragen.<br />

Die japanische Übersetzung war eine<br />

Gemeinschaftsproduktion der Klasse. Bekannte<br />

japanische Wörter oder Silben<br />

wurden so zusammengesetzt, dass bei entsprechender<br />

Intonation eine »sehr japanisch<br />

anmutende Übersetzung« des Goethe-<br />

Gedichts entstand. Entsprechende Kleidung<br />

und Kopfbedeckungen sowie die<br />

Flagge des jeweiligen Landes vervollständigten<br />

die Darbietung: Ein Gedicht geht<br />

um die Welt.<br />

Insgesamt waren ca. 150 Schülerinnen<br />

und Schüler am Projekt beteiligt. Die<br />

Klassen 8 und 9 gestalteten Stellwände:<br />

Informationen in Wort und Bild zu<br />

Goethes Familie, Goethe in Weimar, Kleidermode<br />

zur Goethe-Zeit, Goethe und<br />

die Frauen, Goethe-Zeitleiste, Goethe zum<br />

Schmunzeln, Goethe in den Medien,<br />

Goethes Briefwechsel, Goethe-Quiz. Mehr<br />

als die Hälfte aller Schülerinnen und<br />

Schüler unserer Hauptschule nahm am<br />

Goethe-Quiz teil, bei dem es attraktive<br />

Preise zu gewinnen gab.<br />

Die klassen- und jahrgangsübergreifende<br />

Arbeit führte zu einer verstärkten<br />

Kommunikation und Kooperation sowohl<br />

der Schüler als auch der Lehrer, was letztlich<br />

die Atmosphäre des Schulalltags belebte<br />

und ein positives und offenes Klima<br />

schuf. Der Wunsch, eine gute Aufführung<br />

auf die Beine zu stellen, verband Schüler<br />

und Lehrer und setzte ein ungeahntes<br />

Potenzial frei, so dass letztlich – trotz aller<br />

Aufregungen und Strapazen – ein Konsens<br />

darüber entstand, dass ein solches Projekt<br />

– nach einer wohlverdienten Pause – erneut<br />

angegangen werden sollte.<br />

»Der Goethe-Abend wirkt über den<br />

Tag hinaus«, sagt Rektor Frey. »Die Eltern<br />

merken, was eine Hauptschule bieten<br />

kann. Wir hatten noch nie so einen starken<br />

Übergang aus der <strong>Grundschule</strong> zu<br />

uns wie dieses Jahr. Die Eltern ziehen jetzt<br />

auch besser mit, wenn es Versetzungen von<br />

der Realschule zu uns gibt. Die sehen halt,<br />

dass wir mit ihren Kindern was Gutes anfangen.«<br />

7


Goethe en miniature<br />

Beim 9. Landeswettbewerb »Deutsche Sprache und Literatur <strong>Baden</strong>-Württemberg« gab<br />

es anlässlich des Goethe-Jahres auch eine Goethe-Aufgabe. Das <strong>Thema</strong> Nummer 4 (von<br />

insgesamt 6) lautete: »Goethe en miniature: Begründen Sie sechs Motivvorschläge für<br />

einen Briefmarkensatz zum Goethejahr 1999«. Schülerinnen und Schüler der Oberstufe<br />

an den Gymnasien des Landes waren zur Teilnahme eingeladen. Der Preisträger Kai Martin<br />

Wiegandt vom Humboldt-Gymnasium in Ulm schlug unter anderem vor, eine Briefmarke<br />

als Hologramm zu gestalten. Dafür lieferte er folgende Begründung:<br />

Goethe im Hologramm:<br />

Januskopf /»Tot und lebendig«<br />

»Sieht man es aus etwas weiterer Entfernung,<br />

so erkennt man kaum mehr als<br />

ein paar schillernde Schlieren; erst aus der<br />

Nähe betrachtet zeichnen sich Linien und<br />

Konturen ab. Dreht man das Hologramm<br />

nun, so ergeben sich plötzlich ganz andere<br />

Formen. Es ist also möglich, zwei Figuren<br />

in einem Bild erscheinen zu lassen, wobei<br />

der Reiz darin liegt, dass stets eine von ihnen<br />

unsichtbar bleibt.<br />

Von links betrachtet zeigt die Marke einen<br />

Gipsabdruck von Goethes altem und<br />

etwas eingefallenen Gesicht. Eine Totenmaske:<br />

Starr, kalt und fahl gibt sie den<br />

Zustand des Toten wieder. Der Anblick<br />

hat nichts Schauerliches. Vielmehr liegt in<br />

ihm eine sanfte Ruhe, die Züge erzählen<br />

von einem erfüllten Leben. Wandert der<br />

Blick des Betrachters aber nach rechts,<br />

sieht ihm ein überaus vitaler Goethe entgegen.<br />

Goethe als Stürmer und Dränger,<br />

wie er, den Blick nach oben gerichtet, in<br />

die Ferne ruft. Seine Augen sind weit aufgerissen,<br />

und das Haar ist zerzaust, doch<br />

sieht man sofort, dass ihm nicht ein<br />

Schrecken, sondern eine frohe Überraschung<br />

in den jungen Gliedern steckt.<br />

Begründung<br />

Wenn im Jahre 1999 Goethes 250.<br />

Geburtstag gefeiert wird und man um die<br />

relative Lebenserwartung des Menschen<br />

weiß, dann ist klar, dass da ein Toter gefeiert<br />

wird. Der einzige Grund jedoch, einen<br />

Toten zu feiern, ist, dass es sich um einen<br />

äußerst lebendigen Toten handelt. Wäre<br />

dieser Goethe für unser heutiges Leben in<br />

all seinen Ausprägungen völlig belanglos,<br />

nun, man hätte ihn in seiner Gruft ruhen<br />

lassen, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.<br />

Dem ist aber nicht so. Goethe ist lebendig.<br />

Warum?<br />

Goethes Werke, allen voran »Faust«,<br />

werden in aller Welt gelesen. Sie gelten als<br />

Weltliteratur, sind teilweise Bestandteil<br />

schulischer Bildung und bereiten zahllosen<br />

Menschen auf dieser Erde Freude und<br />

so manches Glücksgefühl. Dies ist mit<br />

Abstand der wichtigste Punkt.<br />

›Goethe war gut‹, urteilt der ausgewiesene<br />

Literaturexperte Rudi Carell aus intimer<br />

Kenntnis des Gesamtwerks. Und präzisiert:<br />

›Mann, der konnte reimen!‹ –<br />

Mag sein. Viel wichtiger: Goethe geht gut.<br />

Die Verlage haben Goethe längst als Zugpferd<br />

für eine gewaltige Buchindustrie<br />

entdeckt. Da kommt ein 250. Geburtstag<br />

freilich gelegen...«<br />

Weitere Informationen zu<br />

diesem Wettbewerb des Kultusminsteriums<br />

unter:<br />

www.lbs.bw.schule.de/<br />

gymnasium<br />

Goethe en route<br />

Insgesamt 31.000 km legte Goethe<br />

bei seinen 40 großen Reisen zurück:<br />

dreimal ging es zum Beispiel in die<br />

Schweiz, zweimal nach Italien und<br />

sechzehnmal nach Böhmen. Die Tagesleistung<br />

einer Pferdekutsche betrug<br />

damals – bei 7 bis 12 km/h – maximal<br />

75 bis 100 km. – Auch solche Details<br />

über das Reisen zu Goethes Lebzeiten<br />

sind nachzulesen in »Unterwegs zu<br />

Goethe«, einem »literarischen Reiseführer«,<br />

den die Schülerinnen und<br />

Schüler des Grundkurses Deutsch am<br />

Rotteck-Gymnasium Freiburg als<br />

Beitrag zum Goethe-Jahr erarbeitet haben.<br />

Mit vielen nützlichen Tipps (z.B.<br />

Hinweise auf Jugendherbergen) und<br />

zahlreichen zeitgenössischen Abbildungen<br />

bietet der Reiseführer nicht<br />

nur eine gute Informationsgrundlage<br />

zur Vorbereitung von Klassen- und<br />

Studienfahrten, sondern auch eine<br />

verlässliche Einführung in Leben und<br />

Werk. Wer mit diesem Führer »Unterwegs<br />

zu Goethe« ist, kann an wichtigen<br />

Stationen informativen Halt machen:<br />

in seiner Vaterstadt Frankfurt am<br />

Main mit dem dortigen Geburtshaus,<br />

in Leipzig, wo Johann Wolfgang 1765<br />

das Jurastudium aufnahm, in Straßburg<br />

oder in Sesenheim, wo er sich in<br />

die Pfarrerstochter Frederike Brion<br />

verliebte. Natürlich gibt es auch eine<br />

ausführliche Routenbeschreibung<br />

durch Goethes (und Schillers) Weimar,<br />

außerdem eine Abhandlung über die<br />

erste Schweizreise von 1775 und eine<br />

kulturgeschichtliche Betrachtung zu<br />

Goethes Italien- und Romreise 1786.<br />

»Unterwegs zu Goethe« gibt es im<br />

Internet unter www.rg.fr.bw.schule.de<br />

21


22<br />

Schulpanorama<br />

Kelten im Internet<br />

Zu einem besonderen Unternehmen haben sich drei deutsche und<br />

eine französische Schule zusammengetan: Das »Heuneburgprojekt«<br />

realisierte eine ganze Reihe zukunftsorientierter Unterrichtsmethoden,<br />

darunter die praktische Arbeit vor Ort, die<br />

fächerübergreifende, projektorientierte Zusammenarbeit<br />

von Schulen, Museen und Wissenschaft im<br />

In- und Ausland, die Integration von Behinderten<br />

und nicht zuletzt die konsequente Nutzung des<br />

Internet für Kommunikation, Recherche und<br />

Präsentation.<br />

Auf der Heuneburg, einem Geländesporn über<br />

dem linken Donauufer, konnten umfangreiche<br />

Siedlungs- und Befestigungsspuren vom Ende der<br />

Jungsteinzeit (3. – 2. Jahrtausend v. Chr.) bis ins<br />

Hochmittelalter (11. – 12. Jahrhundert n. Chr.) nachgewiesen<br />

werden. Der Schwerpunkt der Besiedlung<br />

lag im 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. Während<br />

dieser Zeit bestand auf der Heuneburg eine befestigte<br />

Siedlung mit Bauten und Fundstücken,<br />

die außergewöhnlich und zum Teil sogar einzigartig<br />

sind. Eine nach südländischem Muster errichtete<br />

Befestigungsmauer aus luftgetrockneten<br />

Lehmziegeln, aber auch der Güteraustausch über<br />

weite Strecken – unter anderem mit den Mittelmeerländern<br />

– bezeugen die überregionale Bedeutung<br />

dieses Zentrums, das nicht nur die Burgsiedlung<br />

mit 3,3 Hektar Fläche umfasste, sondern<br />

auch noch eine unbefestigte Außensiedlung von<br />

etwa 20 Hektar. Die Heuneburg bietet einen beispielhaft<br />

vollständigen Überblick über die Entwicklung<br />

einer vorgeschichtlichen Siedlung. Im<br />

engeren Umkreis der Heuneburg sind außerdem<br />

zahlreiche Hügelgräber erhalten und teilweise<br />

ausgegraben. Die monumentale Erscheinung<br />

mancher Grabhügel, verbunden mit geradezu luxuriösen<br />

Grabausstattungen lassen auf eine herausragende<br />

und sozial differenzierte Bevölkerung<br />

schließen. Nach einem katastrophalen Brand,<br />

dem die frühkeltische Heuneburg zum Opfer gefallen<br />

ist, liegen die nächsten Bauspuren erst wieder<br />

aus nachchristlichen Perioden vor. Seit dem<br />

Beginn des Mittelalters wurde die Heuneburg<br />

noch dreimal mit jeweils eigenständigen Befestigungen<br />

umgeben. Verteidigungsmaßnahmen gegen<br />

die Ungarneinfälle (9./10. Jahrhundert) führten<br />

zur heutigen Erscheinungsform.<br />

http://www.dhm.de/museen/heuneburg/<br />

Mittelpunkt des Geschehens war die Heuneburg, ein keltischer Fürstensitz<br />

bei Hundersingen. Keltische Lebensformen erarbeiteten und erlebten die<br />

Schülerinnen und Schüler des Graf-Zeppelin-Gymnasiums Friedrichshafen<br />

(GZG), des Martin-Gerbert-Gymnasiums Horb (MGG) und der Tannenhagschule<br />

für Geistigbehinderte Friedrichshafen-Fischbach (THS) in enger<br />

Zusammenarbeit mit dem Freilichtmuseum Heuneburg. Das Lycée Châtillonsur-Seine<br />

(LCS) steuerte umfangreiche Informationen über das keltische<br />

Fürstengrab auf dem Mont Lassois nordwestlich von Châtillon-sur-Seine<br />

bei. Ziel war von Anfang an, ein Kapitel der Geschichte hautnah zu erleben,<br />

durch eigene Recherchen Einzelthemen zu erschließen, wissenschaftlich zu<br />

untermauern und in verschiedenen Medien zu präsentieren. Die Projekttage<br />

fanden vom 17. bis 21. Mai 1999 statt.<br />

Neben archäologischer Arbeit vor Ort widmeten sich die einzelnen<br />

Arbeitsgruppen unterschiedlichen Themen aus der keltischen Lebenswelt,<br />

etwa der keltischen Religion oder den Reisen eines Heunefürsten, bauten<br />

einen keltischen Rennofen zur Metallverarbeitung und studierten dessen<br />

chemische Prozesse. Wissenschaftliche Vorgehensweisen lernten die Schülerinnen<br />

und Schüler unter anderem mittels der C14-Methode und der Dendrochronologie<br />

kennen, die anhand der Muster der Jahresringe im Holz<br />

Altersbestimmungen vornehmen kann.<br />

Einer der Höhepunkte der Veranstaltung war das gemeinsame Zeltlager<br />

von THS und MGG auf der Heuneburg. Die Schülerinnen und Schüler der<br />

Tannenhagschule für Geistigbehinderte bauten mit Hilfe eines Archäologen<br />

einen Lehmbackofen. Wie die alten Kelten trugen sie den Lehm zusammen,<br />

bereiteten ihn auf und formten den Ofen. Ganz klar, dass am Ende die praktische<br />

Erprobung stand: selbst gebackene Brötchen waren die Belohnung für<br />

die Arbeit. Doch es gab noch mehr Aufgaben: Für die Befestigung der<br />

Schindeln des Wehrgangs auf der neu errichteten Lehmziegelmauer stellten<br />

die Schülerinnen und Schüler der THS Holznägel her. Und unter fachkundiger<br />

Leitung lernte man Bogenschießen. Für jede Arbeitsgruppe standen<br />

neben der begleitenden Lehrkraft ein oder zwei Fachberater zur Verfügung,


unter anderem vom Institut für Klassische Archäologie Tübingen, vom<br />

Landesdenkmalamt Tübingen, von der Universität Lyon, der Fachhochschule<br />

Aalen, dem Museum in Châtillon-sur-Seine und natürlich vom<br />

Heuneburgmuseum. War der direkte Kontakt nicht möglich, kommunizierte<br />

man via E-Mail oder Chat. Dafür hielt das Rathaus Hundersingen sechs<br />

PCs bereit, die auch ausgiebig für Recherchen im Internet genutzt wurden.<br />

Neben der praktischen Arbeit ist die Dokumentation wichtiger Teil eines<br />

jeden Projektes. Zwei Mediengruppen filmten und fotografierten, den<br />

Lokalzeitungen wurden mehrere Berichte geliefert. Hätte nicht plötzlich das<br />

Bodenseehochwasser die Nachrichten beherrscht und einige Artikel der<br />

Schülerinnen und Schüler kurzfristig wieder aus den Zeitungen verdrängt -<br />

dem Heuneburgprojekt wäre mit Sicherheit ein größeres Medienecho beschieden<br />

gewesen.<br />

Allerdings schufen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre eigenen<br />

Dokumentationen: im Internet. Die einzelnen Arbeitsgruppen stellen sich<br />

dort in Bild, Text und Ton vor. Zahlreiche Interviews mit Experten sind so<br />

am PC abzurufen. Dank zahlreicher Verweise lassen sich außerdem einzelne<br />

Fragestellungen über den Rahmen des Projekts hinaus verfolgen. Ein weiterer<br />

Klick – und man befindet sich im virtuellen Freilichtmuseum Heuneburg<br />

und bekommt einen Gesamtüberblick über die Heuneburg, wie ihn sonst<br />

nur größere Museumsführer bieten.<br />

Bei einem solch vielfältigen Projekt erstaunt es wenig, wenn nun auch<br />

schon eine Unterrichtseinheit Heuneburg für die <strong>Grundschule</strong> und Sekundarstufe<br />

I im Internet angeboten wird. Lehrkräfte können sich bei Lehrer online,<br />

einem Angebot von Schulen ans Netz e.V., mit entsprechenden Materialien<br />

versorgen.<br />

Die Ergebnisse, da sind sich die Organisatoren einig, sind denkbar positiv.<br />

Neben erfolgreicher Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Schularten<br />

und mehreren Institutionen können die Schülerinnen und Schüler eine<br />

ganze Reihe von Dokumentationen und einen sicheren Umgang mit dem<br />

Medium Computer vorweisen – und ganz nebenbei ergab sich, wie spannend<br />

Geschichte sein kann.<br />

Carsten Rabe<br />

Weitere Informationen finden Sie unter<br />

www.kultusministerium.baden-wuerttemberg.de/schulmagazin<br />

Das Heuneburgprojekt präsentiert sich unter<br />

www.gzg.fn.bw.schule.de/heunebg<br />

»Am Anfang war ich etwas skeptisch, ob<br />

die Kinder überhaupt für so weit entfernte<br />

Zeiten zu begeistern sind. Aber die Möglichkeit,<br />

Dinge praktisch auszuprobieren oder<br />

am Bau mitzuarbeiten, hat sie doch<br />

begeistert. Ich hoffe, dass sich dieses Konzept<br />

in Zukunft auch auf weitere Unterrichtsfächer<br />

ausdehnen lässt.«<br />

Sabine Hopert, Archäologin und Leiterin des<br />

Freilichtmuseums Heuneburg<br />

Unterrichtseinheit<br />

Heuneburg<br />

Die Unterrichtseinheit »Keltischer Fürstensitz<br />

Heuneburg /Keltenfürst von Hochdorf« arbeitet<br />

konsequent mit der Möglichkeit, über Internet<br />

Kontakt aufzunehmen zu Museumsfachleuten<br />

und Archäologen und setzt dabei auf die Aktualität<br />

des Internet, eine Aktualität, die im Buch so<br />

nicht gegeben ist. Die Schülerinnen und Schüler<br />

werden auf Probleme hingeführt, zu deren Beantwortung<br />

sie kompetente Hilfe von Museumsfachleuten<br />

und Archäologen brauchen. Insofern<br />

eignet sich die Unterrichtseinheit auch als kleine<br />

Einführung in die Archäologie. Bewusst wird viel<br />

mit Bildern gearbeitet, um auch jüngere Schüler<br />

im Rahmen des Sach- und Heimatkundeunterrichts<br />

zu beteiligen und die Anschaulichkeit zu<br />

erhöhen. Der Wahlbereich ist optional, erlaubt<br />

aber in besonderem Maße, das Kulturgefälle zwischen<br />

Mittelmeerraum und dem Raum nördlich<br />

der Alpen zu verdeutlichen und zu problematisieren.<br />

Insofern kann die Einheit zur Herausarbeitung<br />

eines größeren Zusammenhangs auch nach<br />

der Behandlung der Griechen (und nach einem<br />

Seitenblick auf die Etrusker?) vergleichend eingesetzt<br />

werden.<br />

Bei Lehrer online (http://lo.san-ev.de) zu finden<br />

unter: Unterricht/Unterrichtspraxis/Gesellschaft/<br />

Geschichte/Heuneburg<br />

23


Von »A«<br />

wie »aufregend« ...<br />

DUDEN<br />

Das Grundschulwörterbuch<br />

Für Kinder ab der 2. Klasse<br />

Richtiges Schreiben ist nicht leicht. Da hilft es, wenn<br />

man weiß, wo man nachschlagen kann.11500 Begriffe,<br />

die Kinder heute gebrauchen. Mit einer Vielzahl witziger<br />

Illustrationen, die oft zum Lachen und Um-die-Ecke-<br />

Denken einladen.<br />

• 224 Seiten. Kartoniert.<br />

• 18,90 DM; 138,– öS; 18.– sFr.<br />

• ISBN 3-411-06061-1<br />

Richtig schreiben<br />

will gelernt sein.<br />

... bis »Z«<br />

wie »Zeppelin«<br />

Duden. Auf ihn können Sie sich verlassen.


<strong>Thema</strong><br />

28 | Frühes Fremdsprachenlernen<br />

32 | Die familienfreundliche<br />

<strong>Grundschule</strong>:<br />

Beispiele –<br />

Perspektiven<br />

35 | Pro und Contra:<br />

Männer in die<br />

<strong>Grundschule</strong>!<br />

36 | Begabtenförderung<br />

38 | Computer<br />

40 | Service<br />

Früher mussten ungezogene<br />

Schüler in der Ecke<br />

stehen. Heutzutage wird<br />

gekuschelt – heißt es.<br />

Wie sieht die <strong>Grundschule</strong><br />

wirklich aus? Dürfen<br />

Kinder Kinder sein oder<br />

ist die Schultüte die<br />

letzte Kindheitsfreude?<br />

<strong>Grundschule</strong><br />

<strong>Grundschule</strong> heute:<br />

Kuschelecke oder<br />

Ende der Kindheit?<br />

»Geben Sie Ihrer Schule eine Note«,<br />

lautete ein Punkt der bundesweiten repräsentativen<br />

Lehrerbefragung des Bundesbildungsministeriums<br />

(1997). 59% der<br />

befragten Lehrerinnen und Lehrer weiterführender<br />

Schulen gaben ihrer Schule die<br />

Note »eins« oder »zwei«. Bei den Lehrkräften<br />

an <strong>Grundschule</strong>n waren es sogar noch<br />

mehr, nämlich 74%, die ihrer Schule ein<br />

»gut« oder »sehr gut« ausstellten. In der<br />

<strong>Grundschule</strong> ist der Umgang mit Noten<br />

eben ein anderer, mag man einwenden.<br />

Aber weitere Fragen zu Einzelthemen im<br />

Rahmen der Untersuchung belegen: Die<br />

Grundschul-Profis sehen ihre Schule und<br />

deren Output für die Schülerinnen und<br />

Schüler durchweg positiver als die Lehrenden<br />

an Schulen der Sekundarstufe. Und:<br />

79% der Lehrerinnen und Lehrer an weiterführenden<br />

Schulen würden diesen Beruf<br />

wieder ergreifen, wenn sie noch einmal<br />

zu entscheiden hätten, im Bereich der<br />

<strong>Grundschule</strong> sind es 85%.<br />

Die Welt der <strong>Grundschule</strong> scheint also<br />

noch ziemlich in Ordnung zu sein, jeden-<br />

Daniela Hauser (7 Jahre) aus Weil im Schönbuch<br />

falls aus Sicht derer, die sie von Berufs wegen<br />

verantworten. Wie passt das zusammen<br />

mit den vielen Befürchtungen von<br />

Eltern? Was Eltern bewegt, schlägt sich<br />

ebenfalls in harten Zahlen nieder: vor allem<br />

in hohen Zurückstellungsquoten bei<br />

der Einschulung. Viele Eltern wollen ihren<br />

Kindern die Schule noch für ein Jahr ersparen,<br />

fast so, als ginge es darum, das<br />

Ende ungetrübter Kindheit noch ein Jahr<br />

hinauszuschieben.<br />

Zwanzig Jahre hindurch wurde jedes<br />

zehnte schulpflichtige Kind nicht eingeschult.<br />

In <strong>Baden</strong>-Württemberg ist es gelungen,<br />

die Quote der zurückgestellten<br />

Erstklässler von 10,4% im Schuljahr<br />

1993/94 auf 6,2% im Schuljahr 1998/99<br />

zu senken. Die Zahl der vorzeitigen Einschulungen<br />

ist von damals 1,4% auf jetzt<br />

6,1% angestiegen. Damit ist das Verhältnis<br />

von vorzeitigen und verzögerten Einschulungen<br />

fast exakt ausgewogen.<br />

Hier kündigt sich ein Stimmungsumschwung<br />

an, der – wenn es nach den Planerinnen<br />

und Planern der zukünftigen<br />

25


26<br />

<strong>Thema</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

<strong>Grundschule</strong> geht – in den nächsten Jahren<br />

fortgesetzt werden soll. Denn es kommt<br />

ihnen nicht allein auf die verschiedenen<br />

Quoten bei der Einschulung an, die jetzt<br />

sehr gut aussehen. Es geht darum, wie<br />

<strong>Grundschule</strong> wahrgenommen wird – vor<br />

allem von den Eltern – und was sie für die<br />

Kinder leistet, wie gut es ihr also gelingt,<br />

auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen.<br />

Die Einschulungsquote ist dafür nur ein<br />

abstrakter Gradmesser, aber sie sagt etwas<br />

darüber aus, wie Eltern die Schule sehen.<br />

Ein wichtiger Faktor für den Stimmungsumschwung<br />

ist der breit angelegte<br />

Schulversuch »Schulanfang auf neuen Wegen«.<br />

– »Keine Insellösungen und keine<br />

Luxus-Ausstattungen«, das war ein wichtiges<br />

Motto für diesen Feldversuch, an dem<br />

derzeit gut 300 der insgesamt etwa 2.500<br />

<strong>Grundschule</strong>n in <strong>Baden</strong>-Württemberg teilnehmen.<br />

Im Jahr 2001 sollen es 500 sein.<br />

Die Größenordnungen und die auf lange<br />

Sicht geplante Mittelausstattung zeigen<br />

an, dass es kein Alibi-Versuch ist, sondern<br />

der Einstieg in einen grundlegenden und<br />

nachhaltigen Wandel der <strong>Grundschule</strong>:<br />

Veränderungen beim Schulanfang sind erst<br />

der Anfang für eine pädagogische Neuorientierung<br />

der <strong>Grundschule</strong>.<br />

Wer <strong>Grundschule</strong>n in den Dörfern<br />

und Städten unter die Lupe nimmt, der<br />

beobachtet so etwas wie den Pippi-Langstrumpf-Effekt:<br />

zumeist historische Gebäude,<br />

etwas einschüchternd, auch wenn<br />

die Türen nicht knarren wie in der »Villa<br />

Kunterbunt«. Altmodisch wirkt das Schulhaus<br />

von außen. Wer sich dann aber hineintraut,<br />

der erlebt die permanent-revolutionäre<br />

Art einer Pippi Langstrumpf, wie<br />

Astrid Lindgren sie erfunden hat. Dass<br />

Pippi mit den Schuhen auf dem Kopfkissen<br />

und dem Kopf unter der Decke<br />

schläft, ist noch das Geringste. Mit dem<br />

Streifzug durch die Abenteuerwelt ihrer<br />

Kinderheldin hat die schwedische Autorin<br />

auch ein Stück Frauenliteratur geschrieben:<br />

Was passiert, wenn ein Mädchen das<br />

tut, was es selber will? Für die <strong>Grundschule</strong><br />

und in Richtung Erwachsene gefragt:<br />

Was passiert, wenn ein berufliches<br />

Umfeld so nachhaltig von Frauen geprägt<br />

wird wie diese Schulart? – Aber nicht nur<br />

weibliche Phantasie hat die <strong>Grundschule</strong><br />

in den letzten Jahren verändert, sondern<br />

vor allem ein neues Verständnis pädagogischer<br />

Professionalität.<br />

Frauen prägen die <strong>Grundschule</strong>, aber<br />

es ist keine Überraschung: Die Schulleitung<br />

ist auch hier meistens in den Händen von<br />

Männern. Einer davon ist Heinz Jansen,<br />

seit 25 Jahren Lehrer, seit 17 Jahren Schulleiter<br />

an der Wolfbuschschule in Weilimdorf.<br />

Wenn er von seiner Schule spricht,<br />

die zweifellos als Vorzeigeschule gilt, dann<br />

scheint er auf kritische Einwände immer<br />

schon gefasst zu sein, er reagiert mit einem<br />

gewinnenden Lächeln und hat prompt ein<br />

gut formuliertes Argument parat, so als sei<br />

er diese Art des »Hinterfragens« schon<br />

lange gewöhnt. Er weiß seine Schule zu<br />

»verkaufen«. Das hat sicher zu den Erfolgen<br />

beigetragen, die sein Kollegium vorzeigen<br />

kann. Darauf legt er immer großen<br />

Wert, und man nimmt es ihm auch ab:<br />

»Das ist ja nicht mein Verdienst. Auf das<br />

Kollegium kommt es an. Das Zusammenspiel<br />

klappt eben.«<br />

Was das Kollegium der Wolfbuschschule<br />

auf die Beine gestellt hat, ist eine<br />

<strong>Grundschule</strong> mit besonderem Profil im<br />

Bereich Gesundheit und Bewegung.<br />

»Mein Sohn hat noch kein Sitzfleisch«,<br />

heißt ein Satz, der gelegentlich fällt, wenn<br />

Mütter ihr Unbehagen vor der Einschulung<br />

ansprechen. An dieser Stelle hat die<br />

Wolfbuschschule angesetzt: <strong>Grundschule</strong><br />

heißt nicht Stillsitzen. Lernen in den ersten<br />

Schuljahren heißt, Körper und Geist<br />

in Bewegung zu bringen, die Bewegungs-<br />

und Spielfreude von Kindern aufzugreifen<br />

und für die mentale Entwicklung zu nutzen.<br />

Eine bewegungsfreundliche Schule ist<br />

auch eine Schule, die bei den Eltern gut<br />

ankommt. Das ist die Schulentwicklungsgeschichte,<br />

die Heinz Jansen zu erzählen hat.<br />

»Kinder haben nicht mehr die Bewegungsräume<br />

wie früher. Sie werden bemuttert<br />

und ihre Körpererfahrung wird<br />

dabei eingeschränkt. Zum Beispiel werden<br />

immer mehr Kinder im Auto zur Schule<br />

gebracht. Da sitzen sie dann angeschnallt<br />

hinten drin«, sagt Jansen. »Wir könnten<br />

das hier ganz gut als drive-in organisieren,<br />

wo die Kinder in die Schule reingereicht<br />

werden, so lange Autoschlangen bilden<br />

sich inzwischen am Eingang zum Schulgelände.<br />

Oder wir haben Mütter, die ihrem<br />

Sohn den Ranzen am liebsten bis an die<br />

Schultür tragen würden.«<br />

Seit 1992 arbeitet das Kollegium der<br />

Wolfbuschschule an dem Projekt, körperliche<br />

Bewegung und ganzheitliches Lernen<br />

im Schulalltag fest zu verankern. Im<br />

Unterricht selbst, dann auch im Klassenraum<br />

bei Bewegungspausen und schließlich<br />

für Schülerinnen und Schüler mehrerer<br />

Klassen gemeinsam in der ganze Schule<br />

und auf dem Pausenhof, das sind die Zusammenhänge,<br />

für die jeweils eigene Bewegungskonzepte<br />

entwickelt worden sind.<br />

Stundenentwürfe entstanden, bei denen<br />

fachbezogene Bewegungselemente in den<br />

Deutsch-, Mathematik- sowie den Heimatund<br />

Sachunterricht eingebunden wurden:<br />

zum Beispiel darstellendes Spiel oder Messen<br />

mit selbstgewählten Maßeinheiten wie<br />

Schritt, Handspanne, Fuß, Sprung, schließlich<br />

Hör-, Tast-, Riech- und Sehspiele, um<br />

nur einiges zu nennen.<br />

Zu den kurzen Bewegungspausen im<br />

Klassenraum gehört immer wieder Musik


und die Hinführung zu bewussterer Körpererfahrung<br />

durch Atemübungen.<br />

Bei den klassenübergreifenden Angeboten,<br />

die in den rhythmisierten Vormittag<br />

der ganzen Schule eingepasst sind, wird<br />

jongliert, getanzt und nach Musik gemalt.<br />

Für die »Aktive Pause« wurden so genannte<br />

Spielsäcke angefertigt und mit allen<br />

möglichen, gar nicht so ungewöhnlichen<br />

Sachen gefüllt, deren Aufzählung<br />

schon anzeigt, zu welchen Bewegungen sie<br />

einladen: Schaumstoffbälle, Luftballons,<br />

Speckbretter, Ziehtaue, Murmeln, Jongliermaterialien,<br />

Sprungseile, Schwungseile,<br />

Kreisel, Markierungskegel, Rhythmikinstrumente,<br />

Reifen, Keulen, Bänder,<br />

Papprollen, Handpuppen.<br />

Es geht aber nicht nur um<br />

Bewegung und Gesundheit als<br />

zusätzliche Ziele der <strong>Grundschule</strong>.<br />

Körperliche Erfahrung<br />

eröffnet innerhalb des Unterrichts<br />

neue Lernwege, die zu<br />

den klassischen Lernzielen der<br />

<strong>Grundschule</strong> hinführen. Geistige<br />

Fähigkeiten sind nicht nur<br />

bei Kindern an physische Zustände<br />

und Prozesse gebunden.<br />

Verstehen und Ausdruck von<br />

Lerninhalten werden durch<br />

spielerische und sportliche<br />

Handlungsabläufe unterstützt.<br />

Dass eine positive Körpererfahrung zugleich<br />

den mentalen und sozialen Horizont<br />

erweitert, konnten auch die Wolfbusch-Eltern<br />

am eigenen Leib erleben.<br />

Die Rückenschule für Eltern in der Schule<br />

der Kinder war ein Beitrag zur Gesundheit<br />

der Familien und gelungene Verständigungsarbeit<br />

für das Projekt der bewegten<br />

Schule.<br />

Auch beim »Schulanfang auf neuen<br />

Wegen« geht die Wolfbuschschule in<br />

schnellen Schritten mit. »Anfangs wurde<br />

ich als Totengräber der Grundschulförderklasse<br />

angegriffen«, berichtet Heinz Jansen.<br />

Jetzt sind wesentliche Elemente der Grund-<br />

schulförderklasse in die Eingangsstufe integriert.<br />

Die Erzieherinnen bringen ihre<br />

Kompetenz in die Arbeit mit jedem Kind<br />

und in das kollegiale Gespräch über die<br />

Lernbiographie jedes Kindes ein. »Statt<br />

vierzig zurückgestellter Kinder haben wir<br />

jetzt noch drei, und im Kollegium ist die<br />

Zusammenarbeit gewachsen.«<br />

Und was hält Heinz Jansen von der<br />

Einrichtung Kuschelecke? »Ach, sie muss<br />

halt hygienisch sein. Sie gehört dazu, zum<br />

Lernambiente und zum Wohlbefinden.<br />

Kuschelecken sind notwendig zur Gliederung<br />

der Lernräume. Aber was damit<br />

manche Leute verbinden, geht an dem<br />

vorbei, was wir hier tun. Das ist eine Diskussion<br />

von vor zwanzig Jahren.« Ganz<br />

»Statt vierzig<br />

zurückgestellter<br />

Kinder haben wir<br />

jetzt noch drei,<br />

und im Kollegium<br />

ist die Zusammenarbeit<br />

gewachsen«<br />

Heinz Jansen<br />

nebenbei: Die Wolfbuschschule ist eine<br />

der wenigen <strong>Grundschule</strong>n in Deutschland<br />

mit einer bilingualen Klasse. Hier<br />

wird in Deutsch und in Italienisch unterrichtet.<br />

Das bilinguale Angebot ist eingebettet<br />

in ein europäisches Gesamtprofil<br />

der Schule. Dazu gehören Partnerschaften<br />

und gemeinsame Projekte – inklusive<br />

Schüleraustausch – mit Schulen aus Frankreich,<br />

Großbritannien, Italien, Dänemark<br />

und Norwegen. Das sind die Aktionen,<br />

für die Schulleiter Jansen jetzt Feuer und<br />

Flamme ist, dabei zieht es ihn schon weiter.<br />

Unser Gespräch findet statt, während<br />

er gerade seinen Schreibtisch in der Schule<br />

»<strong>Grundschule</strong> heißt nicht<br />

Stillsitzen. Lernen in<br />

den ersten Schuljahren<br />

heißt, Körper und Geist in<br />

Bewegung zu bringen«<br />

räumt, weil er jetzt – mit bald fünfzig<br />

Lebensjahren und gut fünfundzwanzig<br />

Jahren Berufserfahrung – ins Oberschulamt<br />

wechselt. »Jetzt bricht hier sicher alles<br />

zusammen und Sie werden ein Kultusbürokrat.«<br />

Die Bemerkung gleitet an ihm<br />

ab. »Sie haben Vorstellungen! Das ist etwas,<br />

das die Kolleginnen und Kollegen<br />

aufgebaut haben. Die bleiben doch hier<br />

und arbeiten weiter. Und im Oberschulamt<br />

sind auch Leute, die aus der Schule<br />

kommen. Vielleicht kann ich da was einbringen,<br />

neue Unterrichtsformen voranbringen.<br />

Personalentwicklung wird ein<br />

<strong>Thema</strong>. Eins ist ganz wichtig, und ich<br />

hoffe, dass ich das nie vergesse: Die Schulverwaltung<br />

soll die Schulleiter nicht zumüllen,<br />

sondern entlasten. Es<br />

gibt Leute, die werden mich<br />

dran erinnern.«<br />

Die Schultür. Heinz Jansen erinnert<br />

sich an den obligatorischen<br />

Fototermin vor den großen<br />

Ferien: »Der Pressefotograf<br />

wollte das typische Foto, wo<br />

die Kinder wie befreit und begeistert<br />

aus der Schultür in die<br />

Ferien stürmen. Er lag eine<br />

Zeit auf der Lauer. Es kam aber<br />

niemand raus, also kam er rein.<br />

Die Kinder hatten keine große<br />

Lust zu gehen und waren ganz<br />

froh, noch ein paar Minuten bleiben zu<br />

können. Wir haben das Foto dann hinbekommen:<br />

eben gestellt. Sie sind hinausgerannt,<br />

wie er sich das so vorstellte. Ein<br />

schönes Bild.«<br />

Georg Eickhoff<br />

Weitere Informationen zu »Schulanfang auf<br />

neuen Wegen« finden Sie unter www.<br />

kultusministerium.baden-wuerttemberg.de/<br />

schule/gs/schulanfang; zur Bewegungserziehung<br />

unter www.kultusministerium.<br />

baden-wuerttemberg. de/sport<br />

27


28<br />

<strong>Thema</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Schulmagazin: Herr Professor Bleyhl, Sie haben einmal geschrieben,<br />

die menschliche Sprache sei »in ihrer Vielschichtigkeit,<br />

Variabilität und Mischung von Systematik und Willkürlichkeit<br />

die komplexeste Erfindung des Menschen«. Wie kann es<br />

dann eigentlich sein, dass schon Kinder so blendend damit zurechtkommen?<br />

Bleyhl: Die Schwierigkeit der Sprache ist zu meistern. Mehrsprachige<br />

Kinder verkraften sogar die unterschiedliche Struktur<br />

verschiedener Sprachen. Das Geheimnis des Spracherwerbs ist so<br />

einfach wie kompliziert: Wir haben nämlich das komplexeste Gebilde<br />

der Erde in unserem Kopf, unser Gehirn.<br />

Aber von alleine geht nichts. Kinder lernen auch die eigene<br />

Sprache in kleinen Schritten.<br />

Bleyhl: Sie haben Recht. Nur geschieht dies nicht auf einem<br />

geraden Weg. Äußere Umstände können aber die Reihenfolge<br />

der Stationen beim Erlernen der Muttersprache nicht verändern.<br />

Der erste Schritt ist die Stabilisierung des gehörten Lautsystems.<br />

Innerhalb der ersten sechs Lebensmonate lernt der Säugling,<br />

Laute wieder zu erkennen.<br />

Nach der Senkung des Kehlkopfes folgt im zweiten Schritt die<br />

Herausbildung der motorischen Fähigkeit zur Lautäußerung,<br />

zunächst nur als Lallen. Immer im situativen Kontext baut das<br />

Kind dann drittens einen Grundwortschatz auf. Wenn dann eine<br />

kritische Masse an Wörtern zusammengekommen ist, fängt es<br />

an, syntaktische Strukturen, also einfache Sätze zu bilden.<br />

Es heißt, ab einer bestimmten Phase wächst dann nur noch<br />

der Wortschatz.<br />

Bleyhl: Das kann man im Prinzip so sagen, aber natürlich<br />

lernt man bei der Lautung, bei der Abwandlung von Wörtern –<br />

Fremdsprache<br />

Dr. Werner Bleyhl, Professor für englische Sprache und Literatur an der Pädagogischen<br />

Hochschule Ludwigsburg, hat sich als Fremdsprachendidaktiker mit Spracherwerb und<br />

Fremdsprachenlernen, aber auch mit den Ergebnissen der in diesem Bereich relevanten<br />

Gehirnforschung befasst. Das Schulmagazin befragte ihn zum kindlichen Spracherwerb<br />

und zum Fremdsprachenunterricht in der <strong>Grundschule</strong>.<br />

sprich: der Morphologie – und beim Satzbau noch dazu. Richtig<br />

ist auch: Die Grundlagen dafür werden äußerst früh in so genannten<br />

»sensiblen Phasen« gelegt.<br />

Kinder können in ihrer Sprache sehr früh Antworten auf<br />

komplizierte Fragen geben, die sie selbst so nicht stellen könnten.<br />

Ist das ein Indiz für das Wie des Sprachenlernens?<br />

Bleyhl: Wir verstehen eigentlich immer mehr, als wir selber sagen<br />

können. Das gilt für Kinder verstärkt. Dahinter steckt der<br />

entscheidende Trick der Evolution, dass nämlich das Sprach-<br />

Verstehen dem Sprach-Produzieren immer weit vorausgeht. Der<br />

relativ kleine Mond der Sprachproduktion ist stets von einem<br />

weit, weit größeren Hof des Sprachverstehens umgeben.<br />

Kann man diese Erkenntnisse auf das Fremdsprachenlernen<br />

übertragen?<br />

Bleyhl: Man kann dies insoweit, als die Erwerbs- und Verarbeitungsprinzipien<br />

der Muttersprache im Gehirn auch für die<br />

Zweitsprache und die Fremdsprachen gelten. Hörverstehen als<br />

Erstes ist unabdingbar. Sinnhaftigkeit der erlebten Sprache, nicht<br />

Bewusstmachung der Sprachform ist entscheidend.<br />

Was sind aus Sicht der Gehirnforschung die Faktoren für erfolgreiches<br />

Fremdsprachenlernen?<br />

Bleyhl: Die Voraussetzungen für erfolgreiches Fremdsprachenlernen<br />

sind optimales Alter, optimaler Input und optimale<br />

Orientierung am Lernenden. Beim Lernen werden Nervenverbindungen<br />

aufgebaut. Durch Gebrauch werden sie stabilisiert<br />

und bei Nichtgebrauch abgebaut. Was »sensible Phase« bedeutet,<br />

zeigt sich etwa darin, dass zum Beispiel die lautliche Prägung, die<br />

wir bis zur Pubertät erhalten haben, uns im Allgemeinen unser<br />

Leben über begleiten wird.


in der <strong>Grundschule</strong><br />

Der Vokabeltest bleibt tabu!<br />

Was verstehen Sie unter optimalem Input?<br />

Bleyhl: Gerade weil beim Fremdsprachenlernen nicht die<br />

Reichhaltigkeit der Spracherfahrung wie beim Muttersprachenerwerb<br />

gegeben ist, kommt es hier auf die Qualität an. Die Personen,<br />

die das Kind umgeben, stellen das Vorbild für die Sprache<br />

dar, die es sprechen wird. Die Qualität der Sprache des Lehrers,<br />

der Lehrerin bestimmt die Qualität der Sprache beim Kind.<br />

Und die optimale Orientierung am Lernenden?<br />

Bleyhl: Sie ist im natürlichen Spracherwerb in der Familie<br />

selbstverständlich. Das Kind vermag den Code der Sprache am<br />

leichtesten zu knacken, wenn Mutter und Kind sich einig sind,<br />

etwa durch Blickkontakt, wenn beide zum Beispiel demselben<br />

Gegenstand ihre Aufmerksamkeit zuwenden und wenn dann dieser<br />

Gegenstand sprachlich benannt wird.<br />

Das heißt aber doch, dass es dann in der Schulklasse schwierig<br />

wird, weil die Situation unübersichtlicher ist.<br />

Bleyhl: Mit diesem Problem fertig zu werden, ist die Aufgabe<br />

von Didaktik und Methodik, die Aufgabe von gutem Unterricht.<br />

Eine Fremdsprache in der <strong>Grundschule</strong> zu lehren, heißt auch anerkennen,<br />

dass jedes Kind sein eigenes Tempo hat, genau wie<br />

beim Lernen des Lesens und Schreibens. Der Versuchung, mittels<br />

des Lehrens von Grammatik hier nachhelfen zu wollen, muss widerstanden<br />

werden. Vermeintliche Hilfe würde sonst zur Behinderung<br />

des Lernens. Fremdsprachenlehren an der <strong>Grundschule</strong><br />

darf vor allem kein auf die <strong>Grundschule</strong> heruntertransformierter<br />

traditioneller Fremdsprachenunterricht sein.<br />

Was wären also die Merkmale für guten Fremdsprachenunterricht<br />

in der <strong>Grundschule</strong>?<br />

Bleyhl: Wir müssen sehr genau beachten, was ich eben als die<br />

evolutionsbedingte Verzögerung zwischen Verstehen und Sprechen<br />

beschrieben habe. Die Kinder brauchen Zeit zu verstehen,<br />

sonst sperren sie sich dem Selber-Sprechen. Es gibt da eine notwendige<br />

Inkubationszeit. Zeit lassen heißt aber auch früh anfangen.<br />

Ganz wichtig ist: Schreiben als Mittel der Leistungsmessung<br />

ist und bleibt tabu! Der Vokabeltest traditioneller Art hat in der<br />

<strong>Grundschule</strong> keinen Platz. Das würde allen Erkenntnissen über<br />

die Biologie des Lernens widersprechen.<br />

Können Sie die Botschaft der Spracherwerbsforschung für<br />

die <strong>Grundschule</strong> in einem Satz zusammenfassen?<br />

Bleyhl: Lassen Sie es mich in drei Sätzen versuchen. Der Unterricht<br />

muss dem Kind hinreichend Gelegenheit geben, in sich<br />

ein Repertoire an Sprachmodellen aufzubauen. Der Unterricht<br />

muss es in Situationen führen, in denen Sprache funktional gebraucht<br />

wird, um Inhalte zu vermitteln, wir nennen das Themenorientierung.<br />

Und der Unterricht muss das Kind Erfahrungen<br />

mit möglichst viel Sprache machen lassen, also Zeit lassen,<br />

das Sprachsystem in sich aufzubauen und in der Praxis zu erproben.<br />

Das Stichwort heißt hier Handlungsorientierung. Aber vielleicht<br />

erlauben Sie mir noch eine Bemerkung: Die Kinder werden<br />

sich – vor allem in der Anfangsphase und wie beim Muttersprachenerwerb<br />

– unterschiedlich schnell und unterschiedlich sichtbar<br />

entwickeln, doch mit diesem Problem wird keine Lehrergruppe<br />

so gut fertig wie die der Grundschullehrerinnen und -lehrer,<br />

die dasselbe Problem beim Lehren des Lesens und Schreibens<br />

ebenfalls zu lösen wissen.<br />

Interview: Georg Eickhoff<br />

Veröffentlichungen (Auswahl) von Prof.<br />

Dr. Bleyhl zum <strong>Thema</strong> Fremdsprachenlernen<br />

> Werner Bleyhl, Knackpunkte des Fremdsprachenunterrichts.<br />

Zehn intuitive Annahmen. In: Praxis des neusprachlichen<br />

Unterrichts, 45. Jg., H. 2 (1998), S. 126 – 138<br />

> ders., Selbstorganisation des Lernens – Phasen des Lehrens.<br />

In: Johannes-Peter Timm (Hg.), Englisch lernen und lehren.<br />

Didaktik des Englischunterrichts, Berlin (Cornelsen Verlag)<br />

1998, S. 60 – 69<br />

> ders., Fremdsprachenlernen als dynamischer und nichtlinearer<br />

Prozess. Weshalb die Bilanz des traditionellen<br />

Unterrichts und auch der Fremdsprachenforschung ›nicht<br />

schmeichelhaft‹ sein kann. In: Fremdsprachen Lehren und<br />

Lernen, Bd. 26 (1997), S. 219 – 238<br />

29


30<br />

<strong>Thema</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Worauf es ankommt …<br />

Heribert Rück war bis zu seiner<br />

Emeritierung im Jahr 1997<br />

Professor für Romanistik an<br />

der Universität Koblenz-<br />

Landau. Er begleitete den Modellversuch<br />

»Fremdsprachen in<br />

der <strong>Grundschule</strong>« des Landes<br />

Rheinland-Pfalz. Aus dem Vergleich<br />

der Konzeptionen zum<br />

frühen Fremdsprachenlernen in Deutschland und Europa<br />

hat er folgende Gemeinsamkeiten herausgefiltert:<br />

> Der Umgang mit Fremdsprachen soll nicht einer<br />

Elite vorbehalten bleiben, sondern zum Angebot für<br />

alle Kinder werden.<br />

> Der Fremdsprachenunterricht in der <strong>Grundschule</strong><br />

soll von Leistungsdruck durch Klassenarbeiten und<br />

abfragbare Hausaufgaben frei gehalten werden.<br />

> Es geht nicht nur um Sprache, sondern auch um<br />

Öffnung gegenüber anderen Kulturen.<br />

> Spielerische Elemente sollen motivieren. Sie sind der<br />

psychischen und allgemeinen sprachlichen<br />

Entwicklung der Kinder angemessen.<br />

> Musische Elemente sollen in das Sprachenlernen<br />

einbezogen werden.<br />

Professor Rück weist besonders auf die Fragen hin,<br />

die sich mit dem Übergang zur weiterführenden<br />

Schule stellen: »Allgemein gilt, dass die Lernerfahrungen<br />

der Kinder aus der <strong>Grundschule</strong> – gleich welcher<br />

Art – im Unterricht der weiterführenden Schulen<br />

ernst genommen werden müssen, weil sonst Demotivation<br />

die Folge wäre. So wäre es verhängnisvoll,<br />

wenn die Kenntnis von Liedern, Gedichten, Bräuchen<br />

der anderen Kultur, die Verfügung über Redemittel<br />

etwa der Kontaktpflege oder des Gefühlsausdrucks<br />

oder auch die Vertrautheit mit Rollenspielen<br />

ignoriert würden. Dies bedeutet auch, dass von Seiten<br />

der Sekundarstufenlehrer keine falschen Erwartungen,<br />

etwa den Schriftbereich oder explizite Grammatikkenntnisse<br />

betreffend, an Kinder mit Fremdsprachenerfahrungen<br />

aus der <strong>Grundschule</strong> gerichtet werden<br />

dürfen. Hier tut Aufklärung und ein intensiverer<br />

Kontakt zwischen der <strong>Grundschule</strong> und den weiterführenden<br />

Schularten not.«<br />

Weitere Hinweise zur wissenschaftlichen Arbeit von<br />

Prof. Dr. Heribert Rück finden Sie unter<br />

www.kultusministerium.baden-wuerttemberg.de/<br />

schulmagazin<br />

»Der Schlüssel zur Qualitätssicherung in der Bildungspolitik<br />

liegt in den <strong>Grundschule</strong>n. Darum werden wir<br />

an den <strong>Grundschule</strong>n ab dem Schuljahr 2001/2002<br />

mit dem flächendeckenden Ausbau des Fremdsprachenunterrichts<br />

ab der ersten Klasse beginnen.«<br />

Ministerpräsident Erwin Teufel in seiner Regierungserklärung<br />

vom 9. Dezember 1998<br />

Fünf Eckpunkte für die Planung<br />

des Kultusministeriums:<br />

1. Für den Fremdsprachenunterricht wird die bestehende<br />

Stundentafel der <strong>Grundschule</strong> erweitert.<br />

2. Alle Kinder, die nach dem Grundschullehrplan<br />

unterrichtet werden, erhalten Fremdsprachenunterricht.<br />

3. Die Grundlage für den grundschulspezifischen<br />

Unterricht in der Fremdsprache bildet ein Lehrplan.<br />

4. Handlungsorientierung und Themenorientierung<br />

stehen im Mittelpunkt der methodischen Konzeption.<br />

5. Der Fremdsprachenunterricht in den weiterführenden<br />

Schulen baut auf den in der <strong>Grundschule</strong><br />

erworbenen Fremdsprachenkenntnissen auf.<br />

Aktuelle Informationen zum Planungsstand finden<br />

Sie unter www.kultusministerium.badenwuerttemberg.de/schulmagazin


Frühe Fremdsprache und Lehrerbildung<br />

— | Neue Prüfungsordnung<br />

Die Fremdsprachenkompetenz ist in einem zusammenwachsenden<br />

Europa von immer größerer Bedeutung. Deshalb ist in<br />

der Grund- und Hauptschullehrerprüfungsordnung (GHPO I)<br />

vom 31. Juli 1998 die Möglichkeit geschaffen worden, auch im<br />

Stufenschwerpunkt <strong>Grundschule</strong> eine Fremdsprache zu studieren.<br />

Das frühe Fremdsprachenlernen unter Berücksichtigung entwicklungspsychologischer<br />

Aspekte und grundschulgemäßer Lernund<br />

Arbeitsformen ist unter anderem Inhalt der fachdidaktischen<br />

Studien der Fächer Englisch oder Französisch. Weiter erwerben<br />

die Studierenden die Fähigkeit, den frühen Fremdsprachenunterricht<br />

in den Anfangsunterricht zu integrieren und die Lerninhalte<br />

der <strong>Grundschule</strong> in der Fremdsprache zu unterrichten.<br />

— | Europalehrerin/Europalehrer<br />

In einem bundesweit einmaligen neuen Studiengang kann ab<br />

dem Wintersemester 1999/2000 an den Pädagogischen Hochschulen<br />

Karlsruhe und Freiburg ein Lehramtsstudium mit Europaprofil<br />

begonnen werden. In acht Semestern werden Lehrkräfte<br />

für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen oder an Realschulen<br />

dazu ausgebildet, auf bilingualer Grundlage mindestens<br />

eines der Sachfächer (z.B. Geographie oder Geschichte) in Englisch<br />

oder Französisch unterrichten zu können. Weiter sollen<br />

auch die mit der jeweiligen Sprache verknüpften kulturellen und<br />

landeskundlichen Aspekte vermittelt werden.<br />

— | Fortbildung<br />

Der Fremdsprachenunterricht soll von Klassenlehrerinnen<br />

und -lehrern oder von Fachlehrerinnen und -lehrern erteilt werden.<br />

Daraus ergibt sich ein erhöhter Fortbildungsbedarf. Deshalb<br />

sind derzeit Fortbildungsmodule in Vorbereitung, die einerseits<br />

didaktisch-methodische Impulse und Hilfen geben und andererseits<br />

zur Erweiterung der eigenen Sprachfähigkeit der Lehrerinnen<br />

und Lehrer beitragen sollen. Die Angebote werden flexibel<br />

und bedarfsorientiert ausgestaltet.<br />

Bleiben die Schwachen nicht<br />

auf der Strecke, wenn die<br />

Fremdsprache in die <strong>Grundschule</strong><br />

kommt?<br />

Diese häufig gestellte Frage zeigt, wie sensibel<br />

die Öffentlichkeit auf Neuerungen in der <strong>Grundschule</strong><br />

reagiert und dass zuweilen auch Ängste damit<br />

verbunden sind.<br />

Aus der Sprachlernforschung und aus der Praxis<br />

mit lernschwachen Schülerinnen und Schülern<br />

wissen wir, dass es entscheidend auf den »sprachlichen<br />

Input« ankommt, auf die Anschaulichkeit<br />

und auf die Häufigkeit der angebotenen Spracheinheiten.<br />

Ein Kind, das schwer lernt, benötigt einen besonders<br />

intensiv dargebotenen sprachlichen Input.<br />

Das heißt, das sprachliche Angebot muss sehr häufig<br />

wiederholt und mit deutlicher Mimik, Gestik<br />

und anschaulichen Medien erläutert werden. Es<br />

dauert etwas länger, bis die Klangmuster und die<br />

Bedeutungen gefestigt sind; ansonsten verläuft der<br />

Lernprozess gleich. Im Staatlichen Schulamt Heilbronn<br />

wird – nebenbei bemerkt – mit Schülerinnen<br />

und Schülern einer Förderschule für Geistigbehinderte<br />

erfolgreich ein Englischkurs durchgeführt.<br />

Eine andere, immer wieder geäußerte Befürchtung<br />

betrifft die ausländischen Kinder. Sie könnten<br />

überfordert sein, heißt es, auch dass sie in erster<br />

Linie Deutsch lernen sollten. Erfahrungen mit ausländischen<br />

Kindern im Hinblick auf Fremdsprachenlernen<br />

wurden in mehreren europäischen<br />

Ländern mit dem gleichen Ergebnis gemacht: Sie<br />

haben wider Erwarten in der Regel keine Probleme<br />

mit dem Lernen ihrer dritten Sprache. Dafür<br />

gibt es zwei Gründe:<br />

1. Jeder, der neben seiner Muttersprache eine<br />

Zweitsprache erlernt oder erlernt hat, erwirbt<br />

gleichzeitig eine so genannte Sprachlernkompetenz.<br />

Diese ergibt sich aus dem Wechselspiel der<br />

Sprachfähigkeit in der Muttersprache und den<br />

Erfahrungen mit der Zweitsprache und erleichtert<br />

so das Erlernen einer dritten Sprache. Das Beherrschen<br />

einer ersten Fremdsprache hilft beim Erwerb<br />

der nächsten.<br />

So gesehen haben die ausländischen Kinder sogar<br />

einen gewissen Vorteil.<br />

2. In allen Fächern der Stundentafel erfolgt der<br />

Unterricht auf Deutsch. Dies ist ein Nachteil für<br />

die ausländischen Schülerinnen und Schüler.<br />

Bei der Grundschulfremdsprache beginnen alle<br />

Kinder gemeinsam bei Null und starten von der<br />

gleichen Basis aus. Dies motiviert ausländische<br />

Kinder sehr, lässt sie erstaunliche Leistungen vollbringen,<br />

fördert ihr Selbstvertrauen und wirkt so<br />

positiv auf das gesamte schulische Lernen.<br />

Detlef Böhme, Referent für Grund- und<br />

Hauptschulen im Kultusministerium<br />

31


32<br />

<strong>Thema</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Die familienfreundliche<br />

<strong>Grundschule</strong> kommt<br />

<strong>Baden</strong>-Württemberg hat seit Beginn der 90er-Jahre die<br />

Betreuungsangebote – Kernzeitenbetreuung und Hort an der<br />

Schule – konsequent ausgeweitet: 35% der <strong>Grundschule</strong>n des<br />

Landes bieten auf dieser Basis Betreuungszeiten neben dem<br />

Unterricht an. Die Nachfrage steigt, weil sich die Struktur der<br />

Familien nachhaltig ändert.<br />

Die Landesregierung entwickelt derzeit – in enger<br />

Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden<br />

– ein Konzept zur allgemeinen Einführung der<br />

familienfreundlichen <strong>Grundschule</strong>, mit dessen Umsetzung<br />

noch im Laufe des Schuljahres 1999/2000<br />

begonnen wird.<br />

— | Eckpunkte:<br />

> Entwicklung und Realisierung im Konsens mit<br />

den kommunalen Spitzenverbänden, insbesondere<br />

auch im Blick auf eine faire und finanzpolitisch<br />

solide Lastenverteilung zwischen Land und kommunalen<br />

Schulträgern.<br />

> Klare Trennung von Unterricht und Betreuung:<br />

Mehr Betreuung darf nicht auf Kosten des Unterrichts<br />

gehen.<br />

> Konzentration der Unterrichsstunden auf den<br />

Vormittag durch schulorganisatorische Optimierung<br />

des Stundenplans.<br />

> Kein Einheitsmodell, sondern flexible und differenzierte<br />

Orientierung am Bedarf vor Ort, um den<br />

unterschiedlichen Erfordernissen, Gegebenheiten<br />

und Erfahrungen Rechnung tragen zu können.<br />

> Bedarfsorientierung bedeutet auch die Wahlmöglichkeit<br />

der Eltern, ob ihre Kinder außerhalb der<br />

Unterrichtszeit in der Schule sein sollen oder<br />

nicht.<br />

Vorgesehen ist, dass die Schulen im Laufe des<br />

neuen Schuljahres den Auftrag bekom-<br />

men, entsprechend diesen Eckpunkten<br />

eine schuleigene Organisationsform<br />

zu entwickeln, die der jeweiligen<br />

Situation gerecht wird.<br />

»Kernzeit« in Regie<br />

der Mütter<br />

»In Riederich lernt man sich erst kennen,<br />

wenn man Kinder hat«, meint die Erzieherin<br />

und vierfache Mutter Christine Kaufmann-Schmid, die seit 1997<br />

als Kernzeitenbetreuerin arbeitet. Riederich ist eine kleine<br />

Gemeinde am Fuße der Schwäbischen Alb mit rund 4300 Einwohnern<br />

und einer Grund- und Hauptschule, der Gutenbergschule.<br />

»Milch kann man hier nicht kaufen, aber einen Schafhof<br />

haben wir. Wir sind eben ein typisches Pendler-Dorf«, so<br />

Christine Kaufmann-Schmid. Als in einer Elternbeiratssitzung<br />

die Idee geboren wurde, eine Kernzeitenbetreuung in Riederich<br />

auf die Beine zu stellen, waren Bürgermeister und Schulleiter erstaunt.<br />

So was brauchen wir doch nicht in unserem Dorf! In der<br />

Tat ist es so, dass viele Großeltern gerne ihre Enkelkinder nach<br />

der Schule versorgen und auch sonst gerne einspringen, wenn<br />

Kinder betreut werden sollen.<br />

Die Frauen haben ihre Idee verwirklicht: Elf Kinder werden<br />

vor und nach dem Unterricht im Vereinsheim betreut, direkt neben<br />

der Schule. »Wir sind nah dran, doch nicht direkt in der<br />

Schule. Dort gibt es Raumprobleme. Außerdem arbeitet die Frau<br />

des Hausmeisters, Frau Kopschitsch, auch in der Kernzeitenbetreuung<br />

mit. Das ist ein Glücksfall für uns. Sie übernimmt bei<br />

uns den Oma-Part, sie hat zwei erwachsene Kinder und ein<br />

Enkelkind.«<br />

Die Trägerschaft der Kernzeitenbetreuung teilen sich der<br />

Förderverein der Schule und die Gemeinde. Die Gemeinde stellt<br />

den Raum kostenlos zur Verfügung. Einen Raum, der immer picobello<br />

aufgeräumt werden muss, da auch die Vereine ihn nutzen.<br />

»Das hat seine Vorteile. Die Kinder wissen genau, dass sie ihr<br />

Spielzeug nicht herumliegen lassen dürfen. Und morgens ist der<br />

Raum ganz schnell in ein gemütliches ›Kinderzimmer‹ verwandelt«.


Die Dritte im Bunde der Kernzeitenbetreuerinnen ist Angelika<br />

Bender. Geschätzt als Übungsleiterin im Mutter-Kind-Turnen,<br />

bringt sie auch ihre Erfahrungen als zweifache Mutter ein.<br />

»Wir sind ein echtes Team und reagieren flexibel auf Wünsche.«<br />

Zwischen 6 und 7 Uhr morgens kann man die Betreuerinnen<br />

anrufen, wenn irgendeine Änderung ansteht. Auch untereinander<br />

helfen sie sich aus. »Wenn die eine mal ihren Dienst<br />

nicht wahrnehmen kann, springt die andere ein.« Die drei<br />

Frauen bekommen so Berufstätigkeit und Familienarbeit ganz<br />

gut unter einen Hut. Bezahlt werden sie auf 630 DM-Basis. Sie<br />

rechnen stundenweise ab. Für Eltern gibt es eine Tagesstaffelung.<br />

Auch hier wird bedarfsgerecht und flexibel reagiert. Eltern können<br />

die Betreuung die ganze Woche über buchen oder auch nur einen,<br />

zwei, drei oder vier Tage. Fünf Tage kosten im Monat 80 DM.<br />

Die Kinder haben allerdings drei Bezugspersonen. Stört das<br />

die Eltern nicht? – »Nein, Probleme mit der Akzeptanz des<br />

Angebots hat es nicht gegeben«, meint Christine Kaufmann-<br />

Schmid und sie weiß auch warum: »Wir sind alle im Dorf bekannt.<br />

Die Kinder kommen gerne zu uns und die Eltern sind<br />

dankbar. Ich war früher Elternbeiratsvorsitzende und bin jetzt<br />

Betreuerin. Die Mütter-Initiative tragen viele mit. Das ist in<br />

Riederich so gewachsen.«<br />

»Schalenzeit!«<br />

Eigentlich müsste es nicht »Kernzeit«, sondern »Schalenzeit«<br />

heißen. Denn gemeint ist damit die Betreuung der Grundschulkinder<br />

vor und nach dem Unterricht, zumeist ab<br />

7.30 Uhr und vom »letzten Klingeln« bis 13.00 Uhr. Wie eine<br />

Schale liegt also dieses Angebot um den Kern der <strong>Grundschule</strong>,<br />

denn der Kern ist guter Unterricht. Trotzdem ist der<br />

Begriff zum Renner geworden und auch das, was er meint.<br />

»Kernzeit«-Betreuung wurde in <strong>Baden</strong>-Württemberg seit<br />

dem Schuljahr 1990/91 auf Antrag eingerichtet. Vier Jahre<br />

später verfügten schon 20% der <strong>Grundschule</strong>n im Land über<br />

dieses Angebot. Im Schuljahr 1998/99 gab es 1.127 Kernzeitgruppen<br />

mit 21.000 Schülerinnen und Schülern. Ein Drittel<br />

aller <strong>Grundschule</strong>n hatte damit Anteil am Landeszuschuss<br />

von insgesamt 6 Millionen DM. Die Schulträger investieren<br />

ihrerseits.<br />

Außerdem gibt es Ganztagsbetreuung im Rahmen des »Hort<br />

an der Schule« für insgesamt 230 Gruppen. Der Landeszuschuss<br />

betrug hier 1998/99 4,16 Millionen DM.<br />

33


34<br />

<strong>Thema</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Betreuung am Nachmittag<br />

Vom Lernen zum Spielen und zurück<br />

— | Der Spiel- und Lernclub an der <strong>Grundschule</strong><br />

Stuttgart-Obertürkheim<br />

Zwei Uhr nachmittags: Obwohl der Spiel- und<br />

Lernclub schon vor einer halben Stunde seine Pforten<br />

geöffnet hat, ist der große Gruppenraum im Dachgeschoss<br />

der Schule noch verwaist. Aus den zwei kleineren<br />

Räumen der ehemaligen Lehrerwohnung klingen<br />

gedämpfte Stimmen. Hülya, Kevin, Fatma und<br />

die anderen sitzen eifrig über ihre Hefte gebeugt und<br />

machen Hausaufgaben. Heute sind 16 der insgesamt<br />

24 angemeldeten Kinder in den Club gekommen.<br />

Die Teilnahme jedes einzelnen Kindes kann bei der<br />

Anmeldung auf individuelle Bedürfnisse abgestimmt<br />

werden, so dass Zeit bleibt für muttersprachlichen<br />

Unterricht, Fußballtraining und andere Tätigkeiten<br />

am Nachmittag. Damit über bloßes »Verwahren« hinaus<br />

kontinuierliche pädagogische Arbeit gelingen<br />

kann, müssen die Kinder allerdings für mindestens<br />

zwei Tage in der Woche verbindlich angemeldet werden.<br />

Der Spiel- und Lernclub ist täglich von 13.30<br />

Uhr bis 16.30 Uhr geöffnet und viele Familien nehmen<br />

das komplette Angebot gerne wahr.<br />

Richard und Marcel aus der vierten Klasse sitzen heute an einem<br />

Hausaufsatz. Richards kleiner Bruder aus der ersten Klasse<br />

malt Buchstaben, Drittklässlerinnen fragen sich gegenseitig im<br />

Flüsterton Einmaleinsreihen ab und Hülya aus der zweiten<br />

Klasse versucht, das Teilen mit Rest zu verstehen. Hier ist die<br />

Erzieherin gefordert. In jedem Arbeitsraum sitzt eine Betreuerin<br />

mit den arbeitenden Kindern zusammen. Ihre Aufgabe ist es, die<br />

Kinder bei auftretenden Schwierigkeiten zu unterstützen,<br />

Arbeitsanweisungen noch einmal zu erklären, Lösungswege aufzuzeigen<br />

oder – wie heute für Hülya – das Teilen mit Rest noch<br />

einmal mit selbst hergestelltem Anschauungsmaterial begreifbar<br />

zu machen.<br />

Die Betreuerinnen des Spiel- und Lernclubs sind keine<br />

Lehrerinnen, auch wenn Hülya und die anderen sie als solche begreifen.<br />

Organisatorisch ist der Club unabhängig von der<br />

<strong>Grundschule</strong> Obertürkheim, inhaltlich ist er jedoch durch ein<br />

hohes Maß von Vernetzung ein wichtiger Bestandteil des<br />

Schullebens. 47% der Kinder an der <strong>Grundschule</strong> Obertürkheim<br />

sind ausländischer Herkunft. Deshalb hat der internationale<br />

Kulturverein Obertürkheim »InterTürkheim e.V.« schon 1990<br />

die Einrichtung des Lernclubs angeregt. Die Trägerschaft übernahm<br />

die Deutsche Pfadfinderschaft St. Georg. Es gibt Fördermittel<br />

des Jugendamtes Stuttgart und des Landes <strong>Baden</strong>-Württemberg.<br />

Der Spiel- und Lernclub hat es sich zur Aufgabe gemacht,<br />

Kindern aus ausländischen und Aussiedler-Familien, die zum Teil<br />

erhebliche sprachliche Defizite haben, Sprach-, Lern- und Hausaufgabenhilfe<br />

zu gewähren. Dies ist besonders wichtig, da die<br />

Eltern wegen ihrer eigenen sprachlichen Probleme die Kinder<br />

nicht oder nur zum Teil unterstützen können. Inzwischen wird<br />

das Angebot auch verstärkt von deutschen Kindern genutzt, die<br />

etwa ein Drittel der »Kundschaft« ausmachen.<br />

Mit den Bausteinen »Kernzeitenbetreuung« und »Spiel- und<br />

Lernclub« ist es gelungen, an der Schule eine Ganztagesbetreuung<br />

anzubieten. Wenn die Kernzeit um 13.30 Uhr endet, wechseln<br />

immerhin 13 Kinder in den sich unmittelbar anschließenden<br />

Spiel- und Lernclub über. Zwei der Erzieherinnen, die im<br />

Spiel- und Lernclub tätig sind, leiten auch die beiden an der<br />

Schule eingerichteten Kernzeitengruppen. Dadurch wird eine<br />

sehr gute Zusammenarbeit zwischen den Erzieherinnen und den<br />

Lehrerinnen gewährleistet. Geleitet und verwaltet wird der Spielund<br />

Lernclub ehrenamtlich von einer Lehrerin der Schule, die<br />

ihren Kolleginnen ebenfalls als direkte Ansprechpartnerin zur<br />

Verfügung steht.<br />

Die Kinder bleiben auch am Nachmittag noch gern im<br />

Schulhaus. Das sieht man ihnen besonders an, wenn sie gegen<br />

15.30 Uhr nach getaner Arbeit im großen Gruppenraum zum<br />

zweiten Schwerpunkt, dem Spielen, eintreffen. In regelmäßigen<br />

Teambesprechungen planen die Betreuerinnen ein vielseitiges,<br />

projektorientiertes Freizeitprogramm, das die Kinder ganzheitlich<br />

fördert. Werken, Malen oder Puppenspiel werden konsequent<br />

einbezogen. Unternehmungen außer Haus, vor allem freitags,<br />

wenn es wenig Hausaufgaben gibt, erweitern den Erfahrungshorizont<br />

der Kinder.<br />

Lernen ist Lernen, Spiel ist Spiel, aber wie gut lernt es sich im<br />

Spiel und wie gut tut es den Kindern, immer wieder einmal mit<br />

der Lehrerin zu spielen! Hülya versteht jetzt langsam das Teilen<br />

mit Rest, beim »Uno«-Spielen gewinnt sie schon lange ganz<br />

locker. 7


Männer in die <strong>Grundschule</strong>!<br />

ProVerhaltensweise<br />

oder Werthaltung besser<br />

Helga Willers,<br />

geb. 1943, 3 erwachsene<br />

Kinder (35, 25,<br />

23), zwei Enkeltöchter (7 und 4), seit 1998<br />

Leiterin des Staatlichen Schulamts Nürtingen,<br />

davor Referentin für Grund- und<br />

Hauptschulen am Oberschulamt Stuttgart,<br />

bis 1996 Konrektorin und Rektorin im<br />

GHS-Bereich<br />

Männer kommen nicht vor. Frauenübermacht<br />

bei der Erziehung: Das ist Realität!<br />

Kinder gehen die ersten zehn Jahre<br />

durch Frauenhände. Mütter ziehen die<br />

Kinder auf, und Großmütter springen,<br />

wenn Not »an der Frau« ist, bei der Betreuung<br />

ein. Erzieherinnen im Kindergarten<br />

sind weitere Erziehungsfrauen, die<br />

Kinder begleiten, und dann folgen die<br />

Lehrerinnen in der <strong>Grundschule</strong>.<br />

Sind sich Männer eigentlich bewusst,<br />

was sie da aus der Hand geben? In dieser<br />

prägenden Kindheitsphase vergeben sie<br />

den Einfluss, den sie auf Kinder haben<br />

können.<br />

Zur Entwicklung aller Kinder gehört,<br />

dass sie durch lebendige Vorbilder lernen,<br />

was Erwachsensein bedeutet. Was ist<br />

männlich? Oder vielmehr: Wo lernen<br />

Kinder männliche Lebensentwürfe kennen?<br />

Mädchen brauchen eine Orientierung<br />

am Gegenpol, Jungen brauchen eine<br />

männliche Identifikationsfigur zur Rollenfindung.<br />

Es ist schon grotesk: Im viktorianischen<br />

Zeitalter schienen Frauen zu dumm<br />

dazu zu sein; da hat man die Erziehung<br />

den Männern überlassen. Und heutzutage<br />

ist Erziehung zur Frauensache geworden.<br />

Jede Lehrkraft, ob weiblich oder männlich,<br />

wird beim Erziehen und Unterrichten<br />

die eigene Persönlichkeit einbringen.<br />

Trotzdem geht es um unterschiedliche<br />

Verhaltensweisen von Frauen und Männern.<br />

Es geht aber nicht darum, ob eine<br />

oder schlechter ist. Es geht um die Verschiedenartigkeit.<br />

Es geht darum, dass ein<br />

männlicher und weiblicher, ein väterlicher<br />

und ein mütterlicher Erziehungsstil sich<br />

ergänzen und gegenseitig bereichern.<br />

Zugegeben: Männer sind wirklich unpraktisch,<br />

wenn es um ein Pflaster auf’s<br />

Knie geht. Trotzdem sind alle hingerissen,<br />

wenn ein Mann in der <strong>Grundschule</strong> unterrichtet.<br />

Männliche Talente liegen<br />

brach: Es fehlt an männlichen Vorbildern!<br />

Eine kindgerechte Schule ist für mich<br />

eine mädchen- und jungengerechte Schule,<br />

die Kinder weibliche und männliche<br />

Erziehungsstile erleben lässt.<br />

<strong>Grundschule</strong> als Beruf<br />

39.313 Lehrkräfte, Frauenanteil 69%,<br />

890 Neueinstellungen<br />

> Lehrerinnen und Lehrer an Grund- und Hauptschulen<br />

üben ihren Beruf im Rahmen des so<br />

genannten »Verbundlehramtes« aus. Sie haben<br />

also die Lehrbefähigung für beide Schularten.<br />

> In <strong>Baden</strong>-Württemberg gibt es 2.666 öffentliche<br />

Grund- und Hauptschulen mit 685.754<br />

Schülerinnen und Schülern sowie 39.313 Lehrerinnen<br />

und Lehrern (Stand 21. Mai 1999).<br />

> Der Frauenanteil im Berufsfeld Grund- und<br />

Hauptschule liegt in <strong>Baden</strong>-Württemberg bei<br />

69%. Ebenfalls 69% der 27.239 weiblichen,<br />

aber nur 13% der 12.074 männlichen Lehrkräfte<br />

sind teilzeitbeschäftigt.<br />

> 1997/98 waren von den insgesamt 2.661 Schulleiterstellen<br />

im Bereich GHS 633 (= 23,8%) von<br />

Frauen besetzt.<br />

> Das Lehramtsstudium umfasst hier in der<br />

Regel sieben Semester inklusive der 1. Staatsprüfung.<br />

Zum Abschluss gehören noch drei<br />

Schulhalbjahre Praxiserfahrung.<br />

> Im Schuljahr 1999/2000 werden in <strong>Baden</strong>-<br />

Württemberg voraussichtlich insgesamt 890<br />

neue Lehrerinnen und Lehrer für die Grundund<br />

Hauptschulen eingestellt.<br />

Contra<br />

Ursula Stock,<br />

geb. 1955, 3 Kinder<br />

(19,14,11), Elternvertreterin<br />

an einem Gymnasium, begann<br />

1978 als Grund- und Hauptschullehrerin,<br />

seit 1997 Pädagogische Beraterin »<strong>Grundschule</strong>«<br />

und seit 1993 Lehrbeauftragte am<br />

Seminar für schulpraktische Ausbildung<br />

(GHS) Schwäbisch Gmünd für den musisch-ästhetischen<br />

Gegenstandsbereich<br />

Männer bagatellisieren den Kinderschmerz.<br />

Frauen nehmen Kinder einfach<br />

in den Arm. Schon das prädestiniert Frauen,<br />

Grundschulkinder zu unterrichten. Sie<br />

spüren besser, was Kinder in diesem Alter<br />

brauchen.<br />

Ist das wirklich so?<br />

Lehrerin an der <strong>Grundschule</strong> wird<br />

man, weil man Kinder mag. Grund- und<br />

Hauptschullehrer wird man, weil man an<br />

einer bestimmten Sache interessiert ist, an<br />

einem bestimmten Fach. »<strong>Grundschule</strong> ist<br />

Kinderkram«, kursiert unter Männern. Da<br />

greifen die ganz alten Rollenmuster, die es<br />

Männern schwer machen, sich für den<br />

Stufenschwerpunkt <strong>Grundschule</strong> zu entscheiden.<br />

Ja, meiner Erfahrung nach müssen<br />

sie sich gelegentlich beinahe verteidigen,<br />

wenn sie sich bewusst für die Grund-<br />

schule entscheiden. Sie können dann<br />

leichter bestehen, wenn sie eine Schulleiterfunktion<br />

anstreben, weil damit ihr<br />

Ansehen wächst. Rektoren an der <strong>Grundschule</strong><br />

– das geht. Das wird gesellschaftlich<br />

akzeptiert und nicht hinterfragt. Hinterfragt<br />

wird auch nicht, warum es so wenige<br />

Lehrerinnen in Schulleitungsfunktion<br />

gibt. Hinterfragt wird aber, warum es<br />

so viele Lehrerinnen in der <strong>Grundschule</strong><br />

gibt.<br />

Kann man es nicht einfach so sehen:<br />

Frauen haben sich den Platz in der <strong>Grundschule</strong><br />

erobert und die <strong>Grundschule</strong> zu einer<br />

Schulart gemacht, die pädagogische<br />

Innovationsführerin geworden ist. Bei den<br />

Führungspositionen müssen sie noch aufholen.<br />

Da müssen sich Frauen noch mehr<br />

trauen, und Männer müssen es ihnen zutrauen.<br />

Und: Frauen brauchen weibliche<br />

Vorbilder, die ihnen Mut machen.<br />

Um Männlichem zu begegnen, sollten<br />

Grundschulkinder allerdings nicht nur<br />

den Pfarrer oder den Rektor erleben. Im<br />

Übrigen bevorzugen Kinder nicht weibliche<br />

oder männliche Lehrkräfte, sondern<br />

sie spüren sehr genau, was eine gute<br />

Lehrerin oder einen guten Lehrer ausmacht.<br />

35


36<br />

<strong>Thema</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

»Ich habe ehrgeizige Eltern,<br />

das stimmt, aber wissen<br />

Sie, das ist nicht alles...« Julia, 6 Jahre<br />

Beobachtungsgenauigkeit, starke Begriffsleistungen, hohe Lerngeschwindigkeit,<br />

Erkennen von Strukturen, besondere Gedächtnisleistung,<br />

schneller Spracherwerb, intensive Beschäftigung mit<br />

Symbolen, Konzentrationsvermögen, Ausdauer bei selbstgestellten<br />

Aufgaben, Eigenwilligkeit, Sensibilität, Abneigung gegen<br />

physische Auseinandersetzung – das sind die Eigenschaften, die<br />

Aiga Stapf – Psychologin an der Universität Tübingen – bei begabten<br />

Kindern im Grundschulalter vorfindet. Wenn das alles in<br />

einer kleinen Persönlichkeit zusammenkommt, dann sollten auch<br />

Lehrerinnen und Lehrer ins Grübeln<br />

kommen.<br />

Hoch begabte Kinder provozieren<br />

eine uralte Grundfrage des<br />

gesamten Schulwesens mit neuer<br />

Schärfe: Wie viel Gemeinsamkeit<br />

und wie viel Differenzierung ist<br />

nötig? Wann wird die Einfügung<br />

in eine Lerngruppe zum Hemmschuh<br />

für Einzelne? Wie viel Verschiedenheit<br />

braucht eine Gruppe<br />

von Kindern, um ein lernfreundliches<br />

Klima zu entwickeln?<br />

Elemente der Begabtenförderung<br />

in der <strong>Grundschule</strong> werden<br />

immer wieder von besonderen<br />

Initiativen für Hochbegabte außerhalb<br />

des regulären Unterrichts<br />

entwickelt. Die eigentliche Herausforderung<br />

besteht aber darin,<br />

sie im Alltag möglichst vieler<br />

<strong>Grundschule</strong>n – im »ganz normalen<br />

Unterricht« – zu verankern.<br />

Um auf diesem Weg voranzukommen,<br />

setzt das Kultusministerium<br />

in <strong>Baden</strong>-Württemberg<br />

auf die Kompetenz des Beratungsnetzes<br />

der Staatlichen Schulämter<br />

und Schulpsychologischen Beratungsstellen.<br />

Begabtenförderung in der <strong>Grundschule</strong><br />

Als er dies aufgeschrieben hat, war Mathias 10 Jahre alt und besuchte die<br />

vierte Klasse der Anne-Frank-Schule in Freiburg.<br />

»Begabte Kinder werden in der <strong>Grundschule</strong> oft nur herangezogen,<br />

um anderen zu helfen«, sagt Christa Engemann, Leiterin<br />

des Grund- und Hauptschulschulreferates im Kultusministerium.<br />

»Oft wird übersehen, dass diese Kinder selbst auch<br />

›Futter‹ brauchen und ohne Förderung verarmen, ja teilweise<br />

Anzeichen von Verhaltensstörungen zeigen. – Ich frage mich,<br />

warum wird die Förderung intellektuell Hochbegabter nicht genauso<br />

selbstverständlich gesehen wie die der musisch oder sportlich<br />

besonders begabten Kinder?«<br />

Eine Reihe struktureller Regelungen<br />

ermöglichen einen individuellen<br />

Bildungsverlauf für<br />

diese Kinder ab der Einschulung.<br />

In <strong>Baden</strong>-Württemberg<br />

gibt es folgende Optionen:<br />

> vorzeitige Einschulung;<br />

> Einschulung in die Klasse 2;<br />

> ein- oder zweimaliges Überspringen<br />

einer Klasse;<br />

> Überspringen einer Klasse<br />

mitten im Schuljahr;<br />

> Übergang aus der Klasse 3<br />

ans Gymnasium.<br />

»Die günstigen rechtlichen Rahmenbedingungen<br />

müssen nun<br />

auch tatsächlich genutzt werden«,<br />

meint Christa Engemann.<br />

»Entscheidend kommt es aber<br />

auf die Unterrichtspraxis an: auf<br />

differenzierende Methoden.<br />

Hier spielt die Freiarbeit eine<br />

große Rolle. Im Rahmen individueller<br />

Aufgabenstellungen kann<br />

man den fixen Schülerinnen und<br />

Schülern das ›Futter‹ geben, das<br />

sie brauchen. Die Schulbibliothek<br />

kann für Begabte eine Oase<br />

sein – und dann gibt es natürlich<br />

noch die tausend Möglichkeiten<br />

des Computers …«


Außerunterrichtliche Förderung an und mit der Schule<br />

»Denk-AG« in Neckarsulm<br />

Die Köpfe rauchen! Auch noch in der sechsten Stunde sind sie<br />

hoch konzentriert: sieben Jungen und Mädchen aus der vierten<br />

Klasse. Das ist die »Denk-AG« der Neubergschule in Neckarsulm.<br />

— | Brauchen hoch begabte Kinder eine zusätzliche<br />

Förderung?<br />

Damit Begabung nicht zum Problem wird, ist sowohl kognitive<br />

Herausforderung als auch soziale Integration für hoch begabte<br />

Kinder von Bedeutung. Die Förderung kann im Rahmen des<br />

Klassenverbands erfolgen, z.B. durch qualitative Anreicherung<br />

von Lerninhalten (Freiarbeit, Erarbeitung von Referaten) oder<br />

durch »extraschwere« Hausaufgaben. Doch nicht immer reicht<br />

dies aus.<br />

— | Wer macht mit?<br />

Kein Kind trägt das Schild »hoch begabt« um den Hals. Und<br />

doch wird schon früh deutlich: Manche Kinder sind besonders<br />

kreativ und phantasievoll, sie haben Interesse an komplexen Aufgaben<br />

und lösen gern knifflige Probleme. Aber emotional und im<br />

sozialen Verhalten reagieren die Kandidatinnen und Kandidaten<br />

für die »Denk-AG« wie alle Kinder ihres Alters. Aus vier Parallelklassen<br />

der Neubergschule kommen Kinder in der Arbeitsgemeinschaft<br />

zusammen.<br />

— | Was macht die Denk-AG?<br />

Lern- und Strategiespiele mag dieser Kreis besonders, aber<br />

auch mathematische Aufgaben – etwa geometrische Gesetzmäßigkeiten<br />

erkennen oder: Was bedeutet Unendlichkeit?<br />

Sprachphilosophische Betrachtungen machen nachdenklich: Was<br />

ist eigentlich Gegenwart? Ist nicht das, was wir gerade denken,<br />

sagen und tun, im gleichen Moment bereits Vergangenheit?<br />

Leben wir also – statt in der Gegenwart – immer nur zwischen<br />

Vergangenheit und Zukunft? Nicht zuletzt skurrile Paradoxien<br />

faszinieren: Warum ist Achill langsamer als die Schildkröte?<br />

— | Die Ziele der Denk-AG<br />

Entsprechend ihren kognitiven Fähigkeiten sollen begabte<br />

Kinder gefördert und gefordert werden. Vor allem aber sollen sie<br />

spüren, dass sie keine Außenseiter sind, sondern voll anerkannt<br />

werden.<br />

Kontakt: Rektor Hans Peter Brugger,<br />

Neuberg-<strong>Grundschule</strong> Neckarsulm,<br />

Berliner Straße 11, 74192 Neckarsulm<br />

Ein regionales Nachmittagsangebot<br />

Die Kinder- und Jugendakademie<br />

Stuttgart …<br />

…bietet freiwillige Arbeitsgemeinschaften als zusätzliche Fördermöglichkeit<br />

für besonders begabte Kinder der <strong>Grundschule</strong><br />

und der Sekundarstufe I.<br />

Alle Veranstaltungen finden nachmittags statt, vorerst hauptsächlich<br />

an außerschulischen Lernorten (z.B. Museen) im Bereich<br />

Stuttgart. Die Teilnahme an den Kursen ist kostenlos.<br />

Bei einem ersten »Schnupperangebot« wurde auf Zugangsbeschränkungen<br />

verzichtet. Eltern sollten die Teilnahme an den<br />

Kursen mit ihren Kindern sowie den Lehrerinnen und Lehrern<br />

besprechen, um Enttäuschungen – etwa durch Überforderung –<br />

zu vermeiden.<br />

— | Das erste Kursangebot<br />

> Zauber der Technik<br />

> Chemie-Experimente für Kinder der <strong>Grundschule</strong><br />

> Kreatives Schreiben (Kunstwerke als Anreiz zum freien<br />

Schreiben)<br />

> Mathe – mal anders<br />

> Herstellen eines Geschichtenbuchs mit dem Computer<br />

> Mikroskopieren: Früchte, Samen, Blätter, Fossilien.<br />

Erste Erfahrungen zeigen, dass die mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

und technischen Themen ein besonders großes<br />

Interesse finden.<br />

Ab dem Schuljahr 1999/2000 werden die Arbeitsgemeinschaften<br />

für Schülerinnen und Schüler der weiterführenden<br />

Schulen auch für Grundschulkinder geöffnet. Zusätzliche Arbeitsgemeinschaften<br />

an zentral gelegenen <strong>Grundschule</strong>n werden<br />

angeboten.<br />

Wo Kinder ihre erste Lernfreude durch Unterforderung verloren<br />

haben, gibt die Kinder- und Jugendakademie Stuttgart einen<br />

neuen Schub.<br />

Kontakt: Erika Krause, Konrektorin an der<br />

Mühlbachhof-<strong>Grundschule</strong> in Stuttgart,<br />

Parlerstr. 100, 70192 Stuttgart<br />

37


38<br />

<strong>Thema</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

»Frau Schavan, gehört der Computer<br />

in die <strong>Grundschule</strong>?«<br />

»Ja, an ganz bestimmte Stellen.«<br />

Wo wird eigentlich der PC in der<br />

<strong>Grundschule</strong> aufgestellt? – Das ist keine<br />

bloß praktische, sondern eine pädagogische<br />

Frage.<br />

Der Grundschul-PC gehört nicht in<br />

einen gesonderten Fachraum. Er soll und<br />

kann in die »Lernlandschaft« des Klassenraumes<br />

als fester Bestandteil eines umfassenden<br />

Unterrichtskonzeptes eingebaut werden.<br />

Lehrer oder Lehrerin werden sich selbst<br />

bei der besten Lernsoftware nie auf die<br />

Rolle eines bloßen »Moderators« zurückziehen<br />

können. Aber ein Vorteil liegt auf<br />

der Hand: Während sich die eine Schülergruppe<br />

einmal 10 Minuten konzentriert<br />

mit den Lernschritten des Programms beschäftigt,<br />

kann die Lehrerin oder der Lehrer<br />

einer anderen Gruppe größere Aufmerksamkeit<br />

schenken. Der Computer<br />

schafft Freiraum für pädagogische Vielfalt<br />

in der Klasse.<br />

Nicht das Erlernen des Umgangs mit<br />

der Technik ist das Ziel des Computereinsatzes<br />

in der <strong>Grundschule</strong>. Es geht darum,<br />

die Vorteile guter Lernsoftware für<br />

die klassischen Lernziele der <strong>Grundschule</strong><br />

zu nutzen. Der Umgang mit dem Computer<br />

ist nicht das Lernziel, sondern der<br />

Lernweg zur Beherrschung von Lesen,<br />

Schreiben, Rechnen, zur Entfaltung von<br />

Kreativität und manchem anderen mehr.<br />

Die Kinder sitzen nicht einsam vor<br />

dem Bildschirm. In der Regel sind sie zu<br />

dritt und werden von der Lehrerin oder<br />

dem Lehrer unterstützt. Wenn die erste<br />

Einführung gelungen ist, sollen sich die<br />

Kinder gegenseitig helfen. Selbstständigkeit<br />

und Sozialkompetenz können so gestärkt<br />

werden.<br />

Das Arbeiten am Computer motiviert,<br />

es fesselt gelegentlich sogar und verschafft<br />

auch manchem unkonzentrierten Kind<br />

die gute Erfahrung, eine Sache gründlich<br />

und ausdauernd zu einem sichtbaren Erfolg<br />

gebracht zu haben.<br />

Viele Lernprogramme sind auf individuelle<br />

Schwierigkeitsstufen einstellbar und<br />

geben unmittelbare Erfolgsbestätigung. So<br />

kann gerade bei schwächeren Schülerinnen<br />

und Schülern die Lernfreude gefördert<br />

werden.<br />

Ein Kapitel des Computereinsatzes in<br />

der <strong>Grundschule</strong> wird oft ganz vergessen:<br />

Für viele behinderte Kinder wird der<br />

Computer zur Prothese, die ihnen neue<br />

Horizonte des Handelns und des Lernens<br />

eröffnet.<br />

Hier eine kleine Auswahl von Grundschul-Aktivitäten<br />

mit dem PC, zusammengestellt<br />

von Hildegard Rimkus und<br />

Rita Reuß, die an der Silcherschule in<br />

Fellbach pädagogische Pionierarbeit mit<br />

dem PC geleistet haben:<br />

— | Individuelle Lernwege<br />

Hauptsächlich im Heimat- und Sachunterricht,<br />

aber auch in den musischen<br />

Fächern finden Schülerinnen und Schüler<br />

mit Hilfe von Datenbanken wie z. B. »Winnie«,<br />

»Meine erste Reise um die Welt«<br />

oder »Encarta« ihre persönlichen Lernwege<br />

und setzen eigene Interessenschwerpunkte.<br />

— | Gezielte Übung<br />

Sowohl im Mathematik- als auch im<br />

Deutschunterricht motivieren Trainingsprogramme<br />

wie »IXI-Olympiade«, »Abakus«,<br />

»Blitzrechnen« oder »Rosenkränzer«<br />

und »Uniwort« zum Üben von Grundfertigkeiten.<br />

Von besonderem Vorteil sind<br />

die sofortige Fehlerrückmeldung und direkte<br />

Leistungsmessung.


— | Konstruieren und Gestalten<br />

Für die Geometrie bieten die Programme<br />

»BAUWAS« und »Igel« vielfältige<br />

kreative Konstruktions-, Gestaltungs- und<br />

Übungsmöglichkeiten.<br />

— | Kreatives Schreiben und<br />

Gestalten<br />

Täglich gibt es Anlässe, eigene Texte zu<br />

erstellen und zu gestalten. Dafür hat sich<br />

das »Junior Schreibstudio« mit seiner Clipart-<br />

und Rahmensammlung hervorragend<br />

bewährt. Mit der digitalen Kamera aufgenommene<br />

oder gescannte Bilder können<br />

bearbeitet und in Texte eingebunden werden.<br />

— | Fehlerdiagnose<br />

Diagnostikprogramme für Deutsch<br />

und Mathematik enthalten gestufte Diktate<br />

und Tests, die von Schülerinnen und<br />

Schülern der verschiedenen Klassenstufen<br />

bearbeitet und vom Computer ausgewertet<br />

werden. Die daraus resultierenden Fehleranalysen<br />

sind die Grundlage für gezielte<br />

Fördermaßnahmen und individuelle Förderpläne.<br />

— | Förderung von Schülerinnen und<br />

Schülern mit Schwierigkeiten im<br />

Lesen und/oder Rechtschreiben<br />

Kinder mit Lese-Rechtschreib-Schwäche<br />

arbeiten nach individuell erstellten Förderplänen<br />

mit dem PC. Bewährt haben<br />

sich hierfür die Programme »CESAR«<br />

»Lesen 1.0«, »GUT 1« und »Universelles<br />

Worttraining GUT 2«.<br />

— | Interaktives Arbeiten und Lernen<br />

Programme, bei denen Lernen und<br />

Üben in Sinn- und Sachzusammenhängen<br />

stattfindet, sind bei den Kindern sehr beliebt.<br />

Interaktives Eingreifen in Rahmen-<br />

handlungen wie beim Programm »Meisterdetektive<br />

jagen Lork« machen das<br />

Lernen spannend. »Fit in Mathe. Geometrie«<br />

führt individuell durch das<br />

<strong>Thema</strong> Flächen und Körper.<br />

— | Denk- und Logikschulung<br />

Für leistungsstarke Kinder werden Programme<br />

angeboten, die über die Schulung<br />

von Konzentration und Wahrnehmung<br />

hinaus viel Stoff zum Knobeln geben. Die<br />

Logik-, Lern- und Strategiespiele »Zahlix<br />

im Knobelland«, »Stadt-Ralley« und »Prof.<br />

Tims verrückte Werkstatt« fordern viele<br />

Schülerinnen und Schüler heraus.<br />

— | Kreatives Malen<br />

Mit »Paint« lassen sich Kunstwerke aus<br />

geometrischen Figuren mit verschiedenen<br />

Linienformen kombinieren und einfärben.<br />

Auf diese Weise entstehen neue<br />

»Miros« oder »Kandinskys« – mit dem<br />

Vorteil, dass sie immer wieder verändert<br />

werden können.<br />

— | Literaturhinweise<br />

Das Landesinstitut für Erziehung und<br />

Unterricht, Wiederholdstr. 13, 70174 Stuttgart,<br />

hat folgende Beiträge veröffentlicht:<br />

> Software-Beratung in der <strong>Grundschule</strong>,<br />

SW 13, November 1997<br />

> Software-Beratung in der <strong>Grundschule</strong>,<br />

SW 14, November 1998<br />

Unter der Zugangsadresse www.leu.bw.schule.de/allg/schaufenster01,<br />

Stichwort: Kurzinformationen, liegen Programmgutachten in Kurzform vor.<br />

Neue Publikationen werden unter www.leu.bw.schule.de/allg (Menüpunkt<br />

Publikationen) angekündigt.<br />

39


40<br />

<strong>Thema</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

Begabungen fördern –<br />

Hoch begabte Kinder in der<br />

<strong>Grundschule</strong><br />

In dieser Broschüre sind die Vorträge und<br />

Ergebnisse des gleichnamigen Symposions dokumentiert,<br />

das am 12. Mai 1998 vom Kultusministerium<br />

in Zusammenarbeit mit der Deutschen<br />

Gesellschaft für das hoch begabte Kind (Landesverband<br />

<strong>Baden</strong>-Württemberg) veranstaltet<br />

wurde: Das bildungspolitische Grundsatzreferat<br />

von Kultusministerin Dr. Schavan »Die <strong>Grundschule</strong><br />

setzt Maßstäbe« und die Referate namhafter<br />

Experten, die den aktuellen Forschungsstand zur<br />

Erkennung und Förderung hoch begabter<br />

Kinder aus lerntheoretischer, entwicklungspsychologischer<br />

und lernbiologischer Perspektive beleuchten,<br />

sind hier ebenso nachzulesen wie die<br />

Diskussions- und Arbeitsergebnisse der sieben<br />

Workshops. Ein ausführlicher Serviceteil mit<br />

Ansprechpartnern und Beratungsangeboten für<br />

Eltern und Schulen rundet die Dokumentation<br />

ab.<br />

Video zum Schulversuch:<br />

»Schultüten zweimal<br />

im Jahr – Schulanfang<br />

auf neuen<br />

Wegen«<br />

Der Name ist zum Markenzeichen<br />

für baden-württembergische<br />

Bildungspolitik geworden: »Schulanfang<br />

auf neuen Wegen«. Was dahinter<br />

steckt, zeigt eine Videoproduktion des Südwestrundfunks,<br />

die in SWR 3 gesendet wurde.<br />

»Schulanfang auf neuen Wegen« ist aufgrund der hohen Zahl<br />

der beteiligten Schulen das größte Innovationsfeld in <strong>Baden</strong>-<br />

Württembergs <strong>Grundschule</strong>n. Im Zentrum des breit angelegten<br />

Schulversuches steht die Weiterentwicklung organisatorischer und<br />

didaktisch-methodischer Konzepte in der <strong>Grundschule</strong>. Den flexiblen<br />

Einschulungstermin – zweimal im Jahr, im Februar und im<br />

September – bieten zahlreiche <strong>Grundschule</strong>n des Landes an. Die<br />

Kinder, die im Februar eingeschult werden, kommen in eine bereits<br />

bestehende Klasse hinein. Dadurch ergibt sich eine jahrgangsgemischte<br />

Eingangsstufe aus Klasse 1 und 2, in der die Mädchen<br />

und Jungen zwischen einem und drei Jahren verweilen können.<br />

Sitzen bleiben gibt es nicht mehr – ein psychologisch wichtiger<br />

Aspekt für die Kleinen.<br />

Lese- und Rechtschreibprobleme<br />

in der <strong>Grundschule</strong><br />

Unterschiedliche Ursachen in kombinierter<br />

Form führen zum Erscheinungsbild einer Leseund/oder<br />

Rechtschreibschwäche. Die Broschüre<br />

zeigt verschiedene Diagnose- und Förderansätze<br />

auf und gibt Hilfen für den Unterricht.<br />

Schwierigkeiten<br />

im Mathematikunterricht<br />

in der<br />

<strong>Grundschule</strong><br />

Besondere Schwierigkeiten beim Erlernen des<br />

Rechnens sind erst seit Beginn der achtziger Jahre<br />

ein <strong>Thema</strong> für Wissenschaft und Schulpraxis geworden.<br />

Das Heft will Lehrerinnen und Lehrern<br />

sowie Eltern für die Probleme der Kinder mit<br />

Schwierigkeiten in Mathematik sensibilisieren und<br />

mögliche Hilfen aufzeigen.<br />

Bezugsadresse: Landesinstitut für Erziehung und<br />

Unterricht, Wiederholdstr. 13, 70174 Stuttgart. Die<br />

Broschüre »Lese- und Rechtschreibprobleme in der<br />

<strong>Grundschule</strong>« kostet DM 10,–. Empfohlen wird eine<br />

schulweise Sammelbestellung. Bei Rechnungsbeträgen<br />

unter DM 30,– wird zusätzlich eine Verpackungs-<br />

und Versandkostenpauschale in Höhe<br />

von DM 5,– erhoben. Die Dokumentation zur Begabtenförderung<br />

sowie die Broschüre »Schwierigkeiten<br />

im Mathematikunterricht in der <strong>Grundschule</strong>«<br />

gibt es – unter Beilage eines mit DM 3,–<br />

frankierten Rückumschlags (DIN A4) – kostenlos.<br />

Am <strong>Thema</strong> <strong>Grundschule</strong><br />

haben<br />

mitgearbeitet:<br />

Susanne Schmidt, Heidemarie Scheel<br />

(<strong>Grundschule</strong> Obertürkheim); Erika<br />

Krause (Mühlbachhof-<strong>Grundschule</strong><br />

Stuttgart), Hildegard Rimkus, Rita<br />

Reuß (Silcherschule Fellbach);<br />

Christine Kaufmann-Schmid,<br />

Riederich; Heinz Jansen<br />

(Wolfbuschschule Weilimdorf);<br />

Helga Willers (Staatliches Schulamt<br />

Nürtingen); Ursula Stock (Seminar<br />

für schulpraktische Ausbildung<br />

[GHS] Schwäbisch Gmünd); Hans<br />

Peter Brugger (Neuberg-<strong>Grundschule</strong><br />

Neckarsulm); Christa<br />

Engemann, Maria Anna Franz,<br />

Wolfgang Riefler, Wolfgang Schiele,<br />

Detlef Böhme, Georg Eickhoff<br />

(Kultusministerium)<br />

Das eigene Lerntempo bestimmen<br />

Der 30-minütige Film zeigt unter anderem am Beispiel der<br />

<strong>Grundschule</strong> Wolfartsweier, Stadtkreis Karlsruhe, wie individuelle<br />

Lernformen in einem offenen Unterricht auf die Kinder wirken:<br />

die Schülerinnen und Schüler bekommen so bereits ganz am Anfang<br />

ihrer »Schulkarriere« vermittelt, wie sie selbstständig arbeiten<br />

können – und das in ihrem eigenen Lerntempo.<br />

Bemerkenswert ist auch das »Helfersystem«, das sich zwischen<br />

den älteren Schulanfängern und den »Frischlingen« entwickelt.<br />

Der Film zeigt außerdem die neuen Zuschnitte der Grundschulförderklassen:<br />

Eine starke Verzahnung mit der 1. Klasse<br />

bringt Vorteile. Die Kinder können ganz nach ihren individuellen<br />

Fähigkeiten und zeitlich gleitend von der Grundschulförderklasse<br />

in die 1. Klasse wechseln.<br />

Wie kommen die Beteiligten mit der veränderten <strong>Grundschule</strong><br />

zurecht? Was bringt der offene Unterricht und die verstärkte<br />

Sozialerziehung des neuen Schulmodells? Wie geht es nach dem<br />

Modellversuch weiter? Antworten auf diese Fragen gibt’s im O-<br />

Ton von betroffenen Kindern, Eltern, Lehrkräften und von Kultusministerin<br />

Dr. Annette Schavan.<br />

Das Video »Schultüten zweimal im Jahr – Schulanfang auf neuen<br />

Wegen« kann in <strong>Baden</strong>-Württemberg bei der Landesbildstelle<br />

Württemberg, Rotenbergstr. 111, 70190 Stuttgart, in den anderen<br />

Bundesländern bei den Landesbildstellen unter der Mediennummer<br />

4283698 zum Preis von DM 16,– erworben werden.


Schule und Arbeitswelt<br />

Allen Jugendlichen berufliche<br />

Perspektiven eröffnen!<br />

»Die Krise hat die Jugend erreicht«,<br />

so lautet das Fazit der jüngsten<br />

Shell-Jugendstudie.<br />

So viele Sorgen um ihre eigene<br />

Zukunft wie derzeit haben sich<br />

Jugendliche schon lange nicht<br />

mehr gemacht. Am meisten<br />

bedrückt sie dabei die Sorge um<br />

einen sicheren Ausbildungs- und<br />

Arbeitsplatz. Während sich jugendliche<br />

Zukunftsängste vor zehn,<br />

fünfzehn Jahren noch hauptsächlich<br />

am <strong>Thema</strong> Umweltzerstörung<br />

festmachten, sind es heute vor<br />

allem die Probleme der Arbeitswelt,<br />

die für junge Menschen – über alle<br />

Ausfächerungen verschiedener<br />

Jugendkulturen hinweg – eine<br />

»prägende Generationserfahrung«<br />

darstellen.<br />

Empfehlungen des Sachverständigenrats<br />

»Berufliche Bildung«<br />

Dabei gehört die Berufsausbildung seit Jahren zu den dynamischsten<br />

und innovativsten Bereichen. Die beruflichen Qualifizierungsmöglichkeiten<br />

und Chancen in Deutschland sind im<br />

Vergleich zu anderen europäischen Ländern gut. Fast zwei Drittel<br />

der Jugendlichen eines Jahrgangs durchlaufen das berufliche<br />

Schulwesen. Die Berufsschule, Partner des Betriebs in der dualen<br />

Berufsausbildung, besuchen in <strong>Baden</strong>-Württemberg derzeit ca.<br />

190.000 Schülerinnen und Schüler in ungefähr 250 Ausbildungsberufen.<br />

Besonders beliebt sind die Berufe Kraftfahrzeugmechaniker/in,<br />

Bürokaufmann/frau, Kaufmann/frau im Einzelhandel,<br />

Industriekaufmann/frau und Arzthelfer/in. Daneben gibt<br />

es viele Vollzeitschulen, in denen z.B. ein mittlerer Bildungsabschluss<br />

oder die Fachhochschulreife erlangt werden können.<br />

<strong>Baden</strong>-Württemberg verfügt insgesamt über ein gut ausgebautes<br />

Netz beruflicher Vollzeitschulen. Mit einem Anteil von ca. 39%<br />

steht es bundesweit an der Spitze.<br />

Neue Berufe wie im rasch wachsenden Bereich der Informations-<br />

und Kommunikationstechnik, z.B. IT-Systemelektroniker/in<br />

und Fachinformatiker/in, stehen für ein aktuelles Angebot<br />

an zukunftsträchtigen Berufen.<br />

Kontinuierliche Lehrerfortbildung und moderne Ausstattungen<br />

der beruflichen Schulen zählen dabei zu den Grundvoraussetzungen.<br />

— | Aktionsprogramm »Berufliche Bildung«<br />

Die Landesregierung hat bereits 1995 mit dem Aktionsprogramm<br />

»Berufliche Bildung« auf die angespannte Ausbildungssituation<br />

reagiert. Weitere wichtige konzeptionelle Anregungen<br />

zu dieser Problematik erbrachte das 1997 durchgeführte Symposium<br />

»Bildung und Arbeitswelt«.<br />

Um darüber hinaus, orientiert an den Erfordernissen des wirtschaftlichen<br />

wie technischen Modernisierungsprozesses, weitere<br />

Impulse und Ideen für eine zukunftsgerechte berufliche Bildung<br />

zu entwickeln, hat Kultusministerin Schavan im September 1997<br />

Mitglieder des<br />

Sachverständigenrates<br />

Cornelia Batt-Behrendt<br />

<strong>Baden</strong>-Württembergischer<br />

Handwerkstag Stuttgart<br />

Sigrid Birk<br />

Matthias-Erzberger-Schule<br />

Biberach<br />

Rainer Dahlem<br />

Gewerkschaft Erziehung und<br />

Wissenschaft<br />

Rolf Dörflinger<br />

Sprecher der Berufsschullehrerverbände<br />

<strong>Baden</strong>-<br />

Württemberg<br />

Dr. Martin Frädrich<br />

<strong>Baden</strong>-Württembergischer<br />

Industrie- und<br />

Handelskammertag<br />

Hartmut Römpp<br />

Staatsministerium<br />

Jürgen Göttler<br />

J. M. Voith GmbH<br />

Hans Lambacher<br />

DGB Landesverband<br />

Dieter Laux<br />

Werner-von-Siemens-Schule<br />

Mannheim<br />

Wolfgang Gerlach<br />

Landesarbeitsamt<br />

Elke Martin-Ehret<br />

Wirtschaftsprüfung/Steuerberatung<br />

Emmendingen<br />

Dr. Reinhold Mayerle<br />

Wirtschaftsministerium<br />

Claus Munkwitz<br />

Handwerkskammer Region<br />

Stuttgart<br />

Ernst Mutscheller<br />

Landesvereinigung <strong>Baden</strong>-<br />

Württembergischer<br />

Arbeitgeberverbände e. V.<br />

Ingeborge Schöffel-Tschinke<br />

Landesschulbeirat<br />

Klaus Sommer<br />

Förderband e. V. Mannheim<br />

Siegfried Specker<br />

Kaufmännische Schulen<br />

Tuttlingen<br />

Jochen Strasser<br />

Firma Jochen Strasser<br />

Tübingen<br />

Rosemarie Stürmlinger<br />

Oberschulamt Freiburg<br />

41


42<br />

Schule und Arbeitswelt<br />

einen Sachverständigenrat »Berufliche Bildung« eingesetzt. Mitglieder<br />

dieses Gremiums waren: Fachleute aus Arbeitgeberverbänden,<br />

Kammern, Betrieben und Gewerkschaften, Vertreter<br />

des Landesarbeitsamtes, der Schulverwaltung und des Wirtschaftsministeriums<br />

sowie Schulpraktiker und Mitarbeiter der sozialen<br />

und berufsweltorientierten Jugendarbeit.<br />

»Lernortkooperation«, »Praktisch begabte Schülerinnen und<br />

Schüler«, »Weiterentwicklung des Lernkonzepts der Hauptschule«,<br />

»Schwache Schülerinnen und Schüler«, »Handlungsspielraum<br />

der Schule«, »Anrechnungsfähige Bildungsgänge« –<br />

lauteten die Themen, mit denen sich der Sachverständigenrat in<br />

sechs Arbeitsgruppen auseinander gesetzt hat. Die Formulierungen<br />

zeigen schon, wo die Experten der beruflichen Bildung besonderen<br />

Handlungsbedarf sehen.<br />

— | Empfehlungen des Sachverständigenrats<br />

Die Ergebnisse der sechs Arbeitsgruppen sind in den<br />

Empfehlungen des Sachverständigenrats vom 12. Mai 1999 zusammengestellt.<br />

1. Das duale System hat Priorität<br />

Mit dem dualen System der Berufsausbildung verbindet sich<br />

aus Sicht der Experten ein wichtiger Standortvorteil, vor allem<br />

auch deshalb, weil es Jugendlichen gute Berufschancen eröffnet.<br />

Zur Weiterentwicklung müsse in erster Linie die Leistungsfähigkeit<br />

der Berufsschule als Hauptstütze des beruflichen Schulwesens<br />

gestärkt werden, z.B. durch moderne Lehr- und Lernmittel,<br />

Werkstätten auf neuestem Stand und eine permanente Lehrerfortbildung.<br />

2. Die Ausbildungszeiten sind zu lang<br />

Aktuelle Statistiken belegen, dass sich nur noch ca. 30% der<br />

Realschülerinnen und -schüler eines Jahrgangs für den direkten<br />

Einstieg in eine berufliche Ausbildung im dualen System entscheiden.<br />

Immer mehr Jugendliche drängen nicht zuletzt wegen<br />

der angespannten Situation auf dem Lehrstellenmarkt in vollzeit-<br />

Die Leitfragen des Sachverständigenrates:<br />

1. Wie qualifizieren wir die zunehmende Zahl von Absolventen aus den allgemein bildenden<br />

Schulen, die (noch) keine Ausbildung im dualen System aufnehmen?<br />

2. Welche Qualifizierungschancen können wir den jungen Menschen mit Defiziten, den eher<br />

praktisch Begabten anbieten, damit sie nicht auf der Strecke bleiben?<br />

3. Welche Maßnahmen sind notwendig, um die rasanten technischen und wirtschaftlichen<br />

Entwicklungen in den Arbeitsprozessen der Betriebe im beruflichen Bildungssystem<br />

angemessen zu berücksichtigen?<br />

schulische Bildungsgänge, um danach doch noch eine Berufsausbildung<br />

im dualen System zu machen. Dadurch werden die<br />

Ausbildungszeiten verlängert und wertvolle Ressourcen gebunden.<br />

Deshalb sollten die vollzeitschulischen Bildungsgänge vermehrt<br />

duale Elemente (z.B. im Rahmen von Übungsfirmen oder<br />

Betriebspraktika) enthalten, und so erworbene Bildungsabschlüsse<br />

sollten zumindest teilweise auf die anschließende<br />

Berufsausbildung angerechnet werden.<br />

Am Schulversuch »Kaufmännisches Berufskolleg mit Übungsfirma«<br />

beteiligen sich im Schuljahr 1999/2000 sechs Schulen.<br />

Eine Übungsfirma, wie z.B. die Firma »Uncover« an der Robert-<br />

Gerwig-Schule in Singen, die in Zusammenarbeit mit der Firma<br />

Schiesser Damen- und Herrenunterbekleidung vertreibt, ist ein<br />

fiktives Handelsunternehmen, das aber wie ein real existierendes<br />

agiert. Hier können die Schüler theoretisch erworbene Kenntnisse<br />

in der Praxissimulation anwenden und Arbeitshandeln unter<br />

realitätsnahen Bedingungen üben.<br />

3. Praktisch Begabte einbeziehen<br />

Für Jugendliche mit vorwiegend praktischer Begabung stellen<br />

die theoretischen Anforderungen in einigen Ausbildungsberufen<br />

eine große Hürde dar. Der Sachverständigenrat empfiehlt deshalb,<br />

das bereits bestehende Angebot besonderer Ausbildungsgänge<br />

(zum Beispiel zum Teilezurichter) für praktisch begabte<br />

Jugendliche noch konsequenter zu nutzen und durch die Modifizierung<br />

dieser Bildungsgänge weiter zu verbessern.<br />

4. Ausbildungsreife ist Aufgabe aller allgemein<br />

bildenden Schulen<br />

Häufig haben Schüler der allgemein bildenden Schulen von<br />

dem, was auf sie in der Arbeitswelt zukommt, nur eine unzureichende<br />

Vorstellung. Beim Übergang von der Schule in die<br />

Berufswelt besteht die Gefahr, dass sie zu Beginn mit den vorgegebenen<br />

Rahmenbedingungen – Arbeitszeit, Vorgesetzte, Leistungsanforderungen<br />

– überfordert sind. Um dem »Praxisschock«<br />

vorzubeugen, sollte konsequenter die Möglichkeit eröffnet wer


den, in Betrieben die moderne Arbeits- und Berufswelt kennen<br />

zu lernen (Betriebspraktika, Berufsorientierung). Eine Schlüsselfunktion<br />

hat hier künftig die verstärkte Beteiligung von Fachleuten<br />

aus dem Bereich der beruflichen Bildung an der Erstellung<br />

von Lehrplänen der allgemein bildenden Schulen.<br />

5. Schulsozialarbeit verstärken<br />

An vielen Schulen wird die pädagogische Arbeit durch soziale<br />

Probleme belastet. Um den betroffenen Jugendlichen gezielte<br />

Hilfen und Beratungsmöglichkeiten anzubieten, empfiehlt der<br />

Sachverständigenrat den weiteren Ausbau der Schulsozialarbeit.<br />

Für leistungsschwächere, nicht selten aus sozial belasteten<br />

Familien kommende Jugendliche stellt insbesondere der Übergang<br />

von der Schule in die Arbeitswelt ein gravierendes Problem<br />

dar. Im Blick darauf hat <strong>Baden</strong>-Württemberg das Projekt<br />

Jugendberufshelfer entwickelt (siehe auch Seite 44 /45).<br />

6. Bildung als Standortfaktor<br />

Der Sachverständigenrat teilt die Auffassung der Landesregierung,<br />

dass Bildung ein bedeutsamer Standortfaktor ist. Um<br />

auf den Weltmärkten auch zukünftig konkurrenzfähig zu sein,<br />

muss gezielt in den Bildungssektor investiert werden. Darüber<br />

hinaus sollte sich die Institution Schule verstärkt unternehmerisch<br />

orientieren und sich als »Dienstleister für Bildung« profilieren.<br />

Dieses neue Selbstverständnis von Schule erfordert – so der<br />

Sachverständigenrat – neben schulorganisatorischen Änderungen<br />

insbesondere eine Erweiterung des Handlungs- und Entscheidungsspielraums<br />

der einzelnen Schule, zum Beispiel bei der Lehrereinstellung<br />

oder auch bei der Beförderung von Lehrerinnen<br />

und Lehrern. Veronika Gulde, Jochen Würstle<br />

Der vollständige Text der Empfehlungen kann im Internet<br />

unter www.kultusministerium.baden-wuerttemberg.de/<br />

schulmagazin nachgelesen werden.<br />

Die neue Ausgabe<br />

der Informationsbroschüre»Berufliche<br />

Bildung in<br />

<strong>Baden</strong>-Württemberg«<br />

kann bei der<br />

Öffentlichkeitsarbeit<br />

des Kultusministeriums<br />

(Postfach 10 34 42,<br />

70029 Stuttgart)<br />

kostenlos angefordert<br />

werden.<br />

Ingeborge Schöffel-Tschinke,<br />

die Vorsitzende des Landesschulbeirats,<br />

über ihre Arbeit<br />

im Sachverständigenrat:<br />

Das berufliche Schulwesen ist ein besonders<br />

innovativer Sektor unseres Bildungssystems. Die<br />

Auswirkungen von Fusionen, modernen Techniken,<br />

Globalisierung und Rationalisierung erfordern<br />

eine ständige Anpassung der beruflichen<br />

Bildung. Als Vorsitzende des Landesschulbeirats<br />

ist mir die Leistungsfähigkeit einerseits und die<br />

Herausforderung an die berufliche Bildung andererseits<br />

bestens bekannt. Daher war es für mich<br />

eine spannende Aufgabe, im Sachverständigenrat<br />

»Berufliche Bildung« mitzuarbeiten und zugleich<br />

für die Arbeitsgruppe »Weiterentwicklung<br />

des Lernkonzepts der Hauptschule« verantwortlich<br />

zu sein.<br />

Es ist mir ein großes Anliegen zu verdeutlichen,<br />

dass Fragen der beruflichen Bildung bzw. der<br />

Berufswahl früh gestellt werden. Allgemein bildende<br />

Schulen und berufliche Schulen müssen<br />

hier künftig zusammenarbeiten. Die Sicherung<br />

der beruflichen Zukunft ist für die Mehrzahl unserer<br />

Jugendlichen die alles entscheidende Frage.<br />

Zur Verbesserung der Vorbereitung junger Menschen<br />

– insbesonders in der Hauptschule – haben<br />

wir im Sachverständigenrat die in der Arbeitsgruppe<br />

erarbeiteten Vorschläge aufgenommen.<br />

Dem Kultusministerium haben wir Vorschläge<br />

zur Kooperation und Verzahnung zwischen Hauptschule<br />

und beruflichen Schulen, Vorschläge zur<br />

Verbesserung der Lern- und Rahmenbedingungen<br />

in der Hauptschule, die insbesondere die innere<br />

Schulreform betreffen, unterbreitet.<br />

Als Kennerinnen und Kenner der beruflichen Bildung<br />

haben wir konkrete Handlungsempfehlungen<br />

zur Weiterentwicklung des beruflichen<br />

Schulwesens in <strong>Baden</strong>-Württemberg entwickelt<br />

und einstimmig verabschiedet.<br />

Als Resümee bleibt: Wir, die Mitglieder des Sachverständigenrats,<br />

haben mit unseren Empfehlungen<br />

versucht, einen Beitrag zur Sicherung der Zukunftschancen<br />

der jungen Generation in <strong>Baden</strong>-<br />

Württemberg zu leisten.<br />

Das <strong>Thema</strong> Bildung und Erziehung muss ganz<br />

oben auf der politischen Prioritätenliste angesiedelt<br />

sein. Investitionen in diesem Bereich sind<br />

Voraussetzung dafür, dass Deutschland im harten<br />

Konkurrenzkampf auf dem Weltmarkt bestehen<br />

kann.<br />

43


44<br />

Schule und Arbeitswelt<br />

In Schwäbisch Hall wurde der<br />

Jugendberufshelfer<br />

erfunden<br />

Jugendberufshelfer Frank Spellenberg<br />

»Ich möchte Floristin werden, aber noch habe ich keine<br />

Lehrstelle«, sagt Nicole. Sie kommt von der Förderschule und ist<br />

im Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) an der Hauswirtschaftlichen<br />

Berufsschule in Schwäbisch Hall. Mit ihrer fröhlichen, hilfsbereiten<br />

Art ist sie bei ihren Mitschülerinnen und Mitschülern sehr<br />

beliebt. Auch Jenny aus Nigeria gehört zu dieser Klasse. Seit April<br />

ist sie dabei. Als Waise und ohne deutsche Sprachkenntnisse kam<br />

sie ins Hohenlohische. Jetzt macht sie den Hauptschulabschluss<br />

nach. »Zuhause habe ich niemand, mit dem ich deutsch sprechen<br />

kann. In der vorigen Klasse habe ich wenig verstanden.« Für<br />

Jenny wie auch für die anderen Schülerinnen und Schüler ist der<br />

»Jugendberufshelfer« Frank Spellenberg vor allem ein Lebensberater.<br />

In jeder BVJ-Klasse hat er wöchentlich eine Verfügungsstunde.<br />

Auf dem Lehrplan steht Lebenstraining.<br />

Im Mittelpunkt der »Lebensordner«. – Nein, das ist nicht<br />

Frank Spellenberg, sondern die Mappe, in der alle wichtigen Dokumente<br />

jeder Schülerin und jedes einzelnen Schülers gesammelt<br />

sind. Dazu gehören Zeugnisse, Bewerbungen und der Lebenslauf.<br />

»Dass diese Erziehung zur Ordnung notwendig ist, wurde<br />

mir an der Gewerbeschule bewusst. Die Schüler sollten ihre<br />

Abschlusszeugnisse in die Stunde mitbringen. Einer brachte das<br />

Original, säuberlich auf Streichholzschachtelgröße gefaltet, in der<br />

Hosentasche mit«, erzählt Spellenberg.<br />

Die Mädchen in der Klasse haben ihre Unterlagen sorgfältig<br />

eingeheftet: viele Bewerbungen und viele Absagen. Oft können<br />

die beruflichen Vorstellungen, die die Jugendlichen haben, wegen<br />

der ungenügenden Leistungen nicht realisiert werden. »Ich spreche<br />

mit ihnen und versuche Lösungen zu finden, die von den<br />

jungen Menschen akzeptiert und auch verwirklicht werden können«,<br />

so Spellenberg.<br />

Der Diplomsozialpädagoge ist seit 1995 an zwei Schulen<br />

tätig. Durch den engen Kontakt zur Berufsberatung des Arbeitsamtes<br />

Schwäbisch Hall, die das Haller Jugendhilfemodell mit<br />

entwickelt hat, findet er Betriebe, die bereit sind, BVJ-Schüler für<br />

ein mehrwöchiges Praktikum aufzunehmen. Damit ist eine erste<br />

Tür in das Arbeitsleben geöffnet, doch ohne intensive Betreuung<br />

geht es nicht.<br />

Der Lebensordner<br />

— | Wenig Hilfe durch die Eltern<br />

»Jetzt wissen wir, wie wichtig ein gutes Zeugnis ist«, sagt<br />

Manfred. Er will Koch werden und hat eine Lehrstelle in<br />

Aussicht. Spellenberg weiß, wie beschwerlich der Weg bis zu diesem<br />

Punkt für viele ist. »Was können sie dafür? Von den 120<br />

Schülerinnen und Schülern der acht Klassen dieses BVJ haben<br />

nur 45 Jugendliche Deutsch als Muttersprache. Viele Eltern können<br />

ihren Kindern nicht helfen. Die Zugehörigkeit zu anderen<br />

Kulturkreisen ist ein weiteres Problem.«<br />

Disziplin und Durchhaltevermögen lassen sich nicht herbeikommandieren.<br />

»Ich gehe deshalb auch zu den Schülern nach<br />

Hause, aber bei allen kann ich mir das nicht leisten. Ich kann immer<br />

nur Feuerwehr spielen«, sagt der Sozialpädagoge. Heinz<br />

Marsch, Leiter der Gewerblichen Berufsschule, ergänzt: »Viele<br />

Erwachsene lassen spüren, dass die Jugend ungewollt und eine<br />

Last ist. Da werden wir Erwachsene doch unglaubwürdig.« An<br />

seiner Schule mit 1400 Schülern ist seit der Arbeit des Jugendberufshelfers<br />

die Aggressivität insbesondere auch zwischen den<br />

verschiedenen Nationalitäten zurückgegangen. Durch die<br />

Jugendhilfekette, in die im Landkreis Schwäbisch Hall viele<br />

Organisationen, darunter auch die Polizei, eingebunden sind und<br />

die sich regelmäßig treffen, können viele Probleme schon im<br />

Vorfeld geklärt werden. Das Haller Modell hat Schule gemacht,<br />

hier hat sich die Landesregierung »abgeguckt«, was sie inzwischen<br />

zum landesweiten Programm »Jugendberufshelfer« gemacht hat.<br />

Michael (Mitte) informiert sich zusammen mit Frank Spellenberg (links) über die<br />

Ausbildung zum Holzfachwerker


Auch Marliese Hanschke, Fachleiterin an der Hauswirtschaftlichen<br />

Berufsschule Schwäbisch Hall, berichtet von positiven<br />

Erfahrungen: »Wir können viel schneller und flexibler reagieren.«<br />

Besonders positiv sieht sie die Kooperation mit den Förderschulen.<br />

»Dadurch, dass in unseren BVJ-Klassen Lehrer von der<br />

Förderschule unterrichten, ist für die Kinder der Übergang<br />

fließender und wir erhalten mehr biographischen Hintergrund<br />

zu den Schülern«, berichtet Hanschke.<br />

— | Pädagogen mit viel Engagement<br />

Alle BVJ-Lehrer verpflichten sich zum Unterricht freiwillig<br />

und absolvieren dafür noch eine zusätzliche Ausbildung, betont<br />

Marsch. Dreh- und Angelpunkt dieses Modells ist aber der<br />

Jugendberufshelfer. »Für die Schüler bleibe ich auch nach ihrer<br />

Schulzeit eine Vertrauensperson und Ansprechpartner«, meint<br />

Frank Spellenberg. »Ich kann sie doch nicht wegschicken und sagen,<br />

ich bin nicht mehr zuständig. Aber das wird für mich ein<br />

riesiges Zeitproblem.« Feuerwehreinsätze des Jugendberufshelfers<br />

gibt es auch später noch. Sie reichen von der Lebensberatung bei<br />

häuslichen Schwierigkeiten bis zum Gespräch mit der Polizei.<br />

»Junge Menschen mit Lern- und Leistungsbenachteiligung<br />

fallen in unserer Ellbogengesellschaft ohne Unterstützung durch<br />

die Maschen«, ist die Meinung des Leiters der Berufsberatung<br />

beim Arbeitsamt Schwäbisch Hall, Elmar Zeller. Er hat, zusammen<br />

mit Heinz Marsch, dieses Konzept einer Hilfekette für benachteiligte<br />

Jugendliche aufgebaut. Die Kreistage von Schwäbisch<br />

Hall und vom Hohenlohekreis haben dem Modell 1995<br />

zugestimmt, das damit flächendeckend den Arbeitsamtsbezirk<br />

Schwäbisch Hall umfasst. In beiden Kreisen sind heute vier<br />

Jugendberufshelfer tätig. Vor 1995 haben bis zu 20 Prozent der<br />

BVJ-Schüler die Schule abgebrochen, in diesem Schuljahr war es<br />

nur noch einer.<br />

— | Bei der Ausbildung auch Rückschläge<br />

Die Betriebe sehen die BVJ-Schüler ganz gerne als Praktikanten.<br />

»Wir können sie auf diese Weise besser kennen lernen,<br />

als dies bei einer kurzen Vorstellung möglich ist«, sagt Metallbaumeister<br />

Bernhard Peter. Er hat seit 1997 Praktikanten aus<br />

dem BVJ im Betrieb und engagiert sich besonders für deutsche<br />

Aussiedler. »Andreas machte auf mich einen guten Eindruck und<br />

hat sich auch im Praktikum bewährt. Deshalb wollte ich ihn zum<br />

Metallbauer ausbilden.« Gewissenhaft und pünktlich, so kannte<br />

man Andreas im Betrieb, bis er gegen Ende des ersten Lehrjahres<br />

ein Auto kaufte. »Ich habe ihm sehr davon abgeraten, weil er sein<br />

Schulleiter Heinz Marsch<br />

Nach dem Beschluss der Landesregierung<br />

können bis zum Schuljahr<br />

2001/02 landesweit bis zu 60 Projekte<br />

»Jugendberufshelfer« mit<br />

Landesmitteln gefördert werden.<br />

An den Kosten beteiligen sich das<br />

Land und die Arbeitsverwaltung mit<br />

je einem Drittel. Das restliche Drittel<br />

muss von den Stadt- bzw. Landkreisen<br />

als Projektträger oder von<br />

anderer Seite aufgebracht werden.<br />

Geld zusammenhalten sollte«, erzählt der Meister. Andreas verlor<br />

die Lust an der Ausbildung und kam nach dem Urlaub nicht<br />

mehr zurück. »Ich hatte vorher mit den Eltern gesprochen. Der<br />

Vater empfahl Prügel. Dass dies in Deutschland nicht möglich<br />

ist, fand bei ihm wenig Verständnis.«<br />

Ein weiterer Lehrling ließ sich anstecken und brach die Lehre ab.<br />

»Wenn man ein kleiner Betrieb ist und unter Termindruck Aufträge<br />

erfüllen muss, kostet eine Ausbildung mit solchen Höhen<br />

und Tiefen schon manches Mal Nerven«, berichtet Schmiedemeister<br />

Rüdiger Kübler. Viel Geduld und häufiges Wiederholen<br />

des Gesagten sei notwendig. Bei ihm hat Jürgen ein Praktikum<br />

absolviert. »Wenn er sich dahinter klemmt, bilde ich ihn zum<br />

Schlosserfachwerker aus«, sagt der Meister. Von Jürgen ist bei unserem<br />

Besuch zu hören, eigentlich wäre er ja viel lieber Dreher<br />

geworden. »Aber ich denke, ich werde hier jetzt gebraucht«, sagt<br />

er voller Hoffnung auf einen Ausbildungsvertrag. Es gibt hohe<br />

Qualitätsansprüche im Betrieb. »Wir können uns keine Fehler<br />

leisten«, sagt Kübler.<br />

— | Mädchen sind benachteiligt<br />

Mädchen haben es auf dem Arbeitsmarkt besonders schwer,<br />

wenn der Schulabschluss nicht so gut ist. Hannelore Wüst,<br />

Ausbilderin der Unternehmenszentrale Kaufland, ist BVJ-Schülerinnen<br />

gegenüber positiv eingestellt. »Wir haben gute Erfahrungen<br />

gemacht. Die Anstellung einer jungen Türkin mit Kopftuch<br />

war nicht einfach, wir fürchteten Kundenreaktionen. Aber sie ist<br />

eine sehr gute Auszubildende.« Deshalb bekommt Melek jetzt ihre<br />

Ausbildungschance als Kauffrau im Einzelhandel.<br />

Christa Glück, Journalistin, Schwäbisch Hall<br />

Inzwischen interessieren sich mehr und mehr Träger vor Ort für das<br />

Programm »Jugendberufshelfer«. Weitere Informationen gibt es<br />

bei Dr. Veronika Gulde, Kultusministerium <strong>Baden</strong>-Württemberg,<br />

Referat »Bildung und Arbeitswelt«, Postfach 10 34 42, 70029 Stuttgart.<br />

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46<br />

Schule und Arbeitswelt<br />

In der »Schwänzerklasse« zum<br />

Hauptschulabschluss<br />

Das »Förderband«<br />

Mannheim<br />

Seit 1979 unterstützt der Verein Förderband in<br />

Mannheim Jugendliche, die keine geborenen<br />

Olympiasieger sind, auf dem Weg in den<br />

Beruf. Persönlichkeitsentwicklung und soziale<br />

Integration stehen im Mittelpunkt.<br />

In enger Zusammenarbeit mit der Katholischen<br />

Kirche – insbesondere dem Bund der Deutschen<br />

Katholischen Jugend (BDKJ) – wurde ein Netzwerk<br />

geknüpft: Förderband kooperiert mit Schulen und<br />

Betrieben, der Schulverwaltung und den Kammern,<br />

dem Arbeitsamt, der Stadt und der Jugendhilfe.<br />

Einen Schwerpunkt bildet die Schulsozialarbeit im<br />

Berufsvorbereitungsjahr (BVJ). Über die klassische<br />

Sozialarbeit an der Schule selbst hinaus wird dabei<br />

längerfristige Unterstützung für am Arbeitsmarkt<br />

Benachteiligte geleistet.<br />

Die Zahl der Jugendlichen im BVJ hat in Mannheim<br />

in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen:<br />

eine große Herausforderung für Schulen, Lehrer<br />

und Mitarbeiter des Förderbands. Zudem ist die<br />

Gruppe der Schülerinnen und Schüler im Berufsvorbereitungsjahr<br />

sehr heterogen. Denn dazu zählen Hauptschüler,<br />

die keinen Ausbildungsplatz gefunden haben,<br />

Jugendliche ohne Schulabschluss und Förderschüler<br />

sowie Jugendliche, die erst seit kurzem in Deutschland<br />

sind und fast kein Wort Deutsch sprechen.<br />

Schulen und Förderband stellen sich der gesellschaftlichen<br />

Aufgabe, die sich durch den Ausbildungsplatzmangel<br />

für schwächere Jugendliche ergibt<br />

und im BVJ besonders dringlich zu Tage tritt.<br />

Neben traditionellen Aktivitäten, die es seit 1986<br />

gibt – Aktionswochen, Zukunftswerkstatt, Berufsorientierung,<br />

Vermittlung in Ausbildung, Konfliktberatung<br />

–, wurde das Angebot personen- und problemorientiert<br />

erweitert.<br />

— | Die »Schwänzerklasse«<br />

Da ist zum Beispiel Marc, der wegen familiärer Probleme die Hauptschule<br />

in der siebten und achten Klasse nur noch sporadisch besuchte. Weil<br />

er die sechste Klasse bereits wiederholt hatte, verließ er nach der achten die<br />

Schule und kam ins Berufsvorbereitungsjahr. Der regelmäßige Schulbesuch<br />

wurde auch jetzt nicht zu Marcs Lieblingsgewohnheit. Deshalb wurde er in<br />

die so genannte »Schwänzerklasse« aufgenommen.<br />

Das Konzept der »Schwänzerklasse« wurde vom Förderband gemeinsam<br />

mit der Justus-von-Liebig Schule (Mannheim) entwickelt. Intensive persönliche<br />

Unterstützung soll eine berufliche Perspektive eröffnen.<br />

Marc wurde zu Beginn des Schuljahres fast regelmäßig von Stefan<br />

Ronellenfitsch, einem Mitarbeiter des Förderbands, angerufen, geweckt, gelegentlich<br />

auch abgeholt, damit er pünktlich zum Unterrichtsbeginn anwesend<br />

war. Ergänzend zum Unterricht war Marc zweimal in der Woche nachmittags<br />

in der Fahrradwerkstatt beim Förderband aktiv.<br />

Während dieser Zeit erlebten er und seine Mitschüler, dass ihre Anwesenheit<br />

und ihr Verhalten den Lehrern und den Förderband-Mitarbeitern nicht<br />

gleichgültig waren. Die Fehlzeiten gingen zurück. Durch die intensive<br />

Betreuung, geduldiges Erklären und erste schulische Erfolge machte das<br />

Lernen wieder Spaß. Theoretische Sachverhalte wurden so lange erläutert<br />

und wiederholt, bis der Groschen gefallen war. Auf diese Weise bestanden<br />

Marc und der Großteil der ehemaligen »Schwänzerklasse« die dem Hauptschulabschluss<br />

gleichgestellte Prüfung.


Übrigens: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

des Vereins Förderband beraten das Kultusministerium<br />

in Fachgremien. Sie waren auch<br />

im Rahmen der im Frühjahr 1999 abgeschlossenen<br />

Jugendenquête des Landtags gefragte<br />

Gesprächspartner. Ein kostenloses Exemplar<br />

des Abschlussberichts der Enquêtekommission<br />

»Jugend – Arbeit – Zukunft« kann – gedruckt<br />

oder auf CD-ROM – bezogen werden beim:<br />

Landtag von <strong>Baden</strong>-Württemberg,<br />

Referat I/2 (Frau Breitwieser),<br />

Konrad-Adenauer-Str. 3, 70173 Stuttgart.<br />

Die Suche nach einem Ausbildungsplatz gestaltete sich allerdings schwieriger.<br />

Es gelang in einem Jahr nicht, neben dem Kampf um regelmäßigen<br />

Schulbesuch eine stabile berufliche Perspektive zu entwickeln und diese umzusetzen.<br />

Deshalb besuchte Marc eine weitere »berufsvorbereitende Maßnahme«.<br />

— | Das Dauerpraktikum<br />

Für Hauptschüler, die aufgrund der Ausbildungsplatzsituation keine<br />

Lehrstelle bekommen haben, wurden Dauerpraktikumsplätze eingerichtet:<br />

Die Jugendlichen verbringen einmal pro Woche einen Praktikumstag in<br />

einem Betrieb. Sven gehört zu dieser Gruppe:<br />

»Sven, wir sind fast am Ende des Schuljahres – wie hat dir die Schule<br />

bisher gefallen?«<br />

»Gut.«<br />

»Was war das Wichtigste, das du in diesem Jahr gelernt oder erlebt hast?«<br />

»Das Wichtigste waren die Freunde, die Kameraden.«<br />

»Was meinst du, wie unterscheidet sich diese Schule von deinen vorherigen<br />

Schulen?«<br />

»Das liegt an den Lehrern – die sind freundlicher und erklären mehr. Bei<br />

der alten Schule, da war das anders. Da hat man Pech gehabt, wenn man<br />

nicht mitgekommen ist. Außerdem haben wir Dauerpraktikum gemacht<br />

dieses Jahr.«<br />

»Was oder wer hat dir hier geholfen?«<br />

Im Bike Room werden Fahrräder wieder<br />

auf Vordermann gebracht<br />

»Herr Laske (der Lehrer) und Förderband. Herr Laske hat<br />

öfter im Betrieb angerufen, und Förderband war mit dabei beim<br />

Vorstellungsgespräch.«<br />

»Was hättest du dir anders gewünscht?«<br />

»Ich hätte mir nur Sport als Unterrichtsfach gewünscht. Und<br />

viele andere Fächer hätte man weglassen können. Das hat mir<br />

keinen Spaß gemacht.«<br />

»Weißt du schon, wie es für dich nach dem BVJ weitergeht?«<br />

»Ja, ich kann in meinem Praktikumsbetrieb die Ausbildung<br />

zum Elektroinstallateur anfangen.«<br />

Sven hat Glück gehabt. Längst nicht für alle, die mit dem<br />

Förderband weit vorankommen, gibt es einen Ausbildungsplatz.<br />

Die beste soziale Arbeit stößt irgendwann an die Grenze des<br />

Lehrstellenmarktes. Die Männer und Frauen vom Förderband<br />

verstehen ihre Arbeit deshalb auch als Appell an die Verantwortlichen<br />

in der Wirtschaft, den Jugendlichen eine Chance zu<br />

geben. Klaus Sommer, Veronika Gulde<br />

Kontakt: Klaus Sommer, Förderband e.V., B 4, 1, 68159 Mannheim<br />

Tel.: 06 21 /16 66 10; Fax: 06 21 /1 66 61 30<br />

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48<br />

Schule und Arbeitswelt<br />

»Wirtschaften, Verwalten und Recht« macht Spaß:<br />

So Real ist Schule –<br />

WVR-Börse ’99<br />

Staatssekretär Köberle: »WVR zeigt beispielhaft<br />

die aktuelle Entwicklung von Realschule.«<br />

Schon die Eröffnung der Börse war<br />

hörbar anders: statt langatmiger Reden<br />

tönte Big-Band-Sound durch die Halle<br />

und das fanden auch die »VIPs« gut. Kultusstaatssekretär<br />

Rudolf Köberle, die Vorsitzende<br />

des Landesschulbeirats Ingeborge<br />

Schöffel-Tschinke und Rolf Knoblauch,<br />

der Leiter des DienstleistungsZentrums<br />

Bildung der Deutschen Bahn AG, wurden<br />

von sechs Schülerinnen interviewt. »Gab<br />

es in Ihrer Schulzeit so was Ähnliches wie<br />

Projektunterricht? Wir lernen da nämlich<br />

wirklich nützliche Dinge: Welche Ziele<br />

setze ich mir und wie erreiche ich sie? Wie<br />

gehe ich mit Geld wirtschaftlich um? Was<br />

ist wichtig beim Kundengespräch?«<br />

Diese und andere Fragen klären die<br />

Schülerinnen und Schüler im »ToP WVR«<br />

(Themenorientiertes Projekt »Wirtschaft,<br />

Verwalten und Recht«). Sie knüpfen Kontakte<br />

mit Partnern aus Gesellschaft und<br />

Wirtschaft. Nach dem Prinzip »ran an das<br />

echte Leben« erfahren die Jugendlichen,<br />

wie Teamarbeit funktioniert, wie man seine<br />

Arbeit selbstständig organisiert oder was<br />

Moderation heißt. Besonders wichtig: die<br />

Schülerinnen und Schüler finden die Ergebnisse<br />

in Lernorten außerhalb der Schule.<br />

»Nicht für die Schule, sondern für das<br />

Leben«, das ist bei WVR Programm. Oder<br />

wie es Staatssekretär Rudolf Körberle formulierte:<br />

»…die Schülerinnen und Schüler<br />

konsumieren hier nicht Schule, sondern<br />

sie schaffen Reales.« Das zeigt auch<br />

die große Bandbreite der Projekte:<br />

Mehr als 1.600 Besucherinnen und Besucher zählte die Projektbörse<br />

»Wirtschaften, Verwalten und Recht« am 12. Juni in Stuttgart. Rund neun<br />

Monate engagierter Arbeit und die großzügige Unterstützung zahlreicher<br />

Sponsoren waren nötig, um die »WVR-Börse ’99« zu realisieren. An diesem<br />

Tag hatten die ca. 300 Realschülerinnen und -schüler die Chance, ihre im<br />

vergangenen Schuljahr entwickelten Projekte vorzustellen. Von der<br />

Ouvertüre bis zum Finale war klar: die Hauptrollen spielten die<br />

Schülerinnen und Schüler.<br />

> Rat & Tat AG<br />

> Obdachlosenzeitung<br />

> Altenheime in unserer Umgebung<br />

> Solarventilator – Produktion und<br />

Vermarktung<br />

> Schulhofneubau und -gestaltung<br />

> Revue durch das 20. Jahrhundert<br />

> Second-Hand-Shop<br />

> Kinder und Jugendliche als Verbraucher<br />

> Wettkampf auf einer Holzrennbahn<br />

(Slot-Car)<br />

> Produktion (mit CNC) und Vermarktung<br />

von Osterschmuck<br />

> Vandalismus und seine finanziellen<br />

Auswirkungen<br />

> Schulmöbelfirma »Tabula«<br />

> Job-Börse<br />

> Medienkoffer Indien<br />

> Auf dem Weg zur Juniorfirma<br />

> AktionsCafé<br />

> My-own-website.de<br />

> Der Einfluss der schweizerischen<br />

Kundschaft auf die Wirtschaft der Stadt<br />

Waldshut-Tiengen<br />

> Stadtplan für Gehbehinderte<br />

> Info- und Werbefilm »Die Realschule<br />

auf dem Heuberg«<br />

> Wir gründen eine Firma des bürgerlichen<br />

Rechts<br />

> Softees<br />

> Auf dem Weg zur eigenen Zeitung<br />

> Eine-Welt-Laden<br />

> Jugendkriminalität<br />

> Betriebserkundung bei der<br />

»Heidelberger Druckmaschinen AG«<br />

> Was geht uns Afrika an?<br />

> Betriebserkundung »Trigema«<br />

(Arbeitsweise, Kooperationen)<br />

> »Jugend hilft« – Dienstleistung für<br />

ältere Mitbürger<br />

> SOFA – Schüler organisieren fast alles<br />

> Wir erstellen unser eigenes Sprachrohr –<br />

Schülerzeitung<br />

Die zugehörigen Schulen und detaillierte<br />

Projektbeschreibungen sind in den<br />

»Erprobungsleitlinien« (siehe Infokasten)<br />

zu finden.<br />

In diesem und im nächsten Schuljahr<br />

sollen alle 427 Realschulen in <strong>Baden</strong>-<br />

Württemberg mit mindestens einer Klasse<br />

probeweise an WVR teilnehmen. Anschließend<br />

soll das Projekt in die Regelphase<br />

übergehen. »Damit ist in zwei bis<br />

drei Jahren sichergestellt«, so Rudolf<br />

Köberle, »dass jede Realschülerin und jeder<br />

Realschüler während ihrer Schulzeit an<br />

einem WVR-Projekt teilgenommen hat.«<br />

— | Innovative Ausbildungskonzepte<br />

Das Interesse der Wirtschaft an den<br />

neuen Wegen der Realschulen ist groß. So<br />

präsentierten Auszubildende von Alcatel<br />

SEL, Bizerba, Bosch, Breuninger, Deutsche<br />

Bahn AG, Festo, Porsche, Siemens<br />

und Trumpf ihre eigenen innovativen<br />

Ausbildungskonzepte bei der WVR-Börse.


— | So sieht es Rolf Knoblauch<br />

von der DB AG:<br />

Die wenige Tage vor der Veranstaltung<br />

erschienene Broschüre »… SO REAL IST<br />

SCHULE« mit den Projektbeschreibungen hat<br />

mich verblüfft und neugierig gemacht. Die<br />

Veranstaltung selbst hat mich begeistert.<br />

Die von den Schülern und Schülerinnen<br />

präsentierten Projekte sind hervorragende Beispiele<br />

für handlungs- und projektorientierten<br />

Unterricht. Als Führungskraft in einem Großkonzern<br />

ist mir bewusst, wie viel Geduld, Energie<br />

und Einsatz notwendig sind, um so weitreichende<br />

Änderungen zu erzielen.<br />

Den Projektverantwortlichen gebührt für<br />

ihre Pragmatik und Zielstrebigkeit, den Lehrkräften<br />

für ihre Innovationsbereitschaft hoher<br />

Respekt. Die Zukunftschancen der Realschüler<br />

werden nachhaltig verbessert. Das projektorientierte<br />

Lernen verbessert nach meinen Erfahrungen<br />

insbesondere soziale Fähigkeiten und ist<br />

so ein entscheidender Beitrag zu einer menschlichen<br />

Zukunft. Der Erfolg dieses Modells wird<br />

Ansporn sein, es auf andere Schulformen auszuweiten<br />

und in den anderen, hoffentlich allen<br />

Bundesländern zu übernehmen.<br />

Als Leiter des DienstleistungsZentrums Bildung<br />

der DB AG bin ich für über 16.000<br />

Auszubildende verantwortlich. Es freut mich,<br />

dass unser Unternehmen mit Ideen, Anregungen,<br />

Lehrerfortbildung und Beispielen aus unseren<br />

Juniorfirmen das Modell befruchten und<br />

unterstützen konnte. Die Ausbildungsfähigkeit<br />

der Schüler wird nochmals verbessert. Wenn<br />

dieses Modell einer breiten Öffentlichkeit vertraut<br />

wird, steigt auch die Ausbildungsbereitschaft<br />

vieler Unternehmen und Betriebe.<br />

Um dieses Ziel noch schneller zu erreichen,<br />

starten wir jetzt ein Mailing, das die WVR-<br />

Broschüre »… SO REAL IST SCHULE« bundesweit<br />

bei rund 6.000 Firmen, Verbänden<br />

und Bildungsinstitutionen bekannt macht. Wir<br />

werben: »Die Bahn kommt!« – nun heißt es:<br />

»Die Realschüler kommen!«<br />

Auszubildende führen<br />

Bahnhöfe in eigener Regie<br />

Juniorfirmen der Deutschen Bahn AG<br />

»Learning by doing« – das ist das Motto der neuen Azubi-Generation bei der<br />

Deutschen Bahn AG. Verantwortung übernehmen, unternehmerisch denken<br />

und im Team arbeiten. Eigenverantwortlich planen, danach handeln und die<br />

Konsequenzen tragen. – Diese und weitere wichtige Schlüsselqualifikationen<br />

erwerben die Auszubildenden der Deutschen Bahn AG in den so genannten<br />

»Juniorfirmen«. In <strong>Baden</strong>-Württemberg werden sieben Bahnhöfe mit normalem<br />

Fahrgastverkehr als Juniorfirmen betrieben. Bundesweit sind es über 40.<br />

Wer glaubt, dass man oder frau bei der Bahn »nur« Lokführer,<br />

Lokführerin, Schaffner oder Schaffnerin werden kann, liegt gründlich daneben.<br />

Es gibt insgesamt 15 Ausbildungsgänge und zusätzlich Spezialberufe.<br />

Die DB AG ist der größte Ausbildungsbetrieb in Deutschland. Über 15.600<br />

Jugendliche sind dort derzeit in Ausbildung und jedes Jahr starten 4.500<br />

neue Azubis. In den Juniorfirmen der DB, die es seit 1996 gibt, werden vor<br />

allem Kaufmänner und Kauffrauen für Verkehrsservice oder Eisenbahnservice<br />

ausgebildet.<br />

Juniorfirma heißt: Hier haben Auszubildende das Sagen.<br />

— | Wie funktioniert das Ganze?<br />

Die »eigene« Firma der Jugendlichen ist in der Regel ein alter Bahnhof<br />

eines kleineren Ortes, der ohne dieses Ausbildungsprogramm geschlossen<br />

worden wäre. Pro Firma durchlaufen 60 Jugendliche die dreijährige Ausbildung,<br />

in jedem Lehrjahr ist also ein Team von 20 Azubis für einen Bahnhof<br />

verantwortlich. Vier Azubis erledigen dort täglich die Aufgaben, die in<br />

einem »echten« Unternehmen anfallen: Geschäftsführung, Pressearbeit,<br />

Einkauf, Marketing und Verkauf, Kundenservice und Controlling. So muss<br />

jeder und jede alle Tätigkeiten in der Servicekette – vom direkten Kundenkontakt<br />

bis zu den Jobs »hinter den Kulissen« – selbst kennen lernen.<br />

Begleitet werden die Jugendlichen dabei von einem Ausbilder – aber der ist<br />

»nur« Beobachter und Coach, wenn’s mal Probleme gibt.<br />

— | Kundennähe aufbauen und erfahren<br />

»Wie komme ich am besten von Bad Schussenried nach Elmshorn?«<br />

»Wieso ist bei Ihnen dauernd belegt?« »Ich brauche eine Fahrkarte nach<br />

Rom, aber bitte über Hintertupfingen.« Ob am Fahrkartenschalter oder am<br />

Telefon – die Auszubildenden müssen auf alle Kundenfragen vorbereitet<br />

sein und auch unangenehme Situationen meistern. Dann heißt es, schnell und<br />

serviceorientiert Lösungen finden, und das möglichst freundlich.<br />

Bereits nach drei Jahren ist klar: Das Konzept ist erfolgreich. Nicht nur<br />

bahnintern ist die Resonanz positiv. Auch die Kunden sind sehr zufrieden<br />

mit dem, was die jungen »Chefs und Chefinnen« so alles auf die Beine stellen.<br />

Last but not least: Den Jugendlichen macht diese Form der Ausbildung<br />

natürlich auch großen Spaß.<br />

Weitere Infos und die Broschüre »Vertrauen macht stark – die Juniorfirmen<br />

der Deutschen Bahn AG« gibt es beim DienstleistungsZentrum Bildung,<br />

Lernzentrum Ulm, Neue Straße 3, 89077 Ulm,<br />

Tel. 0731/102-1576, Fax 0731/102-1599.<br />

Brigitte Kieser<br />

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50<br />

Schule und Arbeitswelt<br />

Meinungen<br />

zu WVR<br />

Mit Kunden umgehen,<br />

mit Partnern zusammenarbeiten<br />

»Bei diesem Projekt lernt man auch, wie<br />

man mit Partnern zusammenarbeitet und<br />

mit Kunden umgeht. Das Projekt stärkt<br />

unser Selbstbewusstsein. Du lernst bei WVR<br />

auch, wie man Tabellenkalkulation, Formbriefe,<br />

Einladungen, Berichte usw. erstellt.«<br />

Stefanie Jauering, Schülerin einer 8. Klasse<br />

Infos und Kontakte:<br />

Wirtschaften, Verwalten und Recht<br />

> Oberschulamtsbezirk Stuttgart:<br />

Rainer Schmitz<br />

Realschule Neckartenzlingen<br />

Auwiesen 4, 72654 Neckartenzlingen<br />

(Tel.: 07127-932980)<br />

E-Mail: rschmitz@nuertingen.netsurf.de<br />

> Oberschulamtsbezirk Karlsruhe:<br />

Marianne Jäger<br />

Anne-Frank-Realschule<br />

Middelkerker Str. 1- 5, 76275 Ettlingen<br />

(Tel.: 07243-101355)<br />

> Oberschulamtsbezirk Freiburg:<br />

Bernhard Jäger<br />

Hermann-Hesse-Realschule<br />

Jahnstr. 5, 78532 Tuttlingen<br />

(Tel.: 07461-94910)<br />

E-Mail: jaeger.s.b.tut@t-online.de<br />

> Oberschulamtsbezirk Tübingen:<br />

Brunhilde Eichler<br />

Schönbein-Realschule<br />

Neugreuth-Str. 20, 72555 Metzingen<br />

(Tel.: 07123-20470)<br />

Zusammenarbeit begeistert auch<br />

Auszubildende<br />

»Das Projekt war nicht nur für die Schülerinnen<br />

und Schüler eine spannende und neue<br />

Angelegenheit. Auch für die Auszubildenden,<br />

die als Experten in die Arbeit einbezogen<br />

waren, gab das Erlebnis ›Schule live und<br />

real‹ wichtige Lerneffekte.<br />

Bei Kontakten zu Wirtschaftsunternehmen<br />

drängt sich natürlich zuerst der Verdacht<br />

auf, dass es hier nur um eine werbliche Maßnahme<br />

geht. Die Zusammenarbeit mit der<br />

Projektschule war jedoch viel umfassender.<br />

Nach anfänglicher Distanz waren sowohl<br />

die Schülerinnen und Schüler als auch die<br />

Auszubildenden von der Zusammenarbeit<br />

begeistert.«<br />

Joachim Wurster, Ausbildungsleiter<br />

> im Internet:<br />

http://Ibs.bw.schule.de/realschule<br />

> die Broschüre: »...SO REAL IST SCHULE«/<br />

Beispiele gelungener WVR-Projekte gibt<br />

es beim Kultusministerium <strong>Baden</strong>-<br />

Württemberg, Realschulreferat, Schlossplatz<br />

4, 70173 Stuttgart<br />

> die Unterrichtshandreichung:<br />

»Wirtschaften, Verwalten und Recht in<br />

der Realschule« / Erprobungsleitlinien RS<br />

22, 3. Auflage, gibt es beim Landesinstitut<br />

für Erziehung und Unterricht LEU,<br />

Wiederholdstr. 13, 70174 Stuttgart,<br />

Fax: 0711/1849-565<br />

> das Video: Themenorientiertes<br />

Projekt »Wirtschaften, Verwalten und<br />

Recht« in der Realschule, VHS-Vorführkopie,<br />

15 Minuten, gibt es kostenlos<br />

beim »Schulservice« der Sparkassen in<br />

<strong>Baden</strong>-Württemberg<br />

Gelernt, nicht aufzugeben<br />

»In diesem WVR-Projekt habe ich gelernt,<br />

mich in eine Sache ›reinzubeißen‹ und nicht<br />

aufzugeben.«<br />

Markus Follner, Schüler einer 8. Klasse<br />

Als einziges Mädchen<br />

»Ich fand es gut, als einziges Mädchen in<br />

einer Abteilung zu arbeiten und mich durchzusetzen.«<br />

Anita Seifried, Schülerin einer 8. Klasse<br />

Sinnvolles tun<br />

»Oft lernt man in der Schule manches,<br />

was man später kaum noch braucht. Diese<br />

Projekte aber sind etwas Sinnvolles, weil sie<br />

Theorie und Praxis, Schule und Außenwelt in<br />

besonderer Weise verbinden.«<br />

Norbert Beck, Bürgermeister<br />

Vom Schülerinteresse ausgehen<br />

»Vor allem zu Beginn des Projektes war die<br />

Motivation der Schülerinnen und Schüler<br />

sehr groß. Durch die Einteilung der Klasse<br />

in ›Abteilungen‹ fühlten sie sich für ihren Bereich<br />

verantwortlich und forderten von den<br />

anderen, dass auch sie ihre Aufgaben erledigen.<br />

Das Gemeinschaftsgefühl von Klasse und<br />

Lehrer wurde stark gefördert. Ein gemeinsames<br />

Ziel sorgte dafür, dass sich die Schülerinnen<br />

und Schüler damit identifizierten.<br />

Vor allem die Tatsache, etwas Reales zu tun,<br />

ist für Jugendliche sehr motivierend. Mit<br />

›richtigen‹ Firmen zusammenzuarbeiten,<br />

›richtige‹ Aufträge zu erteilen, mit ›richtigem‹<br />

Geld umzugehen ist im Kunstraum<br />

Schule sehr ungewohnt, jedoch sehr lernförderlich.«<br />

Günter Burkhardt, Realschullehrer<br />

Bessere Chancen<br />

»Durch solche Projekte haben unsere Kinder<br />

sicher bessere Chancen, einen Ausbildungsplatz<br />

zu bekommen. Sie treten sehr viel<br />

sicherer und selbstbewusster auf.«<br />

Stefan Knibbe, Vater


Ein Bahnangebot:<br />

umweltfreundliche Klassenfahrten<br />

Klassenfahrten und Studienreisen<br />

werden zunehmend umweltbewusst<br />

geplant. Die DB Reise &Touristik AG<br />

ist dabei der Partner, um Lehrerinnen<br />

und Lehrer sowie Schülerinnen und<br />

Schüler sicher und zuverlässig an das<br />

Ziel ihrer Reise zu bringen. Mit der<br />

Fahrt in modernen Zügen (ICE, IC, IR)<br />

wird Schülerinnen und Schülern ein<br />

Einblick in die Entwicklung des zeitgemäßen<br />

und umweltbewussten<br />

Reisens gewährt.<br />

Zu Beginn des neuen Schuljahres<br />

erscheint ein spezieller Katalog „Bahn-<br />

Tours – Schulfahrten und Jugendgruppenreisen<br />

2000“ (Mehrtagesprogramme),<br />

in dem die DB Reise &Touristik AG den<br />

Schulen mehr als 50 Reiseziele in ganz<br />

Deutschland (Städte wie z. B. München,<br />

Berlin, Dresden und Hamburg; Inselregionen<br />

wie etwa Sylt, Borkum, Norderney<br />

und Rügen) und im benachbarten<br />

Ausland (z. B. Prag, Paris, Rom, London<br />

und Amsterdam) anbietet.<br />

Die DB Reise &Touristik AG garantiert für<br />

diese Zielorte ihren Pauschal-Reisepreis<br />

für die gesamte Gültigkeitsdauer dieses<br />

DB-Schulfahrten- u. Jugendgruppenprogrammes,<br />

das neben der Bahnfahrt<br />

noch viele weitere Leistungen wie<br />

Buchung von Unterkünften, Verpflegungsleistungen<br />

bis hin zur Organisation von<br />

Ausflugsfahrten am Reiseziel beinhaltet.<br />

Die Programmvorschläge ersparen den<br />

Lehrerinnen und Lehrern viel Zeit und<br />

Mühe bei der Vorbereitung von Klassenfahrten,<br />

lassen ihnen jedoch genügend<br />

Freiraum für die individuelle Gestaltung<br />

des Aufenthaltes.<br />

Für interessierte Schulen aus <strong>Baden</strong>-<br />

Württemberg stehen alle DB-Verkaufsstellen<br />

oder direkt unsere Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter der DB-Schulfahrtenstelle<br />

in Karlsruhe (Tel.: 0721-938-<br />

5386/87, Fax: 0721-938-2800) gerne<br />

zur Verfügung. Unsere Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter sind bemüht, den Wünschen<br />

der Klasse gerecht zu werden<br />

und die Schulfahrt attraktiv und pädagogisch<br />

sinnvoll zu organisieren. Stetig<br />

steigende Teilnehmerzahlen beweisen,<br />

dass wir mit diesem Angebot auf der<br />

richtigen Schiene fahren.


52<br />

Jugend<br />

Regionale Jugendinitiativen<br />

Schule, Jugendarbeit und<br />

Vernetzung bringt Zukunftschancen<br />

Alle tun alles für die Jugend, aber jeder für sich. – Kräfte bündeln,<br />

Netzwerke knüpfen, Jugendliche besser verstehen, das ist die Strategie,<br />

die sich in <strong>Baden</strong>-Württemberg mit dem Modell »Regionale<br />

Jugendinitiative« verbindet. Inzwischen gibt es über zehn Modellregionen,<br />

in denen ein gemeinsames Ziel verfolgt wird: Schule,<br />

Jugendarbeit und Wirtschaft an einen Tisch bringen, um an dem<br />

<strong>Thema</strong> zu arbeiten, was Jugendliche heute am meisten bewegt:<br />

Zukunftschancen in Ausbildung und Beruf.<br />

Vor mehr als zwei Jahren hat es in Ellwangen<br />

ganz klein angefangen. Die Jugendlichen<br />

hatten zunächst alle Hände<br />

voll zu tun, den Beamten aus dem Kultusministerium<br />

einen Crash-Kurs zu erteilen,<br />

<strong>Thema</strong>: Was Jugendliche wirklich bewegt!<br />

Kultusministerin Schavan war dabei und<br />

stellte sich den Fragen der Jugendlichen.<br />

Nächste Station: Region Oberschwaben.<br />

Wieder war es die Begegnung mit den<br />

Jugendlichen vor Ort, die einen Lernprozess<br />

in Gang gebracht hat. Nicht nur bei<br />

Schule und Schulverwaltung sprang ein<br />

Funke über. Auch einige Kommunen, vor<br />

allem der Landkreis und nicht wenige Betriebe<br />

der Region haben ihren Beitrag zur<br />

Jugendinitiative geleistet. Die Modellregion<br />

Oberschwaben ist zum Modell künftiger<br />

Modelle geworden. Keine Region gleicht<br />

der anderen, aber die Kette regionaler<br />

Jugendinitiativen ist ein kontinuierlicher<br />

Lernprozess, bei dem das Kultusministerium<br />

– mit Jugend- und Schulspezialisten<br />

– als Katalysator, als Vernetzungsknoten<br />

und als Umschlagplatz für gute Projektideen<br />

dient. Die Jugendlichen in den<br />

Modellregionen passen schon auf, dass der<br />

Lernprozess nicht abreißt.<br />

In der Modellregion Schwarzwald-Baar<br />

wurde die Idee des »Jugendfonds« geboren.<br />

Der Fonds hat einen finanziellen und<br />

einen ideellen Aspekt: Geld für benach-<br />

teiligte Jugendliche einsammeln, aber vor<br />

allem, im Rahmen der Fonds-Verwaltung,<br />

Verantwortungsträger in der Region dauerhaft<br />

für die Probleme von Jugendlichen<br />

zu sensibilisieren.<br />

Die Modellregion Breisgau-Hochschwarzwald<br />

setzt besonders auf ihre »Jugendagentur«,<br />

die im Rahmen der regionalen<br />

Jugendinitiative entstanden ist. Hier<br />

wird klassische Netzwerk-Arbeit für Jugendliche<br />

geleistet: die Benachteiligten<br />

immer besonders im Blick. Hilfen für den<br />

Einstieg in den Beruf stehen auch hier im<br />

Mittelpunkt. Die Handlungsfelder heißen:<br />

Information, Beratung, individuelle Begleitung,<br />

Fortbildung, Kooperation und


Wirtschaft<br />

Innovation. Das Landratsamt ist eine treibende<br />

Kraft. Im Projektdesign heißt es:<br />

»Letztlich ist es das Ziel der Jugendagentur,<br />

jungen Menschen, an denen bisherige<br />

Informations-, Ausbildungs- und Arbeitsmarktangebote<br />

vorübergehen, ein Angebot<br />

bereitzustellen, das ihnen berufliche<br />

Perspektiven und damit eine berufliche<br />

Zukunft sichern kann.« Als Anschubfinanzierung<br />

hat das Kultusministerium<br />

hier wie in den anderen Regionen 80.000<br />

DM eingebracht.<br />

Die Modellregion Ludwigsburg stellt<br />

die Neuen Medien in den Mittelpunkt der<br />

Vernetzung. Bei den Projekten »Internet<br />

im Schülercafé« und »Mobile Computerwerkstatt«<br />

geht es nicht um Computer<br />

und Internet als Selbstzweck, sie sind<br />

längst zum Werkzeug für eine zukunftsorientierte<br />

sozialpädagogische Arbeit geworden.<br />

Digitale Vernetzung ist nur ein<br />

Vehikel, menschliche Kontakte zu knüpfen<br />

und Informationen auszutauschen, die<br />

konkret weiterhelfen. Wiederum geht es<br />

um Berufsorientierung und um Hilfen,<br />

sich für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren.<br />

Bei allen Jugendinitiativen ist der wichtigste<br />

Leitsatz: Die Jugendlichen müssen<br />

von Anfang an eingebunden sein und selber<br />

aktiv werden. Es geht nicht darum,<br />

Geldmittel in die Regionen zu pumpen,<br />

um Jugendliche irgendwie zu versorgen<br />

und in Maßnahmen zu stecken, die nur eine<br />

Warteschleife, aber keine Zukunftsperspektive<br />

bedeuten. Die Jugendinitiativen<br />

stellen eine wichtige Antwort der<br />

Landesregierung auf die Ergebnisse der<br />

Jugendenquête im Landtag dar. Der regionale<br />

Ansatz wurde gewählt, um die unmittelbare<br />

Beteiligung von Jugendlichen<br />

zu ermöglichen. In Mannheim und Karlsruhe,<br />

in Hohenlohe, im Zollernalbkreis,<br />

in den Regionen Neckar-Odenwald und<br />

Rhein-Neckar/Badische Bergstraße sind<br />

weitere Jugendinitiativen in Gang gesetzt.<br />

Eine Modellregion profitiert von der<br />

anderen: Über den Umschlagplatz Kultusministerium<br />

werden gute und weniger<br />

gute Erfahrungen weitergegeben. Das Jugendreferat<br />

im Ministerium dient zunehmend<br />

als Beratungsagentur für die Engagierten<br />

vor Ort. Inzwischen ist ein umfangreiches<br />

Materialpaket entstanden. Besonders<br />

die Dokumentation der einzelnen<br />

mit Jugendlichen durchgeführten Projekte<br />

ist hilfreich, weil dort nicht hohe Theorie,<br />

Der Ertrag der Jugendinitiativen wird im Kultusministerium<br />

dokumentiert. So entstand ein Projektkatalog, der jetzt<br />

laufend aktualisiert wird. Die Projekte sind nach<br />

»Handlungsfeldern« unter den folgenden Überschriften<br />

zusammengefasst:<br />

> Ausbildung und Beruf<br />

> Kooperation Jugendarbeit und Schule<br />

> Nutzung Neuer Medien<br />

> Integration von jugendlichen Ausländern und Aussiedlern<br />

> Beteiligung, Partizipation und Ehrenamt<br />

> Durchführung einer Dialogveranstaltung<br />

> Jugendagentur<br />

> Jugendfonds<br />

Sämtliche Materialien sind erhältlich beim Ministerium für<br />

Kultus, Jugend und Sport, Jugendreferat, Postfach 103442,<br />

70029 Stuttgart, Tel. 07 11/279-26 45, Fax 07 11/279-27 95.<br />

Das Wichtigste gibt es im Internet unter<br />

www.kultusministerium.baden-wuerttemberg.de/<br />

schulmagazin<br />

sondern das praktische Beispiel praxisorientiert<br />

aufbereitet ist.<br />

»Die Jugendinitiativen haben sich als<br />

eine Art Sensibilisierungsprogramm herausgestellt.<br />

Sensibilisiert für die Probleme<br />

der Jugendlichen wurden vor allem die<br />

Landräte. Die haben sich unwahrscheinlich<br />

engagiert«, sagt Dr. Eckart Woischnik<br />

vom Jugendreferat im Ministerium. »Wir<br />

selber haben bis heute auch viele neue<br />

Ideen von den Praktikern der Jugendarbeit<br />

vor Ort und von den Jugendlichen selbst<br />

aufnehmen können«, fügt er hinzu. »Die<br />

regionalen Jugendinitiativen sehe ich heute<br />

als einen Handlungsrahmen, in dem<br />

das Ministerium selbst nur eine initiierende<br />

und gelegentlich moderierende Rolle<br />

spielt. Ein wenig Geld haben wir auch<br />

mobilisiert. Die regionalen Initiativen machen<br />

in der Öffentlichkeit sichtbar, wie<br />

viel gute Arbeit da vor Ort geleistet wird.<br />

Das hilft sehr, wenn es darum geht, bei<br />

Schule, Wirtschaft und Politik Verständnis<br />

zu wecken für die Lebenslagen von<br />

Jugendlichen. Die beste Jugendpolitik machen<br />

die Jugendlichen selbst.« 7<br />

53


54<br />

Jugend<br />

10 Jahre nach dem Fall der Mauer<br />

Jugendstudie ’99<br />

Sachsen und <strong>Baden</strong>-Württemberg im Vergleich<br />

Der Impuls kam aus Sachsen: Seit 1993 führt das<br />

Dresdener Kultusministerium im Zwei-Jahres-<br />

Rhythmus eine repräsentative Jugendumfrage durch.<br />

Zum zehnten Jahrestag der Wende hat sich <strong>Baden</strong>-<br />

Württemberg eingeklinkt. Es geht um die Lebensperspektiven<br />

der 15- bis 27-Jährigen in Ost und West.<br />

Erstmals liegt zu diesem <strong>Thema</strong> eine direkte<br />

Vergleichsstudie zwischen einem alten und einem<br />

neuen Bundesland vor.<br />

Das Leipziger Institut für Marktforschung hat aufbauend<br />

auf seine Erfahrungen in Sachsen auch die<br />

Befragung in <strong>Baden</strong>-Württemberg entworfen und<br />

durchgeführt. Zum zehnten Jahrestag der Wende<br />

werden Kultusministerin Dr. Annette Schavan und<br />

Kultusminister Matthias Rössler die Studie der Öffentlichkeit<br />

vorstellen. Das Schulmagazin veröffentlicht<br />

einige wichtige Ergebnisse vorab.<br />

»Welche Nachricht willst du zuerst – die gute oder<br />

die schlechte?«<br />

»Die schlechte.«<br />

»In Sachsen machen viel weniger Jugendliche in<br />

Sportvereinen mit: 25 Prozent gegenüber 39 Prozent<br />

in <strong>Baden</strong>-Württemberg. Die Infrastruktur ist einfach<br />

noch nicht da.«<br />

»Und die gute Nachricht?«<br />

»Der Drogenhandel hat auch eine schwache<br />

Infrastruktur: Im Vergleich zu 64 Prozent in <strong>Baden</strong>-<br />

Württemberg haben in Sachsen viel weniger Jugendliche<br />

schon einmal Haschisch angeboten bekommen,<br />

nämlich ›nur‹ 35 Prozent.«<br />

Sächsische Jugendliche verbringen mehr Zeit mit<br />

ihren Familien als ihre Altersgenossen im Südwesten.<br />

Liegt das auch an einem Mangel an Angeboten oder<br />

spricht das für mehr Familiensinn?<br />

Ein Ergebnis über Kreuz: In <strong>Baden</strong>-Württemberg<br />

sind 74 Prozent der Jugendlichen Mitglied einer<br />

Religionsgemeinschaft und 26 Prozent sind konfessionslos.<br />

In Sachsen ist es ziemlich genau umgekehrt<br />

(27 bzw. 73 Prozent).<br />

Vor zehn Jahren glaubten viele, die Jugend in<br />

Ostdeutschland werde nach der Wende zum Opfer<br />

von Orientierungslosigkeit. Das ist nicht eingetreten.<br />

In der Wertorientierung und Lebenshaltung der<br />

Jugendlichen in Sachsen und <strong>Baden</strong>-Württemberg er-


geben sich wenig Unterschiede. Was ist wichtig für<br />

dein eigenes Leben? Nach Fleiß, Disziplin, Ehrgeiz,<br />

Optimismus, Humor, Hilfsbereitschaft, Durchsetzungsvermögen,<br />

Bescheidenheit, Ehrlichkeit, Rücksichtnahme<br />

und Pflichtbewusstsein wurde gefragt. In<br />

Ost und West siegt der Humor mit Abstand, dicht<br />

gefolgt von Ehrlichkeit, Optimismus und Hilfsbereitschaft.<br />

Aber die Ossis halten mehr von »Pflicht« als<br />

die Wessis.<br />

Auch in ihren Sorgen gleichen sich Jugendliche in<br />

Ost und West: Nichts beunruhigt sie mehr als ihre<br />

Zukunft in Ausbildung und Beruf. Das ist vielleicht<br />

ein Ausdruck von Realismus, wie er nicht jede Generation<br />

ausgezeichnet hat. Die Politik weiß jetzt jedenfalls,<br />

was Jugendlichen auf den Nägeln brennt: Qualität<br />

in Schule und Hochschule, Chancen in der beruflichen<br />

Bildung, Ausbildungsplätze – das sind die<br />

wichtigsten Stichwörter für erfolgreiche Jugendpolitik<br />

im vereinten Deutschland. 7<br />

Was ist der Sinn des Lebens?<br />

Darauf antworten junge Menschen in der Altersgruppe<br />

von 15 bis 27 (Angaben in %)<br />

<strong>Baden</strong>-<br />

Sachsen Württemberg<br />

Dass ich glücklich bin,<br />

viel Freude habe 83 81<br />

Im Leben etwas erreichen,<br />

es zu etwas bringen 79 68<br />

Das Leben geniessen 75 78<br />

Die Welt kennen lernen,<br />

etwas von der Welt sehen 69 64<br />

Meine Persönlichkeit<br />

entwickeln und entfalten 61 58<br />

Im Leben etwas leisten 57 44<br />

Nach eigener Überzeugung<br />

leben, dass ich vor mir<br />

selbst bestehen kann 55 55<br />

Dass ich es zu Wohlstand und<br />

materieller Sicherheit bringe 50 43<br />

Dass meine Familie versorgt ist 50 44<br />

Dass ich von Mitmenschen<br />

geachtet werde, Ansehen habe 48 44<br />

Dass es meine Kinder gut haben 44 40<br />

Ein großes Wissen erwerben 44 40<br />

Ohne größeren Stress<br />

durchs Leben kommen 42 45<br />

Dass andere mich mögen,<br />

dass ich bei anderen beliebt bin 36 36<br />

Mit allen Kräften mich für<br />

bestimmte Ideen einsetzen 33 29<br />

Ganz für andere da sein,<br />

anderen helfen 31 28<br />

Mithelfen, eine bessere<br />

Gesellschaft zu schaffen 27 30<br />

Das tun, was Gott<br />

von mir erwartet 11 8<br />

Sehe keinen Sinn im Leben 1 2<br />

Quelle: Jugendumfrage 1999 für das Sächsische Staatsministerium für Kultus;<br />

Jugendumfrage 1999 für das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport <strong>Baden</strong>-<br />

Württemberg; Copyright by IM Leipzig 1999<br />

Weitere Ergebnisse und Bewertungen unter:<br />

www.kultusministerium.baden-wuerttemberg.de/<br />

schulmagazin<br />

55


56<br />

in eigener Sache<br />

»kurz & knapp<br />

Vier neue Publikationen des Kultusministeriums<br />

Auch der Briefträger geht zur Schule: Jeden Morgen<br />

liefert er einen ganzen Stapel von Informationsmaterialien<br />

dort ab. Überall im Land werden die<br />

Schulen täglich mit den verschiedensten Publikationen<br />

zahlreicher Anbieter eingedeckt. Das bleibt nicht<br />

ohne Auswirkungen auf die Kommunikation des<br />

Kultusministeriums mit den Schulen: Es wird nämlich<br />

immer schwerer, wichtige Infos an den Mann und<br />

an die Frau zu bringen. Die Publikationen des Ministeriums<br />

sollen Lotsen im Info-Dschungel sein, sie sollen<br />

verlässliche Information bieten und das Interesse<br />

an der aktiven Mitgestaltung der Schule wecken.<br />

Zum Schuljahr 1999/2000 stellt das Kultusministerium<br />

seine Öffentlichkeitsarbeit auf eine neue<br />

Grundlage. Die bisherigen Zeitschriften Schulintern<br />

und Elternjournal werden verabschiedet. An deren<br />

Stelle treten vier neue Publikationen, die eng aufeinander<br />

abgestimmt sind: das Schulmagazin, der Infodienst<br />

Schule, der Infodienst Schulleitung und ein<br />

stark erweitertes Angebot im Internet.<br />

1<br />

Das Schulmagazin als<br />

neues Flaggschiff<br />

Sie haben die erste Nummer des Schulmagazins<br />

in Händen. Es ist das Flaggschiff<br />

der neuen Öffentlichkeitsarbeit des Kultusministeriums.<br />

Hier sollen wichtige Themen behandelt<br />

werden, die über die Tagesaktualität hinausgehen.<br />

Denn vorgesehen sind nur zwei Nummern im Jahr:<br />

jeweils zum Beginn des Schulhalbjahres. Bei dieser<br />

Erscheinungsweise bietet sich die Einbeziehung des<br />

Heftes in Elternabende an. In jeder Ausgabe wird ein<br />

Schwerpunktthema in mehreren Beiträgen beleuchtet.<br />

Die Artikel sind knapp gehalten. Zusatzinformationen<br />

und Hintergründe gibt es im Internet. Begleitend<br />

zu jeder einzelnen Nummer wird ein neues<br />

<strong>Online</strong>-Magazin gestaltet. Im Unterschied zu den bisherigen<br />

Publikationen ist die Zielgruppe etwas weiter<br />

gefasst: Wir wollen bildungspolitisch Interessierte<br />

über die Schule hinaus ansprechen und bei ihnen<br />

Werbung machen für die guten Leistungen der Schulen<br />

in <strong>Baden</strong>-Württemberg.<br />

plus Internet«<br />

»Die Publikationen des<br />

Kultusministeriums sollen Lotsen<br />

im Info-Dschungel sein, sie sollen<br />

verlässliche Information bieten und<br />

das Interesse an der aktiven<br />

Mitgestaltung der Schule wecken«<br />

2<br />

1<br />

3<br />

InfodienstSchulleitung<br />

InfodienstSchule<br />

Bildung in <strong>Baden</strong>-Württemberg<br />

SchulMagazin<br />

Herbst | Winter 1999 – 2000<br />

Goethe<br />

in der<br />

Hauptschule<br />

00<br />

1<br />

zahlreichen<br />

forderungen<br />

und Konvielfältigen<br />

Bezie-<br />

Gruppen.<br />

Anforderungen.<br />

der von verin<br />

dem statt<br />

ISSN: 1234567890<br />

dem Maße,<br />

und Schüler<br />

Schulleitung ist<br />

Schulleiter<br />

Aufgabe<br />

Schrit-<br />

Akademie<br />

burg ist dieder<br />

eigenen<br />

Schüler vom<br />

auch die<br />

Infodienst<br />

pädagogischen und<br />

wir den Info-<br />

1<br />

Moderne<br />

Leistungsbeurteilung<br />

Kelten im<br />

Internet<br />

Jugendstudie<br />

’99<br />

<strong>Thema</strong>: <strong>Grundschule</strong><br />

wird auf eine<br />

weisen zum<br />

Internet abzuund<br />

bieten<br />

Informa-<br />

Post umgevereinfacht<br />

Möglich-<br />

Sie des-<br />

1<br />

Juli 1999<br />

NeustrukturierungLehrerbildung<br />

Recht:<br />

Nutzung des<br />

Internet<br />

Lehrbeauftragtenprogramm<br />

G8<br />

Job-Sharing<br />

Info-Börse


4<br />

2Infodienst Schule: »was Kleines für<br />

Zwischendurch«<br />

Die Themen aus dem Schulmagazin werden<br />

im Infodienst Schule aktualisiert, fortgesetzt<br />

und vertieft. Sparsamkeit bei Umfang<br />

und Gestaltung werden diesen Infodienst zu einem<br />

flexiblen Service-Angebot machen. Ein Infodienst hat<br />

viele praktische Vorteile gegenüber einer Zeitschrift.<br />

Wer nämlich eine richtige Zeitschrift »voll bekommen«<br />

will, der kann nicht immer ganz aktuell sein.<br />

Bei Bedarf kann es deshalb in Zukunft auch einmal<br />

einen Infodienst Schule geben, der nur wenige Seiten<br />

hat, dafür aber die Themen behandelt, die gerade Vielen<br />

auf den Nägeln brennen. Auch hier wird es das<br />

Zusammenspiel von kurzem Artikel und ausführlicher<br />

Information im Internet geben. Wer will, kann<br />

den Infodienst Schule auch per E-Mail beziehen. Auf<br />

»bunte Bilder« werden wir hier verzichten, denn unsere<br />

Grafikerinnen und Grafiker dürfen sich ja schon<br />

im Schulmagazin austoben. Besonderen Wert wollen<br />

wir auf die bisher schon sehr beliebte Rubrik<br />

»Infobörse« legen, die praktische Hinweise in<br />

Kurzform enthält. Der aktuelle Bedarf entscheidet,<br />

wie oft dieser Infodienst erscheint.<br />

3<br />

Infodienst Schulleitung:<br />

Handwerkszeug für Führungskräfte<br />

Schulleiterinnen und Schuleiter sind Motoren<br />

der inneren Schulentwicklung und<br />

Multiplikatoren der Innovation im Bildungswesen.<br />

Deshalb sind sie die Adressatinnen und Adressaten<br />

eines ganz neuen und bundesweit einmaligen<br />

Produktes der Öffentlichkeitsarbeit. Der Infodienst<br />

Schulleitung soll so bald wie möglich vollständig<br />

elektronisch versandt werden. So wird eine tagesaktuelle<br />

Information möglich. Sehr oft werden Schulleiterinnen<br />

und Schulleiter gefragt, ob diese oder jene<br />

Information zum Schulwesen stimme und was davon<br />

»Die gedruckten und die elektronischen<br />

Publikationen werden<br />

durchgehend verzahnt sein«<br />

zu halten sei. Der Infodienst Schulleitung soll für diese<br />

Fälle schnelle und verlässliche Information bieten.<br />

Er wird abgerundet durch Infos zur Praxis der Schulverwaltung<br />

und natürlich ergänzt durch ein spezielles<br />

<strong>Online</strong>-Magazin. Wie oft der Infodienst Schulleitung<br />

erscheint, wird die Praxis entscheiden. Wenn der Versand<br />

per E-Mail geschieht, kann es auch einmal einen<br />

äußerst kurzen Infodienst geben.<br />

4<br />

Alle Wege führen ins Internet<br />

Die Neukonzeption der KM-Medien<br />

setzt stark auf das Internet. Bildungspolitisch<br />

Interessierte sind heute in der<br />

Regel »am Netz«. Deshalb können Hintergrundinformationen<br />

und detaillierte Darstellungen<br />

online vorgehalten werden. So kann man Bleiwüsten<br />

im Schulmagazin und Infodienst Schule vermeiden.<br />

In der Regel werden die gedruckten Publikationen<br />

ausdrücklich auf die Angebote im world wide web<br />

verweisen. Mit dem Internet allein wird sich trotz der<br />

stürmischen Entwicklung dieses Mediums in absehbarer<br />

Zeit keine erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit<br />

bestreiten lassen. Die gedruckten und die elektronischen<br />

Publikationen werden also durchgehend verzahnt<br />

sein. Sowohl das Schulmagazin als auch die beiden<br />

Infodienste werden durch eigene <strong>Online</strong>-Angebote<br />

erweitert und unterstützt. Schauen Sie schon<br />

einmal vorbei unter www.kultusministerium.badenwuerttemberg.de<br />

Und das alles für’s selbe Geld<br />

Die Aufgabenstellung, die wir mit dieser Gesamtkonzeption<br />

gelöst haben, lautete: Wie können unsere<br />

Publikationen mit demselben Geld schneller, praktischer<br />

und optisch schöner werden? – Ob wir alle unsere<br />

Ziele erreicht haben, das müssen letztlich die Leserinnen<br />

und Leser entscheiden. Aber eins können wir<br />

schon sagen: Mehr Geld haben wir nicht ausgegeben.<br />

Georg Eickhoff<br />

Interessierte Eltern,<br />

Schülerinnen und Schüler<br />

können »Bildung in<br />

<strong>Baden</strong>-Württemberg.<br />

Schulmagazin« kostenlos<br />

– auch in Klassensätzen –<br />

bestellen beim<br />

Kultusministerium<br />

<strong>Baden</strong>-Württemberg,<br />

Öffentlichkeitsarbeit,<br />

Postfach 103442,<br />

70029 Stuttgart,<br />

Tel. 0711/279-2835 + 2611,<br />

Fax 0711/279-2838,<br />

per E-Mail:monika.boos@<br />

km.kultusvw.bwl.de<br />

57


58<br />

Landesschülerbeirat<br />

Landesschülerkongress<br />

<strong>Baden</strong>-Württemberg<br />

1999<br />

Der 2. Landesschülerkongress<br />

findet am 17.<br />

und 18. Dezember im<br />

Mannheimer Kongresszentrum Rosengarten statt. Dazu<br />

lädt der Landesschülerbeirat die SMV’en aller badenwürttembergischen<br />

Schulen ein. Wie schon beim ersten<br />

Landesschülerkongress in Leinfelden-Echterdingen<br />

vor zwei Jahren soll auch dieses Mal der landesweite,<br />

schulartübergreifende Meinungsaustausch im<br />

Mittelpunkt stehen. Natürlich gibt es – neben einem<br />

attraktiven Unterhaltungsprogramm – wieder interessante<br />

Workshops, in denen schüler- und jugendrelevante<br />

Themen aufgearbeitet werden sollen, viele Präsentationen<br />

von SMV-Projekten – und außerdem die<br />

Möglichkeit, mit Bildungspolitikern zu diskutieren.<br />

> Wann?<br />

Am 17. und 18. Dezember 1999<br />

Beginn Freitag 10.00 Uhr<br />

Ende Samstag 16.00 Uhr<br />

> Wo?<br />

Im Kongresszentrum Rosengarten mitten in<br />

Mannheim, 3 Min. vom Hauptbahnhof<br />

> Was kann ich tun?<br />

• Als Teilnehmer in den Workshops mitmachen,<br />

fragen, reden, zuhören, diskutieren;<br />

• einen Workshop mitgestalten oder leiten, z.B.<br />

als Sportmentor/in oder als Streitschlichter/in;<br />

• ein SMV-Projekt vorstellen, z. B. Schulradio,<br />

Stadt-SMV, SMV im Internet, SMV AG;<br />

• neue Leute kennen lernen.<br />

> Wo gibt es Infos?<br />

• Beim Pressesprecher des LSBR: René Borchert,<br />

B5/6, 68159 Mannheim, Tel.: 06 21/156 45 08<br />

• im Internet: www.lsbr.schule-bw.de<br />

• via E-Mail: Post@lsbr.schule-bw.de<br />

• im »Heißen Draht«, dem Info-Blatt des LSBR<br />

(Ausgabe September 1999)<br />

• in den SMV-Zeitungen der Oberschulämter<br />

(SMV INFO, SMV Mobil, SMV Aktuell)<br />

> Wie melde ich mich an?<br />

Jede SMV erhält im Oktober ein Einladungsschreiben<br />

mit Programm, Workshopliste und<br />

einer Anmeldekarte. Jede SMV kann bis zu zwei<br />

Teilnehmer schicken.<br />

> Neugierig?<br />

Dann unbedingt anmelden!!!<br />

Der Landesschülerbeirat stellt<br />

Entwurf zur Neustrukturierung<br />

der gymnasialen Oberstufe vor<br />

Mit einem eigenen Entwurf zur Neustrukturierung der gymnasialen<br />

Oberstufe hat der Landesschülerbeirat <strong>Baden</strong>-Württemberg auf die geplante<br />

Oberstufenreform des Kultusministeriums reagiert.<br />

Der Entwurf »Erweitertes Kurssystem«, der im Ausschuss Gymnasium<br />

konzipiert wurde, sieht vor, dass die Fächer Deutsch, Mathematik und die<br />

erste Fremdsprache für alle Schülerinnen und Schüler verbindlich mit mindestens<br />

vier Wochenstunden unterrichtet werden. Sie sollen allerdings – im<br />

Gegensatz zum Entwurf des Kultusministeriums – weiterhin die Möglichkeit<br />

haben, zwei Fächer ihrer Wahl mit fünf Wochenstunden als Leistungskurse<br />

zu wählen. Zusätzlich können die Schülerinnen und Schüler<br />

durch die Anhebung der Wochenstundenzahl in den Fächern Deutsch,<br />

Mathematik und der ersten Fremdsprache ihre Leistungskurse aus einer sehr<br />

viel breiteren Palette von Fächern zusammenstellen. Dabei ist jede Kombination<br />

zweier Fächer aus dem Pflichtbereich denkbar.<br />

Diese Erweiterung hat den Effekt, dass alle Schülerinnen und Schüler<br />

verstärkt in den Hauptfächern unterrichtet werden und zusätzlich ihren<br />

Interessenschwerpunkt noch individueller einsetzen können als bisher.<br />

Ein Höchstmaß an vertiefter Bildung in den Hauptfächern ist durch die<br />

Wahl von Leistungskursen weiterhin für alle möglich, die dieses wünschen.


Der Ausschuss Gymnasium<br />

verabschiedet das Konzept<br />

des LSBR zur Oberstufenreform<br />

Parallel wird für Schüler, die ihren Schwerpunkt in einem anderen Bereich<br />

setzen möchten, das Niveau in den Hauptfächern angehoben.<br />

Mit dem Erweiterten Kurssystem möchte der Landesschülerbeirat eine<br />

Stärkung sowohl der Haupt- als auch der Nebenfächer herbeiführen. Durch<br />

die Möglichkeit zur individuellen Schwerpunktsetzung soll gewährleistet<br />

werden, dass Unterricht stärker als bisher die persönlichen Interessen der<br />

Schüler widerspiegelt und somit attraktiver wird. Das Erweiterte Kurssystem<br />

hebt für alle Schülerinnen und Schüler das schulische Niveau an, ohne deren<br />

Wahlfreiheit einzuschränken. Einsparung ist also nicht vorgesehen und bei<br />

diesem Modell auch nicht möglich.<br />

Die Kultusministerin hat stets betont, dass es ihr beim Modell des Kultusministeriums<br />

zur Neustrukturierung der Oberstufe nicht um Einsparung<br />

ginge, sondern vielmehr um eine verstärkte Allgemeinbildung der Schülerinnen<br />

und Schüler. Nun hat sie Gelegenheit, dies unter Beweis zu stellen,<br />

indem sie die Schülerinteressen berücksichtigt.<br />

Auf einem Schülerkongress am 12. Mai 1999, bei dem die Schülersprecherinnen<br />

und Schülersprecher aller Gymnasien des Oberschulamtsbezirks<br />

Stuttgart anwesend waren, wurden beide Modelle, das Modell des<br />

Kultusministeriums und das des Landesschülerbeirats, vorgestellt. In voneinander<br />

unabhängigen Arbeitsgruppen wurden die Modelle unter die Lupe<br />

genommen, verglichen und ihre Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen.<br />

Einstimmiges Urteil: Das Modell des LSBR sei besser, weil damit eine<br />

individuellere Schwerpunktsetzung ermöglicht werde.<br />

René Borchert, Pressesprecher des LSBR<br />

V. l. n. r.: Adriane Babel, Vorsitzende;<br />

René Borchert, Pressesprecher;<br />

Andreas Ostheimer, 1. stv. Vorsitzender<br />

Neu bearbeitet und thematisch<br />

erweitert: Leitfaden<br />

für die SMV-Arbeit<br />

Der Leitfaden für die SMV-Arbeit, zum ersten Mal vor über<br />

zehn Jahren erschienen, liegt nun in einer völlig neu bearbeiteten<br />

und thematisch erweiterten Auflage vor. Damals<br />

wie heute ist es das vorrangige Anliegen des Leitfadens, neu<br />

gewählte Schülervertreterinnen und Schülervertreter in die<br />

SMV-Arbeit einzuführen und sie mit den Aufgaben und<br />

Zielsetzungen der Schülermitverantwortung vertraut zu<br />

machen.<br />

Noch mehr als bisher stehen inhaltliche, methodische und<br />

organisatorische Fragen zur Praxis der SMV-Arbeit im Vordergrund:<br />

Was können Schülerinnen und Schüler zur Bereicherung<br />

des Schullebens beitragen? Wie und wo können sie<br />

Mitverantwortung übernehmen? Wie lässt sich dies im<br />

Schulalltag organisieren?<br />

Neu aufgenommen wurden die Themen Wahlen, Schülerparlament,<br />

Teamarbeit und Rollenspiel, Schülermentoren,<br />

Streitschlichtung, selbstständiges Klären von Rechtsfragen,<br />

Arbeit in und mit Gremien sowie Gestaltung von SMV-<br />

Seminaren. Ebenfalls neu sind Tipps zur Zusammenarbeit<br />

der einzelnen SMV’en auf lokaler, regionaler – und im Rahmen<br />

des LSBR – auf Landesebene. Und schließlich bildet die<br />

Kooperation mit der außerschulischen, verbandlichen wie<br />

offenen Jugendarbeit einen weiteren wichtigen Schwerpunkt.<br />

Der Leitfaden kostet 20,– DM und kann beim Oberschulamt<br />

Tübingen, SMV-Beauftragter Reinhold Bronner, Keplerstr. 2,<br />

72074 Tübingen, bezogen werden.<br />

Ziffernoten unverzichtbar!<br />

Der Landesschülerbeirat spricht sich für die Beibehaltung<br />

der Ziffernote aus. Nur sie gewährleistet internationale<br />

Vergleichbarkeit und ermöglicht Transparenz. Gleichzeitig<br />

fordert der Landesschülerbeirat neue Methoden der<br />

Leistungsfeststellung, die auch der Bewertung sozialer<br />

Kompetenz wie Teamarbeit Rechnung tragen.<br />

59


Infobörse<br />

Unterrichtsprojekte zum<br />

<strong>Thema</strong> Jüdisches Leben<br />

in <strong>Baden</strong>-Württemberg<br />

Die alte Stuttgarter Synagoge, 1852<br />

bis 1861 im maurischen Stil erbaut<br />

und in der Reichspogromnacht am<br />

9. November 1938 zerstört<br />

Der jüngere deutsche Durchschnittsbürger – »woher sollte er wissen,<br />

was Judentum ist? Und wenn er aus der Schule etwas über<br />

das Judentum behalten hat, dann war und ist es der Holocaust.<br />

Mehr nicht! Über 1.600 Jahre jüdischer Geschichte in Deutschland<br />

hat er nichts erfahren. Über Holocaust in ausreichendem Maße.«<br />

So Ignatz Bubis, der vor wenigen Wochen verstorbene Präsident<br />

des Zentralrats der Juden in Deutschland. Das kürzlich als Nr. 2/<br />

1999 erschienene Heft von »POLITIK UND UNTERRICHT« mit dem<br />

Titel »Jüdisches Leben in <strong>Baden</strong>-Württemberg. Möglichkeiten zur<br />

Begegnung« will dazu beitragen, den von Bubis beklagten Mangel<br />

zu lindern. Es weist der fächerübergreifenden Behandlung dieses<br />

<strong>Thema</strong>s neue Wege und zielt darauf ab, Schülerinnen und<br />

Schüler – über den Abgrund der Shoa hinweg – zu einer von<br />

Berührungsängsten und Vorurteilen freien Begegnung mit<br />

Menschen jüdischen Glaubens zu befähigen, mit jüdischen<br />

Gleichaltrigen, die in Deutschland leben, und jungen Israelis der<br />

dritten Generation, die zu uns kommen. Neben vielen aufschlussreichen<br />

Text- und Bildmaterialien zur Geschichte und Kultur des<br />

Judentums im deutschen Südwesten skizziert das Heft konkrete<br />

Unterrichtsprojekte, unter anderem zur Planung eines Synagogenbesuchs,<br />

zur historischen Spurensuche am Heimatort oder zur<br />

Durchführung einer deutsch-israelischen Schülerbegegnung.<br />

Bestelladresse:<br />

Landeszentrale für politische Bildung, Redaktion »Politik und<br />

Unterricht«, Stafflenbergstr. 38, 70184 Stuttgart<br />

P.S.: Die neuesten Hefte von PuU können jetzt auch online gelesen<br />

und bestellt werden unter www.lpb.bwue.de/publikat.htm<br />

PC- und Internet-<br />

Führerschein für<br />

die Jugendarbeit<br />

Zeitgemäße Jugendarbeit – undenkbar ohne<br />

solide Kenntnisse und Fertigkeiten im Umgang<br />

mit den Neuen Medien. Um junge Leute, die in<br />

Jugendverbänden, Jugendgruppen, in Initiativen<br />

der offenen Jugendarbeit oder in der Redaktion<br />

von Schülerzeitungen und in der Azubi-Vertretung<br />

Verantwortung ausüben, zu kleinen Multimedia-Profis<br />

aus- und fortbilden zu können, hat<br />

das Kultusministerium an der Landesakademie für<br />

Jugendbildung in Weil der Stadt jüngst ein Medienkompetenzzentrum<br />

eingerichtet. Ausgestattet<br />

mit modernster Hard- und Software bietet das<br />

Medienzentrum maßgeschneiderte Kurse zu einer<br />

Vielzahl von Anwendungsbereichen an: Alles was<br />

mit PC, Text- und Bildverarbeitung, Internet,<br />

Homepage-Gestaltung, Web-Publishing, elektronischem<br />

Mailing, <strong>Online</strong>-Konferenzen oder auch<br />

der Herstellung internationaler Jugendkontakte<br />

via Net zu tun hat, steht auf dem Programm.<br />

Nähere Informationen gibt es beim Landesmedienzentrum<br />

an der Landesakademie für Jugendbildung,<br />

Malerbuckel 8 – 10, 71263 Weil der Stadt;<br />

Tel.: 0 70 33/5 26 90; Fax: 0 70 33/52 69-100;<br />

E-Mail: L-Akademie-Jugendbildung@t-online.de<br />

Schule und<br />

deutsche Einheit<br />

Robert Bosch Stiftung fördert Schulpartnerschaften<br />

zwischen Ost und West<br />

Seit dem Fall der Mauer bildet das <strong>Thema</strong><br />

»Schule und deutsche Einheit« einen Schwerpunkt<br />

in den Fördermaßnahmen der Robert<br />

Bosch Stiftung. Dazu hat die Stiftung eine<br />

Handreichung mit dem Titel »Schule und<br />

deutsche Einheit. Programme und Projekte des<br />

gemeinsamen Lernens und Handelns zwischen<br />

Ost und West« herausgegeben. Darin<br />

sind zahlreiche Beispiele gelungener und<br />

nachahmenswerter Praxis dokumentiert – mit<br />

dem Ziel, noch mehr Schulen in West- wie<br />

Ostdeutschland für gemeinschaftliche Aktivitäten<br />

und Begegnungsprojekte zu gewinnen.<br />

Bezugsadresse: Robert Bosch Stiftung GmbH,<br />

Heidehofstr. 31, 70184 Stuttgart;<br />

Internet: www.Bosch-Stiftung.de<br />

Info-Börse<br />

61


Info-Börse<br />

62<br />

Infobörse<br />

Konfliktmoderation durch<br />

Schüler – ein Videofilm<br />

»SCHLICHTEN statt STREITEN« heißt<br />

ein Videofilm, den das Audiovisuelle<br />

Zentrum der Pädagogischen Hochschule<br />

Heidelberg an der Lessing-Realschule<br />

Freiburg im Rahmen des Programms<br />

»Unterricht 2000« gedreht hat. Das<br />

Video eignet sich insbesondere zur Ausbildung<br />

von Schülerinnen und Schülern<br />

zu Streitschlichtern. Es kann aber auch<br />

bei Elternabenden, schulischen Veranstaltungen<br />

zum <strong>Thema</strong> Gewaltprävention/Soziales<br />

Lernen oder auch an Pädagogischen<br />

Tagen sinnvoll zum Einsatz<br />

kommen.<br />

Der Film (Länge ca. 25 Minuten) kann bei der<br />

Landesbildstelle <strong>Baden</strong> (Rastatter Str. 25,<br />

76199 Karlsruhe; Fax: 07 21/88 08 68) oder bei<br />

den Stadt- und Kreisbildstellen ausgeliehen<br />

oder zum Preis von DM 29,– käuflich<br />

erworben werden.<br />

Datenbank für Jugendarbeit und<br />

Jugendhilfe auf CD-Rom<br />

Die Datenbank mit dem<br />

Titel »Die Projektbörse«<br />

richtet sich in erster Linie<br />

an all diejenigen, die in<br />

<strong>Baden</strong>-Württemberg in<br />

der Jugendarbeit und Jugendhilfe<br />

praktisch tätig<br />

sind. Per Mausklick kann<br />

man sich, regional differenziert,<br />

über mehr als 50<br />

»Branchen« der außerschulischen<br />

Erziehungs- und Bildungsarbeit<br />

im Lande informieren, über Angebote, Aktionen<br />

und Projekte. Neben Projektsteckbriefen und einer<br />

Vielzahl von Informationen, die aus der Sicht der Praxis<br />

wichtig sind, lassen sich Ansprechpartner und Kontaktadressen<br />

rasch recherchieren. Die »Projektbörse« ist allerdings<br />

weit mehr als eine bloße Datensammlung. Darüber<br />

hinaus will sie den Dialog zwischen allen<br />

Beteiligten fördern und auf der Basis von Eigeninitiative<br />

zum Aufbau eines landesweiten Netzwerkes in der<br />

Jugendarbeit und Jugendhilfe beitragen. Alle, die sich an<br />

der Projektbörse beteiligen, erhalten die CD-ROM zum<br />

Selbstkostenpreis von DM 10,– (sonst DM 48,–) beim:<br />

Projektbüro »Projektbörse« der Jugendstiftung <strong>Baden</strong>-<br />

Württemberg, Postfach 1162, 74370 Sersheim;<br />

Fax: 0 70 42/83 17 - 40; E-Mail: Justi-BW@t-online.de<br />

Sehen, was Sache ist,<br />

wissen, was läuft<br />

Perspektiven, Chancen, Möglichkeiten<br />

Die Zukunftschancen für die junge Generation<br />

zu verbessern, ist eines der Hauptanliegen<br />

der Landesregierung von <strong>Baden</strong>-Württemberg.<br />

Mit der Zukunftswerkstatt will das Land,<br />

zusammen mit über 100 Partnern aus den<br />

Bereichen Bildung, Wirtschaft und Industrie,<br />

den Jugendlichen unseres Landes Chancen<br />

aufzeigen, Vorbilder präsentieren und Mut<br />

machen.<br />

Die Zukunftswerkstatt ist Kommunikationsforum<br />

und Top-Infobörse in einem.<br />

Der große Erfolg der Aktion im Vorjahr<br />

belegt dies: Über 25.000 Besucher bei den<br />

Veranstaltungen und über 160.000 Zugriffe<br />

in vier Wochen auf die Internet-Seiten sprechen<br />

für sich.<br />

Junge Leute bis Mitte zwanzig treffen<br />

sich in Medien- und Gründerzentren, innovativen<br />

Unternehmen und Hochschulen.<br />

Neben interessanten Begegnungen und<br />

wichtigen Informationen wird jede Menge<br />

FUN & ACTION geboten. Darüber hinaus<br />

werden tolle Preise verlost.<br />

Die Zukunftswerkstatt macht Station in:<br />

> Heilbronn, Innovationsfabrik (16.10.99)<br />

> Aalen, Wirtschaftszentrum WiZ (16.10.99)<br />

> Villingen-Schwenningen,<br />

Berufsakademie (16.10.99)<br />

> Lörrach, Wirtschaftsförderung<br />

Dreiländereck (16.10.99)<br />

> Reutlingen, Fachhochschule (20.11.99)<br />

> Offenburg, Burda Holding (20.11.99)<br />

Die Zukunftswerkstatt im Internet:<br />

www.starke-zukunft.de<br />

Die Homepage der Zukunftswerkstatt<br />

bietet einen kompletten Über- und tieferen<br />

Einblick: über alle Veranstaltungen, neue<br />

multimediale Berufe, Meinungen, Tipps zur<br />

Selbstständigkeit und Beispiele, wie es andere<br />

geschafft haben – mit interessanten Links<br />

zu Unternehmen, Institutionen und Hochschulen<br />

aus dem Land.<br />

Auf den Seiten werden auch attraktive<br />

Preise verlost.<br />

DASDING, das SWR3 Jugendprogramm<br />

berichtet laufend rund ums <strong>Thema</strong>. Surfen,<br />

sehen und staunen.<br />

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Lebendige Mathematik –<br />

mehr als nur Zahlen!<br />

Posteraktion und Kalenderwettbewerb<br />

zum »World Mathematical Year 2000«<br />

Die International Mathematical Union hat – unter der<br />

Schirmherrschaft der UNESCO – das kommende Jahr zum<br />

»World Mathematical Year 2000« erklärt. Die deutsche<br />

Organisationsgruppe, die sich unter dem Dach der Gesellschaft<br />

für Didaktik der Mathematik gebildet hat, hat sich<br />

vor diesem Hintergrund zum Ziel gesetzt, durch eine Posteraktion<br />

und einen Kalenderwettbewerb im Schuljahr 1999/<br />

2000 zur Popularisierung und Akzeptanzverbesserung der<br />

Mathematik in den Schulen beizutragen. Insbesondere auch<br />

im Blick auf die im internationalen Vergleich nur mittelmäßigen<br />

Mathematikleistungen deutscher Schülerinnen und<br />

Schüler, die die Vergleichsuntersuchung »Third International<br />

Mathematics and Science Study« (TIMSS) zutage gefördert<br />

hat, sollen mit dieser Aktion auch diejenigen Schülerinnen<br />

und Schüler erreicht werden, die bisher keinen oder nur geringen<br />

Zugang zum Fach Mathematik gefunden haben.<br />

Nähere Informationen, auch über den aktuellen Stand der<br />

Aktivitäten, beim Koordinator der deutschen Gruppe »World<br />

Mathematical Year 2000«, Prof. Dr. Hans-Joachim Sander,<br />

Pädagogische Hochschule, Oberbettringer Str. 200, 73525<br />

Schwäbisch Gmünd (E-Mail: Achim.Sander@PH-Gmuend.de)<br />

oder im Internet unter www.uni-giessen.de/gdm/wmy2000/<br />

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Leitfaden zur<br />

Elternbeiratsarbeit<br />

neu aufgelegt<br />

Nicht nur »Neulingen« in der Elternbeiratsarbeit hilft das<br />

bewährte »Handbuch für ElternvertreterInnen«, das vom<br />

Landesverband der Evangelischen Eltern und Erzieher in<br />

Württemberg e.V. herausgegeben wird. Jüngst ist die 7. überarbeitete<br />

Auflage erschienen. Neben grundlegenden Informationen<br />

über die rechtlichen Rahmenbedingungen der Elternmitverantwortung<br />

enthält das Handbuch viele Tipps<br />

und Anregungen zur Durchführung und Gestaltung eines<br />

Elternabends. Außerdem werden problematische Situationen<br />

anhand von Fallbeispielen dargestellt und erörtert.<br />

Das Buch kann zum Preis von DM 16,– bestellt werden beim<br />

Landesverband Evangelischer Eltern und Erzieher in Württemberg<br />

e.V., Unterlimpurger Straße 5, 74523 Schwäbisch Hall<br />

(Tel.: 07 91/71950; Fax: 07 91/717 74) oder bei der<br />

Evangelischen Akademie Bad Boll, 73087 Bad Boll,<br />

Tel.: 071 64/79-0, Fax: 07164/79-440<br />

Landesausstellung zu<br />

Vorderösterreich<br />

auf Station in Freiburg<br />

Die Landesausstellung »Vorderösterreich – nur die Schwanzfeder<br />

des Kaiseradlers?«, die dieses Frühjahr bereits in Rottenburg am<br />

Neckar zu sehen war, kommt nun auch nach Freiburg im Breisgau.<br />

In der »heimlichen Hauptstadt« des ehemaligen Vorderösterreich<br />

wird sie vom 1. Dezember 1999 bis zum 27. Februar 2000 im<br />

Augustinermuseum gezeigt.<br />

Vorderösterreich, der einstige Besitz der Habsburger im deutschen<br />

Südwesten, umfasste zeitweise große Teile des heutigen <strong>Baden</strong>-<br />

Württemberg und des Elsass, von Bayrisch-Schwaben, der Nordschweiz<br />

sowie von Vorarlberg. Es war ein Konglomerat zahlreicher<br />

kleiner und kleinster Territorien, in dem lediglich der Breisgau mit<br />

Freiburg als Mittelpunkt ein größeres zusammenhängendes<br />

Herrschaftsgebiet bildete.<br />

Zum Ausstellungsprogramm gehören, wie<br />

schon in Rottenburg, spezielle Schülerführungen<br />

für verschiedene Klassenstufen.<br />

Nähere Informationen erhalten Sie unter<br />

der Telefon-Nr.: 07 11/279-34 00 oder im<br />

Internet unter www.vorderoesterreich.de<br />

Aus dem Kirchenschatz des Freiburger<br />

Münsters: Votivampel der Erzherzogin<br />

Marie Antoinette aus dem Jahr 1770<br />

Fernseherziehung in der Familie<br />

Trotz des »Siegeszugs« von Computer und Internet ist das Fernsehen in<br />

den Familien immer noch das am häufigsten benutzte Medium. Das Fernsehen<br />

von heute ist mit dem vor 20 Jahren nicht mehr vergleichbar. Unter<br />

anderem gibt es inzwischen eine Vielzahl von TV-Angeboten, die sich ausdrücklich<br />

an Kinder wenden. Wie kann angesichts dieser Entwicklung eine<br />

sinnvolle Fernseherziehung in der Familie aussehen? Worauf sollten Eltern<br />

achten? Antworten darauf finden Eltern – wie Lehrerinnen und Lehrer –<br />

in dem achtseitigen Kompaktwissen »Kind und Fernsehen«, dem neuen<br />

Infoblatt der Aktion Jugendschutz (ajs) zu einer zeitgemäßen Fernseherziehung.<br />

Erhältlich ist es gegen Einsendung eines frankierten Rückumschlags<br />

und 1,– DM in Briefmarken bei der Aktion Jugendschutz (ajs),<br />

Landesarbeitsstelle <strong>Baden</strong>-Württemberg, Stafflenbergstr. 44,<br />

70184 Stuttgart.<br />

»Marktwirtschaft und Persönlichkeit«<br />

Unter diesem Titel haben das Institut für Religionspädagogik Freiburg,<br />

das dortige Staatliche Seminar für Schulpädagogik (Berufliche<br />

Schulen), die Gesellschaft zur Förderung des Nord-Süd-Dialogs (NSD)<br />

Bonn und das Freiburger Walter-Eucken-Gymnasium fächerübergreifende<br />

Unterrichtsmaterialien zur Werteerziehung erarbeitet. Im<br />

Vordergrund steht die Frage nach dem Verhältnis von Wirtschaft und<br />

Ethik, nach dem »Prinzip Verantwortung« im wirtschaftlichen<br />

Handeln, insbesondere auch im Hinblick auf das <strong>Thema</strong> Dritte Welt.<br />

Das 48-seitige Heft kann zum Preis von DM 7,– angefordert<br />

werden beim Institut für Religionspädagogik Freiburg,<br />

Habsburger Str. 107, 79104 Freiburg; Fax: 07 61 /368 20 18.<br />

63


Gute Noten sind<br />

kein Zufall<br />

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● enthalten den kompletten Lernstoff,<br />

•● sind auf die Lehrpläne abgestimmt und<br />

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