PSC 8-9-10 - bei der Föderation der Schweizer Psychologinnen und ...
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08<br />
DOSSIER: Dementielle Erkrankungen<br />
PSYCHOSCOPE 8-9/20<strong>10</strong><br />
Bewusstsein für<br />
Emotionen<br />
Psychologische Aspekte <strong>der</strong> ambulanten Demenzar<strong>bei</strong>t<br />
Der Umgang mit Demenz stellt auch<br />
in ambulanten Tätigkeitsfel<strong>der</strong>n eine<br />
wachsende Herausfor<strong>der</strong>ung dar. Franjo<br />
Ambrož, Psychologe <strong>und</strong> Geschäftsleiter<br />
von Pro Senectute Kanton Zürich,<br />
befürwortet im Psychoscope-Interview<br />
die Umsetzung interdisziplinärer Handlungskonzepte,<br />
wozu auch intensivere<br />
psychologische Schulung gehört.<br />
Franjo Ambrož, im Jahr 2005 hat Pro<br />
Senectute Kanton Zürich mit <strong>der</strong> Fachstelle<br />
für Demenzfragen (s. Kasten S. 9) ein<br />
ambulantes Angebot im Demenzbereich<br />
eingerichtet. Vorangehend war im Zusammenhang<br />
mit den steigenden Zahlen von<br />
Betroffenen sowohl <strong>bei</strong> Angehörigen wie<br />
<strong>bei</strong> den eigenen Mitar<strong>bei</strong>tenden <strong>und</strong> in<br />
<strong>der</strong> Fachwelt ein hoher Bedarf an Sensibilisierung<br />
<strong>und</strong> Aufklärung konstatiert worden.<br />
Wie würden Sie die aktuelle Situation<br />
beschreiben?<br />
Auch heute noch stehen sowohl Angehörige<br />
wie Direktbetroffene unter hoher Belastung<br />
<strong>und</strong> auch Fachleute tun sich mit<br />
dem Thema nach wie vor schwer. Das<br />
möchte ich aber nicht abwertend verstanden wissen,<br />
denn aktuell ist eine immense Entwicklung im Gang:<br />
Der Sensibilisierungsgrad ist eindeutig höher, sowohl<br />
<strong>bei</strong> den Angehörigen wie <strong>bei</strong> den Fachleuten. Wir merken<br />
dies daran, dass unsere Sozialar<strong>bei</strong>tenden <strong>und</strong><br />
Spitex-Mitar<strong>bei</strong>tenden häufiger die Nachfrage nach<br />
Beratung zu diesem Thema zurückmelden.<br />
Gemäss Alzheimer-Vereinigung besteht <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Prävalenz<br />
von Demenzerkrankungen eine hohe Dunkelziffer resp.<br />
wird die Diagnose <strong>bei</strong> ca. einem Drittel <strong>der</strong> Betroffenen<br />
gar nicht gestellt: Wie erklären Sie sich das?<br />
Eine Abklärung findet aus verschiedenen Gründen<br />
nicht statt. Zum einen passieren Verän<strong>der</strong>ungen schleichend,<br />
werden bagatellisiert o<strong>der</strong> mit plausiblen Erklä-<br />
rungsmustern kommentiert, <strong>und</strong> zwar von Betroffenen<br />
wie Angehörigen. Zudem verläuft die Erkrankung<br />
zickzack-förmig. Findet die ärztliche Untersuchung<br />
an einem «guten Tag» statt, hat <strong>der</strong> Patient «alles im<br />
Griff» <strong>und</strong> die Beeinträchtigungen sind nur schwer erkennbar.<br />
Betroffene entwickeln häufig Kompensationsstrategien<br />
<strong>und</strong> können so schwierige Situationen «überspielen».<br />
Stereotype Redewendungen <strong>und</strong> ein gewisses<br />
Vermeidungsverhalten lassen Defizite lange Zeit unbemerkt.<br />
Man schämt sich, hat Versagensängste <strong>und</strong> ein<br />
sozialer Rückzug kann auch schützen. Somit nimmt<br />
die Aussenwelt kognitive Einbussen nur verzögert wahr.<br />
Ferner hat eine allgemeine Tendenz zur Medizinalisierung<br />
zur Folge, dass <strong>der</strong> soziale Kontext von Demenzerkrankungen<br />
häufig zu wenig berücksichtigt wird.<br />
So sind zum Beispiel Memory-Kliniken oft an psychiatrische<br />
Kliniken angeglie<strong>der</strong>t, was einen stigmatisierenden<br />
Effekt haben kann.<br />
Und es gibt auch nach wie vor Äusserungen von Fachkräften<br />
<strong>und</strong> Angehörigen, wonach «Demenz zum Älterwerden<br />
einfach dazugehöre» <strong>und</strong> «man nichts tun<br />
könne». Häufig opfern sich Angehörige auf, bis sie selber<br />
krank werden <strong>und</strong> stationäre Eintritte <strong>der</strong> an Demenz<br />
erkrankten Menschen notfallmässig erfolgen<br />
müssen. Pflegende Angehörige haben nachweislich ein<br />
erhöhtes Risiko für Schlafstörungen, kardiovaskuläre<br />
Erkrankungen – <strong>und</strong> auch für Depressionen.<br />
Hilfe holen bedeutet ja auch, die eigene Hilflosigkeit<br />
zuzugeben, was mit Statusverlust verb<strong>und</strong>en ist ...<br />
Obwohl sich heute sicher mehr Leute als früher eine<br />
allfällige Überfor<strong>der</strong>ung eingestehen können, spielt<br />
das «ich muss damit selber fertig werden» <strong>bei</strong> den Angehörigen<br />
noch immer eine wichtige Rolle. Selbst<br />
wenn intellektuell die Notwendigkeit für Beratungsangebote<br />
im Demenzbereich generell eingesehen wird,<br />
bedeutet es häufig noch einen grossen Schritt, ein entsprechendes<br />
Angebot in Bezug auf den Partner o<strong>der</strong><br />
die eigene Mutter, den eigenen Vater in Anspruch zu<br />
nehmen.<br />
Krankheiten werden bisweilen als quasi selbstverschuldete<br />
«Strafe (Gottes)» verstanden, das damit verb<strong>und</strong>ene