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3. Neoklassische Unternehmens- und Haushaltstheorie

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<strong>3.</strong>1 Produktionstheorie 89<br />

<strong>3.</strong> <strong>Neoklassische</strong> <strong>Unternehmens</strong>-<br />

<strong>und</strong> <strong>Haushaltstheorie</strong><br />

Neben den privaten Haushalten <strong>und</strong> dem Staat hatten wir bereits die Unternehmungen als eigenständige<br />

Wirtschaftssubjekte definiert. Die ökonomische Funktion einer Unternehmung<br />

besteht in der Bereitstellung von Gütern, die in der Regel auf Märkten, also an Orten, wo sich<br />

Anbieter <strong>und</strong> Nachfrager treffen, abgesetzt werden. Haushalte bieten Faktorleistungen an <strong>und</strong><br />

fragen Konsumgütern nach.<br />

<strong>3.</strong>1 Produktionstheorie<br />

In diesem Abschnitt werden zunächst die technischen Gr<strong>und</strong>lagen der Produktion, also die<br />

Zusammenhänge zwischen Produktionsmengen <strong>und</strong> Faktoreinsatzmengen beschrieben. Bei<br />

dieser Untersuchung geht es ausschließlich um reale Zusammenhänge. Erst bei der anschließenden<br />

Betrachtung von Kostenfunktionen kommt die monetäre Komponente in Form der<br />

Preise ins Spiel. Nachdem die technischen Zusammenhänge geklärt sind, geht es um die Frage,<br />

unter welchen Bedingungen ein Unternehmen eine bestimmte Zielsetzung, nämlich die<br />

Maximierung seines Gewinns realisiert. Schließlich werden unter diesem Paradigma Aussagen<br />

zur Faktorentlohnung gemacht.<br />

<strong>3.</strong>1.1 Gr<strong>und</strong>begriffe<br />

Den Begriff des ökonomischen Gutes haben wir bereits eingeführt. Im folgenden soll geklärt<br />

werden, wie Güter (synonym: Produkte, Erzeugnisse) entstehen. Die Produktion (synonym:<br />

Herstellung, Erzeugung) von Gütern besteht in der Kombination oder teilweisen Umwandlung<br />

vorhandener Güter, der Produktionsfaktoren. Diesen Umwandlungsprozess nennt man<br />

Produktionsprozess.<br />

In gesamtwirtschaftlicher Betrachtung unterscheidet man die elementaren Produktionsfaktoren<br />

Arbeit, Boden <strong>und</strong> Kapital. Unter Arbeit verstehen wir jede Form menschlicher Arbeit.<br />

Unter Boden fasst man alle natürlichen Gegebenheiten zusammen, wie Gr<strong>und</strong>stücke, Bodenschätze,<br />

Gewässer, Klima, natürliche Fauna <strong>und</strong> Flora. Unter Kapital versteht man den Bestand<br />

an sachlichen Produktionsmitteln, die in der Produktion eingesetzt werden, wie etwa<br />

Maschinen, Gebäude, künstliche Verkehrswege oder Zuchtvieh. Kapitalgüter sind selber Ergebnis<br />

eines Produktionsprozesses. Vom Kapital im hier gebrauchten Sinne, dem sog. Realkapital<br />

(synonym: Sachkapital) muss das Finanz- bzw. Geldkapital 1 unterschieden werden.<br />

Darunter versteht man den Bestand an finanziellen Mitteln, der in Sachkapital umgesetzt wird<br />

bzw. umgesetzt werden kann. Geldkapital ist kein Produktionsfaktor.<br />

Bei dem obigen Ansatz ist nur die Wertschöpfung einer gesamten Volkswirtschaft unter Vernachlässigung<br />

der Vorleistungen relevant. Jedwede Produktion lässt sich als Kombination<br />

mehr oder minder großer Anteile dieser Produktionsfaktoren erklären.<br />

1 Zur Unterscheidung zwischen Geld <strong>und</strong> Geldkapital vgl. Abschnitt 5.5.


90<br />

<strong>3.</strong> <strong>Neoklassische</strong> <strong>Unternehmens</strong>- <strong>und</strong> <strong>Haushaltstheorie</strong><br />

In der einzelwirtschaftlichen Betrachtung unterscheidet man dagegen die Produktionsfaktoren:<br />

- dispositive Tätigkeit (leitende Tätigkeit im Unternehmen)<br />

- ausführende Arbeit (alle auf die Herstellung des Produkts gerichtete menschliche Tätigkeiten<br />

ohne die dispositive)<br />

- Betriebsmittel (Gr<strong>und</strong>stücke, Gebäude, Maschinen, Werkzeuge)<br />

- Werkstoffe (Roh-, Hilfs- <strong>und</strong> Betriebsstoffe)<br />

Werkstoffe unterscheiden sich von den Betriebsmitteln gr<strong>und</strong>sätzlich dadurch, dass sie während<br />

des Produktionsprozesses ihre eigenständige Existenz aufgeben, während Betriebsmittel<br />

nur eine Leistung abgeben aber, von produktionsbedingtem Verschleiß abgesehen, erhalten<br />

bleiben. Rohstoffe sind wesentliche Gr<strong>und</strong>stoffe, die in das Produkt eingehen. Sie werden<br />

entweder in Urproduktion gewonnen, also im Bergbau sowie der Land-, Forst- <strong>und</strong> Fischereiwirtschaft<br />

(beispielsweise Rohöl, Holz, Erze, tierisches Fleisch, tierische Felle <strong>und</strong> Häute)<br />

oder es handelt sich um auf einer Vorstufe erzeugten Produktionsmittel (z.B. Bleche in der<br />

Automobilproduktion). Hilfsstoffe sind geringwertige Güter, die in der Regel in das Produkt<br />

eingehen (z.B. Schrauben, Schweißmaterial oder sonstige Kleinteile in der Automobilherstellung).<br />

Betriebsstoffe werden im Produktionsprozess verbraucht, ohne in das Produkt einzugehen<br />

(z.B. Erdgas zur Gewinnung von Prozesswärme). Im Folgenden arbeiten wir in der einzelwirtschaftlichen<br />

Betrachtung mit den betriebswirtschaftlichen Faktorbegriffen.<br />

Das physische Ergebnis der Produktion nennt man Ertrag (synonym: Ausbringungsmenge<br />

oder Output). Der Ertrag ist also eine Menge, kein Wert! 2 Die Einheiten, in denen der Ertrag<br />

gemessen wird, können Stück sein (z.B. Automobile), Gewicht (z.B. dz Getreide) oder Volumen<br />

(z.B. m 3 Sand). Der Ertrag ist selbstverständlich periodenabhängig, er ist eine Stromgröße.<br />

Den Zusammenhang zwischen der Ausbringungsmenge in einer bestimmten Zeitspanne<br />

<strong>und</strong> dem dafür technisch notwendigen Faktoreinsatz beschreibt man formal durch eine Produktionsfunktion.<br />

Eine solche Produktionsfunktion könnte sein:<br />

Weizenmenge = f(Saatgut, Arbeit, Boden, Dünger, Regen, Sonnenschein...)<br />

Wie man sieht, wirken an der Produktion ggf. freie Faktoren mit, im Beispiel etwa Regen<br />

oder Sonnenschein. Die freien Faktoren haben den Vorteil, einen Preis von Null zu haben.<br />

Insbesondere in der Landwirtschaft ist ihr Nachteil, dass sie im allg. unkontrollierbar sind. In<br />

einer Trockenperiode muss mangelnder Regen durch künstliche Bewässerung ersetzt werden.<br />

Regnet es zuviel, fehlt Sonnenschein <strong>und</strong> die Temperaturen sind ggf. für das Wachstum des<br />

Weizens unzureichend <strong>und</strong> die Ernte fällt schlecht aus.<br />

2 Unter einem Wert verstehen wir das Produkt aus einer Mengen- <strong>und</strong> einer Preiskomponente.


<strong>3.</strong>1 Produktionstheorie 91<br />

<strong>3.</strong>1.2 Produktionsfunktionen<br />

Im folgenden unterstellen wir eine Einproduktunternehmung. Den Ertrag einer Periode bezeichnen<br />

wir mit q (q für Quantität). Zur Herstellung des Gutes seien n Produktionsfaktoren<br />

X1, X2, ..., Xn nötig. 3 Die Faktoreinsatzmengen seien mit x1, x2,..., xn bezeichnet. Ist f das<br />

Symbol für die mathematische Darstellung der Produktionsfunktion, dann gilt: 4<br />

q = f(x1,x2,...,xn) (<strong>3.</strong>1)<br />

Die Produktionsfunktion beschreibt mathematisch den Zusammenhang zwischen dem Ertrag<br />

einer Periode <strong>und</strong> dem zur Erzeugung des Ertrages notwendigen Faktoreinsatz, wobei die<br />

Produktionsfaktoren im Sinne des ökonomischen Prinzips effizient eingesetzt werden sollen.<br />

Jeder Faktorkombination wird also der maximal mögliche Ertrag zugeordnet. Fassen wir zusammen:<br />

Eine Produktionsfunktion ist eine Relation, die periodenbezogen jeder Faktorkombination<br />

den technisch maximal möglichen Ertrag zuordnet.<br />

Um die Analyse einfach zu gestalten <strong>und</strong> vor allem einer grafischen Darstellung zugänglich<br />

zu machen, beschränken wir uns im folgenden auf zwei Produktionsfaktoren, die wir mit X<br />

bzw. Y <strong>und</strong> ihre Mengen mit x bzw. y bezeichnen. Ein einfaches Beispiel für eine Produktionsfunktion<br />

ist die Cobb-Douglas-Funktion: 5<br />

q = �x � y 1-� (0 < ��< 1, 0 < �) (<strong>3.</strong>2)<br />

� ist der sog. Niveau- oder Skalierungsparameter. Man unterstellt, dass sowohl die Faktoren<br />

als auch der Ertrag beliebig teilbar sind. 6 Beschreibt diese Funktion den technischen Zusammenhang<br />

zwischen Ertrag <strong>und</strong> Faktoreinsatzmengen, so sieht man sofort, dass verschiedene<br />

Faktorkombinationen den gleichen Ertrag hervorbringen können. Man kann also von einem<br />

Faktor weniger <strong>und</strong> statt dessen vom anderen Faktor dergestalt mehr einsetzen, dass der Ertrag<br />

unverändert bleibt. Produktionsfaktoren mit dieser Eigenschaft nennt man substituierbar.<br />

Bedingen Faktoren einander, so heißen sie komplementär. Bei einer Cobb-Douglas-<br />

Funktion kann, wie das Beispiel zeigt, mit einem Faktor alleine nichts produziert werden. Also<br />

sind die Faktoren im obigen Sinne nicht nur substituierbar, sondern auch komplementär.<br />

Wir wollen dies am numerisch spezifizierten Beispiel einer Cobb-Douglas-Funktion studieren:<br />

q = 10�x 0,6 y 0,4<br />

Die Tabelle <strong>3.</strong>1 zeigt einige Erträge in Abhängigkeit von bestimmten Faktorkombinationen,<br />

wobei wir uns auf wenige, ganzzahlige Faktormengen beschränken wollen.<br />

3<br />

Hierzu können auch freie Güter, z.B. Luft gehören.<br />

4<br />

Auf eine Zeitindizierung wird verzichtet; die Produktionsperiode sei fest <strong>und</strong> bekannt.<br />

5<br />

Benannt nach den amerikanischen Ökonomen C.W. COBB <strong>und</strong> P.H. DOUGLAS, die diese Funktion 1928 in<br />

einem Aufsatz vorstellten.<br />

6 2<br />

Mathematisch werden Produktionsfunktion im allgemeinen als stetige Funktion f:�0,�� ��IR definiert.


92<br />

<strong>3.</strong> <strong>Neoklassische</strong> <strong>Unternehmens</strong>- <strong>und</strong> <strong>Haushaltstheorie</strong><br />

Tab. <strong>3.</strong>1: Ausgewählte Werte der Cobb-Douglas-Produktionsfunktion q=10x 0,6 y 0,4<br />

x/y 1 2 3 4 5 6 7 8<br />

1 10,0 13,2 15,5 17,4 19,0 20,5 21,8 23,0<br />

2 15,2 20,0 23,5 26,4 28,9 31,0 33,0 34,8<br />

3 19,3 25,5 30,0 33,7 36,8 39,6 42,1 44,4<br />

4 23,0 30,3 35,7 40,0 43,7 47,0 50,0 52,8<br />

5 26,3 34,7 40,8 45,7 50,0 53,8 57,3 60,3<br />

Die Kombinationen (x,y) = (1,8) <strong>und</strong> (x,y) = (4,1) bringen z.B. den gleichen Ertrag q = 23<br />

hervor. Ebenso liefern die beiden Kombinationen (x,y) = (4,7) <strong>und</strong> (x,y) = (5,5) jeweils den<br />

Ertrag q = 50. Offensichtlich kann man Produktionsfaktoren gegeneinander austauschen <strong>und</strong><br />

trotzdem den gleichen Ertrag hervorbringen. Die Faktoren sind also substituierbar. Wir werden<br />

uns im Folgenden vorrangig mit Produktionsfunktionen beschäftigen, die eine solche<br />

Substitution von Produktionsfaktoren zulassen. Um die Zusammenhänge zwischen den Faktoren<br />

zu verdeutlichen, stellen wir sie grafisch dar.<br />

y 0<br />

y<br />

x 0<br />

Abb. <strong>3.</strong>1: Faktor-Koordinatensystem<br />

Die Abbildung <strong>3.</strong>1 zeigt das zweidimensionale Faktor-Koordinatensystem. Jede Faktorkombination,<br />

oben etwa die Kombination (x0,y0), lässt sich als einen Punkt in diesem Koordinatensystem<br />

darstellen. Jeder Kombination der Faktoren ist gemäß der oben beschriebenen Produktionsfunktion<br />

q = f(x,y) eindeutig eine Ertragsmenge q0 = f (x0,y0) zugeordnet. Um dies<br />

grafisch darzustellen, müssen wir eine dritte Koordinatenachse einführen, also eine dreidimensionale<br />

Darstellung wählen. Dieses Koordinatensystem nennen wir Produktionsfunktions-<br />

Koordinatensystem.<br />

x


<strong>3.</strong>1 Produktionstheorie 93<br />

x<br />

x 0<br />

q 0<br />

q<br />

y 0<br />

(x ,y )<br />

0 0<br />

Abb. <strong>3.</strong>2: Produktionsfunktions–Koordinatensystem<br />

In der Abbildung <strong>3.</strong>2 ordnen wir der Faktorkombination (x0,y0) den Ertrag q0 = f(x0,y0) zu. Dieser<br />

Wert wird auf der q-Achse (Ertragsachse) abgetragen. Konstruiert man dies für alle denkbaren<br />

Faktorkombinationen (x,y), so erhält man als Graph der Produktionsfunktion das Ertragsgebirge.<br />

In der Abbildung <strong>3.</strong>3 ist das Ertragsgebirge der Funktion q = 10⋅x 0,6 y 0,4 dargestellt.<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0 0<br />

2<br />

4<br />

5<br />

Abb.: <strong>3.</strong>3 Ertragsgebirge<br />

Um komplizierte dreidimensionale Darstellungen zu vermeiden, greift man zu einem Trick,<br />

der auch in der Geographie angewandt wird. Auf einer zweidimensionalen Landkarte beschreibt<br />

man die Topographie des Geländes durch sog. Höhenlinien. Eine Höhenlinie beschreibt<br />

alle Punkte des Geländes, welche die gleiche Höhe über NN haben.<br />

In der Abbildung <strong>3.</strong>4 tragen wir das Ertragsniveau q0 = 40 ab. Die dunkle Linie auf dem Ertragsgebirge<br />

gibt den horizontalen Schnitt durch das Ertragsgebirge für das Ertragsniveau<br />

q0 = 40 an. Alle Faktorkombinationen (x,y), die senkrecht unterhalb dieser Linie liegen, bringen<br />

den gleichen Ertrag, nämlich q = 40 hervor. Man projiziert nun diese Linie senkrecht nach<br />

0<br />

2<br />

4<br />

y<br />

6<br />

8


94<br />

<strong>3.</strong> <strong>Neoklassische</strong> <strong>Unternehmens</strong>- <strong>und</strong> <strong>Haushaltstheorie</strong><br />

unten auf die x-y-Ebene. Die so entstehende Ortslinie der Faktorkombinationen, die alle den<br />

Ertrag q = 40 hervorbringen, heißt Isoquante.<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0 0<br />

2<br />

4<br />

5<br />

Abb. <strong>3.</strong>4: Isoquantenkonstruktion<br />

Bestimmt man die Isoquanten für beliebige Ertragsniveaus, so erhält man eine Isoquantenschar.<br />

In der Abbildung <strong>3.</strong>5 wird eine Isoquantenschar für die Funktion q = 10⋅x 0,6 y 0,4 dargestellt.<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

y<br />

5<br />

5<br />

10<br />

5<br />

15<br />

10<br />

15<br />

20<br />

20<br />

25<br />

15<br />

10<br />

30<br />

25<br />

20<br />

35<br />

30<br />

25<br />

0 1 2 3 4 5<br />

40<br />

Abb. <strong>3.</strong>5: Isoquantenschar der Produktionsfunktion q=10x 0,6 y 0,4<br />

35<br />

15<br />

0<br />

45<br />

30<br />

2<br />

40<br />

20<br />

50<br />

4<br />

35<br />

45<br />

55<br />

25<br />

6<br />

60<br />

8<br />

x

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