Grundregeln der Schriftauswahl

Ein Text über Gletscher sollte eben
nicht aus Buchstaben bestehen, die
wie schmelzendes Eis aussehen etc.
Die Buchstaben sollen nicht den Inhalt
des Textes bildlich darstellen; sie sind
keine Piktogramme (eine Ausnahme
ist das Design von Logos etc.)
Ein rein formaler Gesichtspunkt
für die Schriftwahl ist die Beziehung
der Schriftform zum Textinhalt. Diese
kann klar kontrastieren, exakt oder
nur andeutungsweise übereinstimmen.
Bei literarischen oder historischen
Texten können Sie versuchen,
die Zeitperiode durch die Wahl einer
Schrift aus dieser Epoche zu unterstreichen.
Dies ist häufi g nicht möglich
und auch gar nicht erwünscht.
Oft ist es besser, den grafi schen
Wert der Buchstaben und die daraus
resultierenden Assoziationen auszunutzen
– manche Schriften wirken
glatt und präzise, andere grob. Die
Breite des Grundstrichs und sein Verhältnis
zur Buchstabenhöhe erzeugen
schmale oder breite, fette oder leichte
Buchstaben. Diese Proportionen
und die Fett-leicht-Kontraste lassen
manche Schriften luftig und schlank,
andere dunkel und schwer wirken.
Harte Fakten oder technische Themen
lassen sich z. B. häufi g gut durch eine
einheitliche, nüchtern wirkende serifenlose
Schrift dargestellt. Eine Serifenschrift
eignet sich häufi g gut für
einen menschlichen, emotionalen Ton.
Natürlich sind solche Attribute stets
relativ und nicht jede Schrift kann auf
diese Weise eindeutig charakterisiert
werden.
Um »den rechten Ton zu treffen«,
kann es ein gutes Hilfsmittel sein,
wenn Sie den Text tatsächlich laut
lesen. Auf diese Weise können Sie die
feinen Nuancen der Message aufnehmen.
Oftmals drängt sich die richtige
Schriftwahl dann geradezu auf.
Schriften mischen
Das Mischen von Schriften und
Schriftschnitten ist eine wirksame
Methode der Textgestaltung, die
Kombinationen sind unerschöpfl ich.
Aber nicht alle Schriftarten können
mit harmonischem Ergebnis gemischt
werden. Unproblematisch ist es,
Schriften aus einer Familie, z. B. kursive
und fette Schnitte einer Schrift,
zu mischen. Der Charakter einer gut
gestalteten Schriftfamilie ist überein-
Fit for Publishing | 2 | 2006
stimmend und zueinander passend.
Sie sollten nur vermeiden, zu viele
Schriften miteinander zu mischen, um
Unruhe im Satzgefüge und ein inkonsistentes
Aussehen zu vermeiden.
Günstiger ist es im Allgemeinen, nicht
mehr als zwei oder drei verschiedene
Schriften zu verwenden.
Wenn Sie Schriftarten, die nicht
einer Schriftfamilie zugehören,
miteinander mischen möchten, gibt
es keine vorgefertigten Rezepte. Auf
jeden Fall sollten Sie auf die Formmerkmale
achten – das Mischen von
Schriften aus derselben Gattung wirkt
stets unschön. Vermeiden sollten Sie
es demgemäß z. B, eine Times mit
einer Bodoni zu mischen. Aber auch
eine Renaissance-Antiqua passt meist
nicht zu einer Barock-Antiqua. Und
verschiedene Linear-Antiqua-Varianten,
z. B. Arial und Century Gothic,
wirken miteinander meist ebenfalls
unharmonisch:
Kein schönes Ergebnis – die Grotesk-Schriften Helvetica
und Century Gothic passen nicht zueinander.
Dasselbe gilt für Times New Roman und Garamond.
An der zweiten unharmonischen
Mischung – Times New Roman und
Garamond – lässt sich noch etwas anderes
ablesen. Garamond ist eine eher
lebendige, »laufende« Schrift. Eine
solche Schrift passt nicht zu einer
statischen Schrift wie der Times New
Roman. Aus diesem Grund passen
z. B. die Gill Sans und die Garamond
ganz gut zueinander – beides sind
»laufende« Schriften, die einen deutlichen
Drang nach rechts zeigen. Die
Helvetica und die Times New Roman
hingegen sind »stehende« Schriften,
die ebenfalls zueinander passen:
THEORIE & PRAXIS
Grundsätzlich gilt: Wenn Sie
Schriften mit harmonischem Ergebnis
mischen möchten, sollten Sie auf
einen übereinstimmenden Duktus
achten. Oder Sie gehen einen anderen
Weg: Verwenden Sie Schriften, deren
Duktus so weit auseinander liegt, dass
ein entschiedener Kontrast besteht.
Ein Beispiel dafür zeigt die folgende
Abbildung:
Klare Kontraste können gemischt werden: Futura
Medium und Times New Roman
Außer der Entstehungszeit bietet
die ursprüngliche Gestaltungstechnik
der Schrift eine gute Hilfe für die
Auswahl geeigneter Schriften für die
Mischung – manche Schriften wurden
mit der Breitfeder gestaltet, andere
mit der Pinseltechnik, wieder andere
mit der Spitzfeder (Zeichenfeder)
und schließlich gibt es auch mit der
Graviernadel gestaltete Schriften.
Schriften, die mit derselben Technik
gestaltet wurden, harmonieren eher,
Schriften, die aus unterschiedlichen
Techniken hervorgegangen sind,
hingegen so gut wie nie. So sollten Sie
keine Schriften, die aus der Pinseltechnik
hervorgegangen sind, mit
Schriften, die mit der Graviernadel
entstanden sind, mischen usw. Das
Mischen von Kursiv- und Schreibschriften
sollten Sie ebenfalls vermeiden.
Hier wirkt zudem die normalerweise
abweichende Schräglage
besonders fatal:
Das passt hingegen überhaupt nicht: Unterschiedliche
Schräglagen müssen vermieden werden.
Je stärker übrigens der Größenunterschied
zwischen zwei gemischten
Schriften ist, desto eher können Sie
auch einmal von den üblichen Regeln
abweichen. Isolde Kommer
Links: Gill Sans und Garamond als »laufende« Schriften
harmonieren miteinander, ebenso Helvetica und Times
New Roman – beides eher »stehende« Schriften.
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