PSC 8-9-10 - bei der Föderation der Schweizer Psychologinnen und ...
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06<br />
DOSSIER: Dementielle Erkrankungen<br />
PSYCHOSCOPE 8-9/20<strong>10</strong><br />
zunimmt. In epidemiologischen Populationen zeigen<br />
sich vor allem mit <strong>der</strong> Zunahme <strong>der</strong> Schwere <strong>der</strong> Demenz<br />
Korrelationen mit dem Auftreten von Agitation/<br />
Erregung, abweichendem motorischem Verhalten <strong>und</strong><br />
Halluzinationen.<br />
Verschiedene Studien im Bereich Neuroimaging belegen<br />
die differenzierten Zusammenhänge zwischen neuropsychiatrischen<br />
Symptomen <strong>und</strong> den involvierten<br />
Funktionsverän<strong>der</strong>ungen im Gehirn. Da<strong>bei</strong> scheint insbeson<strong>der</strong>e<br />
im Zusammenhang mit Apathie eine reduzierte<br />
Aktivität im anterioren cingulären Kortex, im orbitofrontalen<br />
Kortex <strong>und</strong> im rechten temporoparietalen<br />
Kortex belegt. Auch die fortschreitenden cholinergen<br />
Defizite (Abbau des Neurotransmitters Acetylcholin)<br />
dürften eine wichtige Rolle in <strong>der</strong> Ausbildung von neuropsychiatrischen<br />
Symptomen in <strong>der</strong> Alzheimer-Demenz<br />
spielen.<br />
Spezialfall frontotemporale Demenz<br />
Bestandteil <strong>der</strong> diagnostischen Kriterien sind neuropsychiatrische<br />
Symptome dagegen <strong>bei</strong> selteneren Demenzen<br />
mit in <strong>der</strong> Regel Erkrankungsbeginn zwischen<br />
45 <strong>und</strong> 60 Jahren, wie etwa <strong>der</strong> frontotemporalen Demenz:<br />
Diese Demenzform ist von Anfang an gekennzeichnet<br />
durch Verhaltens- <strong>und</strong> Persönlichkeitsstörungen<br />
wie Enthemmung, Impulsivität, Apathie, Verlust<br />
von Empathie <strong>und</strong> Einsichtsfähigkeit sowie Störungen<br />
<strong>der</strong> Selbstwahrnehmungs- <strong>und</strong> Selbstregulationsfähigkeiten.<br />
Im Vergleich zu Menschen mit Alzheimer-<br />
Demenz kommt es hier <strong>bei</strong> recht guten Gedächtnisleistungen<br />
zudem sehr früh im Krankheitsverlauf zu<br />
stereotypen Verhaltensweisen, Hyperoralität, Hypersexualität,<br />
Vernachlässigung <strong>der</strong> persönlichen Hygiene<br />
sowie Einschränkungen <strong>der</strong> Kritik- <strong>und</strong> Urteilsfähigkeit.<br />
Erfasst werden die Symptome dieser spezifischen<br />
Demenzen mit dem Frontal Behavioural Inventory von<br />
Kertesz. Dieses erlaubt fremdanamnestisch eine Quantifizierung<br />
<strong>der</strong> neuropsychiatrischen Symptome <strong>und</strong><br />
gibt Hinweise auf die Differenzialdiagnose sowie die<br />
Alltags- <strong>und</strong> Sozialkompetenz.<br />
Entlastung <strong>und</strong> Lebensqualität<br />
Vor allem diese schwerwiegenden organisch bedingten<br />
Verhaltens- <strong>und</strong> Persönlichkeitsstörungen führen im<br />
Verlauf <strong>der</strong> Demenzerkrankung <strong>bei</strong> Erkrankten <strong>und</strong><br />
Angehörigen zum Verlust von Lebensqualität sowie zu<br />
stark erhöhter Belastung <strong>der</strong> Pflegenden. Ziele <strong>der</strong> Behandlung<br />
von neuropsychiatrischen (<strong>und</strong> neurokognitiven)<br />
Symptomen sind deshalb immer die Stress-/Belastungsreduktion<br />
<strong>bei</strong> allen Beteiligten, das Erzeugen<br />
von physischem <strong>und</strong> psychischem Wohlbefinden, <strong>der</strong><br />
Erhalt <strong>der</strong> kognitiven <strong>und</strong> emotionalen Kompetenzen<br />
sowie <strong>der</strong> grösstmöglichen Selbständigkeit im Alltag.<br />
Dazu kommen die Verhin<strong>der</strong>ung von sozialer Isolati-<br />
on, das Verbessern <strong>der</strong> Lebensqualität, das Hinausschieben<br />
einer Institutionalisierung <strong>und</strong> somit auch<br />
die Reduk tion von Kosten. Die Behandlungsmassnahmen<br />
müssen immer mit den Angehörigen/Pflegenden<br />
abgestimmt werden. Wenn immer möglich, werden<br />
nichtmedikamentöse Massnahmen vor einer medikamentösen<br />
Behandlung aufgebaut o<strong>der</strong> es wird eine<br />
Kombination <strong>bei</strong><strong>der</strong> Möglichkeiten angestrebt.<br />
Medikamentöse Behandlung<br />
Am Anfang <strong>der</strong> medikamentösen Behandlung von Demenzerkrankungen<br />
steht optimalerweise eine angepasste<br />
antidementive Therapie mit Cholinesterasehemmern:<br />
Auch noch im fortgeschrittenen Stadium einer<br />
Demenz bringen diese antidementiven Wirksubstanzen<br />
signifikante Effekte in <strong>der</strong> Behandlung von neuropsychiatrischen<br />
Symptomen. Gemäss regelmässiger<br />
<strong>und</strong> umfassen<strong>der</strong> Studien ist <strong>der</strong>en Nutzen für die Demenz<br />
mit Lewy-Körperchen, die Demenz <strong>bei</strong> Morbus-Parkinson<br />
<strong>und</strong> die Alzheimer-Demenz belegt, <strong>bei</strong><br />
letzterer sowohl im Bereich von Halluzinationen <strong>und</strong><br />
Apathie wie auch <strong>bei</strong> Depressionen. Möglich ist im<br />
Weiteren die Behandlung von vor allem psychotischen<br />
Symptomen <strong>und</strong> Erregung/Aggression mit atypischen<br />
Neuroleptika. Die besten Effekte werden für Olanzapin<br />
<strong>und</strong> Risperidon angegeben, allerdings mit erhöhten Nebenwirkungen<br />
wie einem verstärkten Risiko für cerebrovaskuläre<br />
Ereignisse. Kaum effektiv ist Studien zufolge<br />
dagegen <strong>der</strong> Einsatz klassischer Antidepressiva im<br />
fortgeschrittenen Stadium einer Demenzerkrankung.<br />
Nichtmedikamentöse Massnahmen<br />
Im Rahmen nichtmedikamentöser Interventionen zielen<br />
psychosoziale Massnahmen darauf ab, die Umgebung<br />
den Patientinnen <strong>und</strong> Patienten anzupassen<br />
sowie das Verhalten <strong>der</strong> Angehörigen/Pflegenden zu<br />
schulen <strong>und</strong> zu verän<strong>der</strong>n. Zur Milieutherapie gehört<br />
u.a. die Gestaltung <strong>der</strong> Umgebung mittels Musik, Licht<br />
<strong>und</strong> Einrichtung, eine angepasste Tagesstruktur <strong>und</strong><br />
<strong>der</strong> Aufbau von geeigneten Aktivitäten, wie z.B. regelmässige<br />
Bewegung, sensorische <strong>und</strong> kognitive Stimulation,<br />
Therapie mit Tieren etc. Eine für demente Menschen<br />
geeignete Umgebung sollte Sicherheitsgefühl<br />
vermitteln, Stressgefühle vermeiden, vorhandene Kompetenzen<br />
unterstützen, Konflikte vermeiden helfen,<br />
Aktivitäten <strong>und</strong> soziale Kontakte anregen sowie individuelle<br />
Vorlieben unterstützen <strong>und</strong> nutzen.<br />
Die psychotherapeutischen Massnahmen zielen<br />
darauf ab, den Betroffenen <strong>und</strong> ihrem Umfeld emotionale<br />
Unterstützung zur besseren Krankheitsbewältigung<br />
anzubieten, wie u.a. durch Gruppenpsychotherapie,<br />
Validation, Verhaltenstherapie, Musiktherapie <strong>und</strong><br />
Angehörigenprogramme. Im Zentrum steht da<strong>bei</strong> das<br />
Vermitteln von Wertschätzung, Zuwendung <strong>und</strong> Un-